[TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

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  • Bergzebra
    Erfahren
    • 18.02.2013
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    [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

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    ..

    Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

    oder:

    Ein Versuch, den eigenen inneren Schweinehund auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten zu setzen!



    Ursprünglich hatte ich geplant, mein Abenteuer Kilimanjaro und Tansania in Buchform zu veröffentlichen ("geht ja inzwischen so einfach"). Nachdem ich mit fast allem "durch" war, habe ich beschlossen, dies aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu tun. So kommt Ihr nun in den Genuß, das Ergebnis dieses "Buchprojektes" im Forum lesen zu dürfen. Formattechnisch ist es natürlich an einen Webbrowser wieder angepasst und es gibt wesentlich mehr Bilder als das Buch gehabt hätte.

    Mit diesem Bericht will ich eigentlich (bzw. hoffentlich) nicht erzählen wie gut ich beim Unternehmen "Kilimanjaro" war, sondern was sich in dieser Zeit so alles zugetragen hat.

    Anders ausgedrückt: Es hat sich beim besten Willen nicht verhindern lassen, dass ich am Kilimanjaro "ganz oben" war.

    Und wer meine Berichte hier im Forum zur Everestrunde und Annapurnarunde schon kennt: Diesmal gibt es keine Wetterkapriolen und an einem 14.10 war ich auch nicht unterwegs!

    Sprachlich und rechtschreibspezifisch haben die nun folgenden Ausführungen noch am ehesten Ähnlichkeiten mit der deutschen Sprache, gefundene Rechtschreibfehler sind finderlohnfrei und dürfen behalten werden. Die Kommasetzung unterliegt der freien Willensäußerung des Autors. Genetisch bedingt (Frau/Mann muss nur in meinem outdoorseiten-Profil nachschauen aus welcher Gegend Deutschlands ich stamme) steht man natürlich manchmal mit der richtigen Anwendung von Dativ und Akkusativ auf Kriegsfuß, vom harden "d" und harden "b" ganz zu schweigen.

    Aber nun genug der Albernheiten.

    Ich möchte den Reisebericht kapitelweise Zug um Zug (einige Kapitel je Woche) ins Forum einstellen (natürlich in einem einzigen Thread). Damit Ihr auch wisst, was es zu lesen (und sehen) gibt, hier eine Aufstellung der Kapitel. Die Zahl hinter dem Text ist die ursprüngliche Buchseite, damit habt Ihr ein Gefühl bekommt, wie umfangreich das jeweilige Kapitel ist. Die Seitenzahl bezieht sich auf ein Taschenbuch 12x19cm, Schriftart Garamond, Schriftgröße 11 und Zeilenabstand 120% (der "richtige 1er Zeilenabstand, Word wäre da immer anderer Ansicht, aber wie der Name "Word" schon sagt, ist es ja nur für ein Wort gedacht, sonst müsste es ja Sentence, Site oder Book heißen).
    - Vorwort
    - Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt 11
    - Aller Anfang ist schwer 23
    - Vom Basislager in das Camp des Löwen 35
    - Der Weg über die Wolken 53
    - Zu den letzten Wassern 65
    - Im Sattel durch die Wüste 79
    - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas? 91
    - Ab nach unten in die Zivilisation 127
    - Gras wächst nicht schneller, nur weil man daran zieht 135

    Und falls Ihr vom restlichen Bericht nicht schon genug geschafft seid und es gewünscht ist, gäbe es dann noch die folgende 5 Kapitel (die mehr Urlaub und nur noch bedingt Outdoor sind - eher sind die wilden Tiere Outdoor -hoffentlich-, die Übernachtungen in der Tierparks waren aber im Zelt - ohne Zaun drumrum - ):
    - Dort wo die Veilchen blühn 141 (Usambara Berge)
    - Unter Elefanten und Flamingos 153 (Tarangire und Lake Manyara Nationalpark)
    - In der großen Ebene 163 (Serengeti Nationalpark)
    - Zu Besuch im Garten Eden Afrikas 183 (Ngorongoro Conservation Area)
    - Den Gewürzen auf der Spur 193 (Sansibar)


    Die damals geplante Buchumschlagseite vorn:



    Die damals geplante Buchumschlagseite hinten:




    Ein Beweisfoto, dass ich es auch versucht habe, lose Ziegel auf der "Gipfelspitze" Afrikas zu finden:



    Sowie als Alibi und Beweis zugleich:




    Fortsetzung folgt!
    Zuletzt geändert von Bergzebra; 27.12.2015, 19:49.
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    (Autor unbekannt)

  • grenzenlos
    Dauerbesucher
    • 25.06.2013
    • 566
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    • Meine Reisen

    #2
    AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

    Klingt alles sehr interessant. Und die irgendwann geplanten Buchumschlagseiten entsprechen voll dem Zeitgeist . Finde die wirklich sehr gut.
    Freue mich jedenfalls mächtig auf die Fortsetzung

    LG, Wi grenzenlos
    Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

    Gruß, Wi grenzenlos

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    • Shades
      Dauerbesucher
      • 21.08.2015
      • 641
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

      Danke für diesen und auch die beiden anderen Berichte.

      Mich würde auch interessieren, etwas zu Deiner Motiviation zu lesen, diese Art von Touren (mit Guide und Trägern sowie teilweise mit Hüttensupport und jeweils in relativ stark frequentierten Gebieten) zu machen. Hast Du auch schon "klassische" Outdoortouren auf eigene Faust gemacht und - falls ja - was hat Dir an den Touren mit Support in den "berühmten" Gebieten besser gefallen?

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      • Bergzebra
        Erfahren
        • 18.02.2013
        • 285
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

        Zitat von Shades Beitrag anzeigen
        Mich würde auch interessieren, etwas zu Deiner Motiviation zu lesen, diese Art von Touren (mit Guide und Trägern sowie teilweise mit Hüttensupport und jeweils in relativ stark frequentierten Gebieten) zu machen. Hast Du auch schon "klassische" Outdoortouren auf eigene Faust gemacht und - falls ja - was hat Dir an den Touren mit Support in den "berühmten" Gebieten besser gefallen?
        Danke für deine Frage:

        Da stellt sich natürlich die Frage, was ist eine "klassische" Outdoortour? Wenn es bedeutet, selbstorganisiert, mehr oder weniger alleine, unabhängig, selbstversorgend, dann muss ich dazu leider "Nein" sagen. Aber: Ich lebe auf dem Land, habe einen eigenen Garten, backe Brot selber, hacke Holz (bzw. mache Waldarbeiten), ... . Da ist der Drang selbiges in der Urlaubszeit auch noch zu machen eher begrenzt. Ich habe aber auch mehrwöchige (Gruppen-)Urlaubsreisen, da wo man sich bis auf die Fahrt von A nach B um das Meiste selber kümmern muß (Einkauf, Kochen, Zeltaufbau). Dies läuft übrigens bei "Diavorträgen" zu solchen Touren beim Publikum (u.a. auch Landwirte, Förster, Jäger, ... - und die "-Innen") unter "Durchschlageübung". "Durchschlageübung" wäre aber für mich eher dies, was Du oben als "klassische" Outdoortouren bezeichnest. Aber warum sollte ich gerade in Nepal und Tanzania mehreren Personen einen nicht unerheblichen Teil ihres Jahreseinkommens vorenthalten, wenn ich alles auf eigene Faust mache.

        Übrigens war für 2015 der Mera Peak in Nepal geplant (und kurzfristig wegen der immer noch bescheidenen Versorgungslage in Nepal von mir storniert worden, bei gepackten Taschen!), dies wäre dann ein sehr entlegenes Urlaubsgebiet.

        Übrigens sieht man in Ghorepani in Nepal auf dem Annapurnatrek in 10 Minuten mehr ausländische Touristen als in 3 Wochen Venezuela (natürlich ohne Isla Margerita).
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        • derSammy

          Lebt im Forum
          • 23.11.2007
          • 7412
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          • Meine Reisen

          #5
          AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

          @zebra...

          ganz kapiere ich Deine Intention nicht...

          So wies lese hast du so 3bis4 Lokals dabei die Zelt, Gepäck und Küche tragen...Zeltst dann VOR der Lodge und bist "Selbstversorger".


          Als Lodgetourist hättest Du dann einen Porterguide und würdest mit Deinen guten € die Lodges und die Materialporter zu den Hütten bezahlen....
          (Volkswirtschaftlich gesehen sicherlich nicht unnützer)

          Aber wie heissts so schön "de Katz mag d´Meiss...i net!"

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          • Schwerti
            Anfänger im Forum
            • 06.09.2014
            • 23
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

            Zunächst mal auch von mir ein Dank an Dich Heinrich für die Berichte Deiner Touren !
            Habe in den letzten Tagen die beiden anderen gelesen. Es war zwar nicht einfach, manche Sätze zu verstehen, aber es war schon spannend und informativ.

            Übrigens zur Buchumschlagseite hinten:

            "Wer kennt es nicht, das obligatorische Bild mit den Elefanten in der Savanne laufend vor der Kulisse des schneebedeckten Kilimanjaro."

            Und da drüber ein Bild vom Berg, wo man Schnee fast nur erahnen kann.
            Ich schätze, Du meinst ein Bild in der Art ?
            http://2020visionquest.org/Blog/wp-c...ilimanjaro.jpg
            Das hätte für mich auf einem echten Buch nicht zusammen gepasst, also der Satz und Dein Foto. Es sei denn Du wärest auf den Grund eingegangen, weshalb Dein gezeigtes Foto weder Elefanten noch Schnee zeigt. Oder gehst Du da noch drauf ein, evtl. ja im Zusammenhang mit Erderwärmung ?

            Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den Bericht und bin froh, dass wir ihn quasi umsonst bekommen. Tolle Sache !
            Mehr Reiseberichte auf meinem Blog: www.schwerti-on-tour.de

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            • Bergzebra
              Erfahren
              • 18.02.2013
              • 285
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

              Zitat von derSammy Beitrag anzeigen
              @zebra...

              ganz kapiere ich Deine Intention nicht...

              So wies lese hast du so 3bis4 Lokals dabei die Zelt, Gepäck und Küche tragen...Zeltst dann VOR der Lodge und bist "Selbstversorger".
              Zelt vor der Lodge bzw. irgendwo auf dem Lodgeareal auf der Annapurna- und Everestrunde liegt daran, dass die nutzbaren und erlaubten Zeltflächen meist in Privatbesitz sind (wer hat Lust nachts unter Androhung von Gewalt seinen Schlafplatz zu räumen oder Zweitmiete zu zahlen), auf anderen Touren in Nepal schaut es anders aus (Dhaulagirirunde, Manaslurunde, Dolpo, Bereich Makalu-Baruntse, ...). Wäre mir anders auch wesentlich lieber, aber es sind oft die Lodges der 1.Generation, und die wären essenstechnisch gar nicht auf pseudowestliche Küche eingestellt. Am Kili zahlst bereits 50USD pro Tag fürs Reindürfen und 50USD pro Tag, damit Du auf einem bestimmten Areal ein Zelt aufstellen darfst. Bis auf einen renovierungsbedürftigen Bretterverhau zur Erledigung dringender Geschäfte gibt es da keine Einrichtung (außerhalb der Marangu-Route), aber Unmengen frisch verlegter Tretminen. (Aber jetzt verrate ich schon zuviel von meinem Kili-Bericht)

              Und auf der Annapurnarunde motzen die Leute schon, wenn sie nicht täglich eine warme Dusche in der Lodge haben. Wollen aber dann unbedingt nicht auf einer "Straße" laufen. Auch ne interessante Intention.

              Nichts für ungut, aber kehren wir wieder besser in Richtung Kilimanjaro um.
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              Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
              (Autor unbekannt)

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              • Bergzebra
                Erfahren
                • 18.02.2013
                • 285
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                • Meine Reisen

                #8
                AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                Zitat von Schwerti Beitrag anzeigen
                Und da drüber ein Bild vom Berg, wo man Schnee fast nur erahnen kann.
                Ich schätze, Du meinst ein Bild in der Art ?
                http://2020visionquest.org/Blog/wp-c...ilimanjaro.jpg
                Das hätte für mich auf einem echten Buch nicht zusammen gepasst, also der Satz und Dein Foto. Es sei denn Du wärest auf den Grund eingegangen, weshalb Dein gezeigtes Foto weder Elefanten noch Schnee zeigt. Oder gehst Du da noch drauf ein, evtl. ja im Zusammenhang mit Erderwärmung ?
                Danke für den Hinweis mit dem Bild, dies wäre mir selbst gar nicht aufgefallen.

                Schnee siehst Du auf dem Kilimanjaro, wenn es geschneit hat. Das kommt an vielen Tagen im Jahr vor und wird auch noch in 50 Jahren so sein. Der Schnee hält aber maximal ein paar Tage nach. Dies ist das eigentliche Bild, was die meisten mit "Schnee auf dem Kilimanjaro verbinden".

                Was man auf dem Bild sieht, sind die Reste der Gletscher (das Bild ist aus Richtung Nordost und zeigt Rebmann- und Stufengletscher). Es gibt viele auf dem Kili: Furtwängler, Decken, Kersten, Heim, Rebmann, ...

                Und Schneefall gibt es an den Tagen am Kilimanjaro, betrifft uns aber nur noch am Rande.
                Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

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                • derSammy

                  Lebt im Forum
                  • 23.11.2007
                  • 7412
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                  Zitat von Bergzebra Beitrag anzeigen
                  Nichts für ungut, aber kehren wir wieder besser in Richtung Kilimanjaro um.
                  OT:

                  Ja, is g´scheider...ich kapier leider eh nur ca. 5% Deines Textes.....

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                  • Bergzebra
                    Erfahren
                    • 18.02.2013
                    • 285
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                    -----------------------------------------

                    Hier nun der Beginn des Reiseberichts:

                    -----------------------------------------


                    Vorwort

                    Wer kennt es nicht, das obligatorische Bild mit den Elefanten in der Savanne laufend vor der Kulisse des schneebedeckten Kilimanjaro, eine Szenerie, welche bei vielen die Sehnsucht nach Afrika weckt. Seit dem Film von Prof. Bernhard Grzimek „Die Serengeti darf nicht sterben“ verbinden auch viele gerade diese Tierwelt Afrikas mit den Nationalparks im heutigen Tansania.

                    Schon vor 10 Jahren habe ich im Internet die ersten Reiseberichte über einen Aufstieg auf gerade diesen 5895m hohen Kilimanjaro und somit höchsten Berg Afrikas und gleichzeitig einem der sogenannten „Seven Summits“ gelesen. Eine Durchführung von diesem Vorhaben stand für mich aber vollkommen außer Frage, stufte ich doch gerade solch eine Sache als „ein paar Nummern zu groß“ für mich ein.

                    In den letzten Jahren konnte ich mich bei mehreren Reisen in Summe länger als 6 Wochen in Höhen zwischen 3000m und über 4500m aufhalten. Nachhaltige negative Erfahrungen mit den damit verbundenen Höhenanpassungen waren dabei nicht aufgetreten. Mit der Zeit reifte in mir der Entschluss, im Vorgriff auf eine Rundreise durch Tansania, einen Aufstieg auf den Kilimanjaro zu wagen. Reichen wird es dabei wahrscheinlich nur zu einem einwöchigen „Spaziergang“ in den „unteren Höhenlagen“ des Bergmassivs. Im Anschluss an die gut eine Woche dauernde Unternehmung rund um den Kilimanjaro soll dann eine fast dreiwöchige Gruppenreise durch den Norden Tansanias folgen.


                    Reiseroute

                    Die erste Woche der Reise steht somit im Zeichen des Kilimanjaro, in der Unwissenheit, wie weit nach oben auf den Berg ich es wohl überhaupt schaffen werde. Und wenn diese Woche in unbekannten Höhen nur dazu reichen wird, mir solche Flausen mit Bergaufstiegen auf fast 6000m ein für alle Mal aus dem Kopf zu vertreiben.

                    Im Anschluss an den Kilimanjaro startet erst die eigentliche Gruppenreise beginnend mit einem Abstecher in den Schwarzwald Tansanias, den Usambara-Bergen. Die Tierwelt Afrikas erleben heißt es in den Tierparks im nördlichen Tansania, im „Park der Elefanten“ Tarangire, im „Park der Flamingos“ Lake Manyara, in der weltbekannten Serengeti sowie im „Garten Eden der Tierwelt“, dem Ngorongoro-Krater. Gänzlich andere Eindrücke zu gewinnen wird es auf der dem Festland vorgelagerten und zu den Vereinigten Republiken von Tansania gehörenden Insel Sansibar geben. Genau diese Eindrücke werden den Abschluss der Reise bilden.

                    Was sind denn nun eigentlich die wirklichen Beweggründe, einen fast 6000m hohen Berg zu besteigen und dabei auf Schusters Rappen mehr als 4000 Höhenmeter zu überwinden? Viele sagen, sie machen es als eine Art von Selbstfindung. Aber warum soll man sich in der meist unbekannten Fremde selbst finden können, wenn man es schon in der bekannten Heimat nicht schafft? Andere wollen sich vielleicht mit dem Kilimanjaro etwas beweisen, gemäß dem Motto: „Mein Haus, mein Boot, mein …“.

                    In erster Linie soll für mich der Aufenthalt rund um den Kilimanjaro ein vernünftiger Anfang und eine angenehme Verlängerung einer sonst nur gut 2wöchigen Rundreise durch das nördliche Tansania sein. Wenn dabei der Gipfel des Kilimanjaro möglich ist, so werde ich mich sicherlich dagegen nicht wehren. Wenn nicht, dann kann es eine neue Lebenserfahrung sein, ob positiv oder negativ werde ich sehen. Das die Woche „All-Inklusive“ am Kilimanjaro, vom Trinkgeld einmal ausgenommen, wahrscheinlich fast noch billiger als eine Woche in Zelten in den tansanischen Wildparks sein wird, werde ich wohlwollend in Kauf nehmen.


                    Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt

                    Es ist Anfang August 2011. Die USA hat es doch noch geschafft, ihre Schuldengrenze ein weiteres Mal zu erhöhen. Dies ist nicht die einzige Thematik, die mich unmittelbar vor dem Start einer fast vierwöchigen Reise nach Tansania beschäftigt.

                    Mit den Reiseunterlagen habe ich auch noch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes erhalten, dass aktuell in Tansania stark erhöhte Zahlen von Erkrankungen an den Masern auftreten. Da ich mich nicht mehr an eine Erkrankung an den Masern in der Kindheit erinnern kann, steht also sicherheitshalber noch eine Masernimpfung an. Aufgrund dieser Reisewarnung würde bei einer Erkrankung an den Masern im Reiseland wahrscheinlich keine Auslandskrankenversicherung Zahlungen leisten.

                    Heute ist Mittwoch, übermorgen am Freitag soll es mit der Reise nach Ostafrika endlich losgehen, aber die deutschen Fluglotsen haben für den morgigen Donnerstag, einen Tag vor dem Abflug, einen Streik geplant. Falls dieser Streik durchgeführt wird, fliegt dann mein Flieger überhaupt? Wie sieht es mit Alternativen aus? Geplant ist der Abflug ab Nürnberg mit der schweizerischen Fluglinie Swiss nach Zürich. Von dort aus soll es mit einer kurzen Zwischenlandung im kenianischen Nairobi weiter zum Endpunkt des Flugs in die Wirtschaftsmetropole von Tansania, zur Millionenstadt Dar es Salaam gehen. Ist nun die Umsetzung eines Plan B für die Anreise, ausgearbeitet in den schlaf- und/oder traumlosen Nächten vor dem Abflug, notwendig? Die Umsetzung des Plan würde bedeuten, dass zunächst eine Fahrt mit dem Auto oder dem Zug nach Zürich und von dort aus dann der Weiterflug bedeuten. Dazu wäre aber erst nach Rückversicherung bei der Fluggesellschaft notwendig, da ja dann die (Flug-)Reise nicht am Startpunkt des Tickets beginnen würde. Und mit solchen eigenmächtigen Flugänderungen haben viele Fluggesellschaften so ihre Probleme.

                    Als letzten Termin für eine Entscheidung zugunsten einer Alternativlösung habe ich mir den morgigen Donnerstag um 12 Uhr gesetzt, also 19 Stunden vor dem eigentlich geplanten Abflugtermin. Wie klein und unwichtig sind nun die Entscheidungen rund um den Aufstieg auf den Kilimanjaro geworden! Im Unterschied zu normalen Rundreisen habe ich ja mehrere „Baukasten“ gebucht und der Termin für den Aufstieg ist fix. Würde ich einen Tag später fliegen, dann wäre der Aufstieg Makulatur, da alles in Tansania schon vorgebucht ist. Da beachtet man Flüge über das gesamte Jahr nicht und steht nun mitten drin im Hamsterrad des „Fliege ich nun oder doch wieder nicht?“.

                    Glücklicherweise noch rechtzeitig für mich wird der Streik der Fluglotsen in Deutschland abgeblasen, nachts kurz vor Mitternacht zwischen Mittwoch und Donnerstag.

                    Obwohl das eigentliche Landarrangement der Reise in der am Kilimanjaro gelegenen Stadt Moshi beginnt, etwa gut 600km von meinem Flugziel Dar es Salaam entfernt, und es kaum 50km von Moshi entfernt auch einen internationalen Flughafen gibt, der von KLM, Condor usw. regelmäßig angeflogen wird, habe ich mich dennoch für ein Routing mit der schweizerischen Swiss entschieden. Grund dafür ist die Möglichkeit eines Meilenfreiflugs mit der Swiss, außer den Fluggebühren fallen keine Flugkosten nach Afrika an. Tansania gehört beim Bonusprogramm Miles-and-More der Lufthansa, und somit auch beim Meilenprogramm der Swiss, zum Tarifgebiet Nordafrika. Für mehr als 11h Gesamtflugzeit je Richtung fallen zum Zeitpunkt der Buchung Ende des Jahres 2010 nur 60.000 Meilen für einen Return-Freiflug in der Business-Klasse an.

                    Am zeitigen Freitagmorgen geht es zunächst zum knapp eine Stunde von meinem Heimatort entfernten Flughafen Nürnberg. Noch vor 7 Uhr startet der Flug mit der Swiss mit einem vierstrahligen Avroliner pünktlich in Richtung Zürich, von wo es dann anschließend mit Schweizer Herzlichkeit in einem Airbus A330-300 weiter nach Afrika gehen soll. Das Flugzeug nach Zürich ist gut halb gefüllt. Nach kaum 45 Minuten steht auch schon wieder die Landung in Zürich an. Mit 90 Minuten habe ich hier genügend Umsteigezeit, auch wenn ein Wechsel des Terminals notwendig ist. Einem rechtzeitigen Erscheinen am Gate zum Weiterflug steht somit nichts im Wege. Da die griechischen Fluglotsen, laut Aussage des Piloten für den Flug nach Dar es Salaam, etwas in den Bummelstreik getreten sind, verschiebt sich der Abflug in Zürich um fast eine Stunde, was sich aber in der Business-Klasse der Swiss problemlos verschmerzen lässt.

                    Dann geht es los. Die Flugstrecke führt über Italien, den griechischen Inseln, Ägypten, den Sudan und Äthiopien nach Nairobi in Kenia, wo wir gegen 18:30 Uhr Ortszeit (MESZ + 1h) landen. Am Service der Swiss gibt es nichts zu meckern, auch nicht im Vergleich zu Business-Klassen anderer Fluglinien. Der Sitz kann z.B. zu einem ebenen Bett umgelegt werden. Bereits bei der Buchung habe ich mir einen Einzelsitzplatz ohne Nachbarsitz reservieren können. Die „Thronplätze“, dieses sind Sitzplätze bei der Swiss, welche beidseitig eine 20cm breite Ablagefläche und somit riesige Ausbreitungsmöglichkeiten haben, waren aber bereits zum Zeitpunkt der Buchung 9 Monate vor Abreise nicht mehr zu reservieren. Anscheinend reicht für solche Plätze eine Allerwelts-Miles-and-More-Karte nicht.

                    Obwohl es auch bei der Swiss ein sehr umfangreiches Fernsehprogramm gibt, zu mehr als nur der Airshow (Landkarte mit der aktuellen Flugposition und aktuellen Flugdaten) reicht es bei mir wieder einmal nicht. Warum soll ich mit Fernsehen das sonst üblicherweise teuer erkaufte Business-Klasse-Ticket (als Freiflug waren nur gut 300€ Fluggebühren zu bezahlen) vergeuden, wenn man einfach auch nur das Ambiente genießen kann.

                    Nach einem kurzen Tank- und Aussteigestopp in Nairobi starten wir mit der gleichen Maschine weiter zum noch gut einstündigen Flug in Richtung Süd-Ost nach Dar es Salaam. Die Flugstrecke führt unmittelbar an dem an der kenianisch-tansanischen Grenze gelegenen Kilimanjaro vorbei. Da aber außerhalb des Flugzeugs bereits eine stockdunkle Nacht vorherrscht, wir befinden uns ja aktuell nur 3° südlich vom Äquator, ist ein Anblick auf das „Dach Afrikas“ nicht möglich.

                    Fast schon wieder zur im Flugplan ausgeschriebenen Uhrzeit landet das Flugzeug in Dar es Salaam. Zu meiner Überraschung werde ich von der Kabinencrew mit meinem Nachnamen verabschiedet, und dies ohne dass die Chefpurserin diesen von einer Liste abliest! Respekt für die Swiss, so etwas hat bis jetzt bei mir nur einmal die chilenische Fluggesellschaft LAN geschafft! Da ich bereits von Deutschland aus das Visum für Tansania beantragt habe, sind die Einreiseformalitäten sehr schnell erledigt. Man zahlt aber in Deutschland für die Ausstellung des Visums mit 50€ den identischen Betrag in Euro, welchen man hier vor Ort in US-Dollar zahlen würde. Auch sind jetzt mit der erfolgreichen Einreise meine Fingerabdrücke von allen 10 Fingern in einem Rechner der Einwanderungsbehörden abgespeichert, denn ohne diesen Fingerabdruckscan ist keine Einreise möglich. Bei der Ausreise aus dem Land am Ende der Reise reicht dann ein einzelner Fingerabdruck, und ich werde wieder aus Tansania entlassen. Da der internationale Flughafen von Dar es Salaam eher eine beschauliche Größe hat, dauert es auch nicht lange, bis meine beiden Gepäckstücke auf dem Gepäckband ankommen.

                    Da man ja nie ausschließen kann, dass sich das Gepäck für einen anderen Flug oder ein anderes Flugrouting für die Reise nach Afrika entscheiden könnte, trage ich meine Wanderstiefel bereits seit der Abreise von zu Hause. Es wäre ärgerlich für den Aufstieg auf den Kilimanjaro sich an noch nicht eingelaufene Schuhe gewöhnen zu müssen. Da diese Stiefel aber bei jeder Sicherheitskontrolle durch die Röntgenanlage dürfen, habe ich bei der Anreise das An- und Ausziehen der selbiger mehrmals üben können. Trotz strikter Geschmacksneutralität meines Schuhs mit und ohne Inhalt, gilt man bei so manchem Business-Klasse Passagier mit Wanderstiefeln als „Flugschuhwerk“ immer noch als Aussätziger.

                    Vor dem Weiterflug mit der tansanischen Fluglinie Precision Air in Richtung Kilimanjaro habe ich mich für eine Zwischenübernachtung in Dar es Salaam entschieden. Da ich in der Dunkelheit nicht durch ganz Dar es Salaam fahren bzw. gefahren werden will und mir bei der Reiseplanung die Übernachtungspreise in den bekannten Hotelketten mit 200 US$ aufwärts pro Nacht als zu teuer vorkamen, habe ich mich für das Transit Motel in unmittelbarer Flughafennähe entschieden. Hier soll das Einzelzimmer inkl. Frühstück ganze 27US$ (22€) kosten. Da das Motel zusätzlich einen (kostenpflichtigen) Transfer anbietet, will ich diesen in Anspruch nehmen. Sicherheitshalber habe ich noch am Vortag dem Hotel meine Ankunftszeiten mitgeteilt. Trotz Bestätigung durch das Hotel, wartet am Ausgang des Flughafens, wie erwartet, kein Taxi auf mich.

                    Die Taxifahrer sind, anders als in vielen Reiseführern und Foren beschrieben, kaum aufdringlich. Auch ist heute ihre Zahl sehr übersichtlich, von einem sonst so oft beschriebenen unübersichtlichen Gedränge ist weit und breit nichts zu sehen. Nachdem ich nach mehreren Suchumläufen den reservierten Taxifahrer nicht finde, kann ich wenigstens einen aktuell wartenden Taxifahrer zu einem schnellen Verdienst verhelfen. Nachdem er mich nach den ersten erfolglosen Suchblicken nach meinem Transfertaxifahrer angesprochen hatte, habe ich mit ihm vereinbart, dass, wenn ich in den nächsten fünf Minuten den bestellten Taxifahrer nicht finde, er mich zum Hotel fahren darf. Für 10US$, ich bin einfach zu faul zum Nachverhandeln, fährt er mich die gut 2-3 km zum Motel. Das Transit Motel liegt in einer Seitenstraße in einer einfachen Wohnsiedlung fast gegenüber der Flughafeneinfahrt. Die Straße dorthin ist unbefestigt und der Fahrer hat Mühe, den quadratmetergroßen und bis zu 50cm tiefen Schlaglöchern auszuweichen, wir erreichen dennoch unbeschadet das Hotel.

                    Das Motel ist zweckmäßig ausgestattet, zu meiner Überraschung sogar mit (leise laufender) Klimaanlage und es liegt sehr ruhig. Zwischen Landung, Einreise, Gepäckausgabe und Einchecken im Hotel sind kaum 30 Minuten vergangen. Das Abenteuer Tansania kann nun am nächsten Tag beginnen.

                    Nach einem ausgiebigen englischen Frühstück im Hotel ist es an der Zeit zum Flughafen aufzubrechen. Schon gestern Abend habe ich dazu das Taxi für 7:30 Uhr bestellt, bei gleichem Preis und gleichem Fahrer, in Tateinheit mit gleicher Verhandlungsfaulheit bezüglich des Preises. Man könnte zwar in 15 Minuten auch zu Fuß zum Terminal gelangen, aber z.T. durch Wellblechsiedlungen voll bepackt zu gehen, dafür bin ich zu feige.

                    Da ich davon ausgehe, dass der Taxifahrer um 7:30 Uhr AMT („african maybe time“ - man muss mindestens 30 Minuten dazurechnen, die übliche Pünktlichkeitsquote) da sein würde, bin ich doch überrascht, dass der Taxifahrer überpünktlich am Hotel wartet. Nach kaum 5 Minuten sind wir am Flughafen. Während der Fahrt dorthin klärt er mich auch über das notwendige Procedere am Flughafen auf. Damit man in das Gebäude zum Einchecken kann, muss man bereits am Eingang des Terminals durch eine Sicherheitskontrolle, inklusive Wanderstiefel ausziehen und einer europäischer Flüssigkeitskontrolle.

                    Wegen des zum Aufstieg auf den Kilimanjaro zusätzlich notwendigen Gepäcks ist die eigentlich Grenze für das von Freigepäck für den Inlandsflug von 15kg mit tansanisch gemessenen 20,1kg deutlich überschritten. Die erwarteten horrenden Gebühren für das Übergepäck werden jedoch nicht verlangt, wieder eine Internet-Horrorgeschichte, die nicht eintritt.

                    Vor dem Gang durch die Sicherheitskontrolle nehme ich auch den Geldtausch in Tansanische Schilling vor. Man kann zwar in Tansania sehr vieles mit US-Dollar bezahlen, mit Tansanischen Schilling gibt es aber einen deutlich besseren Umtauschkurs. Am Kilimanjaro kostet z.B. die Cola-Dose 3-4 US-Dollar (2,6€ – 3€) oder 4000 Tansanische Schilling (1,70€). Auch der „Dreieckskurs“ Euro zu US-Dollar bezogen auf Tansanische Schilling ist für den US-Dollar miserabel. Er liegt bei 2300 TSH/€ zu 1600 TSH/$, was nach den Gesetzen des gemeinen Dreisatzes in etwa 1,44 $ pro Euro ausmacht, 10% mehr für einen Euro als in Deutschland.

                    Am Flughafen gibt es zwar meist schlechtere Umtauschkurse als außerhalb, aber ich habe Zeit und die Thematik „Geldtausch“ dürfte für den Rest der Reise erledigt sein. Interessanterweise wird dieser Umtauschkurs von 2300:1 für Tansanische Schilling zu Euro der beste Umtauschkurs auf der Reise sein, mehr als 2100:1 gibt es nirgendwo mehr. Es gibt zwar auch Wechselstuben in den größeren Städten, der Geldtausch in einer Bank soll jedoch komplexer als eine deutsche Steuererklärung sein.

                    Überpünktlich startet die gut gefüllte ATR72 der Precision Air, eine relativ neue und in Europa gebaute 70sitzige Turboprob-Maschine, zum 75-Minuten-Flug in Richtung Kilimanjaro Airport. Gelegen auf halber Strecke zwischen den beiden größten Städten der Kilimanjaro-Region, Arusha mit vermutlich mehr als 1 Million Einwohner und Moshi mit seinen gut 180.000 Einwohner. Kurz vor der Landung am Kilimanjaro-Airport kann man auch über den Wolken die 3 Spitzen des Kilimanjaromassiv erkennen, am Boden selbst ist die ganze Gegend im Dunst eingehüllt. Das Flugzeug selbst wird dann nach Entebbe in Uganda weiterfliegen. Für die Passagiere wird dies ein Inlandsflug sein, denn Uganda und Tansania haben ähnlich wie in der EU ihr eigenes „Schengen-Abkommen“ mit dem Verzicht auf die obligatorischen Zollkontrollen.

                    Der höchste der drei Berge des Massivs mit dem Namen „Kilimanjaro“ ist der Kibo („der weiße Berg“), dessen Spitze der Uhuru Peak („Freiheitsspitze“) mit 5895m ist (tansanische Höhenangabe, sonst gilt immer 5892m). Östlich davon ist der Mawenzi („der schwarze Berg“), mit dem 5146m hohen Hans Meyer Peak als höchste Erhebung. Als Berg nicht mehr unmittelbar zu erkennen ist der Shira, da er inzwischen so weit abgeflacht ist, dass er westlich des Kibo auf 4000m ein ebenes Plateau bildet. Alle 3 Berge gelten aufgrund ihrer nicht (mehr) vorhandenen Aktivität als schlafende oder erloschene Vulkane.

                    Erstbesteiger des Kilimanjaro im Jahr 1889 ist der deutsche Hans Meyer. Er nannte die höchste Erhebung des Massivs damals „Kaiser Wilhelm Spitze“. Erst in der 1960er Jahren wurde dieser Name im Rahmen der Unabhängigkeit der Vereinigten Republiken von Tansania (Tanganjika und das Inselreich Sansibar) in Uhuru Peak umgetauft. Auch manch eine der Hütten auf der Hauptroute erhielt im Laufe der Zeit neue Namen.

                    Das komplette Massiv des Kilimanjaro selbst hat ein Volumen von schier unglaublichen 10.000 km3 und ist somit eines der volumenträchtigsten Gebirgsmassive auf unserem Planeten.

                    Nach der Landung werde ich am Flughafen bereits von einem Vertreter von Zara-Tours empfangen. Der tansanische Touroperator Zara organisiert auch den Transfer zum unternehmenseigenen Springlands Hotel im 40km entfernten Moshi. Sowohl der Aufstieg als auch ein Großteil der anschließenden Rundreise wird von Zara-Tours im Auftrag vom deutschen Reiseveranstalter Wikinger-Reisen durchgeführt. Der Flughafentransfer ist in der Buchung zum Kilimanjaro enthalten. Ich muss mich aber mit der Weiterfahrt noch etwas gedulden, bis mit späteren Flügen noch weitere Gäste von Zara eintreffen, sodass wir 2 Stunden später mit einem gut gefüllten Kleinbus die Fahrt in Richtung Moshi zum Hotel antreten können. Es ist eine kleine aber kurzweilige Übung, dass die Europäer zwar die Uhr, die Afrikaner dafür die Zeit haben. Anhand der Personen im Bus lässt sich die Internationalität der Reisegäste im Norden Tansanias erkennen. Im Fahrzeug sind außer mir noch Personen aus den USA, England und Russland.


                    Überreife Maisfelder neben der Straße

                    Während der fast einstündigen Fahrt fallen mir neben der Straße viele Maisfelder mit überreifen fast schon gelben Maispflanzen auf. Von den Zuständen auf den Straßen habe ich eigentlich Schlimmeres befürchtet, für ein Drittweltland jedoch läuft der Verkehr auf einer Hauptverkehrs- und Durchgangsroute sehr gesittet ab. Auch die Straßenbedingungen sind kaum von Schlaglöchern übersät, bei den Verkehrsteilnehmern gilt aber, wie nicht anders zu erwarten, dass Recht des Stärkeren. Somit sind die oft überladenen sowie eigenwillig und/oder schlecht ladungsgesicherten Lkws die Platzhirschen auf der Straße.

                    Unser Fahrziel, das Springlands Hotel, liegt etwas außerhalb von Moshi und ist von außen durch hohe Mauern und einem stabilen Eisentor gesichert. Nach dem Öffnen des Tores und der Einfahrt in die Hotelanlage taucht man in eine ganz andere Welt ein. Von den staubigen und welligen Pisten und den zahlreichen städtisch tolerierten Müllverbrennungsanlagen ist im Hotelkomplex nichts mehr zu sehen. Das Hotel ist von seinem Ambiente eine Mischung aus Kaserne und Uni-Campus. Als Zuckerl gibt es eine wunderschöne Gartenanlage mit fast schon einem Biergartencharakter. Das Hotel ist sehr sauber, zweckmäßig eingerichtet und für afrikanische Verhältnisse hervorragend organisiert.

                    Wie oft in touristischen Hotels in afrikanischen Ländern, gibt es für jeden Kauf im Hotel, sei es auch nur ein einzelner Kaugummi oder eine komplette Rundreise, eine Rechnung mit mehreren Durchschlägen. Erst zum Ende des Aufenthalts steht dann die Bezahlung im Kassenhaus des Hotels an. Ich denke man will mit dieser Vorgehensweise verhindern, dass zu viele Mitarbeiter mit Geld in Berührung kommen.

                    Nach dem Einchecken an der Hotelrezeption steht der Zimmerbezug für die kommende Nacht an. Nach erledigter „Quartiernahme“ genehmige ich mir in der „Mensa“, also im nur überdachten Restaurant ohne Seitenwände, ein verspätetes Mittagessen. Direkt im Anschluss daran beginnt in meinem Zimmer die große Umpackaktion für den morgen beginnenden Aufstieg zum Kilimanjaro. Am Berg sind neben dem Tagesrucksack „nur“ maximal 15kg Zusatzgepäck erlaubt, dieses wird an den Tagen am Berg von tansanischen Trägern getragen. Da Regen nicht auszuschließen ist, sollte man das Gepäck für den Aufstieg wassergeschützt verpacken. Der nicht benötigte Teil des Gepäcks kann im Hotel eingelagert werden.


                    Blick vom Springlands-Hotel in Richtung Kilimanjaro


                    Komplette Ausrüstung für den Kilimanjaro (ohne Wanderschuhe)

                    Vom Hotelgelände aus gibt es heute keinen Blick auf den Kilimanjaro zu erhaschen. Es scheint zwar die Sonne vom fast blauem Himmel, die Luftverhältnisse sind aber zu diesig für eine Sicht in die Ferne.

                    Anhand der nicht mehr ganz porentief reinen Kleidung, Mehrtagesbärten bei vielen Männern oder der nicht mehr 3-Wetter-Taft verwöhnten Haare bei nicht wenigen Frauen sind auf dem Hotelgelände mit diesen Erkennungsmerkmalen auch schon die tagesaktuellen Rückkehrer vom Kilimanjaro auszumachen. Wie wird es bei mir in einer Woche sein? Für meinen Rasierapparat geht es auch für die Zeit des Aufstiegs auf Kur bzw. zur Erholung in die hoteleigene Gepäckaufbewahrung.

                    Die nächsten beiden Stunden am heutigen Nachmittag habe ich noch „frei“, da erst um 17 Uhr ein neuhochdeutsches „Briefing“ für den Aufenthalt am Kilimanjaro angesagt ist. Mit diesem Briefing sollen die noch benötigten Informationen und Einteilungen für die Tage am Berg bekannt gegeben werden. Zu diesem Briefing versammelt sich mit Beginn der Veranstaltung im Garten des Hotels eine illustere Gruppe von Aspirant(Inn)en aus vielen unterschiedlichen Ländern. In der Altersstruktur startend von kaum Erwachsen bis um die 70 Jahre, in Gewichtsbereichen von geschätzt 40 bis 120kg, Weiblein und Männlein, es ist von allem etwas dabei.

                    Da Zara der wohl größte Anbieter für Aufstiege am Kilimanjaro ist und man ohne einen Bergführer grundsätzlich nicht auf den Berg darf, sind es am heutigen Tage geschätzte 50-70 Aspiranten aus der ganzen Welt, die an dem Briefing teilnehmen.

                    Anhand der späteren Gruppenaufteilungen ist schon jetzt zu erkennen, dass sich die meisten anderen Wanderer auf den beiden Hauptaufstiegsrouten des Kilimanjaro aufhalten werden. Diese sind die Marangu-Route (spöttisch oft auch „Coca-Cola-Route“ genannt) und die Machame-Route (überheblich oft auch „Whiskey-Route“ genannt, Machame wird „Matschame“ mit Betonung auf „Matsch“ ausgesprochen - soviel zum Thema Trockenheit auf dieser Route).

                    Nur zwei davon wollen auch das Abenteuer auf der gleichen Route wie ich wagen. Diese beiden Aspiranten werden aber einen eigenen Führer und eine eigene Begleitmannschaft haben. Ich werde mit meiner Begleitmannschaft eine eigene Gruppe bilden.

                    Zu Beginn des Briefings wird Jeder seiner Gruppe sowie seinem späteren Bergführer zugeteilt, zuvor muss jedoch noch die obligatorische Haftungsausschlusserklärung unterschrieben werden. In den einzelnen Gruppen aufgeteilt erklären dann die Bergführer die Einzelheiten, bei größeren Gruppen auch unterstützt von „Hilfsguides“.

                    Mein Chef an den Tagen auf dem Berg wird Fransis sein, ein 32-Jähriger Bergführer aus Moshi, der nach seinen eigenen Angaben schon mehr als 50 Mal am Gipfel des Kilimanjaro stand. Mit dabei am Berg werden nach Angaben von Fransis ein Koch und 3 Träger für Gepäck, Essen und Ausrüstung (Zelte, Kochen, ...) sein, die hier übliche Begleitmannschaft bei meiner Gruppengröße und Routenwahl. Auf das von Fransis angebotene Esszelt verzichte ich, ein Umstand, der mir später noch einen unerwarteten Vorteil bringen wird.

                    Nochmals eine Nacht im Bett eines Hotel schlafen und eine lange Vorbereitung hat sein Ende gefunden. Mit welchen positiven und negativen Erfahrungen werde ich nach fast spätestens einer Woche hier wieder ins Hotel zurückkehren?

                    Habe ich mich mit dem Vorhaben Aufstieg auf den Kilimanjaro restlos übernommen oder nicht?

                    Bleiben die gesundheitlichen Beeinträchtigungen in einem überschaubaren Rahmen?

                    Mit welchen Erfahrungen werde ich in einer Woche hier wieder zurückkehren?

                    Bevor ich nun den weiteren Ablauf der Reise erzähle, möchte ich zunächst einen Rückblick auf die Vorbereitungszeit für diese Unternehmung starten, dazu nun mehr im nächsten Kapitel.


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                    Fortsetzung folgt:


                    Damit der Bericht nicht ganz so bilderlos bleibt, ein kleines Bilderrätsel (aus der Serengeti):

                    Wieviele Leoparden sind auf dem folgenden Bild zu sehen? 0, 1, 2 oder 3?



                    Die richtige Lösung ist 2:





                    Wobei der untere Leopard am oberen Bild noch rechts neben dem Baum sitzt (man sieht dort fast nur die Ohren).
                    Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                    Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                    (Autor unbekannt)

                    Kommentar


                    • Bergzebra
                      Erfahren
                      • 18.02.2013
                      • 285
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                      -----------------------------------------

                      Fortsetzung des Reiseberichts:

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                      Aller Anfang ist schwer


                      Oder:

                      Vorbereitung auf den Kilimanjaro

                      Wie kommt nun jemand, für dem Jogging irgendwo auf halbem Weg zwischen Selbstverstümmelung und vorsätzlicher Körperverletzung liegt, auf die Idee, einen fast einwöchigen Aufstieg über mehr als 5000 Höhenmeter zu wagen? Einen Aufstieg, der manchmal nur als „härtester“ Spaziergang der Welt, von anderen aber als der Aufstieg zum am meisten unterschätzten Berg der Welt bezeichnet wird.

                      Vor Jahren hatte ich schon Reiseberichte zum Kilimanjaro im Internet gelesen, ich war damals jedoch der Meinung, solch eine Unternehmung sei doch nichts für mich, obwohl ich doch bei manch einem Outdoorversand „Goldkunde“ bin. Folglich habe ich mich über Jahre hinweg nicht mehr mit dieser Thematik beschäftigt.

                      Im letzten Jahr stand während meiner Perureise eine Wanderung in den Anden rund um den über 6800m hohen Huascaran startend bei 3800m auf über 4800m an. Obwohl das Streckenprofil dazu eigentlich Gegenteiliges hätte erwarten lassen, fiel mir die Wanderung nicht allzu schwer. Große Teile der Gruppe hatten zwar zu Beginn mehr als einen halben Kilometer Vorsprung zu mir, am Ziel an der türkisblauen Lagune 69, umgeben vom schneebedeckten über 6100m hohen Chacraraju, war ich mit fast einer Stunde Vorsprung nur einer von zwei, die überhaupt die Lagune erreicht hatten. Dort am Ziel der Wanderung angekommen dachte ich darüber nach, dass es jetzt eigentlich nur noch gut 1000 Höhenmeter mehr bis zum Gipfel des Kilimanjaro wären. Vielleicht gibt es dort eine Route, die vom notwendigen Anstrengungsprofil meinen Vorstellungen wenigstens etwas entgegen kommt.

                      Wieder zuhause angekommen rückte der „Kilimanjaro“ aufgrund der in Peru gemachten Erfahrungen wieder mehr in den Fokus meiner Reiseplanungen. Aufstiege auf den Kilimanjaro sind zwar von Deutschland aus buchbar, sind aber nur noch mit einem einheimischen tansanischen, von der Kilimanjaro-Behörde zugelassenen, Bergführer erlaubt. Deshalb bedienen sich die Reiseanbieter eines tansanischen Touroperators vor Ort.

                      Da die Touren am Kilimanjaro auf vorher festgelegten und vorgegebenen Routen mehrere Tage dauern, muss auch das Gepäck dazu mitgeschleppt werden, Gleiches gilt auch für die Verpflegung. Theoretisch könnte man den Gepäcktransport während des Aufstiegs auch selbst durchführen, aber hierfür bieten sich einheimische Träger geradezu an und dies nicht nur aus eigener Bequemlichkeit. Soll man einigen einheimischen Familienalleinverdienern ein zusätzliches Einkommen vorenthalten, in einem Land, wo das Bruttosozialprodukt bei kaum 300€/Jahr je Einwohner liegt?

                      Da aber diese Träger auch ihre eigene Ausrüstung tragen müssen, werden je nach Aufstiegsroute und Gruppengröße pro Reisegast mindestens 2 Träger (Hüttenroute) oder mindestens 3 Träger (Zeltrouten) benötigt. Dieses gilt aber nur, wenn man eine „deutsche Ausrüstungsmentalität“ dazu voraussetzt. Es sind aber auch Gruppen bekannt mit sehr deutlich mehr als 10 Trägern pro Reiseteilnehmer. Auf Schusters Rappen sind dabei Höhenunterschiede bis zu 4000 Meter zu überwinden. Und alles, was auf den Berg hinaufgeht, sei es Mobilie oder Immobilie, muss auch wieder vom Berg hinunter. Es darf nichts im Nationalpark Kilimanjaro bleiben, auch der Abfall muss wieder den Weg runter ins Tal antreten.

                      Der Aufstieg erfolgt üblicherweise in einer Gruppe, aber welche Art von Reiseteilnehmer werden mich am Kilimanjaro erwarten?

                      Sind es Leute wie Du und Ich?

                      Sind es gruppenuntaugliche und/oder gruppenunerfahrene Individualisten?

                      Sind es von Europareisen verwöhnte Bergsteiger?

                      Ist man dort vor Ort mit lauter Mini-Reinhold-Messner unterwegs, auf der Suche nach dem nächsten „Runners High“?

                      Haben die Gruppenmitglieder nur den Gipfel im Visier oder ist ihnen gerade das Unterwegssein in der afrikanischen Bergwelt wichtig?

                      Wie gehen diese Personen mit Misserfolgen während des Aufstiegs um?

                      Es wäre nicht das erste Mal in meinen Reiseerlebnissen, dass die Schuld bei Problemen dann bei den anderen in der Gruppe gesucht wird. Es gibt leider zu viele Spezies, die zwar jedes Wochenende in den Alpen eine andere Hochgebirgswanderroute unsicher machen, aber nach 2-3 Wandertagen außerhalb ihrer Komfortwohlfühlzone massive psychologische Probleme bekommen. Die Schuld dazu wird dann gerne bei derjenigen Person gesucht, die sich am wenigsten in der Situation wehren kann. Und für diesen Zweck will ich mich nicht hergeben.

                      Aufgrund dieser Überlegungen steht für mich fest, dass ich, sofern möglich, als 1-Mann-Gruppe den Aufstieg wagen will.

                      Aber auf welcher Route?

                      Es gibt verschiedene Routen zum Gipfel des Kilimanjaro. Routen mit Übernachtungen in Hütten oder in Zelten, eigenmächtige Routen sind nicht erlaubt, auch wildes Übernachten ist verboten und wird theoretisch mit sofortigem Rausschmiss bestraft.

                      Aufsteigen zum Kilimanjaro kann man z.B. über die

                      Marangu-Route,

                      sie ist bei Außenstehenden am Bekanntesten. Verächtlich wird sie auch oft als die „Coca-Cola“-Route bezeichnet. Dieser Name dürfte weniger auf ihren Schwierigkeitsgrad, sondern auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass sie als einzige Route als Hüttentour möglich ist und in den Lagern Coca-Cola verkauft wird. In bestimmten Hütten sollen auch Alkoholika angeboten werden. Sie startet im Südosten des Kilimanjaro, die Aufstiegs- und Abstiegsrouten sind im Normalfall identisch, der Aufstieg vom Kraterrand zum Gipfel erfolgt über den Gillman’s Point.


                      Hinweisschild am Sitz der Nationalparkverwaltung am Kilimanjaro

                      Im Standardprogramm ist sie üblicherweise auch um einen Tag kürzer im Vergleich zu den anderen Routen. Sie hat auch den besten Ausbauzustand aller Routen, viele der Wege auf der Marangu-Route sind regensicher angelegt und werden auch von der Parkverwaltung in gutem Zustand erhalten. Zusammen mit der

                      Machame-Route

                      versuchen gut 80% (Quelle: TANAPA 2005, nach Kunkler) aller Aspiranten, den Aufstieg zum Kilimanjaro auf diesen Wegen in Angriff zu nehmen. Die Machame, gesprochen „Matschame“ und nicht „matscharme“ startet im Süden des Kilimanjaro. Sowohl die Machame- als auch die Marangu-Route liegen im „Wettergürtel“ des Berges, da die Hauptwindrichtung und somit das Schlechtwetter von Südosten aus auftritt. Auf der Machame übernachtet man, wie auf allen noch weiter unten beschriebenen Routen, in von der Begleitmannschaft mitgeschleppten Zelten. Es sind auch mehr tatsächliche Höhenmeter im Vergleich zur Marangu-Route zu überwinden. D.h., es geht nicht nur rauf, sondern auch schon beim Aufstieg fast 1000 Höhenmeter wieder runter. Sie wird deswegen auch gerne „Whiskey-Route” genannt, auch wenn bisher niemand davon berichtet hat, dass auf dieser Route Whiskey oder andere Spirituosen verkauft werden würden. Im Vergleich dazu, was das Höhenprofil betrifft, ist die Marangu-Route hier eher auf den ersten 30 Kilometern eine stetig ansteigende schiefe Ebene, sie hat hier nie über 18% Steigung. Konnte man bis 2005 offiziell noch über die Westseite des Gipfelmassivs aufsteigen („Western Breach“), so erfolgt der Aufstieg heute nach Felsabstürzen weiter östlich über den Stella Point in Richtung Gipfel. Diese Route war bisher der auch im Süden zwischen den beiden vorgenannten Routen startenden

                      Umbwe-Route

                      vorbehalten. Aufgrund des Höhenprofils der ersten beiden Tage ist sie die am meisten fordernde Route. Der Rückweg ist analog der Machame über die im Süden zwischen Umbwe- und Marangu-Route gelegene Mweka-Route.

                      Ganz im Westen starten die „Shira-Routen“

                      Londorossi und Lemosho

                      Diese führen über das bereits erwähnte Shira-Plateau, einem der 3 Berge des Kilimanjaromassiv, und ab dem 3.Tag auf identischen Wegen mit der Machame-Route.

                      Eine „Übersteigung“ des Kilimanjaro von Nord nach Südost erlaubt die

                      Rongai-Route

                      oder ihre um mindestens einen Tag verlängerte Variante, die Kikeleva-Route. Beide starten im weit weniger feuchten Norden des Kilimanjaro, fast unmittelbar an der kenianischen Grenze. Als Rongai-Route geht es direkt in Richtung des Kibo, dem Hauptberg des Massivs. Die Gipfeletappe ist dann identisch mit der Marangu-Route über den Gillman’s Point. Die Kikeleva-Route zweigt bei 3600m Höhe an der sogenannten „Second Cave“ nach Osten ab in Richtung des über 5100m hohen Mawenzi, der 2.Spitze des Kilimanjaro, um dann nach dem „Sattel“ am Gipfeltag analog der Marangu-Route aufzusteigen. Der Abstieg bei beiden Routen ist identisch auf den Pfaden der Marangu-Route, einzig die Übernachtung beim Abstieg erfolgt in den mitgeschleppten Zelten.

                      Auf allen offenen Routen muss man nicht Bergsteigen, bestenfalls etwas kraxeln, so steht es zumindest in den verschiedenen Büchern zum Kilimanjaroaufstieg.

                      Meine Entscheidung fällt auf die Kikeleva-Route. Sie ist wenig frequentiert (je nach Quelle maximal 15% für Rongai- und Kikeleva-Route), hat aber im Vergleich zu den anderen Routen weniger Regenwaldanteil, statt länger als einen Tag nur kaum eine Stunde. Wobei Regenwald für mich aus Erfahrungen in erster Linie nass und dunkel ist und nicht mit strahlend blauem Himmel wie so oft in Kinofilmen. Die Etappe vor dem Gipfelanstieg hat im Vergleich zu den anderen Routen die wenigsten Höhenmeter. Dies könnte von Vorteil sein, da der Start zum Gipfel üblicherweise bereits um Mitternacht erfolgt.


                      Skizze zur Kikeleva-Route (von rechts oben nach rechts unten)

                      Da die Route nun festgelegt ist, muss ich als nächstens einen Reiseveranstalter finden, der diese Route auch in einer „1-Mann-Gruppe“ anbietet. Da ich die anschließende Rundreise sowieso mit Wikinger-Reisen unternehmen will, frage ich direkt beim Reiseunternehmen nach, v. a. da Wikinger auch Individualtouren zum Kilimanjaro im Programm hat. Vor Ort dürfen nur einheimische tansanische Anbieter agieren, was in diesem Falle Zara-Tours in Moshi ist, einem der Großen im Geschäft.

                      Bis zum Start sind es aber noch 8 Monate, wie soll ich mich auf dieses Unterfangen vernünftig vorbereiten?

                      So wie ich mich kenne, fällt Jogging als Vorbereitung spätestens nach 3 Tagen flach. Wöchentliche Wanderungen in den 150km entfernen bayerischen Alpen sind mir auf Dauer zu teuer, schon wegen der Treibstoffkosten. Wenn ich mich schon nicht zum physischen Ausdauertraining durchringen kann, dann muss es aber zum psychischen Ausdauertraining reichen. Gerade auf eine richtige Atemtechnik lege ich meinen Schwerpunkt, wobei Atemtechnik für mich als kontrolliertes Ausatmen zu verstehen ist. Das (richtige) Einatmen funktioniert meist von selbst. Gerade aufgrund des geringeren Luftdrucks in großen Höhen will das Kohlendioxid nicht mehr so leicht aus den Lungen wieder heraus. Ich hoffe auch, dass ich auf meine bisherigen Höhenerfahrungen und dem daraus von von mir abgeleiteten Maßnahmenkatalog die richtige Vorgehensweise planen kann. Wissenschaftliche oder sonstige Logik ist hinter dieser Vorgehensweise nicht.

                      Berganstiege üben und damit auch die Atemtechnik trainieren kann ich zu Hause in der unmittelbaren Umgebung. Als „Bergbewohner“ des 600m hohen Fränkischen Jura sind es meist keine 15 Minuten zu Fuß in die oft mehr als 200m tiefer gelegenen Tallagen der Umgebung. Als Übungsstrecke für den Anstieg dient ein Waldstück, wo auf 200m Wegstrecke 80 Höhenmeter zu überwinden sind, die letzten 30m Höhe sind aufgrund der Steilheit des Geländes nur noch im Charlie Chaplin Watschel-Gang machbar.

                      Vom Üben der Atemtechnik unter verschärfter Bedingungen mittels einer Maske oder Ähnlichem habe ich in der Vorbereitung abgesehen. Für außenstehende Beobachter solch einer Situation wäre ich sonst wahrscheinlich reif für die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt gewesen.

                      Das Unternehmen Kilimanjaro dauert mindestens 5 Tage am Berg oder 7 Tage insgesamt. Dies ist aber nur auf der Marangu- und Rongai-Route möglich, weniger lässt die KINAPA, die Nationalparkbehörde des Kilimanjaro, nicht zu. Die Übernachtungen sind nur in Hütten (Marangu-Route) oder auf Zeltplätzen zulässig. Eine andere sportliche Tätigkeit außer (Berg-)Wandern ist nicht erlaubt, kein Mountainbike, kein Paragliding. Und bei den Zeltplätzen sollte man sich von der Vorstellungswelt eines europäischen Campingplatzes ganz schnell verabschieden. Wie in vielen anderen Ländern auch, ist ein Zeltcamp am Kilimanjaro nichts anderes als eine Fläche, wo es gegen Gebühr erlaubt ist, ein oder mehrere Zelte aufzubauen. Meist ist an dieser Fläche auch noch ein nicht natürlich gewachsener Bretterverhau für die weniger gestörte Erledigung dringender Geschäfte vorhanden.

                      Zur informativen Vorbereitung zum Aufstieg auf den Kilimanjaro gibt es im Internet und in Buchform unzählige Reiseberichte. An Fachliteratur in Buchform kann man hier z.B. nennen:

                      Kilimanjaro, von Tom Kunkler, ISBN 9783000461170
                      Tansania: Kilimanjaro, von Reinhard Dippelreither, ISBN 9783866860445
                      Kilimanjaro, von Peter Rotter, ISBN 9783922396338

                      Alle 3 Bücher beschreiben die unterschiedlichen Routen und das ganze „Drumherum“ teilweise sehr genau. Eine Wertung, welches nun das beste Buch sei, möchte ich nicht vornehmen.

                      Was die mentale Vorbereitung auf den Kilimanjaro so ungemein wichtig macht, sind die immensen Höhenunterschiede. Vom Startpunkt bis zum Gipfel durchwandert man einen Höhenunterschied von mehr als 4000 Höhenmetern, bei 4-5 Tagen Aufstieg also 800 bis 1000 Höhenmeter Tag für Tag. Ein Wert, der deutlich über den einschlägig empfohlenen 500-600m täglichen Höhengewinnen liegt. Diese „Eigenheit“ des Kilimanjaro wird auch sehr oft unterschätzt, eine Höhenkrankheit (AMS, HACE, HAPE, Erklärungen dazu später) kann hier sehr schnell zuschlagen, wobei die Höhenkrankheit weniger eine Krankheit darstellt, als mehr eine Reaktion des Körpers auf seine Unfähigkeit sich an die Höhe anzupassen. Gerade wegen dieser immensen Höhenunterschiede gilt der Kilimanjaro auch als ein sehr unterschätzter Berg. Die Anpassung an die Höhe findet somit am Kilimanjaro auf dem Weg in Richtung Gipfel statt und nicht wie bei vielen anderen Bergen in einem (vorgeschobenen) Basislager.

                      Sogar Personen wie der Erstbesteiger des Mount Everest Sir Edmund Hilary oder Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, sind am Kilimanjaro gescheitert.

                      Wer sich etwas mehr Hintergrundwissen zur Thematik rund um Höhe und Bergsteigen bzw. Bergwandern aneignen will, dem kann ich folgendes Buch ans Herz legen:

                      Höhe x Bergsteigen, von Thomas Lämmle, ISBN 97830028882

                      Was für mich aber definitiv feststeht:

                      Auf dem Berg geht es nur ohne Tabletten, also ungedopt!

                      Lauscht man im „Basislager“-Hotel in Moshi den Gesprächen an den Esstischen und vor dem Briefing, so wird hier meist weniger über Kohlenhydrate und Co. als über Diamox, Aspirin, Paracetamol und die zugehörige Verwandtschaft gesprochen.

                      Die Malariaprofilaxe mit Lariam dürfte ich terminlich so legen können, dass diese unmittelbar bei der Abreise in Deutschland und dann erst wieder nach dem Kilimanjaro-Abenteuer ansteht. Ich habe mich bei der Malariaprofilaxe für Lariam entschieden, da ich bisher noch nie Probleme damit hatte bzw. noch nie durch die allseits bekannten „lariamspezifischen“ Unpässlichkeiten gemerkt habe, dass ich die Tabletten eingenommen habe. Okay, bei meinem ersten Einsatz von Lariam vor 15 Jahren hatte ich das Gefühl, den bei Lariam allseits bekannten „The-Day-After“ feiern zu dürfen. Lariam ist dafür bekannt, dass am ersten Tag nach der Einnahme der ersten Tablette viele der im Beipackzettel genannten Nebenwirkungen in Sammelform auftreten. Mir war damals sehr schnell klar geworden, dass es sich bei den befürchteten Nebenwirkungen nur um ein „originäres“ Reisefieber gehandelt hat.

                      Hochgebirge und Malaria, schließt sich dies nicht gegenseitig aus? Im Prinzip ja, aber nach der ersten Woche am Kilimanjaro stehen ja noch fast 3 Wochen Rundreise in Tansania an. Bis auf 2500m ü.NN kann man noch mit der Anophelesmücke, der Überträgerin des Malariaerregers, rechnen. Aufgrund des geringeren Luftdrucks in Höhen darüber, wegen der stärkeren Winde und der deutlich eisigeren Nachttemperaturen trifft man in größeren Höhen solche Mücken nicht mehr an. Anophelesmücken haben üblicherweise ein „Jagdgebiet“ von etwa 100m Durchmesser. Damit die Mücke den Erreger weiterverbreiten kann, braucht sie aber einen Wirtsträger, den sie vorher gestochen hat. Meist sind dies größere Säugetiere, solche sind aber am Kilimanjaro kaum zu erwarten.

                      Was die eigene Medizinabteilung („Erste Hilfe Kit“) betrifft, da gibt es nur Pflaster, Pinzette und Desinfektionsmittel. Mit einer einzigen Ausnahme haben Tabletten jeglicher Art, also auch Brause-, Vitamin- oder Mineraltabletten, für mich bei diesem Vorhaben absolutes Hausverbot. Einzig die Aquanett-Tabletten zur Wasserentkeimung dürfen mit auf dem Berg hinauf.

                      Eigentlich hatte ich für die eventuell notwendige Entkeimung des Trinkwassers am Berg an einen Steripen, eine UV-Sonde mit Batteriebetrieb, gedacht, aber 100€ nur für eine Woche auszugeben war mir zu teuer. Die Aquanett-Tabletten sind bei Entkeimungstabletten die teuerste Methode. Konkurrenzprodukte sind da wesentlich billiger. Auch in der 2-Komponenten-Flüssigform wäre Aquanett deutlich billiger, aber wesentlich umständlicher in der Handhabung. Dafür erspart man sich bei Aquanett trotz chlorhaltiger Rezeptur den sonst bei Konkurrenzprodukten vorhandenen Chlorgeschmack des Wassers.

                      Welche Kleidung nimmt man nun zum Kilimanjaro mit? Erschwerend ist es für mich, dass ja nach dem Abenteuer Kilimanjaro noch fast 3 Wochen Rundreise anstehen werden und die Gepäckmenge soll sich ja in Grenzen halten. Um nicht unnötigerweise doppelte Mengen an Kleidung im Gepäck zu haben, halte ich es für mich ratsam, für beide Einsatzzwecke taugliche Kleidung einzupacken. Da die Übernachtungen beim Aufstieg an jedem Tag immer an einem anderen Ort stattfinden werden, muss die richtige Ausrüstungsplanung schon am ersten Tag festgelegt werden. Wenn man schon am ersten Tag die falsche Ausrüstung hat, dann besteht an den folgenden Tagen nicht mehr die Möglichkeit, dass man seine Ausrüstung und hier v.a. die Kleidung ändern kann.

                      Soll ich jetzt neben der atmungsaktiven Jacke meine Softshell- oder meine altehrwürdige Daunenjacke mitnehmen? Letztere könnte ich nach dem Kilimanjaro jemanden aus der einheimischen Begleitmannschaft hinterlassen. Vom Gewicht her sind beide identisch. Da die Daunenjacke auch noch das geringere Volumen hat, darf sie mit nach Afrika.

                      Die Übernachtungen auf beim Weg nach oben finden üblicherweise in den mitgeschleppten Zelten des jeweiligen Anbieters statt, das „Bett“ und seine „Bettgarnitur“ muss man aber meist selbst mitbringen. Die Ausrüstung kann aber auch vor Ort gemietet werden, meist aber nur gebrauchte Gegenstände.

                      Und schon stellt sich üblicherweise die Frage nach dem richtigen Schlafsack, Daune oder Kunstfaser? Da ich bereits einen Daunenschlafsack habe, ist diese Wahl schon einmal erledigt. Aber wie kalt wird es in den Nächten werden, reicht mein Schlafsack dazu aus oder ist hier Handlungsbedarf notwendig? Mein bisheriger Schlafsack hat 800g Daunenfüllung und war bis jetzt bei Temperaturen bis leicht unter 0°C ausreichend. Ich beschließe für mich, auf meinen jetzigen Schlafsack zu setzen. Wenn es wirklich bis -10°C im Zelt werden sollte, dann wird mir am Berg schon etwas einfallen, die Wärmeleistung zu erhöhen.

                      Vonseiten der „Matratze“ dürften eigentlich keine negativen Überraschungen zu erwarten sein, auf meine seit Jahren erprobte Downmat dürfte hier Verlass sein. Wer eine Downmat nicht kennt, eine Downmat ist vereinfacht ausgedrückt eine mit Daunen gefüllte Luftmatratze. Sie hatte wesentlich bessere Isolationswerte als die bekannten selbstaufblasenden Isomatten bei deutlich geringerem Packmaß. Bei einer „Matratzendicke“ von 9cm und einer Größe von 195x60cm hat sie ein Packmaß von nur 17cm Durchmesser und 35cm Länge und mit Packsack nur 1200g Gewicht. Zum Vergleich: Meine alte selbstaufblasende Isomatte mit 3,5cm Dicke und 185x60cm wiegt 1350g bei 17cm Durchmesser und 60cm Länge und hat nur 1/3 des Isolationsfaktors, kostet aber auch trotz Markenprodukt nur die Hälfte der Downmat!

                      Welche Art von Schuhen nehme ich zum Kilimanjaro mit? Auch wenn man in manch einem Reisebericht flapsig lesen kann, dass man auf der Marangu-Route bis zur Kibo-Hut zur Not auch noch in Badelatschen gehen könnte, steht für mich außer Frage, dass es für mich meine seit Jahren bewährten Meindl Island Pro Bergschuhe am Berg werden. Zusätzlich werde ich meine Tevas ins Gepäck nehmen. Wenn schon nicht zur Verwendung für die Abendgarderobe am Berg, dann wenigstens als Unterlegkeile unter die Downmat, damit der Kopf beim Schlafen auf der Matte etwas erhöht liegen kann.

                      Als Gepäckstück für das bei der Begleitmannschaft „aufgegebene“ Gepäck werde ich meine wasserdichte Ortlieb Tasche mitnehmen. Man liest zwar in der Literatur, dass das Gepäck am Berg nochmals in Säcken verpackt werden, aber ob diese wasserdicht sind? Ausprobieren will ich dies jedenfalls nicht.


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                      Fortsetzung folgt:


                      Damit der Bericht nicht ganz so bilderlos bleibt (die folgenden Kapitel sind dann sehr bilderreich), hier nochmal ein Leopard in der Serengeti. Er sollte in Bildmitte gut sichbar sein:


                      Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                      Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                      (Autor unbekannt)

                      Kommentar


                      • Bergzebra
                        Erfahren
                        • 18.02.2013
                        • 285
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                        -----------------------------------------

                        Fortsetzung des Reiseberichts:

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                        Vom Basislager in das Camp des Löwen


                        Moshi - Nalemoru Gate - Simba Camp


                        Start: Nalemoru Gate 2.020m ü.NN (13:50 Uhr)

                        Ziel: Simba Camp 2.625m ü.NN (16:45 Uhr)

                        Endlich ist es so weit, das monatelange Warten hat endlich ein Ende. Kaum eine Reise in den letzten Jahren schwirrte vor Reiseantritt so lange und so intensiv in meinen Gedanken herum, irgendwann will man auch einmal ein Ende sehen.

                        Da die Fenster in meinem Hotelzimmer nicht gänzlich geschlossen werden können und sich das Zimmer zusätzlich fast unmittelbar oberhalb der „Einflugschneise“ der nächtlich mit Bussen und Geländewagen neu eintreffenden Touristen befindet, ist die vergangene Nacht von einer abwechslungsreichen Geräuschkulisse begleitet gewesen. Einem partiell angenehmen Schlaf stand dieser Umstand nicht im Wege.

                        Da die Kandidaten der „Rongai-Routen“ üblicherweise deutlich in der Minderheit der Teilnehmer sind, startet Zara mit Ihnen vom Springlands Hotel aus erst zum Schluss aller Gruppen. Als Folge daraus hat Bergführer Fransis zusammen mit mir den Startzeitpunkt auf irgendwann zwischen 8 und 9 Uhr festgelegt, da man nie weiß, wie lange die Anderen zuvor brauchen. Eigentlich hat er nur mitgeteilt, dass ich ab 8 Uhr abfahrtbereit sein sollte, es aber auch 9 Uhr bis zur Abreise werden könnte. Folglich kann mir heute Morgen mit den anstehenden Tätigkeiten noch genügend Zeit lassen. Nach einem ausgiebigen Frühstück muss zunächst noch die Hotelrechnung beglichen werden, auch wenn man normalerweise nach dem Kilimanjaroaufstieg wieder ins das gleiche Hotel zurückkehrt. Bezahlt werden kann die Hotelrechnung im Kassenhäuschen mit kleinem Guckloch.

                        Weil ein Träger am Kilimanjaro offiziell maximal 15 kg „Kundengepäck“ tragen darf und dies auch am Berg täglich überprüft wird, ist im Hotelgarten ein großes Dreibein mit einer daran befestigten Federwaage aufgestellt, wo jeder sein Gepäck noch einmal wiegen kann. Unter „Kundengepäck“ ist dabei alles zu verstehen, was ein Gipfelaspirant tagsüber nicht mit sich herumschleppen will, man aber doch gerne am Berg dabei haben möchte.


                        Gepäckstau vor der Dreibeinwaage im Springlands Hotel

                        Bei mehr als 50 Personen, die heute mit dem Aufstieg vom Springlands Hotel aus starten wollen, ist ein reges und dichtes Gedränge rund um diese einzige Waage vorprogrammiert. Bei den Gepäckstücken von so manch einem oder einer werde ich das Gefühl nicht los, dass sich in den z.T. prall gefüllten 150l Monstertaschen ein Großteil der heimatlichen Hausstände befindet. Auch ich unterziehe aus Interesse meinem nicht gänzlich gefüllten 60l Ortlieb Packsack dieser Wiegeprozedur, meinen Kofferrucksack mit den in den nächsten Tagen nicht benötigten Dingen habe ich zuvor schon in der hoteleigenen Gepäckverwahrung aufgegeben. Auch wenn ich schief auf die Federwaage des Dreibeins schaue und zusätzlich noch das nicht vorhandene Hühnerauge zudrücke, mehr als 8,5kg Gewicht des Packsacks wollen es beim besten Willen nicht werden. Und ich habe nicht das Gefühl, irgendetwas vergessen zu haben. Hoffentlich rächt sich hier mein Minimalismus nicht beizeiten.


                        Komplette Ausrüstung für den Kilimanjaro (ohne Wanderschuhe)

                        Ungläubig betrachtet Fransis meinen Packsack und fragt bei mir nach, ob ich denn auch wirklich nichts vergessen habe, denn mit einem solch kleinen Gepäckstück war noch keiner seiner Kunden unterwegs. Nachdem ich ihn darüber aufkläre, dass sich neben Schlafsack, Downmat, Daunenjacke, kurze und lange Unterwäsche, Fleecepullover, Ersatzhemd, Socken, den dicken Daunenhandschuhen noch sehr viel Kleinzeugs und Leselektüre darin befinden, besteht er nicht mehr darauf, den Inhalt des Packsacks noch sehen zu wollen.

                        Aus Platzgründen habe ich statt normaler Handtücher spezielle in Tablettenform gepresste Handtücher von Sea-to-Summit im Gepäck. Diese 10 Handtücher sind verpackt kaum größer als eine Brausetablettendose. Gerade diese „Handtücher“ werden mir am Berg noch bessere Dienste erweisen als eigentlich erwartet. Auch wenn sie nach der morgendlichen Wäsche am Berg deutlich durchnässt waren, am Abend waren sie nach einer Lagerung in der atmungsaktiven Seitentasche der Gore-Tex-Jacke wieder getrocknet und geschmeidig. Eigentlich hatte ich sie als Einmalhandtücher vorgesehen, aber mehr als 2 davon waren am Berg nicht notwendig.

                        Im und/oder am 9kg schweren Tagesrucksack sind eine Goretex-Jacke, ein Sweatshirt, Mütze, Fingerhandschuhe, 2 mit Wasser gefüllte Trinkflaschen, die Kameraausrüstung (Spiegelreflex, eine kleine Ersatzkamera ist im „aufgegebenen“ Gepäck), deutsches Klopapier (das Reisfeste), ein Regenschirm und auch viel Kleinzeug. Dünne Handschuhe im Rucksack sind eigentlich nie schlecht. Sei es als Schürfwundenschutz beim Kraxeln oder um sich bei nasskaltem Wetter eine Unterkühlung an den Handrücken zu ersparen. Auch als Sonnenschutz in größeren Höhen sind sie nicht zu verachten.

                        Bis alle Gruppen vor uns abgefertigt sind, dauert es bis gut 9 Uhr. Dabei kommt alle 10 Minuten ein 20-Sitzer Bus und nimmt sowohl die Kunden als auch schon einen Teil der Bergmannschaft auf. Es geht zu wie auf dem Hamburger Fischmarkt. Die Marktschreier sind dabei die „Disponenten“ von Zara, mal hört man „Marangu“, dann wieder „Machame“ und dann wieder „Lemosho“ usw.. Mit einem vor dem Hotel geparkten Kleinbus werden wir dann die Anreise zum Startpunkt des Kilimanjaro unternehmen. Neben mir und Fransis sind auch ein amerikanisches Ehepaar mit ihrem Bergführer Costas (die zweite Kikeleva-Gruppe) im Bus.

                        Da sich das Springlands Hotel etwas außerhalb von Moshi befindet und eine geteerte Straße zum Hotelkomplex noch nicht gebaut wurde, startet unsere Anreise zum etwa 70-80km entfernten Nalemoru Gate über einen 30m breiten Feldweg direkt vor der Hoteleinfahrt. Von allen Kilimanjao-Routen haben die Rongai- und Kikeleva-Route vom „Basislager“ in Moshi aus die längste Anreise zum Startpunkt des Aufstiegs am Berg. In Ort Moshi selbst nehmen wir weitere Mitglieder unserer Begleitmannschaften auf sowie auch Lebensmittel und sonstige Ausrüstungsgegenstände für die Zeit am Berg. Wer hier zu welcher Gruppe gehört, ist noch nicht auszumachen. Der Rest der Mannschaft dürfte dann unmittelbar am Nalemoru Gate rekrutiert werden. Unser Kleinbus mutiert mit mehr als 12 Passagieren schon langsam zu einem Dalladalla, der tansanischen Variante eines südamerikanischen Collectivo oder anders ausgedrückt, zu einem aus europäischer Sichtweise gut gefülltem „Sammeltaxi“. Die Einheimischen würden es als fast noch leer bezeichnen.

                        Anschließend verlassen wir Moshi in Richtung des Ortes Marangu, wo sich die Hauptverwaltung für den Kilimanjaroaufstieg befindet. Für den Aufstieg auf den Kilimanjaro ist ein sogenanntes Permit erforderlich, was für einen Gipfelaspiranten pro Tag 50€ Eintritt und 50€ Zeltplatzgebühr sowie noch zusätzliche Kosten für die tansanische Form der Bergrettung (dazu später mehr) usw. bedeuten. Laut Fransis müssen wir dieses Permit am Marangu Gate, dem Start der gleichnamigen Marangu-Route, abholen und anschließend weiter entgegen dem Uhrzeigersinn um die Ostseite des Kilimanjaromassiv herum zum Nalemoru Gate fahren, wo dann der wirkliche Aufstieg auf den Berg seinen Lauf nehmen soll.

                        Obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, im Bus geschlafen zu haben, kann ich mich auch nicht daran erinnern, dass wir am Marangu Gate gewesen wären. Sind das schon die ersten Anzeichen von Erinnerungslücken aufgrund der Höhe? Scherz beiseite, auf im Jahre 2011 fast schon durchgehend geteerter Straße fahren wir bis in die Nähe des Ortes Tarakea im Nordosten des Kilimanjaro, immer am Hang entlang, manchmal auch mit einem Blick zum Gipfel des 5149m hohen Mawenzi. In Tarakea machen wir in einem Restaurant für Einheimische unsere Mittagspause. Als Mittagessen gibt es eine Lunchbox, die vom Inhalt her durchaus als Tagesration ausreichen würde, was übrigens für alle Lunchpakete auf dieser Reise gelten wird. Es gibt Huhn mit Ei, Cookie, Orange, Weißbrot, ... .

                        Auf dieser Strecke rund um den Kilimanjaro reiht sich Ort an Ort, man kann kaum erkennen, wo der eine Ort endet und der nächste Ort beginnt. Weil heute Sonntag ist, sind auch viele Kirchgänger in Festtagskleidung auf den Straßen unterwegs. Ein Großteil der Bevölkerung rund um den Kilimanjaro ist christlich, je weiter man in Richtung Indischer Ozean kommt, desto höher wird dann der muslimische Bevölkerungsanteil. Obwohl es in Tansania fast 170 Ethnien gibt, sind tief sitzende religiöse Diskrepanzen ein Fremdwort.

                        Nach diesem stattlichen Mittagsmahl sind es nur noch wenige Kilometer, bis wir am Nalemoru Gate ankommen. Irgendwie ist das Gate am Rande von Baumplantagen gelegen, denn so in Reih und Glied wachsen Bäume von selbst nicht in der freien Natur. Habe ich mir mit Sonntag den falschen Starttermin zugelegt? Leider ja, wie sich später herausstellen wird. Deshalb mein Tipp: Tourbeginn auf einen Dienstag bis Samstag legen. Haben viel zu viele davon gelesen, dass die Rongai-Routen noch sehr selten begangen sind? Es tummeln sich sehr viele Personen um die beiden Gebäude am Gate, Unmengen von Einheimischen, die auf eine Anstellung hoffen, und auch ein ganzer Schwung an Bergsteigern.

                        Das Gepäck wird aus dem Bus ausgeladen und auf die Träger verteilt, bis zur Ankunft am Camp werde ich es nicht mehr sehen. Auf dem Berg trägt üblicherweise immer der gleiche Träger das Gepäck des Kunden. Gerade auch deshalb, um bei großen Gruppen auszuschließen, dass ein Gepäckstück im wahrsten Sinne des Wortes irgendwo auf der Strecke bleibt. Eine Ordnung beim Aufteilen der Ausrüstungs- und Gepäckslasten auf die Träger kann man als organisatorisch verwöhnter „Erstweltler“ oder in Kisuaheli, der offiziellen tansanischen Sprache, als Mzungu („weißer Mann, der umherschaut“) nicht erkennen. Aber typisch Afrika, es funktioniert trotzdem und das auch noch reibungslos! Irgendwie ist da ein zweibeiniger Bienenschwarm, der sich auf unzählige Gepäckstücke stürzt.

                        Für uns verkappte Bergsteiger heißt es, sich nun an ein tagtäglich anstehendes reglementarisches Prozedere zu gewöhnen, sprich den Eintrag in Listen bei allen Tagesankünften. Spätestens am 3.Tag kennt jeder seine Passnummer auswendig. Auch heute bereits am Gate müssen wir uns in das Buch eintragen.

                        Waren es um die Mittagszeit in Tarakea noch fast 30°C warm, so sind es hier an der Nordseite des Berges bei kaltem Wind wohl kaum noch über 15°C. Vom Kilimanjaro ist wegen des hier diesigen Wetters weit und breit nichts zu sehen. Und auf Anraten von Fransis habe ich heute statt der Berghose nur meine dünnere Ersatzhose im gezippten Zustand an.

                        Etwa 15 Personen wollen heute noch den Start wagen, viele sind schon gestartet. Gerade auch diejenigen, die über die seit einigen Jahren hier wieder offene kenianische Grenze angereist sind und somit eine deutlich kürzere Anreise haben.

                        Farblich auffällig am Gate ist eine japanische Girlie-Group. Die Jüngste den 50ern wohl schon erfolgreich entflohen, wollen auch sie den Berg hinauf. Typisch japanisch sind alle Teilnehmerinnen in pastellfarbenen Kleidungsstücken, z.T. auch mit Mundschutz, gekleidet. Was ich mir bis heute nicht erklären kann, wie schaffen es diese Japanerinnen zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Ansatz von Staub oder Dreck auf der Kleidung zu haben, wurde da ein neuer Lotuseffekt erfunden?

                        So wird es fast 14 Uhr, bis wir vom Gate aus starten. Wenn alles normal läuft, wird es 6 Tage dauern, bis wir wieder in der normalen afrikanischen Zivilisation ankommen werden.

                        Was wird in dieser Zeit alles passieren?

                        War meine Vorbereitung richtig?

                        Wie wird es mit der Gesundheit in den nächsten Tagen und danach sein?

                        Für heute sind noch gut 600 Höhenmeter Aufstieg bis zu unserem ersten Übernachtungsplatz am Simba Camp geplant. Dabei steht „Simba“ für das Wort Löwe in der Kisuahelisprache.

                        Um den Organismus auf die kommenden Strapazen vorzubereiten, startet man „pole pole“ („langsam, langsam“ auf Kisuaheli), was manch ein Träger wohl eher als „volle Pulle“ versteht. Dies klingt ja im Deutschen auch sehr ähnlich. Anders sind die Geschwindigkeiten bei einigen von ihnen am Berg, mit z.T. mehr als 20kg rund um den Kopf bepackt, nicht zu erklären.


                        Maisfelder in der Nähe des Nalemoru Gates

                        So geht es eher gemütlich auf die ersten Kilometer. Diese Gemütlichkeit ist aber äußerst wichtig. Der Kilimanjaro verlangt täglich sehr viele Höhenmeter, aber im Vergleich zu anderen Bergen gibt er einem dabei sehr wenig Zeit zur Akklimatisation auf diese Höhen. Kaum 5 ganze Tage vergehen üblicherweise von unten nach oben, auf der Rongai- und Marangu-Route u.U. nochmals ein Tag weniger. Dafür wird einem am Kilimanjaro an den ersten Tagen gerade auf der Marangu-Route und den nördlichen Routen Rongai und Kikeleva ein moderates Steigungsprofil angeboten. Am Mount Everest dagegen wartet man bereits 3 Wochen im Basislager auf 5200m, bevor man überhaupt erst mit den weiteren 3600m nach oben zum Gipfel startet. Auch bei vielen anderen „Modebergen“ mit Gipfelhöhen auch noch über die 6000m hinaus, wie beispielsweise Berge mit Namen wie Aconcagua, Pik Lenin, Huayna Potosi oder Chachani, sind es vom jeweiligen Basislager aus (deutlich) weniger Höhenmeter oder wie bei den beiden erstgenannten Bergen mindestens 2 Wochen Zeit ab dem Basislager. Und dabei sind weniger als 3000 Höhenmeter zu überwinden. Am Kilimanjaro dagegen sind es für mehr als 4000 Höhenmeter Unterschied weniger als 100 Stunden.

                        Deshalb wird einem immer empfohlen, am Kilimanjaro an den ersten Tagen das langsame Tempo nützen, damit sich sowohl der Organismus als auch der Verstand und das Unterbewusstsein auf die Bedingungen in größeren Höhen gemeinsam (!) vorbereiten und einstellen können. Gemäß einem afrikanischen Sprichwort, dass das Gras nicht deswegen schneller wächst, nur weil man daran zieht. Es ist also in den nächsten Tagen eine gesunde Mischung aus konsequenter Geduld und geduldiger Konsequenz gefragt.

                        Aber „pole pole“ ist für viele heute noch viel zu langsam, ob sich das nicht später rächen wird? Auch wenn es manch eine(r) am ersten Tag einfach noch nicht wahrhaben will: was heute für die Windhunde am Berg die Geschwindigkeit betreffend mehr einem primitiven „Kinderfasching“ gleicht, wird allerspätestens in 3 Tagen bitterer Ernst werden. Man hätte die Zeit, der Berg läuft einem nicht davon. Und 3 Tage sind und bleiben 72 Stunden, egal wie schnell man rennt.


                        Guide Fransis

                        Heute geht Fransis voran, zusammen mit mir und den beiden aus der anderen Zara-Gruppe. Deren Führer Costas kümmert sich noch um das Organisatorische für beide Gruppen. Der Weg zum heutigen Camp führt zunächst entlang bzw. unmittelbar neben einer Forststraße gemächlich den Berg hinauf. In Waldlichtungen befinden sich Maisfelder und es sind kleine Holzhütten der Landbevölkerung, die hier Landwirtschaft betreiben, zu sehen. Auch riecht es nach einigen Holzfeuern.

                        Wird in den Reiseführern bei der ersten Etappe der Rongai-Route oft von bettelten und aufdringlichen Kindern berichtet, so sind heute bei diesigem Wetter kaum Kinder zu sehen, und als aufdringlich kann ich sie schon gar nicht auffassen.

                        Meist grüßen sie mit »Jambo«, dem afrikanischen Pendant zum amerikanischen »Hi« oder dem bayerischen »Servus«.

                        Es soll sich zwar üblicherweise in der Gegend um Nalemoru Großwild (Elefanten, Büffel) aufhalten, aber warum sollten sich diese gerade am einzigen Weg im Umkreis von 30 Kilometer befinden? Also wird es eher unwahrscheinlich sein, dass wir davon welche sehen werden. Aufgrund der „Nichtregenseite“ im Norden ist auf der Rongai- bzw. Kikelevaroute der Regenwaldanteil sehr gering. Durch diesen ist aber fast schon ein Waldlehrpfad angelegt, denn viele der Baumarten sind neben dem ausgebauten und regenfesten Pfad mit Schildern beschriftet. Und was gibt es im Regenwald? Regen was sonst, ist ja schließlich kein „Bewölktwald“. Aber der Regen belässt es eher beim Nieseln und dass in einer Intensität, dass ich mir noch verkneife, den Regenschirm zu benützen.


                        Träger vor dem Regenwaldgebiet auf der Rongai-Route

                        Regenschirm und Bergwandern, ist so etwas doch nicht etwas zu dekadent? In dem von mir vor 10 Jahren gelesenen Reisebericht stand, es war ein Bericht über die nicht regenarme Marangu-Route, dass man am Kilimanjaro fast alles vergessen darf, nur nicht den Regenschirm. Und da ich nicht zum ersten Male in den Tropen unterwegs bin, ist mir solch ein Umstand nicht unbekannt. Bei der heutigen Ankunft im Simba Camp werde ich wegen des am Rucksack baumelnden und nicht im Einsatz befindlichen Regenschirm von manch einem noch müde belächelt. Dies wird sich aber Morgen grundlegend ändern.

                        Von den klimatischen Verhältnissen in den unteren Höhen des Kilimanjaro befinden wir uns ja noch in den Tropen. Der Regenschirm hält einem trocken. Ohne Regenjacke ist man bei Regen oder im Regenwald sehr schnell durchnässt, man wird also von außen her nass. Mit Regenjacke bleibt man zwar von außen her trocken, aber trotz Goretex ist man bei dann 100% Luftfeuchtigkeit von innen heraus völlig durchnässt.


                        Waldlehrpfad

                        Trotz einer kleinen Trinkpause dauert es nicht einmal eine Stunde und aus dichten Regenwäldern werden nur noch bis zu 5m hohe Erika-Bäume, der Vegetationswandel in den Höhen des Kilimanjaro beginnt. Aufgrund der exponierten Lage, seinem „Alleinstellungsmerkmal“, beheimatet er alle Vegetationszonen. Nach nicht einmal 3 Stunden erreichen wir unser heutiges Tagesziel, das an einem Bach gelegene Simba Camp.

                        Erster Tagespunkt nach der Ankunft ist der Eintrag in das bereits zuvor erwähnte Buch beim Ranger. Da heute im Lager anscheinend sehr viel Betrieb vorherrscht, versucht Fransis noch einen vernünftigen Platz für die Zelte zu finden. Zwischen den Zelten einer anderen Gruppe findet er noch einen Platz weit im Lager verteilt und die Träger beginnen mit dem Zeltaufbau. Das Zelt steht bereits als Fransis mir nach gut einer halben Stunde Wartezeit den Ort mitteilt, wo sich mein Zelt befindet. In der Zwischenzeit warte ich an der Rangerhütte. Wo die Begleitmannschaft ihre Zelt(e) aufbauen, kann ich nicht erkennen.


                        Zeltstadt im Simba Camp, das blaue Zelt wird mein Nachtlager werde

                        Am Zelt angekommen, gibt es für die Wanderer eine Schüssel mit lauwarmem Wasser zum Waschen. An Infrastruktur im Camp gibt es neben der Rangerhütte nur kleine Holzverschläge für die kleinen und großen Geschäfte auf Freifallflächen. Oder anders ausgedrückt:

                        Im Bretterboden ist ein Loch für die braun gefärbten Verdauungsmassen und ein Sichtschutz aus Holzlatten ist außen herum. Da diese Toiletten nicht dem Anspruch von vielen genügen, wird oft der Platz um diese Notdurftverrichtungsstätten für Selbiges missbraucht. Folglich sollte man sich für eventuell notwendige nächtliche Klogänge die Lage der täglich frisch verlegten Tretminen noch bei vorhandenem Tageslicht einprägen. Aber woher kommt die miserable Treffergenauigkeit von vielen in der Klohütte, denn die Bretterverschläge sind fast ausnahmslos ziemlich verschi...? Wenn man schon nicht das eigentlich nicht zu verfehlende Loch trifft, dann sollte man doch wenigstens die Bescherung beseitigen, aber davon haben viele noch nichts gehört.

                        Genau auf diese Zustände habe ich mich schon vor der Reise eingestellt, gleichbedeutend mit tagtäglichen Klogängen ohne Schüssel, ohne Spaten, nur mit T-Papier ausgestattet. Deshalb bin ich sehr positiv überrascht, dass ich in den ersten 3 Camps das mobile Klozelt der anderen Zaragruppe benutzen darf. Fransis hat dies organisiert, weil ich auf das Esszelt verzichtet habe.

                        Wieder ein Abenteuer weniger, denn im Klozelt ist eine mobile Box mit Schüssel zur Geschäftserledigung und Tretminen sind auf der geplanten Wegstrecke von und zum Zelt auch nicht zu finden.

                        Zelt heißt ja in Englisch „tent“, ist ein zur Verfügung gestelltes Toilettenzelt dann ein „deka-tent“? Für die Sauberkeit und den Transport dieser Bergausrüstung ist ein (zusätzlicher) Träger verantwortlich. Dieser Service muss normalerweise mit einem Aufpreis und/oder erhöhtem Trinkgeld bezahlt werden.

                        Jede einzelne Gruppe kocht an den Tagen am Berg für sich selbst. Aus diesen Gründen ist auch in der einheimischen Begleitmannschaft je nach Gruppengröße immer mindestens ein Koch dabei, meist ein über die Jahre hochgedienter Träger. Meist im oder vor dem späteren Übernachtungszelt der Träger wird dabei unter einfachsten Bedingungen das Essen zubereitet. Wie der Koch es tagtäglich immer wieder schafft so vorzüglich und abwechslungsreich zu kochen, bleibt nicht nur mir ein Rätsel.

                        Da ich auf ein Esszelt verzichtet habe, gibt es für mich in den nächsten Tagen das Essen am Boden sitzend im Zelt, wegen einer Kerze als einziger Beleuchtung ein „Candle-Light-Dinner“ mitten in Afrika.


                        Abendessen (Candlelightdinner) auf der Bodentischdecke im eigenen Zelt

                        Serviert wird das Essen dabei immer von einem Waiter. Ein Waiter ist ein Träger, der für diese zusätzlichen „Kellnerdienste“ 1-2US$ pro Tag zusätzlichen Lohn erhält. Als ersten Gang beim Abendessen gibt es immer eine Suppe, gefolgt vom fleischhaltigen Hauptgang (z.B. Gulasch, Hähnchen, garniert mit Bratkartoffel oder Reis, ...) und als Abschluss eine Nachspeise, oft in Pfannkuchenform. Zum Trinken besteht die Auswahl aus (Instant-)Kaffee oder schwarzem Tee. Gekocht wird mit Gasflaschen, da inzwischen das Verheizen von Holz bzw. das offene Feuer innerhalb des Kilimanjaro Nationalpark verboten ist. Es gibt aber in Deutschland eine neue 2011-er Auflage eines deutschen Reiseführers für Tansania (keiner der weiter vorn im Buch genannten), wo berichtet wird, dass die Träger am Kilimanjaro noch Feuerholz sammeln müssen. Soviel zum nie endenden Thema „Aktualität von Reiseführern bei erfolgten Neuauflagen“.

                        Vor dem Nachbarzelt genehmigt sich ein Bergwanderer aus einer anderen Gruppe sein Asthmaspray, ob man unter diesen Umständen den Gipfel erreichen kann?

                        Da es wahrscheinlich doch noch einige Zeit dauern wird, bis es Essenszeit sein wird, nutze ich die Zeit zu Gesprächen mit anderen Bergwanderern. Da wir uns am Kilimanjaro nur 3° südlich vom Äquator, also etwa 300km davon entfernt, befinden, ist die Dämmerungsphase des Tages relativ kurz und kaum versieht man sich, und es ist schon dunkel geworden.

                        Nach einem vorzüglichen Abendessen, wie an jedem Tag danach am Berg, steht das Briefing für den nächsten Tag an. Dabei fragt Fransis auch nach meinem Zustand, bis jetzt fühle ich mich pudelwohl. Aus reinem Interesse habe ich ein Pulsoxymeter im Gepäck dabei, das Gerät zeigt eine Sauerstoffsättigung von 99% bei mir und Fransis an.

                        Mit vielen neuen Eindrücken falle ich in einem tiefen Schlaf, der erste Tag am Berg ist geschafft.


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                        Fortsetzung folgt:

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                        Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                        Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                        (Autor unbekannt)

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                        • DerSeb

                          Erfahren
                          • 26.08.2012
                          • 363
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                          Hi,
                          auch wenn deine Art des Reisens nichts für mich wäre, gefällt mir dein Bericht sehr gut! Mal etwas anderes hier im Forum.

                          Gruß,
                          Seb

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                          • Bergzebra
                            Erfahren
                            • 18.02.2013
                            • 285
                            • Privat

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                            #14
                            AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                            -----------------------------------------

                            Fortsetzung des Reiseberichts:



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                            Der Weg über die Wolken


                            Simba Camp - Kikeleva Camp


                            Start: Simba Camp 2.625m ü.NN (8:25 Uhr)

                            Mittagsrast: Second Cave 3.450m ü.NN (11:25-13:15 Uhr)

                            Ziel: Kikeleva Camp 3.630m ü.NN (16:00 Uhr)

                            6 Uhr ist bereits vorbei bis es beginnt richtig hell zu werden. Da der Kilimanjaro sich in etwa nur 3° südlich vom Äquator befindet, sind dort die Tage im südlichen Winter nur unwesentlich kürzer als 12 Stunden. Um 6:30 Uhr ist eigentlich das Wecken angesagt, nach einer erholsamen und ruhigen Nacht bin ich aber schon vorher auf den Beinen. Wie schon gestern bei der Ankunft, so ist anscheinend auch heute der Waiter unter den Trägern dafür zuständig, die kleine mit lauwarmem Wasser gefüllte Waschschüssel vor das Zelt des Kunden zu stellen und später das Essen zu servieren. Diese 1-2 Liter Waschwasser in der Schüssel müssen dann für die komplette Morgentoilette ausreichen.

                            Der Morgen begrüßt uns heute mit einem wolkenlosen Himmel, nicht ganz unüblich für die Nordseite des Kilimanjaro in der im August vorherrschenden Trockenzeit. Ohne Wolken bleibt der Himmel im Norden des Kilimanjaro meist aber nur für weniger als 2 Stunden und dies dann meist nur in den Morgenstunden. Es ist schon nach 7 Uhr, als sowohl der Kibo als auch der dem Kibo gegenüberliegende Mawenzi mit einem Wettstreit beginnen, wer denn von beiden das bessere „Alpenglühen“ schafft. In der morgendlichen klaren Luft wirken beide so nah und niedrig, obwohl es bis zum Gipfel des Kibo noch mehr als 3000 Höhenmeter sind und der Kibo doch noch mehr als 15 Kilometer Luftlinie entfernt liegt.


                            Simba Camp, der Kibo im Morgenlicht

                            Von den Gletschern am Gipfel an der Nordseite des Kilimanjaro ist nur noch der verbliebene Rest des östlichen und nördlichen Eisfeld zu sehen. War noch zu Zeiten der Erstbesteigung in den 1890-ern der komplette Krater bis auf 5000m hinab vergletschert, so sind die Gletscher in den heutigen Tagen auf eine Fläche von kaum noch 2 km2 geschrumpft. Dieser Rückgang ist aber schon in den letzten 150 Jahren im Gange und steht somit nicht mit einer eventuell vom Menschen verursachten Erderwärmung im Zusammenhang. Nach wissenschaftlichen Vermutungen haben sich in den letzten 150 Jahren die Niederschlagsmengen reduziert.

                            Ein Gletscher schmilzt übrigens nicht hauptsächlich durch die Summe der Sonneneinstrahlung auf seine weiße Eisoberfläche, sondern durch die Wärme des dunklen Boden. So braucht z.B. auch in unseren Breiten ein festgefahrener Schneehaufen auf einen gepflasterten Boden deutlich länger zum Schmelzen als im Vergleich dazu auf einem gewachsenen Rasenboden als Unterlage.

                            Der Mawenzi macht beim Anblick als Berg einen zersausten Eindruck, der Kibo dagegen wirkt glatt wie eine umgedrehte Suppenschüssel.


                            Simba Camp, der Mawenzi im Morgenlicht

                            Die Temperaturen selbst sind so früh am Morgen noch im niederen einstelligen Bereich, im Lager ist aber schon eine rege Betriebsamkeit erkennbar. Das Frühstück gibt es wieder in meinem Zelt. Als Entree steht britische Haut Cousine in Form von Porridge, also Haferschleim in seiner kulinarischen Vollendung, auf dem Speiseplan. Von vielen Gipfelaspiranten am Kilimanjaro verhasst, habe ich mir vorgenommen, auf dieses Mahl nicht zu verzichten. Was ich mit dem Frühstück schon an Flüssigkeit zu mir nehme, muss schon nicht im Rucksack weitergeschleppt werden und der Porridge macht schon mal 3-4 Suppenteller oder gut einen Liter Flüssigkeit aus.


                            Zeltstadt im Simba Camp, Mawenzi und Kibo so nah und doch so fern


                            Simba Camp, Trägermannschaft einer anderen Gruppe bei der Aufbruchorganisation

                            Damit sind wir schon beim Thema Trinken und Höhe(nmeter), man hört und liest hier von der Notwendigkeit, mehr als 5 Liter Wasser bzw. Flüssigkeiten täglich trinken zu müssen und manch anderen Horrorgeschichten. Aus einem früheren groben und vereinfachten Anhaltswert machen manche eine wahre Wissenschaft und brauchen mehr als 50% des Rucksackvolumens für Flüssigkeiten. Fakt ist, dass der Organismus in der Höhe im Vergleich zu Aufenthalten im Tal schon allein durch die Atmung sehr viel mehr Flüssigkeit verliert und man somit bei sonst gleichem Anstrengungsprofil wesentlich weniger schwitzen muss. In den südamerikanischen Anden gibt es die Faustregel je 1000 Höhenmeter ½ Liter Flüssigkeit je Tag mehr zu sich zu nehmen, als es vom „Schwitzverhalten“ eigentlich notwendig ist. Als Beispiel: Wohnt man normalerweise auf 500m ü.NN und hält sich auf 3500m ü.NN auf, sollte man 1,5l mehr trinken, als man bei identischem Anstrengungsprofil in heimischen Höhen trinken würde. An dieser Art zur Ermittlung der Flüssigkeitsverluste will ich mich in den nächsten Tagen halten.

                            Die Zuführung von zu wenig Flüssigkeit führt zu Dehydrierung, Kopfschmerzen und zu einer Blutverdickung, zusätzlich zur höhenbedingten Bluteindickung. Gegen diese Bluteindickung dopen sich dann viele mit Aspirin, Diamox und Co., eigentlich ein absolutes No-Go im Hochgebirge. Pinkelt man mehr als 1 Liter am Tag und hat der Urin kaum Gelbfärbung, dann liegt man bei der Wassermenge gar nicht so falsch. Trinkt man zu viel, dann tut man seinen Nieren keinen Gefallen, sie müssen Schwerstarbeit leisten. Bereits im Studium habe ich gelernt, dass der Mensch 7 Blutkreisläufe (z.B. Herz, Lunge, …) hat, und wenn mehr als 2 dieser Kreisläufe dauert auf Volllast laufen, dann ist Ärger vorprogrammiert. Und genau diese Art von Ärger will ich mir, was das Trinken betrifft, in den nächsten Tagen ersparen.

                            Da wir heute bis in eine Höhe von 3700m vorstoßen werden, dabei im Auf und Ab 1250m nach oben und 250m nach unten unterwegs sein werden, ist heute bei der Höchstgeschwindigkeit noch mehr „pole pole“ angesagt. Oder wie manchmal in Bergbüchern treffend geschrieben:

                            »Wer schneller geht als ein Ochs, der ist ein Ochs.«

                            Durch sein moderates Steigungsprofil in den ersten Tagen gibt einem der Kilimanjaro dennoch eine reelle Chance, sich adäquat auf die als „hammerhart“ geltende Gipfeletappe vorzubereiten.

                            Bereits gestern hatte ich mich mit Fransis unterhalten, ob denn die von mir geplante und bereits seit dem Nalemoru Gate praktizierte Atemtechnik Erfolg versprechend für den Kilimanjaro sein könnte, und zwar die Betonung einer kontrollierten Ausatmung unter erhöhten Gegendruck. Er meinte, dass dies völlig richtig sei, wenn man nicht zu häufig atme, man also Schrittfrequenz und Atmung synchronisiere. Dies bedeutet, dass die Luft bei der immer intuitiv ablaufenden Einatmung genügend Zeit zu einer effektiven Verteilung in der Lunge haben sollte.

                            Da ich von Haus aus ein Zwergfell- und kein Brustkorbatmer bin, fällt mir diese Technik relativ einfach. Den erhöhten Gegendruck beim Ausatmen kann man über ein Ausblasen der Luft durch das Formen der Lippen, als wenn man pfeifen oder eine Kerze ausblasen möchte, bewerkstelligen. Zu meiner Überraschung habe ich in Filmen über den Aufstieg zum Kilimanjaro gerade diese Atemtechnik, die ich mir vorher selbst ausgedacht habe, bei den Bergführern gesehen. Der Hintergrund für diese Vorgehensweise ist, dass aufgrund des vorherrschenden niedrigeren Luftdrucks in der Höhe das Kohlendioxid schlechter aus den unteren Lungenbereichen ausgeatmet werden kann. Atmet man dabei nur „normal“ ungezwungen aus, dann nimmt der CO2-Anteil in diesen Lungenbereichen stetig zu, der Sauerstoffpartialdruck hingegen erniedrigt sich. Als Folge kann dann deutlich weniger Sauerstoff im Körper behalten werden.


                            Wanderung durch Erikawälder

                            In einer stetigen Steigung geht es heute zunächst wieder durch einen Erika-Wald. Da die Gruppen heute mehr oder wenig gleichzeitig starten, ist wesentlich mehr Andrang auf den immer enger werdenden Wegen. Im wahren Eiltempo überholen die vollgepackten Träger die Wanderer. Was mir an vielen Wanderern auffällt, ist die oft unstetige Wanderweise, mal schnell, mal langsam, mal große Schritte, mal kleine Schritte, dann wieder Hinsetzen z.B. an einem Felsbrocken und eine Pause machen. Ich habe mir vorgenommen, mich außerhalb der Camps bzw. Mittagsrastpausen nicht hinzusetzen und in einem gemütlichen stetigen Tempo bei kontrollierter Atmung weiterzugehen.


                            Wanderung durch Erikawälder, Träger mit Rucksack als “Kopfbedeckung”

                            Mit dem stetig fortschreitenden Vormittag wird das Wetter immer schlechter, die Sonne lässt sich immer weniger blicken und es wird merklich kühler. Auch die Vegetation wird mit der zunehmenden Höhe deutlich niedriger, wir sind an der Grenze zwischen dem Heideland und dem höher gelegenen wuchsniedrigeren Moorland angelangt, am nördlichen Kilimanjaro also auf über 3200m ü.NN.


                            Eine andere Gruppe an einem Pausenplatz

                            Einen kurzen Abstecher machen wir zur sogenannten First Cave, einer Höhle, die bis vor wenigen Jahren noch als Übernachtungsplatz für die Träger herhalten musste. Heute erkennt man die frühere Nutzung der Höhle v.a. durch die rußgeschwärzte Höhlendecke.


                            First Cave, Schwarzfärbung der Decke aufgrund früherer Feuerstellen

                            Kurz vor unserem geplanten Mittagsplatz an der Second Cave, wird der Anstieg nochmals deutlich steiler und es wird stark nebelig, die Sicht liegt kaum noch bei 50m. Nach gut 3 Stunden Wanderung seit dem Start vom Simba Camp erreichen wir die Second Cave, nur wenige Minuten nach den Trägern. Diese sind noch mit dem Auspacken der Küchenutensilien in der Höhle beschäftigt, da heute ein warmes Mittagessen angesagt ist.

                            Das Wasser zum Kochen und Trinken stammt in diesen Höhen noch von Bachläufen in der Nähe der Camps. Ab dem Kibo-Sattel, also ab übermorgen, muss das Wasser von weiter unten mitgenommen werden. Als Tischplatte zum Essen suche ich mir einen Fels heraus und wie aus dem Nichts organisiert ein der Träger einer anderen Gruppe einen Stuhl für mich, damit habe ich ja überhaupt nicht gerechnet. Solch ein unkompliziertes Aushelfen zwischen den Gruppen werde ich in den nächsten Tagen noch öfters sehen können. Nach einigen Minuten kommt einer unserer Träger und tauscht den Stuhl aus. Wie schon das gestrige Abendessen, besteht auch das heutige Mittagessen aus 3 Gängen, ist also wieder mehr als üppig.


                            Mittagsrast an der Second Cave - Küchenzelt einer anderen Gruppe

                            Gut gesättigt und nach einer genügend langen Verdauungspause startet nun der 2.Teil der heutigen Tagesetappe. Seit der Ankunft an der Second Cave habe ich meine Guide Fransis nicht mehr gesehen, erst jetzt beim Abmarsch lässt er sich wieder blicken. Die normale Rongai-Route würde jetzt direkt in Richtung Kibo weiter zur dritten Höhle führen, die Kikeleva-Route zweigt ab der Second Cave nach Osten in Richtung des Mawenzi ab. Es ist also diese Teiletappe eine Bergquerung, wir sind jetzt schon auf 3500m und müssen kaum noch 200m Höhenmeter hinter uns bringen. Dazwischen sind aber noch viele Bachläufe zu queren und die Nässe kommt ab jetzt auch noch zusätzlich von oben, aus einem leichten Nieseln wird Dauerregen.

                            Ein Wetter, das wie geschaffen für einen Regenschirm ist, auch dann, wenn man Gore-Tex-Kleidung anhat. Spätestens jetzt lächelt niemand mehr über meinen Regenschirm, mein Hut bleibt den ganzen Nachmittag trocken, trotz Verwendung als Kopfbedeckung. Auch über die unerwartet gute Wasserdichtigkeit meiner Berghose (Lundhags Traverse) bin ich inzwischen sehr positiv überrascht. Sie ist zwar eigentlich offiziell nur Wasser abweisend, aber nass geht es nicht durch, an Gewicht hat sie jedoch sehr deutlich zugenommen.

                            Aus einem bis hierher mehr als 1 Meter breiten Wanderweg wird ab hier ein kaum noch 30cm breiter und 50cm tief eingetretener Pfad. Obwohl man jetzt schon im Moorland ist, verhüllt der Nebel die Aussicht auf die Landschaft. Mehr als 20m Sicht ist kaum möglich. Fast nur im Blindflug geht es immer näher in Richtung unseres heutigen Camps. Auch jetzt sind immer wieder Wanderer zu sehen, die einen erschöpften oder zumindest einen beginnend desillusiorischen Eindruck bei mir erwecken. Liegt es nur am Wetter oder müssen sie schon der Höhe Tribut zollen? Bereits heute vormittag gab es schon Gegenverkehr von Absteigern. Unmittelbar vor dem Camp gilt es noch ein kleines Moor zu durchqueren. Es ist aber machbar, mit relativ geringen Anhaftungen von Matsch.

                            Da Fransis und ich anscheinend das Tempo betreffend wieder sehr schnelle „Ochsen“ waren, heißt es nach dem Eintreffen im Kikeleva Camp abermals warten, bis Fransis mit den Trägern zusammen einen Platz für die Zelte gefunden hat. Gut eine halbe Stunde im Nieselregen (unter dem Regenschirm) ausharrend dauert es, bis mein Heim bzw. Zelt aufgebaut ist. Eine Tätigkeit, die sich die Träger nicht abnehmen lassen und sich dabei jedweder Einmischung verbieten.

                            Auch heute bin ich immer noch ohne irgendeine Form von Kopfschmerz, Schwindel oder Übelkeit, ob das so weiter geht? Einzig das neblige Nieselregenwetter könnte einem am heutigen Tage etwas die Stimmung vermiesen, das Wetter ist mir aber absolut egal. Hier heißt es eher: „Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur eine schlechte Ausrüstung!“.

                            Da der Regen auch in den verbleibenden hellen Nachmittagstunden nicht nachlässt, kann man sich kaum außerhalb der Zelte aufhalten. Als Aufenthaltsraum für diese Fälle haben größere Gruppen dazu ihr (M)Esszelt, welches im aufgebauten Zustand zu Tageszeiten als Treffpunkt der Gruppe und des Nachts als Herberge für die Träger dient. Für mich bleibt somit nichts anderes übrig, mich ins eigene Zelt zurückzuziehen und mir mit Kreuzworträtseln die Zeit bis zum Abendessen zu vertreiben. Auch dass Esszelt der anderen Zara-Gruppe ist leer.


                            Kikeleva Camp im Nieselregen - links Esszelt einer anderen Gruppe

                            Das heutige Abendessen im Kerzenlicht ist wieder mehr als vorzüglich und viel zu reichlich. Im Anschluss an das Essen steht mit Fransis wieder die Durchsprache des kommenden Tages an.

                            Gegen 21 Uhr ist dann für mich eigentlich die Nachtruhe angesagt. Bis auch noch die letzten Gruppen mit dem Abspülen fertig sind, dauert es darüber hinaus noch eine Weile. Erkennbar sind diese Spülvorgänge im Lager durch ein unendliches Stimmengewirr aus Kisuaheli. Wer aber jetzt denkt, dass danach für heute Nacht Ruhe einkehrt, der irrt gewaltig. Aus allen Ecken und Enden im Lager hört man nun ein Husten, oft auch in einer nicht gerade gesund erscheinenden Stimmlage. Bei manchen ist es wohl nicht auszuschließen, dass sie das fehlende Einschlafen mit einem Dauergeplabber mit dem Nachbarn im Zelt kompensieren wollen. Kaum bin wieder fast eingeschlafen, beginnt im nächsten Zelt ein Gespräch. Denken die denn nicht daran, dass man Zeltgeräusche hier mehr als 50m hören kann. Aber irgendwie schaffe ich es doch noch, diesem Gerede zu entfliehen und ohne langwierigen Schäfchenzählen in den Schlaf zu fallen.

                            Irgendwann in der Nacht drückt die Blase doch noch und ein Gang zum Klozelt ist unausweichlich, interne Diskussionen dazu sind zwecklos. Beim Heraustreten aus dem Zelt herrscht bei einer geschätzten Temperatur in niedrigen einstelligen Celsiusgraden ein sternenklarer Himmel. Der Mond scheint am wolkenlosen Himmel und Kibo und Mawenzi strahlen um die Wette, ein wahrhaft herrlicher Anblick. In Richtung Norden sieht man die Lichter des 3000m tiefer liegenden kenianischen Tieflands.


                            Regen im Camp, was der helle runde Kreis am linken Esszelt einer anderen Gruppe darstellt ist mir nicht bekannt.

                            Obwohl mein kleines Geschäft zügig erledigt ist, herrscht beim Rückweg zum eigenen Zelt unerwartet dichter Nebel. Die Wetterbedingungen ändern sich an diesem Ort aber verdammt schnell.

                            Heute ist zwar glücklicherweise wieder ein tretminenfreies Gebiet, aber mit den Abspannseilen der Zelte gibt es nicht wenige Stolperfallen am Weg. Und da so manch ein kleinerer Felsbrocken auf der Strecke liegt, ist hier auch zur Vorsicht geraten.

                            Ich habe ja das Glück alleine im Zelt zu sein. Bei einem bzw. einer PartnerIn im Zelt ist es ohne T-Zelt durchaus noch mehr angebracht, den Schuhen für den nächtlichen Gang aus dem Zelt ein anschließendes Haus- bzw. Zeltverbot zu erteilen. Grund dafür ist weniger die zuvor schon vorhandene Geschmacksnote aus dem Schuhinnern als vielmehr im Schuhprofil eingeschleppte, mit Geschmack behaftete Restposten von Geschäften menschlicher Art. Erst nach einer genaueren Profilkontrolle dürfen die Schuhe bei mir wieder ins Zelt.


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                            Fortsetzung folgt:

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                            Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                            Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                            (Autor unbekannt)

                            Kommentar


                            • Bergzebra
                              Erfahren
                              • 18.02.2013
                              • 285
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

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                              Fortsetzung des Reiseberichts:


                              “Alpenglühen” des Kibos im Morgenlicht, links der Rebmann-Gletscher, rechts der Stufengletscher


                              “Alpenglühen” am Hans Meyer Peak (5149m) des Mawenzi

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                              Zu den letzten Wassern


                              Kikeleva Camp - Mawenzi Tarn Camp


                              Start: Kikeleva Camp 3.630m ü.NN (8:30 Uhr)

                              Ziel: Mawenzi Tarn Camp 4.310m ü.NN (11:30 Uhr)

                              Draußen wird es schon wieder hell. Obwohl ich im Zelt noch nie in dieser Höhe von über 3.600m ü.NN geschlafen habe, ist bei mir von Kopfweh, Übelkeit oder Ähnlichem nichts zu merken. Meinem Pulsoxymeter kann ich irgendwie auch keinen Glauben mehr schenken, denn solche Sauerstoffsättigungswerte hätte ich hier oben nicht mehr erwartet. Ich habe fast das Gefühl, das Gerät zeigt anscheinend nur noch Mindestwerte von über 95% an.


                              Kikeleva Camp, Sonnenschein unter den Wolken


                              Kikeleva Camp, Sonnenaufgang zwischen den Wolkenschichten

                              War es innerhalb des Zeltes im Schlafsack den Umständen entsprechend noch mollig warm, gibt es den Schock nach dem Verlassen des Zeltes. Alles, aber auch alles ist mit einer dicken weißen Reifschicht überzogen, es hat also deutlich unter 0°C. Vom Temperaturempfinden her habe ich aber eher das Gefühl, es wäre nicht so kalt. Im Kikeleva Camp befinden wir uns heute bereits über den Wolken, die Sonne ist aber noch darunter, sodass man die kenianische Tiefebene sonnenüberflutet erkennen kann. Hier oben ist zwar wolkenloser Himmel, die Sonne fehlt aber noch. Vielleicht gibt es heute, wie auch schon Gestern, ein Alpenglühen des Kibo und Mawenzi, da die Sonne im Nordosten, also hinter mir und dem Zelt aufgeht.

                              Nachdem die tägliche Katzenwäsche erledigt und somit die persönliche Duftnote wieder in eine leicht erträglichere Geschmacksrichtung verändert worden ist, ist auch der Sonnenaufgang so weit, dass sich an den Spitzen des Kibo sowie des Hans Meyer Peak eine immer stärker werdende Rotfärbung abzeichnet. Nach wenigen Minuten ist der ganze Kibo orangefarben, einmal von den weiß schimmernden verbliebenen Gletscherfeldern des Rebmann- und Stufengletschers abgesehen.


                              Kikeleva Camp, Blick zum Mawenzi


                              Kikeleva Camp, Alpenglühen über den Kibo

                              Der heutige Weg ist mit gut 5km Länge die kürzeste Tagesetappe, es sind aber fast 800 Höhenmeter bis zum Mawenzi Tarn Camp zu meistern. Nach dem wieder reichlichen und geschmacklich guten Frühstück, machen wir uns bereits um halb Neun auf den Weg, zunächst noch bei gemütlicher Steigung, in einer aber immer niedriger werdenden Vegetation. Aus dem Pflanzenbestand eines zu querenden Tals ragen die unwirklichen und gewaltigen Senecien hervor, eine Bromelienart, die es so offiziell nur am Kilimanjaro gibt. Dies gilt aber nur, wenn man noch nicht in Peru oder Ecuador war, denn Parallelen z.B. zur Puya Raimondii in Peru sind unverkennbar. Aufgrund der isolierten Lage des Berges gibt es am Kilimanjaro viele Pflanzen, die nur hier vorkommen.


                              Blick aus 3800m ü.NN in das kenianische Tiefland


                              Tal voller Senecien auf 4000m ü.NN


                              Zum Vergleich eine Puya Raimondii im peruanischen Nationalpark Huascaran auf gut 4000m ü.NN

                              Ab jetzt wird der Pfad wesentlich felsiger und steiler, die Gräser halten sich, sofern überhaupt noch vorhanden, in ihren Wuchshöhen immer mehr zurück. Hinter uns im Norden ist unter den Wolken das kenianische Tiefland erkennbar, im Westen der Anlauf der Rongai-Route in Richtung des zwischen Mawenzi und Kibo gelegenen Kibo-Sattel. Wir nähern uns Stück für Stück immer mehr der 4000m Grenze, die Sauerstoffmenge je Volumeninhalt in der Luft liegt jetzt nur noch bei 65% im Vergleich zur Meereshöhe. Jetzt wird es doch hoffentlich helfen, dass man in den letzten Tagen nicht wie ein Ochs gerannt ist, also wirklich nur pole pole.


                              Zwischen Kikeleva Camp und Mawenzi Tarn Camp - Blick in Richtung Kibo

                              Warum die nach etwa 2 Stunden beginnende Steilpassage die Zuhilfenahme der Hände benötigt, wie es in der einschlägigen Literatur zum Kilimanjaro beschrieben wird, bleibt mir ein Rätsel. Im kombinierten Allfuß- und Allhandantrieb voran geht es hier eigentlich nur bei einem Blutgehalt im Alkohol von weniger als 99,8%. Auch von dort beschriebenen zu übersteigenden Felspassagen ist nichts zu sehen, haben wir uns etwa verirrt? Nichts dergleichen, aber die Steilheit des Geländes nimmt in diesem Abschnitt deutlich zu. Von den schwer bepackten Trägern werden auch kaum noch Überholversuche vorgenommen. Fast schon in Zeitlupe geht es die etwa 100m im steilsten Abschnitt nach oben. Ist dies wohl schon ein erster Vorgeschmack auf die Gipfeletappe?

                              An dieser Steigung lässt sich auch eine betont langsame aber runde und nicht mit Absetzbewegungen verbundene Gangweise üben. Bei einer Absetzbewegung, d.h. man bleibt fast schon mit einem Fuß stehen, wie z.B. bei höheren Stufen üblich, verliert man sehr viel Muskelspannung in den Beinen und es ist sehr viel mehr anstrengend an Höhe zu gewinnen. Ich habe mir für eine eventuelle Gipfeletappe vorgenommen, auch nicht in den Pilgerschritt zu verfallen, also nicht bei jedem Vorwärtsschritt zusätzlich mit dem Oberkörper eine leichte Verbeugungsbewegung nach vorne zu unternehmen. Solch einen Pilgerschritt sieht man oft in Filmaufnahmen zum Kilimanjaroaufstieg. Wenn schon der Fischers Fritz bei den harten Anstiegen zu seinen Biathlonmädels und -jungs sagt, dass sie nicht in den Rundrücken fallen sollen, dann kann eine solche Vorgehensweise am Berg nur recht und billig sein. Es lässt sich bei durchgestrecktem Rücken einfach freier atmen und wenn man nur mit den Armen den Rucksack von unten etwas nach oben drückt.


                              Der steilste Aufstieg für heute ist geschafft


                              Pause mit Blick auf den Mawenzi in 4200m ü.NN

                              An diese Teststrecke schließt sich wieder ein „Flachland“ an, es bietet sich ein herrlicher Blick auf das Panorama der „Nordwand“ des Mawenzi. Nach dieser Zwischenerholung im „Flachland“ gilt es noch einmal eine Steigung zu überwinden, wir erreichen auf über 4400m den Kesselrand des Mawenzi Tarn. In Laufrichtung rechts sieht man schon die morgige Strecke in Richtung der Kibo-Hut, wir zweigen aber heute nach links bzw. nach Osten ab, um nach gut einem Kilometer in dem an einem See gelegenen Mawenzi Tarn Camp anzukommen. Die windgeschützte Lage in einem Kessel an einem kleinen See, umrahmt von der 800m hohen Skyline des Hans Meyer Peak, macht es wohl zum schönst gelegenen Camp aller Aufstiegsrouten. Es gibt auch nirgendwo anders am Kilimanjaro in diesen Höhen noch flüssiges Wasser bzw. ein Gewässer.


                              Mawenzi Tarn Camp 4310m ü.NN und Hans Meyer Peak 5149m ü.NN


                              See an der Mawenzi Tarn

                              In nicht einmal 3 Stunden haben wir die Strecke zurückgelegt. Auch jetzt will sich bei mir noch kein Kopfschmerz oder Unwohlsein einstellen. Wenn da vorher nur noch Luft im Kopf war, ist dann jetzt da auch der Luftanteil niedriger? Scherz beiseite, eigentlich hatte ich zumindest einen Bewegungskopfschmerz erwartet, d.h. bei schneller Kopfbewegung braucht das Hirn etwas länger zum Abbremsen. Man hat dann das Gefühl die Hirnmasse würde an der Schädelwand anschlagen. Solch ein Schmerz wäre ein Anzeichen, dass sich der Organismus noch in der Anpassungsphase zur Höhe befindet.
                              Der Einstieg in eine Höhenkrankheit ist die AMS (acute mountain sickness), bei uns auch „akute Höhenkrankheit“ bezeichnet. Ihr Leid- bzw. Leitsymptom ist der Höhenkopfschmerz. Daneben treten frühzeitig auch Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Schwächegefühl, Schwindel, nächtliche Atempausen und Schlafstörungen ein. Die akute Phase tritt ein, wenn sich dazu noch Erbrechen, Atemnot auch in Ruhe, schwerer Husten mit bräunlichem Auswurf sowie extrem verringerte bis fehlende Harnproduktion gesellen. Unbehandelt bzw. ohne eine Gegenreaktion auf diese Symptome kann sie tödlich enden. Die wichtigste Reaktion darauf ist der umgehende Abstieg nach unten. Kommt es auch noch zu neurologischen Symptomen wie Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma, Ataxie und Sehstörungen, so ist der Einstieg zum Höhenhirnödem erreicht, in der Literatur meist HACE (high-altitude cerebral edema) genannt.

                              Alleine oder in Verbindung mit dem Höhenhirnödem kann das Höhenlungenödem (HAPE) auch ohne Vorwarnzeichen auftreten. Durch eine Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe ist der Sauerstoffaustausch stark reduziert. In dieser Phase ist plötzlicher Leistungsabfall das Leid- bzw. Leitsymptom. HACE und HAPE führen unbehandelt bzw. ohne eine Reaktion darauf zum Tode!

                              Unmittelbar bei Ankunft messe ich aus Interesse meine Sauerstoffsättigung im Blut, 95% bei Puls 125 und das auf 4315m ü.NN. Dem Pulswert kann ich ja noch vertrauen, aber beim Sauerstoffgehalt muss sich doch mein Pulsoxymeter vermessen haben! Meine Messung wird auch von einer anderen Gruppe beobachtet, aus Interesse wollen auch sie eine Pulsoxymetermessung durchführen. Auch wenn sie schon 10-20 Minuten vor mir angekommen sind, die Sauerstoffwerte liegen alle unter 90% und die Pulszahlen meist über 130.

                              Mein Gepäck ist zwar schon da, aber das Zelt fehlt noch, auch die Kochausrüstung ist noch auf der Strecke. Bei herrlichem Sonnenschein und Temperaturen um die 20°C lässt sich die Wartezeit problemlos genießen. Egal wo man den Blick schweifen lässt, die Aussicht ist einfach nur herrlich, auch wenn man vom Camp aus den Kibo aufgrund der Kessellage nicht sehen kann. Zum Glück werden die Träger mein Zelt auch weit weg vom Wasser aufbauen, denn mein Packsack liegt als Zeltmarkierung ohne mein Zutun weit vom See entfernt. Ich habe zwar keine Angst, dass es heute Nacht hier oben zu einer Überschwemmung kommen könnte, aber direkt am Wasser ist es in den Morgenstunden immer wesentlich kälter als weiter davon entfernt.

                              Aber warum stehe ich jetzt schon fast eine Stunde ohne Kopfbedeckung in der Landschaft herum?

                              Bin ich denn total bescheuert, einfach den Hut abzunehmen und nicht mehr aufzusetzen! Irgendwie wird es mir ein wenig warm in der Birne, es fehlt nicht mehr viel und ich könnte mir am Kopf die Hand verbrennen, man bin ich blöd! Da versucht man alle Vorbereitungen gegen eine Höhenkrankheit zu treffen und provoziert ohne Notlage einfach einen Sonnenstich! Jetzt hilft nur noch eines, sofort ins Zelt und die nächsten 1-2 Stunden nicht mehr unter die Sonne. Zum Suchen im Rucksack hatte ich den Hut abgenommen und einfach nicht mehr aufgesetzt.

                              Da mir aber das anschließende warme Mittagessen noch sehr gut mundet und der Appetit auch noch ganz normal ist, habe ich die Notlage doch noch rechtzeitig erkannt. Mit meiner selbst verordneten Zwangspause fällt natürlich der Aufstieg zum 50m höher gelegenen Bienenkorbfelsen als Akklimatisationshilfe flach.

                              »Go high, sleep down« – so heißt eigentlich die Devise beim Höhenbergsteigen. Man sollte also bei der Schlafhöhe unter der höchsten erreichten Höhe des Tages bleiben. Persönlich bin hier aber eher der Meinung, dass es sich dabei um ein vereinfachendes Sprichwort handelt. Woher soll der Organismus eigentlich wissen, dass man schon für ein paar Minuten weiter oben in der Höhe war? Da müssten ja verdammt schnell neue neuronale Verknüpfungen im Gehirn geknüpft werden.

                              Ich vermute den positiven Effekt einer niedrigeren Übernachtungshöhe eher auf der psychologischen Seite. Wenn der Verstand zum Unterbewusstsein sagt, dass das beginnende Problem ja nicht an der Höhe liegen kann, da man ja schon höher oben war und dort das Problem noch nicht da war, dann gibt sich das Unterbewusstsein eher mit der Antwort zufrieden, dass alles noch den Umständen entsprechend in Ordnung ist. Ähnliches dürfte für den Fall gelten, wenn sich Höhenprobleme durch den Abstieg auf Schlafhöhe verringern. Der Teufelskreis von Unterbewusstsein und Verstand nach dem Motto

                              »Wenn er denkt, dass ich denke, dass er denkt …«

                              endend im

                              »Hilfe ich werde höhenkrank«-Symptom

                              wird hoffentlich zeitlich nach hinten verschoben oder gleich gänzlich unterbrochen.

                              Für mich gilt hier immer der vielleicht primitiv anmutende Spruch:

                              »Was haben seekrank, höhenkrank und der Schlackeneinschluss beim Schweißen gemeinsam?«

                              Die Antwort:

                              »Kaum denkt man nur daran, hat man es schon!«

                              Oder anders ausgedrückt:

                              Die (übertriebene) Angst vor dem Problem führt erst zum Problem, sinnbildlich wiedergegeben im afrikanischen Sprichwort:

                              »Die Furcht vor der Gefahr ist schrecklicher als die Gefahr selbst.«

                              Auch sollte man die Einschätzungen der Reaktionen des eigenen Körpers in der Höhe nicht zwischen der Höhenanpassung (Adaption) und der Höhenakklimatisation verwechseln.

                              Aber wer will seinem Organismus noch die Zeit geben, sich von selbst anzupassen?

                              Viel zu oft ist im täglichen Leben ein pharmazeutisches oder homöopathisches Helferchen zur Hand für Dinge, die der Körper auch ganz von alleine selbst regeln könnte. Hat der eigene Körper dies in den Jahren zuvor unter tatkräftiger Mithilfe des eigenen „Verstandes“ professionell und konsequent verlernt, wie soll er es dann in dieser Ausnahmesituation am Berg urplötzlich wieder beherrschen? Kennt man denn sein Innenleben so weit, dass man dabei die Reaktion und/oder beginnende Hilflosigkeit seines eigenen Körpers überhaupt unterscheiden kann oder Willens dazu ist? Darf man den Gesprächen im Basishotel vor dem Aufstieg Glauben schenken, dann sind die pharmazeutischen und homöopathischen Abteilungen in den Rucksäcken vieler Kilimanjarobesteiger besser ausgestattet als ein Großteil der Apotheken und Krankenstationen im restlichen Tansania.

                              Eine vielleicht noch vorhandene mentale Leistungsfähigkeit teste ich gerne durch das Lösen von Kreuzworträtseln. Da dies heute auch noch nach dem Mittagessen problemlos funktioniert, habe ich mit dem Sonnenstich noch mal Glück gehabt, dem Organismus also genügend Zeit und Muße zur Reaktion gegeben. Wenn sich der Organismus dabei nicht „verrennt“, ist auch kein pharmazeutisches Eingreifen notwendig. Auch ist es sicherlich eine innerliche Genugtuung seinem Organismus dabei beobachten zu dürfen, wie er die Situation alleine erfolgreich meistert, ohne dabei die Boni von Pharmaziemanagern in die Höhe treiben zu müssen oder sich in den Tentakelnetzen der Homöopathie verfangen zu müssen.


                              Campbetrieb im Mawenzi Tarn Camp

                              Die Zeit bis zum Abendessen vertreibe ich mir noch mit einem Spaziergang durch das Camp und manch einem Gespräch mit anderen Leidensgenossen. Richtig verdutzt schauen mich drei schon von den Vortagen bekannte Südafrikaner, alle mit einer Coca-Cola Dose in der Hand, auf meine Frage an,

                              »Hi, Ihr habt das falsche Getränk für diese Route gekauft!«

                              »Warum das falsche Getränk?«, antwortet einer von Ihnen.

                              »Die Coca-Cola-Route ist ganz woanders!« ist meine Antwort, die er mit dem Spruch

                              »Eigentlich hätte das hier die Bierroute werden sollen!« erwidert.

                              Das Trinkwasser für heute und den nächsten beiden Tagen muss aus dem kleinen See direkt neben den Zelten entnommen werden, farblich noch deutlich gelber als mein kleines Geschäft und geschmacklich auch mal eine zusätzliche Erfahrung. Üblicherweise erhält man auf den Touren aber nur abgekochtes Wasser, Entkeimungsmittel sind eigentlich nicht notwendig. Am Morgen und abends werden dann die selbst zu verbrauchenden Trinkwassermengen wieder in die Trinkflaschen abgefüllt.


                              Kaffee kochen auf Tansanisch

                              Nach dem Abendessen steht wieder das alltägliche Briefing für den nächsten Tag an. Morgen wird es zu Mittag nur kalte Küche geben, da wir sonst etwas spät am Ziel ankommen würden. Auch müssten die Träger das zusätzlich notwendige Wasser vom Last-Water-Point der Marangu-Route zusätzlich holen, weil sonst die erlaubten Ladungsgewichte der Träger überschritten wären.

                              Es soll morgen nicht, wie ursprünglich in der Reiseausschreibung, zur School Hut gehen, sondern zur Kibo-Hut. In der Kibo-Hut übernachten die Aufsteiger über die Marangu-Route in Steinhütten, wir übernachten wie gewohnt in Zelten (eine Hüttenübernachtung wäre gar nicht erlaubt). D.h. schon ab morgen Nachmittag gibt es den oft beschriebenen Autobahnbetrieb der Marangu-Route zu erleben. Die etwa 1 Wanderstunde entfernt von der Kibo-Hut gelegene School Hut hätte zwar wegen ihrer abgelegenen Lage ein Plus an Ruhe bedeutet, aber morgen und am Gipfeltag eine längere Strecke zur Folge.

                              Auf einer neuen persönlichen Rekordhöhe von 4315m ü.NN versuche ich heute das Einschlafen im Zelt, was mir auch umgehend gelingt, auch wenn es immer nur ein mehrmaliger 1 bis 1½ Stundenschlaf wird. Dies dürfte aber nicht nur an der Höhe liegen (-hoffentlich-). Damit man aber überhaupt einschlafen kann, braucht man warme Füße. Dazu ist es notwendig den Luftraum in unteren Fußbereich des Schlafsacks zu verringern, indem ich meine Windjacke über selbigen lege. Dies erspart so manchen Fußschweiß an der Kleidung, wenn man diese Kleidungsstücke in den Fußbereich des Schlafsacks mit hineinnehmen würde. Was das Schweißverhalten an diesen Körperpartien bei mir betrifft, so bin ich hier in keinster Weise ein „Stinkstiefel“. Und ich hoffe, dass es sich in anderen Bereichen nicht anders verhalten wird.

                              Und was hilft dazu, dass man zuvor schon keine kalten Füße bekommt, v. a., wenn man sich nach der Wanderung kaum noch bewegt hat und somit das persönliche Auskühlen testet?

                              Ganz einfach:

                              Eine Mütze aufsetzen!

                              Hört sich zunächst bescheuert an, ist aber äußerst effektiv. 1/3 des energetischen Grundumsatzes des Menschen benötigt der Kopf. Trotz eventuell noch vorhandener Haarpracht hat der Kopf eine riesige Oberfläche für Wärmeverluste. Ist man außer am Kopf warm angezogen, dann können bis zu 90% der Wärmeverluste in der Kopfgegend erfolgen. Da der Körper versucht das Gehirn und somit seinen Kopf optimal zu versorgen, zieht er die Wärme aus anderen Regionen und hier v. a. von den Füßen ab, falls die Temperatur im Kopf zu stark abfällt. Mit Mütze braucht er dies nicht bzw. kaum und die Wärme kann auch noch in den Fußsohlen bleiben.

                              Da Wanderschuhe ein hohe Sohle haben, reduzieren auch diese das Auskühlen an den Fußsohlen. Eventuell ist es dann auch durchaus ratsam, im Essenszelt am Stuhl sitzend unter die Schuhe sein Iso-Sitzkissen zu legen. Auch dies schiebt das kalt werden der Füße zeitlich nach hinten hinaus. Ebenfalls sollte man im „Schlafzimmer“-Zelt die Füße, auch noch bei angezogen Schuhen, nie auf dem blanken und kalten Boden legen.

                              Aus eigener Erfahrung ist es sehr ratsam mit möglichst wenig Kleidung im Schlafsack zu nächtigen. Auch wenn viele von wahren Kleiderschichtenorgien im Schlafsack am Kilimanjaro berichten, mehr als kurze Unterhose und T-Shirt kommen mit mir auf dieser Tour nicht in den Genuss eines warmen Schlafsacks. Sollte es wirklich etwas zu kalt an den Füßen werden, dann kann ich immer noch meine Jacke über den Fußbereich des Schlafsacks legen. Damit erhöht sich zwar nicht die Isolationswirkung des Schlafsacks, es reduziert sich aber die aufzuwärmende Luftmengen im Fußbereich des Schlafsacks.

                              Auch heute ist in den Nachtstunden wieder eine große Unruhe in der Zeltstadt. Es wird zwar weniger geredet als tags zuvor, aber die diversen Hustensymphonien aus den verschiedenen Zelten haben nochmals deutlich an Intensität zugenommen. Ebenso war bereits zuvor beim Essen der Geräuschpegel in den Essenszelten der jeweiligen Gruppen im Vergleich zu den Vortagen auf deutlich niedrigerem Niveau gewesen.

                              Aber jetzt ist wieder genug für heute geredet, morgen ist auch wieder ein Tag und vorher brauche ich noch mindestens eine Mütze Schlaf.


                              -----------------------------------------

                              Fortsetzung folgt:

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                              Zuletzt geändert von Bergzebra; 01.01.2016, 19:34.
                              Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                              Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                              (Autor unbekannt)

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                              • Maunz
                                Fuchs
                                • 24.08.2009
                                • 1291
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                                Danke für den Bericht!
                                Der helle Fleck bei dme Zeltbild erinnert an einen Reflex dorch einen Wassertropfen.
                                Botanisch haben Puyas und Senecios gar nichts miteinander zu tun - Puyas gehören zu dne bromelien und Senecios sind Korbblütler, also Verwandte von Löwenzahn und Margeriten.

                                Kommentar


                                • Bergzebra
                                  Erfahren
                                  • 18.02.2013
                                  • 285
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

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                                  Fortsetzung des Reiseberichts:

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                                  Im Sattel durch die Wüste


                                  Mawenzi Tarn Camp - Kibo Hut


                                  Start: Mawenzi Tarn Camp 4.310m ü.NN (8:25 Uhr)

                                  Ziel: Kibo Hut 4.750m ü.NN (13:00 Uhr)


                                  Die heutige Tagesetappe ist einer der Gründe, warum ich mich für die Kikeleva-Route entschieden habe. Zeitlich dürfte sie auf dem Papier vom Höhenprofil her die „angenehmste“ Vorgipfeletappe aller Kilimanjarorouten sein, vorausgesetzt man legt auf den Südrouten keinen Zusatztag im Karanga Camp ein. Die absolute Höhendifferenz beträgt nur gut 400m, aber zuvor geht es 300m abwärts, also sind insgesamt 700 Höhenmeter zu meistern. Die Marangu-Route hat hier über 1000 Höhenmeter zu bieten und ist mit 12km um ein Drittel länger. Die Standard-Südrouten wie Machame oder Lemosho haben eine Happy Hour in der 300m hohen alpinistischen „Frühstückswand“ („Breakfast-Wall“) im Angebot. Gefolgt von einem späteren Zwischenabstieg ins Karanga Valley, dauern sie normal gut 8 Stunden und man hat mehr als 1000 Höhenmeter zu erwandern. Somit ist man kaum vor 16 Uhr im Camp angelangt.


                                  Blick vom Mawenzi Tarn Camp 3500m in die Tiefe

                                  Auch heute zur Morgenstunde hat es außerhalb des Zeltes wieder unter 0°C, der Boden ist gefroren, Reif ist nicht zu erkennen, auch nicht in der Umgebung. Die dürfte der trockneren Luft hier oben geschuldet sein.

                                  Die ersten Sonnenstrahlen versuchen die Umgebung zu erwärmen, was aufgrund der Kessellage des Camps ein nicht ganz so einfaches Unterfangen darstellt. Die Träger haben ja bereits gestern so weit mitgedacht, dass sie das Zelt weit genug entfernt vom kälteziehenden Wasser des Sees aufgebaut hatten.

                                  Auch heute gibt es wieder ein reichliches und wohlschmeckendes Frühstück. Nachdem ich gestern der Küchencrew beim Kaffeekochen zu ihren Eigenverbrauch zugeschaut habe, weiß ich jetzt auch, warum die tagtäglich geschmacklich immer vorzüglichen Pfannkuchen tagtäglich immer schon wieder erkaltet sind bevor sie aufgetischt werden. Mit insgesamt nur einer Kochflamme kann man gleichzeitig immer nur ein Gericht kochen bzw. erwärmen. Und dann ist es doch wesentlich angenehmer kalte Pfannkuchen als kalte Rühreier und Würste zu haben. Auch den Porridge möchte ich inzwischen hier am Berg nicht mehr missen.

                                  Die ersten Gruppen machen sich schon um 8 Uhr auf den Weg. Wie schon die Tage zuvor, lassen wir es wieder gemütlich angehen. Auch wenn wir sehr pole pole gehen werden, aufgrund des gleichmäßigen Tempos und der nur wenigen Pausen werden wir viele von Ihnen auf der Strecke wieder einholen.

                                  Nach dem Frühstück starten wir bei herrlichem Sonnenschein die Panoramawanderung zur fast 10km entfernten Kibo-Hut. Der Pfad dorthin führt zunächst einen Kilometer auf identischer Strecke zu gestern zurück. Dann heißt es 2 bis 3 kleinste Felsen zu erklimmen und der Pfad über den Kibo-Sattel, der Steinwüste zwischen Mawenzi und Kibo, nimmt seinen Anfang. Aufgrund der Höhe deutlich über 4000m haben sich die Geschwindigkeiten in der Vorwärtsbewegung deutlich reduziert, der eigene Verstand und das eigene Unterbewusstsein (Groß- und Kleinhirn?) sind anscheinend jedoch noch synchronisiert, denn von außerplanmäßigen Höhenproblemen ist nichts zu erkennen.


                                  An der Abzweigung zum Kibo Sattel und Mawenzi Tarn Camp

                                  Zunächst führt uns der Weg am Nordwesthang des Mawenzi weiter, zeitweise noch etwas bergauf und bergab, bevor der Abstieg in die Niederungen des Kibo-Sattel beginnt. Ab hier ist auch schon auf der gegenüberliegenden Seite des Sattels das heutige Tagesziel, die Kibo-Hut, ersichtlich, nördlich daneben die School Hut, und unverkennbar die morgige Aufstiegsroute an den Kraterrand des Kibo.


                                  Die Weiten des Kibo Sattels

                                  Um den Kibosattel in allen Pixeln der Aufnahme sehen zu können bitte hier klicken.


                                  Die Weiten des Kibo Sattels - links blau die "schiefe Ebene" der Marangu-Route von den Horombo Huts kommend, rot die Strecke der Kikelevaroute

                                  Und da geht es heute Nacht hinauf? Da wird es ja heute Nacht verdammt steil werden. Alles bis zur Kibo-Hut schaut so nah und so flach aus, aber es sind 700 Höhenmeter zu meistern, auch wenn man glaubt, dass man fast in der Waagrechten unterwegs ist.


                                  Blick über den Kibo-Sattel zur nächtlichen Aufstiegsstrecke von der Kibo-Hut zum Gillman’s Point

                                  Der Kibo-Sattel ist die über 4500m hoch gelegene fast 10km lange Tiefebene zwischen Mawenzi und Kibo. Von der Ferne aus südlicher oder nördlichen Richtung betrachtet hat diese Tiefebene die Form eines Sattels, daher auch der Name Kibo-Sattel.

                                  Richtiggehend frustrierend für mich sind etwa 20 Minuten, die ich beim Zwischenabstieg zum Kibo-Sattel unmittelbar hinter einer 10 Personengruppe verbringen muss. Im reinsten Ziehharmonika-Prinzip wird hier gelaufen, keine Kontinuität, mal schnell, mal langsam, mal ein unangesagter Sofort-Halt, was aber sicherlich nicht am Guide liegt, denn dieser läuft sehr gleichmäßig. Die ganze Zeit ist man damit beschäftigt, den Vordermann nicht auf die Fersen zu treten. Es besteht kaum eine Chance sein eigenes Schritttempo zu finden, geschweige sich der Schrittfolge des Vordermanns anzupassen.

                                  Hätte ich die letzten 3 Tage in solch einer Gruppe laufen dürfen, ich wäre schon längst wieder unten im Tal. Entweder mit der Diagnose „massiv höhenkrank“ oder mit einem kapitalen Nervenzusammenbruch behaftet. Auch Guide Fransis wird die Sache langsam zu bunt, entweder wir machen jetzt eine Pause oder wir überholen die Gruppe, den Stop-and-go-Verkehr vor uns sind wir inzwischen überdrüssig.

                                  Vor einer Spitzkehre tippe ich Fransis auf die Schulter und deute mit Daumen und Kopfdrehen, dass wir hier durch eine Abkürzung die vor uns laufende Gruppe überholen könnten. Fransis versteht die Geste sofort und wir nützen unsere Chance.

                                  Kaum ist die Gruppe überholt, ist für uns wieder ein normales und gleichmäßiges Wandern möglich. Es ist zwar inzwischen in der Sonne mollig warm, aber über den Rongaipfad ziehen Eiswolken über den Sattel in Richtung Süden. Hat es in der Sonne gefühlt durchaus deutlich über 25°C, kühlt es in solchen Wolken schnell auf Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ab.


                                  Blick vom Kibosattel zurück zum Mawenzi


                                  Man meint es wäre Ebene, aber 6km lang 12% Steigung

                                  Bei solchen Temperaturen ist es jetzt eine gute Möglichkeit, das Atmen durch die mitgebrachte Sturmhaube zu üben, sicherheitshalber schon vor der morgigen Gipfeletappe. Aber der Versuch dazu dauert keine 10 Atemzüge, dann steht für mich fest, dass die Sturmhaube bestenfalls nur als Schalersatz herhalten darf. Trotz der zahlreichen Atemöffnungen in der Maske ist der Gegendruck beim Ausatmen zu hoch, es dauert für mich einfach zu lange, die Luft aus der Lunge zu bekommen und die körpereigene Einatmungsfraktion wartet schon wieder sehnsüchtig auf Nachschub. Auf kaum 30 Meter bin ich völlig außer Atem, sogar der vorauslaufende Fransis dreht sich besorgt nach mir um. Ohne Sturmhaube ist die Atmung aber umgehend wieder normal. Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn ich die Sturmhaubenatmung erst unmittelbar beim Aufstieg ausprobiert hätte.

                                  Durch eine hochalpine und für die meisten Bergwanderer als vegetationslos geltende Steinwüste führt uns nun der Weg moderat steigend, was eigentlich 12% durchgehende Steigung bedeutet, in Richtung der Kibo-Hut. In Laufrichtung rechts neben dem Pfad liegen auch die Wrackteile eines vor Jahren hier abgestürzten Kleinflugzeugs, für viele ein Fotomotiv und ein willkommener Pausenplatz. Da die Wrackteile von Hand abtransportiert werden müssten, liegen sie immer noch auf über 4000m ü.NN. Wenn auch viele diese Gegend am Kilimanjaro als sehr öde empfinden, für mich sind Wüsten immer wieder eine neue hochinteressante Naturbegebenheit, schon allein deshalb, weil sie so unterschiedlich in ihren Formen sind.

                                  Irgendwie imposant, vor einem der majestätische, um seinem Gipfel in Wolken gehüllte, Kibo und hinter einem der fast wolkenlose Mawenzi. Aber von Norden nähern sich die hier oben gefürchteten Eiswolken und es wird schlagartig kälter (gefühlte 30° in 10 Sekunden). So viele Schalen kann man beim Zwiebelprinzip der Kleidung gar nicht haben. Aber wie zwei alte Dampflokomotiven ziehen wir pole pole unseren stetigen Weg weiter. Vielen, die wir überholen, sind die Anstrengungen deutlich anzumerken. Auch ich wandere bei geschätzten 90%-Leistung, aber immer noch im anscheinend kontrollierten Bereich. Es reicht aber, um mit der Gesamtsituation sehr zufrieden zu sein.

                                  Fransis schlägt vor, dass wir unser Lunchpaket erst am Ende der Wanderung verspeisen sollten, was ich aber als keine gute Idee empfinde. Meinen Einwand, dass dann der zeitliche Unterschied zwischen Mittagessen und Abendessen gerade vor einem schon um die Mitternachtszeit beginnenden Aufstieg zu unausgewogen sei, überzeugt ihn umgehend. Deshalb machen wir bereits vor 11:30 Uhr im Windschatten der einzigen Felsformation auf der verbleibenden Strecke eine Mittagsrast. Wäre der Weg vom Mawenzi durch den Kibo-Sattel zur Kibo-Hut nicht so ausgelaufen, bei Sichtweiten um die 20 Meter würde man nach der Pause neben dem Pfad nicht einmal diesen mehr finden. In solch einer Wolkensuppe ist es nicht verwunderlich, dass eine am physischen und psychischen Limit laufende Person nicht einmal mehr unterscheiden kann, ob sie nun bergauf oder bergab geht. Tödlich endende Verirrungen soll es deswegen inn dieser Region immer wieder geben. Hoffentlich ist bei manch einem, dem wir auf den Weg hierher überholt haben, die Fernsteuerung richtig eingestellt, wenn man nach deren Verhalten nach ihrer nicht selten apathischen Gangweise beurteilt.

                                  Nach der nicht anders erwarteten überreichlich gefüllten Lunchbox während der Essenspause geht es anschließend gut gestärkt auf die restliche Wegstrecke bei jetzt wieder deutlich mehr Sichtweite. Von links müssten jetzt eigentlich langsam die Wanderer der Marangu-Route zu erkennen sein? Aber tragen die alle ihr Gepäck auf dem Kopf? Von Wanderern noch keine Spur, aber viele Träger sind auf der Marangu-Strecke unterwegs. Rechts würde es jetzt zur School Hut abzweigen.

                                  Anders als auf den meisten Karten eingezeichnet treffen die Marangu-Route und Kikeleva-Route nicht schon 1-2km vor der Kibo-Hut sondern erst etwa 300m unterhalb der Kibo-Hut aufeinander. Kurz vor der Kibo-Hut, bei einer geschätzter Sichtweite von 2km, sind am südöstlichen Horizont doch noch Mzungus (die mit einer normalen „Kopfbedeckung“), also Wanderer, zu erkennen. Die letzten Meter sind noch einmal deutlich steiler, aber vor 13 Uhr ist mit der Kibo-Hut auf 4750m ü.NN eine ganz andere Welt erreicht. Vorbei ist es mit der wohltuenden Abgeschiedenheit der Kikeleva-Route. Wahre Menschentrauben dunkelhäutiger Natur laufen zwischen den Steinhütten herum, Hellhäutige sind dabei noch nicht zu erkennen. Schlafen die heutigen Gipfelbezwinger noch, denn ihre Zelte sind noch aufgebaut oder haben sich alle in den Hütten und/oder Zelte verkrochen?


                                  Kibo-Hut 4750m ü.NN

                                  Weil noch die Zelte des Vortages aufgebaut sind, finde ich mein Zelt an einem sehr abschüssigen Platz neben der Regenrinne der Haupthütte (wenn man von Regenrinne bei 50mm Niederschlag im Jahr sprechen kann, ist also eher ein „Tauauffangrinne“) vor. Ich bin am Überlegen, ob ich Fransis etwas zur unglücklichen Lage des Zeltes sagen soll. Wenn ich mich aber umsehe, ein besserer freier Platz für ein Zelt ist nicht erkennbar, die Zelte der Begleitmannschaft haben ja noch mehr Schräglage.


                                  Kibo-Hut 4750m ü.NN - Hauptübernachtungshütte der Maranguroute

                                  Da die zweite Zara-Gruppe im Mawenzi Tarn Camp einen zusätzlichen Akklimatisationstag einlegt, habe ich ab heute kein „halbeigenes Klozelt“ mehr. Dies ist aber nicht weiter tragisch, da es auf der Marangu-Route fest installierte Toilettenhäuschen geben soll. Hier an der Kibo-Hut zwar in Plumps-Ausführung, aber dafür mit gefliestem Boden. Für die ganze Aufstiegsmeute gibt es drei „Uniklos“, also für Männlein und Weiblein die gleichen Anlagen. Dies hält aber so manch eine(m) nicht davon ab, die bei der Ausübung des Geschäftes aufgrund fehlender Zielgenauigkeit nicht durchs Bodenloch gefallenen Exkrementalmassen (Arsch hinten unten und/oder Kopf oben vorne) trotz in jedem Klo vorhandenem Wischschieber nachträglich nicht zu entsorgen. Stehen die da nicht auf den an den Fliesen aufgezeichneten Fußabdrücken? Gut, eine sonst bei den meisten bekannte DIN-Tiefspül-WC-Schüssel würde den eigenen hinteren menschlichen Abwurfschacht weiter hinten vermuten lassen. Trotzdem, soweit kann Mann oder Frau sich gar nicht verschätzen. Oder leitet in der Höhe auch noch diese Zielgenauigkeit? Entschuldigt die etwas ausschweifende Schilderung dieser kilimanjarospezifischen Probleme, aber wenn etwas nervt, dann nervt es auch. Wir sind doch hier am Kilimanjaro eigentlich unter zivilisierten und erwachsenen Leuten.

                                  Nach und nach treffen aber immer mehr Hellhäutige an der Kibo-Hut ein, um meist sofort in der großen Steinhütte zu verschwinden. Ich nutze die Zeit am verbleibenden Nachmittag zu einem kleinen Rundgang um die ganzen Hütten und zum Beobachten des gesellschaftlichen Treibens, aber außerhalb der Gebäude oder Zelte trifft man nur Träger und Guides an. Wo sind die Wanderer und morgigen GipfelaspirantInnen denn alle geblieben? Aus der großen Steinhütte sind auch keine Gespräche zu hören. In Richtung Osten ist zwar bei inzwischen gänzlich bedecktem Himmel der Mawenzi noch gut zu erkennen, aber kaum 200 Höhenmeter oberhalb der Kibo-Hut beginnt eine schier undurchdringliche Wolkensuppe.


                                  Kibo-Hut 4750m ü.NN, Wegweiser zum Gillman’s Point, links die pastellfarbenen Zelte der japanischen (60+x) Girliegroup


                                  Kibo-Hut 4750m ü.NN, Zeltaußenposten, rechts der Beginn der Aufstiegsroute zum Gillman’s Point

                                  Mit Fransis habe ich das Abendessen für 16:30 Uhr AMT („african maybe time“) vereinbart, damit es auch geplant um 17 Uhr fertig sein wird, denn bereits vor Mitternacht soll der Start der Gipfeletappe erfolgen. Aber irgendwie hat sich der Koch heute bei den Essensmengen für mich verrechnet. Die Wochenration Nudeln mit Tomatensoße kann ich unmöglich vertilgen, trotz riesigem Appetit, da werden auch noch die 5 Anderen in der Mannschaft problemlos satt.

                                  Wie schon an den Vortagen, so muss ich auch heute bei der Luftbefüllung meiner Downmat etwas nachhelfen. Außerhalb des Zeltes würde dies mit dem Packsack problemlos funktionieren. Im Zelt ist aber der Platz dazu zu eng. Auch wenn man es wegen der feuchten Atemluft nicht machen sollte, helfe ich mit der eigenen Atmung nach. Wider Erwarten funktioniert dieses Aufblasen auch noch hier auf über 4700m ü.NN ohne Probleme. Anscheinend habe ich dazu die richtige Atemtechnik gefunden.

                                  Nach dem Abendessen gibt es das Abschlußgespräch für den Gipfelaufstieg. Ab 17:30 Uhr ist der Startversuch mit dem Schlafen angesagt oder genauer ausgedrückt: den Füßen wird beigebracht, dass sie sich in der Waagrechten ausruhen sollen. Bereits zuvor habe ich das Tageslicht noch dazu benützt, um die geplante Ausrüstung für den Aufstieg zu sortieren und bereitzulegen. Aufgrund der großen Unruhe rund um meinen Zelt ist an Schlaf nicht zu denken, aber zum entspannten „faul im Schlafsack liegen“ reicht es doch noch aus.

                                  Von meinem Plan, meinen Schlafsack trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt oder auch darunter nur als Decke zu nützen, mache ich heute noch keinen Gebrauch. Man muss es ja kältetechnisch nicht übertreiben. Obwohl mein Daunen-Schlafsack offiziell nur als „3-Jahreszeiten-Schlafsack“ gilt, hatte ich in den letzten Tagen nie das Gefühl, dass es kalt im Schlafsack wäre. Ich vermute aber, dass ich in den letzten Tagen unter anderem deswegen immer nach 1-2h aufgewacht bin, weil ich zumindest an einem Arm eine kalte Hand hatte. Als Seitenschläfer im Schlafsack passen nicht beide Hände in den Schlafsack. Und mit an der virtuellen Hosennaht angelegten Händen kann ich im Schlafsack am Rücken liegend unmöglich schlafen. Um die seitliche Hanglage meiner Isomatte etwas zu reduzieren, dürfen die mitgeschleppten Teva-Sandalen heute als talseitige Unterlagen eine Verwendung finden.

                                  Das persönliche Leistungsvermögen ist zwar hier in der Höhe wie erwartet deutlich eingeschränkt, schon der Gang zum Pinkeln aufs Klo bringt den Puls auf Halsschlaghöhe. Kopfschmerzen, Unwohlsein, Antriebsschwäche, usw. sind für mich nicht erkennbar.

                                  So wird es ein „abwechslungsreicher“ mehrstündiger Viertelstundenschlaf in der Hanglage meiner Isomatte, zu einer anständigen Erholung wird es schon ausreichen.


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                                  Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                                  Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                                  (Autor unbekannt)

                                  Kommentar


                                  • Bergzebra
                                    Erfahren
                                    • 18.02.2013
                                    • 285
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

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                                    Fortsetzung des Reiseberichts:

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                                    Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas? - Teil 1


                                    Kibo Hut - Uhuru Peak - Horombo Hut


                                    Start: Kibo Hut 4.750m ü.NN (00:15 Uhr)

                                    Ziel: Horombo Hut 3.720m ü.NN (16:15 Uhr)


                                    Es ist 23:30 Uhr, jetzt beginnt endgültig und unausweichlich der Ernst des Lebens hier am Kilimanjaro. Der Aufstieg an den Kraterrand am Gillman’s Point auf 5.681m ü.NN und anschließend vielleicht weiter zum höchsten Punkt des Kibo, dem Uhuru Peak auf 5.895m ü.NN (Tansanische Höhenberechnung, sonst gelten immer 5.892m), steht an. Ein monatelange Warten hat endlich sein Ende gefunden.

                                    Gestartet wird die Gipfeletappe am Kilimanjaro meist um Mitternacht, um bei gefrorenem Lavaschotter den steilen Aufstieg in Angriff zu nehmen können. Mit 80% Durchschnittssteigung des Geländes wäre bei aufgetautem Lavaschotter der Aufstieg sonst noch anstrengender. Es sind auf der Karte zwar kaum 3km bis zum fast 1000m höher gelegenen Kraterrand, aber 6 Stunden wird es wohl mindestens bis dorthin dauern, auch wenn Fransis beim abendlichen Briefing von utopischen 4 Stunden ausgeht. Nur ob man den Kartenkilometern glauben darf? In der Karte sind die Entfernungen ja üblicherweise parallel projeziert, hier sind es aber gut 80% Steigung, sodass es in Wirklichkeit sicherlich 1-2km mehr sein werden als die Karten vermuten lassen.

                                    Nach dem Aufstehen steht zunächst die Ankleideprozedur im Zelt für den Aufstieg an, es kann beim Aufstieg in ungeahnte Höhen verdammt kalt werden. So gibt es heute erstmals den langen Liebestöter als Ausrüstung, auch die Socken werden winterhart. Über den Liebestöter und die Berghose gesellt sich dann auch noch die Regenhose als zusätzlicher Windschutz. Bei der Oberbekleidung gibt es zum Kurzarmhemd den dünnen Fleece-Pullover, meine Daunenjacke und darüber die Gore-Tex-Jacke. Neben den Fingerhandschuhen werde ich dann auch darüber noch ein Paar Daunenfäustlinge tragen. Die Ersatzakkus für Kamera und Stirnlampe werden aus Wärmegründen in den körpernahen Kleidungschichten versteckt und meine Thermoskanne kann nun endlich einmal beweisen, was in ihr steckt, nachdem sie ihren heißen Tee erhalten wird. Auch die Sigg-Flasche erhält ihre Zusatzisolierung und heißes Wasser dazu. Man muss beim nächtlichen Aufstieg zum Kraterrand mit Temperaturen bis unter -20°C rechnen, also auch mit Wasser in Würfelform in den Flaschen. Als eventuelle Zwischenverpflegung, eine Essmöglichkeit gibt es erst wieder an der Hütte hier und das kann u.U. erst in mehr als 12 Stunden sein, müssen 4 Esstrink-Gels und eine Tafel Schokolade herhalten. Trekkingstöcke habe ich keine und will auch keine benützen.

                                    Angesichts der erhöhten Anzahl von Kleidungsschichten meinerseits verlasse ich mein Zelt als eine neu geschaffene Art von einem Michelin-Männchen. Die Temperaturen außerhalb des Zeltes kann ich schlecht einschätzen. Mein kleines Thermometer im Gepäck finde ich schon seit Tagen nicht und gefühlsmäßig ist es nicht so kalt wie eigentlich befürchtet. Folglich verzichte ich noch bis zum Start des Aufstiegs darauf, den Reißverschluss der Windjacke zu verschließen.

                                    Nach dem Gang zur Toilette steht die Pulsoxymetermessung an (eine Messung in Ruhe wäre Blödsinn), der Wert (unter Last!) liegt bei für diese Höhe sehr beruhigenden 86% Sauerstoffsättigung. Meine Gedanken sind absolut klar, keine Kopfschmerzen oder ein Unwohlsein ist im Anmarsch, nur der Raster der Handbremse bei meiner Höchstgeschwindigkeit hat wieder um mindestens eine reduzierende Rasterung mehr zugeschlagen.

                                    Nicht ganz schlüssig bin ich bei der Körperhaltung eines in voller Aufstiegsmontur bekleideten Bergsteiger mitten auf dem Vorplatz zur steinernen Kibohütte. Aufgrund seiner etwas eigenwilligen Körperhaltung könnte man fast meinen, er ist auf dem Weg der Entscheidungsfindung, ob er denn nun einen Hexenschuß oder doch einen Bandscheibenvorfall hat. Seine doch relativ entspannten Gesichtszügen deuten aber doch mehr auf eine besondere Form von Entspannungsübung hin. So hat doch jeder seine eigene Art von Konzentration auf das in den nächsten Stunden Anstehende.

                                    Sind die dringendsten Geschäfte erledigt, folgt das von vielen als Henkersmahlzeit bezeichnete kleine Frühstück. Zur leichten Verdauung gibt es vor der Gipfeletappe üblichweise zu warmen Tee bzw. Kaffee nur Schokokekse. Soll ich jetzt alles aufessen und damit eventuell die Verdauung überanstrengen? Appetit hätte ich ausreichend!

                                    Jetzt stellt sich meine Essenslage direkt neben dem Eingang zur Übernachtungshütte nicht unbedingt als Vorteil heraus. Ich bin gerade beim gemütlichen Essen und bin mit mir und der Welt zufrieden, als jemand zügig aus der Hütte kommt und sich direkt neben der Tür seines Mageninhalts entleert, keinen Meter von meinen Keksen entfernt.

                                    Ich sage laut zu ihm in der Meinung er wird es nicht verstehen:

                                    »Mahlzeit, brauchst aber nicht daran denken, dass ich mir von Deinem Gekotze den Appetit verderben lasse!«

                                    und esse seelenruhig weiter und wundere mich selbst, dass sich bei mir der Würgereiz nicht einstellt. Anscheinend sind ab über 4700m ü.NN nicht nur z.T. die Geschmacksnerven blockiert, sondern auch die Riechnerven. Der Unglückliche schaut mich entgeistert an und startet zu seiner zweiten Brechrunde, kaum weiter von meinen Keksen entfernt.

                                    Auf mein

                                    »Einen guten Appetit«

                                    entfernt er sich in eintönig fahlem Teint im Gesicht, für ihn ist der Aufstieg wohl vorbei. Beim Gang durch die Tür der Kibo-Hut wird er von Jemanden auf österreicherisch angesprochen, die ersten deutschsprachigen Worte der letzten 5 Tage, die ich zu hören bekomme.

                                    Nach dem Essen steht der Moment des Gebets vor der schwierigen Aufgabe an. Es ist die Bitte, dass einem Gott doch rechtzeitig den Weg zur Umkehr zeigen könnte und einem wie alle anderen nicht ins Verderben laufen lasse. Meine Gedanken schwirren über das bekannte Kirchenlied und Morgengebet

                                    »Führe mich, o Herr, und leite
                                    meinen Gang nach deinem Wort.
                                    Sei und bleibe du auch heute
                                    mein Beschützer und mein Hort.
                                    Nirgends als von dir allein
                                    kann ich recht bewahret sein.«

                                    Auch meine Motivation ist nicht auf das unmittelbare Gipfelerlebnis fixiert. Das Gipfelerlebnis wäre ein „digitales Ziel“, also Ja oder Nein und dazwischen gar nichts. Meine Vorfreude fixiere ich auf möglichst viele geschafften Höhenmeter, die ich beim Abstieg vom Aufstieg herunterrennen kann, also ein „analoges Ziel“, dass ein Zielerfüllungsgrad zwischen 0 und 100% haben kann. Diese Art von Herunterrennen müsste doch so ähnlich funktionieren, als damals der geniale Abstieg vom Vulkan Villarica in Chile.

                                    Es beginnt die Zeit des Nachdenken. Habe ich alles bisher richtig gemacht oder zumindest in all den Situationen richtig reagiert? Waren die notwendige Masernimpfung und der geplante Fluglotsenstreik unmittelbar vor der Abreise allerletzte Warnzeichen, auf die ich eigentlich hätte reagieren müssen? Kommt der Zeitpunkt der vorzeitigen Umkehr allmählich oder in „Keulenform“ ohne jegliche Vorwarnung?

                                    Gerade was die im vorherigen Absatz erwähnten Warnzeichen betrifft, kommt mir die Geschichte vom „Huber-Bauer“ in den Sinn, nicht zum ersten Male in den letzten Wochen:

                                    Der Huber-Bauer ist ein frommer und gottesfürchtiger Mensch, der mit sich und der Welt im Reinen ist. Eines Tages kommt es zu einem sintflutartigen Regen. Die Überschwemmungen nehmen immer mehr zu und das Wasser steigt und steigt. Es bleibt dem Huber-Bauern nichts anderes mehr übrig, als dass er auf das Dach seines Hauses steigt. Er beginnt zu beten und bittet dem Herrgott, dass er ihm aus der misslichen Lage helfen könnte. Nach einiger Zeit, das halbe Dach steht schon unter Wasser, kommt die Feuerwehr mit einem Schlauchboot vorbei und bittet den Huber-Bauern darum, dass er mit dem Boot mitfahren solle. Der Huber-Bauer lehnt ab, sie sollen zuerst die Anderen evakuieren, da ihn der Herrgott ja sowieso helfen werde, er war ja immer fromm und gottesfürchtig. Die Wassermassen steigen immer weiter, der Huber-Bauer findet nur noch auf der Spitze des Schornsteins seines Hauses einen trockenen Platz. Da kommt ein Rettungshubschrauber angeflogen und möchte den Huber-Bauern mitnehmen. Wieder lehnt er ab, die Rettung der Anderen sei wichtiger, ihn werde ja der Herrgott helfen. Wie nicht anders zu erwarten, ertrinkt der Huber-Bauer in den weiter steigenden Wassermassen und stirbt. Im Himmel angekommen, ist sein erster Weg der Weg zur Beschwerdestelle. Er beschwert sich darüber, dass er in seinem Leben doch eigentlich frömmer als fromm gewesen sei und auch immer gebetet habe und warum er denn als „Top-Premium-Kunde“ nicht gerettet worden sei. Er bekommt zur Antwort, dass er nicht den geringsten Grund für eine Beschwerde habe, denn vom Himmel aus habe man alles versucht ihn zu retten. Der Huber-Bauer meint aber, dass er davon nichts mitbekommen habe. Darauf erhält er die Antwort: »Wir haben Dir die Feuerwehr mit dem Schlauchboot geschickt, die hat Dich aber nicht interessiert. Wir haben Dir den Rettungshubschrauber geschickt, auch der hat Dich nicht interessiert. Was hätten wir noch alles machen sollen?«

                                    Gegen Mitternacht machen sich die ersten Gruppen schon auf der Strecke, Fransis kommt aber erst mit seiner obligatorischen halbstündigen Verspätung an, sodass es bereits deutlich nach Mitternacht ist, bevor wir mit dem Aufstieg starten können. Beim Start stelle ich den Höhenmesser auf die aktuelle Höhe und die Speicherung der erreichten Maximalhöhe ein. Man will ja wissen, auf welcher Höhe man umkehren musste.

                                    Wie ein Laternenumzug wirkt der Schein der Stirnlampen von bereits vor uns gestarteten Gruppen. Ich selbst verzichte noch auf meine Stirnlampe, ich trage sie zwar schon um den Kopf, sie ist aber noch aus. Da aktuell noch der Mond scheint, der Mond hat schon fast komplett zugenommen, noch keine Wolken zu sehen sind und der Mond sich noch fast 3 Handbreit über den Horizont befindet, sollte es doch deshalb in den nächsten 3 Stunden eine gut ausgeleuchtete Strecke ergeben. Auf jeden Fall ist diese gleichmäßiger ausgeleuchtet im Vergleich zu einer Stirn- oder Taschenlampe. In der Meinung meine Stirnlampe sei defekt, machen mich Andere auf diesen „Missstand“ aufmerksam. Nachdem ich dann die Lampe kurz an und ausschalte sind sie zufrieden.

                                    Die ersten gut 150 Höhenmeter sind zwar steiler als die meisten Steigungen an den Vortagen, aber immer noch problemlos zu bewältigen. Weil mir die Schrittfrequenz von Fransis zu niedrig ist, um eine vernünftige Ausatmung und eine „runde“ Fortbewegung ohne Absetzbewegung zu erreichen, beschließe ich die Schrittlänge zu halbieren und die Schrittfrequenz zu verdoppeln. Diese Vorgehensweise muss für einen Außenstehenden den Eindruck erwecken, ich wäre ein Sauerkrautstampfer, denn meine Schrittlänge dürfte keine Schuhlänge mehr betragen. Es geht zwar langsam vorwärts, aber gleichmäßig und die Atmung ist synchronisiert. Ich habe auch nicht im Geringsten das Gefühl, dass die Situation aus dem Ruder laufen könnte.

                                    Den Blick zurückschweifend ins Tal lässt erkennen, dass sich inzwischen ganze Völkerwanderungen auf den Weg nach oben machen. Wo kommen die denn alle her? Waren die alle in der großen Steinhütte an der Kibo-Hut untergebracht? Schon in der ersten halben Stunde des Aufstiegs sind bereits die ersten Geisterfahrer äh Wanderer auf der Aufstiegsstrecke unterwegs. Sie sind bereits wieder in Richtung nach unten, meist fest am Arm gepackt von einem der Guides.

                                    Wann wird es bei mir so weit sein, dass es Arm in Arm nach unten geht?

                                    Fast schon wartet man auf folgende Verkehrsdurchsage: „Achtung Kilimanjaroaufsteiger: auf der autobahnähnlich ausgebauten Marangu-Aufstiegsroute kommen ihnen zwischen den Anschlussstellen Kibo-Hut und Gillman’s Point mehrere Geisterwanderer entgegen. Bitte halten sie sich am rechten Fahrbahnrand und überholen sie nicht. Wir melden uns wieder, wenn die Gefahr vorbei ist.“

                                    Anscheinend haben wir bis jetzt ein vernünftiges Aufstiegstempo gefunden, der „Vorsprung“ der Anderen verändert sich kaum, auch die Gruppen hinter uns halten noch respektvoll (?) Abstand. Ein Blick auf den Höhenmesser verrät mir, dass mein erstes Ziel erreicht ist, mein bisheriger Höhenrekord von 4912m ü.NN (im Bus sitzend) ist übertroffen. Bereits seit geraumer Zeit ist aus dem leicht gebogenen Weg eine schier unendliche Serpentine geworden, diese ist aber noch steiler als zuvor schon der Weg war. Es wird sehr interessant werden, dieses Anstrengungsprofil in den nächsten Stunden durchhalten zu müssen. Im Bedarfsfall der vorzeitigen Umkehr aber wäre man wieder relativ zügig zurück bei der Kibo-Hut.

                                    Wie aus dem Nichts sagt Fransis zu mir:

                                    »Du machst zu viele und zu schnelle Schritte. Du wirst zu viel Energie verbrauchen! Mache doch langsame und lange Schritte!«

                                    Da Fransis bisher nicht das Geringste an meinen Schritt- und Atemeskapaden auszusetzen hatte, denke ich mir, er wird schon recht haben und versuche seine Vorgaben umzusetzen. Zunächst fällt mir die Umstellung gar nicht so schwer als erwartet, aber irgendwie werden alle Andern jetzt schneller und ich immer müder, irgendwie rutscht da bei mir der sprichwörtliche Keilriemen durch. Riemenpech, im Fachjargon „Treibriemenadhäsionswachs“ genannt, gegen einen schleifenden Keilriemen gibt es aber noch nicht als Outdoorausstattung. Ich sage zu Fransis, dass, wenn sich ein vernünftiger Platz ergibt, wir einen Halt einlegen sollten, irgendwie ist jetzt in der Sache der Wurm drin. Irgendwie funktioniert jetzt der Rhythmus bei mir beim Ausatmen nicht mehr.

                                    An einem Felsvorsprung (auf dem Bild zur Aufstiegsroute einige Seiten weiter vorne bei der starken Linkskurve nach der Kibo-Hut) legen wir, wie fast alle anderen auch, eine Rast ein. Da ich mir vorgenommen habe, komme was wolle, mich erst wieder nach der Rückkehr zur Kibo-Hut hinzusetzen, gibt es die Pause im Stehen. Würde man sich in großen Höhen zu zügig vom Hinsetzen erheben, kann es zu einem massiven Abfall des Blutdrucks kommen, der dann eine Ohnmacht oder auch einen Kreislaufkollaps zur Folge haben kann. Dies ist zwar nicht der Grund meines „Stehenbleibens“, die Rast im Stehen empfinde ich einfach entspannter. Mit Fransis habe ich bereits beim vorabendlichen Briefing vereinbart, dass, wenn ich mich auf der Gipfeletappe freiwillig hinsetzen würde, er mich umgehend, ungefragt, koste es was es wolle und wenn es 3 Meter vor dem Gipfel wäre, zurück zur Kibo-Hut bringen solle. Und es soll ihm dabei überhaupt nicht interessieren, ob ich mich dagegen beschwere. In diesem Falle wäre ich wirklich nicht der Herr meiner Sinne.

                                    Mein Höhenmesser zeigt aktuell am Pausenplatz 5050m an, das Garmin eines anderen Guide 5100m. Beim gegenseitigen Abgleich der Werte stellt sich heraus, dass er seinen Höhenmesser auf der Kibo-Hut auf 4750m eingestellt hat, ich jedoch auf 4700m wie am Schild der Kibo-Hut angeschrieben.

                                    Obwohl sich inzwischen schon ganz vereinzelte Schneeflocken zu uns verirren, die Wolken dazu sind mir schon vorher aufgefallen, ist das Wasser aus der Sigg-Flasche noch in trinkbarem Aggregatzustand, also Eiswürfel in flüssiger Form. Als kleinen Snack zwischendurch gibt es ein Esstrink-Gel, man schmeckt das ekelig. Ist das etwa eine Lebertran-Vegemite-Essenz, hätte ich es doch vorher probiert! Oder sind jetzt meine Geschmacksnerven nun auch schon in den Streik getreten?

                                    Augenblicke später geht es schon wieder weiter, manche kehren aber bereits hier wieder um. Ab jetzt sind auch nicht mehr zu übersehende frisch gesetzte Markierungspunkte an den Serpentinen erkennbar. Die Punkte haben die Form von Haufen, zusammengesetzt aus Magensäure und noch nicht verdauten Mageninhalten. Hoffentlich blüht mir das jetzt nicht auch, eigentlich habe ich mir das süddeutsche Motto gegeben: »A gscheider Bauer nimmt san Dreck mit ham« (Übersetzt: »Ein intelligenter Landwirt nimmt seine Verunreinigungen wieder mit zu sich nach Hause«).

                                    Der von vielen beschriebene „Turboeffekt“ des Esstrink-Gels nach einigen Minuten bleibt bei mir aus oder ich bemerke es einfach nicht, ist jetzt auch noch meine Verdauung im Tiefschlaf? Irgendwie geht es jetzt gar nicht mehr vorwärts, ich fühle mich einfach nur noch antriebslos.

                                    Scheitert jetzt der Versuch den eigenen inneren Schweinehund auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten zu setzen?

                                    Müde könnte ich ja noch versehen, aber einfach null Bock hier mitten am Berg?

                                    Ich glaube, ich muss mal mit meinem Verstand und meinem Unterbewusstsein ein ernsthaftes Gespräch von Mann zu Mann führen. Mein Verstand ist zwar schnell wieder eingenordet, aber wie weit ist die Beratungsresistenz meines Unterbewusstseins schon fortgeschritten?

                                    Der Verstand sagt, ja es geht wieder weiter und dem Unterbewusstsein fällt nach ein paar Metern nichts Besseres ein, als einem den inneren Stinkefinger zu zeigen. Das kann ja heiter werden. Zum Glück weiß fast niemand aus dem Bekanntenkreis, dass ich hier am Kilimanjaro unterwegs bin, wenigstens ein Vorteil in der Situation. Soll das jetzt die nächsten 500 Höhenmeter so weiter gehen? Eigentlich warte ich nur noch darauf, dass Fransis mich anblickt und spricht:

                                    »Das war’s, wir müssen runter!«

                                    Aber keine Reaktion von meinem Guide. Unbeirrt trottet er vergleichbar der Superzeitlupe beim Film einfach gaaaaaaaaanz langsam und vor Kälte zitternd weiter, irgendwie habe ich Mitleid mit ihm.

                                    Hat der sich hinter meinem Rücken, obwohl er eigentlich immer vor mir geht, mit meinen beiden inneren Streithähnen verbündet? Und der Überlebenswille meines inneren Schweinehunds interessiert ihm wohl nicht die Bohne.

                                    Aus den vielen gelesenen Berichten zum Kraterrandaufstieg am Kilimanjaro habe ich mich ja auf Vieles eingestellt. Aber jetzt stehe ich hier auf über 5000m, von Laufen kann kaum noch die Rede sein, habe keine weichen Knie, kein Ziehen in den Unterschenkel oder sonstige muskuläre Wehwehchen, Kopfschmerzen sind Fehlanzeige, Unwohlsein ein Fremdwort, die Fingerspitzen sind auch nicht dick, der Magen hält sich aus allem raus, die hintere Gasentlüftung funktioniert tadellos, ich sehe alles einfach, kann mich an alles erinnern, weiß auch, dass Ich gleich Ich bin und rede nicht mehr Blödsinn als sonst auch, nur der Verstand und das Unterbewusstsein können sich nicht einigen. Einfach rauswerfen hier im tiefsten Afrika kann ich die beiden auch nicht, sie haben mir bisher immer treue und uneigennützige Dienste erwiesen. Und eine Verlustmeldung meines Verstandes will ich hier auch nicht aufgeben. Der Aufstieg ist schon schwierig genug, da kann man sich nicht leisten, dass man sich auch noch auf die Suche nach dem dann verlorenen Verstand begibt.

                                    Bin ich schon mittendrin in der Höhenkrankheit und will es einfach (noch) nicht wahrhaben?

                                    Drehe ich mich bereits im „Höhenhamsterrad“ einer Höhenkrankheit und sehe den „Wald vor lauter Bäumen nicht“?

                                    Sind meine Wahrnehmungen in Wahrheit nur noch Einbildungen einer bereits aus den Rudern laufenden Situation?

                                    In der Vorbereitungszeit zum Aufstieg habe ich oft versucht, mich mental für die unterschiedlichsten psychischen und physischen (Ausnahme-)Situationen beim Aufstieg eine Lösung zu finden, also irgendeine Form von einem Plan B oder zumindest eine Lösungsansatzrichtung im Fall des Falles in der Hinterhand zu haben. Aber diese mentale Null-Bock-Situation hätte ich nie und nimmer erwartet. Es kommt einfach anders als man denkt. Befürchtet habe ich gerade bei der Gipfeletappe vor allem kurzfristige und extreme körperliche Ausfallerscheinungen. Aber körperlich fühle ich mich eigentlich noch nicht am zuvor erwarteten Grenzbereich angekommen.

                                    Nachdem ich mich mit meinem Verstand darauf geeinigt habe (mit dem kann ich wenigstens noch vernünftig reden), dass ich geistig noch nicht weggedrehten bin, mache ich mich an die Analyse der Gesamtsituation. Für die Sauerstoffsättigungsprüfungen hatte ich mir eine Grafik in Folie laminiert und auf der Rückseite Checklisten für die verschiedenen Ausprägungen von Höhenkrankheiten. Dieses Blatt befindet sich in der linken Jackenaußentasche. Trotz zwei Paar Handschuhen kann ich das Blatt im ersten Versuch problemlos aus der Jackentasche nehmen, die Feinmotorik funktioniert also noch. Ein Höhenhirnödem kann ich gemäß der Checkliste schon mal grundsätzlich ausschließen. Zu einem Höhenlungenödem passt bestenfalls der Leistungseinbruch, alle anderen Ausprägungen sind aber nicht einmal ansatzweise vorhanden. Auch bei einem akutem Leistungseinbruch müsste ich mich doch eigentlich richtig schlapp fühlen, doch dies ist in der jetzigen Situation nicht der Fall.

                                    Das dauert ja bis Weihnachten, bis wir am Kraterrand sind! Das ist mir jetzt auch egal, wenn Fransis weiter nach oben läuft, laufe ich ihm einfach hinterher, auch wenn's ein paar Stunden länger dauert.

                                    Ich muss mich irgendwie ablenken, so kann das nicht weitergehen!

                                    Ich frage Fransis, »Habt Ihr hier am Kilimanjaro neue physikalische Gesetze geschaffen?«

                                    »Warum fragst Du?«, antwortet er.

                                    »Weil man am Kilimanjaro um 100 Höhenmeter nach unten zu kommen, um 100 Höhenmeter nach oben gehen muss?«

                                    Verdutzt fragt er »Wie kommst Du zu dieser komischen Ansicht?«

                                    »Wir waren doch vorher schon auf 5100m. Wir gehen immer weiter nach oben und jetzt liegt da ein Schild auf der rechten Seite wo draufsteht, dass wir erst auf 5000m sind!«, antwortete ich.

                                    Zur Auflösung dieser komischen Frage: Am Kilimanjaro auf der Aufstiegsroute zum Gillman's Point liegt neben der Strecke auf etwa 5200 ein zerfallenes Schild, dass man sich jetzt bereits auf 5000m befindet. Vermutlich hat vor Zeiten irgendjemand den Schild im Übermut von seinem ursprünglichen Platz hierher verfrachtet. In Berichten zum Aufstieg hat er deswegen auch schon eine gewisse Berühmtheit erlangt. Für mich ist es eine weiterer Meilenstein für den Aufstieg.

                                    Jetzt werde ich auch von Vielen überholt, mein Zustand ist aber gleichbleibend, nicht einmal richtig außer Atem bin ich. In den immer zahlreicher werdenden schöpferischen Pausen unterhalte mich auch des Öfteren mit Fransis, v. a. auch darüber, dass ich mich über mich selbst ärgere und noch keine praktikable Lösung des Problems gefunden habe. Die besten Vorsätze sind nach kaum einer Spitzkehre wieder Schall und Rauch. Aber zu einer konstruktiven Unterhaltung in englischer Sprache mit Fransis ist noch genügend Luft und Hirnschmalz da. Und frieren muss ich in all meinen Kleidungsschichten auch noch nicht.

                                    Im letzten Jahr hatte ich mir auch eingebildet, eine 2 Kilometer lange und 4400m hoch gelegene Ebene beim Aufstieg zwischen 3800 m und 4600m in 20 Minuten zurücklegen zu müssen. Beim nächsten Anstieg war dann natürlich die Luft raus und der Ärger über mich groß. Nachdem ich damals aber die nächsten 200m in kleinen Gänseschritten lief, war die Luft wieder da. Aber zu solch einer Vorgehensweise kann ich mein Unterbewusstsein heute nicht bewegen.

                                    Auf 5250m steht die Hans-Meyer-Höhle an, hier ist eine größere Rastpause bei Allen angesagt. Ich genehmige mir wieder ein Esstrink-Gel und trinke Wasser. Auf einem (hoffentlich) noch warmen Tee aus der Thermoskanne verzichte ich an dieser Stelle noch. Früher war man der Meinung, dass Hans Meyer diese Höhle als Rastplatz bei der Besteigung des Kilimanjaro benützt hat.

                                    Kurz vor dem Weitergehen frage ich Fransis:

                                    »Bist Du öfter mit solchen Schildkröten wie mich am Berg unterwegs?«

                                    Schweigend mit mir ins Gespräch vertieft geht er einfach wortlos weiter und ich laufe ihm einfach nach. Was soll ich hier um diese Uhrzeit sonst schon machen?

                                    Ich nehme mir vor erst dann umzukehren, wenn auch mein Guide umkehrt und wenn wir den ganzen Tag unterwegs sind. Die Serpentinen werden sich noch bis auf 5500m Höhe hinaufschlängeln und ab dann geht es über Stock und Stein bis auf 5681m zum Gillman’s Point an den Kraterrand. Wenn sich also der kreuz und quer umherlaufende „Laternenumzug“ vor mir wieder in gerader Linie einreiht, dann sind 5500m geschafft. Ab dieser Höhe wird nur noch im äußersten Notfall umgekehrt. Verstand und Unterbewusstsein sind sich zwar immer noch nicht grün, ich versuche mir aber mit einem Ratespiel über die frisch gesetzten Markierungshaufen mageninhaltlicher Art, von manch Vorausgehenden an der Strecke zielgerichtet gesetzt, die Zeit zu vertreiben. Sind sie von der gleichen Küche, grob oder fein gekaut, eher rund am Boden oder über einen Stein abgesetzt worden. Von der Anzahl her könnte man ein ganzes Buch darüber schreiben. Manch eine(r) begutachtet im Hinsetzen und Liegen das zuvor vollbrachte Werk. Es werden auch noch gezielte Verbesserungen vorgenommen. Nicht nur ein angebrochener Haufen schaut nicht unbedingt schön aus. In der aktuellen Situation erscheint der sonst platte Spruch „Man hat schon Pferde kotzen sehen“ in einem ganz anderen Licht.

                                    Man ist in der harten und realen Welt des Höhenbergsteigens angekommen, hoffentlich gibt es keinen Todesfall zu beklagen, es sollen nicht wenige im Jahr am Kilimanjaro sein. Die inoffiziellen Zahlen dazu schwanken zwischen 10 und 100 Toten im Jahr, die Wahrheit wird wahrscheinlich irgendwo in der Mitte liegen. Andere Quellen sprechen von einem Toten auf 1000 Gipfelstürmer. Ob damit nur die Gipfelstürmer selbst gemeint sind oder auch die Träger mit einberechnet sind, ist aus diesen Quellen nicht zu erfahren. Trotzdem sind dies Zahlen, die einem zum ernsthaften Nachdenken bringen.

                                    Musste ich denn unbedingt auf diesen Jahrmarkt der Eitelkeiten?

                                    Bin ich jetzt in letzter Zeit schneller geworden oder schlafen die jetzt vor mir?

                                    Der Abstand zu den weiter oben Vorauslaufenden verringert sich zusehends. Innerer Schweinehund stell dich auf Ärger ein, Du wirst hier keinen Tierschützer finden, der Dir beistehen wird! Aus dem „antriebslos“ in der Motivation löst sich das „los“, ein zweiter Frühling mitten im August beginnt. Ich bin zwar während der Fortbewegungsphasen auch nicht unbedingt schneller als zuvor, es geht aber kontinuierlich weiter und die Serpentinen sind vorbei, 5500m sind somit erreicht. Ich bin zwar bei über 95% Belastung angekommen, aber irgendwie geht es immer weiter nach oben, eine Motivation dazu ist eigentlich gar nicht nötig. Die Frustpausen sind jetzt wie vom Erdboden verschwunden. Beim Warten, dass es vorne weitergeht, ist auch wieder ein Grinsen im Gesicht und die innere Genugtuung dies hier alles ohne irgendwelche gesundheitliche Probleme erleben zu dürfen.

                                    Was mich an mir am meisten wundert: In Berichten zum Kilimanjaroaufstieg wird oft bei der Gipfeletappe über den Frust der Gipfelaspiranten gesprochen, dass es beim Blick nach oben in Richtung Kraterrand einfach kein Ende zu sehen ist und man das Gefühl hat, dass man einfach nicht vorankommt. Dieses Gefühl habe ich bis jetzt beim Aufstieg überhaupt noch nicht. Ab 5000m Höhe sieht man bei einer sternenklarer Nacht schon den Kraterrand, auch wenn er noch sehr weit entfernt ist. Wenn man sich markante Punkte (z.B. eine lange Serpentine) bei Vorausgehenden merkt, bekommt man auch ein Gefühl über den eigenen Fortschritt. Ebenfalls nehme ich mir die markanten Richtungswechsel in der S-Kurve des Aufstiegs und das Ende der Serpentinen als wichtige Anhaltspunkte. Durch die Querung des Kibo-Sattels bei sehr guten Sichtbedingungen hatte ich ja gestern ausgiebig die Möglichkeit, dass ich mir markante Punkte der Aufstiegsroute einprägen konnte.

                                    Nur mit einem schönen Sonnenaufgang hier oben auf mehr als 5500m wird es heute nichts werden. Es wird von Minute zu Minute immer diesiger, beim Blick zurück in Richtung des Mawenzi ist der Hans Meyer Peak schon zur Gänze in Wolken gehüllt, und es wird das Tageslicht betreffend stetig heller. Macht aber nichts, man kann nicht alles haben.

                                    »Hast Du Probleme weil Du immer wieder stehen bleibst?«, fragt Fransis,

                                    »Hakuna matata Fransis!« , antworte ich ihm.

                                    „Hakuna matata“ ist Kisuaheli und bedeutet „keine Sorge“. Ich sage ihm, dass ich jede Felsformation, sofern man die Geröllhalden hier oben bei gut 5500m so nennen darf, am Stück durchsteigen und nicht jeden Meter auf den Vordermann/Frau auflaufen will. Lieber bleibe ich eine Zeit lang dafür stehen. Solch eine Vorgehensweise ist für mich wesentlich weniger anstrengend als ein Stop-and-Go-Betrieb. Und man braucht ja schließlich genügend Zeit, um die gerade zu erlebenden aktuellen Augenblicke auch zur Genüge genießen zu können.

                                    Die Jubelschreie werden immer lauter, es kann nicht mehr weit sein. Um 6:37 Uhr ist es soweit, der Kraterrand am Gillman’s Point ist erreicht, 5.681m ü.NN. Wie aus dem Nichts sind Verstand und Unterbewusstsein wieder ein Herz und eine Seele. Ein wichtiger Meilenstein ist erreicht, dass eigentliche Ziel aber sicherlich noch 2 Stunden entfernt. Vor Freude liegen manche am Boden oder beginnen zu weinen, ich genieße für mich den Augenblick, es wird ja wahrscheinlich noch weiter gehen. Jetzt darf natürlich das obligatorische Foto am Schild des Gillman’s Point nicht fehlen. Da sich gut 20 Personen auf wenigen Quadratmetern befinden, ist eine Enge vorprogrammiert. Vor dem Schild geht es steil hinab zur Kibo-Hut, hinter dem Schild abrupt in den Kraterboden hinab.

                                    Mit dem Gillman’s Point gilt der Kilimanjaro offiziell als bestiegen, denn dieser Punkt stellt den Kraterrand des Vulkans dar, der 5.895m hohe Uhuru Peak ist dann die höchste Erhebung im Krater bzw. genau genommen am äußeren Kraterrand. Da jetzt ein leichter Eisschneeregen und Nebel mit weniger als 50m Sicht herrscht, kann sich ein farbenfroher Sonnenaufgang dahinter verstecken. Dieser hätte zwar um diese Zeit seinen Termin, er ist aber weit und breit nicht zu sehen. Es gibt auch keinen Blick in den tiefer liegenden Kraterboden zu erhaschen. Da ich bereits vor Jahren auf dem 3055m hohen Vulkan Haleakala auf Maui (Hawaii) einem atemberaubenden Sonnenaufgang erlebt habe, bin ich über die fehlenden Farben beim Sonnenaufgang nicht enttäuscht, es hat halt nicht sollen sein.

                                    Sicherheitshalber lasse ich auch ein Foto von mir und Fransis am Gillman's Point mit der Spiegelreflexkamera machen, man weiß nie, wo man später umkehren muss. Da auf vielen Fotos vom Gillman's Point oft Nebel herrscht und der Platz vor dem Schild sehr eng ist, wirken diese Fotos oft, als wären sie in einem Fotostudio aufgenommen worden. Aber irgendwie passt die Stellung des Objektivs nicht zur Lage der Kamera. Zum Fotografieren habe ich die Kamera jemanden gegeben und die Einheit schaut etwas komisch aus. Beim näheren Betrachten der Kamera fällt mir auf, dass das Objektiv nicht sauber im Bajonett eingerastet ist. Aber wie hat sie dann ein Foto machen können? Sicherheitshalber machen wir die Fotos nochmal. Wie sich später herausstellen wird, eine sehr gute Idee, denn die beiden ersten Fotos waren sehr unscharf.


                                    Am Gillman’s Point auf 5.681m ü.NN angekommen


                                    Das ursprüngliche Foto mit schiefstehendem Objektiv - mir schleierhaft, dass die Kamera da überhaupt funktioniert hat

                                    Während des Aufstiegs habe ich von Fransis auch einige Fotos mit der kleinen Kamera machen lassen. Diese Bilder sind nicht nur unscharf, sondern auch noch dunkel und absolut verschwommen, auch Testfotos von mir geknipst werden nicht besser.

                                    Nach einem heißen Tee für mich und Fransis (die Thermoskanne war verdammt dicht) geht es jetzt weiter. Wider Erwarten ist auch das Wasser in der Sigg-Flasche noch nicht zu einem Eiswürfel mutiert und dies, obwohl die Flasche sich außen am Rucksack befindet. Als Kälteschutz der Flasche darf dabei nur der Köcher meines Tele-Objektiv herhalten.

                                    Jetzt stellt sich die Frage: Will mein Guide nun weiter in Richtung Gipfel oder wieder zurück? Wir sind ja inzwischen 2 Stunden hinter seiner utopischen Zeitplanung.


                                    Weg vom Gillman’s Point in Richtung Stella Point

                                    Keine Angst, der Bericht geht gleich weiter, ich muss ihn nur aufteilen, da maximal 50.000 Zeichen erlaubt sind.
                                    Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                                    Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                                    (Autor unbekannt)

                                    Kommentar


                                    • Bergzebra
                                      Erfahren
                                      • 18.02.2013
                                      • 285
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                                      Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas? - Teil 2


                                      Kibo Hut - Uhuru Peak - Horombo Hut


                                      Start: Kibo Hut 4.750m ü.NN (00:15 Uhr)

                                      Ziel: Horombo Hut 3.720m ü.NN (16:15 Uhr)


                                      Jetzt stellt sich die Frage: Will mein Guide nun weiter in Richtung Gipfel oder wieder zurück? Wir sind ja inzwischen 2 Stunden hinter seiner utopischen Zeitplanung.


                                      Weg vom Gillman’s Point in Richtung Stella Point

                                      Viele kehren bereits hier am Gillman’s Point wieder um, aber Fransis geht am Kraterrand in Richtung Stella Point wortlos weiter und ich folge ihm einfach. Und siehe da, meine Atemtechnik der nicht letzten 4 Stunden funktioniert wieder tadellos, hätte ich nicht auf ihn hören sollen? Es geht zwar bei geschätzten Temperaturen deutlich unter -10°C, der Klettverschluss der Daunenjacke ist weiß und nicht mehr schwarz, gefühlsmäßig langsam weiter, aber mit einem kaum zu beschreibenden inneren Freudengefühl, tut mir leid für dich mein innerer Schweinehund. Verschnaufpausen wie oft beschrieben, muss ich auch keine einlegen, Luft habe ich anscheinend genug, denn es geht stetig weiter.

                                      Ich gehe aber bewusst langsam, also fast schon „pole pole im Quadrat“, bei konzentrierten Bewegungen, denn einen „Ausrutscher“ kann ich mir hier nur bedingt erlauben. Eine Rettung von mehr als 2 Zentnern Lebendgewicht wäre hier oben sehr kompliziert und rechts geht es 100m in den Krater hinab. Von der „Luft“ her könnte ich zwar jetzt wieder schneller gehen, also fast schon wieder Bäume ausreißen die der Bonsaigröße entwachsen sind, aber lieber genieße ich jetzt die Augenblicke bis zum Gipfel. Die Erinnerungen, die ich jetzt sammeln darf, kann mir später niemand mehr nehmen.

                                      Sind wir denn noch auf den richtigen Weg?

                                      Keiner folgt uns, keiner ist vor uns und es kommt uns auch niemand entgegen?

                                      Sind wir also die Letzten?

                                      Wenn dem wirklich so ist, was soll’s, jetzt bin ich schon mal da und es geht einfach wie in einer Berg- und Talbahn auf hart gefrorenem Boden weiter. Die Sichtverhältnisse sind jedoch immer noch bescheiden, sodass auf den gut 1,5km vom Gillman’s Point bis zum 5.750m hoch gelegenen Stella Point kaum 100m Sicht ist.

                                      Fast wieder auf ebenem Weg nähern wir uns dem Stella Point, wo die südlichen Aufstiegsrouten vom Barafu Camp aus mit dem Kraterrand zusammen trifft. Auf dieser Aufstiegsroute sind auch noch einige Bergwanderer am Abmühen. Im Unterschied zur Gillman’s Point Strecke, wirkt der Lavaschotter hier wesentlich fester und es geht hier nicht in Serpentinen hoch.

                                      Jetzt sind es also vom Stella Point aus nur noch kaum mehr als 140 Höhenmeter bis zum Gipfel, aber nochmals fast 2 Kilometer. Eigentlich müsste man linker Hand jetzt schon das Eisfeld des Rebmann-Gletschers erkennen können, aber anscheinend ist heute der Weißton des Gletschers analog dem Weißton der Wolken gehalten. Mit viel positivem Denken kann man in den Wolken eine Gletscherkontur hineininterpretieren. Und die Sicht mit 100m in den Krater hinein, v. a. zum Reusch-Krater hin, ist auch nicht besser.


                                      Weg vom Stella Point in Richtung Uhuru Peak - Nebel und Gletscherwelt

                                      Vom Stella Point an sind aber doch wieder Einige auf den Weg zum oder vom Uhuru Peak. Die Spitze des Kilimanjaro selbst soll gar nicht weiter auffallen, weil auch die anderen Erhebungen am Kraterrand fast auf die identische Höhe aufragen. Verfehlen kann man den Uhuru Peak aber nicht, da der Weg dorthin gut ausgetreten ist und heute nur noch neben dem Pfad Schnee liegt. Der Blick zu den vom Gipfel zurückkehrenden Wanderern gibt bei denen eine Mischung aus Fix-und-Foxi und Lottogewinn preis. Was mich aber wundert, ist die Gesichtsfarbe von so manch einem/einer, irgendwie ist da manchmal ein richtiger Gelbstich dabei. Auch wenn jetzt die Sonne schon zaghaft durch das Nebel-Wolkengemisch scheint, es ist nur bei manchen so, also ist meine Hirn-Augen-Achse nicht unbedingt falsch kalibriert. Durch die zaghaften Sonnenstrahlen erkennt man nun auch etwas vom imposanten Rebmann Gletscher.


                                      Uhuru Peak 5895m ü.NN, auf dem Dach Afrikas angekommen

                                      Es ist jetzt 8:23 Uhr und der Weg ist hier zu Ende, vor uns ist nur noch das hölzerne Gipfelschild des Uhuru Peaks als höchster frei stehender Berg und Vulkan auf der Welt mit 5895 tansanischen und 5892 restweltlichen Höhenmetern. Jetzt heißt es etwas Geduld bewahren, denn der Platz vor dem „Gipfelkreuz“ ist für die obligatorischen Gipfelfotos bereits von Anderen besetzt. Wieder aller meinen Erwartungen habe ich das Dach Afrikas erreicht und ich fühle mich auch nicht mehr schlapp. Jetzt gilt zunächst mein Dank an Gott, dass er mir diese Chance gewährt hat und ich dieses Ziel jetzt auch genießen darf. Es ergibt sich daraus für mich eine riesige innere Genugtuung, eine innere Freude den ersten Teil der Unternehmung erfolgreich abgeschlossen zu haben.

                                      Jetzt heißt es die Konzentration darauf zu lenken, die tiefen Löcher, in die man von nun an mental fallen könnte, erfolgreich umschiffen zu können. Sind diese Löcher auch gut ausgeschildert oder wenigstens vernünftig abgedeckt, oder fällt man unversehens in sie hinein? Ist es ein tiefes Loch oder doch mehrere? Wie zuvor schon am Gillman’s Point halten sich auch am Uhuru Peak meine Emotionen sehr in Grenzen, man könnte fast meinen, dass der Genießer schweigt.

                                      Nach einigen Minuten, es hat immer noch Nebel, bin ich mit dem Gipfelfoto an der Reihe. Ein anderer Kilibezwinger bietet sich als Fotograf an, was ich natürlich nicht ablehne, auch wenn er doch so seine Probleme mit der Bedienung der Spiegelreflexkamera hat. Er findet bei seinem besten Willen einfach nicht das nicht vorhandene „Online“-Display der Kamera, welches ja digitale Spiegelreflexkameras nicht unbedingt haben. Wenn ich aber in die Gesichter der meisten hier Anwesenden sehe, man sind die geschafft, schau ich auf den Bildern später dann genauso gerädert aus? Es besteht nicht die Chance, alleine und oder nur mit Fransis auf das „Gipfelfoto“ zu kommen. Eine Gruppe feiert unmittelbar am Gipfelschild und will den Platz auch nach mehreren Minuten nicht räumen. Den Unbill der vor dem Gipfelschild Wartenden interessiert sie nicht im Geringsten. Ein Verhalten, welches eigentlich in den letzten Tagen am Berg unüblich war. Es ist zwar fast schon ein Gedränge am Gipfelschild, aber alle anderen versuchen ihre Zeit vor dem Gipfelschild möglichst kurz zu halten.

                                      Da die Fernsicht am Gipfel mit 50m Sichtweite gleich null ist und kein Wind vorherrscht, der den Nebel und/oder die Wolken vertreiben könnte, ist es zwecklos länger am Uhuru Peak zu verbleiben. Obwohl mein Guide noch nicht zum Aufbruch gedrängt hat, mache ich mich mit Fransis wieder auf den Rückweg zur Kibo-Hut in Richtung des Gillman‘s Points.

                                      Kaum sind wir 200m Wegstrecke talwärts gelaufen, wird die Sicht immer besser, das südliche Eisfeld mit Kersten- und Decken-Gletscher erstrahlt jetzt bei Sonnenschein in voller Pracht. Auch ist jetzt ein Blick in den äußeren Kraterbereich möglich, im Kraterboden erkennt man auch den hochhaushohen Furtwänglergletscher. Es ergibt sich aber von dieser Kraterrandseite kein Blick in die Ash Pit des Reusch-Krater. Der Reusch-Krater selbst hat 5840m, der Kraterboden etwa 5750m und wir sind hier wieder auf etwa 5850m abgestiegen. Jetzt macht es auch einen riesigen Spaß die Eindrücke mit der Kamera festzuhalten, hab ich die 2kg für Kamera und Objektiv doch nicht umsonst die letzte Woche mitgeschleppt. Auch wenn man beim Begriff „Ash Pit“ das Wort „Ash“ mit Asche gleichsetzen kann, „Ash“ ist angeblich der Nachname eines britischen Wissenschaftlers am Kilimanjaro.

                                      Wirklich unbeschwert geht es auf den weiteren Rückweg, irgendwie laufen die Füße jetzt von selbst. Es scheint so, als ob Verstand und Unterbewusstsein ihre Diskrepanzen vom Aufstieg wieder gut machen wollen. Erst beim späteren Betrachten der Digitalbilder fällt mir auf, dass zu diesem Zeitpunkt noch viele Personen im Bereich zwischen Stella Point und Uhuru Peak unterwegs sind. Und ich habe vorher noch gedacht, dass wir hier zu den Letzten am Berg oben gehören.


                                      Gletscherwelten auf über 5800 Meter


                                      Gletscherwelten auf über 5800 Meter


                                      Gletscherwelten auf über 5800 Meter - Furtwängler-Gletscher im Hintergrund


                                      Blick in Richtung Stella Point (am Ende des Bergaufweges) und Gillman’s Point


                                      Gletscherwelten


                                      Blick in den Krater zum nördlichen Eisfeld


                                      Gletschersee am Rebmann Gletscher


                                      Furtwängler Gletscher im Kraterboden - kurz vor dem Stella Point aus fotografiert


                                      Stella Point, 5750 m ü.NN - im Hintergrund der Furtwängler Gletscher im Kraterboden


                                      Blick vom Gillmans Point zum Uhuru Peak


                                      Panoramaaufnahme vom Gillman’s Point, Links Uhuru Peak, Mitte der Reusch Krater, Rechts des nördliche Eisfeld

                                      Trotz vieler Fotostopps, der Uhuru Peak bleibt die ganze Zeit in Wolken, ein längeres Warten dort oben hätte sich nicht gelohnt, dauert es kaum eine Stunde, bis wir wieder am Gillman’s Point zurück sind. Der Abstieg vom Kraterrand zur Kibo-Hut verläuft üblicherweise auf identischer Route aber nicht auf identischer Strecke als der Aufstieg. Weil aber jetzt in den späteren Morgenstunden der Schotter nicht mehr gefroren ist, wäre es nicht ratsam, dem Verlauf der Aufstiegsserpentinen zu folgen. Stattdessen soll es, wie so oft in Lavafeldern, in der Direttissima nach unten gehen. Davon sind aber die vor uns Gehenden nicht so ganz überzeugt, sie bewegen sich 1:1 auf der Strecke des Aufstiegs und dies auch noch sehr langsam. Von wo kommen diese her? Auch auf dem Rückweg war zwischen Stella und Gillman’s Point nichts los. Kehren diese Absteiger auch schon am Gillman’s Point wieder um?


                                      Abstieg vom Gillman’s Point zur Kibo-Hut

                                      Was solls, jetzt wird erst mal den Berg hinabgelaufen. Man muss aber im Lavafeld seinen Bewegungsablauf umstellen, da es ratsam ist, jeden Schritt durch das betonte Setzen der Fersen bzw. Hacken abzubremsen. Andernfalls würde es fürchterlich lange Bremswege geben und ein kontrolliertes Abbremsen der eigenen Körpermasse am steilen Berghang wäre äußerst schwierig.. Zunächst geht es aber noch über einige felsenartige Lavabrocken, bevor man sich die ersten Abkürzungen zum Abstieg sucht.

                                      Aber irgendwie läuft der Abstieg jetzt bei mir nicht ganz rund. Am linken Fuß scheint alles in Ordnung zu sein, der rechte Fuß steht irgendwie etwas auf der Leitung. Ich werde das ungute Gefühl nicht los, dass er etwas zu lange mit dem Umsetzen der Steuerbefehle braucht. Zumindest braucht er deutlich länger als sein linker Pendant. Links ist der Bremsweg im Schotter bei kaum 30cm, rechts dauert es fast immer einen Meter. Im rechten Kniebereich baut sich die Spannung zum Abbremsen vom Gefühl her nur noch mit einer Verzögerung auf. Ich habe den Eindruck, dass ich rechts sowohl nach unten wegrutsche und gleichzeitig auch noch nach außen hin wegknicke. Also setze ich meine Aufmerksamkeit auf den rechten Fuß, was mein linker Schuh postwendend mit einem Hängenbleiben im Reißverschluss des rechten Beins meiner Regenhose quittiert.

                                      Was dann bei 80% Gefälle passiert, kann sich jeder ausdenken. Über die künstlerischen und technischen Bewertungen meiner nun folgenden Flugeinlage habe ich noch keine Rückmeldungen erhalten. Ich versuche nicht kopfüber abzurollen, sondern über die Schultern, darauf achtend nicht auf einen Felsbrocken aufzuschlagen. Auch versuche ich jegliche Körperspannung herauszunehmen, bei einer ungewollten Vollbremsung wären die Auswirkungen sonst noch schwerwiegender. An mehr als eine 360° Rolle kann ich mich erinnern, bis ich endlich mit den Füßen nach unten und das Gesicht zum Berg zeigend anhalten kann. Fransis steht mindestens 30m über mir, mit Fassungslosigkeit im Gesicht. Und ich habe nach meiner Rolleinlage nicht einmal eine Schürfwunde.

                                      Glücklicherweise habe ich am Gillman’s Point schon meine Gore-Tex-Jacke in den Rucksack verpackt, sonst hätte sie jetzt wie meine Regenhose und die Daunenjacke nur noch Schrottwert.

                                      Mein erster Satz zu Fransis:

                                      »So schnell schafft hier am Kilimanjaro kaum einer 30m Höhenunterschied! Aber so schnell habe ich es eigentlich gar nicht vorgehabt!«

                                      Ich erkläre meinem Guide, wie es wahrscheinlich zu diesem Missgeschick gekommen ist und wir beschließen, dass er sich an meinem linken Arm einhängt, weil mir mein rechter Fuß und hier das Knie nicht ganz geheuer sind. Fransis hatte sich zwar am rechten Arm einhängen wollen, so wie es in diesem Falle die meisten machen würden, aber ich kläre ihn auf, dass dies die falsche Seite ist. Es soll ja das überlastete Bein entlastet werden. Eine partielle Übermüdung am rechten Bein kann es ja nicht sein, der Rest funktioniert reibungslos. Es könnte aber daran liegen, dass ich eigentlich Linksfüßler bin und damit sich am rechten Knie eine Überlastung aus den Belastungen vom Aufstieg ankündigt.

                                      Im zügigen Tempo geht es nach unten, nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam, und die links- und rechtsseitigen Bremswege gleichen sich bei mir auch immer mehr an. Unterhalb von 5000m „klinkt“ sich Fransis wieder aus. Bis zu dieser Höhe kommen uns auch vereinzelte Wanderer entgegen. Sind es Aspiranten, die in der Nacht den Aufstieg nicht wagen konnten oder? Einen zusätzlichen Erholungstag im Umkreis der Kibo-Hut wird wohl kaum einer einlegen?

                                      Es ist kaum 10:30 Uhr und wir sind wieder an der Kibo-Hut zurück, keine 2 Stunden sind seit dem Uhuru Peak vergangen. Zur Feier des Tages genehmige ich mir und Fransis eine Dose Coca-Cola für 4000 TS (etwa 1,70€) beim Ranger. Aber auf 4750m schmeckt Cola grauenhafter als Lebertran. Anhand der Dosenaufschrift und der Konsistenz der dunkelbraunen Flüssigkeit dürfte es sich dennoch um eine original Coca-Cola handeln.

                                      Fransis erhält meinen Pulsoxymeter, diesen dürfte ich ja jetzt nicht mehr benötigen und in Tansania ist dieser unverschämt teuer. Am Gipfel habe ich nicht sofort bei der Ankunft daran gedacht eine Messung des Sauerstoffgehalts im Blut zu machen und nach einigen Minuten Erholung war der Wille zu einer Messung vorbei. Auch für meine heute endgültig ramponierte Daunenjacke hat er schon einen Abnehmer, die Regenhose ist aber keinem mehr zuzumuten, sie hat inzwischen zu viele und zu große Belüftungslöcher, meist auch noch an den falschen Stellen.

                                      Vor meinem Zelt nehme ich am Deckel des Auffangbehälters für einen eventuellen Regen Platz und mache mir beim Trinken aus der Cola-Dose so meine Gedanken, wie es den vielen anderen ergangen ist.

                                      Sind alle wieder gesund von der Gipfeletappe zurückgekommen?

                                      Haben manche bleibende gesundheitliche Schäden in der heutigen Nacht erhalten?

                                      Erst jetzt wird mir richtig bewusst, wie eng der eigene Blick beim Aufstieg gewesen sein muss.

                                      Die Aussicht von meinem Sitzplatz in Richtung des Mawenzi ist heute wesentlich schlechter als am gestrigen Tag, war meine Terminwahl für den Aufstieg anscheinend gar nicht so schlecht gewählt. Jetzt wird mir auch ein Grund klar, warum ich heute nacht so langsam beim Aufstieg gewesen bin. Wäre ich früher oben gewesen, dann wäre der ganze Krater und der Gipfel noch vollkommen wolkenverhangen gewesen. Ich durfte beide aber nach dem Verlassen des Uhuru Peaks im strahlenden Sonnenschein erleben. Fast könnte man meinen, hier hätte jemand absichtlich nachgeholfen.

                                      Rein aus Interesse genehmige ich mir auch einen Blick in den eigenen kleinen Taschenspiegel, um erkennen zu können, ob im Augenweiß Einblutungen oder feine rote Äderchen zu sehen sind. Solche Blutungen treten sehr oft in Höhen über 4000m auf und gerade am Kilimanjaro sieht man deshalb sehr viele „Rotaugen“. Das Ebenbild im Spiegel kommt mir zwar heute relativ unbekannt vor, an Rotanteilen im Weiß des Auges ist aber nicht das Geringste zu erkennen.

                                      Da es erst um 12:30 Uhr ein Mittagessen bzw. ein verspätetes Brunch geben wird, kann ich die Zeit bis dorthin zum Faulenzen nutzen. Außerhalb der Zelte und der Steinhütte ist keine hellhäutige Menschenseele zu erkennen, haben die sich inzwischen alle in ihre Behausungen zurückgezogen und holen den ausgefallenen Schlaf der letzten Nacht nach? Richtig müde und „ausgepowert“ fühle ich mich eigentlich nicht, aber in meinem michelinmännchenhaften Kleidungsschichten wird es mir doch langsam etwas zu warm. Da von meiner Begleitmannschaft auch niemand zu sehen ist, verziehe ich mich in mein Zelt. Aus Angst, ich könnte das Mittagessen verpassen, werde ich ja sowieso nicht schlafen können.

                                      Wenn der Guide sagt,

                                      »Mittagessen ist um 12:30 Uhr«,

                                      dann ist mit einer Nahrungsversorgung nicht vor 13 Uhr zu rechnen, also beseitige ich zuvor noch etwas die messi-artigen Zustände in meinem Zelt.

                                      Während meiner Aufräumaktion im Zelt wird es draußen auf einem Schlag richtig laut, ein heilloses Stimmengewirr in Kisuaheli ist zu vernehmen. Wird da ein Bergsteiger für den Abtransport ins Tal auf einem Kilimanjaro-Akia gespannt? So wird es mir Fransis später mitteilen. Ein Kilimanjaro-Akia ist ein metallisches Lattengeflecht mit einem untergebauten ungefederten Rad eines Motorrads. Auf diesem wird der Delinquent festgeschnallt und anschließend rollenderweise, von mehreren Trägern begleitet, talwärts gebracht. Wer sich freiwillig auf dieses Unterfangen einlässt, der muss schon zuvor einen Schlag gehabt haben, nach dieser Prozedur hat man ihn sowieso.

                                      Wie vermutet gibt es Brunch um 13 Uhr. Inzwischen hat starker Graupelschauer eingesetzt, rund ums Zelt ist es richtig weiß geworden. Eigentlich hätte ich außerhalb vom Zelt mein Essen zu mir nehmen wollen, daraus wird aber jetzt nichts. Das Essen schmeckt richtig gut und ist wie immer überreichlich.

                                      Gegen 13:30 Uhr machen wir uns auf den Weg auf die letzte 11km lange Etappe des heutigen Tages zu den nochmals 1000 Höhenmeter tiefer gelegenen Horombo Huts. Die Strecke führt zunächst wieder wie gestern über den Kibo-Sattel, diesmal aber in südöstlicher Richtung. Das Gefälle ist auf den ersten Kilometern gleichmäßig bei etwa 10%. Begleitet werden wir vom wieder einsetzenden Graupelschneefall, der bis zum Verlassen des Sattels nicht mehr von uns weichen wird. Mein Regenschirm leistet wieder gute Dienste. Von der Anstrengung her ist diese Etappe zunächst eher ein gemütliches Auslaufen. Da der Weg autobahnähnlich ausgebaut ist, kann man trotz Gegenverkehr nebeneinander laufen und mit Anderen plaudern, z.B. wie es den Anderen in der letzten Nacht so ergangen ist.

                                      Gestern waren bei meiner Ankunft um 13 Uhr an der Kibo-Hut kaum jemand von der Marangu-Route an der Hütte angekommen, ich habe viele erst deutlich später eintreffen sehen. Und heute hat man noch vor 14 Uhr kaum noch Gegenverkehr auf der Route. Sind heute weniger Personen von den Horombo-Huts aus unterwegs oder sind diese heute einfach nur schneller unterwegs?

                                      Nach geschätzten 5 Kilometer Strecke auf dem Weg zu den Horombo-Huts verlässt man Zug um Zug den wüstenartigen Sattel zwischen Kibo und Mawenzi und langsam beginnt wieder die Vegetation am Boden. Der Weg ist zwar immer noch sehr gut ausgebaut, er wird aber von nun an deutlich unebener. Ein Zustand, dem mein rechtes Knie so gar nicht behagen will. Treten jetzt Folgeerscheinungen vom morgendlichen Absturz auf oder sind es Zeichen einer fortschreitenden Überlastung?

                                      Normale Knieprobleme können es eigentlich nicht sein, denn beim Trekking habe ich mit den Knien noch nie Probleme gehabt. Die Schmerzen nehmen von Meter zu Meter Wegstrecke zu, halten sich aber noch in einem vertretbaren Rahmen und die 3-4 Kilometer bis zu den Horombo Huts wird es wohl noch gut gehen.

                                      Der im Buch schon erwähnte „Last Water Point“ liegt bereits hinter uns. Beim Aufstieg wäre dieser Platz die letzte Möglichkeit zur Wasserversorgung gewesen. An der Kibo-Hut selbst und weiter oben gibt es kein Frischwasser mehr.

                                      Zwischen den Horombo Huts und der Kibo-Hut gibt es zwei verschiedene Routen, die von uns genommene Lower Route und die am Zebra Rock vorbeiführende Upper Route. An der distalen Abzweigung zur Upper Route legen wir eine kurze Pause ein, der Zebra Rock ist zwar in der Ferne zu sehen, Mawenzi und Kibo sind aber inzwischen gänzlich in Wolken gehüllt.


                                      Landschaften auf der Lower Route


                                      Landschaften auf der Lower Route, ganz im Hintergrund der Zebra Rock, weiter vorne sind einige Senecien erkennbar


                                      Horombo Hut 3720m ü.NN

                                      Kurz nach 16 Uhr erreichen wir bei Sonnenschein die Horombo Huts. Idyllisch an einem Berghang gelegen sind die vielen Dreieckshütten der Marangu-Route. Sie sind die einzigen Hütten, welche sowohl bergaufwärts als auch bergabwärts gehend als Übernachtungsstätte genutzt werden. Die „Rongaiianer“ müssen aber hier in Zelten übernachten. Auch heute wollen sich die Träger nicht beim Zeltaufbau helfen lassen, eine von mir spendierte Runde Kilimanjaro Bier (beim „Hüttenwirt“ gekauft) schlagen sie natürlich nicht aus.

                                      Erstmals haben die Träger und der Guide Ihr Zelt in unmittelbarer Nachbarschaft zu meinem Zelt aufgebaut. Somit lerne ich jetzt auch endlich zweifelsfrei die gesamte Begleitmannschaft kennen. Aufgrund der 2 Gruppen an den ersten Tagen und der weit entfernt aufgebauten Zelte, war ich mir bei einer Person der Begleitmannschaft noch nicht ganz sicher.


                                      Horombo Huts - Unser Team, Guide Fransis 2.v.l.


                                      Horombo Huts - Küche und Schlafzimmer vom Guide und den Trägern

                                      Heute gibt es auch wieder eine Kloschüssel in Spülform mit fließendem Wasser, wir nähern uns wieder unaufhaltsam der Zivilisation. Auf 3720m Höhe befinden wir uns immer noch über den Wolken, hier ist Sonnenschein und unter den Wolken Dunst.

                                      Da unser Zeltplatz etwas auf einer Anhöhe liegt, lässt sich die Zeit bis zum Abendessen durch das Beobachten des Hüttenbetriebs leicht vertreiben. Noch spät um 17.30 Uhr kommen Bergwanderer sowohl talseits von den Mandara Huts als auch bergseits von der Kibo-Hut an. Gerade die Aufsteiger von unten um diese Uhrzeit sind doch etwas verwunderlich.

                                      Nach dem Abendessen im Zelt nutze ich die verbleibende Zeit bis zum Schlafen mit der Verarbeitung der heute reichlich gesammelten Eindrücke.



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                                      Fortsetzung folgt:

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                                      Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                                      Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                                      (Autor unbekannt)

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                                      • Schwerti
                                        Anfänger im Forum
                                        • 06.09.2014
                                        • 23
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [TZ] Kilimanjaro - Gibt es lose Ziegel auf dem Dach Afrikas?

                                        Hallo Heinrich,

                                        ich scrolle ehrlich gesagt nur noch durch den Thread, es ist schon echt sehr sehr viel Text.
                                        Hast Du mal dran gedacht, ein eBook daraus zu machen oder evtl. eine PDF Datei ?
                                        Auf dem eReader im Urlaub würde ich mir das gewiss alles durchlesen, aber abends nach der Arbeit am PC für eine Stunde ist das momentan leider etwas zu viel.

                                        Trotzdem, verstehe das bitte nicht falsch, bin ich und bestimmt auch alle anderen hier froh, dass Du den Bericht postest.
                                        Weiter so !
                                        Mehr Reiseberichte auf meinem Blog: www.schwerti-on-tour.de

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