[NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

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  • Antracis
    Fuchs
    • 29.05.2010
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    [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Land: Norwegen

    Reisezeit: September 2016 ( 04.09 - 18.09)

    Region: Skandinavien/Nordeuropa








    Tourvideo in HD: https://youtu.be/GLOJMwl9zIg



    Prolog


    Steine! Steine in allen Größen. Ausgenommen natürlich die, über die man bequem gehen kann. Das würde uns erwarten, hatte uns ein Ortskundiger vorgewarnt, wenn wir die Hochlagen des Børgefjells, inklusive der höchsten Gebirgsformationen der Gegend, den Golvertinden- und Kvigtindenmassiven, besuchen wollten.

    Außer großen und kleinen Steinen wurden uns allerdings auch phantastische Aussichten versprochen. Große Gletscherareale, Schmelzeisseen und wunderbare Bergseen. Außerdem im September wenig Altschnee und Mücken. Herz, wat willste mehr.

    Eigentlich wollten wir ja, wie letztes Jahr, wieder nach Lomsdal-Visten aber der dortige Nationalpark-Ranger erinnerte uns während des Mailausstausches zur Reisevorbereitung daran, das der September dort der mit Abstand feuchteste Monat sei. Der Golfstrom pustet fröhlich feucht-warme Luft direkt gegen die küstennahen Berggipfel und der Regen macht so manche Route unmöglich. Was dann im Landesinneren ankommt, ist deutlich weniger feucht und landet im Børgefjell, das östlich davon liegt.

    Nun ist das Børgefjell so unbekannt ja nicht, dennoch wenig begangen und es gibt auch verhältnismässig wenig Reiseberichte, was an der fehlenden Wege- als auch Hütteninfrastruktur liegen mag. Im Kerngebiet des Parks fehlt beides, was uns zusätzlich reizte.

    Nach Erwerb der beiden Nordeca-Karten Børgefjell Süd und Nord nahm die Planung Fahrt auf. Kopfzerbrechen bereitete uns der Einstieg in den Park. Viele Wanderer kommen über Majavatn im Westen, doch ein Rundkurs bis zum Golvertinden im Norden hätte zuviel Zeit gekostet. Wir hatten zwar 13 Tage, planten aber aufgrund der weglosen Strecke und der hohen Routenführung konservativ, zumal die Gipfeltouren als Tagesausflüge mit leichterem Gepäck geplant wurden.

    Zunächst erwogen wir den Zustieg aus dem Nordosten entlang der Mjolkelva aus dem Susendalen, wohin eine Busverbindung besteht. Allerdings gibt es nur kurz einen Forstweg und dann geht man weglos durch die Vegetation. Weil wir keine weiteren Infos bekamen, verwarfen wir den Plan. (Nach Kennenlernen der Vegetation in dieser Gegend würde ich nun auch davon abraten, wenn man nicht gerade einen Faible für Bushwhacking hat).

    Eine Busverbindung besteht auch ins Simskardet, einer weiteren Einfallspforte in den Park im Nordwesten und von da kommt man gut in die Golvertindenregion. Weiterhin hat man die ersten Kilometer einen Pfad und eine Hütte für die erste Nacht. Die Route sollte dann nach Majavatn führen, dazwischen war reichlich Zeit für Spaziergänge auf die Dächer des Parks und Verweilen an den großen Bergseen, sollten uns die Wettergötter wohlgesonnen sein.

    Aufgrund von 13 Tagen im Fjell und der vorsichtshalber mitgeführten Eisaxt und Grödeln (beides natürlich nie benutzt ), um nicht bei den Gipfelbesteigungen an einem steilen Altschneefeld zu scheitern, wurden die Rucksäcke so schwer wie nie. Bei mir standen 24Kg zu Buche, bei meiner Frau knapp 19 Kg. Es ließ sich aber dank gutem Trainingszustand alles problemlos bewältigen, dennoch bin ich immer fassungslos, wenn ich z.B. über Bernies Wellnesstrips mit 40Kg-Rucksack lese.

    Buchstäblich auf den letzten Drücker wurde noch ein Satellitencommunicator angeschafft, das Delorme Inreach SE. Nachdem wir auf der letzten Tour 8 Tage niemanden getroffen hatten und diesmal mit ähnlichen Verhältnissen rechneten, war für uns die Möglichkeit von Tracking, SOS-Notruf, sowie jederzeit SMS/E-Mail Kommunikation nach Hause eine wichtige Innovation. Die damit verfügbare Wettervorhersage versprach ebenfalls ein nützliches Feature zu sein. Das für eine Powerbank weitere 180g hinzukamen, nahmen wir gerne in Kauf.





    Das wir mittlerweile doch keine Anfänger mehr sind, merkten wir daran, dass das Packen relativ entspannt verlief. Das wir dennoch immer Anfänger bleiben würden, merkten wir dann später.

    Kurz den Wettergott anbeten und ab ins Bettchen. Die Vorhersage hielt zwischen Sonnenschein und ausgewachsenem Sturm für die ersten Tage alles bereit.




    Anreise: Berlin - Trondheim - Mosjøen


    Frühmorgens bringt uns ein Freund zum Flughafen und ich darf mal wieder meine in Schönefeld am BER versenkten Steuergelder bewundern. Nachdem uns Norwegian ohne besondere Vorkommnisse (zu denen auch Essen und Trinken gehört hätten ), dafür aber mit Free WiFi nach Trondheim brachte, setzte sich die Verschwendung von Geldern fort.

    Unzählige Kronen flossen in Form von sauteurem Kaffee in unsere Kehlen, während wir die 4 Stunden Wartezeit auf unseren Zug vertrödelten und dabei den Flughafen inspizierten, hier wollten wir schließlich auf dem Rückweg übernachten.







    Immer wieder hervorzuheben auch die äußerst freundlich drein schauende norwegische Schokomilch.



    Dann gings mit der Bummelbahn nach Mosjøen und so schön die Strecke ist, günstiger und ökologisch korrekter als der Flug, würde ich wohl das nächste Mal wieder mit Widerøe fliegen. Wir wären dann schon um 15.00 Uhr im bewährten Mosjøen-Hotel gewesen und nicht erst um 22.00 Uhr. Somit fiel das beste am Hotel, nämlich das Inklusive-Abendessen aus. Immerhin konnten wir noch das 3:0 Deutschland gegen Norwegen sehen, bevor wir mit viel Vorfreude ins Bett fielen.




    Tag 1: Mosjøen - Trofors - Simskardet - Simskardhytta


    Morgens um 6.00 Uhr genossen wir zum letzten Mal für lange Zeit die warme Dusche und labten uns am typischen norwegischen Frühstück. Bei strahlendem Sonnenschein kaufen wir im Intersport Gas und trinken noch einen leckeren Kaffee, bevor uns ein Bus nach Trofors bringt. Hier gibt es neben einem Werkzeugladen sogar einen Supermarkt, wo wir nochmal Schoki einwerfen und die Karten studieren



    und in strahlendem Sonnenschein auf unseren nächsten Bus warten.



    Der Bus kommt ziemlich spät, aber er kommt. Der Fahrer ist aber erstaunt, uns anzutreffen. Es handelt sich eigentlich um einen Schulbus, mit dem die kleinen Kinder nach der Schule wieder auf die Dörfer verteilt werden. Er nimmt uns natürlich trotzdem mit. Wir müssen auch nix zahlen, weil er dafür erst die Geräte hochfahren müsste.

    Von ca. 10 neugierigen Kinderaugenpaaren fixiert schaukeln wir über zunehmend schmalere Straßen und sind baff, wie abgelegen die Menschen hier teilweise wohnen. Interessant auch, dass wir bei ca. 1 Stunde Busfahrt praktisch keinen Gegenverkehr hatten.

    Schließlich sind wir die letzten Passagiere und der Fahrer entlässt uns gegen 16:00 Uhr mit erhobenen Daumen in die Pampa. Die Startposition könnte schlechter sein.





    Euphorisch ob des guten Wetters, das laut Vorhersage leider die nächsten beiden Tage deutlich schlechter werden soll, schmeißen wir die GoPro, unser Garmin GPS und das Delorme inReach an und wandern gut gelaunt in einer Wolke aus Elektrosmog los. Der Weg verläuft zunächst als Schotterstraße mit schönen Aussichten auf die Berge.



    Nach kurzer Wanderung gelangen wir zu einem Parkplatz mit den Resten eines Klos. Die nicht vorhandenen Autos deuten an, dass die nächsten 13 Tage ziemlich einsam werden.



    Ab jetzt folgen wir einem nicht markierten aber gut ausgetretenem, teils sumpfigen Pfad entlang der Simskardelva, die schöne Landschaft des Simskardet nimmt uns sofort gefangen.



    Schließlich ereichen wir die offizielle Grenze des Nationalparks und betreten diesen.



    Wenig später gelangen wir zu einer Brücke über den Fluss. Im Gegenlicht fällt mir ein Sack mit Holz und einer Axt auf, was wenig später von Bedeutung sein wird.



    Flussaufwärts durch schöne bewaldete Hänge gelangen wir schließlich zur idyllisch im Wäldchen gelegenen offenen Simskardhytta. Eine Statskog, die wie üblich mit Gas, einem Ofen und Holz alles hat, was man braucht um glücklich zu werden. Nur die Axt fehlte halt.





    Erstmal genießen wir vor der Hytta die letzte Abendsonne und essen lecker. Dann bewähren sich die in Trondheim auf der Tankstelle gekauften Ofenanzünder, die ich aus leidvoller Erfahrung immer mitnehme, falls es nur Holzscheite in Baumstärke gibt, aber keine Axt. So spare ich einen längeren Ausflug zurück zur Brücke.



    Wir heizen die Hütte kuschelig ein und genießen ein letztes Mal warmes Wasser für viele Tage. Weitere Wege und Hütten sind für die nächsten 12 Tage nicht eingeplant.

    Zuletzt geändert von Antracis; 13.08.2017, 17:06.

  • Borgman
    Dauerbesucher
    • 22.05.2016
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    #2
    AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

    Das fängt ja schon herrlich an , freue mich auf die Fortsetzung!

    Das Bild ganz am Anfang ist der Blick vom Kvigtind nach Norden, oder? Da hattet Ihr ja prachtvolles Wetter!

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    • Antracis
      Fuchs
      • 29.05.2010
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      #3
      AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

      Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
      Das fängt ja schon herrlich an , freue mich auf die Fortsetzung!

      Das Bild ganz am Anfang ist der Blick vom Kvigtind nach Norden, oder? Da hattet Ihr ja prachtvolles Wetter!
      Danke. Ja, das ist auf dem Grat auf dem Weg zum Gipfel und das Wetter war großartig, wir konnten z.B auch nach Westen alle Visttindangipfel sehen, wo wir letztes Jahr wetter/schneebedingt umkehren mussten. Das war eine gewisse Genugtuung.

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      • Hapi
        Erfahren
        • 22.09.2015
        • 426
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        #4
        AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

        ...was für ein Wetter! Schöne Fotos aus einer (mir) unbekannten Gegend, sehr nett geschrieben!
        Look deep into nature and you will understand everything better (A. Einstein)

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        • Dogmann
          Fuchs
          • 27.09.2015
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          #5
          AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

          Fotos die nach mehr verlangen, schön geschrieben, warte auf mehr! Borgefjell= viel gehört und viel drüber gelesen, aber ich war noch nie dort. Bin auf mehr echt gespannt,

          Gruss Michael
          Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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          • attue
            Erfahren
            • 10.01.2010
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            #6
            AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

            bin schon gespannt wie es weitergeht.

            wie seid ihr denn mit dem delorme zufrieden gewesen? welchen tarif habt ihr denn genommen?

            lg attue

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            • Antracis
              Fuchs
              • 29.05.2010
              • 1280
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              #7
              AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

              Zitat von attue Beitrag anzeigen

              wie seid ihr denn mit dem delorme zufrieden gewesen? welchen tarif habt ihr denn genommen?

              lg attue
              Erfahrungsbericht Delorme inReach SE

              Kurzform: Großartig, nie mehr ohne, vor allem auch wegen der Wettervorhersage.

              Wir hatten den Recreation-Plan innerhalb eines Freedom-Plans, würde ich wieder nehmen.

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              • Antracis
                Fuchs
                • 29.05.2010
                • 1280
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                #8
                AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                Tag 2: Simskardhytta - Golverskardet


                Nachts ist es kalt in der Hütte geworden. Es ist halt doch Herbst und die Statskog ist nur eine Blockhütte, die zusätzliche Wandisolation, wie in den meisten DNT-Hütten üblich, fehlt. Da es noch sehr früh ist, heize ich nochmal kurz den Ofen an, die nächsten Tage werden kalt genug werden und so haben wir noch warmes Wasser für Frühstück und Waschen.

                Als wir vor die Tür treten, ist es grau am Himmel, doch die Frische der feuchten Luft ist großartig. Wir kehren zunächst zurück zur Brücke und queren wieder auf die andere Seite. Dort beginnt bald der weglose Teil unseres Trecks und es wird schnell mühsam, weil es oft direkt an der Simskardelva zu steil und felsig ist, um zu laufen und uns andererseits fieses Birkendickicht das Leben schwer macht. Teilweise scheinen die Krüppelbirken geradezu herausgezüchtete Fussangeln zu besitzen, um Wanderern das Leben schwer zu machen.
                Öfters irren wir zwischen den ersten Blaubeerfeldern und Birkenansammlungen herum, um den Weg in freieres Gelände zu finden.







                Nach einer Menge Flüche und Bushwhacking gelangen wir schließlich in freieres Gelände und können zur Golverskardelva queren, der wir hoch ins Fjell folgen wollen.





                Wir machen eine erste Pause im Nieselregen und genießen einfach die herbstliche Atmosphäre des Fjells. Wir können bereits den Golvertinden sehen, einen der höchsten Berge des Børgefjell, den wir in den nächsten Tagen erklimmen wollen, wenn uns die Wettergötter nicht von ihm runter spülen oder uns sonst wohin pusten.







                Für heute Nacht hat yr.no sportliche Windgeschwindigkeiten von 15-18m/s vorhergesagt.
                Weshalb wir also unseren ursprünglichen Plan, möglichst hoch ins Gebirge zu gehen, abändern und eher ein windgeschütztes Lager in gemäßigteren Höhen anstreben.

                Aber davor haben die Götter den Schweiß in Form zahlreicher Birkendickichte gesetzt.





                Dem Verlauf der Golverskardelva zu folgen ist teilweise übles Bushwhacking, obwohl wir immer wieder in höhere Lagen ausweichen. Das macht in Goretex gleich noch mehr Spaß, weil man schön schwitzt und immer aufpassen muss, sich nicht alles zu zerfetzen. Die schöne Landschaft mit den ersten herbstlichen Farben entschädigt aber für vieles.







                Wir zelten schließlich auf einer schön gelegenen Blaubeerplantage an einem Nebenarm der Golverskardelva, unweit der Einmündung des Flusslaufes, der aus dem Simskardfjellet kommt. Da es aufgehört hat zu regnen, pflücken wir in unserem Übermut noch einige Blaubeeren fürs Abendessen - bis ich mich umdrehe, und die Schlechtwetterfront sehe.

                Also im Turbogang das Zelt aufgebaut. Bis ich es sturmsicher verankert habe, bin ich natürlich dennoch triefend nass.

                Wäre vermeidbar gewesen, wenn wir sofort das Zelt aufgestellt hätten, aber ob wir dann noch so leckere Blaubeeren in unserem Grießpudding gehabt hätten?


                Zuletzt geändert von Antracis; 01.10.2016, 22:46.

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                • Antracis
                  Fuchs
                  • 29.05.2010
                  • 1280
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                  Tag 3: Abwettern Golverskardet


                  Wir schlafen diese Nacht schlecht, weil es doch windiger wird, als erwartet. Wir zelten auf ca. 600m und die Entscheidung, nicht höher zu gehen, erweist sich als gut. Heftige Böen treffen frontal auf den Tunnel, aber alles bleibt im Rahmen der Werftgarantie - wir haben da schon Schlimmeres erlebt.

                  Es schüttet allerdings auch wie aus Eimern und Anke ist um die Apsiden besorgt, seit Ihr Rucksack neulich in Schottland in einem infernalischen Regen abgesoffen ist und schaut immer mal wieder raus. Bis auf ein wenig Spritzwasser, das durch die Böen rein gedrückt wird, ist aber alles O.K. Ich bin diesbezüglich entspannt, da Blaubeerplantagen gewöhnlich hervorragende Drainageeigenschaften haben.

                  Laut Vorhersage soll der Sturm am frühen Morgen noch stärker werden, dafür lässt der Regen etwas nach und wir schlafen gegen 5.00 Uhr für eine längere Phase ein.

                  Gegen 9:00 Uhr schüttet es wieder unablässig und die Option Abwettern rückt in den Bereich des Möglichen. Schließlich haben wir ein geräumiges und gemütliches Zelt und haufenweise zu futtern.





                  Nach kurzer Beratung mit unserem neuen dritten Tourmitglied Delorme entscheiden wir uns fürs Abwettern, da es heute eher noch Schlimmer werden soll, die nächsten Tage aber eine deutliche Wetterbesserung vorhergesagt ist.

                  Überhaupt entwickelt sich Delorme so langsam zum Star unserer Tour. Offenbar vom gleichen Sounddesigner wie R2D2 aus Star Wars programmiert, erobert er piepsend die Herzen einer jeden Tourpartnerin im Sturm und darf aus dem trockenen Zelt heraus gleich mal die Nachricht nach Hause übermitteln, dass wir uns heute wetterbedingt nicht vom Fleck bewegen werden.

                  Satellitenverbindungen und Piepsen sind nicht meine Stärke, aber Zeltheringe kontrollieren und Wasser holen kann ich. Also muss ich raus, das Leben ist nicht immer fair.

                  Es ist weiterhin sehr windig. Vor allem staune ich aber, was die Regenfälle so hervorbringen. War unser Seitenarm gestern noch ein Flüsschen, das man ohne Schuhwechsel hätte furten können, hat er sich nach stundenlangem Dauerregen in einen reissenden Strom verwandelt.








                  Überall kommen Sturzbäche aus dem Gebirge, wo gestern nur Rinnsale zu sehen waren.





                  Einige Rentiere scheinen davon wenig beeindruckt zu sein, vielmehr grasen sie sich vollkommen unauffällig voller Neugier immer näher an uns heran.








                  Ich hingegen finde es nicht so gemütlich, füge dem vielen Wasser noch ein wenig hinzu, pflücke ein paar Heidelbeeren fürs Mittagessen und verziehe mich wieder ins Zelt.





                  Wir verbringen die nächsten Stunden mit Futtern und Lesen. Ich lese "Norwegen der Länge nach" von Simon Michalowicz, ja kein Unbekannter hier im Forum. Total schöne und passende Literatur. Anke liest auch irgendwas und versucht konzentriert, ihre Stunde um Stunde stärker drückende Blase zu ignorieren, da es draußen wieder immer stärker regnet.





                  Irgendwann muss es dann doch sein und sie nutzt geschickt eine Regenpause, um sich ganz in Goretex zu gewanden und zu tun, was getan werden muss. Ich bleibe im Zelt und erlebe staunend mit, wie dann leider plötzlich der stärkste Schauer des ganzen Tages niedergeht, während sie draußen ist.

                  Da nasser als nass nicht geht, pflückt sie aber gleich noch ein paar Heidelbeeren fürs Frühstück morgen.

                  Am späten Nachmittag ergibt die Kontrolle der Apsiden, dass es an einer Naht tropft, wo der Gestängekanal repariert werden musste. Nicht schlimm, aber ein Fall für SilNet.

                  Gegen Abend lassen dann Wind und Regen endlich nach und wir schlafen mit dem Tosen des Wassers um uns herum und dem festen Glauben an die Wettervorhersage ein.
                  Zuletzt geändert von Antracis; 02.10.2016, 12:50.

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                  • evernorth
                    Fuchs
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                    #10
                    AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                    Wieder sehr unterhaltsam und interessant. Lese ich mit wachsendem Interesse und bin gespannt, wie es weitergeht.
                    My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                    • Antracis
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                      #11
                      AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                      Tag 4: Golverskardet - Golvertinden - Golverskardet


                      Am Morgen sind wir ob des sehr bedeckten Himmels unsicher, ob wir heute wirklich unsere Tagestour zum Golvertinden unternehmen sollen. Über 1000 Höhenmeter und vor allem die Länge der Strecke mit dem zu erwartenden schweren Gelände schrecken uns ab. Delorme bleibt aber auch nach neu eingeholter Forecast optimistisch und verkündet einen bewölkungsfreien sonnigen Gipfel am späten Nachmittag und piepst alle unsere sorgenvollen Argumente nieder. So packen wir schnell unser Tagesgepäck zusammen und brechen gegen 10:30 Uhr auf.





                      Der Plan ist, dem Flusslauf zu folgen, der hoch hinauf zum namenlosen See 1027 führt. Da wir spät dran sind, wählen wir zunächst die kürzeste Strecke querfeldein zum Fluss und gewinnen langsam an Höhe.








                      Nach Nordosten genießen wir großartige Blicke auf einen Talübergang.





                      Und der Himmel zeigt erste Anzeichen, sein Versprechen einzulösen.





                      Um weiter Strecke zu sparen, furten wir den Fluss schon früh und entscheiden uns, nicht weiter dem Fluss zu folgen, sondern über die Hänge der Erhebung 1076 abzukürzen.





                      Ab hier beginnt eine schöne aber unkomfortable Zone im gesamten Børgefjell. So ab 700-800m gibt es zunehmend bis ausschließlich Steine in allen Größen. Nein, nicht in allen. Es fehlen wie gesagt die, über die man bequem gehen kann. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Jedenfalls zunehmend anstrengend und ermüdend. Der Golvertinden hüllt sich derweil weiter in Wolken.





                      Dafür ist der Rückblick ins Tal grandios.





                      Das Queren nahe des Hanges erweist sich, eisernes Gesetz des Bergsteigens, wie die meisten Abkürzungen als keine gute Idee. Viel Auf- und Ab über geröllige Hänge bremst uns gewaltig aus.





                      Dann endlich erreichen wir eine Art Plateau und unsere Laune steigt, weil Wetter und Aussichten immer besser werden.








                      Hier gibt es sogar einen Wellnessbereich. Einen Pool mit 4 Grad...





                      ...und einen mit Null Grad.





                      Zudem präsentiert sich mittlerweile der Golvertinden wolkenfrei.





                      Dadurch wird aber auch klar, das wir noch einen weiten Weg vor uns haben, also nix wie los. Zunächst ist das Gelände ziemlich steil und es ist nicht leicht, den günstigen Einstieg mit leichter Kletterei auf den breiten Rücken zu finden, auf dem wir hoffen, halbwegs problemlos bis zum Gipfel zu kommen. Aber dann ist das steilste Stück überwunden und wir gewinnen die Erkenntnis, dass man auch mit mehreren 100.000 Tonnen Eis im Rücken noch im T-Shirt wandern kann, wenn nur der Rucksack schwer genug...





                      ...und der Anstieg ausreichend steil ist.





                      Scheinbar endloses Steineschlurfen steht uns bevor. Einzelne ausgedehnte Schneefelder sind eine echte Wohltat.





                      Anke ist anzusehen, dass sie ob der vorgerückten Stunde und des anstrengenden Geländes mit dem bisher Erreichten eigentlich ganz zufrieden wäre, aber ich mache unmissverständlich klar, dass ich den Gletscher des Golvertinden sehen will.

                      Zwar haben wir mittlerweile tolle Ausblicke auf umliegende stark zerklüftete Gletscher...





                      ...und auch zurück in das Golverskardet...





                      ...aber wir müssen es zumindest soweit schaffen, dass wir nach Osten über den Berg auf den Gletscher sehen können. Also weiter Steine zählen.





                      Endlich erreichen wir, bei surrealistischen Lichtverhältnissen, das ausgedehnte Gipfelplateau...





                      ...dessen höchster Punkt durch einen geografischen Triggerpoint mit Messstation auf 1670m markiert wird. (Verschlossen, das ist keine Biwakschachtel!)





                      Der eigentliche Gipfel ist ca. 20m niedriger und liegt laut Karte am nordöstlichen Ende des Bogens.





                      Mittlerweile ist es 16.30 Uhr und eine weitere Stunde Zeit haben wir nicht, weshalb wir unsere Tour mit dem höchsten ereichbaren Punkt für beendet erklären, zumal man auch von hier großartige Ausblicke auf den Gletscher hat. Von der Fernsicht ganz zu schweigen.








                      Obwohl der Himmel klar ist und sich die Dämmerung gefühlt ewig hin zieht, wird bald klar, dass wir es nicht im Hellen bis zum Zelt zurück schaffen werden.





                      Wir fassen also den Plan, möglichst schnell wieder bis zu den Schmelzeisseen abzusteigen und dann entlang des Flusslaufes mit Stirnlampe weiterzugehen. Das Gelände wäre ab da eher gutmütig und die Orientierung notfalls entlang der Flüsse sogar ohne Licht möglich. Wir schaffen es tatsächlich noch mit den letzten Resten Tageslicht bis zu den Seen und genießen den Sonnenuntergang.








                      Entlang des Sees über einige gutartige Schneefelder gelangen wir problemlos bis zu seinem Abfluß, den wir dort auch einfach queren können. Weiter geht es dann mit Stirnlampe entlang des Flusslaufes. Da es mittlerweile sehr spät und die Sicht mit Stirnlampe noch passabel ist und wir einen Wegpunkt vom Zelt haben, entscheiden wir uns auf den kürzesten Weg querfeldein direkt zum Zelt zu gehen. Das erfordert Vorsicht, geht aber ganz gut. Wir scheuchen nur ein paar Rentiere auf.

                      Ein kleiner Stein fällt uns dann aber doch vom Herzen, als die Reflektoren des Zeltes im Schein der Lampen aufleuchten. Es ist mittlerweile 22:30 Uhr, wir waren also gute 12 Stunden unterwegs, davon fast 2h mit Stirnlampe weglos. Wellnessurlaub halt.

                      Da der Abend sehr mild und windstill ist, waschen wir uns auch noch mit Stirnlampe im Fluss, auch eine Premiere. Man muss auch klar sagen, dass sich hier das Delorme wirklich nochmal bewährt hat. Ohne die Vorhersage, nur mit unseren morgendlichen Wettereindrücken, hätten wir diese lange und anspruchsvolle Tour heute nicht unternommen.

                      Wir feiern diesen tollen Tag mit Kabeljaueintopf Real Turmat und kriechen schließlich erschöpft in den Schlafsack. Tatsächlich kann ich zunächst nicht einschlafen, weil es praktisch unmöglich ist, die vielen tollen Eindrücke des Tages zu verarbeiten.
                      Zuletzt geändert von Antracis; 02.10.2016, 23:20.

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                      • Prachttaucher
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                        #12
                        AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                        Super ! Karte liegt schon da für vielleicht nächstes Jahr....

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                        • sarek2007
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                          #13
                          AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                          Ganz großes Outdoorkino!

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                          • Antracis
                            Fuchs
                            • 29.05.2010
                            • 1280
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                            #14
                            AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                            Danke für die positiven Rückmeldungen!

                            Wir versprechen weiterhin Wetterextreme, haben schließlich einen Ruf zu verlieren.

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                            • OttoStover
                              Fuchs
                              • 18.10.2008
                              • 1076
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                              #15
                              AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                              As usual Im impressed by the beautyful pictures and the nice text also. Antracis you are really good at this.
                              Ich lese und spreche Deutsch ganz OK, aber schreiben wird immer Misverständnisse.
                              Man skal ikke i alle gjestebud fare, og ikke til alle skjettord svare.

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                              • Blahake

                                Fuchs
                                • 18.06.2014
                                • 1425
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                                Großartig!!! Sogleich abonniert!

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                                • Antracis
                                  Fuchs
                                  • 29.05.2010
                                  • 1280
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                                  #17
                                  AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                                  Zitat von Prachttaucher Beitrag anzeigen
                                  Super ! Karte liegt schon da für vielleicht nächstes Jahr....
                                  Wir waren definitiv auch nicht zum letzten Mal dort. Uns ging es ja vor allem jetzt um den hochgebirgigen Nordwesten, aber auch alles andere scheint verlockend.

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                                  • Zwimon

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                                    #18
                                    AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                                    Richtig cooler Reisebericht! Eine Gegend, in die ich auch endlich mal länger möchte, und nicht immer nur auf irgendwelchen Norge på langs Trips sommers wie winters im Schweinsgalopp Bin sehr gespannt, wie es weiter geht!

                                    Und es freut mich sehr zu hören, dass ich mit bei euch auf Tour sein durfte
                                    Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
                                    Wir verbringen die nächsten Stunden mit Futtern und Lesen. Ich lese "Norwegen der Länge nach" von Simon Michalowicz, ja kein Unbekannter hier im Forum. Total schöne und passende Literatur.
                                    NPL 2013 - It's not the fart that kills you, it's the smell! - Petter Solberg

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                                      #19
                                      AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                                      Sehr unterhaltsam geschrieben, danke

                                      Ich bleibe auch dabei und freue mich auf noch mehr schöne Fotos!

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                                      • Antracis
                                        Fuchs
                                        • 29.05.2010
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                                        #20
                                        AW: [NO] Norwegen on the rocks: Børgefjell Herbst 2016

                                        Zitat von Zwimon Beitrag anzeigen
                                        Richtig cooler Reisebericht! Eine Gegend, in die ich auch endlich mal länger möchte, und nicht immer nur auf irgendwelchen Norge på langs Trips sommers wie winters im Schweinsgalopp Bin sehr gespannt, wie es weiter geht!

                                        Und es freut mich sehr zu hören, dass ich mit bei euch auf Tour sein durfte
                                        Danke, gleichfalls. Ja, es passte auch ganz gut. Kurz nachdem ich gelesen habe, wie Du von Weitem auf den Kvigtindengletscher geschaut hast, waren wir oben.

                                        @geige284: Danke, denke, es geht heute abend oder morgen weiter.

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