[US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

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  • Mortias
    Fuchs
    • 10.06.2004
    • 1200
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    • Meine Reisen

    #41
    AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

    Tag 7 (05.08.)
    Heute hab ich wieder extrem lange getrödelt und bin erst gegen 11.30 Uhr bei schönem kurze-Hose-Wetter aufgebrochen. Ich hatte ja Zeit. Gemütlich ging es nun größtenteils im Bachbett vom Willow Creek stetig herab. Zwei Stunden später erreichte ich dann den Clear River. Hier hatte das gemütliche Laufen leider ein Ende. Der Clear River wurde teilweise von extrem steilen Hängen flankiert, so dass ich nicht mehr direkt am Ufer laufen konnte. Stattdessen durfte ich jetzt schöne Umwege einlegen, was bedeutete, dass ich mich für mehrere 100 Höhenmeter am steilen und dicht bewachsenen Hang hochquälen durfte. Fuck war das kack anstrengend. Aber irgendwie war ich in so ner gewissen Scheiß-egal Stimmung, so dass ich einfach die Zähne zusammengebissen habe und fertig.


    Clear River, Blick nach Norden



    Clear River, Blick nach Süden

    Weiter oben hatte ich dann immerhin einen ganz netten Ausblick. Aber lieber hätte ich mir die ganze Schinderei erspart. Kurze Zeit später ging es auch wieder abwärts zum Ufer runter. Generell war die Uferumgebung mal wieder mit extremen Dickicht oder Wald bewachsen oder alternativ mit etwas offenem Strauchland wo dafür der Boden extrem weich war und oft auch Tussocks lauerten.

    Sobald es ging lief ich wieder ans Ufer zurück und beschloss direkt im Flussbett zu laufen und dann, ähnlich wie beim Glacier River, lieber von Ufer zu Ufer zu furten, anstatt an einer Uferseite erneut riesige schweißtreibende Umwege in Kauf zu nehmen. Teilweise lief ich grad mal 5 Minuten an einer Uferseite, wechselte dann in Crocs das Ufer, trocknete für 15 Minuten meine Füße (inklusive Pause), lief weiter, nur um kurze Zeit später wieder zu furten. Wirklich schnell kam ich so natürlich nicht voran, aber es war immer noch allemal besser und entspannter als die andere Variante (zumal die Umwege teilweise echt heftig gewesen wären). Und auch wenn es zwischenzeitlich etwas wolkiger wurde, spielte das Wetter doch gut mit, so dass es insgesamt ein recht entspanntes Wandern war (dafür habe ich heute auch nur ca. 8,5 km geschafft ).

    Gegen 19 Uhr hab ich dann auf ner Flussbank mein Zelt aufgestellt und mich den abendlichen Verpflichtungen gewidmet. Beim Kochen probierte ich es mal aus das Benzin mit etwas Wasser zu verdünnen, so dass die Flamme nicht ganz so stark war. Das ging zwar prinzipiell ganz gut, führte aber dazu, dass es eine halbe Ewigkeit braucht bis das Wasser endlich kochte und ich dann Essen konnte. Naja, ich hatte ja eh nichts anderes zu tun. Abendliche Fotosessions, verbunden mit kleinen Spaziergängen (wie bei früheren Touren) fielen ja eh flach. Ich fühlte mich insgesamt recht fit und schien mich so langsam mit meiner kaputten Kamera abzufinden. Ich war vorsichtig optimistisch, dass die Tour doch noch ganz angenehm werden würde und ich zumindest den Umständen entsprechend meinen Spaß haben würde.


    Zeltplatz am Clear River


    Leider hab ich kein Bild wo man mal die richtig heftigen Uferhänge sehen konnte. Hier schaut das ja einigermaßen moderat aus.

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    • Mortias
      Fuchs
      • 10.06.2004
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      • Meine Reisen

      #42
      AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

      Tag 8 (06.08.)
      Heute war, wie gestern schon, wieder schönes Wetter, langes Trödeln und Aufbruch gegen 11.30 Uhr angesagt. Nach einem kurzen Abschnitt am Clear River (ca. 1,5 km) bog ich dann in nördlicher Richtung in ein Seitental ab. Ich folgte nun dem Lauf eines kleinen namenlosen Baches der östlich vom Moving Mountain lag.

      Hier wurde es dann richtig widerlich. Die Uferhänge waren recht steil und extrem dicht bewachsen. Mit etwas Glück konnte ich hin und wieder direkt im Bachbett laufen, aber meist war dort zu viel Wasser, so dass ich mich schön durch den Wald schlagen dufte. Das war echt einfach nur super nerviger Scheiß. Der Rucksack drückte (mal wieder), die Sonne ließ mich schwitzen und die Kräfte schwanden zunehmend weil es einfach nur megaanstrengend war mich durch die dichtbewachsenen Hänge und das ganze Gestrüpp vorzukämpfen. Bääähhh...


      Also das ist doch wirklich zum Aus-der-Haut-fahren.


      Selten gab es mal kleine offene Flächen. Hier hab ich dann Mittagspause gemacht.

      Weiter oben lichtete sich der Wald dann zunehmend und die Landschaft wurde offener. Das bedeute nun aber nicht, wie in Lappland, gemütliche und leicht zu wandernde Fjäll-Landschaft, sondern weicher Boden, Beckenhohe Sträucher und haufenweise Tussocks. Oh Mann, was hab ich mir da nur für ne beschissene Gegend ausgesucht. Die Landschaft selbst war ja durchaus ganz ansehnlich, nur ohne mich für die ganze Anstrengung wenigstens mit paar schönen Fotos belohnen zu können, ging dieser positive Effekt fast gänzlich verloren.

      Gegen 17 Uhr machte ich in einem kleinen Waldabschnitt Pause. Hier floss ein Bach und der Boden war einigermaßen eben und fest. Ich hätte hier gut zelten können. Dummerweise entschied ich mich fürs Weitergehen. Somit ging es nun mühsam weiter durch die nervige Tussock/Buschlandschaft. Mein eigentliches Ziel, ein kleiner namenloser See nordöstlich vom Moving Mountain, stellte sich dann als große Enttäuschung raus. Das direkte Ufer war zu sumpfig und weiter weg boten die Tussocks und das ganze Gestrüpp keine Chance aufn halbwegs vernünftigen Zeltplatz. Ätzend. Also bin ich zwangsläufig weiter gegangen, bis ich dann gegen 19.30 Uhr an einem kleinen Bach mit Mühe und Not (und sehr viel Toleranz) endlich eine einigermaßen brauchbare Zeltstelle gefunden habe.


      Der besagte See. Ein Zeltplatz ließ sich hier beim besten Willen nicht finden.


      Blick nach Nordwesten. Die hohen Berge im Hintergrund sahen recht beeindruckend aus. Die ganze Vegetation vor mir hingegen war leider weniger schön anzusehen.

      Die Aussicht von hier war schon durchaus nett. Bis zu 1800 m hohe Berge erhoben sich in nicht allzu weiter Ferne. Dort wollte ich dann auch morgen hin. Unter normalen Bedingungen hätte ich mich jetzt wahrscheinlich ziemlich gefreut, etliche Bilder gemacht und einfach nur den Abend genossen. Tatsächlich war ich aber einfach nur abgekämpft und lustlos und konnte somit der Landschaft nicht allzu viel abgewinnen. Fotos konnte ich jetzt eh nicht machen und anstatt die schönen Berge zu bewundern, kreiste mein Blick eher um die ganze Vegetation und das nervige Terrain was vor mir lag und ebenso viel "Spaß" versprach wie heute schon. Nicht mal 10 km habe ich heute geschafft und war trotzdem einfach nur tierisch kaputt, geschlaucht und desillusioniert. So hab ich mir das ganze irgendwie nicht vorgestellt.

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      • Blahake

        Fuchs
        • 18.06.2014
        • 1439
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        #43
        AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

        Oh je, wenn einmal der Wurm drin ist...
        Ich kriege beim Lesen ein bisschen den Eindruck, dass Du da auch in eine gewisse Negativschleife geraten bist. Ist ja auch sehr viel schief gelaufen und einige Dinge dabei, die vielleicht objektiv gar nicht so schlimm, aber unterwegs doch dauerhaft nervig und zermürbend sind. Vor allem das zähe Vorankommen stelle ich mir ätzend vor, aber auch der Benzinkocher vermiest sicher immer wieder aufs neue die Laune. Wenn man dann schon schlecht drauf ist, kann einen nicht mal mehr der Grizzly richtig rausholen, über den hättest Du doch eigentlich laut und lange jubeln müssen.

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        • Hapi
          Erfahren
          • 22.09.2015
          • 426
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          #44
          AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

          Zitat von Mortias Beitrag anzeigen
          Tag 6 (04.08.)
          Als ich dann abends am Bachufer grade mein Wasser fürs Abendbrot kochen wollte, hörte ich auf einmal ein platschendes Geräusch. Ich blickte hoch und sah wie ca. 20 m von mir entfernt ein Grizzly seitlich aus dem Gebüsch und in den Bach gelatscht kam. „Oh scheiße ein Bär“, dachte ich nur, damit hätte echt nicht gerechnet. Wo kam der denn jetzt her? Sofort griff ich mein Bärenspray, richtete mich auf und begann ruhig mit dem Bären zu reden (streng nach Lehrbuch also). Der Bär stellte sich einmal kurz auf die Hinterbeine und trottete dann gemächlich weiter durch den Fluss, verschwand aber nicht. Ich redete nochmal mit ihm, er drehte sich wieder zu mir um, platsche nochmal mit der Vorderpfote demonstrativ ins Wasser und verschwand dann anschließend recht unaufgeregt auf der anderen Uferseite im Gebüsch.

          Wow, ich war ganz hin und weg. Klar stand ich unter Anspannung, zumal ich nicht damit gerechnet hätte aus so kurzer Distanz nem Bären zu begegnen. Die Begegnung war somit sehr überraschend für mich. Aber irgendwie war es auch extrem beeindruckend. Der Bär wirkte jetzt nicht bedrohlich auf mich und machte einen recht entspannten Eindruck. Er schien allerhöchstens etwas unerfreut darüber, dass ich mich hier aufhielt, aber gleichzeitig zollte er mir Respekt, indem er mir dann meinen Freiraum gelassen hat. Eine wirklich tolle Erfahrung. Jetzt fühlte mich, als sei ich erst so richtig in Alaska angekommen, immerhin gehören diese Viecher nunmal einfach dazu. Mit der Zeit sank dann die Anspannung und die Zufriedenheit nahm Überhand. Zu gerne hätte ich nur ein paar Fotos davon gemacht.
          Herrje, Meister Petz gab sich die Ehre... Auf der einen Seite sicherlich ein ganz besonderer Moment, andererseits könnte ich da in so einem kleinen Zeltchen nicht so wirklich entspannt schlafen. Vielleicht hätte ich den Film "Backcountry" nicht sehen sollen
          Look deep into nature and you will understand everything better (A. Einstein)

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          • Mortias
            Fuchs
            • 10.06.2004
            • 1200
            • Privat

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            #45
            AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

            Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
            Oh je, wenn einmal der Wurm drin ist...
            Ich kriege beim Lesen ein bisschen den Eindruck, dass Du da auch in eine gewisse Negativschleife geraten bist. Ist ja auch sehr viel schief gelaufen und einige Dinge dabei, die vielleicht objektiv gar nicht so schlimm, aber unterwegs doch dauerhaft nervig und zermürbend sind. Vor allem das zähe Vorankommen stelle ich mir ätzend vor, aber auch der Benzinkocher vermiest sicher immer wieder aufs neue die Laune. Wenn man dann schon schlecht drauf ist, kann einen nicht mal mehr der Grizzly richtig rausholen, über den hättest Du doch eigentlich laut und lange jubeln müssen.
            Den Eindruck bekommst Du völlig zu recht. Wenn erstmal so richtig der Wurm drin ist, geht gefühlt dann alles schief. Ich frag mich immer noch wie ich die Tour wohl mit funktionierender Kamera erlebt hätte. Aber davon abgesehen finde ich doch schon, dass ich meine Freude über den Grizzly recht deutlich hervorgehoben habe.

            Zitat von Hapi Beitrag anzeigen
            Herrje, Meister Petz gab sich die Ehre... Auf der einen Seite sicherlich ein ganz besonderer Moment, andererseits könnte ich da in so einem kleinen Zeltchen nicht so wirklich entspannt schlafen. Vielleicht hätte ich den Film "Backcountry" nicht sehen sollen
            Den Film hab ich auch schon gesehen. Zum Glück erst nach der Tour. Lustigerweise hatte ich vor der Tour auch immer so ein bisschen Angst wie es wohl wäre abends nen Bären am Zeltplatz zu begegnen und sich dann mit dem Wissen pennen zu legen, dass da noch so ein pelziger Fettsack rumlaufen könnte. Interessanterweise hab ich es dann gar nicht als so schlimm empfunden. Nachdem der Bär sich verzogen hat, war ich mir ziemlich sicher, dass er nicht mehr widerkommt. Er hat gesehen, dass ich mich hier aufhielt und ist mir dann ausm Weg gegangen. Da die Viecher nicht ganz blöd sind, bin ich davon ausgegangen, dass er schlau genug war meine Nähe zu meiden. Aber ein bisschen aufmerksam war ich an dem Abend natürlich schon. Es hat mir allerdings auch unheimlich geholfen, dass ich im Voraus sehr viel über Bären gelesen habe und somit ein recht gutes theoretisches Grundwissen zum Bewerten von deren Verhalten hatte.

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            • Mika Hautamaeki
              Alter Hase
              • 30.05.2007
              • 3979
              • Privat

              • Meine Reisen

              #46
              AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

              Juhu es geht weiter, vielen Dank!
              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
              A. v. Humboldt.

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              • berlinbyebye
                Fuchs
                • 30.05.2009
                • 1197
                • Privat

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                #47
                AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                Zitat von Mortias Beitrag anzeigen
                Einen kleinen Vorteil hatte die Sache mit der Kamera immerhin. Und zwar hatte ich jetzt nicht mehr diesen Druck verspürt noch möglichst viele schöne Fotos machen zu müssen. Stattdessen konnte ich jetzt einfach gemütlich rumsitzen. Außerdem....
                Schade, dass du diesen Gedanken offenbar nicht ganz umsetzen konntest.
                Worte sagen mehr als 1000 Bilder.
                Nochmal: Sehr, sehr schöner Bericht.

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                • Horst24
                  Erfahren
                  • 01.02.2012
                  • 211
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                  Hallo Mortias,
                  auch wenn ich dir wirklich eine angenehmere Reise, bei der du zu einem erfreulicheren eigenen Feedback gekommen wärst, gewünscht hätte......aus Sicht des interessierten Lesers, der sich auch gerne von einem schönen Bericht inspirieren läßt (bin gerade am Planen unserer Lapplandtour und habe mir Anregungen aus deinem Südlicher Sarek und südlich...geholt), muß ich sagen, ist es ein sehr spannender und toller Reisebericht.

                  Danke dafür!

                  Viele Grüße aus Nürnberg.
                  Horst

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                  • atlinblau
                    Alter Hase
                    • 10.06.2007
                    • 4101
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                    "Die Landschaft selbst war ja durchaus ganz ansehnlich, nur ohne mich für die ganze Anstrengung
                    wenigstens mit paar schönen Fotos belohnen zu können, ging dieser positive Effekt fast gänzlich verloren..."

                    Denke über deine Motivation nach. Es geht dir nicht mehr um den Augenblick?


                    Thomas

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                    • Gast20200707
                      GELÖSCHT
                      Dauerbesucher
                      • 25.05.2013
                      • 764
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                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                      Hier auch mein Senf, erst einmal ein toller Bericht, wo Du offen über Deine gemachten Fehler und die Konsequenzen schreibst. Das machen sicher die wenigsten und schreiben nur über die schönen und richtigen Dinge. Bin gespannt wie Du Dich weiter tapfer schlägst. Kann durchaus auch Deinen Frust ein wenig nachvollziehen. Uns haben Sie bei der Ankunft auf Hawaii das ganze Kocher- und Topfset entnommen. Ich war so gefrustet, dass ich mir erst einmal an beiden Händen die Nägel runtergekaut hatte, weil ich dachte, dass der Urlaub nun gelaufen sei . Aber irgendwann ging es dann doch weiter und der Urlaub wurde später noch schön genug um sich gern daran zu erinnern.

                      Seitdem Dir Deine Kamera kaputt gegangen war, schreibst Du immer wieder über diesen Verlust, der sicherlich schwer war. Aber genau ab diesem Zeitpunkt hättest Du Deine Umgebung mit dem Auge aufsaugen müssen (Du hattest ja nun mehr Zeit ), denn die Tour hast Du sicherlich nicht für ODS, sondern für Dich gemacht. Dass Du fortan nun Deine Erinnerungen in mehr Schrift als Bild mit uns teilst, tut Deinen Bericht in keiner Weise weh. Also fein weitermachen

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                      • Mortias
                        Fuchs
                        • 10.06.2004
                        • 1200
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                        Zitat von atlinblau Beitrag anzeigen
                        Denke über deine Motivation nach. Es geht dir nicht mehr um den Augenblick?
                        Zitat von elbspitze Beitrag anzeigen
                        Seitdem Dir Deine Kamera kaputt gegangen war, schreibst Du immer wieder über diesen Verlust, der sicherlich schwer war. Aber genau ab diesem Zeitpunkt hättest Du Deine Umgebung mit dem Auge aufsaugen müssen (Du hattest ja nun mehr Zeit ), denn die Tour hast Du sicherlich nicht für ODS, sondern für Dich gemacht.
                        Das ist meines Erachtens ganz klar Typsache. Ein guter Freund von mir geht hin und wieder auch gerne mal in Lappland wandern, macht sich aber nicht allzuviel aus Fotos. Ihn hätte der Verlust der Kamera somit nicht sonderlich schwer getroffen. Andere nehmen über 5 kg Fotoausrüstung auf so eine Tour mit und haben einen Mordspaß daran wunderschöne professionelle Fotos zu machen. Hierzu zähle ich mich mit meiner kleinen Kompaktkamera zwar nicht (streng genommen drücke ich schließlich nur den Auslöseknopf der Kamera), aber auch mir macht es tierisch Spaß möglichst viele Aufnahmen von der durchwanderten Landschaft zu machen. Das gehört bei mir zur Tour und zum Gesamtvergnügen einfach dazu.

                        Genauso macht es mir dann Spaß die Bilder zu Hause in Ruhe anzuschauen und nochmal die Erinnerungen zu durchleben. Wenn das aus technischen Gründen nicht möglich ist, habe ich einfach das Gefühl, dass mir bei der Tour buchstäblich etwas fehlt, zumal eine Erinnerung im Kopf mit der Zeit meist doch stärker verblasst und sich verfälscht als es bei einer digitalen Bilddatei der Fall ist. Ist dann auch noch das Wandern generell sehr beschwerlich, fällt es mir auch nicht gerade besonders leicht die Umgebung mit dem Auge aufzusaugen und zu genießen (und somit die Erinnerung gut zu konservieren). Mein Fokus ist dann eher aufs Vorankommen gelegt und die Landschaft wird eher beiläufig wahrgenommen bzw. ich nehme eher die unangenehmen Sachen wahr wie beispielsweise das fiese Dickickt. Besonders in solchen Fällen bedeuted es mir sehr viel, wenn ich mir dann gemütlich am PC nochmal die Bilder in aller Ruhe anschauen kann um nochmal die ganze Landschaft aus einem "entspannteren Blickwinkel" zu betrachten.

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                        • Rattus
                          Lebt im Forum
                          • 15.09.2011
                          • 5177
                          • Privat

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                          #52
                          AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                          OT: Das ist der Grund, weshalb ich die Kamera oft zu Hause lasse (hab eh nur eine für Arme ). Ist sie gar nicht erst dabei, vermisse ich sie kaum und bin viel mehr im Hier und Jetzt.
                          Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede.

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                          • Prachttaucher
                            Freak

                            Liebt das Forum
                            • 21.01.2008
                            • 11905
                            • Privat

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                            #53
                            AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                            Wobei Du ja immerhin noch die Kompaktkamera hattest - in meinem Fall war wirklich komplett Schluß.

                            Bei allem "warum macht sich so abhängig von einem technischen Gerät, ist man so perfektionistisch etc...-Gedanken". In meiner Erinnerung sind andere Touren auch einfach präsenter, weil da Fotos zum Erinnern da sind. So gesehen hätte die Kompakte vielleicht etwas geholfen.

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                            • berlinbyebye
                              Fuchs
                              • 30.05.2009
                              • 1197
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                              Das ist natürlich schon sehr ärgerlich mit der Kamera. Aber es kann ja immer mal etwas kaputt gehen. Besser die Kamera als das Zelt oder gar die Schuhe.

                              Vielleicht (be-)schreibst du etwas mehr und genauer, um die Erinnerungen zu behalten und wir schön mitlesen dürfen. (Ich z.B. schalte wieder ein auch wenn die Bilder fehlen)

                              Viel Spaß weiterhin und vergiss die Kamera (bleibt dir ja sowieso nichts anderes übrig).

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                              • wilbert
                                Alter Hase
                                • 23.06.2011
                                • 2975
                                • Privat

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                                #55
                                AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                                da kann ich mich nur anschliessen.

                                meistens nehme ich bewusst keine kamera mit.
                                das hat den neben dem "zeitgewinn" den schönen effekt, dass ich viel entspannter zum schauen komme und meine inneren bilder länger anhalten.
                                wenn ich anfange zu fotografieren artet dies meist in arbeit aus. dies geht auf kosten einer gewissen innerlichkeit die sich ohne knipse, mit der zeit von selbst einstellt. darauf würde ich nur ungern verzichten.

                                was die dokumentation angeht, reicht meiner meinung nach meist ein simples handyfoto. ein bergführer sagte einmal zu mir: "berge sehen eh überall gleich aus".

                                ich denke, der knackpunkt in deiner gefühlten negativschleife liegt in der traglast.
                                ein anspruchsvoller weg, eine ungewöhnliche landschaft oder ungeplante umwege können spaß machen, wenn man nicht gerade 30 + kg auf dem rücken hat.

                                hier würde ich in zukunft ansetzen und es mir leichter machen. ich glaube im detail könntest du bei deiner targlast mächtig abspecken.
                                zb. ist mir aufgefallen, dass du prima mit einem hobo hättest kochen können. … und schwupps wärst du einige gramm leichter unterwegs, und dein benzin-desaster los gewesen.

                                ... ich bin gespannt wie es weitergeht!
                                www.wilbert-weigend.de

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                                • Pielinen
                                  Fuchs
                                  • 29.08.2009
                                  • 1348
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                                  #56
                                  AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                                  Zitat von Mortias Beitrag anzeigen
                                  .....anstatt die schönen Berge zu bewundern, kreiste mein Blick eher um die ganze Vegetation und das nervige Terrain was vor mir lag und ebenso viel "Spaß" versprach wie heute schon. Nicht mal 10 km habe ich heute geschafft und war trotzdem einfach nur tierisch kaputt, geschlaucht und desillusioniert. So hab ich mir das ganze irgendwie nicht vorgestellt.
                                  Kann ich sehr gut nachvollziehen, meine Begeisterung für bushing hält sich maximal in Grenzen, zum Glück gibt es ja meist irgendwelche Tierpfade, ansonsten finde ich den packrafting Gedanken sehr charmant.
                                  Man darf wohl gespannt sein auf die nächste Alaskatour???
                                  Zuletzt geändert von Pielinen; 15.03.2016, 14:51.
                                  Wer nichts weiß muss alles glauben...

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                                  • Gast32020151
                                    GELÖSCHT
                                    Dauerbesucher
                                    • 05.07.2003
                                    • 607
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                                    #57
                                    AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                                    Zitat von Mortias Beitrag anzeigen
                                    In dem Zusammenhang fand ich den Ratschlag von BigKahuna mit den Loksaks sehr hilfreich. Die kannte ich vorher noch nicht. Wenn die wirklich komplett geruchsdicht sind (ich muss mich da nochmal besser schlau machen) dann besteht ja auch keine Gefahr, dass man damit Bären anlockt und somit in Problembären verwandelt. Eventuell würde ich das dann noch mit nem Ursack kombinieren, aber es ist sicherlich schonmal hilfreich da ein paar Alternativen zu kennen mit denen der Rucksack deutlich komfortabler wird.
                                    Wunder solltest Du von den Loksaks nicht erwarten. Am Ende des Tages handelt es sich um eine recht massive Plastiktüte mit einem massiven Klickverschluss, wie man ihn auch von Gefrierbeuteln kennt. Bei Kälte Verhält sich der Plastikverschluss etwas störrisch und ständiges Um-/Aus-/Verpacken kann auch irgendwann mal zu Löchern an den Knickfalten führen.

                                    Ich hatte 2 Loksaks dabei. Einen habe ich für für meinen Müll, Toilettenartikel, etc. und den anderen für Lebensmittel verwendet. Beide habe ich dann in einem wasserdichten Packsack abseits vom Zelt gelagert. Außerdem habe ich in den Loksaks nur verschweißte Lebensmittel aufbewahrt (Mountainhouse, etc.). Ich kenne zwar auch die ganzen Geschichten über den unglaublichen Geruchssinn der Bären, aber ich denke, mit dieser Methode hat man das Risiko, seine Lebensmittel an einen Bären oder andere Tiere zu verlieren, mit zumutbarem Aufwand minimiert.

                                    Einheimische gehen dieses Thema in Alaska oftmals wesentlich entspannter an. In der Alaska Range fand ich eine unverschlossene Jagdhütte voller angebrochener Lebensmittel. Den Betreiber der Hütte habe ich einen Tag später im nächsten Tal in seinem Jagdcamp getroffen. Der hat mir auch erzählt, dass er an mehreren markanten Punkten in seinem "Revier" Verpflegungsverstecke für Notfälle eingerichtet hat. Da wird kein großer Aufwand betrieben, weil man davon ausgeht, dass die eingeschweißten Lebensmittel a la Mountainhouse relativ geruchsarm sind.

                                    Das Problem besteht im vorliegenden Szenario meines Erachtens nicht darin, dass man mit seinem gelagerten Essen Problembären schafft. Wenn man den üblichen gebührenden Abstand zum Zelt einhält, besteht nicht die Gefahr, dass der Bär seinen Zufallsfund mit dem Menschen in Verbindung bringt. Genau deshalb soll man ja diesen Abstand einhalten. Sowas wie "Menschenessen" kennt ein normaler Bär nicht. Er wird einen herrenlosen Schokoriegel also nicht automatisch dem Meschen zuordnen. Wenn man andere Möglichkeiten hat, dem Bären den Zugriff auf die Lebensmittel zu verweigern, ist dieser Abstand auch nicht notwendig. Schließlich befinden sich die Bear Boxes und Bear Poles auf den Campgrounds auch in unmittelbarer Nähe der Zelte.

                                    Problematischer ist in der Wildnis Alaskas der Verlust der Lebensmittel. Anders als in Lappland ist die nächste Hütte oft nicht einen strammen Tagesmarsch entfernt. Und darin besteht auch das Problem mit den Ursacks. Selbst wenn der Bär u.U. nicht an den Inhalt kommt, was auch nicht sicher ist, wird er den Sack voller Lebensmittel einfach im Maul davon tragen. Das geht mit der Bärentonne nicht. Aber 4 Tonnen würde ich trotzdem nicht mitnehmen

                                    Etwas Anderes ist der Umgang mit Lebensmitteln auf Campingplätzen, in Ortschaften, etc. Dort ist die unmittelbare Nähe zum Menschen nicht zu vermeiden. Und deshalb wird auch auf den bekannten Trails in den lower 48 oder im Denali NP mit seinen tausenden Besuchern so pedantisch auf "Bärendisziplin" geachtet.

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                                    • Mortias
                                      Fuchs
                                      • 10.06.2004
                                      • 1200
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                                      #58
                                      AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                                      Zitat von wilbert Beitrag anzeigen
                                      was die dokumentation angeht, reicht meiner meinung nach meist ein simples handyfoto. ein bergführer sagte einmal zu mir: "berge sehen eh überall gleich aus".
                                      Also von so einem Bergführer möchte ich mich ja nicht gerne führen lassen. Da klingt ja mal richtig viel Begeisterung und Enthusiasmus mit.

                                      Zitat von wilbert Beitrag anzeigen
                                      ich denke, der knackpunkt in deiner gefühlten negativschleife liegt in der traglast.
                                      ein anspruchsvoller weg, eine ungewöhnliche landschaft oder ungeplante umwege können spaß machen, wenn man nicht gerade 30 + kg auf dem rücken hat.

                                      hier würde ich in zukunft ansetzen und es mir leichter machen. ich glaube im detail könntest du bei deiner targlast mächtig abspecken.
                                      zb. ist mir aufgefallen, dass du prima mit einem hobo hättest kochen können. … und schwupps wärst du einige gramm leichter unterwegs, und dein benzin-desaster los gewesen.
                                      Ja leichter gesagt als getan. Ich würd auch mal behaupten, dass ich aufgrund früherer Touren schon ne gewisse Erfahrung in Punkto Gewichtsoptimierung habe. Nur wenn man für 18 Tage Fressen mitnehmen muss und dazu noch 4 Bärentonnen mit je 1,2 kg Gewicht dabei hat, dann ist es nicht grad einfach das Gewicht enorm zu reduzieren, wenn man nicht gleichzeitig die Ausrüstung komplett aus ultraleicht umstellen möchte. Da hätte der Hobo Kocher auch nicht grad viel gebracht. Brennstoff hätte ich ja trotzdem mitnehmen müssen, weil wenns Holz nass ist oder (wie in der Tundra) gar nicht vorhanden, wäre es sonst ein bisschen blöd gewesen.
                                      Sparpotential liegt sicherlich bei den Bärentonnen. Wie BigKahuna schon erwähnte, wäre es sicherlich eine Option die luftdichtverpackten Trekkingmahlzeiten in den Loksak zu verpacken und diesen dann in nem Ursack, Packsack oder whatever zu lagern. Nochmal 4 Bärentonnen werd ich mir sicherlich nicht mehr antun.

                                      Und wie gesagt, Gewicht war sicherlich ein wesentlicher Faktor, aber nicht der alleinige. Und was die Kamera angeht, das ist halt echt Typsache. Ich würd beispeilsweise niemals ohne Kamera auf so eine Tour losgehen. Mag sein, dass es anderen so deutlich mehr Spaß macht, aber mir würd dann einfach etwas wesentliches fehlen.

                                      Davon abgesehen freut es mich natürlich, so viele interessante Beiträge und Feedback zu lesen. Ich setzt mich dann mal ran, um möglichst heut noch ne Fortsetzung fertig zu schreiben.

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                                      • Mortias
                                        Fuchs
                                        • 10.06.2004
                                        • 1200
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                                        #59
                                        AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                                        Tag 9 (07.08.)
                                        Heute wollte ich mir nur eine kurze Etappe gönnen. Somit ging es wieder sehr spät los und dann langsam bergab Richtung North Fork Koyukuk River. Der Untergrund war wie erwartet. Viel Gestrüpp, weicher Boden und Tussocks. Insgesamt also, wie gestern, sehr ätzend und anstrengend. Ich motivierte mich mit der Aussicht, dass wenn ich erstmal den North Fork Koyukuk River erreicht habe, ich das schlimmste sicherlich hinter mir hätte. Dann könnte ich, wie beim Glacier River, schön gemütlich am Flussbett laufen und müsste höchstens mal gelegentlich den Fluss furten. Das würde schon recht angenehm werden. Und ein paar Tage später sollte es dann ja eh in die baumlose Tundra gehen, wo mich dann gar kein Wald oder Gestrüpp mehr erwartet, sondern nur noch angenehme ausgedehnte freie Flächen. Spätestens dann würde das Wandern ein ziemlicher Selbstgänger werden. Jaja, Wunschdenken hilft manchmal mit der Situation besser klarzukommen...

                                        Nach ein paar Kilometern Bushwhacking kam ich dann endlich mal zu einer freien Stelle. Hier war der Boden angenehm fest und steinig. Ich setzte meinen Rucksack ab und genoss einen wunderbaren Ausblick auf das Tal des North Fork Koyukuk Rivers. In den diesigen Wolken erkannte ich sogar ansatzweise den Boreal Mountain und Frigid Crags. Als der Naturforscher, Förster und Entdecker Bob Marschall Anfang der 30er Jahre an den North Fork Koyukuk River kam, hat ihn der Anblick dieser beiden Berge so sehr beeindruckt, dass er sie würdevoll als "Gates of the Arctic" bezeichnete. Später wurde dann eine große Gegend der Brooks Range als Nationalpark mit eben diesem Namen ausgewiesen.


                                        North Fork Koyukuk River; Blick nach Norden. Ganz schwach lassen sich Boreal Mountain und Frigid Crags erkennen.

                                        Auf diesen Anblick habe ich mich schon die ganze Zeit über gefreut. Und jetzt endlich konnte ich hier sitzen und die Landschaft auf mich wirken lassen. Hier machte ich nun länger Pause und verspürte zum ersten Mal auf dieser Tour ein Gefühl von echter tiefer Zufriedenheit und Verbundenheit mit der Natur. Dieser Platz war wirklich wunderschön idyllisch und ich war endlich, zum ersten Mal auf dieser Tour, wirklich sorglos glücklich. Traurig irgendwie nur, dass ich 7 Tage dafür warten musste.


                                        North Fork Koyukuk River; Blick nach Westen


                                        North Fork Koyukuk River; Blick nach Nordwesten

                                        Nachdem ich mich ne knappe Stunde an dem Anblick sattgesehen hatte, ging es nun weiter bergab zum Fluss. Teilweise lief es sich jetzt sogar angenehmer als vorhin und ich war richtig guter Dinge jetzt das schlimmste hinter mir zu haben. Weiter unten trübte sich die Stimmung dann aber wieder etwas. Das Gelände wurde waldiger und ich passierte einige Seitenbäche die von extrem starkem Dickicht bewachsen waren. Als ich dann endlich den North Fork Koyukuk River erreichte, steuerte ich sogleich das vor mir liegende Flussbett an und konnte mit etwas Suchen gegen 19 Uhr mein Zelt aufstellen. Geschafft, ab jetzt sollte es doch eigentlich deutlich besser laufen. Endlich konnte ich mich zuversichtlich schlafen legen.

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                                        • Mortias
                                          Fuchs
                                          • 10.06.2004
                                          • 1200
                                          • Privat

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                                          #60
                                          AW: [US] Alaska - Gates of the Arctic. Leider anders als geplant

                                          Tag 10 (08.08.)
                                          Nachts und am Vormittag hat es leicht geregnet. Beim Aufbruch gegen Viertel vor 12 war es zum Glück wieder trocken. Zum Unglück aber gab es an dieser Uferseite erstmal kein Flussbett zum Laufen, sondern nur Wald. Ein Queren des Flusses war, im Vergleich zum Glacier River, auch nicht ganz so einfach. Möglich wäre es wohl gewesen, aber halt auch kein Selbstgänger. Somit wollte ich von dieser Option nur Gebrauch machen, nur wenn es sich nicht vermeiden ließ. Also hieß es wieder ab durchs Dickicht.


                                          Dicht bewachsene Uferlandschaft; © by Sandy Shea
                                          Anmerkung: Die Fotos von Sandy zeigen selbstverständlich nicht genau 1:1 die Orte wo ich lang lief. Ebenso war das Wetter nicht identisch. Insgesamt geben seine Fotos aber einen guten Überblick von der Landschaft wieder, die ich durchwandert habe.


                                          Das war mal wieder richtig nervig, vor allem weil es viele ca. 2-3 m hohen Sträucher gab, die teilweise extrem dicht wuchsen, so dass ich schön im Zick-Zack gehen musste um ihnen so gut es ging auszuweichen. Da auch noch der Himmel von tiefhängenden Wolken bedeckt war und ich im Wald eh nicht viel gesehen hab, dauerte es nicht lange bis ich komplett die Orientierung verloren hab. Ich schaute aufn Kompass und stellte fest, dass ich mittlerweile wieder ziemlich genau in die falsche Richtung, also wieder zurück, lief. Starke Sache.

                                          Am frühen Nachmittag stieß ich dann aber endlich mal auf einen ausgedehnten Flussbett-Abschnitt. Hier gabelte sich der Fluss in viele Seitenbäche auf und ließ und somit große unterspülte Steinflächen zurück. Auf dem Kies und dem sandig-erdigem Boden kam ich nun endlich mal wieder sehr gut voran. Das war zum Laufen recht angenehm und tat auch meiner Motivation sehr gut.


                                          Endlich mal wieder raus ausm Wald und angenehmer Untergrund zum Wandern; © by Sandy Shea


                                          Ausgedehnter Flussbett Abschnitt; © by Sandy Shea


                                          Blick zum Fishless Creek; © by Sandy Shea

                                          Gegen 16.15 Uhr endete der Flussbett Abschnitt und ich musste wieder durchs Gebüsch. Gerade als ich in die Büsche getreten bin, hörte ich auf einmal ein Schnaufen und sah in nur ca. 15 m Entfernung einen kleinen Grizzly stehen der mich verwirrt anstarrte. „Oh fuck, wieso steht da jetzt ein Grizzly?“ dachte ich nur. Sonderlich groß war er nicht, eher wie ein zu groß geratener dicker Hund. Dennoch habe ich erstmal einen Riesenschreck bekommen. „Woah, ganz ruhig Bär, ruuuhiiig…“ sagte ich noch und sah wie der Bär sich umdrehte und mit wahnsinniger Geschwindigkeit davon preschte. Alter sind die Viecher schnell. Mit so einem möchte ich mich lieber nicht anlegen. Es wunderte mich nur, dass es überhaupt zu dieser Begegnung kommen konnte. Es wehte kaum Wind, er musste mich also gerochen haben (besonders nach vier Tagen ohne Körperwäsche) und außerdem war ich beim Laufen auch nicht gerade leise. Der Bär hätte also genug Möglichkeiten gehabt sich vorher aus dem Staub zu machen. Ich vermute mal, dass es ein noch etwas jüngerer Bär war, der einfach mal neugierig war und schauen wollte was da wohl für ein Geschöpf angelaufen kam. Aber anscheinend war ich ihm dann doch nicht so sympathisch. Das hat mich persönlich jetzt ja schon ein bisschen in meiner Ehre verletzt...

                                          Nachdem ich mich von dem Schreck erholt hatte, ging es nun also wieder durch nervig viel Wald und Dickicht. Das war echt mal nur ätzend gewesen. Wie war das noch mit der (naiven) Hoffnung, dass es alles einfacher werden würde, wenn ich erstmal den North Fork Koyukuk River erreiche???


                                          Über zu wenig Wald am Ufer konnte ich mich wahrlich nicht beklagen. © by Sandy Shea

                                          Gegen Viertel nach 6 kam ich dann wieder auf ne Flussbank und sah dort grad zwei Männer, die mit Packraft unterwegs waren, pausieren. Wow, meine ersten Menschen die ich auf dieser Tour getroffen habe. Wir haben ein bisschen geschnackt. Sie kamen aus Utah und sind die ersten Tage vom Dalton Highway zur Quelle des North Fork Koyukuk Rivers gewandert wo sie sie dann aufs Boot wechselten. Ich erzählte ihnen von meinem Malheur mit meiner Kamera und sie haben paar Bilder von mir gemacht. Ich gab ihnen meine E-Mail Adresse und sie sicherten mir zu, mir die Bilder zuzuschicken. Coole Sache, das hat mir wieder richtig Motivation gegeben. Zu dem Zeitpunkt wusste ich halt noch nicht, dass sie sich nicht mehr melden würden.


                                          Frigid Crags; © by Sandy Shea

                                          Kurze Zeit später stellte ich dann am Ende des Kiesabschnittes mein Zelt auf. Ich sah bereits, dass mich morgen zu Beginn erstmal ein dicht-bewachsener Hang erwarten würde. Super, da stieg doch mal die Motivation, grummel grummel. Ich freute mich echt schon darauf in ein paar Tagen endlich die Tundra zu erreichen. Dann sollte der ganze Blödsinn hier ein Ende haben und ich könnte endlich das Wandern wirklich genießen.

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