[D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

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    #21
    AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

    Ich habe eben eine Karte gefunden, auf welcher der Wanderweg, den ich gelaufen bin, drauf ist. Dieser Karte nach gehört der Wald bei Neufchateau anscheinend nicht zum Parc Foret d´Anlier, obwohl das auf der Hinweistafel am Beginn des Weges stand. Neufchateu liegt zwischen der N 40 und der N 85. Verlängert man die E 25 weiter nach links unten, findet man den Ort. Der Wanderweg führte um den Bois d´Ospau herum. Der Umweg führte mich nach Grapfontaine. http://www.parcnaturel.be:8080/walka...ocus=754975969.
    Insgesamt bin ich an dem Tag mit allen Umwegen ungefähr 10 bis 12 Kilometer gelaufen. Wenn ich irgendwann einmal den Track ausgewertet habe, kann ich es ganz genau sagen.
    Oha.
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      #22
      AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

      Samstag, den 10.09.2016 Bois d´Ospau


      In dem Mietshaus gegenüber wohnt ein alter Mann. Die Kinder fürchten sich. Er ist böse, das wissen sie genau. Man munkelt, er stehle Kinder.
      Als Mutprobe wagen sie sich die Treppen hinauf. Im Haus der Geruch von Bohnerwachs, die Stufen knarren. Hinter dieser Tür wohnt er, flüstern sie. Doch Sehen und Hören tut man nichts.
      Da geht auf einmal die Wohnungstür auf. Der alte Mann schaut ins Treppenhaus. Die Kinder poltern die Treppen hinab. Nur das Kind bleibt wie angewurzelt stehen. Und weiß, es ist verloren. Der Mann schaut es prüfend an, das Gesicht zu einem Lächeln verzerrt. Dann sagt er: „Warte mal“ und tatsächlich bleibt das Kind folgsam stehen. Er dreht sich um und drückt ihm eine Portion Erdnüsse in die Hand und nun läuft polternd auch es davon. Es sagt noch nicht einmal Danke. Weiter oben schließt sich die Tür. Ob die Erdnüsse wohl vergiftet sind? Das Kind kann dennoch nicht widerstehen und stopft sie in sich hinein.

      Am Abend ist ihm furchtbar schlecht. Das war der alte Mann. Einen Moment dachte es, er hätte es gut gemeint, aber die anderen Kinder hatten Recht. Er wollte es vergiften. Kinder mag er nicht.
      Etwas später erzählt die Mutter, sie hätte ihn getroffen. Es täte ihm leid, die Erdnüsse waren vielleicht schon zu alt. Er würde schön grüßen und sich höflichst beim Kind entschuldigen. Lange denkt das Kind über die Worte nach. Vielleicht war der Mann gar nicht böse, sondern einfach nur einsam und furchtbar, furchtbar alt. Als es beschließt, ihn noch einmal besuchen zu gehen, ist der alte Mann bereits gestorben. Zu spät.



      Am Morgen besuche ich das stille Örtchen an der Flusswiese. Es ist kalt. Am Waschbecken wasche ich meine Hände. Ein Schuh ist offen, und ich bücke mich. Als ich mich aufrichte, schießt Schmerz in meinen Rücken. Hexenschuss. Auch das noch. Immerhin fehlt der Baustellenlärm. Ich frühstücke.





      Bewegung soll laut Internet in diesem Fall gut sein, und so schleiche ich vorsichtig nach oben und verlängere einen weiteren Tag. (Encore).

      Die Sonne wärmt und Fischschwärme genießen das warme Wasser des Sees.





      Nach irgendeiner mir unerfindlichen Logik wechseln sie von Zeit zu Zeit fluchtartig die Richtung und jagen davon. Dann verteilen sie sich wieder in lockerer Formation. Ab und zu taucht auch ein größerer Fisch auf. Plopp. Weg ist er.











      Umkleidekabine.





      Zwei Kinder kommen und spielen am Strand. Ich gehe zurück zum Zelt und lege mich in den Schatten meiner Poncho-Groundsheet-Konstruktion.





      Mein Kreuz schmerzt höllisch. Balkenschmuck.





      Gegen Mittag geht es mir etwas besser, und ich beschließe, noch ein wenig Wandern zu gehen.





      Wieder der Abhang.





      Dahinter ist der Campingplatz.





      Das Licht ist jetzt anders. Es ist, als hätte ich die Gegend nie gesehen.





      Ein wenig ruhe ich auf der Bank aus, um die Schmerzen zu lindern. Dann gehe ich den den Weg hinab.











      Der Weg endet an einer Landstraße. Es muss hier irgendwo weitergehen, aber ich sehe die Fortsetzung nicht. Menschen, die ich fragen könnte, gibt es nicht. Verzweifelt suche ich im Netz nach topographischen Karten. Verdammt. Blöde Technik. Immer wenn man das Zeug mal braucht, findet man nichts. Autos rasen an mir vorbei. Nicht viele. Aber einige.
      Ich spähe die Randstreifen ab, aber ich kann keine Einmündung erkennen. Wieso kann man den Weg nicht nach beiden Seiten ausschildern? Die Karte, die ich am See wohlweislich fotografiert hatte, hilft auch nicht weiter. Es ist nur eine schematische Zeichnung. Der Weg müsste genau vor mir sein. Ich sehe ihn aber nicht!

      Ich beruhige mich damit, dass angesichts meines Rückens der Weg sowieso zu lang ist. So schaue ich kurz nach dem zweiten Campingplatz, auf dem ich fast gelandet wäre, wenn ich nicht gewendet hätte. Er gefällt mir nicht so gut. Der See fehlt. Ich steige nun wieder den steilen Weg nach oben.





      Schreie hallen durch die Luft. Die Raubvögel sind wieder da. Leichtfüßig springt ein junger Mann von oben den steinigen Weg hinab, stutzt an der Straße und quert sie anscheinend. Genau kann ich das nicht sehen. Hätte ich nicht Rücken, wäre ich hinterhergerannt. Er scheint gefunden zu haben, wo es lang geht. Hätte er nicht früher kommen können?








      Fasziniert höre ich dem Rufen der Raubvögel zu. Für Fotos sind sie viel zu weit.





      Ich steige weiter hinauf.








      Und suche mir auf einem Baumstumpf einen Platz in der Sonne.





      Spannend, was sich so alles an Tieren um einen herum herumtreibt, wenn man einfach nur still sitzen bleibt. Viele sind perfekt an ihre Umwelt angepasst. Vor allem Grashüpfer und kleine Insekten. Vater und Sohn rasen den Berg hinab. Fahrräder sind verdammt laut, fällt mir auf. Der Antrieb. Noch nicht einmal die Steine, die zur Seite fliegen. Ein technisches Surren. Viel zu laut.





      Ich ringe mit mir, ob ich die Strecke von gestern noch einmal gehe. Aber als ich mich erhebe, steht die Entscheidung fest. Die drei, vier Kilometer heute reichen auch. Für Rekorde ist ein andermal Zeit. Erst einmal muss der Rücken heilen.











      Leuchtgras.





      Der erste Pilz.





      Wo kommt die denn her?





      Und noch ein Pilz.








      In drei Monaten und ein paar Tagen ist Weihnachten.





      Ich lege meinen Stock in den Wald zurück und merke mir die Stelle. Ob wir uns jemals wiedersehen? Noch ein letzter Blick auf die Schautafel. Ich hätte genauer suchen sollen. Eine Reiterin biegt in den Seeweg ein.





      Vermutlich werde ich morgen fahren. Dabei ist es wirklich nett hier.





      Ich esse Nudeln mit Vache kiri und Salami, die im Motorradkoffer von der Sonne erhitzt wurde. Die Nachbarn kommen herüber und bieten mir eine Liegestuhlunterlage an, damit es meinem Rücken auf der huckeligen Wiese besser geht. Wie nett, ich nehme natürlich an, und lege sie unter die Isomatte. Trotz der Schmerzen ein schöner Tag.
      Zuletzt geändert von Torres; 09.10.2016, 18:51.
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        #23
        AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

        Sonntag, den 11.09.2016 Burtoncourt


        Das Kind ist feierlich weiß gekleidet. Zusammen mit anderen Kindern soll es auf der Hochzeit der Nachbarin Blumenkind spielen. Jedes Kind hat einen kleinen Korb, in dem wunderschöne, duftende Blumen drin sind. Als die Musik beginnt, werden die Kinder vorangeschickt, um die Blumen zu verstreuen. Gerührt lächeln die Hochzeitsgäste ihnen zu. Wie niedlich, diese lütten Jungs un Deerns. Das Kind ist schon fast am Altar, da sieht es, dass das Brautpaar auf die Blumen tritt. Es erschrickt sich. Davon können die Blumen doch sterben. Das ist nicht recht. Schnell läuft es zurück und hebt sie wieder auf. Und versteht nicht, warum die Großen lachen.


        Es ist Sonntag, und ich hoffe auf weniger Verkehr. Schweren Herzens nehme ich Abschied. Aber ich muss mich der Realität stellen. Näher dran sein. So oder so. Der Campingplatz in Burtoncourt ist von Saarbrücken aus nicht weit entfernt. Mit Anfang zwanzig war ich das letzte Mal dort. Geschlafen hatte ich im Bundeswehrschlafsack direkt auf der Wiese. Am Morgen hatte ich Schulter. Danach hatte ich geschworen, niemals in meinem Leben mehr campen zu gehen. Man sieht, was daraus geworden ist.

        Der Himmel färbt sich rot. Ein Wetterwechsel kündigt sich an.





        Der See.





        Wintercamping ist hier möglich. Mal sehen. Ich weiß ja, wo er ist. Blick von der Straße auf den Ort.





        Die Straße führt mich am Marktplatz vorbei. Der Fußgängerüberweg vertraut. Dann tauche ich in die Ardennenlandschaft ein. Ruhig und hügelig liegt das Land vor mir. Die Sonne wird von Wolken verdeckt.





        Eine joggende Familie läuft auf mich zu, der Mann winkt für das Foto. Als ich abdrücke, hat er aber schon die Hand gesenkt. Schade. Wir lachen gemeinsam.








        Es riecht nach Natur. Autos fahren hier keine.








        Hier kann man sicherlich schön wandern gehen. Und vor allem Fahrradfahren. Ich sauge die Eindrücke in mich auf. Für mich ist Radfahren hier allerdings keine Option. Die Straßen sind zu hügelig. Mit Schaudern denke ich an Lincolnshire. Hier bräuchte man ein Rennrad und die Fähigkeit, 150 km pro Tag zu radeln. Hier ist ja nichts. Keine Dörfer, keine Infrastruktur. Nur lange, hügelige Straßen. Einsam und wunderschön.

        In einer Ortschaft bremse ich spontan. Was ist das? Das, was ich denke?





        Als sie davonhüpfen, sehe ich mich bestätigt. Ein Hüpfbild gelingt mir leider nicht. Zwar meine ich, abzudrücken, aber durch den Handschuh treffe ich den Auslöser nicht.

        Leere Dörfer. Dieses ist hübsch. Überhaupt strahlt das Land eine Gelassenheit aus. Angesichts der politischen Probleme kaum zu glauben.





        Irgendwo eine idyllische Straße mit Blick auf die Landschaft. Leider kann ich nicht anhalten und fotografieren. Dann wieder Wald. Radfahrer grüßen mich. Fußgänger auch. Zwei Frauen mit Rucksack. Sie sehen, ich bin auf Reisen. Das tut richtig gut. Man muss die Reisenden nicht spalten.


        Unvermittelt bin ich in Luxemburg. Strenger ist es hier und jetzt kommen auch wieder die Autos. Ich tanke. Die Autofahrer sind hektisch, man kauft Zigaretten und Kaffee. Weg hier. Ich weiß, dass Luxemburg auch schöne Ecken hat. Auf dieser Reise sind sie mir verwehrt.

        Wann ich das erste Mal die Rauchsäule wiedersehe, weiß ich nicht. War es noch in Belgien? Oder erst in Luxemburg? Mir ist klar, dass es die Rauchsäule ist, die ich bei Neufchateau über dem Horizont gesehen habe. Diesmal formt sich instinktiv ein Name: Cattenom. Aber das kann ja nicht sein. Cattenom ist doch in Frankreich. Cattenom. Das Atomkraftwerk. Ziel vieler Demonstrationen der 80iger Jahre des letzten Jahrhunderts. Mal sehen, ob die Lösung auf dem Weg liegt.








        Diddeleng (Dudelange, Düdelingen), Luxemburg. Ein kurzer Hauch großstädtischen Lebens: gelangweilte Jugendliche, Liebespaare, Smartphonegucker. Restaurants und Imbisse. Ein Industriestandort.





        Kurz darauf bin ich in Frankreich.


        In welchem Ort das Folgende passiert, weiß ich nicht mehr. Wie üblich fahre ich sehr langsam. In der Ferne kommt ein Junge aus dem Haus, wuscheliger Kopf, der Körper zu groß für die kleinen Beine. Ein schiefer Helm. Er ist vielleicht vier, fünf Jahre alt. Ein kleines Kinderfahrrad.
        Er sieht mich und knotet seine Beine ungelenk um den Sattel auf die Pedale. Dann gibt er Gas. Den Blick fest auf den Gehweg geheftet. Schlingernd kommt er voran. Ein kurzer Blick nach hinten zu mir, ein kurzer Blick nach vorne, er nimmt das Rennen auf. Ich reduziere meine Geschwindigkeit. Als ich fast neben ihm bin, bekomme ich plötzlich ein Deja-Vu. Mein Fahrradunfall. Ich war versetzt zu einem Kind gefahren, hatte an geeigneter Stelle überholt, und es war in meinen Hinterreifen gefahren. Abflug mit dem (behelmten) Kopf gegen den Poller. In dem Moment fällt mir auf, dass weiter vorne auf dem Gehweg ein Auto parkt. Mein Hirn konstruiert umgehend den möglichen Unfallverlauf: Ich fahre langsam neben dem Kind, das Kind weicht dem Auto aus und fährt in mich hinein. Das klingt nicht gut. Ich muss hier weg. Ich gebe Gas und im Gegensatz zu meinem Auto oder Fahrrad zieht mein Motorrad auch unverzüglich an. Schon bin ich an ihm vorbei.
        Als ich mich in der weitläufigen Linkskurve Richtung Ortsausgang befinde und schon nicht mehr an den Jungen denke, höre ich ein lautes. „Poff“. Es ist eines der Geräusche, die man selten hört und doch sofort erkennt: Da ist jemand mit Wucht in ein Auto gefahren. Du Schxxx, denke ich. Der Junge. Kaum ist die Kurve zu Ende, halte ich an. Im Rückspiegel sehe ich das Auto. Sonst nichts. Hoffentlich ist dem Jungen nichts passiert. Auf dem Boden hinter dem Wagen liegt er nicht. Ich kann ihn nicht sehen. Soll ich hingehen. Dann sehe ich ihn plötzlich doch. Lag er an der Seite? Ich weiß es nicht. Er kontrolliert sein Fahrrad, anscheinend ist es verbogen. Ein kurzer Blick zu mir, noch in Fahrtrichtung stehend. Dann dreht er sich um. Geschlagen und gedemütigt zieht er sich mit dem Fahrrad in der Hand zum Haus seiner Eltern zurück. Er tut mir so leid. Ich wette, das gibt Ärger.
        Ich überlege, ob ich jetzt irgendetwas tun muss. Den Unfall melden? Aber soviel Französisch kann ich auch nicht. Und ich habe den Unfall ja noch nicht einmal gesehen. Ich fühle mich hilflos. Dann fahre ich nach kurzem Überlegen weiter. Hoffentlich geht das gut aus.


        Wieder zeigen sich die Rauchzeichen am Himmel.








        Es ist herbstlicher hier, als in Belgien.





        Wie lebt es sich mit der Rauchsäule hinter dem Haus?





        Und dann habe ich Gewissheit. Cattenom. Der Ort ist ausgeschildert.


        Im Kreisverkehr mache ich dieses Bild.





        Aber erst beim Vorbeifahren sehe ich die Bank. Und vor der Bank steht ein Kreuz. Auf der Vergrößerung kann man das ahnen. Das Kreuz steht links neben dem Baum rechts. Fährt man vorbei, so sieht es aus, als wäre die Bank dazu da, um Gott anzurufen und für die Abwehr des Super-GAUs zu beten.





        Und dann sieht man alle vier Türme. Einer ist außer Betrieb. Ein Pannenreaktor. Gegenüber ein Dorf.








        Die Straße führt nun direkt am Reaktorgelände vorbei. Ein Foto wage ich nicht. Frankreich versteht in einigen Dingen keinen Spaß. Panoramafreiheit gibt es hier nicht. Auf der anderen Seite des Reaktors stehen Wohnmobile. Sie genießen den Ausblick auf einen See (Lac du Mirgenbach). Ein netter See. Und dennoch makaber, wie ich finde.

        Hinter Cattenom führt die Straße an Wasserbecken vorbei über die Mosel – eine technische Anlage, die mir nicht gut genug gefällt, um sie zu fotografieren. Dann fahre ich durch Koenigsmacker, ein netter Ort. Hier ist es wieder sehr warm und sommerlich. Eine Motorradgruppe mit Harleys ist unterwegs.


        Ein paar Kilometer weiter verändert sich die Landschaft. Die satten Wiesen und Wälder der Ardennen weichen einem leuchtend roten Boden. Die Felder sehen karg aus.














        Das Navi lotst mich über eine völlig kaputte, winzige Nebenstraße. Der perfekte Weg für alle Radfahrer, die sich ihre Felgen und Räder krumm fahren wollen. Immerhin ist mein Gleichgewichtssinn wieder besser geworden, und ich umkurve die Löcher souverän.











        Eine verlassene Fabrik. Zeugnis vergangenen Wohlstands im vormals industriell geprägten Lothringen.








        Umvermittelt taucht der Platz auf. Ich checke ein. 19,70 Euro. Ich traue meinen Augen kaum. Für ein winziges Zelt und ein Krad 19,70 Euro? Wow. Das ist ja fast Finnlandrekord. Man parkt mich auf einem Schotterstreifen vor den Sanis neben einem Wohnmobil, hinter mir ein paar Mobilhomes. Ne, Leute, so nicht. Für Beschwerden reicht mein Französisch. Entschuldigend sagt der Mann, an diesem Platz wäre es am ebensten. Das ist mir egal. Ich will nicht auf dem Präsentierteller sitzen. So weist er mir eine Parzelle zu. Ich drücke mich an die Hecke. Dort sieht es noch am ebensten aus.

        Ich dusche, alles ist modern gemacht, die alten Stehklos suche ich vergebens. Noch eine Tradition, die verschwunden ist.
        Dann laufe ich um den See herum und erkenne nichts wieder. In meiner Erinnerung war das ein riesiger, chaotischer Platz. Mit Dauercampern, Zelten, vielen Kindern. Irgendwo war der See, das weiß ich noch, die Leute und ihre Kinder waren in einem flachen Gewässer baden. Ich nicht, daher weiß ich auch nicht mehr, wo genau er war. Interessante Autos fuhren über den Platz. Man könnte auch sagen: Schrott. Ein Mercedes, komplett durchgerostet, nur noch bestehend aus Holmen, Sitzen, Lenkrad und Motorraum. Auch die Türen waren komplett durchgerostet. Dem Fahrer fehlten die Zähne. Ein Unikat. Der deutsche TÜV wäre bei diesem Anblick auf der Stelle kollabiert oder hätte den Fahrer ins Gefängnis geworfen. In Frankreich damals kein Problem.

        Der See.





        Irgendetwas schwimmt da. Ein toter Fisch?





        Dahinten könnten wir damals gewesen sein. Aber es erschien mir alles viel größer.





        Auf der anderen Seite ist ein riesiges Feriendorf. Dauercamper, die Vorräume vom Feinsten. Hier könnte man ganzjährig leben. Auf dem Feld vorne spielt man Boule.





        Ein paar Angler.





        Früher war mehr Lametta.





        Trotzdem hübsch.











        Ein Kleestrand.








        Der Ort.





        Ich hatte mir bei Outdoorfood eine der letzten erhältlichen Auernhammer-Würstchen bestellt, und sie schmecken tatsächlich prima.





        Ein holländisches Ehepaar mit einem uralten Baumwollzelt vom Discounter belegt den Platz gegenüber. Kurz kommen wir ins Gespräch. An der Rezeption händigt man mir eine Karte über die Moselregion aus. Sie wird mir gute Dienste leisten. Meine Frankreichkarte hatte ich zu Hause vergessen.





        Ich erlöse den Camembert, der seit Roermond in meinem Koffer reift, von seinem Schicksal. Der Mond ist hell, aber ansonsten ist der Platz dunkel. Gegen 10.00 Uhr verstummen die letzten Stimmen. Hier werde ich trotzdem nicht bleiben. Das steht fest.








        Zuletzt geändert von Torres; 10.10.2016, 20:29.
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          #24
          AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

          Montag, den 12.09.2016 Rhodes


          Immer wieder das gleiche Gespräch. „Was machscht Du ann Pingschde (Himmelfaad, in de Sommerferie)?“ „Ei, mir fahre an de Stoggweija“. „Ei, un wo üwwernachte ihr?“ „Ei, ich kenn do enner, der hadd do e Häusche.“ Egal, wen man fragt. Anscheinend fahren alle in den Sommermonaten irgendwann an den Stockweiher. Ein Grund, da nicht hinzufahren, denkt das Kind. Und man muss ja sowieso jemanden kennen, der da wohnt oder ein Wochenendhaus hat. So jemanden kennt das Kind nicht.
          Weit soll der Weiher nicht sein. Man fährt wohl gerade mal eine Stunde. Auf der Karte sucht das Kind den Weiher. Und findet ihn nicht. Den Bostalsee schon. Den Losheimer Weiher auch. Den Stockweiher nicht. Vielleicht ist das ja nur eine mundartliche Bezeichnung für einen ganz anderen See. Das gibt es ja öfter im Saarland. Und eigentlich ist es auch egal. Wenn alle dahin fahren, macht das sowieso keinen Spaß. Das Saarland hat noch andere schöne Weiher. Das steht schon mal fest. Man muss da nicht hin.



          Auf der Moselle-Karte hatte ich mir drei Orte ausgesucht, an denen es Campingplätze gibt, die geöffnet haben. Rhodes liegt an einem See, Saint Quirin soll ein hübscher Ort sein und Dabo liegt schon an oder in den Vogesen und in einem Wandergebiet. Der Gedanke an Serpentinen lässt meinen Magen allerdings flau werden. Früher bin ich oft in den Vogesen Motorrad gefahren. Meine Fahrleistungen der letzten Tag überzeugen mich dagegen gar nicht.

          Ich komme früh los und bin überrascht, wie schön die Umgebung von Burtoncourt ist. Bei Sonne sieht alles vertrauter aus. Auf derartigen Wiesen bin ich früher geritten. Gilt für Reiter eigentlich auch grenzenloser Schengen-Raum? Damals habe ich mich das Überreiten der Grenze nicht getraut.








          Ein wunderhübsches Wäldchen schließt sich an. Hier müsste man wirklich mal wandern gehen. Ein kleines Dorf.





          Ich suche eine Boulangerie, doch ich finde keine. Ich denke an die Holländerin. Das Sterben der kleinen Läden.


          Auf einer Landstraße kommt mir ein Trecker entgegen. Verwundert sieht der Landwirt den Fotoapparat an. Vielleicht denkt er auch, ich hätte mich verirrt.








          Eines von vielen Wegekreuzen.








          Und dann habe ich Glück: Ein regionaler Shop. Es gibt Käse, Wurst, regionale Spezialitäten und Baguette. Das erste Baguette lebt genau zwei Minuten lang, dann hole ich Nachschub für Abends.





          Ich fahre nun Richtung Faulquemont.


          Die Landschaft ist schön, und ich bedauere, dass ich anscheinend mein Objektiv verschmutzt habe. Das war die leckere Paté, die ich gerade verzehrt habe.








          Autos fahren hier kaum.


          Das erste Schild „Parc Naturel Régional de Lorraine“. Das ist kein zusammenhängender Nationalpark, sondern kennzeichnet verschiedene Regionen Lothringens.





          Einsame Wälder. Ein Genuss. Ich fahre - abgesehen von einem unfreiwilligen Schlenker - weitgehend geradeaus, nach der D 19 die D 20 und die D 999.








          Klappbrückensteigungen. So nenne ich auf dem Fahrrad Steigungen, die sich steil vor einem auftürmen. Die Steigungen hier sind doppelte Klappbrücken. Man wähnt den Gipfel erreicht und dann geht es noch einmal ohne Schwung von vorne los. Ich genieße es, mit Motorkraft durch diese wunderschöne Landschaft zu fahren. Die Gerüche des Waldes und der Wiesen zu atmen. Radfahren könnte ich hier ebenfalls nicht. Ich würde fast nur schieben. Mit dem Fahrrad würde ich flache Strecken suchen und hätte diese schöne Landschaft niemals kennengelernt. Was für ein Glück ich gerade habe, denke ich dankbar.





          Immer wieder regionale Wälder.





          Ein verwunschenes Haus.





          In Moussey sollte laut Karte ein Radweg beginnen, doch ich fand ihn nicht auf Anhieb und verfuhr mich dann auf einer Nebenstrecke. Ich hatte nämlich gehofft, ich könne vielleicht ein Stück Radweg fahren. Und hier, hinter Gondrexange, erkenne ich, warum das nicht geht: Der Radweg führt am Wasser, dem Canal de la Marne du Rhin, entlang. Es ist der Europäischen Fernradweg 5, der ab Gondrexange den Saar-Kohlen-Kanal (heute Saarkanal, frz. Canal des Houillères de la Sarre ) entlangführt und in Saarbrücken. Für Motorräder – je nach Perspektive - leider oder erfreulicherweise nicht geeignet.











          Radwegschilder weisen jetzt auf eine L´Etang -Route hin, was ich mit Seenroute übersetze. Freudig folge ich den Schildern. Hier ist es flacher, hier würde ich gerne einmal mit dem Fahrrad herumfahren. Ich brauche einen Hänger für mein Motorrad. Es ist wieder heiß geworden, der Sommer ist zurück. Die Sonne brennt. Angler säumen die Straße. Ein wenig Finnland ist überall.





          Wieder eine Klappbrückenstraße. Die Steigung geht bis über die Mitte des Bildes. Schade, solche Bilder schafft die kleine Kamera nicht. Da müsste die Große ran, die ich aus Gewichtsgründen zu Hause gelassen hatte.





          Schön ist es hier.





          Und dann sehe ich eine weiße Kirche. Malerisch liegt sie an einem große See. Mein Navi sagt: Noch 1,5 Kilometer. Anscheinend ist dort ist mein Ziel. Rhodes. Mein Herz steht still. So etwas Schönes habe ich lange nicht gesehen. Vor ihr stehen am See Wohnwagen. Dort ist der kommunale Campingplatz. Ja. Da will ich hin. Vor Aufregung vergesse ich, ein Foto zu machen. Was habe ich heute für ein Glück!

          Der Platz ist geschlossen, die Rezeption nicht besetzt. Ist heute zu? Ein Quechua Zelt. Zwei junge Männer aus Neunkirchen dösen in der Sonne. Ich frage, und sie zucken die Schultern. Ein Mann öffnet das Tor, aber ohne Erlaubnis will ich nicht durchfahren. Ich rufe die angegebene Nummer an. Man sagt mir den Code vom Tor, und ich kann zwischen zwei Plätzen wählen. Platz 11 hat Schatten. So nehme ich den.


          Schön hier.





          Als die Dame kommt, checke ich ein. Sie spricht deutsch. Ich frage sofort nach Fortbewegungsmitteln. Nein, sagt die Dame. Fahrradverleih gibt es hier nicht. Nein, Kanuverleih gibt es hier nicht. Verdammt. Und wandern kann man hier auch nicht. Nur um einen zweiten Campingplatz herum. Auf der anderen Seite des Sees ist zwar ein Fernwanderweg, aber dann müsse man den gleichen Weg wieder zurück. Um den See herum kommt man nicht. Ich seufze. So schön hier und dann nichts tun? Und außerdem brauche ich etwas zu essen. Nein, kaufen kann man hier auch nichts. Man muss 20 Minuten (16 km) in die Stadt fahren. Der Bäcker kommt morgens um neun.





          Einen kurzen Moment spüre ich den Beginn eines infantilen, sinnlosen Wutanfalles aufsteigen. Was soll ich hier? Keine Lust mehr, Motorrad zu fahren. Es muss doch eine Möglichkeit geben, ohne Motorrad von hier wegzukommen. Ich habe weder Milch noch Gemüse im Koffer und auch das Brot wird nicht reichen. Normalerweise müsste ich weiterfahren, auschecken, Geld zurück oder auch nicht, ärgern. Aber der See ist einfach zu schön. Ich zwinge mich dazu, mich zu beruhigen. Könnte die Holländerin nicht auch hier sein?
          Aber niemand hilft mir, die Badener nebenan kümmern sich um sich selbst. Und so schwinge ich mich doch wieder auf´s Motorrad. Ich bin müde, es sind wieder 29 Grad im Schatten und bei so einem Wetter ist die Konzentration schlecht und die Motorik noch schlechter. Das kenne ich schon. So schleiche ich mit 70 Sachen die Landstraße entlang und hoffe, zu überleben. Es ist gegen 16.00 Uhr und anscheinend Berufsverkehr. Ohne Gnade werde ich überholt und geschnitten. Lebensgefährlich, was ich da mache. Eigentlich sollte ich mich hinlegen und eine Runde schlafen. Immerhin stelle ich fest, dass mir ein Fahrrad auch nichts genutzt hätte. Das wäre noch gefährlicher. Die Straßen sind eng, hügelig und kurvig. Und die Strecke ist sehr lang. Sarrebourg.





          Im Hintergrund sieht man die Vogesen.





          Ich biege falsch ab und bekomme Herzrasen. Unterzuckerung. Den Ort sehe ich kaum, anscheinend ist hier die Innenstadt, aber ich versuche im Verkehr mitzuschwimmen. Die nächste mir ruhig vorkommende Straße biege ich ab. Zeit gewinnen. Auf der anderen Straßenseite ist Stau. Wenden geht also nicht. Kurz halten. Leclerc eingeben. Ein Gewerbezentrum, mein Navi lenkt mich, ich interpretiere den Abbieger falsch, im Kreisverkehr wenden, Autos im Nacken, der Supermarkt.

          Ich werfe die Jacke in den Einkaufswagen, bloß keinen Hitzekoller bekommen. Der Onkel produziert für Frankreich 2-Minuten-Reis mit Zitrone und Rosmarin. Ich kann es nicht fassen. Die Reise hat sich gelohnt. Ich kaufe Salat, Gemüse, Mineralwasser, Joghurt, Käse, Baguette. Und eine kleine Pfanne für Fleisch. Sie kostet 2,50 Euro. Statt Frischfleisch erwerbe ich aber nur eine gegrillte Poularde. Eier nehme ich auch noch mit. An der Kasse gibt es Stress, weil ich die Tomaten nicht ausgewogen habe. Dann gibt es eben keine Tomaten. Ich laufe in dieser warmen Hose nicht noch einmal zurück.

          Ein junger Mann freut sich über meinen Parkplatz, und ohne Berufsverkehr geht es dann gemütlich über Nebenstrecke wieder zurück. Ich koche etwas zu Essen. Meine badensischen Nachbarn säubern schabend und quietschend ihre Boote. Morgen geht es zurück, sie sind Dauercamper hier. Ich habe mir an der Rezeption zwei Bücher ausgeliehen, aber für heute fehlt mir der Ehrgeiz. Ich schaue auf das Wasser und fühle mich am richtigen Platz.





          Der See heißt übrigens L´Étang du Stock. Ich hatte den Namen schon gestern auf der Karte gesehen. L´Étang bedeutet aber nicht See, sondern Weiher oder Tümpel. Folgerichtig heißt das Gewässer auf deutsch, (saarländisch, lothringisch) „Stockweiher“ („Stoggweija“).

          Jeder weiß das. Ich (noch) nicht.


          Zuletzt geändert von Torres; 11.10.2016, 22:11.
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          • sarek2007
            Erfahren
            • 22.08.2007
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            #25
            AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

            die Badenser
            Na, na, der Begriff geht gar nicht . Wir heißen Badener!

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            • Torres
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              #26
              AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

              Zitat von sarek2007 Beitrag anzeigen
              Na, na, der Begriff geht gar nicht . Wir heißen Badener!
              Oh, Entschuldigung! Das nächste Mal schreibe ich einfach "Schwabe".

              Gut. Einigen wir uns auf BWer.
              Oha.
              (Norddeutsche Panikattacke)

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              • Torres
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                #27
                AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                Dienstag, den 13.09.2016


                Ein riesiger Saal. Das Parkett knarrt. Auf den Stühlen sitzen Eltern mit Kindern, gezeichnet von Ehrgeiz und Stolz. In der Mitte ein riesiger Flügel, davor ein Mann mit zerknittertem Gesicht. Mitglied werden in einem berühmten Chor. Der alte Mann schaut grimmig. Ein paar Mädchen zittern. Die Eltern schauen in die Runde, von der Begabung ihres Kindes überzeugt. In den Augen glitzert die süße Erwartung des Triumphes.
                Ein Kind nach dem anderen geht nach vorne. Ton nachsingen, Ton halten, ein Lied. Das Kind besieht sich das Treiben. Das Kind hat keine Scheu. Was soll auch schon passieren. Singen ist leicht. Ein Junge weint dicke Tränen, der alte Mann schickt ihn fort. Immer mehr Kinder verlassen den Raum, der Stolz der Eltern weicht der Angst.
                Es ist schon gegen Ende, da geht das Kind nach vorne. Der alte Mann guckt finster, zu viele waren schlecht. Glockenklar schwebt der Klang der Kinderstimme durch den Raum. „Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht“. Der alte Mann lächelt.



                Sonnenaufgang.













                Mein Zeltplatz.








                Zum Frühstück esse ich Reste der bereits gestern recht vertrockneten Poularde. Eine Wespe umschwirrt mich, und als sie sich auf den Hühnerknochen niederlässt, starte ich ein Experiment. Ich lege ein Teil der Hühnerbrust auf den Teller und stelle ihn ihr hin.








                Und tatsächlich. Sie beginnt das Fleisch zu verkleinern.





                Bald ist sie auch nicht mehr alleine.





                Anscheinend sind nun die ganzen Wespen der Region an meinem Teller beschäftigt, und ich kann in Ruhe essen. Dann lese das erste der beiden Bücher, die ich gestern an der Rezeption ausgeliehen habe. Gegen 9.00 Uhr kommt der fahrende Bäcker, und ich kaufe Baguette, Mirabellen und ein Tartelette fraise. Inzwischen habe mich an meinem Buch festgebissen. Selbstmord des Bruders. Wie die Schwester damit umgeht. Das Buch lässt mich nicht los, und es ist klar, dass ich heute hierbleibe.





                Die Neinkerjer reisen ab, stattdessen baut ein Ehepaar ein uraltes Vaude auf. Ein Space mit Apsis. Space Pro, genau wissen sie nicht, wie es heißt. Bestimmt zwanzig Jahre alt, wenn nicht mehr. Neue Wohnmobile kommen.

                Ich lege mich in den Schatten meines Baumes und sehe mich in der Hitze außerstande, jetzt eine Wanderung zu durchzuführen. Ich beginne lieber das zweite Buch. Zu meiner Überraschung handelt es von Inspector Barneby. Ab und zu betrachte ich mein Experiment. Es ist jetzt gegen 18.00 Uhr.





                Ein weiteres Auto kommt auf den Platz. Trierer Kennzeichen. Der Fahrer stammt aus Saarbrücken. Wir kennen uns nicht, er ist jünger als ich. Er braucht noch etwas zu essen. Ich beschreibe ihm den Weg zum Supermarkt und bitte um ein Schwenksteak und Mineralwasser. Als er wiederkommt, essen wir zusammen, das ganze mit einer Selbstverständlichkeit, als wären wir auf einem ods-Treffen. Musiker ist er, und Handwerker im Musikbereich. Jetzt studiert er. Wie ich, ist er viel herumgekommen. Gemeinsame Bekannte finden wir auch. Automatisch wechsele ich in den Dialekt. Das Saarland. So lange wohne ich dort nicht mehr, und geboren bin ich dort auch nicht. Und dennoch hat es mich geprägt. Egal, wo man mal war, es bleibt immer ein Stück zurück.
                Oha.
                (Norddeutsche Panikattacke)

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                • Gast202105024
                  Gelöscht
                  Fuchs
                  • 03.07.2012
                  • 1920
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                  #28
                  AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                  Oh Torres, Deine Berichte lesen sich so gut! Vielen Dank dafür.

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                  • Torres
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                    #29
                    AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                    Danke schön!

                    Gleich geht es weiter.
                    Oha.
                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                    • Torres
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                      #30
                      AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                      Mittwoch, 14.09.2016


                      Das Kind wird zum Kindergeburtstag eingeladen. Im Kinderzimmer des Klassenkameraden steht der Geschenketisch. Ein Jugendbuch. Nur einmal kurz hineinschauen. Man muss doch wissen, was da drin steht. Man könnte sich das Buch dann vielleicht wünschen.
                      Als das Kind fertig geschaut hat, ist der Kindergeburtstag vorbei. Das macht nichts. Das Buch ist ja jetzt ausgelesen. Nur das ist wichtig. Geburtstagsspiele kann man auch ein anderes Mal spielen. Dieses Buch lesen nicht.







                      Am nächsten Morgen fragt der Saarbrücker, ob man hier ein Fahrrad leihen kann. Nein, kann man nicht. Ein Kanu. Nein, kann man nicht. Er schaut mich ungläubig an und geht zur Rezeption. Er will es einfach nicht glauben. Ich lache. Ich habe es auch nicht geglaubt. Erschüttert kommt er zurück. „Hier kann man ja nichts machen“, sagt er. „Ja,“ sage ich, „das habe ich gestern auch gelernt“. „Aber vielleicht ist das mal ganz gut,“ meint er. „Das habe ich gestern auch gedacht,“ sage ich.





                      Ich vermute, es war die Katze, die den Wespenteller auf den Boden befördert hat ,und die Knochen und das Fleisch verstreut hat. Ich sammele die Reste zusammen und packe sie wieder auf den Teller, aber als ich den Teller auf dem Boden stehen lassen will, schwirrt die erste Wespe wild brummend auf dem Tisch herum. Sie sucht das Fleisch. Schnell baue ich mein Experiment wieder auf dem Tisch auf, und sie beruhigt sich. Der Brotwagen kommt heute nicht, ein paar andere Camper und ich warten vergebens. Es ist Mittwoch, na klar. Als Großstädter kann man so etwas mal vergessen.
                      Die Leute mit dem Vaude-Zelt kenne ich jetzt auch, der Mann hat ebenfalls als Kind ein paar Jahre in Saarbrücken gewohnt. Sie paddeln mit ihrem roten Gummiboot davon, inklusive Tonne. Auf dem Benzinkocher werden sie sich unterwegs Bratkartoffeln machen.
                      Der Saarbrücker und ich gehen dagegen unabhängig voneinander schwimmen. Ich – so für Rentner - am Ufer – er - so für Sportler - durch den halben See inklusive Tauchgang. Ich fühle mich alt. Aber Schwimmen war noch nie meine Stärke.

                      Ein Homburger mit einem Wohnmobil lädt mich zu einem eisgekühlten Glas Wasser ein. Da sage ich doch nicht nein und setze mich degeneriert in einen bequemen Campingstuhl, der im Schatten steht. Er ist hier im Segelclub, der See ist fest in saarländischer bzw. pfälzischer Hand. Hinter dem Hafen ist ein Dauercampingplatz und überall um den See herum haben Saarländer ihre Hütten stehen. Das Clubhaus hinter uns gehört zum Wasgau-Segelclub Pirmasens. Sie haben keinen See vor der Haustür und daher ist der Stockweiher ihr Segelrevier. „Der Stockweiher???", frage ich, "das hier ist der Stockweiher?“ „Ja, genau, der See heißt Stockweiher“, sagt er. Und das ist der Moment, wo ich begreife, dass der L´Etang du Stock der Stockweiher ist. Ich schätze, mein Blick wäre sehenswert gewesen, wenn ihn jemand gesehen hätte. Aber auch so mache ich keine gute Figur.

                      Die Isomatte des Saarbrückers ist defekt, und er braucht eine Neue. Ich empfehle Decathlon Sarrebourg für die Schnelle, bei seinen Rückenproblemen sollte er allerdings zu Hause etwas Ordentliches kaufen. Kurze Isomattenberatung, das kennt man von mir ja schon. Er liegt meine Prolite Probe. Den Unterschied merkt man schon. Das nutzt ihm heute abend aber nichts und spontan entscheiden wir, zu Decathlon zu fahren. Bei der Hitze kann man eh nicht viel tun. Im Laden ist es schön kühl.
                      Der Anblick der käuflichen Ware ergibt, dass ich ihm zu Flicken rate. Die kauft er dann auch. Ich erwerbe eine dünnere Unterziehhose und ein Handtuch. Nun noch zum Leclerc, hier geraten wir in einen Kaufrausch. Ich erstehe ein weiteres Schwenksteak (so gut schmecken die wirklich nur in der SaarLor-Region, in Hamburg darf man so etwas nicht kaufen) und Merguez (das Original), dazu zwölf Packungen Zitronenreis (wo zur Hölle will ich die hintun?), Kuchen und Baguette. Die Backwaren vom Bäckereiwagen waren allerdings besser, stelle ich fest.


                      Wieder zurück ist Relaxen angesagt.









                      Es ist glühend heiß, und bald lege ich mich in den Schatten unter den Baum und lese das zweite Buch weiter. Nur unterbrochen von dem einen oder anderen Foto, das ich unbedingt machen muss.














                      Ein dicker Schicken – ich beginne die zweite Folge von Inspector Barnaby. Die Filme sind besser, aber heute ist das genau richtig. Ein Faulenzertag. Unglaublich. Was ich auf all meinen Touren nicht geschafft habe, gelingt mir am Stockweiher schon zwei Tage lang: Lesen. Naturgenuss. Entspannen.








                      Der Saarbrücker flickt die Matte und die Flicken halten tatsächlich.





                      Mein Experiment läuft derweil weiter.





                      Am Abend kochen der Saarbrücker und ich zusammen, und das Paar mit dem Vaude-Zelt fragt, ob wir später rüberkommen. Ich sage ja. Das Telefon klingelt. Mein Vater ist dran. Normalerweise rufe ich immer an. Mein Herz setzt aus und mein Magen wird eiskalt. Meine Mutter hat gestern kurz die Augen aufgemacht, es sei jetzt Zeit zu kommen. Es könnte sein, dass sie am Wochenende aufwacht. Ob das wirklich so ist, weiß man nicht so genau. Aber auch so wäre mein Erscheinen jetzt günstig. Am Freitag würde er mit mir rechnen. Mein Körper beruhigt sich.
                      Der Homburger setzt sich bei uns auf die Bank, und es stellt sich heraus, dass auch er mit Musik zu tun hat. Die Vaude-Zelter kommen an unseren Platz und erzählen, der Wohnmobilfahrer aus Süddeutschland hätte seine Gitarre dabei und würde spielen, wenn er Zuhörer hat. Und so versammeln sich die Deutschen alle am Steg (die beiden französischen Ehepaare lassen sich nicht blicken) an zwei Tischen. Der Mond scheint, die Luft ist lau, es ist dunkel geworden. Wir zünden Kerzen an und singen gemeinsam Lieder.





                      Ein paar Diskussionen mit einem weiteren Ehepaar lassen sich nicht ganz vermeiden, aber im Grund sind wir uns einig und lachen sehr viel. Das war ein wunderschöner Tag an einem wunderschönen Platz. Morgen wollen alle – unabhängig voneinander - wieder abreisen.








                      Dies war der Tag, an dem die Sonne wiederkam.
                      Zuletzt geändert von Torres; 13.10.2016, 20:02.
                      Oha.
                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                        #31
                        AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                        15.09.2016 – 23.09.2016 Rheinland-Pfalz-Saarland


                        Das Kind spielt mit anderen Kindern. Plötzlich hat eines der Kinder eine Idee: Wir spielen tot sein. Sie sind zwar noch klein, aber was tot ist, wissen sie schon. Man liegt einfach da und bewegt sich nicht. Das Kind soll es der Mutter erzählen.
                        Aufgeregt läuft es zur Mutter und ruft: „Der Hans ist tot“. Die Mutter telefoniert gerade. „Es ist etwas passiert“, ruft sie und wirft den Hörer auf das Telefon. Eilig läuft sie ins Kinderzimmer, das Gesicht ganz weiß und mit schreckerfülltem Blick. Die Freude, dass es nicht stimmt, bleibt den Kindern im Hals stecken. Sie werden das Spiel nie wieder spielen.



                        Am Morgen ist es windig. Das Wetter soll heute umschlagen.








                        Mein kleines Handtuch ist weggeweht. Ich kann es nicht mehr finden. Ich bringe den Müll weg. Alles muss penibel sortiert werden. Mülltrennung in Frankreich. Das war früher nicht so. Das Dorf.





                        Und wieder der Tod.





                        Die Vorboten des Wetterumschwunges sind schon da. Es weht ein kräftiger Wind. Der Sommer ist vorerst zu Ende.





                        Trotzdem paddeln die Vaude-Zelter los.





                        Mein Experiment ist auch beendet. Der Teller eingepackt. Die Knochen entsorgt. Den Rest des Fleisches lass ich da. Auf jeden Versuch, seinen Ort zu verändern, reagieren die Wespen aggressiv.





                        Ich besichtige noch die Kirche von innen. Sie ist wunderschön. Eine Frau pflegt sie. Dafür sage ich Dankeschön.
                        Ich frage meinen Vater, ob ich schon heute kommen kann, aber das überfordert ihn. Eltern sind ein eigener Mikrokosmos, werde ich in den nächsten Tagen erkennen. Wo soll ich dann heute nur hin? Das Zelt ist so schön trocken. Der Saarbrücker ist ebenso verzweifelt und überlegt, was er nun tut soll. Er hat noch ein paar Tage frei. Mittenbacher Weiher? Heute nachmittag soll es regnen. Oder einfach zurück? Nach zwei Wochen Sonne bringt einen der Wetterumschwung völlig aus dem Konzept.


                        Ich verabschiede mich und fahre los. Es waren wunderschöne Tage, erst in Belgien, dann hier am See. Was wird mich zu Hause erwarten? Die düsteren Gedanken lassen sich nicht mehr verdrängen. Und wo bleibe ich heute ? Der letzte Blick auf die Vogesen.





                        Lorraine











                        Ich merke, dass ich traurig bin. Die ganze Zeit habe ich die Gedanken an meine Mutter weitgehend verdrängt. Jetzt kann ich sie nicht mehr verbergen. Und dann fällt mir ein, was ich früher gemacht habe, wenn es mir nicht gut ging: Zu Freunden in X fahren. 100 km. Rheinland-Pfalz. Das ist ein Klacks. Wie klein die Distanzen hier sind. Locker verabredet waren wir sowieso. Ich kann jederzeit kommen. Anrufen brauche ich nicht. Sie sind da.
                        Die Dörfer Lothringens. Eine Scheune voller Bilderrahmen. Das Saarland. Kleinblittersdorf. Ein Discounter neben dem anderen. Ich erkenne den Ort nicht wieder. Ein Gruß an Saarbrücken. Autobahn. Bischmisheim. Da war früher der Reitstall. Die Strecke kenne ich auswendig. „Wo leiht die Grenz zwische Schenie und Wahnsinn? Zwische Hombursch und Waldmoor“. Genau da fahre ich jetzt hin. In die Pals, wo die Pälsa wohne. Kurven und Hügel. Der Fahrstil wird besser. Und ich komme genau zur richtigen Zeit. Auch hier rang jemand vor ein paar Tagen um sein Leben. Ein wenig kann ich helfen und Fahrdienst spielen. Keine einfache Situation. Es ist gerade noch einmal gut gegangen.


                        Am nächsten Tag fahre ich zu meinen Eltern. Am Nachmittag besuchen wir meine Mutter im Krankenhaus. Sie ist nicht ansprechbar. Überall moderne Technik. Vertraut und doch fremd. Mein Vater hilflos und unangenehm berührt, so mag er sie nicht sehen. Ich kann es verstehen. Am Samstag erfahre ich, dass mein Lieblingsonkel gestorben ist. Eben noch hatte er mich als kleines Kind auf den Schultern getragen. Sein Lachen. Ich mochte ihn sofort. Ich wähnte ihn mit einem Wohnmobil auf großer Reise. Er war noch gar nicht so alt. Dass er krank war, war mir bekannt, aber dass er den Kampf verliert, damit hatte ich nicht gerechnet.. Auf dem Anrufbeantworter ertönt noch seine Stimme. Seine Frau und ich telefonieren lange.

                        Die nächsten Tage verbringe ich viel Zeit mit meinem Vater. Längst hat er neue Routinen entwickelt. Es ist, als sei diese Generation, die einen Krieg überlebt hat, lebenstüchtiger, realistischer und härter als nachfolgende Generationen. Was man nicht ändern kann, sollte man nicht ändern wollen. Man muss es hinnehmen.
                        An den Abenden stöbern wir in den Familienalben. Meine Mutter als Kind, als junge Frau. Kennengelernt hatten sie sich in Düsseldorf. Sie saßen am gleichen Schreibtisch. Für meinen Vater der viertletzte Tag, die Kündigung bereits vollzogen. Meine Mutter spricht ihn an. Der gemeinsame Geburtsort auf der anderen Seite. Das war eher Zufall, aber der Vater seiner Mutter war dort Museumsdirektor, erzählt er. Am nächsten Tag weiß sie von ihren Eltern, dass ihr Vater und seine Mutter in ihrer Jugend zusammen eine Aufführung organisiert haben. So geht man von nun an spazieren.
                        „Wenn mir heute rückwirkend etwas fehlt“, sagt mein Vater, „dann ist es die Stille. Es war so still damals, in meiner Kindheit. Das kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Es gab ja noch keine Autos.“ Und dann ergänzt er: „ Noch in den fünfziger Jahren bin ich jeden Tag eine halbe Stunde zur Arbeit gelaufen. Aus heutiger Sicht war das weit, aber man konnte den kürzesten Weg gehen und jederzeit selbst breite Straßen queren. Das ist heute gar nicht mehr möglich. Das fehlt mir“.

                        Wir feiern seinen biblisch zu nennenden Geburtstag mit einer Festveranstaltung. Als ich anschließend alleine meine Mutter besuche, hat sie die Augen geöffnet. Es scheint, als würde sie mich erkennen. Immer wieder sucht sie meinen Blick, und es wirkt, als wolle sie mir etwas sagen. Hinterher erfahre ich von einer anderen Besucherin, dass ihre Lippenbewegungen der Versuch waren, zu reden. Schon gestern hatte sie geübt. Aber das geht noch nicht, wegen der Maschinen. Dafür drückt sie leicht meine Hand. Ein schönes Gefühl. Wir sind uns nah. Egal was nun passiert. Ich habe sie zumindest noch einmal gesehen und ihr zeigen können, wie wichtig sie mir ist. Am nächsten Tag wird es wieder schlechter sein. Es ist noch ein langer Weg.

                        Am letzten Tag wandere ich mit meinem Vater zum Schwarzenbergturm. Ich brauche ein Motiv für die Fotochallenge. Die Aufgabe ist, ein Objekt in der Natur zu finden, das nach einer Farbe benannt ist. Wie der Schwarzenberg eben. Erstaunliche Schilder am Wegesrand.





                        Der Wald.








                        Ein ehemaliger Tümpel. Hier war es auch sehr warm.





                        Geordnete Wege.





                        Der sieht schon etwas älter aus.





                        Hinter dem Wald ist eine Siedlung. Die Kamera schafft das nicht.





                        Spiel von Licht und Schatten.





                        Jetzt aber.





                        Der Römerstein am Hexentanzplatz.








                        Ganz schön steil. Mein Vater kommt besser hoch als ich. Er ist im Training. Bei uns ist es zu flach.





                        Jetzt ist der Gipfel fast erreicht.








                        Den Turm hinauf steige ich dann alleine.





                        Blick auf Saarbrücken.











                        Die Universität.





                        Hinter den Hügeln liegt Berlin, so sagt die Schautafel.





                        Und dann geht es wieder bergab.





                        Und das ist der Turm. Der Turm ist mittlerweile renoviert worden und die Mauer der Plattform mit einem Geländer gesichert worden. Das war früher nicht so. Da war der Turm baufällig und gesperrt. Wenn sich die Jugend dort traf, bin ich nicht mitgegangen. Ich hatte Panik, gestoßen zu werden, oder dass der Turm zusammenbricht.





                        Eine Grillstelle gibt es auch, im Lande der Schwenker (Für Nichtsaarländer: Ableitung von Schwenkgrill). "Gott lenkt, der Mensch denkt, der Saarländer schwenkt".





                        Mein Vater ist hinterher stolz, diesen langen Weg noch einmal gegangen zu sein. Wenn ich in seinem Alter noch so fit bin, kann ich glücklich sein.








                        Oha.
                        (Norddeutsche Panikattacke)

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                        • stoeps
                          Dauerbesucher
                          • 03.07.2007
                          • 537

                          • Meine Reisen

                          #32
                          AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                          Ein sehr, sehr schöner Bericht.

                          Danke …

                          … und alles Gute!
                          „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
                          ― John Muir

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                            • 16.08.2008
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                            #33
                            AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                            Donnnerstag, 22.09.2016 Chemnitz - Rabenstein


                            Die Familie geht spazieren. Das Kind trödelt und denkt sich Geschichten aus. Man kommt an eine große Wiese, weit hinten begrenzt durch einen langen Zaun, der sich wie eine dünne Schlange an die hügelige Landschaft schmiegt. Dunst liegt über der Landschaft, das Gras wiegt sich im Wind. In der Ferne sieht man Berge, so nah und dennoch fern. Die so gerne Märchen erzählende Großmutter wendet sich dem Kind zu: „Schau mal, da hinten ist der Berg, auf dem die Hexen tanzen. Da war ich vor vielen Jahren ganz oft“. Das Kind macht große Augen: „Hast Du schon einmal welche gesehen?“. „Nein“, sagt die Großmutter. „Ich war ja nie nachts da. Und tagsüber sieht man sie nicht“. Das Kind ist hellwach. Es bettelt. „Lasst uns auf den Berg gehen“. Es will unbedingt die Hexen sehen. Die Großmutter schüttelt den Kopf. Die Eltern werden ganz still. Der Zaun. Der Zaun versperrt den Weg.
                            Das Kind sucht nach einer Lösung. Jeder Zaun hat doch ein Loch. Und man kann auch über Zäune hinüberklettern oder untendrunter hindurch kriechen. Es ist zwar klein, aber das weiß es genau. Die Erwachsenen schütteln den Kopf. Über den Zaun kann man nicht steigen. Wer das versucht, der ist tot.
                            Das Kind kann das nicht glauben. So schön ist es hier und menschenleer. Wer soll da jemanden töten? Das kann nicht sein. Im Boden liegen Mienen, da darf man nicht drauf treten. Oder es wird geschossen. Der Weg, er ist versperrt. „Wenn ich groß bin, werde ich auf den Berg gehen, das werdet ihr schon sehen“, sagt das Kind trotzig. Die Großen lächeln freundlich und ein wenig resigniert. „Brocken, heißt der Berg“, sagt die Großmutter. „Er ist der höchste Berg im Harz.“



                            Ich habe schon vorgepackt und so geht das Beladen schnell. Mein Vater muss noch einen Film voll bekommen und fotografiert meine Abfahrt. Ich ertappe mich dabei, gerne geblieben zu sein. Es ist so ruhig hier. So sonnig. Und dann der Ausblick über die Hügel bis nach Frankreich. Ich war ja seit Jahren nur noch an Weihnachten hier, und davor wohnte ich auch nicht zu Hause. Wie schön es hier sein kann, hatte ich völlig vergessen.


                            Schnell bin ich auf der Autobahn und genieße wieder den Duft der Wälder. Ich fahre jetzt 90 km/h, schneller zu fahren ist zu laut. Die Sonne scheint, und ich bin gut gelaunt.

                            In Kaiserslautern geht es auf die Mainzer Autobahn. Man sieht viel Natur, Raubvögel kreisen über den Feldern. Alles sieht friedlich und idyllisch aus. Mainz kommt, und ich grüße im Geiste die in der Umgebung ansässigen Odsler. Bei Rüsselsheim muss ich tanken. Es ist wieder sehr heiß, die Schlechtwettertage sind vorbei. Zwei Brezeln. Ich kann nicht widerstehen.

                            Weiter geht es auf der Autobahn. Ein futuristisches Gebäude – ich erschrecke mich ob seiner steinernen Kälte. Eine körperliche Bedrohung. Auf dem Motorrad ist man so schutzlos und die Eindrücke, die Monumentalbauten erzeugen, wirken unglaublich stark. Ich bin mit dem Auto schon oft an dem Gebäude vorbeigefahren. Aber wirklich wahrnehmen tue ich es erst heute.

                            Frankfurt. Mein Navi lenkt mich in irgendwelchen Schleifen auf die richtige Autobahn. Vor vielen vielen Jahren bin ich mit meiner kleinen 21 PS Enduro von Saarbrücken nach Frankfurt gefahren, um sie nach Hamburg zu holen. Ich bin damals eine halbe Stunde lang zwischen Wiesbaden und Frankfurt nur im Kreis gefahren, weil ich einfach nicht wusste, welche Abfahrt richtig ist. Es waren so viele Möglichkeiten und Schilder und Navis gab es nicht. Und Kartenlesen während der Fahrt ging auch nicht. Ein großer Raubvogel fliegt auf und rettet sich vor mir in eine Baumgruppe. Ob ihn jemand außer mir gesehen hat? Ich bezweifle das.

                            Der Verkehr wird unerträglich. Ich kann mich von dem Gedanken nicht lösen, was wohl passieren würde, wenn ich ein Reifenproblem bekomme. Oder was passiert, wenn mich jemand, der mich gerade schneidet, wirklich touchiert. Abflug. Von der Leitplanke zerschreddert oder in der Mitte geteilt. Von LKW Reifen platt gefahren. Kein schöner Gedanke. Überhaupt nicht.

                            Der Verkehr schiebt sich voran. Meistens fahre ich hinter Lastwagen her und versuche es einzurichten, dass hinter mir ein langsamerer Lastwagen ist, damit ich nicht bedrängt und überholt werde. Die meisten LKWs sind aus Polen. Estland und Litauen sind auch dabei. Die Polenautobahn, hatte mein Vater gesagt. Vielleicht hätte ich doch über Würzburg und Hof fahren sollen.
                            Bei Friedberg ein Stau. Hinter mir ist ein Niederländer. Er sieht mich und stellt die Warnblinker an. Ich bin ihm sehr dankbar. Ich habe Angst, ich werde von einem LKW zerquetscht. Da gab es letztens sehr unschöne Fälle. Mit dem Motorrad habe ich überhaupt keine Chance. Ein Motorrad ist schwerer zu rangieren als ein Auto. Das wissen die meisten nur nicht. Ein Lieferwagen. Express Europe-Russia-Asia. Schöne neue Warenwelt.

                            Mit fallen beinahe die Augen zu, und ich mache an einem Parkplatz Halt. Einen kurzen Moment verschnaufen. Trinken ist wichtig, ich zwinge mich dazu. Es ist zu heiß. Autos oder Lieferwagen bremsen, spucken Männer aus, diese Männer eilen an die Bäume, entleeren ihre Blase, kommen zurück, steigen ein und fahren weiter. Frauen sieht man keine. Es gibt ja auch keinen Busch, wo sie sich verstecken könnten.

                            Weiter. Zwischendrin schöne Landschaft. Wenn nur die LKW nicht wären. Ich führe lieber langsam. Bei Kirchheim geht es rechts ab in Richtung Erfurt. Ich hatte schon immer gedacht, ob ich dort nicht mal abbiegen soll. Nun tue ich es. Die Autobahn ist schmal, zweispurig, kurvig und hügelig. Die meist polnischen LKW Fahrer drängeln. Auf ihren Fahrzeugen steht 80, aber fahren tun sie viel schneller. Einige fahren fast auf, andere überholen riskant. In einer Baustelle, die mit 60 ausgeschildert ist, bekomme ich Todesangst, so nah ist ein Pole hinter mir. Zum Heulen. Dabei ist die Landschaft traumhaft. Ein Amazon-Lager. War früher wirklich soviel Verkehr? Oder ist es unsere Internet-Konsumgesellschaft, die das Mehr verursacht? Schnell noch etwas in China, München, London bestellen. Vor die Haustür kommt es von ganz alleine. Nicht mehr im riesigen LKW, der an die Händler ausliefert. Nein, ganz für uns individuell. Ist das der Preis, den wir zahlen? Ich weiß es nicht. Aber man macht sich so seine Gedanken, wenn man mal wieder von einem rasant fahrenden Lieferwagen überholt wird.

                            Herleshausen, der ehemalige Grenzübergang. Eisenach, die Wartburg. In Eisenach hatte ich mal getankt, als es noch DDR war. Ich hatte die Transitstrecke verlassen, weil ich kein Benzin mehr hatte. Sofort war ein Polizeiwagen hinter mir. Ich hatte ein Visum und habe mein Problem erklärt. Der Vopo war so jung, wie ich und hat gelacht. Ich musste versprechen, dass ich auf direktem Wege wieder zurück zur Transitstrecke fahre. Das habe ich dann auch gemacht.
                            Gotha. Die drei Gleichen heißt der Rastplatz. Worauf sich der Name bezieht, vermute ich erst, dann wieder nicht, weil nur zwei Burgen zu sehen sind. Und eine Art Schloss. Sie können die Namensgeber nicht sein. Wikipedia sagt: Doch.
                            Erfurt. Weimar. Jena. Gera. Plattenbauten säumen einen Hügel neben der Autobahn. Der Ort erinnert an Neapel. Jena oder Gera? Ich weiß es nicht mehr. Waren in Gera die Tunnel? Das Navi stellt im zweiten Tunnel das Routing ein. Ich muss auf einen Parkplatz fahren, um es wieder anzustellen. Mittlerweile tut mir der Hintern weh. Mein Hals dagegen hält sich tapfer.

                            Auf der Autobahn ist es nun ruhiger geworden. Nur noch wenige LKW sind unterwegs. Aber der Berufsverkehr sorgt für gefährliche Situationen, man sieht es an den Kennzeichen. Ein Mann mit dem Handy am Ohr überholt mich riskant von rechts. Eine Zeitlang verzieht sich die Sonne. Es sieht bedrohlich nach Regen aus, doch regnen wird es nicht. Die Landschaft ist nun recht flach und unspektakulär. Noch 40 Kilometer nach Chemnitz, noch 30 km. Ich habe keine Lust mehr. 8 Stunden Fahrt, wenn ich da bin.
                            Rabenstein. Endlich. Hier geht es ab. Ein kühler Wald umfängt mich. Die Sonne ist wieder da. Ich schleiche die Straße entlang, Autos drängeln. Hübsch ist es hier. Ein weiter Blick über die Stadt. Ich war noch nie in Chemnitz. Der Campingplatz geht rechts ab. Ich checke bei einem originellen Typen von der Sorte "Gelassenheit bringt einen weiter" ein. Ich soll neben der Schranke durchfahren. Die Kennzeichen werden gescannt, und ich habe vorne ja keins. Ein Blick auf den Schotter. Oh je. Nach dieser langen Fahrt komme ich auf dem rutschigen Gestein bestimmt nicht mehr zielgenau durch. Meine Motorik ist bedenklich. Motorradfahren ist anstrengend. So bin ich überglücklich, hotdog zu sehen. Sie öffnet die Schranke.

                            Ich fräse mit meinem Trecker über die holprige Wiese und baue mein Zelt auf scharfkantigen Bucheckern und Bucheckernhüllen auf. Die Evazote kommt unter den Zeltboden. Das ist mir sonst zu riskant, schnittfest wird er nicht sein. Ditschi ist schon da, derray und pluseins kommen noch, ebenso lina. Wie schön, unter odslern zu sein. Man ist sich so vertraut, obwohl man sich kaum sieht.
                            Zuletzt geändert von Torres; 17.10.2016, 21:05.
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                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                              #34
                              AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                              Freitag, 23.09.2016 Chemnitz


                              Ein Boulevard. Breit. Beleuchtet. Trabbis und Wartburgs knattern vorbei. Es ist warm draußen. Touristen sind in der Stadt, wie jedes Jahr um diese Zeit. Geldwechsler locken die Fremden, und versuchen eins zu vier zu tauschen. Am Bahnhof gibt es günstiges Bier. Oder Blue Curacao. Vorgespielte Idylle. Besucher sollen sich wohl fühlen hier. Es geht dem System um viel.
                              An den Seitenstraßen verfallende Häuser. Gründerzeit. Jedes Einzelne woanders unbezahlbar. Die Balkone abgeschlagen, die Fenster blind. Zeugen vergangenen Wohlstands. Vergangenen Glücks. Die Nebenstraßen sind wellig und mit tiefen Löchern versehen. Die Bürgersteige aus grobem Stein, abgetreten. Ein Stummfilm aus der Zeit vor dem Krieg. In den Häusern und auf den Straßen fehlt das Licht. Überall sind Augen und Ohren. Unbeobachtet ist man nicht.
                              Ein Geschäft hatte gestern geöffnet. Mehl, Zucker, Salz und Brot. Zitronendrops, die nach Kindheit schmecken. Kaffee, vielleicht. Nudeln? Mehr gab es dort nicht. Askese als hohes Ideal. Diskussionen mit gleichaltrigen Aktivisten einer Kirche. Die Ketchupmarke wichtiger als der Glaube, das hält den Systemwechsel zurück. Sind die Gedanken denn frei? Nein. Aber besser als materialistisches Glück.
                              Am Café fast eine Stunde warten. Besetzt, sagt der Kellner. Die meisten Tische sind leer. Ein Stück Kuchen von Kellners Gnaden. Eine Wahl gibt es nicht. Gleichaltrige bitten um Wiedersehen. Das wird es nicht geben, der falsche Pass. Oder der Richtige. Man sieht das Erstaunen und den Neid im Gesicht.
                              Eine Straßenbahn. Der scharfe Geruch der Braunkohle lähmt die Lunge. Sauerstoff findet man keinen. Das Viertel ist nobel. Die Häuser sind groß. In dem Garten standen früher die Ziegen. Ein Leben mit fünf Töchtern im Krieg. Es gibt noch alte Filme. Eine längst vergessene Zeit.
                              Im Zentrum hohe Häuser, bizarr strecken sie sich in dunklen Hinterhöfen dem Himmel entgegen. Die Zeit, stehengeblieben. Fritz Lang, Dr. Mabuse. Eindrücke in schwarz-weiß. Dann Lücken im Ensemble. Wo der Opa wohl damals stand? Als die Bomben fielen und alles brannte. Der Schreibtisch des Vaters und seiner. Fast wäre er noch einmal in das brennende Haus gerannt, die Oma, vom Hamburger Brand geprägt, hielt ihn zurück. So viele wären nie geboren.
                              Das Kind hatte die Stadt vorher nie gesehen. Und dennoch hatte sie sich in seine Seele gebrannt. Gut vierhundert Jahre Familiengeschichte. Vorbei. Vertrieben. Vergessen.



                              Aufstehen, Duschen. Ein holländisches Ehepaar mit einem De Wit Baumwollzelt. Schnell ergibt sich ein Gespräch. Ditschi kommt hinzu. Die Holländer haben eine Rundtour gemacht. Jetzt geht es nach Hause. Zum Abschied winken wir.

                              Frühstück.





                              Beim Frühstück muss mir Ray seine Jacke leihen. Ich friere entsetzlich. Die heißen letzten Tage und der warme Motorradanzug. Da ist ein Schattenplatz bei 19 Grad bitterkalt. Die Sonne kommt über die Bäume nicht hinweg. Im Sommer der perfekte Platz. Heute brauche ich den Schatten nicht. Überhaupt ist der Platz schön angelegt, es gibt kleine Hütten, alle mit Grillstelle. Zwei weitere Zeltwiesen. Und viel Natur.








                              Schloss Rabenstein, ein Hotel. Die Burg ist zwischen Bäumen verborgen, sie fotografiere ich leider nicht.





                              Gegen Mittag fahren lina, pluseins und ich nach Chemnitz. Ich will die Stadt gerne einmal sehen. Wir entern eine Bäckerei, vor der eine Schlange steht. Fünf Verkäuferinnen bemühen sich um den Strom der Kunden. Der Kuchen wird köstlich sein.





                              In der Innenstadt finden wir nicht nur das Rathaus, sondern den Wochenmarkt. Thüringer Wurst, Falafel. Wir kaufen Fleisch, Joghurt und Käse. Souvenirs für zu Hause bei der Touristik Information.





                              Der Rote Turm.





                              Ein Foto der Skulptur von Karl Marx – Chemnitz war eine Zeitlang Charlie - Town. Unter dem alten Namen ist mir die Stadt besser bekannt. Die Skulptur ist der zweitgrößte Kopf nach der Sphinx. Ich mache sogar ein Selfie :-). Das zeige ich aber nicht. Ein Freund von mir wurde damals in Herleshausen kontrolliert. Sie schmuggeln Bücher! Diebstahl von Volkseigentum. Was haben wir denn da. Das Kapital. Gesamtausgabe. Weiterfahren. Wir wünschen eine gute Reise.








                              Auf dem Weg zum Bioladen spricht mich ein älterer Herr an und erklärt mir, was ich seiner Meinung nach wissen muss: Bioladen: Zu teuer, wo die ihr Zeug herbekommen, weiß man nicht. In der Galerie da rechts kann man preiswert essen und hat einen schönen Blick zum Rathaus. Man kann sich viermal nehmen. In der anderen Galerie ist es auch preiswert, das lohnt sich auch, Blick über den Markt. Hier ist ein Museum, dort am Opernplatz. Und wenn sie um den Block gehen, auch. Da vorne sind die lebenden Bäume, das ist eine Ausstellung. Dort geht es zum Schlossteich, das sollte man auch einmal machen. Ich bedanke mich herzlich, während die anderen längst im Bioladen verschwunden sind.





                              Die lebenden Bäume wollen wir auf jeden Fall sehen. Aber erst einmal brauchen wir eine Toilette. Es ist eine grauenvoll schlechte Idee, diese bei Decathlon zu suchen. Das liegt nicht an der Toilette. Nun, wir verlassen den Laden mit drei Handtüchern, drei Tischen, einem Stuhl, drei T-Shirts und einer Regenjacke. Etwas vergessen?

                              Danach ist uns das Museum entfallen, und wir fahren zurück. Ein Abstecher beim Supermarkt, eine Frau wurde angefahren. Ich kaufe Obst und Gemüse. Mein Zeltplatz.





                              Am Platz gibt es Kaffee und Kuchen. Ditschi hat das Wildgehege besucht, drei Stunden war er unterwegs. Ray hat Holz gesammelt. Blauloke trifft ein. Lateralus baut seine Hängematte auf. November und Pfadi kommen.








                              In der Nacht dann auch HaegarHH. Am Lagerfeuer sitzen wir gemütlich. Und mir wird sogar warm.


                              Zuletzt geändert von Torres; 19.10.2016, 19:58.
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

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                                Alter Hase
                                • 08.03.2009
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                                #35
                                AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                                Unglaublich, ein Quell der Freude, dieser Bericht....
                                "Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist." Walter Kempowski - Schriftsteller (1929 - 2007)

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                                • Torres
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                                  AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                                  Danke, Karliene, das freut mich sehr.
                                  Oha.
                                  (Norddeutsche Panikattacke)

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                                    AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                                    Samstag, 24.09.2016 Totenstein


                                    Das Kind fährt durch die Straßen Frankfurts am Main. Es ist ein schöner Abend, vielleicht gegen 18.00 Uhr. Die Straßen sind leer, kein Verkehr. Totenstille liegt in der Luft. Als hielte die Stadt den Atem an. Unheimlich, fast. So war das hier noch nie. Ist der Papst gestorben? Nein, das kann nicht sein. Das Kind will jemanden fragen. Doch niemand ist zu sehen. Ein Fußballspiel vielleicht. Nein, das wüsste es. Oder Krieg? Nein, das glaubt es nicht. Mach Dich nicht verrückt. Das Kind beruhigt sich. Aber irgendetwas stimmt hier nicht. Das Kind weiß nicht, warum.
                                    Noch ein paar Häuser Fußweg bis zur Cousine. Auch diese Straße ist leer. Es erklimmt die wenigen Stufen. Die Cousine öffnet die Tür. „Die Grenze ist offen“.
                                    Die Zeit steht still, als sie sich in die Augen schauen. Schweigend sitzen sie auf dem Sofa. Der Fernseher läuft. Menschen klettern auf die Mauer. Bitte lass sie nicht schießen. Die Bitte richtet sich an Gott. Fernsehbilder, unfassbar. Jede Vorstellungskraft gesprengt. Menschen strömen durch die Tore. Die Mauer hat ein Loch. „Nach Hause“, denkt das Kind. „Wir dürfen nach Hause“.




                                    Wieder beginnt ein schöner Tag. Pfadi und November wollen zum Totenstein. Wie steil es ist, weiß ich nicht, vielleicht bin ich zu langsam. Blauloke bietet an, auch langsam zu gehen, aber Pfadi winkt ab. Er will schnell sein. So gehe ich alleine. Erst in die falsche Richtung, meint Outdoornavi routet mich wohl als Autofahrer. Dann bin ich richtig und fast genauso schnell wie die anderen. Denn der Weg ist flach und so untrainiert bin ich auch nicht. Sonst könnte ich mein Fahrrad ja auf Tour nicht immer stundenlang schieben.





                                    Alleine gehen hat den entscheidenden Vorteil, dass man besser fotografieren kann. Blick ins Wildgehege.





                                    Ein Rabenvogel fliegt mit einer Nuss im Schnabel an mir vorbei. Krah. Schaurig klingt sein Gesang. Irgendwo hier sitzt er im Baum.





                                    Zwischen diesen Bäumen fliegt er zurück, aber er ist zu weit weg und viel zu klein auf dem Bild.





                                    Wegmarkierung








                                    Und ein Radweg ist das hier auch.





                                    Einblicke.





                                    Die anderen kommen mir entgegen. Ich erkenne sie von weiten.








                                    Seinen Toten. SV Grüna, 1912





                                    Der Turm.





                                    Ein Radfahrer turnt herum.





                                    Bis zur ersten Plattform schaffe ich es noch. Dann ist Schluss. Höhenangst. Mein ganzer Körper zittert. „Wenn um den Turm eine Wand wäre, wäre es kein Problem, oder?“ fragt der Radfahrer. Ich nicke. Es geht wohl auch anderen so. Für den Radfahrer ist der Turm Training. 25 Mal, drei mal die Woche. Das ist sein Programm. Nicht schlecht.





                                    Ich dagegen gebe auf. Man muss seine Grenzen kennen.





                                    Er hatte bestimmt auch Höhenangst.





                                    Etwas ziellos laufe ich zurück und entscheide spontan, in Richtung Dachsbaude zu laufen.





                                    Das ist eine super Idee, denn der Weg ist schön.

















                                    Kurz darauf bin ich im Ort. Radfahrer packen ihr Gefährt aus dem Auto aus. Die Baude selbst sehe ich nicht, ich halte mich links und keuche die steilen Treppen hinauf.





                                    Hier schieben auch die Radfahrer.





                                    Oben wird es richtig schön.














                                    Der Weg war eine gute Wahl.




















                                    Ich halte mich nun geradeaus.





                                    Dann biege ich nach Gefühl links ab und stehe anscheinend vor einer Sprungschanze.





                                    Hübsch. Radfahrer sind hier keine mehr.








                                    Ich komme wieder auf einen Hauptweg.





                                    Warum muss ich bei so etwas an einen bestimmten Herren denken. So ein Unsinn.





                                    Und komme an der Kreuzung heraus, wo ich oben so viele Wegweiser gesehen hatte. Nun kenne ich mich wieder aus.





                                    Nach links führt ein Weg zum Tierpark – dort, wo ich dem Rabenvogel begegnet bin. Ich hoffe auf einen Eingang und erst später fällt mir ein, dass Ditschi erzählte, es sei ein Rundweg, man könne nicht auf anderem Wege zurück. Zu spät. Ich wandere am Zaun des Geheges entlang.





                                    Zwei Pferde donnern auf dem Querweg in vollem Galopp vor mir vorbei.





                                    Ein langweiliger Forstweg. Menschen hinter einem Zaun eingesperrt. Sie wären mir zu laut, ich bin froh, die Waldwege gegangen zu sein.





                                    Ich biege rechts ab.





                                    Ein kleines Flüsschen. Dann wieder traumschöner Wald. Märchenqualität. Und dann sacke ich innerlich plötzlich weg und denke an meine Mutter. Hoffentlich geht alles gut. Und weiß doch mit erschreckender Klarheit, dass es nur eine Verzögerung sein wird. Bis zu dem Moment, wo die Trennung von den Eltern endgültig sein wird. Mühsam dränge ich die belastenden Gedanken weg.





                                    Der Eingang zum Wildgehege. Es ist 13.00 Uhr, die MV beginnt gleich. Schade. Eigentlich würde ich jetzt gerne weitergehen. An Häusern entlang gehe ich Richtung Campinglatz. Ein Rasenmäher summt.





                                    Dann kommt er auch schon in Sicht.





                                    10,3 Kilometer war ich unterwegs. Eine schöne Wanderung.





                                    Dominik kommt und die MV beginnt. Ein Flugzeug kreist über unserem Kopf und macht Loopings. Das Trailrunningteam in gelb, blau, gelb läuft los und kommt ausgepowert wieder zurück. HäegarHH hatte am Morgen mit seinem Fahrrad Gulasch gekauft und lina und hotdog beginnen, Fleisch zu schneiden und Kartoffeln zu schälen und zu vierteln. Vielen herzlichen Dank.

                                    Bald brennt das Lagerfeuer, und als es dunkel ist, gibt es das leckere Gulasch. Es ist sogar genug da für einen Nachschlag, ein kleines Treffen ist wirklich vorteilhaft. Wir bringen hotdog dazu, trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit noch ein Pfirsich-Cobbler zu machen, und der rundet den Abend wirklich ab. Nur Spülen oder saubermachen mag keiner. Alle sind viel zu satt. Einen herzlichen Dank an hotdog für diesen heroischen Dienst an ods.
                                    Zuletzt geändert von Torres; 19.10.2016, 20:21.
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                                      • 16.08.2008
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                                      #38
                                      AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                                      Sonntag, 25.09.2016 Rückfahrt


                                      „Frag mich“, sagt der Vater. „Noch kannst Du fragen. Wenn ich nicht mehr da bin, kann Dir niemand mehr antworten“.



                                      Gegen 10.00 Uhr breche ich auf, kurz nach Ditschi, der Dominik zum Bahnhof fährt. Auf meiner Evazote befand sich ein Buchen-Streckfuß oder Rotschwanz, im Nachhinein bin ich froh, dass es etwas Harmloses war. Komisches Ding.





                                      Abschied.








                                      Die Landschaft ist schön, die Autobahn leer. Mit Wehmut blicke ich auf Hügel, Felder und kleine Dörfer. Schade, dass meine Reise schon zu Ende ist. Der Störmthaler See lockt, aber ich halte nicht an, denn ich möchte voran kommen. Wer weiß, was auf der Fahrt noch für Hindernisse auftauchen. Eine gute Idee. Zu meinem Erstaunen merke ich, dass meine Motorik wieder funktioniert. Ich fahre die Kurven galant, und an Einmündungen habe ich auch kein Problem mehr. Man muss einfach nur öfter fahren.

                                      Ich grüße die Geburtsstadt meiner Eltern und schwöre mir, demnächst mit dem Zug nach Sachsen zu fahren und mir alles anzuschauen. Der Verkehr nimmt nun zu und wird sich steigern. Ich fahre streckenweise sogar 110 km/h, obwohl keine LKW unterwegs sind. So kann ich besser überholen. Kurz vor Helmstedt überholt mich Ditschi, und ich hupe. Auch er hat mich gesehen. Ich halte an einer Raststätte und wünschte mir, jetzt in der Sonne zu liegen und zu schlafen, statt die laute, volle Autobahn zu fahren. Was man sich alles so antut, um ein Land zu queren.
                                      Beim nächsten Tankstopp suche ich mir einen Platz an einem Tisch. Von hinten kommt jemand und spricht mich an – Ditschi. Ein echter Zufall, sich wiederzusehen. Der Verkehr wird nun immer schlimmer. Baustelle Hannover – mit Zuhilfenahme der Rettungsgasse mogele ich mich erlaubterweise durch. Ganz ungefährlich ist das nicht, man muss mit Aggressionen von Autofahrern rechnen. Kurz vor Hamburg ist dann alles dicht. Selbst in der Rettungsgasse geht es stockend voran. Ein Endurofahrer fährt sogar über den Sandstreifen neben der Autobahn. Kein Wunder, die Hälfte der Autofahrer stellt sich den Schildern zum Trotz in die Mitte. Nachlässigkeit oder Neid? Ich würde ihnen gerne zurufen: „Ziehen Sie die warme Motorradjacke an, und ich nehme Ihre Klimaanlage. Dann wissen Sie, warum ich vorbeifahre.“ Irgendwann hole ich den armen Ditschi wieder ein, der den Autos folgen muss und festsitzt. War klar. Kaum sind die 1,8 Millionen Einwohner Hamburg wieder aus dem Urlaub zurück, reißt die Stadt die Straßen auf. Als die Baustelle dann richtig beginnt, nutzt mir mein Vorteil aber auch nichts mehr. Nach 7 Stunden (für 350 km/h) bin ich endlich zu Hause. Pferd tränken, Sachen auspacken, einräumen.

                                      Ganz schon eng bebaut hier. Die Fenster hell beleuchtet. Die Sterne kaum zu sehen.
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                        • 20.07.2009
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                                        #39
                                        AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                                        @ Torres, sehr schön geschriebener Bericht. Schade, daß wir uns in Finnland nicht gesehen haben, wie ursprünglich einmal angedacht.
                                        Aber den ganzen Bericht durchscheint die Sorge um die Eltern, insbesondere die Sorge um Deine Mutter. Diese Sorge kann ich sehr gut nachvollziehen.
                                        Meine Eltern sind beide verstorben. Schwiegervater auch, aber Schwiegermutter lebt noch. 93 Jahre alt, körperlich gebrechlich, geistig fit, kommt sie noch alleine so grade zurecht. Aber meine Frau ist innerlich in ständiger Alarmbereitschaft, telefoniert täglich, fährt so oft wie möglich hin. Die Sorge spielt natürlich in den Urlaub hinein. Wie schnell sind wir auf welche Weise wieder zu Hause? So schön der Urlaub auf den Åland- Inseln war -- es war weit. Auf der Rückfahrt haben wir noch drei Tage auf unserem Lieblingscampingplatz in DK verbracht. Meine Frau fand es dort besonders entspannend, einfach in dem Bewußtsein, notfalls in 5 Stunden bei ihrer Mutter zu sein. Die Sorge um die alten Eltern beeinflußt so nicht nur das Urlaubsziel, sondern auch die Empfindungen. Du hast es richtig gemacht, nicht nach Norden zu fahren, sondern die Eltern aufzusuchen.

                                        Übrigens wird es nichts mit unserem Kurzurlaub auf Amrum dieses Wochenende. Eine gute Freundin meiner Frau ist überraschend gestorben. Morgen ist Beisetzung. So kann es gehen.

                                        Ditschi
                                        Zuletzt geändert von Ditschi; 20.10.2016, 19:18. Grund: Ergänzung

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                                          • 22.08.2008
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                                          #40
                                          AW: [D,NL,B,F] Als die Sonne wiederkam – Roadmovie BeneSaarlorLux – Chemnitz

                                          Torres, du wirst immer poetischer. Deine Berichte sind eine Klasse für sich und dieser besonders.
                                          Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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