[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

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  • Torres
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    • 16.08.2008
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    • Meine Reisen

    #41
    AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

    20.01.2016. 2 km

    Leise packe ich, um Japan nicht zu stören. Um 10.00 Uhr muss ich mein Bett geräumt haben. Beim Frühstück setze ich mich zu den Magdeburgern. Bekannte von ihnen sind gestern angereist. Zuwenig Selbstbewusstsein kann man dem Ehepaar nicht vorwerfen, und ich frage mich, ob die Magdeburger sie so bereits kennengelernt haben. Bald wird mir das zuviel. So fotografiere ich Meisen und Eichhörnchen durchs Fenster.








    Eine Gruppe Skifahrer zieht mit Pulka los. Wie gerne würde ich folgen.





    Mein Bus fährst erst um 14.00 Uhr. So setze ich mich in die Lobby. Die Nordlichter-App meldet eine hohe Aktivität. Noch könnte ich etwas ändern. Und bleiben. Aber irgendetwas blockiert mich. Sonst würde ich es tun.
    Neue Gesichter. Ein Schweizer. Er hat sich in der Jugendherberge einquartiert und scheint Kontakt knüpfen zu wollen. Vielleicht hat er bei den alleinreisenden Holländerinnen Glück. Hoffnungsfroh lächelt er. Viele Gäste grüßen mich, und das ist das endgültige Signal: Das wird mir jetzt alles zu eng. Ich muss hier weg.

    Ich vertrete mir ein wenig die Beine. Die Grillhütte Maahinen. :-)








    Der Skibus lädt seine Gäste ein. Die Bekannten der Magdeburger sind empört, irgendein Bus kommt nicht. Ich sehne mich nach finnischer Gelassenheit. Und so laufe ich los. Ohne nachzudenken.








    Der Weg, den die Schneeschuhe gestern hinterlassen haben, ist noch da. Es ist kein Schnee gefallen.








    Am Himmel bilden die Wolken und die Sonne Wellen. Tagesnordlichter. Und wieder denke ich: Wie macht der Himmel das?








    Der Schein der Sonne färbt den Schnee.





    Und dann merke ich plötzlich: Sie geht auf! Ich beginne zu rennen, die Kuppe scheint nur ein paar Schritte vor mir, und poff, mein rechter Fuß versinkt 15 cm in der Tiefe. Weiter, wieder breche ich ein, und wieder, und dann kann ich sie bereits sehen. Das Bild wird unscharf.





    Aber sie ist es. Die Sonne. Weiter, weiter.





    Nein, wärmen tut sie nicht. Aber trotzdem ist die Welt um mich herum plötzlich eine andere.








    Auf der gegenüberliegenden Seite Schleifchen.





    Der Punkt, an dem wir gestern Sterne beobachtet haben.





    Und schon zieht sich die Sonne wieder zurück.





    Der Ahopää.








    So lange schon her.





    Und hier der Weg zum Kiilopää. War ich wirklich jemals da?





    Zeit zu gehen.











    Sind das Geister? Oder winkt der Himmel mir zu?





    Die borstigen Bürsten werden ich vermissen.





    Und dann ist die Sonne verschwunden.





    Und mit ihr gehen die Geister ihren Weg.








    Noch einmal ein Blick zu den schlafenden Tieren.








    Eine Schneeschuhgängerin hat den Pfeiler erreicht. Ganz alleine bin ich jetzt nicht mehr.





    Wieso muss ich andauernd die gleichen Fotos machen?














    Ein paar Schneeflocken fallen vom Himmel. Kleine, winzige Flocken. Kaum zu sehen. Der Blick zurück.











    Vorbei.








    Eis klebt wieder an meinen Wangen.





    Die Magdeburger laufen mit ihren Skiern zur nächsten Loipe. Ein letztes Mal Abschied nehmen. Sie bleiben noch eine Woche.





    Noch immer könnte ich meine Entscheidung ändern. „Sie haben viel gemacht“, hatte der Finne verständnisvoll gesagt, als ich mich verabschiedete. Ich müsse zur Ruhe kommen, hatte ich – ehrlich mir selbst gegenüber - zur Begründung für meine Abreise angefügt, und er hatte genickt.





    Ich hole mein Gepäck. Der Schlüssel. Ich habe ihn immer noch in der Tasche. Beinahe hätte ich ihn vergessen. Einige Holländerinnen surfen im Internet. Der Aktivitätsdrang der ersten beiden Tage ist erlahmt. Wie es im Februar wohl den Frauen ergeht, die ohne Erfahrung eine Wintertour durchführen wollen und die ersten Tage üben wollen?





    Und dann stelle ich mich vor der Tür in die Kälte und warte auf den Bus. Ich friere ja nicht. Nicht bei dieser Temperatur. Irgendetwas um – 28 Grad. Pünktlich kommt er den Berg hinauf.





    Ich packe meinen Rucksack und Porsche in das Gepäckfach. Dann gehe ich zum Fahrer. Ich stelle den Fuß auf die Treppe und in dem Moment ist Japan neben mir, - extra angerannt gekommen, - und winkt und sagt: „Auf Wiedersehen“. „Heute ist ein guter Tag für Nordlichter“, sprudelt es aus mir heraus, „viel Glück!" Und einen Moment merke ich, dass ich tief gerührt bin und will doch nicht weg. Ich gebe mein Ticket beim Busfahrer ab, und das Gepäckfach wird zugeklappt. Mit einem zischenden Geräusch schließen sich die Türen. Vorbei.
    Oha.
    (Norddeutsche Panikattacke)

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    • Ellipirelli
      Gerne im Forum
      • 21.04.2014
      • 64
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      • Meine Reisen

      #42
      AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

      So jetzt muss ich mich doch mal bedanken für den schönen Bericht, der mir seit Tagen das Frühstück versüßt.
      Finnland ist ja wunderschön im Winter.
      Tadle nicht den Fluss, wenn Du ins Wasser fällst.

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      • Torres
        Freak

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        • 16.08.2008
        • 30688
        • Privat

        • Meine Reisen

        #43
        AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

        Der Bus kratzt über die vereisten Straßen. Fußgänger laufen die Straße nach Kiilopää hoch. Wieso auf der Fahrbahn? Da hinten verläuft doch der Wanderweg! Rausspringen und mitteilen geht natürlich nicht.





        Der Bus rast durch die verschneite Landschaft. Ob es heute wohl Nordlichter gibt? Der Himmel ist bewölkt. Madame hatte noch gefragt, ob ich den Nachtflug nehme. Vom Flugzeug aus sind Nordlichter besonders schön. Als ich verneine, sagte sie „Schade“. Ein älterer Finne steigt ein. Seine Beine sind zu lang. Umständlich zieht er sich die Gummistiefel aus und die Innenschuhe wieder an. Eine ältere Finnin kann kaum zuschauen, am liebsten würde sie helfen.





        Ich verspüre das Bedürfnis, nach Turku zu fahren und meinen Weg weiterzulaufen. Ruhe. Stille. Mein Zelt. Zu spät. Das Zeitfenster ist vorbei. Am Wochenende wird es wärmer werden und nächste Woche soll es tauen. Seen und Felder fliegen an mir vorbei. Parallel zur Straße verläuft eine Skispur.








        Ein Bus kommt von vorne und blinkt. Auf Scheibenhöhe treffen sich die Busfahrer und rufen sich etwas zu. Das Wort für „Mädchen“ verstehe ich. Eine junge Frau entsteigt dem Bus, läuft über die Straße und steigt in unseren Bus ein. Man kennt sich. Ein Auto bremst am Straßenrand. Der Bus hält daneben. Tür auf, Paket hinein, kiitos und unverzüglich weiterfahren.





        Die Sonne, die im Norden schon längst untergegangen ist, ist noch einmal zu sehen, aber der Halt in Sodankylä lässt es dunkel werden. Beim meiner ersten Reise kam sie in Rovaniemi noch einmal heraus, aber anscheinend war das zeitlich später, denn diesmal sieht man nur noch einen schmalen roten Streifen.






        In Rovaniemi ist der Himmel wolkenfrei. Aber Dunst liegt in der Luft. Die Temperaturstation am K-Markt zeigt – 32 Grad.
        Ich steige am Bahnhof aus. Um 21.15 Uhr fährt der Nachtzug, das erspart mir eine teure Übernachtung. Die Kabine kostet nur um die dreißig Euro, die Jugendherberge das Doppelte. Dazu der Zeitverlust. Der Schnee knirscht unter meinen Füßen. Und dann bekomme ich einen Schreck: Der Schalter ist geschlossen.

        Immerhin haben sie einen Mann an einem Tisch postiert. Übergangslösung. Die analoge Zeit ist vorbei. Kaufen Sie ihr Ticket am Automaten oder per Handy. Das große Plakat ist leicht zu verstehen. Soviel Finnisch kann ich schon.
        Der Mann begleitet mich zum Automaten, aber es ist das gleiche Problem, wie im September mit den Radtickets. Die Automaten können keinen Reservierungsstatus einsehen. Er telefoniert. Dann holt er Zettel. Der falsche Zug nach Helsinki. Ich brauche eine Reservierung für den Nachtzug. Wieder Telefonate. Es gibt genügend Plätze. Es reserviert der Schaffner. Interrailtickets sind im System anscheinend nicht vorgesehen. Ohne Ticketkauf gibt es auch kein Bett.

        Ich packe meinen Rucksack in ein großes Schließfach. Porsche nehme ich mit. Für das noch größere Paketfach habe ich nicht genügend Kleingeld. Es würde 6 Euro kosten. Das Geld gibt es nicht zurück. Ich habe Hunger auf Hühnchen und möchte R. noch ein Geschenk kaufen. Ich weiß auch, wo. Ich eile durch die kalte Luft. Es ist feucht. Keine glitzernden Sternchen. Ob es heute Nordlichter gibt? Bestimmt. Aber sind sie auch zu sehen? Die Abgase schimmern rötlich.

        Menschen eilen an mir vorbei. Das Atmen fällt nicht leicht. Die Luft ist anders, als im Norden Lapplands. Vielleicht ist das Smog. Knirschend und mit langem Bremsweg halten Autos an den Fußgängerüberwegen an. Die Radwege sind verdeckt. Porsche rollt problemlos durch den Schnee.
        Die Buchhandlung in der Einkaufspassage. Ich hatte bereits ein Buch ausgesucht. Aber das hier ist viel schöner. Das kaufe ich. Der Supermarkt. Unter den abgepackten warmen Gerichten gibt es noch gegrilltes Hühnerbein. Genau das Richtige. Ich kaufe es.

        Autoverkehr. Einkaufshektik. Nach den letzten Tagen ungewohnt. Wäre es stiller, würde ich spazierengehen. In Kiilopää wäre ich jetzt stehen geblieben und hätte in den Himmel gestarrt. Ich wünsche mich zurück. Zu hektisch und zu voll ist es hier.

        Ich biege in die Fußgängerbrücke ein und mir fällt ein, dass es nicht kultiviert ist, im Bahnhofswartesaal Hähnchen zu essen. Das riecht doch. Außerdem ist das Huhn bis dahin kalt. So fege ich etwas Schnee von einer Bank und esse. So richtig warm ist das Fleisch schon jetzt nicht mehr, die paar Meter Fußweg haben gereicht, es abzukühlen. Trotzdem tut die Mahlzeit gut. Ein paar Passanten sehen mich, laufen aber weitläufig vorbei. Ob sie mich für einen Penner halten? Als Outdoorer wird man schon mal falsch verstanden. Ich glaube aber, es ist ihnen egal. Meine Fingerspitzen sind jetzt eiskalt und beginnen zu brennen. Ich wische die fettigen Finger mit Toilettenpapier ab. Es befindet sich im kleinen Rucksack. Einen kurzen Moment überlege ich, ob ich Schnee schmelzen soll. Aber das wäre hier nun doch übertrieben. Ich muss mich einfach nur bewegen. Die dicken Handschuhe sind im Schließfach. Immerhin. Ein Hühnerbein-Picknick auf einer Parkbank mitten in der Stadt bei ca. – 30 Grad ist auch für mich eine Premiere. Erinnerungsfoto an die Bank.





        Ich laufe zum Bahnhof zurück. Bald ist die Hand, die Porsche zieht, warm. Kurz darauf auch die andere. Soll ich noch spazierengehen? Ich weiß nicht, wo. Ein paar Minuten bleibe ich noch draußen stehen. Die Lichter der Supermärkte leuchten irreal in der Ferne. Die Luft wird feuchter. Das Bild wird unscharf.





        Dann heißt es warten. Zwei Stunden noch bis zur Abfahrt. Ein Trupp Japaner. Riesige Kameras mit Tele und Stativ. Der Zug nach Helsinki ist da. Die Halle leert sich.
        Eine Familie erscheint. Die asiatischen Großeltern erblicken die Anzeigetafeln und lamentieren lautstark in ihrer Muttersprache herum. Grande Katastrophe. Man könnte denken, es wäre jemand gestorben. Der finnische Schwiegersohn versucht mehrfach leise auf Englisch zu erklären, dass der Nachtzug auf beiden Anzeigetafeln steht, weil er erst aus Kemijärvi (an)kommt (Saapuminen) und dann nach Helsinki (ab)fährt (Lähtö). Sinnlos. Sie hören gar nicht zu. Das Enkelkind tobt derweil plappernd auf den Bänken herum. Lapsenlapsi. Kindeskind. Kurz schließe ich die Augen. Ich will nicht nach Hause. Angst vor der Großstadt. In Kiilopää war es so wunderbar still.
        Das Mädchen entdeckt nun die Gepäckaufbewahrung und beginnt unter dem stolzen Blick der Mutter, die schweren Stahltüren der Fächer aufzureißen und zuzuschlagen. Ich beschließe, meine deutschen Wurzeln zu pflegen und bitte auf Englisch (innerlich bereits auf die in meiner Heimatstadt übliche Diskussion über Kinderfeindlichkeit wartend) höflich um Ruhe. Zu meinem Erstaunen dirigiert der Finne die beiden nun zügig nach draußen, und sie überlassen die Großeltern ihrem Schicksal. Ruhe kehrt ein. Ich bin ihm so dankbar. Noch gut eine Stunde. Ich greife nach meinem in Turku erworbenen finnischen Buch in deutscher Sprache, doch das macht den Abend nicht besser. „Bonbontag“. Markus Nummi. Vernachlässigte, misshandelte Kinder. Ein Sozialthriller. Harter Tobak. Gut geschrieben.

        Um halb neun wedelt der Schaffner mit einem Stapel Papier, den er ausgedruckt hat, und ich kann mein Schlafplatzticket kaufen. Ich verweise auf mein Gepäck und erhalte eine der großen Kabinen am Eingang.

        Der Zug hat eine halbe Stunde Verspätung. Ich stelle mein Gepäck neben mein Bett und erfahre, diese Kabine sei bereits gebucht, Einzelkabine, vor zehn Minuten reserviert, man müsse die ganze Nacht arbeiten, so geht das nicht. Schnell zeigt sich, dass ich richtig bin. Der Waggon stimmt nicht. Wir lachen. Ich verlasse meine Kabine und bekomme sie anschließend nicht mehr auf. Ein Mann gibt den richtigen Tipp: Man muss die Karte fest hineindrücken. Ich schaue noch einmal zum Fenster hinaus. Wenn es Nordlichter gibt, vom Zug aus sehe ich sie nicht. Vorbei. Es ist vorbei. Schon fliegen wir durch die sternenklare Nacht.

        In der Nacht schlafe ich schlecht. Der Zug ruckelt über die vereisten Gleise. Immer wieder werde ich wach. Drei Tage später wird mich eine Finnin fragen, ob sich Züge rund oder eckig vorwärts bewegen. Die Frauen waren sich einig, dass sich die Züge eckig vorwärts bewegen. Nur ein Ingenieur war dagegen. „Die Räder sind rund, aber fahren tut er eckig“, sage ich bestimmt, und zeige die Bewegung mit der Hand. Sie lacht und nickt. Der Ingenieur ist noch niemals Zug gefahren.
        Zuletzt geändert von Torres; 15.02.2016, 21:10.
        Oha.
        (Norddeutsche Panikattacke)

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        • Torres
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          • 16.08.2008
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          • Meine Reisen

          #44
          AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

          21.01.2016 Hämeenlinna

          Fünf Wecker klingen im fünf Minutentakt und um 6.18 Uhr kommt auch noch eine sms des automatischen Weckdienstes Hämeenlinna - also von R. und Peter. Das reicht, um wach zu werden. Kurz vor sieben stehe ich an der Zugtür. Aulanko. Die Fahrradbrücke mit dem Lummiko, das ein Orava ist. Die Burg. Um 7.04 Uhr steige ich in Hämeenlinna aus dem Zug. Der selbsternannte Chauffeur Peter holt mich ab, und ich bin ihm dankbar. Ebenso R., die Frühstück zaubert. Von ihr bekomme ich sogar ein Geschenk. Es ist fast täglich im Einsatz. Vielen herzlichen Dank!

          Ich will jetzt endlich einmal Hämeenlinna kennenlernen, aber anscheinend besteht es nur aus Einkaufspassagen, die teilweise einen erschreckend hohen Leerstand aufweisen. Alte Bausubstanz gibt es wenig. Intersport hat aufgrund eines Besitzerwechsels Ausverkauf, aber wir haben alles. Nur Skier könnte ich brauchen. Die kaufe ich jetzt aber nicht. Ich bleibe tapfer. Ein Blick auf den Marktplatz.





          Vögel füttern verboten.





          Wir fahren zum Aulanko Nationalpark. Für mich eine Überraschung. Ich bedauere, mir bei meiner Radtour nicht mehr Zeit genommen zu haben, die Umgebung zu besichtigen.


          Der lichte Wald.





          Tempelähnliche Gebäude.





          Der Aulanko Nationalpark ist ein Park im englischen Stil, der 1883 von Colonel Hugo Standertskjöld erworben und zwischen 1883 bis 1938 errichtet wurde. Heute ist er in öffentlichen Besitz übergegangen. Sibelius soll sich hier die Inspiration für Finlandia geholt haben. 400.000 Besucher zählt er jährlich.

          Der Sonne zu begegnen, ist ein merkwürdiges Gefühl nach den Tagen im Norden. Sie ist so anders. Ganz anders, als in Lappland. So hell, so groß und so strahlend. Fremd.





          Inarijoen Peter bleibt an einem Schild stehen. Hier befand sich vor 8000 Jahren die Küstenlinie des Yoldia Meeres. Laienhaft erklärt entwickelte sich zwischen 10.000 und 8.000 v. Chr. durch das Abtauen der bis zu 3 km dicken Eissicht Skandinaviens der Baltische Eisstausee, der infolge seines Meeresspiegelanstieges eine Verbindung zur Nordsee erhielt. Der See wurde dadurch zum salzhaltigen Yoldia-Meer. Als in der Folge des Abschmelzens der Gletscher die Landmasse anstieg, wurde die Verbindung zur Nordsee gekappt und das Yoldia Meer wieder zu einem Süßwassersee, dem Ancylussee (7500-6000 v. Chr.), dessen Küstenlinie ebenfalls in diesem Nationalpark mit einem Schild ausgewiesen wird. Es folgte wieder ein Meer, bis in neuerer Zeit die Ostsee, wie wir sie kennen, entstand, die weiterhin stetigen Veränderungen unterliegt. Quelle wikipedia.





          Die Bäume kommen mir wie ein Feuerwerk vor.








          Der Aussichtsturm. 100.000 Menschen besteigen ihn jedes Jahr.





          Am liebsten würde ich jeden Sonnenstrahl fotografieren. Aber Peter ist etwas ungeduldig. Ich kann ihn verstehen. Es ist furchtbar, mit Fotojunkies spazieren zu gehen.





          Eine Aussichtsplattform.





          Der Löffel. Lusikkaniemi.





          Winzig wirkende Skifahrer drehen ihre Kreise auf dem See. Hier würde mir Langlaufen Spaß machen. Alles so schön flach.





          Diese endlosen Wälder. Man müsste viel mehr Zeit haben. Ich hoffe, ich kann am Wochenende noch einmal wandern.





          In der Ferne hört man den Militärstützpunkt Parola. Da war doch was. Der Wanderweg zum See. Zu beschwerlich heute. Auch den Turm besteigen wir nicht. Geschlossen. Ebenso die Gastronomie.





          Ich bringe Peter dazu, mich zum Campingplatz zu fahren. Ich möchte einfach einmal sehen, wie die Gegend im Winter aussieht. Auch Peter fährt erst am Schild vorbei, das beruhigt mich. Die Einfahrt ist wirklich kaum zu sehen. Blick vom Parkplatz aus auf den Platz.





          Friedlich wirkt die Freitreppe des Restaurants bei Schnee.





          Da unten am See stand ich im Herbst mit meinem Zelt. Am liebsten würde ich noch einmal hingehen. Es sind um die - 13 Grad. Man könnte den See betreten. Aber R. wartet. Wir wollen zurück.





          Als wir zurückfahren, weht der Schnee auf die Straße.








          Glutrot geht um zehn vor vier die Sonne unter. Selbst um halb fünf leuchtet der Himmel noch. Die Tage werden länger.





          Zum Abendessen gibt es Raclette (tämä ruoka oli herkullista!). Wir schauen meine Bilder an, und ich erfahre, dass man mich via webcam beobachtet hat, als ich Skifahren war. Das Fernsehen berichtet von platzenden Wasserleitungen. Anscheinend war es in Südfinnland schon lange nicht mehr so konstant und lange kalt.
          Natürlich diskutieren wir auch über die Gefahren von Wintertouren, und ich höre die Geschichte von zwei älteren Finnen, die nicht zum ersten Mal in Lappland an der russischen Grenze auf Wintertour waren und bei einem Wettereinbruch zur letzten Hütte umkehren wollten. Einer von ihnen hatte einen Schwächeanfall und ist gestorben, den anderen konnte man retten. Da nutzte auch die Erfahrung nichts. Ob sie zu spät umgedreht sind oder Warnungen missachtet haben, ich weiß es nicht. Harmlos ist Lappland nicht, auch wenn die kleinen Bürstchen so putzig sind. Ein Schweizer Ehepaar wurde bei Saariselkä von einem Schneesturm überrascht. Sie hatten sich kurz neben die Loipe gestellt, um auszuruhen und konnten anschließend den Weg nicht mehr finden. Die beiden wurden gerettet. Ich frage Peter, warum er so etwas nie im Forum postet. Er winkt ab. Die Leute müssen das selber wissen.

          Am Mittag hatte ich bereits die Jugendherberge in Pori gebucht. Ich will noch einmal ans Meer. Dabei liegt Pori gar nicht am Meer, sagte Peter. Sondern zwanzig Kilometer entfernt. Ich hatte trotzdem gebucht. Jemand hatte mir im September erzählt, Pori sei hübsch. Schon damals hatte ich es sehen wollen. So ist es mit der Erfahrung. Nur wenn man sie selber macht, taugt sie.
          Oha.
          (Norddeutsche Panikattacke)

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          • blauloke

            Lebt im Forum
            • 22.08.2008
            • 8354
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            • Meine Reisen

            #45
            AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

            Wieder mal ein typischer Torres Bericht.
            Und ein neues Fahrzeug ist dir mit deinem Porsche auch eingefallen.
            Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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            • Torres
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              Liebt das Forum
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              #46
              AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

              22.01.2016 Pori

              Am Morgen färbt die Sonne den Himmel rosarot. Zum Frühstück gibt es von R. selbst eingelegten Lachs. Der Geschmack ist unvergleichlich. Danke schön. Ich darf sogar für die Reise ein wenig mitnehmen. Gegen Mittag heißt es Abschied nehmen. Peter bringt mich zur Bahn. Auch dieser Bahnhofsschalter ist für immer geschlossen worden. Unglaublich.

              Der Zug hat Verspätung. So warten wir in der Halle. Normalerweise würde ich längst auf den Bahnsteig gehen, sicher ist sicher, denn der Zug fährt nicht auf dem Gleis vor dem Gebäude, sondern am Bahnsteig gegenüber. Aber Peter vertraut der Anzeigetafel. 10 Minuten Verspätung. Zwanzig Minuten. Wir warten. Noch einmal 5 Minuten. Die ersten Leute verlassen die Halle. Nun steigt meine Nervosität. Erneut kommt eine Durchsage, ich stocke noch einmal, laufe dann aber einfach los, ohne sie richtig anzuhören. Mein Nervenkostüm ist für so etwas zu schwach.

              Der Aufzug bringt uns nach unten. Einen kurzes Stück Unterführung. Der nächste Aufzug. Er scheint in der Mitte stecken geblieben zu sein. Im Augenwinkel sehe ich Menschen die Treppe hinunter kommen. Was das heißt, weiß ich instinktiv. Augenblicklich vergesse ich alles um mich herum. Porsche an der Hand stürme ich die Treppe hinauf. Klack, klack, klack. Ein eingespieltes Team. Der Zug. Drei Minuten zu früh. Abfahrtbereit. Ich schlittere auf die nächste Tür zu. Der Schaffner steht im Weg. „Tampere?" fragt der Schaffner. „Kyllä". Er macht die Tür frei. In Sicherheit. Das war knapp.
              Erst jetzt fällt mir Peter wieder ein. Oh je, wie peinlich. Er steht auf der anderen Seite der Tür. Er erklärt dem Schaffner, ich bräuchte eine Reservierung. Der Schaffner nickt und versteht doch nicht ganz. Er hat anderes im Kopf. Für Abschied ist es nun zu spät. Schon setzt sich der Zug in Bewegung. Wir verabschieden uns per sms.

              Das schöne Wetter weicht deprimierendem Grau-in-Grau. Umsteigen in Tampere. Noch kann man die Seen betreten. In ganz Finnland soll es morgen wärmer werden. In Pori sind nur – 4 Grad. Ob die Weiterfahrt nicht doch ein Fehler war?





              Der Zug ist alt. Zwischen den Sitzen ist viel Platz. Nokia. Der Campingplatz war im September so schön. Kokemäki. Hier sollte meine Tour enden. Immer noch sehr wenig Schnee. Im Wald so gut wie keiner. Das Wasser hätte nicht gereicht. Einen kurzen Moment zeigt sich die Sonne. Ein kleiner Gruß aus der Ferne. Natürlich. Ich komme wieder. Irgendwann.
              Die Landschaft ist so leer. Der Bahnhof von Kokemäki scheint verrammelt zu sein. Auf den Fenstern klebt Pappe.











              In Pori ist wieder alles grau. Eine Baustelle. Einbrechende Dunkelheit kündigt sich an. Einen Bus ins Zentrum gibt es nicht. Egal. Ich wollte die zwei Kilometer sowieso laufen. Menschen schauen mich an, als würden sie sich fragen, was ich hier wolle. Das frage ich mich auch. Die Stadt wirkt abweisend, wie finnische Städte eben wirken können. Ich laufe irgendwelche größeren Straßen entlang. Der kürzeste Weg laut Navi. Ein zweites Turku ist Pori nicht. Radfahrer überholen mich. Hier ist es flach. Der Fluss kommt in Sicht, die Hauptstraße verläuft parallel. Natur sehe ich keine. Ein paar trostlose Bäume. Es liegt kaum Schnee. Ich bekomme schlechte Laune.

              Das gelbe Hostel, in traditionellem Baustil gebaut, liegt in der Nähe einer Hauptstraße, umgeben von neu errichteten Wohntürmen mit Flussblick. Die Häuser wirken seelenlos und teuer. Ich fühle mich unwohl. Ich will hier weg.

              Im Hostel umfängt mich Wärme, und ich weiß sofort, dass es mir hier gefällt. Aber so schnell schüttelt man das Unwohlsein der letzten Kilometer nicht ab. Die Dame am Empfang spricht ein wenig englisch. Die Verständigung ist holprig und ein bisschen tut sie mir leid. Konsequent erkläre ihr, dass ich mir hier mehr Natur vorstellt habe und nur eine Nacht bleiben werden, obwohl ich zwei Nächte vorgebucht hatte. Gleichzeitig fühle ich mich schlecht. Das Hostel ist gemütlich und liebevoll eingerichtet. Es hat Seele. Schon lange war ich nicht mehr an so einem netten Platz. Ein wenig britisch, dazu gibt es eine Sauna und im Flur kann man sich Pantoffeln anziehen. Sie nickt. Wenn ich bleibe, bleibe ich. Wenn nicht, bin ich morgen früh fort.

              Ich beziehe das Einzelzimmer, es hat sogar einen eigenen Kühlschrank. Ich ziehe den Stecker. Er ist mir zu laut. Ich schreibe den Bekannten von der Fähre eine sms, um mich zu verabreden. Dann beschließe ich, mir Pori anzuschauen. Der Fluss. Im Hintergrund die modernen Häuser. Die Autos an der Straße dröhnen.





              Der Kokemäenjoki ist noch nicht einmal zugefroren. Viel zu warm hier. Immerhin. Es führt ein Weg am Fluss entlang. Kraks, ich habe mich zu weit vorgewagt. Das Eis bricht ein, als ich fotografiere. Tief ist es hier nicht. Vermutlich ein Strand.





              Der Himmel ist bedeckt. Das färbt die Lichter gelblich. Am anderen Ufer glänzt noch die Weihnachtsbeleuchtung.





              Ein Türmchen. Wie nett. Meine Laune hebt sich.





              Sommergastronomie.





              Lichtspiele.





              Ein Einkaufszentrum auf der anderen Seite. Vermutlich war das früher einmal eine Fabrik. Puuvilla heißt Baumwolle.





              Wieder das Türmchen.





              Bausubstanz im Stil von Altbauten statt finnischer Zweckarchitektur.





              Und dann tatsächlich eine große, klassische Kirche. Fast fühle ich mich wie in Italien. Ich stelle mich auf die Straße. Vorsicht. Aufpassen, dass einen die Autos nicht anfahren. Finnen sind so etwas nicht gewöhnt.





              Erbaut 1863. Sie fasst 2000 Personen. Im Sommer wird es hier sehr schön sein. Einen Moment schaue ich nach einer Bank. Wenn es nur nicht so feucht-kalt wäre. Entspannung macht sich breit.








              Ich streife etwas durch die Innenstadt, aber sie gleicht den anderen Innenstädten Finnlands. S. wird später erklären, dass es sich nicht lohnt, finnische Städte zu besuchen. Das einzig Bedeutende, das Finnland hat, ist die Natur. Mit meinem Besuch in Pori beginne ich, das zu begreifen.








              Das Rathaus. Hier gehört das Türmchen hin. Der Baumeister war Carl Friedrich Engel, geboren 1778 in Berlin, gestorben 1840 in Helsinki. Ein Studienfreund von Karl Friedrich Schinkel.






              Ein russisches Paar fotografiert und wandert weiter in den Park. Und dann reicht es mir auch mit der Architektur.





              Ich laufe zurück. Ein paar Jugendliche werfen aus voller Fahrt ihre Fahrräder in den Schnee und albern am Ufer herum. Das offene Wasser scheint interessant zu sein.





              Ich bleibe ein wenig am Ufer des Flusses stehen. Zeit für Selbstgespräche. Das Meer ist weit. Aber vor mir ist eine Insel. Man könnte in den Parks spazierengehen. Ob ich noch einen Tag bleibe? Aber nicht im Winter. Und nicht, wenn es taut. Morgen soll es noch wärmer werden. - 1 Grad. Wenn man aus Lappland kommt, kann man das nicht. Und die Wanderwege sind jetzt Loipen. Aber vielleicht ist es dort trotzdem schön?
              Noch eine kleine Runde durch den Schnee. Wieder der Blick auf den Fluss. Das Hostel ist so nett. Ich beschließe, ich entscheide mich morgen.

              Eine sms geht ein. S. schreibt, sie hätten morgen Abend Zeit. Ich sei herzlich zum Essen eingeladen. Eine Freundin und ein Bruder kämen auch. Erfreut sage ich zu.

              Die Entscheidung ist gefallen. Ich koche eine Kleinigkeit und mache in der Küche Bekanntschaft mit einem polnischen Pärchen. Später muss ich die Dame vom Hostel anrufen, weil die Polin ein Problem hat. Als sie mich nicht richtig versteht, wende ich erfolgreich meine rudimentären Finnischkenntnisse an. Zu Hause werden wir noch mailen, es geht um die Angaben in der Hostel-App, ich konnte unerwartet helfen, und sie bedankt sich. Eine schicksalhafte Begegnung, wie mir scheint. Am nächsten Tag schreibe ich etwas Nettes in das Gästebuch. Am Hostel lag es nicht.


              Zuletzt geändert von Torres; 17.02.2016, 21:55.
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                #47
                AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

                23.01.2016 Espoo

                Es ist Samstag. Kurz vor neun mache ich mich auf den Weg. Die Stadt schläft. Nur ein paar Hundebesitzer sind zu sehen. Mein Navi brauche ich nicht mehr. Der Stadtplan ist im Kopf.





                In die Bäume hat jemand Zweigbüschel gehängt. Sie sehen aus wie Vögel.





                An den Straßenrändern leuchtet gelb die Hundepisse. Man fragt sich, ob das hier nicht schon ein Kunstwerk ist. Was bei Tauwetter wohl bald so alles zu Tage kommt.





                Auch Pori hat keinen Ticketschalter mehr. Den IC ab Tampere hätte ich gerne reserviert. Der Zug steht bereits da. Einen Moment bin ich unsicher, ob ich einsteigen soll. Aber andere Züge fahren hier nicht. Freie Platzwahl. Ein Pärchen nimmt ein halbe Stunde lang zärtelnd Abschied.

                Hübsch.





                Kurz vor Tampere leuchtet ein kleiner rosa Streifen am Horizont. Ich erinnere mich an den Radweg zwischen den beiden Seen. Sommer. Eine andere Welt.
                Der Schnellzug nach Helsinki füllt sich, und ich werde von meinem Sitz gescheucht. Mein Rucksack darf stehenbleiben. Ich nehme auf der anderen Seite des Ganges Platz. Zwischen den Schultergurten unterhalten wir uns nett. Ein Paar hat im Bordrestaurant Freude getankt und amüsiert sich über den Ortsteil Töölö. Humalainen. Gestern hatte ich wieder Vokabeln gelernt.





                In Helsinki sind – 3 Grad. Ich schließe mein Gepäck für sechs Euro in ein Gepäckfach im Keller ein. Nur das Gestell von Porsche passt nicht hinein. Acht Euro Kleingeld für ein größeres Gepäckfach habe ich nicht. Das Geschäft dürfte rentabel sein. Fast alle Gepäckfächer sind voll.
                In Kampin Keskus suche ich den Fahrplan der Buslinien nach Espoo heraus. Menschenmassen schieben sich durch die Gänge. Koffer versperren den Weg. Das bin ich nicht mehr gewohnt. Mit Grauen denke ich an zu Hause. Da ist noch viel voller.
                Ich setze mich in der Nähe des Bahnhofes in ein Café und lese mein Buch weiter. Als ich in Richtung Gepäckfach gehe, werden Erinnerungen an Lappland wach. Der Himmel. Da war doch etwas.





                Der Abend ist sehr nett. M. kocht wunderbar, ein echter Genuss. Und alle verstehen und sprechen deutsch, das hilft mir sehr. Ich erfahre, dass die Menschen in Westfinnland – also dort, wo ich auf meinem Rad vergeblich die Menschen gegrüßt hatte - wortkarg sind. Während die Menschen in Karelien das Gegenteil sind: Viel reden und viel lachen. Vielleicht muss ich doch einmal nach Karelien fahren.

                Und zwischendrin denke ich, der Abend ist ein Wunder. Man sitzt in einer finnischen Familie, die Gespräch sind nett und alles scheint so alltäglich, obwohl man gar nicht nebenan wohnt, sondern lediglich auf der Durchreise ist. Eine Laune des Schicksals. Anders, als es bei Peter und R. der Fall war, wo man sich bereits aus dem Forum kannte. Hier saß man auf einem Schiff zusammen in der Sauna. Und drei Wochen später öffnen sich die Türen. Ohne viel zu fragen. Ich meine, ich könnte ja ein Verbrecher oder ein Massenmörder sein. Oder verwirrt.
                Ich weiß. Ich lese zu viele Bücher. Leena Lehtolainen ist übrigens zu empfehlen. Aarto Paasilinna sowieso.



                24.01.2016 Helsinki


                Zum Frühstück sind alle wieder versammelt. M. hat eine riesige Auswahl Brot und Käse besorgt. S. zeigt Bilder von der letzten Familienwanderung. Im Dreiländereck im Norden Finnlands. Mitsamt der Kinder. Das Akto von L. erkenne ich sofort. Den Fjällräven Tunnel leider nicht. Mist. Vor zwei Jahren hätten mich die Bilder der Landschaft vielleicht noch gelangweilt. Doch meine Reisen haben mich verändert. Aufmerksam registriere ich die Eigenheiten der Tour. Navigieren lernt man in Finnland sogar in der Schule, werde ich später lernen.

                Es beginnt zu schneien. Dicke Flocken. Gegen Mittag ist Schneeschippen angesagt. S. lädt mich für morgen zu einem Saunaabend bei der finnischen Saunagesellschaft in Helsinki ein, zu der nur Mitglieder und ihre Gäste Zutritt haben. Ich bin überrascht und sage gerne zu.

                Porsche rollt zuverlässig durch den hohen Schnee. Zwar sammelt sich der Schnee nun an der unteren Kante. Aber das stört nicht. Nur der menschenleere Bus wird beim Tauvorgang ziemlich nass.








                Ein Skifahrer mit Kitesegel.





                Helsinki. Ich hebe Porsche an den Ampeln über knöchelhohen Sulzschnee. Wie schnell blütenweißer Schnee zu Schmutz wird.





                Dann warte ich auf die Straßenbahn. Hier hat man den Schnee entfernt.





                Ich steige eine Haltestelle zu früh aus. Es ist die Haltestelle, an der beide Linien halten, ich hatte den Namen noch in Erinnerung. Der Schnee ist hoch und teilweise muss ich den aufgeschütteten Schneebergen umständlich ausweichen. In Gedanken und vor Freude, wieder Schnee unter den Füßen zu haben, laufe ich einfach geradeaus weiter. Als ich merke, dass ich die Abzweigung verpasst habe, wende ich, und schlage mich in Umwegen wieder durch Schneeberge hindurch. Nur um festzustellen, dass die andere Linie geradeaus fährt und an einer Querstraße hält. Die Querstraße. Die hatte ich völlig vergessen. Ich war also eben schon fast da.

                Ich checke im Hostel ein und beziehe mein Zimmer. Es sieht aus, wie eine Zelle im Gefängnis. Nackt und stillos. Ich wasche die Wäsche in der Waschküche und begebe mich in die Sauna. Durch Lautsprecher ertönt Schneeknirschen unter Schuhen und irgendwelche anderen pseudofinnischen Waldgeräusche. Ich werde fast wahnsinnig. Ein Ort der Ruhe, dachte ich.

                Ich koche etwas und versuche, mich an meiner neuen Unterkunft zu erfreuen. Es gelingt nicht. Es geht abwärts. Das Ende des Urlaubes naht.
                Zuletzt geändert von Torres; 18.02.2016, 21:59.
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                  #48
                  AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

                  25.01.2016

                  Das Wetter ist trüb. - 1 Grad sagt der Wetterbericht. Vor meinem Fenster bleibt ein LKW, der das Hostel beliefert, stecken. Der Räumdienst muss ihn befreien. Am Kauppatori Salutorget ist Markt, windig ist es und kalt. Ich kaufe kleine Souvenirs für zu Hause. Die Zahl der Touristen ist überschaubar.

                  Der weiße Dom. Mit Zar Alexander II.





                  Langsam gehe ich die Treppen hoch. Zu feucht hier. Meine Beine machen wieder schlapp. Wo soll das bloß enden. Glockengeläut. Es ist gleich zwölf.








                  Ich setze mich in eine der Bänke. Vorne stehen ein paar Stühle im Halbkreis. Sechs Menschen haben Platz genommen. Im Inneren ist der Dom schmucklos. Ich hatte mehr Pracht erwartet. Protestantisch. Der Dom wurde von Carl Ludwig Engel entworfen.

                  Der Pastor kommt, und ich befinde mich inmitten einer finnischen Andacht mit liturgischen Gesängen. Ein paar Worte verstehe ich schon. Mit dem Handy mache ich heimlich ein Foto.





                  Die halbe Stunde Ruhe hat gut getan. Als ich den Vorplatz wieder betrete, bin ich ein wenig orientierungslos. Spazierengehen? Soll ich die Ice Claws holen? Ach was, ich werde sie nicht brauchen. Es beginnt doch zu tauen. Die Touristeninformation konnte die Sicherheit auf dem Eis nicht garantieren.


                  Ich nehme die nächste Straßenbahn zum Museum am Bahnhof. Der Bahnhof.





                  Es ist Montag, das Museum hat geschlossen. Welche Überraschung. Ich laufe ziellos durch die Fußgängerzonen. Eisstückchen fallen von den Dächern. Eiszapfen schmelzen. Ein paar Männer mit Nikolausmütze spielen sentimentale Lieder auf dem Xylophon.





                  Spontan steige ich in die Straßenbahn 4 ein, die in Gegenrichtung zum Hostel nach Munkkiniemi fährt. Mal schauen, wo sie mich hinbringt. Zu meinem Erstaunen kenne ich Teile der Strecke schon. Links hinter den Häusern ist das Sibelius Memorial. Und hier bin ich im September mit dem Fahrrad herumgeirrt. Und kenne ich das hier nicht von meiner Winterradtour? Sicher bin ich mir nicht. Aber das muss hier irgendwo sein. Stimmt, mein Radweg war damals nicht weit davon, sehe ich auf dem alten Track. Hier funktioniert Rodeln noch.





                  Irgendwann vermute ich die Endhaltestelle und steige aus. Stille. Schnee. Ein See. Die Ice Claws. Verdammt. Ohne sie will ich nicht auf das Eis gehen. Zu riskant.





                  Der Schnee ist tief. Ein paar Spaziergänger.





                  Die Sonne.





                  Urban Outdoor.





                  Ich folge einer Frau mit Hund vorsichtig auf den See. Man sieht schon erste Taustellen. Ich weiß nicht, wie dick das Eis wirklich ist. Daher mag ich mich nicht so weit entfernen.








                  So bleibe ich einfach nur stehen und genieße.





                  Und spiele an der Kamera herum.











                  Ich laufe noch ein wenig den Weg entlang, dann kehre ich um und setze mich in das Café. So etwas tue ich sonst nie. Aber es fühlt sich finnisch an. Die Finnen haben den höchsten Kaffeekonsum weltweit mit 11.4 kg pro Kopf. Gefolgt von Schweden. Deutschland liegt mit 6,3 kg pro Kopf noch hinter dem Libanon und Kanada auf Platz 10. Ich bestelle wie üblich Kakao.

                  Entspannt schaue ich zum Fenster hinaus. Das war der Sinn der Reise. Sich auflösen in der weißen Weite. Und zur Ruhe kommen.





                  Eine perfekte Welle.





                  Im laublosen Gebüsch sitzen kleine Vögel und denken, ich sehe sie nicht. Verdammt, wo ist nur mein Tele.








                  Auf die Idee, dass ich den Parkplatz kenne, komme ich nicht. Genau hier bin ich an meiner ersten Wintertour vorbei geradelt. Etwas später kommt die Brücke, auf der ich die Brille verloren habe. Da war ein Park. Nachträglich ärgere ich mich sehr.
                  So stapfe ich den Umweg zurück und stelle mich wieder an der Straßenbahnhaltestelle an. Sie fährt vor meiner Nase fort. Ein Foto von der schneebedeckten Mauer.





                  Die nächste Bahn kommt. Die Sonne auch. Ich eile zurück. Das Café.





                  Winterstimmung.





                  Wasser.





                  Kivi lumen alla.





                  Puut.








                  Und morgen wird alles vorbei sein. Es wird tauen.









                  Einen Moment lang mache ich in der Sonne noch die Augen zu. Dann laufe ich den Umweg zurück. Steil geht es einen Abhang hoch. Meine Beine. Es ist zu warm hier.

                  Die Straßenbahn rattert zurück. Eine Hundeskulptur mit Warnweste steht angeleint vor einem Hundegeschäft. Täuschend echt. An der Kreuzung ist die Ampelanlage ausgefallen. Armer Kerl.





                  Ich wandere noch ein wenig durch die Straßen. Das Wetter ist so schön.








                  Absperrungen warnen vor Eis- und Schneebrettern, die von den Dächern fallen.





                  Ein Kran nimmt Holzplatten an.





                  Ich finde einen Führer über die finnischen Nationalparks. Mein Nationalpark ist auch darin. Natürlich steht auch alles im Internet. Aber das Buch gefällt mir besser. 13.00 Euro. 27.00 Euro heruntersetzt.





                  Der Himmel ist blau geworden. Ein großer Vogel schwebt in der Ferne, aber ein Foto gelingt mir nicht.





                  Ich steige in den Bus ein, um zur Sauna zu fahren. Ein Szenestadtteil. Einen Moment muss ich überlegen, was das weiße Ding im Vordergrund ist.





                  Verkehrsstau. Berufsverkehr. Hier war ich noch nie. Hafenanlagen. Ein Kreuzfahrtschiff. Vororte. Der Bus wird langsam leer. Ich steige an der richtigen Haltestelle aus. Es sind wieder leichte Minustemperaturen. Finnische Zweckarchitektur. Ich vermute, von innen sind die Wohnungen traumhaft.

                  Ich laufe den einsamen Weg zur Sauna hinunter. Ich bin eine Stunde zu früh. Ein dunkler Himmel und die Lichter der Großstadt. Ein merkwürdiger Kontrast.








                  Die Luft riecht nach Rauch.





                  Ich erklimme einen kleinen Hügel. Der Schnee ist tief. Neben mir rauscht die Schnellstraße. Will ich wirklich wieder nach Hause fahren?





                  S. kommt und nun muss alles recht schnell gehen. Es gibt eine Vielzahl von Saunen. Sie auszuprobieren, kostet Zeit. Es sind keine elektrischen Saunen, wie zumeist in Deutschland, sondern Holzsaunen und traditionelle finnische Rauchsaunen, bei denen mittags die Steine mit Holzfeuer erhitzt werden, welche dann stundenlang die Wärme abgeben.
                  S. zeigt auf einen Korb. Hier kann man Birkenzweige kaufen, mit denen der Körper geschlagen wird, um die Blutzirkulation zu erhöhen. Ich bekomme einen Saunahut aus Filz geliehen, der vor Hitze und Kälte schützt und wirklich gut tut. S. lacht über die deutschen Saunasitten, wo ein zertifizierter Saunameister den Aufguss vornimmt, dramatisch sein Handtuch schwenkt und womöglich Hausverbot ausspricht, wenn man ohne ihn einen Aufguss vornimmt. Hier ist eine der wichtigsten Regeln, dass man beim Betreten einer Sauna die Anwesenden fragt, ob man einen Aufguss (löyly) machen soll. Und die Antwort ist in der Regel: „Ja“. Das merke ich schnell. Da sehr viel los ist, kommt ständig jemand hinein und jedes Mal gibt es einen Aufguss. Und immer denke ich, wärmer geht es nicht und es geht doch noch wärmer. Obwohl ich mich als empfindlich einschätze, kann ich gut atmen. Normalerweise muss ich nach Aufgüssen sehr bald hinausgehen, weil mir schwindelig wird. Eine echte Sauna ist mit einer Elektrosauna eben nicht zu vergleichen. In die Hände zu atmen, hilft übrigens auch, wenn es zuviel ist, erfahre ich.

                  Hinter dem Haus ist ein Steg und am Ende des Steges ist ein Wasserloch im Eis. Das Gewässer ist der Finnische Meerbusen, eine langgestreckte Bucht der Ostsee. Mich schaudert. S. läuft vor, spricht ein paar finnische Beschwörungen oder Gebete, die ich nicht verstehe, zählt auf finnisch bis drei, tunkt unter und läuft schnell wieder hinauf. Ich mache es nach, nein, nicht die Beschwörungen, aber auch ich tunke ganz schnell unter und laufe sofort wieder hoch. Dann sitzen wir auf der Bank, schauen auf die Bucht, und ich entscheide, ich hätte mir das schlimmer vorgestellt. So kalt ist das gar nicht. Bei den nächsten Malen schwimme ich sogar zwei Züge.

                  Wir essen noch eine Kleinigkeit. Dann heißt es Abschied nehmen. Und ich bedanke mich sehr herzlich. Das war ein tolles Erlebnis.

                  Auf der Heimfahrt fahren riesige LKW den Schnee ab. Es ist jetzt knapp 0 Grad.





                  Als ich R. und Peter später schreibe, was ich erlebt habe, und dass ich sozusagen in der Ostsee geschwommen bin, fragt mich R., wieviele Wodkas ich davor getrunken hätte. Ich weise das weit von mir. Und lerne ein neues finnisches Wort: „ankyräkänissä“. Stockbesoffen.
                  Oha.
                  (Norddeutsche Panikattacke)

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                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW:[FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntnisse

                    26.01.2016

                    Die Party ist vorbei. Es taut. In den Bahnen schnieft und hustet es. Der Boden ist glatt. Der Schnee taut und verwandelt sich in Eis, das von Wasser bedeckt ist. Ich wollte in den Kaivopuisto im Süden Helsinkis gehen. Bei diesem Wetter hat das keinen Sinn. Eine Zugfahrt nach Porvoo erspare ich mir ebenfalls. Eine Fahrt hätte ich mit meinem Interrailticket noch übrig. Bei diesem Tauwetter macht das keinen Spaß. Der Felsendom. Da schlittere ich jetzt auch nicht hin. Regenschirme prägen das Stadtbild.





                    Auf den Straßen ist nicht nur Matsch, sondern am Bordstein staut sich zwischen den hohen Schneeresten das Wasser. Eine echte Outdoorleistung an manchen Stellen, Straßen zu überqueren, weshalb ich das auch nur aus der Ferne fotografieren. In diese Brühe muss man jetzt nicht fallen.








                    Wie schnell das Eis brüchig wird.





                    Ich gehe die Esplanade entlang. In einem Laden hinterlässt mein Poncho einen Sturzbach. Ganz umsonst habe ich ihn also nicht mitgeschleppt. Ein Tannenbaum lässt die Zweige hängen. Das Tauwasser drückt sie nach unten.








                    Ich suche noch Geschenke, und als ich ein Geschäft verlasse, fällt mir Schnee, der auf dem Dach lag, auf den Kopf. Autsch. Einen Moment bin ich benommen. Jeden Winter kommen in Finnland Menschen dadurch zu Tode.

                    Ich beschließe, dem Tag etwas Gutes abzugewinnen und besuche das Ateneum. Eine Sonderausstellung mit Fotos von Henri Cartier-Bresson (1908-2004), einem der Mitbegründer der Fotoagentur Magnum. Fast 300 Fotos sind ausgestellt. Sie stammen vor allem aus den dreißiger bis fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Es sind berührende Fotos dabei. Und Interessante. Foto von berühmten Persönlichkeiten. Fotos aus fernen Ländern.
                    Die Ausstellung ist gut besucht. Und ich mache mir so meine Gedanken. Betrachte ich mir die wenigen Bilder aus dem Vor- und Nachkriegsdeutschland, so sehen die Menschen aus wie Fremde: Schmal und knochig, aber auch mit Mondgesichtern. Gezeichnet durch Mangelernährung und Armut. Dunkle Gesichter. Von kleinem Wuchs. Kein Vergleich mit den heutigen Kindern des Wohlstands. Am meisten berührt mich das Foto italienischer Kinder, die in den Trümmern der Häuser einen Jungen mit Krücken verspotten. Tränen stehen ihm in den Augen.

                    Noch stärker frage ich mich aber, ob diese Form der Straßenfotografie heute noch möglich sei. Das Recht am eigenen Bild. In seinen Bildern spiegelt sich Privatheit. Es sind Bilder aus einer Zeit, wo Menschen noch stolz posiert haben, wenn sie fotografiert wurden. Oder es gar nicht bemerkten. Sie womöglich gar nicht wussten, was gerade passierte. Und heute, in der Zeit der Smartphones und Selfies? Mittlerweile wissen selbst Dorfbewohner in fernen Regionen, dass mit Bildern Geld verdient werden kann. Musste er sich damals das Einverständnis der Fotografierten holen? Oder besser: Tat er es? Müssten heute die Abgelichteten entlohnt werden, wenn sie zustimmen und das Bild berühmt wird? Muss man vor dem Ablichten Verträge schließen? Ist das dann noch Straßenfotografie?


                    Wie grausam sieht diese Stadt plötzlich aussieht. Tauwetter ist so frustrierend.





                    Immer noch kämpfen Räumfahrzeuge mit dem Schnee.





                    Ich koche mir Reis mit Nüssen in Hostelküche. Und packe. Morgen geht es zurück.




                    27.01.2016 Abreise


                    Ich muss mein Zimmer um 10.00 Uhr räumen und verlasse es kurz vor zehn. Wo ist der glitzernde Traum bloß hin.





                    Hässlich.





                    Kein Schnee, sondern Regen.





                    Vorbei die Pracht. Vorbei.





                    Wo vorgestern noch Touristen eine dicke Schneedecke heruntergerutscht sind, zeigen sich schmutzig-graue Treppen.





                    Ich fahre mit der Straßenbahn zur Metro in Richtung Vuossari. Ich achte nicht auf das Fahrtziel und fahre zu weit. Ich hatte vergessen, dass sich die Strecke teilt. Ich habe genug Zeit, fahre entspannt zum Kreuzungspunkt zurück und steige in die richtige Bahn. Der Anschlussbus steht schon bereit. Trüb sehen die Seitenstraßen aus. Ich denke an meine Fahrradtour. Das ist alles so weit weg.

                    In der Wartehalle wartet ein älteres deutsches Ehepaar. Ansonsten ist kaum etwas los. Die Fähre scheint fast leer zu sein.

                    Ich beziehe meine Einzelkabine. Das Wetter ist diesig und feucht.





                    Wie strahlend die Abfahrt doch im September war.





                    Kurz vor Abfahrt des Schiffes schickt S. eine sms: „Das ist wohl der richtige Zeitpunkt, Finnland zu verlassen! Gute Fahrt!“

                    Zu diesem Zeitpunkt bin ich gerade in der Sauna, und vermisse die Rauchsauna von vorgestern sehr. In der Nacht bekomme ich Halsweh. Fast zwei Wochen werde ich außer Gefecht sein.






                    Nach meiner Abreise bleibt es in Südfinnland warm bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. In Lappland sind am Abreisetag – 7 Grad. Ilmatieteen laitos wird später zusammenfassen, dass dieser Januar in Südfinnland der kälteste Januar seit 2010 und in Lappland der kälteste Januar seit 2003 war. Allerdings war er zweigeteilt: In den ersten drei Wochen war es kalt, dann wurde es warm. Die kälteste Temperatur gab es am 07. Januar 2016 in Munio bei – 41,2 Grad. Da war ich gerade auf der Hinfahrt. Die wärmste Temperatur gab es am 30. Januar mit 6,5 Grad auf Hammerland-Märket zwischen den Aland Inseln und Schweden. Da war ich bereits wieder zu Hause. Einige Regionen Südwestfinnlands waren schneefrei, während es in Lappland 70-80 cm Schnee gab.
                    Im Februar sinkt die Temperatur in Lappland ebenfalls auf Minus – 1 Grad. Die tiefen Temperaturen, die ich so liebe, sind erst einmal vorbei.


                    Und so habe ich unter dem Strich gesehen bei dieser Reise wirklich Glück gehabt. Die Wanderung im Wald, den Himmel in Lappland und all die Erkenntnisse, Erlebnisse und Begegnungen kann mir niemand mehr nehmen.





                    Oha.
                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                    • schneehuhn
                      Gerne im Forum
                      • 08.07.2005
                      • 57

                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

                      Der schöne Bericht geht zu Ende, schade. Ist wie Tauwetter ohne Frühling.
                      Danke für den wunderbaren Schnee.

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                      • sompio

                        Erfahren
                        • 25.04.2013
                        • 284
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

                        Vielen Dank für diesen sehr angenehm zu lesenden, ehrlichen und herrlich unaufgeregten Bericht. In vielem habe ich mich selbst wiedergefunden und auch die Orte und Bilder waren größtenteils nicht unbekannt. Allerdings ist die Gegend um Saariselkä vermutlich der Teil Nordfinnlands, den ich am wenigsten kenne. Dort war ich vor etlichen Jahren ausnahmsweise ein paar Tage mit dem Fahrrad unterwegs und bin zwischendurch kurz auf den Kaunispää gestiegen. Vielleicht schaffe ich es in den kommenden Jahren ja mal wieder in die Ecke.

                        Interessiert habe ich auch deine Beobachtungen zur finnischen Sprache verfolgt. Wie banal der Inhalt mancher scheinbar willkürlicher Buchstabenaneinanderreihung plötzlich wird, wenn man einzelne Teile davon isolieren, identifizieren und vielleicht sogar verstehen kann. Das geht mir zwar bei allen Fremdsprachen so, allerdings gibt es gefühlt im Finnischen besonders viele und lange Komposita und ohne Vorkenntnisse kann man sich abgesehen von Lehnwörter wie pankki, banaani oder sitruna kaum etwas erschließen.

                        Das Skilaufen ist übrigens gar nicht so schwer und sollte mit ein bisschen Übung ganz ordentlich klappen. Zumalso lange es so kalt ist, dass man nur mit Schnee zu tun hat. Wenn dann später, meist so ab Mitte März, die Oberfläche regelmäßig antaut und dann vereist, wird es ungleich schwieriger, weil man höhere Geschwindigkeiten erreicht, schlechter bremsen kann und Stürze auch noch mehr weh tun. Dafür bildet sich dann aber auch häufig eine feste Kruste auf dem Schnee auch abseits der Loipen, so dass man dort wunderbar skaten und manchmal auch ohne Schneeschuhe etc. herumlaufen kann...

                        Vielen Dank für's Mitnehmen! Ich freue mich schon auf deinen nächsten Bericht!

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                        • supi
                          Gerne im Forum
                          • 13.01.2013
                          • 79
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

                          Ein Genuss.

                          Ein typ. Torres eben.

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                          • gargantula
                            Erfahren
                            • 09.12.2013
                            • 222
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #53
                            AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

                            Danke für den tollen Bericht. Du hast eine ganz besondere Art zu schreiben - ich mag sie sehr.
                            “Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.”

                            (Antoine de Saint-Exupéry, französischer Schriftsteller, 1900 – 1944

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                            • Torres
                              Freak

                              Liebt das Forum
                              • 16.08.2008
                              • 30688
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: [FI] Wie macht der Himmel das? - Drei Tage Wintertour und andere Erkenntniss

                              Jetzt muss ich mich doch mal für die netten Kommentare bedanken, die mittlerweile geschrieben wurden. Schön, dass Euch meine Reise bzw. der Bericht dazu gefallen hat. Wenn ich einen Reisebericht fertig geschrieben habe, dauert es immer etwas, bis ich wieder geerdet bin und dann fällt mir erst einmal nichts mehr ein. Ich hatte mir keine Notizen gemacht und es war, als hätte ich die Reise ein zweites Mal durchlebt.

                              Am Skifahren werde ich dran bleiben, ich habe neulich sogar versucht, meinen Arzt von Langlaufen zu überzeugen. . Danke für die ausführliche Schneebeschreibung, sompio. Schade, dass es derzeit kaum noch schneereiche Winter in Deutschland gibt. Am besten lernt man so etwas, wenn man es vor der Haustür ausprobieren kann.

                              Gestern habe ich übrigens gelesen, dass jemand mit einer 70 kg schweren Waschmaschine 1200 km durch Deutschland gewandert ist. Es gibt also noch Spiel bei der Wahl neuer Begleiter. Auch wenn mir im Moment eine zündende Idee fehlt. Klick

                              @supi
                              Als ich bei R. war, wurde mir lachend das Wort "Dschaiweskeile" als Beispiel missglückter Aussprache finnischer Worte präsentiert. Ich habe echt auf dem Schlauch gestanden. Selbst als mir die Auflösung genannt wurde, konnte ich mir nicht erklären, wie man das Wort so aussprechen kann. Erst als ich an Kylie Minogue dachte, wurde es klarer. Gemeint ist die siebtgrößte finnische Stadt.
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

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