[KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

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  • Gast20200707
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    [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

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    (INFO: Bitte kein Bildmaterial einfügen, das die Rechte Dritter verletzt. d.h. i.d.R. keine Musikvideos, TV-Serien etc. )

    Wenn man nach einer Woche schon feststellt, dass Kirgistan Hawaii, Kanada und Island um Weiten schlägt, dann weiß man, dass man bei der Wahl des Reiseziels dieses Mal genau richtig lag und es zeigt, dass es nicht immer die bekannten (Traum)ziele sein müssen.

    Eine Woche ist es nun her und der Urlaub fand sein jähes Ende. Dieser Urlaub war schon bereits bei der Planung anders als die voran gegangenen und wieder wussten wir, dass der Plan nie oder nur selten erfüllt wird, denn wie so oft bei solchen ungewissen Abenteuern wird man tagein tagaus vor neue Herausforderungen gestellt. Was war an diesem Urlaub anders? Sicher nicht die Transportmittelwahl, denn mit Eseln hatten wir ja bereits Erfahrung (dachten wir jedenfalls...). Nein, dieser Urlaub war so komplett, heißt keine zeitraubenden Zwischentransfers mit Flug, Auto, Fähre oder Bus. Keine Hotelübernachtungen zwischendurch, keine Orte, wenig Menschen. Endlich mal am Stück 23 Nächte im Zelt verbringen und am Ende vielleicht ein klein wenig wie Nomaden leben.

    Und ja, irgendwie , irgendwo und irgendwann bemerkten wir nach kurzer Zeit, dass uns Kirgistan einen richtigen Flash versetzt hat. Wie man das verstehen soll? Man hat eben bestimmte Ansprüche an ein Reiseziel, die bei uns klar gesteckt sind: wild zelten, wo immer und wie lange man möchte / wandern ohne Verbotsschilder / die Natur (Holz, Wasser) für sich nutzen / wenig Zivilisation und Touristen / Kontakt mit Einheimischen / interessante Kultur und Menschen. Kirgistan passt wie die Faust aufs Auge. Unglaublich, aber das hatten wir nicht erwartet.

    Zur Reise selbst
    Die Anreise und auch spätere Rückreise ging über Istanbul,über KiwiTaxi buchten wir für 80 Euro einen Direkttransfer vom Flughafen nach Karakol. Wir wollten Zeit sparen um schnell und direkter nach Karakol zu kommen. Die Attribute "schnell und direkt" nahm unser Taxifahrer sehr ernst. Er umfuhr den Issyk Kul nördlich und ob Asphalt oder Piste, er fuhr immer Vollgas, hupte Passanten vom Zebrastreifen weg, fuhr an einer Baustellenampel direkt durch die Baustelle, während die Bauarbeiter rumwetterten. Dann aber wurde sein Fahrfluss von der Polizei gestoppt und was dann geschah, passierte bis nach Karakol noch weitere 10-mal. Er stieg aus, schüttelte dem dienst-beflissenen Polizisten die Hand, ein wenig Smalltalk und die Fahrt ging ohne Konsequenzen weiter. War ich dann einmal doch eingeschlafen, wurde ich schlagartig wachgerüttelt und mein Genick schmerzte. Gott, was für eine Fahrt. Mit einer halbstündigen Pause waren wir dann nach 6 Stunden in Karakol. In Karakol ging es ins Caravan Hotel, welches direkt einen Supermarkt hatte, wo wir für 3 Wochen Essen kauften. Auf dem nahe gelegenen Basar wurde Obst und Gemüse frisch gekauft. Wir trafen noch unseren Esel-Dealer um uns für den darauf folgenden Tag zu verabreden.

    1.Woche | Unterwegs im touristischen Kirgistan
    Samt Esel brachte uns Dennis zum Karakol Nationalpark Eingang, dort wurden die Esel gesattelt und bepackt. Kurzerhand wurden die vorab vergebenen Namen Stalin und Lenin durch unseren Sohn in Pony und Pommes umgewandelt. Das Wetter sollte angeblich die kommenden 2 Wochen super werden, was die vergangenen Wochen nicht der Fall gewesen sein muss. Das sahen wir auch an den Wasserständen und Schäden an den Flussläufen. Zwischen Wald und Wiesen ging es immer höher, die erste Nacht verbrachten wir auf 2200m. Immer wieder sahen wir Einheimische, Touristentrucks oder Wanderer. Viele waren hier allein unterwegs um die klassische Runde über den Ala-Kol See zu wandern. Wir mussten hier notgedrungen Stopp machen, der Fluss hatte den linken Weg weg gespült, es gab einen Umweg über den linken Steilhang, den wir Tag darauf in Angriff nahmen. Da dachten wir, dass furten und Brücken die größten Probleme für die Esel seien, mit denen wir uns konfrontiert sahen, kam es ganz anders. Der eine Esel war auf einem Auge blind und dazu noch faul (die Pony) und der andere aggressiv und stur (der Pommes). Die Pony konnte an Berghängen die Lage nicht einschätzen und trotz vorsorglicher Versuche, die Lage mit dem einen gesunden Auge akkurat abzuscannen, scheiterten die meisten Balanceakte und Pony stürzte, rutschte, kippte, was damit endete, dass sie irgendwo mit Gepäck da lag und sich nicht mehr regte. Yvonne meinte irgendwann "Das ist kein Esel, das Tier blamiert diese Rasse." Obwohl beide Esel männlich waren, meinte Yvonne, dass Pony ab jetzt "die Pony" ist, weil sie keine Stärke und Ausdauer bewies. Im folgenden lief es dann wieder besser.



    2.Nacht war dann das Camp am Ala-Kol Abzweig, was neben dem Parkeintritt von 250SOM(3€) auch 150SOM kostete. Uns war aber leider nicht klar, für was wir hier bezahlten. Der Platz vermüllt, Pony fraß sogar die Aluhüllen, keine Mülltonnen, überall zugeschissene Felsen und Büsche. Da fragen wir uns immer, ob wir die Einzigen sind, die unseren Müll wieder mitnehmen. Wir ließen den Blick in die Ferne schweifen und versuchten, den Müll auszublenden. Wohl bemerkt war das die vermüllteste Ecke im ganzen Urlaub. Touris, Guides und Trekkingfirmen sollten hier mehr darauf achten, dass das Zeug auch wieder mitgenommen wird. 2500m Höhe, keine Anzeichen von Höhenkrankheit, Tag darauf nahmen wir den Pass Teleti in Angriff. Die Esel wurden uns als "gut trainiert" angepriesen. Bereits bei den Brücken- und Flussquerungen merkten wir, dass das nicht die Trekkingesel sind, die wir erwartet hatten. Dass sie uns aber in noch wesentlich misslichere Lagen bringen würden, zeigte sich am Teleti, einen Pass, der anscheinend in Kombi mit dem Ala-Kol sehr häufig gemacht wird.





    So kamen uns meist geführte Gruppen mit leicht bepackten Wandertouristen entgegen, die Porter (wie Sherpas die Gepäckträger) folgten parallel diesen Gruppen. Während wir von 10 Guides 11 unterschiedliche Meinungen hörten, wie man Esel belädt, erzieht und voran treibt, machten wir uns eher Gedanken darüber, wie wir diesen Pass schaffen sollten. Die Faultiere wollten einfach nicht laufen, wir entlasteten sie bereits und fanden uns selbst in der Rolle von Eseln wieder. Auf 2900m entschied ich, ein Teil des Gepäckes auf 3200m zu schleppen um dann später zurückzukehren und die Esel nachzuholen, ein folgenschwerer Fehler. Ich deponierte die Taschen auf 3200m, etwas versteckt. Prall gefüllt mit Handys, Satellitentelefon, Navi, Solarpanel, Pässen und jeder Menge Geld. Mit etwas mulmigen Gefühl holte ich Yvonne, Täve und die Esel nach. Neben dem Stein, wo die Tasche abgelegt wurde, war das Gras flach gedrückt, aber die Taschen waren weg.
    Zuletzt geändert von Gast20200707; 14.04.2020, 17:50.

  • codenascher

    Alter Hase
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    #2
    AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

    Leck mich am Arsch... der letzte Satz schmerzt Nach deiner Ankündigung, Kirgistan mit dem Esel zu erwandern habe ich mich doch sehr auf euren Reisebericht gefreut... Bin gespannt, ob noch viel kommen wird und vor allem, ob ihr eure gestohlenen Sachen wieder bekommt

    Hattet ihr die Esel über einen Privatkontakt organisiert oder über ein offizielles CBT Büro?

    Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

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    • Gast20200707
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      #3
      AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

      ...Der einzige Spruch meiner Freundin "Nun zeig' mal wie fit du wirklich bist und tret' den Idioten in den Arsch"....Und weg war ich. Uns war klar, dass die zwei blauen Taschen (die andere davon war mit Kocher und Benzin voll) auf den Weg nach unten waren, denn es scheint üblich zu sein, den Pass von West nach Ost zu gehen. Mit gemischten Emotionen aus Geheule, Geschreie und Wut im Bauch rannte ich, was Kondition und Wegbeschaffenheit hergaben. Dabei bewegte ich mich im grenzwertigen Bereich. Mit den Worten von einem Guide in den Ohren, dass hier selten was geklaut wird, überholte ich alle Wanderer und Guides, die uns den heutigen Tag entgegen kamen. Natürlich traf ich diesen einen Guide wieder, der nun doch erstaunt war, dass hier doch geklaut wird. "Call the police and everything is fine" Welche Drogen nimmt der? Wie sollte mir hier und jetzt in dieser Situation die Polizei helfen? Weiter ging es. Während die Wanderer vorsichtig die Flüsse furteten und langsam die wackligen Brücken passierten, rannte ich durch die Flüsse einfach durch und übersprang wie eine Gazelle die Brückenkonstrukte. Nun merkte ich auch den Trailrun downhill, erste Krämpfe machten sich bemerkbar. Alle Versuche, ans Wasser zum trinken zu kommen, scheiterten mit Krämpfen. Ich überholte immer mehr Leute und rechnete damit, dass die Porter, die uns das Gepäck gestohlen hatten nicht weiter als bis zum Gorge Camp Karakol auf 2500m gehen würden, da dort bereits ein Camp aufgebaut war und von den Trekkingfirmen genutzt wurde. Bis dahin war es aber ein langer Weg. Nach ca. 1 Stunde, 11km, 700hm und 1000 Gedanken wie Reiseabbruch im Kopf erreichte ich das Camp. Zum Glück sprachen einige Guides englisch. Bevor ich mein Anliegen erklären konnte, fiel ich erst einmal zu Boden. Ich wusste, dass ich heute keinen Meter mehr gehen würde. Nur das Adrenalin in mir hielt mich am Leben. Im Camp waren ca. 35 Porter um mich versammelt, Einige davon schauten sehr erstaunt (sie hatten wohl nicht mit mir gerechnet!). Die Touristen waren dagegen mit sich selbst beschäftigt. Da ich nicht wusste, welche Porter die Taschen mitgenommen hatten, konnte ich nur mutmaßen, dass die Porter in diesem Camp waren. Zuvor hatte ich zwei andere Camps im vorbeirennen gesehen, aber mein Gefühl führte mich hierher. Eine lange Diskussion zwischen englischen und russischen Dialogen folgte. Viele Porter bestätigten, die Taschen gesehen zu haben, aber nicht mehr. Es war nun schon 17 Uhr. Mir kam die Idee, zu fragen, ob Jemand ein Satellitentelefon besäße, mit dem ich einen Freund in Deutschland anrufen könne. Der könne mir sofort sagen, wo aktuell das Gepäck ist, da ja in den Taschen auch mein Satellitentelefon mit aktivierten Tracking war. Am folgenden Tag sollte ich feststellen, dass just nach dieser Frage 10 Minuten später mein Telefon manuell ausgeschaltet wurde. Natürlich konnte Keiner mit einem Telefon aushelfen, also gingen die Diskussionen weiter, verliefen aber zunehmend ins Leere. Ich sah kein Erfolg und konzentrierte mich nun mehr auf meine Freundin und mein Sohn, die allein auf 3200m Höhe auf mich warteten und sicher nicht hilflos, aber verängstigt waren. Meine Frage, ob mich Jemand mit Pferd hochbringen konnte, wurde lachend mit "Du hast doch kein Geld!" beantwortet. Ich lockte mit einer Flasche Rum und hatte Glück im Unglück. Der bereits nach Alkohol riechende Pferdebesitzer willigte mit großen Augen ein und gegen 18 Uhr wollte ich bereits enttäuschend den Heimweg antreten. Auf einmal ein Aufschrei "Die Taschen sind hier!" In Winnetou-Manier sprang ich vom Pferd und rannte zu dem Zelt, wo die Taschen mittig am Boden lagen. Die Porter im Zelt wollten wissen, wo ich denn die Taschen abgelegt hatte und dementierten, dass es der gleiche Ort war, an welchen sie diese gefunden hatten. Später zurück im Zelt stellte ich anhand der Trackingdaten jedoch fest, dass die Taschen von meinem Ablageort bis zum Camp runter stets in Bewegung waren. Kurzum, die Porter wollten Finderlohn, ich musste den Ritt zum Zelt zurück bezahlen und blätterte alles in allen umgerechnet 50 Euro dafür hin. Im Nachhinein war es eindeutig Diebstahl, aber egal. Die Taschen waren noch komplett, alles da, nix fehlte, der Urlaub konnte also weitergehen.

      Am Zelt empfingen mich meine Lieben mit Winken und roten Augen. Sie hatten wohl im Zelt bereits auch Tränen gelassen, im Gedanken an einen Urlaubsabbruch und dass mich die Porter zusammen geschlagen hatten. Nun war alles wieder gut, ich nahm erst einmal einen tiefen Schluck aus der Rum-Flasche. Glaubt mir, ab diesem Zeitpunkt haben wir keinen Porter mehr getraut. Wir hätten es wissen müssen, denn einen Tag zuvor hatte bereits ein Porter einen Ortlieb-Lebensmittelsack einfach eingesackt, den ich später nachholen wollte. Ich erwischte ihn gerade noch dabei, wie er ihn verstauen wollte. Also über diese Porter gibt es die schlimmsten Geschichten und so unglaubwürdig sie klingen mögen, sie sind wahr.

      @codenascher: Die Esel waren von Jemanden privat, der aber auch anscheinend Trekkingtouren anbietet. Der Kontakt wurde uns vom Hotel vermittelt. Jedoch war es reinste Abzocke. Zuviel Geld für zu wenig Esel, zuviel Versprechungen und dilettantisches Vorgehen, aber wir hatten keine Wahl. Zeit ist Geld, dachten wir. Wer Zeit hat, sollte sich die Esel vor Ort kaufen, da werden Preise von 20/30 Euro aufgerufen, nicht mehr. Wir haben gesamt mit Zubehör (Sattel, Leinen, Decken), Transport, 3-monatige Verpflegung zwischen Ordern und Abreise 450 Euro bezahlt und sie am Ende gesamt für nur 10 Euro weiter verkauft. Der Preis für die Esel war aber als Ausgaben eingeplant, also ist das für uns unterm Strich okay.
      Zuletzt geändert von Gast20200707; 07.09.2016, 11:30.

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      • Rattus
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        #4
        AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

        Puh, Wildwestkrimi Weiter bitte!
        Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede.

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        • ronaldo
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          #5
          AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

          Stark!
          Mehr davon bitte!

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          • Abt
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            #6
            AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

            Zum Glück hattest du ja 3,5 Wochen geschrieben...

            Aber zwischen Nervenzusammenbruch und Glücksschrei ist alles da.
            Ich kann mir vorstellen, was in einem drin da los ist.
            In einem anderen Bericht hier hat schon einmal jemand etwas über einen Diebstahl geschrieben.

            Mit den Eseln hat man euch glatt angeschissen. Schad, das es hier gekommen ist, wie ich in dem anderen Bericht beschrieben hab.
            Ich lese intressiert hier weiter,
            Danke.....
            Gruß Abt

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            • Gast20200707
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              #7
              AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

              Die nun folgenden Tage und Wochen sollten wesentlich entspannter für Kopf und Beine verlaufen. Am meisten wurden die Oberarme beim schieben, drücken, ziehen, halten und zehren der Esel beansprucht. Den Lohn dieser Mühen sollten wir erst nach einer Woche ernten, dazu später aber mehr. Wir probierten die kommenden zwei Tage auf dem Weg zum Pass weitere Packtechniken aus, aber stets verrutschte das Gepäck. Waren unsere Esel zu unförmig? In Frankreich war uns das nie passiert, aber wir erinnerten uns an die Aussage, dass Esel beim festzurren der Gurte am Bauch ausatmen, damit die Gurte dann locker sitzen. Dumm sind die ja wirklich nicht. Nach dem gestrigen Tag wollte ich heute eigentlich einen Ruhetag für Geist und Körper einlegen, aber mein Weib peitschte die Esel und mich weiter den Pass hoch. Heute wollten wir ihn schaffen, aber nach bereits 3(!) Kilometern gaben wir wieder auf. Es wollte einfach nicht funktionieren. Die Chemie zwischen den Eseln und uns war nicht vorhanden. Wir fütterten sie mit Karotten, striegelten sie am Abend, als Dank bekamen wir Tritte von Pommes. Tagsüber wollten sie nicht laufen und Pony legte sich in immer kürzeren Intervallen hin, aber beim morgendlichen Einfangen konnten sie auf einmal mit den Pferden weg galoppieren. Wir hatten die Schnauze voll, im Gedanken planten wir das heutige Abendmahl mit Eselsalami. Auf 3300m campierten wir abermals am Pass und fassten einen letzten Entschluss. Morgen bepacken wir die Esel maximal, mit unseren beiden Kraxen und mit allen Gepäck. Ein Guide meinte, die laufen nur voll bepackt, ansonsten fühlen sie sich gelangweilt. Tag darauf also ein letztes Experiment, jedoch steckte ich am Vortag das Tagesziel nicht besonders hoch. Ich brachte bereits einen kleinen Teil der nicht wertvollen Verpflegung auf 3500m und versteckte es dieses Mal so gut, dass ich es kaum wiederfand. Bis dahin waren es 5km, mindestens sollte es bis dahin laufen, gern aber wollten wir endlich mal über diesen nicht-enden-wollen-Pass. Je höher wir kamen umso mehr verschlechterte sich das Wetter, es graupelte mit ordentlich Wind, Wetterbesserung nicht in Sicht. So kam es, dass wir beim Gepäckdepot auf 3500m nun doch das Camp errichten mussten. Die Esel zeigten heute mit mehr Gepäck besseres Engagement, wir mussten uns nur noch mit den wenigen Stärken und vielen Schwächen arrangieren.

              Das Camp war eines der besten im Urlaub, denn kaum war das Zelt errichtet, kam die Sonne raus und es wurde noch ein richtig toller Tag. Täve und ich pflückten und schnitten Wildschnittlauch, meine Freundin sonnte sich im windgeschützten Zelt. Wir spürten nun schon ein wenig die Höhe, ich kam beim Schnittlauch pflücken bereits außer Atem. Täve dagegen zeigte keine Anzeichen, uns freute es, da wir dies anfangs zu den größten Problemen zählten.







              Okay, also morgen sollte der Gipfel- oder besser Passsturm erfolgen. Positiv an der Stückelung des Passanstieges war die ideale Höhenakklimatisierung, aber der Plan Song Kul zu erreichen war jetzt schon in Ferne gerückt, was aber dem Ganzen kein bitteren Geschmack gab, im Gegenteil: Nun waren wir nicht mehr vom Ziel an sich getrieben, sondern der Weg war das eigentliche Ziel. So, der 3.Tag im Pass, das Wetter war auf unserer Seite, wolkenfreier Himmel. Wie immer war der Pass natürlich nicht dort, wo wir ihn erwartet und ich ihn immer wieder prognostiziert hatte. Hinter dieser Ecke, nein hinter der nächsten, ach nee, noch eine Kuppe, aber dann war er zu sehen, mit Menschenmassen bespickt. Diese 300hm liefen so geschmiert, wie sahen erste Erfolge, die nach einer kurzen Pause auf dem Pass jedoch von einem herben Rückschlag so überschattet wurden, dass mittlerweile ein Pferd-Tausch-Kauf-Geschäft zur Diskussion stand. Ein Abschnitt von 50 Meter bestand nur aus einem fest getretenen schmalen Pfad im Schotterhang, eigentlich kein Problem für Vierbeiner. Aber unser Pony nahm jedes Fettnäpfchen mit. Sie rutschte rechts den Hang ab und blieb nach 2m seitlich liegen, währenddessen unser Trinksack 100m weiter runterfiel. Ich freute mich auf das anschließende Schotterspringen nicht sonderlich, da Pony nicht gerade sicher am Hang lag. Ihre Lage sah eher hilflos aus. Wir demontierten Gepäck und Sattel, brachten Sie zurück, auf den rechten Pfad und brachten sie aus der Gefahrenzone. Ein Esel gerettet und siehe da, Pommes fühlte sich zum nachahmen animiert. Pommes war eigentlich sicher im Tritt, seinen Sturz haben wir eher verursacht, da dass Gepäck verrutschte und er den Halt verlor. "Blödmann, warum atmest Du auch immer so aus, wenn ich die Gurte festzurre" dachte ich mir, dann wäre das nicht passiert.

              Im weiteren Verlauf lief es dann wieder besser, ich lotste Pony mit fürsorglicher Führung durch die heiklen Passagen. Mittagspause dann auf halber Strecke, aber auch heute schafften wir nicht mehr als 10 Kilometer. Womöglich lag das aber auch dem richtig genialen Camp auf 3500m, was aus einer flachen Wiese bestand. Hier konnten sich Alle vom heutigen Schock erholen. Von nun an stand fest, das Täve nie auf Pony reiten wird, zu gefährlich. Pony hatte mit sich selbst genug zu tun.

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              • urmeli
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                #8
                AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                Unglaublich spannende Tour! Warte bereits jetzt auf die Fortsetzung. Ich hatte schon interessantes vermutet, als ich das vorvorletzte Foto in einem anderen Thread sah. Mit Kind ist das bestimmt nochmal eine völlig andere Erfahrung.

                Was würdest du aus der Erfahrung mit den Portern für künftige Reisen in die Gegend für Konsequenzen ziehen? Gibt es etwas, dass du empfehlen würdest, abgesehen davon, dass du das Gepäck nicht mehr liegen lassen würdest?

                Und: Hast du sowas wie einen GPX-Track oder eine Karte mit eurer Route? Würde gerne noch ein bisschen besser nachvollziehen können, wo es lang ging.

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                • Spartaner
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                  #9
                  AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                  Zitat von elbspitze Beitrag anzeigen
                  Am meisten wurden die Oberarme beim schieben, drücken, ziehen, halten und zehren der Esel beansprucht.
                  Ich kann mir gut vorstellen, wie die Esel angepisst sind, wenn man an ihnen zehrt ("Wegzehrung")

                  Bin gespannt wie es weitergeht!

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                  • Gast20200707
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                    AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                    Der 7.Tag sollte die Wende bringen und splittete den Urlaub in zwei Teile. Die Eingewöhnungsphase mit schlechten Erlebnissen und vielen überlaufenen Passagen in der ersten Woche und die weiteren Wochen mit völlig gegenteiligen Charakter. Wir planten wieder einmal optimistisch, den Abstieg von 3500m auf 3000m heute zu schaffen. "Runter geht's immer schneller und besser" Wir entschärften alle gefährlichen und steilen Stellen von der Route, indem wir Serpentinen abseits des Trails gingen oder längere Umwege in Kauf nahmen. Wir waren erstaunt, es funktionierte alles super. Auf halber Höhe und nach 5km machten wir Pause, ein Wanderer oberhalb von unserem Picknickplatz schrie uns aus der Ferne immer wieder "GPS" zu. Ich konnte nichts damit anfangen und sprang wie ein Flummi auf also ich schemenhaft mein Navi an seiner Hand baumeln sah. Gott, ein ehrlicher Mensch, dass konnte kein Porter sein. Ich hatte mein Navi verloren. Ohne dies wäre es weiter gegangen, aber der Verlust wäre ebenso schmerzlich gewesen. Ich bedankte mich herzlich bei ihm, dafür hatte er 5 neugierige Fragen offen. Diese waren übrigens meist die gleichen "Woher? Wohin? Wie alt? Wie teuer waren die Esel? Wo gekauft? ..."

                    Nach der Pause meisterten wir den steilen, steinigen Abstieg gemeinsam mit Bravur, wir vergaben Bestnoten für Verhalten und Traktion. Kaum ausgesprochen, legte sich Pony auch schon wieder zwischen Gesteinshaufen auf die Schnauze. Es war keine Stolperstelle zu sehen, aber kein Problem, nur sie brachte es fertig, über Gras zu stolpern. Wir strichen also auch große Steine und Geröllfelder von ihrer Liste. Viel blieb am Ende nicht mehr übrig, was sie gut konnte. Im Teleti Tal endlich angekommen, wurde der Weg nun flacher. Zunehmend lief es mit den Eseln besser, Bäche und Flüsse stellten kein Problem mehr dar. Auf 2800m und nach 10km bezogen wir Stellung und errichteten das Camp zwischen mannshohen Büschen, es wehte ordentlich Wind. Abends kam Regen auf, das gespannte Tarp nutzte Pony als Unterstand. Während sie zitternd ausharrte, fraß sich Pommes im strömenden Regen durch die Weiden der Umgebung. Unterschiedlicher konnten die Beiden nicht sein.


                    Pommes, der richtige Esel




                    nette, hilfreiche Nomadenkinder

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                    • Gast20200707
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                      #11
                      AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                      2.Woche | Zwischen Issyk Kul und Terskej Ala-Too
                      Der Plan sah ja eigentlich vor, weiter über 4000er Pässe zu wandern, aber wir wussten, dass es mit den Eseln ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre. Ein Pferdekauf kam auch nicht mehr in Frage. Wir traten nun den Weg weiter ins Tal an, Ziel heute Jeti Oguz, ein Gebiet aus roten Felsen und Böden, mit teils sehr mediterranen Klima und Vegetation. Ab hier wollten wir nun gen Westen auf 3000er Pässen und Sätteln das Gebirge queren.

                      Erste Crux des Tages war eine Brücke. Nach der gestrigen Flüssetherapie sollte heute die Brückentherapie folgen, nur wollten die Patienten nicht so wie wir. Wir kapitulierten relativ schnell, da man auch rechts des Flusses Teleti gut weiter ins Tal kam (dachten wir!). Während wir permanent Wanderer am anderen Ufer sahen, waren wir die Einzigen auf der rechten Uferseite, die sich durch sumpfiges Gebiet kämpften. Zur Nässe von unten kam nun noch Nässe von oben. Der erste längere Regen begleitete uns aber nur bis zur Mittagspause. Zwischen Regen und Sonne lagen zwei Kleiderschichten. Anziehen, ausziehen, umziehen. Langsam aber sicher verschmälerte sich der rechte Weg, verlor an Struktur und bald standen wir in einem rechten Steilhang und hatten den Entschluss gefasst, umzukehren, noch nicht wissend, dass Pony mit dem gesunden Auge zur Bergseite laufen muss, umgekehrt kam es nun wieder zu einer brenzligen Situation. Wir mussten sie entladen und mit Ach und Krach konnte sie sich selbst, mit dem gesunden Auge immer die Lage abscannend, den Hang hinunter manövrieren. Da unten am Fluss war eine Brücke auszumachen, eine wacklige Konstruktion aus 6 Baumstämmen. Hier schlugen wir unser Camp auf um morgen die Esel mit allen Mitteln dort drüber zu scheuchen.

                      Am Morgen präparierte ich die Brücke ein wenig, ich kannte meine "Pappenheimer". Breit, flach ohne jegliche Hindernisse sollte es sein. Ein Nomade kam zur Hilfe. Wir wollten eigentlich, dass er den Eseln mit seinem Pferd von hinten einheizte, aber er dagegen zeigte uns, wie man richtig den Eseln auf den Arsch haut. Unsere Schläge waren verglichen damit Streicheleinheiten. Schwupps und die Beiden sprangen über die Brücke als wäre es das normalste für einen Esel. Nun waren wir auf der richtigen Seite und konnten auf breiten Forstwegen unseren Weg ins Tal fortsetzen. Wir trafen nun auf mehr Nomaden und kurze vorm Abzweig gen Osten auch touristische Camps, wo man in Jurten übernachten konnte. Überall wurden uns Dienste angeboten. Reiten, Gepäcktransport, Übernachtungen. Nein, danke, alles nicht gewünscht.

                      Am Ende der Nomadencamps wollten wir unser Camp aufschlagen, bevor wir morgen den 2800m hohen Sattel queren wollten. Da sprachen uns die Nomaden der letzten Jurte an und luden uns ein. Sie schienen vertrauenerweckend. Während sie uns Brot, Tee, Milch, Kumys und Ayran anboten, steuerten wir unsere Rum-Flasche bei. Am Ende war die Flasche so beliebt, dass Yvonne meinte "Nun müssen wir aber los, sonst ist unsere Bulle gleich alle!" Wir dachten immer, die Russen steuern den Alkohol bei und wir können mitsaufen, nein, hier was es anders herum. Den Fehler sollten wir nicht wieder machen, zukünftig steuerten wir lieber dosiert Schokolade bei, genauso beliebt. Etwas später war das Camp aufgeschlagen und in der Ferne konnten wir in den höheren Lagen Gewitter, Regen und Donner ausmachen. Wir hatten die richtige Wahl getroffen, hier unten lang zu gehen.

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                      • Gast20200707
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                        #12
                        AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                        Zitat von urmeli Beitrag anzeigen
                        Mit Kind ist das bestimmt nochmal eine völlig andere Erfahrung.
                        Glaub' mir, mit Kind ist es nichts anderes. Wir trafen einen Slowenen auf Weltreise, der mich fragte, wie dass denn mit Kind so läuft, ob es einfach sei, ob er Probleme mache. Meine Antwort war: Not the children are the troublemaker, but always the parents. Vor der Geburt unseres Sohnes hätte ich mir nie erträumen lassen, dass solche Reisen mit Kind möglich sind, aber irgendwie haben wir uns da in was rein gesteigert und Täve hat mit gezogen...

                        Zitat von urmeli Beitrag anzeigen
                        Was würdest du aus der Erfahrung mit den Portern für künftige Reisen in die Gegend für Konsequenzen ziehen? Gibt es etwas, dass du empfehlen würdest, abgesehen davon, dass du das Gepäck nicht mehr liegen lassen würdest?
                        Wir werden den Kirgisen auch weiter vertrauen, auch wenn wir mit dem Esel-Dealer und den Portern schlechte Erfahrungen machten. Nur hat es eines wieder gezeigt, wenn man in den abgelegensten Gegenden unterwegs ist und Niemanden trifft, kann sowas nicht passieren. Wer sich einer Reisegruppe mit Portern anschließt, so ein Rat von Anderen, alle Wertsachen am Mann tragen und nichts den Portern überlassen. Gesundes Misstrauen gegenüber den Portern, bei den einfachen Nomaden würde ich mir keine Sorgen machen, das sind ehrliche und sehr herzliche Menschen. Wo Tourismus ist, regiert halt das Geld und wo Geld ist, gibt es auch Kriminalität.

                        Zitat von urmeli Beitrag anzeigen
                        Und: Hast du sowas wie einen GPX-Track oder eine Karte mit eurer Route? Würde gerne noch ein bisschen besser nachvollziehen können, wo es lang ging.
                        Klick mal hier drauf, das ist der Originaltrack, den wir gelaufen sind und unser Satellitentelefon aller 10 Minuten aufgezeichnet hat. Stimmt am Ende nicht ganz mit dem GPS Garmin Daten überein, aber grob die Richtung stimmt.

                        Morgen geht's weiter im Text.
                        Kerçi (auf kirgisisch gute Nacht!)

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                          • 25.05.2013
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                          #13
                          AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                          ...Der heutige Tag stand unter dem Motto "Alles kann besser werden!" Bewölkt starteten wir in den Tag, ich begann ihn wie immer mit Morgensport, der es vorsah, die Esel einzufangen. Toll, zu sehen, dass sie an den Steilhängen doch gut zurechtkommen und enorm schnell sind, wenn sie vor der Arbeit weg rennen. Es war echt zum kotzen, die verarschen uns nach Strich und Faden. Einmal eingefangen ging es wie jeden Tag ans satteln, was immer morgens, mittags und abends extra Zeit in Anspruch nahm, aber es kam langsam Routine rein und wir hatten anscheinend die richtige Technik gefunden und das Gepäck saß. Einige Zeit später wurden wir wieder eines besseren belehrt. Ich achtete zwar mittlerweile akribisch auf den Weg und die Umgebung, beseitigte alle Stolperfallen und vermied gefährliche Passagen, aber Pony glitt mal wieder den Abhang hinunter. Zum Glück war 2m weiter unten noch ein Pfad, dort kam sie wieder zum stehen. Pommes lief ständig hinter ihr und sah sie als Leittier an. Ich glaube aber, Pommes lief hinter Pony, weil sie ihr dämliches Verhalten selbst sehr amüsant anzuschauen fand.

                          Auf 2700m Höhe fing es nun auch noch ordentlich zu regnen an, ein wenig Wind noch dazu und fertig war die Waschküche. Der Starkregen wollte nicht aufhören. Täve war wasserdicht angezogen, Yvonne auch, nur ich hatte nur die Regenjacke drüber gezogen, die hervorragend das abprallende Wasser auf meine kurze Wanderhose ableitete. Mein Unterbau war bis auf die letzte Ecke durchnässt. Der Sattel war nun erreicht und mein Ziel war es, wieder in den Wald zu kommen. Da es nun auch noch kalt wurde, machten wir eine Zwangspause und entfachten erst einmal ein ordentliches Feuer und aßen was zum Mittag. Während Pommes im Regen graste, stand Pony mit ihrem Arsch auch mit am Feuer. Wir schüttelten nur den Kopf. Der Regen ließ nach und wir kamen weiter runter auf 2300m in ein Zwischental, wo nun wieder entkleiden angesagt war. Die Sonne kam raus und heizte uns zum richtigen Zeitpunkt ein, denn nun hieß es, 200hm eine Steilpassage hoch zugehen. Oben angekommen, endete der Wald und es eröffnete sich ein 180 Grad Blick über das Gebirge und den Issyk Kul. Obwohl erst 10km auf der Uhr standen und es auch noch nicht spät war, wählten wir diesen tollen Platz als unser Camp aus. Grandiose Aussicht, die Sonne kam raus, einheimische Kinder schauten uns beim Zeltaufbau zu, der Moment war perfekt. Hier stellten wir zum ersten Mal fest, dass Hawaii und Island schön waren, aber Kirgistan alles toppen würde. In der Ferne konnte man schon den weiteren Wegeverlauf erkennen, wir relaxten ein wenig, Täve kümmerte sich derweil um die Esel.





                          Wieder ging es so gegen 10 Uhr los, nach dem ausschlafen und einem guten Frühstück. Erst einmal bergab durch mannshohe Distelsträucher, die Leibspeise von Pony. Vorsichtig zwackte sie mit den Zähnen immer die stachligen Früchte ab und kaute behutsam das Fruchtfleisch frei. Und da passierte es wieder einmal: Während sie mit dem gesunden rechten Auge auf eine saftige Distel schielte, übersah sie anscheinend eine Stolperstelle und knickte vorn mit den Beinen ein, ihr Kopf dazwischen. Wir drehten uns um und sahen nur zwei Rucksäcke an ihr und den Korpus. Es sah so zum lachen aus, wir bepissten uns zu Dritt förmlich. Pony war ein wenig konsterniert und schaute mit der erbeuteten Distel im Maul umher und ging einfach weiter. Langsam, aber sicher trug sie zum Unterhaltungsprogramm den meisten Anteil bei. Es wurde immer mediterraner und heißer. Immer noch bewegten wir uns im Gebiet der roten Steine, kleine Geckos flitzten über den Weg, es roch nach Kräutern. Yvonne gefiel das Klima besonders, mir war es schon wieder viel zu heiß. Wir kamen nun ins Kyzyl Suu Tal, querten es aber relativ schnell um auf der anderen Seite wieder auf einen Sattel auf 2650m aufzusteigen. In der Ferne 15km in Richtung Süden sahen wir immer wieder die höheren Berge, die wir hätten gekreuzt, wenn unsere Esel fitter gewesen wären. Wir sahen das relativ gelassen, da wir die hohen Berge ja schon gesehen hatten und wieder sehen würden. So sahen wir die jetzige Landschaft als gelungenen Ausgleich, gerade das Licht-Schatten-Spiel der roten Felsen war faszinierend, es sah teilweise aus wie im Grand Canyon. Das Tal war auf 2050m, also standen nun noch 600hm auf der Uhr, Ziel war aber nicht der Sattel, sondern ein idyllisches Plätzchen mit Wasseranschluss. Immer wo Jurten sind, vermuteten wir auch Wasser. Aber gerade hier im Anstieg sahen wir eine Zeit lang nichts außer grüne Wiesen und null Wasser. Wir liefen immer höher, auch eine Jurte in der Ferne brachte nicht das erhoffte Ergebnis, auch dort kein Wasser. Bald waren wir auf dem Sattel, wieder ein traumhafter Platz, dieses Mal fast 270 Grad Fernblick. Aber was fehlte, war Wasser. Während meine Reisegefährten pausierten, schaute ich in der näheren Umgebung nach Wasser. Zum Glück schien die Sonne, die sich in der Ferne in einem kleinen Wasserloch wiederspiegelte. Ein Filter sollte also das Problem lösen, war aber am Ende nicht nötig, denn eine kleine Quelle füllte das Wasserloch mit reinem Wasser. Der Platz war gebongt, heute knackten wir sogar die 10km Marke mit 13km und 600hm am Stück fast schon ein Marathon für die Esel.



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                          • Hapi
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                            #14
                            AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                            ...was für eine Geschichte Sehr abenteuerlich, unterhaltsam - toll! Schöne Bilder einer grandiosen Landschaft! Vielen Dank!
                            Look deep into nature and you will understand everything better (A. Einstein)

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                            • Gast20200707
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                              • 25.05.2013
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                              #15
                              AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                              Heute sollte es ab ins Tal nach Kiche Kyzyl Suu gehen um auf der anderen Seite auf 2500m wieder auf einem Sattel zu nächtigen. Wir hatten mittlerweile daran Gefallen gefunden, so eine Aussicht zu haben. Der Nachteil war aber meist die exponierte Lage, die sehr wind- und wetteranfällig war. Jedoch hatten wir echt eine Schönwetterperiode erwischt. Jeden Tag schien mindestens 1 Stunde die Sonne, es regnete immer nur kurz (meist am Nachmittag, verbunden mit ordentlich Donner) und gegen Abend klarte es auf und es eröffnete sich der Blick auf einen Sternenhimmel mit Milchstraße, den man selbst in den entlegenen Ecken der Alpen nicht mehr sehen kann.

                              Wir mussten heute nur 300m absteigen und drüben wieder 200m hoch, etwa wieder 10km, vielleicht etwas mehr. Da nur noch kleines Buschwerk und Wiese vorherrschten, liefen wir querfeldein, mieden dabei die Distelsträucher, damit Pony nicht wieder unverhofft stolperte. Im Tal angekommen, Mittagszeit, danach wartete ein anständiger Fluss auf uns, fast knietief. Pony brauchte ein Schubser, Pommes lief ohne Aufforderung hinterher. Die Hierachie in der Gruppe schien geklärt. Der Tag verlief unspektakulär ohne erwähnenswerte Probleme. Wir näherten uns dem Sattel und mit Täve hielt ich Ausschau nach einem geeigneten Camp. Er wusste bereits, auf was Papa Wert legte: ebene Fläche fürs Zelt, klares Wasser in der Nähe, eventuell Holz fürs Lagerfeuer und Gras für die Esel. Ab diesem Zeitpunkt war das Gras auch für uns wichtig geworden. Uns war das Klopapier ausgegangen und nun musste das grüne Etwas den Popo reinigen.

                              Jedenfalls erblickte ich eine Stelle oberhalb des Weges, die ich inspizieren wollte. Sie war flach, weil hier mal ein Gebäude stand. Man sah verwachsene Grundmauern und in Sichtweite zwei offene Gullilöcher mit 2,5m tiefen eingelassenen Betonringen, die sicher als Wasserreservoir dienten. Meine Neugier trieb mich hin um mal rein zuschauen. In dem einen Loch üppiger Grasbewuchs. Als ich jedoch in das zweite Loch schaute, schreckte ich beim Blick hinein so dermaßen zurück, dass mein Puls in die Höhe schnellte und ich nach hinten auf den Arsch fiel. Ich musste ein zweites Mal hineinschauen um wirklich sicher zu gehen.

                              Da stand ein Jungpferd drin, welches mich mit sehr entkräfteten Augen ansah. Es war durch das 60cm schmale Loch sicher hinein gefallen und stand dort auch schon 1-2 Tage, denn wohl genährt sah es nicht gerade aus. Yvonne meinte nur aus der Ferne: "Was ist nun wieder los?" - "Ich habe ein Pferd gefunden!" - "Ich sehe aber keins, wo denn?" - "Hier im Loch!" - "Hääääää?" Wir gingen noch 100m weiter rauf und entdeckten eine Jurte und auch unseren späteren Nachtplatz. Mein nächster Gang führte zu dieser Jurte. Mein Handy und GoogleÜbersetzer half dabei, ihm klar zu machen, was ich da gefunden hatte und was ich eigentlich von ihm wollte. Seine Antwort war sehr gelassen "Ja, danke!" Als Deutscher erwartete ich nun eine Such- und Rettungsteam und im mindesten hektisches Umhergerenne. Aber nein, es verging 1 Stunde, ehe ich ihm die Stelle zeigen sollte. 1 weitere Stunde später war das Pferd gerettet und wir hatten die große Gelegenheit zu zuschauen, wie die Pferdeherde das Jungpferd in einer ausgedehnten Zeremonie wieder willkommen hieß.



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                                • 22.09.2015
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                                #16
                                AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                                Herrje... Pferd im Loch, kein Klopapier mehr. Was für Geschichten
                                Look deep into nature and you will understand everything better (A. Einstein)

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                                • Gast20200707
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                                  #17
                                  AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                                  Nun hatten wir aber endlich wieder Gesprächsstoff, denn wenn man zu Dritt in der Wildnis unterwegs ist, hat man sich irgendwann alles erzählt. So wurde nun über das beste Gras für den Arsch diskutiert.

                                  "Das hier ist weich"
                                  "Nein, das bleibt kleben"
                                  "Das kratzt schön, das ist wie Sandpapier"

                                  Am Ende einigten wir uns auf das getrocknete weiche Gras, was aber auch bei den Eseln begehrt war. Es war mancherorts so rar, dass bei Campbezug erst einmal das Gras für uns sicher gestellt werden musste. Auch Täve arrangierte sich prächtig mit dem "grünen Papier", jedoch mussten wir des öfteren unterwegs "nachbessern", wenn er schrie "Orrrr nee, das krabbelt, da ist ein Grashalm in meinem Arsch!"

                                  Komischerweise freundeten wir uns mit diesem Fakt soweit an, dass wir eine Woche später beim Food supply kein Klopapier nachorderten. Yvonne wollte sich sogar die letzte Nacht in Bishkek im Hotel beschweren, dass kein Gras auf dem Klo steht

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                                    #18
                                    AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                                    Immer wieder unterhaltsam bei euch zu lesen.
                                    Mittlerweile hege ich den Verdacht, dass ihr zwei Simulanten von Bischkeker Kabaret angestellt hattet, Anderseits erinnert mich Blindheit, Hinfälligkeit und plötzliche Ertaubung bei anfallenden Arbeiten an hiesige familiäre Parallelbeispiele früherer Zeiten.
                                    Allein der Hirte schien das Gebahren von euren Grautieren zu durchschauen.

                                    Schonung fördert nicht den Fleiß,
                                    Stockantrieb treibt den Schweiß
                                    Schweiß ist bar bezahlter Preis

                                    Habt ihr in Erfahrung bringen können, wie viel der Hirte (Treiber) mit Tieren gekostet hätte?

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                                    • Gast20200707
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                                      #19
                                      AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                                      Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                                      Habt ihr in Erfahrung bringen können, wie viel der Hirte (Treiber) mit Tieren gekostet hätte?
                                      Tja, genau das ist die Crux. Alle boten uns nur Pferde oder Esel zur Miete mit Guide an, das wollten wir aber nicht. Dann kam Einer auf die Idee Esel zu kaufen, was uns sehr entgegen kam, da wir nun oneway laufen konnten und keinen Rundtrip planen mussten um die gemieteten Tiere wieder abzugeben. Teurer wären wir bei Miete mit Guide allemal gekommen, hätte irgendwas um 30eur/Tag gekostet

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                                      • Gast20200707
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                                        #20
                                        AW: [KG] 3.5 Wochen Tian-Shan und Terskej Ala-Too | Kirgistan mit bockigen Eseln

                                        Auf die schroffe Bergkette, die wir abends noch im Sonnenlicht im Westen bestaunen konnten, wollten wir am Morgen ansteuern um dann an dieser links (südlich) entlang weiter das Djuku-Tal rauf zu wandern. So kam es dann auch. Wieder wild durch die Landschaft bergab ins Djuku Tal, wir folgten nicht der Hauptpiste, weil wir dachten, später sowie so darauf zu landen. Wir folgten einem kleinen Rinnsal, welches sicher das gleiche Ziel wie wir hatte, die Djuku. Auf den vielen Pfaden, die die Nutztiere in die Landschaft gepflastert hatten, verlor sich irgendwann der Weg in einem Labyrinth aus Dornbüschen. Täve wollte verständlicherweise lieber selbst laufen, nachdem ihn ein Dornbusch zugeschnippst war. Die Esel hingegen zogen durch die Büsche durch und bald steckten wir fest und mussten umkehren. Ein lautes Pfeifen begleitete unsere missliche Lage bis wir mitbekamen, dass ein Nomade am mittlerweile zu einem Bächlein herangewachsenen Nass winkte und uns den Weg signalisierte. Er trieb sein Vieh ins Tal und nun auch uns. Das kleine Seitental schlängelte sich durch das rote Gestein und immer wieder meinte der Nomade, dass dies nicht der richtige Weg sei, aber er uns nun hinunterführen würde. Wir waren mit dieser Wahl des Weges aber ganz glücklich, denn nach ein paar Kilometern verabschiedete er sich von uns weil wir (naja wohl eher die Esel) zu langsam waren. Er zeigte in ein rechtes enges Tal hinunter und war alsbald verschwunden.





                                        Ich war zwar selbst noch nicht im Antelope Canyon, aber so in etwa sah es hier aus. Hohe rote Steilwände, eine kleine enge Schlucht und ein Bächlein, was sich den Weg durch den roten Sand bahnte. Während wir mit staunenden Blick hier die Mittagspause verbrachten, legte sich Täve seinen neuen Natur-Lego-Bausatz zurecht. Er sammelte die ersten Knochen, doch so recht wollte nicht das Original entstehen. Enttäuscht sackte sich Sohnemann den größten der Knochen als Andenken mit ein als es nach der Pause dann weiterging. Bald kamen wir an die Straße, wo auch einige wenige Häuser und eine Stromleitung standen. Seit langen mal wieder Zivilisation, was aber nicht bedeutete, dass nun ein Supermarkt am nächsten hier stand. Sicher hätten wir diese gestürmt, denn der Schokoladenbestand ging zur Neige und der Rum verdunstete auch viel zu schnell. Dass die Genussmittel immer rar sind, stellen wir auf jeder Tour erneut fest. Das einzige Mal waren wir nun wieder auf unserer Tour unter 2000m gekommen, ab jetzt sollte es aber stetig bis 3800m bergauf gehen.

                                        Erst noch zwischen roten Gesteinswänden, befanden wir uns bald schlagartig wieder im typischen Hochgebirgsanblick, den wir bereits aus dem Karakol Valley kannten: Weiden, Wiesen, die schmalen Nadelbäume, Wasser in seiner reinsten Form, schneebedeckte Berge in der Ferne. Nachdem in den unteren Lagen das Wasser immer wieder gefiltert werden musste uns stets eine leicht rötliche Färbung hatte, freuten wir uns nun wieder auf die unproblematischere Wasserentnahme. Je höher wir aber heute kamen, umso mehr nahm Regen und Wind zu. Von Westen kommend zog eine Front über die Berge und Jeder von uns spekulierte anders darüber, wohin sie ziehen würde. Auf 2300m fanden wir dann endlich ein Camp, was auch Wasser anbot. Wir hätten gern schon eher campiert, jedoch war der Hauptfluss weit unten in der Schlucht und sonst kein Wasser in Sicht. Dafür war dieser Platz aber idyllisch gelegen. Ein Baum, ein Lagerfeuer, viel Holz, eine saftige Wiese, ein kleiner rauschender Bach und zu guter Letzt kam dann auch noch kurz einmal die Sonne raus, bevor sie uns auch wieder am kommenden Morgen herzlich begrüßen sollte.





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