[FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Mika Hautamaeki
    Alter Hase
    • 30.05.2007
    • 3979
    • Privat

    • Meine Reisen

    #41
    AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

    Der o.g. Vogel könnte eine Kolbenente sein.
    So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
    A. v. Humboldt.

    Kommentar


    • Griffon
      Dauerbesucher
      • 13.02.2012
      • 579
      • Privat

      • Meine Reisen

      #42
      AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

      Du meinst nicht den Gänsesäger?
      Dieser Beitrag wurde maschinell erstellt und ist auch ohne Unterschrift gültig.

      Kommentar


      • Mika Hautamaeki
        Alter Hase
        • 30.05.2007
        • 3979
        • Privat

        • Meine Reisen

        #43
        AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

        Könnte es auch sein. Torres, was fraß der Vogel?
        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
        A. v. Humboldt.

        Kommentar


        • Griffon
          Dauerbesucher
          • 13.02.2012
          • 579
          • Privat

          • Meine Reisen

          #44
          AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

          Könnte nicht – isses. Und zwar ein Mädel!
          Dieser Beitrag wurde maschinell erstellt und ist auch ohne Unterschrift gültig.

          Kommentar


          • Spartaner
            Alter Hase
            • 24.01.2011
            • 4802
            • Privat

            • Meine Reisen

            #45
            AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

            Zitat von Griffon Beitrag anzeigen
            Könnte nicht – isses. Und zwar ein Mädel!
            Sehen die Jungs im Herbst nicht genauso aus?

            Kommentar


            • Griffon
              Dauerbesucher
              • 13.02.2012
              • 579
              • Privat

              • Meine Reisen

              #46
              AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

              Ich meine der Erpel hat im Schlichtkleid mehr weiß an den Flügeln.
              Dieser Beitrag wurde maschinell erstellt und ist auch ohne Unterschrift gültig.

              Kommentar


              • Torres
                Freak

                Liebt das Forum
                • 16.08.2008
                • 30722
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                Danke für Eure Bemühungen, diesen Vogel zu bestimmen. Ich habe leider keine Ahnung von Vögeln, ich fotografiere sie nur gerne, und diesen fand ich besonders hübsch. Was er frisst, konnte ich nicht sehen.
                Oha.
                (Norddeutsche Panikattacke)

                Kommentar


                • Torres
                  Freak

                  Liebt das Forum
                  • 16.08.2008
                  • 30722
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                  05.09.2015. Härmälä (Tampere), ca. 5 km.


                  Der Franzose schläft am Morgen tief und fest, aber der schmale Finne, der nicht in der Lage war, die Tür zu schließen, ist schon bald wach und verlässt laut den Raum. Ich fühle mich, als hätte mir jemand auf den Kopf gehauen. Den ganzen Tag nur schlafen wäre gut.
                  Vor der Tür ist es laut, und ich schreibe noch im Forum, dann wird es Zeit. Der laute Trupp verlässt die Küche, und ich sichere mir schnell einen Platz. Die ersten kostümierten Frauen tauchen auf, ebenso ein Zauberer und ein Drache. Die meisten Mädels wählen Kindchen- oder Prinzessinnenlook, aber auch Walküre oder Zombi ist dabei. Als ich zwei Leute frage, ob ich sie fotografieren und das Foto ins Internet stellen darf, wird sofort bejaht. Darum geht es ja!








                  Ich rede noch ein wenig mit dem englischsprechenden Franzosen von gestern, der auch mal Radrennen gefahren ist, dann belade ich das Fahrrad. Inarijoen Peter hatte noch mal geschrieben, dass sie morgen früh 5.45 Uhr mit dem Autozug in Tampere ankommen, und ich tendiere dazu, zu bleiben. Solche Gelegenheiten sollte man nicht verstreichen lassen. Wer weiß, wann man sich wieder sieht. Die Vorstellung, um 5 Uhr morgens nach Tampere hineinzufahren und den Autozug zu suchen, begeistert mich allerdings noch nicht. Ob man um diese Zeit am Bahnhof einen Kaffee kriegt, bezweifele ich auch. Da muss ich mir etwas überlegen.
                  Ich will noch mal auf die Toilette, aber keine Chance. Auch ein breitschultriger Finne flucht. Überall wird gebügelt, anprobiert, Haare gemacht, Posen ausprobiert. Neuankömmlinge checken ein, und die Unbeteiligten müssen – wie ich – das Hostel räumen. Taubenschlag.

                  Ich lenke das Rad zur Tampere Hall, um dort rechts abzubiegen. und da erkenne ich erst die Dimension, die diese Gamecon hat.





                  Mehr Farbe braucht die Welt, das steht fest. Ist das bunt hier. Es ist frisch draußen, vielleicht 5 oder 6 Grad.Tapfer überspielen die Mädels ihr Frieren. Zwischendrin fängt es an zu nieseln. Manchen sieht man die Schüchternheit an, aber sie beißen sich durch. Früher habe ich mich immer gewundert, woran andere gemerkt haben, wie unsicher ich bin. Jetzt weiß ich es.





                  Ich laufe noch kurz in den Park, weil die Stimmung so toll ist, aber es ist wirklich zu kalt. Und der zauberhafte Schnee fehlt, den ich damals erleben konnte. Die Skulpturen. Und der Schneemann auf der Bank. Dafür gibt es anderes zu sehen.














                  Ich radele bis zum Marktplatz. Auf den Straßen sind nur wenige Menschen und diejenigen, die ich sehe, sind verkleidet. Immer wieder öffnen sich Haustüren und Prinzessinnen oder Nerds treten heraus. Schnell merke ich, mein Kopf ist schwer. Nein, weiter geht es heute nicht. Ich fahre auf den Campingplatz.





                  Die Parkanlage finde ich wieder sofort und lasse mir viel Zeit. Es ist erst gegen 10.00 Uhr und die Reception öffnet um zwölf.





                  Eine Tafel, in der die Länder aufgeführt sind, die sich am 8.8.1995 in Tampere getroffen haben. Deutschland ist auch dabei. Laut Google Übersetzung handelt es sich um eine Gedenktafel des 20. Weltkongresses der Forest Research Organisation. In diesem Zuge wurde auch ein Wäldchen im Arboretum angepflanzt, das auch seltene Arten umfasst. http://www.tampere.fi/ekstrat/taidem...metsakonf.html





                  Ein Rauhaardackel verbellt ein im Baum sitzendes Lummiko, das ein Orava ist und kann sich kaum beruhigen. Ein Dackel. Bei uns sieht man diese Hunde kaum noch, in Finnland werde ich sie noch öfter sehen.





                  An einer kleinen Brücke kommt mir in der Kurve ein Radfahrer entgegen. Blick in die Ferne, offener Mund wie ein Fischmaul, hohe Geschwindigkeit, die Kurve schneidend. Ich denke an Fotos von Eddie Merckx oder Josh Ibett, da fahren die beiden aber Straßenrennen. Meine Scheibenbremsen reagieren sofort, und ich spüre den Windhauch, als er milimetergenau an mir vorbeifährt ohne mich wahrzunehmen. Mit dem englischsprachigen Franzosen hatte ich das Thema noch am Frühstückstisch. Kein schöner Anblick, wenn sich ein Radrennfahrer bei diesen Geschwindigkeiten hinlegt. Aber der Kopf fährt da anscheinend nicht mit, zumindest rechnet er um diese Zeit wohl nicht mit anderen Radfahrern.

                  Die Strecke zum Campingplatz ist Teil eines Radweges rund um den See.





                  Natürlich hügelig, wie sollte es anders sein. Ein kleiner Angelhafen.








                  Ein Mann läuft herum und als er an mir vorbeikommt, sehe ich, dass es eine Frau ist. Der Campingplatz müsste nun langsam kommen, und ich schalte nun doch das GPS ein. Ich stehe fast davor, muss aber nach oben zum Wohngebiet schieben, um zur Einfahrt zu kommen. Es ist 11.00 Uhr und die Reception ist geschlossen.

                  Noch scheint die Sonne, und ich setze mich auf die Bank. Ab und zu laufen Leute an mir vorbei. Aber der Platz ist sehr ruhig.
                  Ein Geschäftsmann mit schwedischem Kennzeichen stellt sich mit seinem Auto direkt vor mich und lässt den Motor laufen. Ich sage dreimal, er soll ihn bitte ausmachen, dann wird mein Ton schärfer, und er fährt oben auf den Parkplatz. Als er pinkeln muss, macht er ihn aus. Anscheinend holt er eine junge Frau ab.

                  Ein Vater mit einer ca. 10 jährigen Tochter mit Down-Syndrom kommt, er spricht ein sehr gutes Englisch. Immer wieder mahnt er sie, nicht so laut zu reden. Sie spricht mit mir auf finnisch, aber leider kann ich ja kein finnisch. Er übersetzt für sie. Man sieht, wie er sie liebt. Was für eine Geduld, mein tiefer Respekt. Ein Wohnmobil mit sechs Finnen, schwarz gekleidet, böse Mimik, jung. Sie wollen zur Gamecon, das sieht man. Nachdem ich eingecheckt habe, laufen sie total nett hinter mir her. Ich hatte Rucksack, Wasser und Poncho an der Rezeption liegen gelassen.

                  Die Zeltwiese liegt unter schattigen Bäumen. Ich überlege, ob ich Seeblick und Einsamkeit wählen soll, richte mich dann aber auf dem sonnigsten Fleck der Zeltwiese ein. Sonne braucht der Mensch, auch wenn sie bald hinter den Bäumen verschwinden wird. Ich setze die vorderen zwei Heringe, schlage die Tür dann aber zu zwei Dritteln auf und löse sie von dem vorderen linken Hering. Die Sonne ist einfach wunderbar. Sie scheint mir ins Gesicht, und ich schlafe umgehend ein. Ist das schön.
                  Als ich wieder aufwache, fängt es an zu regnen, und ich ziehe den Reißverschluss der Tür zu. Als ich das nächste Mal aufwache, läuft das Wasser seitlich ins Zelt rein, weil die Apsis nicht abgespannt ist. Mist. Ich kann mich gerade nicht bewegen, ich bin viel zu müde. So greife ich die Wasserflasche und nutze sie als Innenhering. Ich liebe dieses Zelt. Und schon schlafe ich weiter.





                  Irgendwann wache ich dann tatsächlich wieder auf. Passenderweise hört es gerade auf zu regnen, und ich mache das Zelt fest und gehe duschen. Es ist lausig kalt ohne Sonne, vielleicht 12 Grad, und ich bin froh, dass die Dusche heiß ist. In einer Ecke steht noch ein anderes Zelt, aber die Person ist mit einem Auto da. Sieht aus wie stationäres Camping. Ein paar Dauercamper verlassen den Platz, dafür kommen später andere.

                  Ich mache einen kleinen Spaziergang auf dem Platz. Nett ist es hier, aber feucht. Die Zeltwiese am Wasser.





                  Eine Feuerstelle gibt es auch. Ebenso kann man hier baden.











                  Erst hatte ich überlegt, eine Hütte zu nehmen. Ich sehnte mich nach Wärme. Aber die kleinen Hütten waren alle ausgebucht und eine 4-Personenhütte für 60 Euro war mir dann doch zuviel Geld. Ich zahle für das Zelt 15 Euro.





                  Eine bunte Truppe junger Menschen aus Bangladesh oder Pakistan kommt fröhlich vom Steg aus über den Platz gelaufen. In Hamburg wäre das gar nicht erwähnenswert, aber in Finnland fallen sie auf. Die Minigolfanlage liegt verwaist in der Mitte. Die Küche ist sauber und funktionell, aber nicht gemütlich. Ich trauere Valkeakoski nach. Der Preisliste entnehme ich, dass eine Zwei-Personen-Hütte mit 2 Betten, kleinem Fenster und kleinem Tisch ohne Kühlschränk, die derzeit 40,00 Euro kostet, an Mittsommer zwischen 110 und 140 Euro kostet. Mittsommer macht man sich in Finnland also besser unsichtbar. Bettwäsche ist nicht dabei, die muss man sich leihen. Eine Küchenausstattung sollte ebenfalls mitgebracht werden. Der Campingplatz schließt Ende September. Ein Hubschrauber donnert über den Platz.








                  An einer Grillhütte auf dem Gelände sitzen Leute und grillen. Am Feuer ist es bestimmt warm, leider habe ich nichts zu Grillen dabei und einen Supermarkt suche ich jetzt bestimmt nicht.








                  Ich sehe ein deutsches Wohnmobil, aber es wird eine Ausnahme bleiben. Deutsche findet man in Finnland kaum. Ich koche Nudeln mit Frischkäse und Parmesan und denke über meine Ausrüstung nach. Merkwürdig. Nach so vielen Jahren ods habe ich mittlerweile wieder Dinge dabei, die ich bereits vor der ods Zeit oder ohne Hilfe von ods auf Empfehlung des Händlers gekauft habe: Das Zelt (ME Dragonfly, 2006), den Kocher (Brunton Flex, 2007), die Töpfe (Brunton, 2009), den Overbag-Schlafsack (Nordisk Skram, 2008), die Schuhe (Hanwag Lima GTX, Modell 2014, seit 2003). Wenn ich mich nicht täusche, gibt es das alles mittlerweile nicht mehr zu kaufen.





                  Ich hatte Inarijoen Peter und R. eine sms geschrieben. Mir war während des Mittagsschlafes die Idee gekommen, sie zu bitten, mich hier morgen früh abzuholen. Das erspart mir eine Stunde Fahrt mit dem Rad und unbefriedigendes Suchen. Sonntag morgen hat bestimmt auch kein Café auf. Ich mache mit Peter und R. fest, dass sie zum Platz kommen. Ich warte dann ab sechs auf sie. Da sie bisher nicht reagiert haben, rufe ich an. Und obwohl ich weiß, dass Peter in der Schweiz geboren ist, bin ich doch wieder völlig überrascht, statt des perlenden Finnisch diesen wunderbar weichen Schweizer Tonfall zu hören, mit dem er mich begrüßt. Wir verabreden uns für 6.15 an der Rezeption. Auf der Rückseite eines kleines Prospektes für den Seeradweg sind Verhaltensregeln für Radfahrer abgedruckt. Anscheinend gibt es Bedarf.





                  Die Dämmerung beginnt, und ich kann mich an dem See hinter mir nicht satt sehen.





                  Am Himmel zeigt sich ein rosa Regenbogen. So etwas habe ich noch nie gesehen.





                  Ein Hase – oder ist es ein Kaninchen - sitzt mümmelnd, aber auch immer wieder die Umgebung beobachtend - im Gras an einem Baum. Später läuft er auf die Zeltwiese, sprungbereit.





                  Dort werde ich morgen sein. Das weiß ich jetzt aber noch nicht. Und dass ich den Turm schon fotografiert habe, weiß ich morgen wiederum nicht.





                  Die Wasseroberfläche könnte sich ruhig mal rasieren.





                  Ein neues Wohnmobil rollt auf den Platz, die Hunde, die sofort ihr Revier abstecken, kläffen mich unverzüglich an. Die Frau und die drei halbwüchsigen Kinder erkunden begeistert das Areal. Der Vater packt unverzüglich das Bier aus.

                  Wieder fängt es an zu regnen, und ich verziehe mich in mein Zelt und denke so vor mich hin. In einer Regenpause werden die Finnen fröhlich, es ist gerade neun Uhr, und ich bin schon wieder schläfrig.
                  Dann regnet es wieder, und ich schlafe ein. Mein lautes Sonim-Handy ist an, weil ich den Wecker gestellt habe, und ich denke im Traum, mich überfährt ein Feuerwehrwagen, als gegen 23.30 bimmelnd eine SMS eingeht. Man will wissen, wo ich bin. Nach deutscher Zeit, natürlich, dort ist es noch nicht so spät. Im Halbschlaf antworte ich und schlafe sofort wieder ein.
                  Zuletzt geändert von Torres; 29.09.2015, 15:26.
                  Oha.
                  (Norddeutsche Panikattacke)

                  Kommentar


                  • Torres
                    Freak

                    Liebt das Forum
                    • 16.08.2008
                    • 30722
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                    06.09.2015. Nokia. 31,5 km

                    Der Wecker klingelt um 5.30 Uhr. Schnell ziehe ich mich an und packe etwas vor. Kalt ist es und neblig. Ich stelle mich an den Eingang und bewundere das Schild. „Schlagbaum“. Sagt man das heute im zivilen Bereich noch? Meistens nutzt man das Wort „Schranke“.





                    Gehen 6.15 Uhr kommen Inarijoen Peter und R. und berichten, dass man in Tampere vor lauter Nebel die Hand nicht vor Augen sah. Wie gut, dass ich nicht mit dem Fahrrad fahren musste. R. sucht im Handy nach einer offenen Raststätte und findet sie auch. Ich bin fasziniert, wie sie als Finnin zwischen Finnisch, Schwyzerdütsch und Deutsch hin-und herspringt, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Ich glaube kaum, dass mir so etwas mit Finnisch jemals passieren würde.
                    In der Raststätte frühstücken wir und unterhalten uns. Ich genieße das Gespräch, und wir lachen viel. Sie sind viel fröhlicher als beim ersten Mal, als ich sie traf. Nun kommen sie gerade aus dem Urlaub und es sieht aus, als hätten sie das unglaublich genossen. Ich lerne ein neues Wort: Polkupyörä. Fahrrad. Noch kann ich mir es nicht merken, obwohl ich mir viel Mühe gebe.

                    Hätte es geregnet, wäre ich gerne lange dort sitzengeblieben. Aber bald kommt die Sonne raus, und ich werde unruhig. Einen schönen Tag darf man nicht verpassen, es könnte der letzte schöne Tag sein. Die Wettervorhersage war relativ schlecht, es ist erstaunlich, dass überhaupt die Sonne scheint.

                    Gegen halb zehn bin ich startbereit und merke sofort, dass mein Kopf wieder frei ist. Der Ruhetag hat gut getan. Langsam löst sich der Nebel auf.





                    Die Route führt durch Tampere, ich könnte auch andersherum um den See fahren, aber ich bin a) neugierig auf die Streckenführung, denn mittlerweile gefällt mir die Route immer besser und möchte b) noch einmal eine Stelle in Tampere sehen. Ich fahre also Hauptstraße, damit es schneller geht. Wieder sehe ich ein paar Jugendliche, die zur Gamecon fahren und biege auf die Haupteinkaufsstraße ein.


                    Am Theater höre ich Musik und fahre nach Gehör. Es ist Soundcheck für eine Spendenveranstaltung des finnischen Roten Kreuzes.





                    Das Konzert beginnt um zwölf Uhr. Das ist mir zu spät, leider, wie noch zu berichten sein wird.





                    Ich fahre weiter und lande an der Promenade, auf der ich damals im Schnee fast den Objektivdeckel verloren hätte. Bei Schnee war es hier netter, konstatiere ich. Der Weg wirkt langweilig und der Belag ist schlecht. Ich müsste eigentlich nach links, wende mich aber nach rechts, denn ich will unbedingt noch einmal die Stelle sehen, an der ich auf dem Wasser gelaufen bin. Den Weg finde ich ohne Navi, hier kenne ich mich aus. Allerdings fahre ich nicht ganz um die Bucht herum, sondern vorne an der Straße in den Kai ein. Der Umweg ist mir nun doch zu groß. Mit Schmunzeln erinnere ich mich, wie ich über den hohen Schnee des Parkplatzes gegenüber gestiegen bin.

                    Die Tankstelle








                    Die Bucht im Sommer









                    Und hier bin ich gelaufen. Was für ein blau.











                    Nun wird es knifflig. Ich finde den Weg nicht und improvisiere mit Nebenstraßen. Hinter der Kirche beginnt eine Parkanlage.





                    In dem Park befinden sich Gräber.





                    Hier bin ich noch richtig.





                    Dann geht es rechts den Berg hoch, aber trotz Navi und mehrfacher Ortung verfehle ich die richtige Straße. Steil geht es nach oben. Immerhin ein Trost: Auch Finnen schieben.





                    Oben angekommen sehe ich, dass dieser Turm ein Ausflugsziel ist. Es ist ziemlich viel los. Sonntagsausflug.





                    Dass ich den Turm gestern schon fotografiert habe, weiß ich nicht. Gerne hätte ich ihn bestiegen, aber es gibt keine Möglichkeit, das Fahrrad und das Gepäck sicher zu deponieren. So fahre ich am Turm vorbei und bin dann auch kurz darauf auf der richtigen Straße. Zielkonflikte zwischen sportlichen Radfahrer und Fußgängern. Aber das hört bald auf.

                    Der Waldweg führt nun zu einer Nebenstraße, die sich in einem Stadtviertel befindet, das zwischen den beiden Seen Tamperes liegt.








                    Das Viertel wirkt wohlhabend. Eine traumhafte Wohngegend.





                    Ein Aussichtspunkt. Dort ist auch ein Spielplatz. Sonst hätte ich ihn nicht entdeckt. Ein Radfahrer stürmt die Treppen hinunter. Ich schließe mein Rad fest und genieße den Ausblick.






                    Die Nebelbank in der Ferne.





                    Eine Inselspitze im Nichts.





                    Plötzlich spricht mich die Familie neben mir an. Man will wissen, ob das ein Kanu ist. Ich fotografiere den Punkt mit dem Touchscreen, da der Sucher ihn nicht erkennt. Ja, ist es.





                    In einem Fenster sitzt ein ausgestopfter Raubvogel. Es geht nun wieder bergab. Ein Mann schiebt sein Fahrrad keuchend den Berg hinauf, und ich frage, ob ich richtig bin. In akzentfreiem Englisch bejaht er und erklärt mir den Weg. Und dann sehe ich doch tatsächlich ein Radwegschild. Wie nett!





                    Unten angekommen, geht der Radweg am See entlang.








                    Was ist das eigentlich? Kann man in dem rotem Turm wohnen?





                    Ein Floß.





                    Der Radweg endet abrupt. Hier geht es nur noch für Fußgänger weiter. Wie schon der Radfahrer in der gelben Sicherheitsweste vor mir, muss auch ich wenden. Ich hatte mich schon gewundert, als er mir entgegen kam. Ich biege allerdings etwas später in den Endpunkt des Fußgängerweges ein, um eine Pause zu machen. Ich habe bohrenden Hunger und bin froh, als ich eine Bank in der Sonne finde. Im Schatten ist es zu frisch. Und weil es warm ist, ziehe ich meine Wollmütze unter dem Helm aus. Und weil ich müde bin, ziehe den Helm wieder an und klemme die Mütze zwischen die Packtaschen. Es ist 12.04 Uhr. Um diese Zeit beginnt in Tampere das Konzert. Wäre ich jetzt dort, wäre das Folgende nicht passiert.

                    Ich esse mein Brot, und als ich den Müll wegwerfe, spricht mich der Flaschensammler an, den ich schon vorher gesehen habe. Er sei auch mal in Deutschland arbeiten gewesen und der Weg wäre nun kompliziert, er würde ihn mir zeigen. Ganz in Gedanken schultere ich den Rucksack und schiebe los und denke natürlich nicht mehr an die wollene Mütze. Der Flaschensammler bringt mich an den richtigen Weg, und ich radele jetzt auf parkähnliche Wegen um einen See herum. Wieder treffe ich den Radler mit der gelben Weste, ingesamt werden es fünf Mal sein, die wir uns begegnen. Beim letzten Mal sind wir beide verblüfft.

                    Der Radweg ist gut ausgebaut, an einigen Stelle ist allerdings eine Baustelle, und ich schiebe das Rad über groben Schotter, der einmal ein Radweg werden wird. Die Autobahn verläuft parallel, aber es ist recht wenig Verkehr, denn es ist ja Sonntag. Bald bin ich bereits in Nokia.





                    Nokia interessiert mich natürlich auch wegen Nokia, selbst wenn Nokia keine Handys mehr produziert. Im Geiste hatte ich mir eine hässliche Industriegroßstadt vorgestellt. Tatsächlich ist sie aus großstädtischer Sicht eher ländlich.

                    Der Campingsplatz soll sehr schön auf einer Insel liegen. Ein Umweg. Weiterfahren oder nicht? Die Etappe ist ein wenig kurz, andererseits kann Sonntagsruhe ja nicht schaden. Ich verschiebe die Entscheidung ein paar Mal und rase kurz vor Ortsbeginn im Mordstempo eine Abfahrt hinab, um die langgezogene Steigung halbwegs zu bewältigen. Der Wind ist kalt und in dem Moment durchschießt es mein Gehirn wie Stahl: Die Mütze. Ich weiß sofort, sie ist weg. Ich bremse und greife nach hinten. Sie ist weg. Verdammt. Wie soll ich sie bloß ersetzen. Der finanzielle Verlust ist zwar gering, aber eine Mütze aus Wolle findet man nicht so leicht. Ich könnte mich grün und blau ärgern.

                    Einen Moment überlege ich, zurückzufahren, aber sie kann sich überall befinden. Vielleicht liegt sie noch bei der Bank, aber ich kann sie auch auf dem Schotter verloren haben. Ich hadere mit mir selbst. Warum denn immer ich. Das ist natürlich Blödsinn, denn überall liegen auf den Wegen verlorene Handschuhe herum. Ich bin nun aber völlig aus dem Takt und habe schlagartig keine Lust mehr, weiterzufahren. Ich entscheide mich für Ruhe, um meine Nerven zu sortieren. In einem nicht mehr ganz zeitgemäßen K-Mark an der Kreuzung halte ich an und kaufe Weintrauben, Käse und etwas Brot. Dann lasse ich mich routen. Der Campingplatz liegt ein paar km unterhalb der Stadt. Die Route führt nicht direkt daran vorbei.

                    Hier kommen meine Gummistiefel und die Reifen her:





                    Es geht nun auf dem Radweg einer vielbefahrenen Straße entlang. Links von mir ein Lidl. Zwei junge Ehepaare mit Kindern auf Fahrrädern versperren egoistisch den Weg. Bald wird es dörflicher und einsamer. Hübsch hier. Als ich an den Platz komme, befürchte ich schon, dass er geschlossen ist. Aber das ist er nicht, die Rezeption ist ab 17.00 besetzt. Ich schaue mir ein wenig den Platz an, und er gefällt mir sofort. Ein Lummiko-Orava begrüßt mich, oder etwa nicht?





                    Der Platz ist still und sonnig. Ich rufe die Telefonnummer am Empfang an, um meine Anwesenheit mitzuteilen und man ist überrascht. Ich kann mich gerne schon hinstellen, kein Problem. Es ist kurz nach zwei. Das tue ich dann auch und zwar mitten auf den Platz. Die Zeltwiese ist mir zu nass.





                    Ich hatte im Hostel gewaschen und ärgere mich, dass ich nicht auch meine Alltagshose gewaschen habe. Wie der Schlafsack riecht sie penetrant nach Basmatireis. Wie lange ist das her? Erstaunlich, was man sich mit den Farbstoffen antut. Nachdem ich mich eingerichtet habe, gehe ich an den See. Es gibt einen Steg, der zum Campingplatz gehört.





                    Und setze mich. Ein Traum.





                    Zunächst ist es wunderbar ruhig. Nur die Vögel zwitschern.





                    Dann kommt ein weißes Motorboot, eine Yacht. Sie hält am öffentlichen Steg nebenan. Die Männer steigen aus und unterhalten sich. Die Musik wird aufgedreht. Eindeutig naturliebende Finnen, seufze ich. Aber für sie ist der Anblick ja normal, sie wachsen damit auf.





                    Irgendwann fahren sie mit dem Auto weg, und ich bin inmitten einer Postkartenidylle. Genau von diesem Anblick habe ich vor Urlaubsbeginn geträumt. Es ist wundervoll hier. Ich glaube, ich werde bis Urlaubsende einfach hier sitzen bleiben. Das würde mir gefallen.





                    Große Libellen umschwirren mich. Sie im Flug zu fotografieren gelingt mir nicht. Sie sind zu schnell und verändern ihre Geschwindigkeit. Wenn sie sich niederlassen, dann landen sie wie ein Helikopter, legen die Karosserie tiefer, wie ein alter Citroen und liegen dann da wie eine Flunder.











                    In der Ferne erscheint ein Ruderer. Es sieht aus, als säße bei ihm im Boot ein Gespenst. Tatsächlich ist das der Motor.





                    Ein Schwanfoto für R.





                    Im Wasser spiegelt sich der Wald.





                    Es ist kühl geworden, und langsam bummele ich zurück, um mich anzumelden. Meine Platzwahl ist kein Problem. Die Regeln gelten nur für Mittsommernacht. Die Zeltwiese ist in der Tat sehr feucht. Es hat den ganzen Sommer geregnet. Als ich zum Zelt zurückgehe, sitzt wieder eine kleine Ratte im Baum und lacht mich aus. Keck schaut es mich an, da es genau weiß, dass ich die falsche Kamera dabei habe.











                    Dann huscht es davon.

                    Der Mann vom Platz kontrolliert die öffentlichen Räume. Gestern war Saunatag. Vermutlich war viel los wegen der Gamecon. Er fährt einen dezenten Jaguar. Ich dusche, die Dusche könnte diesmal heißer sein, aber die Sanis sind gepflegt. Ich esse etwas und dann ist es auch schon wieder Zeit für das Zelt, denn die Dämmerung bringt Kälte, Stechmücken- und Regenalarm. Eine Familie, die einen Wohnwagen bewohnt, kommt zurück und grüßt sehr nett, ein Monteur fährt auf den Platz. Mehr Gäste gibt es nicht.





                    In der Ferne türmen sich Wolken auf. Unvermittelt geht in einem kleinen Streifen hinter den Wolken links von mir, hinter Wohnwagen versteckt, mit kräftigem gelb die Sonne unter. Umso überraschter bin ich, als rechts von mir ein glühendes Abendrot erscheint, das aussieht, als befände sie sich an beiden Stellen oder ginge rechts unter. Ein derartiges Abendrot entsteht bei uns normalerweise nicht und der Himmel färbt sich erst, wenn die Sonne bereits untergegangen ist.
                    Die ersten Tropfen fallen. Ich schließe das Zelt und habe kurz darauf das Gefühl, es steht in Flammen. So reiße ich noch einmal die Tür auf. Eine glühendrosa Wolke steht mitten über dem Zelt. Sie wirkt wie ein Nordlicht bei Tage und es scheint, dass es gar keine Wolke ist, sondern gebündelte Sonnenstrahlen. Ich verdrehe mir fast den Hals und bin fasziniert.








                    Genauso schnell, wie die Erscheinung gekommen ist, ist sie auch verschwunden. Als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Es setzt Regen ein. Die Autobahn in der Ferne lärmt. Das Wochenende ist vorbei.
                    Zuletzt geändert von Torres; 29.09.2015, 11:06.
                    Oha.
                    (Norddeutsche Panikattacke)

                    Kommentar


                    • supi
                      Gerne im Forum
                      • 13.01.2013
                      • 79
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #50
                      Ein Orava ist wirklich ein Eichhörnchen.
                      Ein Lumikko ist ein Mauswiesel. Etwa doppelt so gross wie eine Maus und hat Mäuse zum fressen gern. Hast du ein Mauswiesel brauchst du keine Katze mehr ;)

                      Was den Turm betrifft:
                      https://www.youtube.com/watch?v=MmKcPskMNJY
                      Da war ich mal unfreiwilligerweise.... wenn man zum Freizeitpark möchte und sich vom treuen Eheweib lotsen lässt kommt man ganz schön rum sag ich dir. Das war mal eine Fabrik für Schrotflinten und in dem Turm hat man Schrot gegossen. Man hat flüssiges Blei durch eine Art Sieb geschüttet. Die Bleitropfen sind dann in dem Rohr runtergefallen und haben durch die Oberflächenspannung eine Kugel gebildet die schnell abgekühlt ist. Unten ist die Schrotkugel dann in der Regel in ein Wasserfass gefallen....
                      Heute ist das ein Verein der die Räume für Hochzeiten etc. vermietet.
                      http://www.pispalanmoreeni.fi/

                      Wo ist in Tampere dieser Aussichts-/Ausflugsturm den du erwähnst? (Da wo du nicht hoch bist.... der aus rotem Granit)
                      Gruss


                      P.s.: Ja, das war ein nasser, kalter Sommer. Ich habe im "Sommer" noch nie so viel Brennholz verbraucht wie dieses Jahr.
                      Alter finnischer Witz: In Finnland gibt es jedes Jahr 2 Winter. Der eine ist weiss, der andere grün.
                      Den hat mir einer erzählt an dessen Häuschen du zwischen Parola und Valkeakoski vorbeigeradelt bist.
                      Zuletzt geändert von supi; 29.09.2015, 17:01.

                      Kommentar


                      • Torres
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 16.08.2008
                        • 30722
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                        Hej, danke für die Erklärung. Ich fand den Turm so besonders. Das ist er dann ja auch.

                        Das ist der Turm, den Du suchst. http://www.munkkikahvila.net/?page=3&lang=en. Pyynikki Aussichtsturm. Er ist am Ende der Straße Näkötornintie. Eigentlich sollte ich die Pälomäentie entlangradeln, die habe ich aber irgendwie verpasst.
                        Oha.
                        (Norddeutsche Panikattacke)

                        Kommentar


                        • Spartaner
                          Alter Hase
                          • 24.01.2011
                          • 4802
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                          Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                          Ein Hase – oder ist es ein Kaninchen - sitzt mümmelnd, aber auch immer wieder die Umgebung beobachtend - im Gras an einem Baum. Später läuft er auf die Zeltwiese, sprungbereit.

                          Ein Hase.

                          Gibt es in Finnland überhaupt Wildkaninchen?

                          Kommentar


                          • Nordlandpirat
                            Erfahren
                            • 03.02.2013
                            • 146
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #53
                            AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                            Wieder mal ein sehr schöner Bericht

                            Ein Zwischenstop am Pyynikki-Turm hätte sich aber wirklich gelohnt. Zum einen ist die Aussicht auf Tampere und seine Umgebung von dort grandios, zum anderen sind die Donuts dort auch echt super. Da gehen auch die Einheimischen gern mal auf einen Kaffee und einen Donut vorbei ;)

                            Hach, jetzt hab ich Sehnsucht nach Finnland...
                            Jos ei viina, terva tai sauna auttaa, tauti on kuolemaksi (Finnisches Sprichwort)

                            Kommentar


                            • Torres
                              Freak

                              Liebt das Forum
                              • 16.08.2008
                              • 30722
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                              So wirkte es auch. Sonntagsspaziergang (mit dem Auto) und Kaffee trinken. Ich habe auch einen Moment überlegt, ob ich schwach werde, aber ich scheue mich, das Fahrrad alleine zu lassen. Großstädtergewohnheit. Das ist zu zweit natürlich einfacher. Aber ich habe den Blick über Tampere ja damals schon vom Fernsehturm aus genossen.
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

                              Kommentar


                              • lina
                                Freak

                                Vorstand
                                Liebt das Forum
                                • 12.07.2008
                                • 42958
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #55
                                AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                                Über die Wollmütze freut sich bestimmt jetzt ein Lummiko oder ein Orava, samt jeweiliger Familie

                                Kommentar


                                • Torres
                                  Freak

                                  Liebt das Forum
                                  • 16.08.2008
                                  • 30722
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #56
                                  AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                                  07.09.2015. Ikaalinen. 69,9 km

                                  In der Nacht hat es gegossen, und das ist auch am Morgen nicht vorbei. Ich mache noch einmal die Augen zu und überlege, ob ich noch einen Ruhetag einlegen soll. Aber eine Lösung ist das nicht. Geschlafen habe ich nun genug. Und für einen Abwettertag ist das Zelt zu klein. Das war letztendlich der Grund, warum ich bei ods gelandet war. Außerdem schreckt mich Regen nicht, das bin ich ja gewohnt.
                                  So rappele ich mich um sieben hoch und schleppe mit Regenhose, Radgamaschen und Poncho bekleidet die gepackten Sachen in die Küche. Das Fahrrad parkt jetzt davor, und ich kann beladen.





                                  Es ist lausig kalt. Meisen hüpfen herum. Ich ärgere mich erneut, dass ich meine Daunenjacke vergessen habe. Und meine Mütze verloren ist. Es ist diese feuchte Kälte, die durch alle Ritzen zieht. In der Küche ist das besonders spürbar.

                                  Ich traue dem am E-werk hängenden Akku nicht, der bisher in der Fototasche lag und finde eine wassergeschützte Plastiktütenlösung in der oberen Rahmentasche für ihn. Das E-Werk ist wasserdicht, aber der Akku nicht.
                                  Die Fototasche muss jetzt in den Rucksack und die Kamera findet in der Ponchobrusttasche Platz. Ich wusste gar nicht, dass ich so etwas habe, und sie entpuppt sich als äußert praktisch. Einen Moment überlege ich, die Mütze zu holen umd zurückzufahren. Dann fällt mir ein, dass viele Radwege im Bau waren, und ich verwerfe den Gedanken. Das ist gut, denn heute wird Schiebetag – ähm - Radwandertag.

                                  Die gestern noch so ländlich- romantisch wirkenden Straßen liegen grau und hässlich vor mir. Ein Schulbus lässt mich über die Straße rüber, ich danke. Der Junge vor mir fährt auf dem Hinterrad, als er mich sieht, ist er unangenehm berührt, entweder darf er das nicht oder seine Technik gefällt ihm noch nicht. Stolz ist er schon.
                                  Ich kürze ab und auf Landstraße geht es an der Bahn entlang. Es regnet immer noch, aber nicht mehr so stark. Das macht es leichter.








                                  Bei „Pia und Katja“, einer Poststelle mit Kaffeeausschank, Getränkeverkauf und Küche, Lotto, Spielautomaten und Bürobedarf, will ich einen heißen Kakao trinken, aber es gibt nur Kaffee oder Tee. Ich kaufe eine Cola und esse eine dicke Wurst, die in lieblos in die Tüte geklatschtem süßen Senf badet. Was anderes haben sie nicht. Aber ich habe Hunger und verschlinge sie dankbar. Hauptsache warm.





                                  Hinter Surio führt ein neuangelegter Radweg an einer Fabrik vorbei, dann fahre ich Landstraße. Es wird nun immer hügeliger und immer häufiger muss ich schieben.
                                  Dafür ist die Strecke imposant. So stellt man sich Finnland vor. Wenig Verkehr, lange Straßen, Natur. Ein Traum. Die Straße lässt die Wälder individuell wirken, so dass ich ein paar Mal denke: Wie schön. Und weil ich öfter schieben muss, gibt es auch Fotos. Von den Anstiegen, nicht von der rasanten Fahrt bergab.





                                  Immer wieder mal tauchen Seen auf.





                                  Ein wenig Hoffnung auf besseres Wetter gibt es auch.





                                  Ein LKW auf Straße. Holzarbeiten. Ich schiebe und radele das letzte Stück mit mit viel Ehrgeiz vorbei. Der Fahrer glotzt mich an. Kennt er wohl nicht. Später wird er mich überholen.





                                  Gut getarnte Radwegschilder.





                                  The long and winding road.











                                  Finnland, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Wald. Langgezogene Straßen. Ich erinnere mich an einen „Tatort“. Vielleicht wurde er hier gedreht.

                                  Das Wetter scheint sich zu bessern. Aber an sich ist es nicht schlecht. Etwas kühl. Aber der Regen hat aufgehört.





                                  An einer Bushaltestelle mache ich Pause. Es ist still geworden, die Autogeräusche, die bis Nokia meine Tour begleitet haben, sind verschwunden. Mein Herz müsste vor Naturrausch nun eigentlich hüpfen, aber ich frage mich in einem kurzen Anfall von Schwermut, was an „Outdoor“ eigentlich so toll ist. Stände ich hier mit einem Auto, sähe das Land ja auch nicht anders aus. Und wäre ich hier zu Fuß, käme mir die Landschaft wohl wie Kaugummi vor: Sie zieht sich. Mir scheint, es gäbe außerhalb der Nationalparks und Trails kaum zusammenhängende Wege. Sondern ausschließlich Straßen, die zur irgendeinem bestimmten Ziel in der Ferne führen. Und diese radelt, radelt und radelt man, und es fühlt sich an, als bewege man sich kaum. Bäume, Felder, Seen, ein Haus. Eine Landschaft für die Ewigkeit. Frieren tut man hier auch. An dieser Stelle hat man jedenfalls noch eine gewissen Weite. Und was ist mit diesen riesigen Wäldern, in die man gar nicht hineinkommt, weil sie viel zu dicht sind? Lost in Finnland. Wo man auch ist. Ich esse ein Stück Roggenbrot mit Käse.








                                  Der Verkehr nimmt zu. Autos kommen von links und biegen in die Straße ein, die auch mein Ziel ist. Ich meine, so alle drei Minuten kommt ein Auto, manchmal sogar zwei hintereinander, das ist hier schon viel. Ich friere jetzt richtig und steige wieder auf mein Rad.





                                  Kinder, die mit Fahrrädern den Hügel hinunterrasen, kommen mir entgegen. Ein Mädchen und ein Junge fahren Rennen. Ihnen folgt ein Mädchen, das vorsichtiger ist. Schule ist aus.


                                  Eine Badestelle am Mahnalansälkä.








                                  Dürfe man hier eigentlich wildcampen? Ich weiß es nicht. Aber es ist ja sowieso zu früh.


                                  Schulbusse fahren ab, Eltern mit Kindern im Auto eilen den Berg hinunter.





                                  Für mich heißt es dagegen schieben. Eine schöne Strecke, das kann ich nicht abstreiten. Stimmungsaufhellend. Der Wald sieht hier lichter aus.





                                  Oben erscheinen Felder, und ich habe einen Blick auf den See.





                                  Ein Haus kommt in Sicht.





                                  Es ist ein Hofladen.





                                  Eigentlich wollte ich hier Heidelbeeren kaufen, aber als ich die Erdbeeren sehe, muss ich Erdbeeren kaufen. Sie sind rund und sehr dunkel. So etwas habe ich noch nie gesehen. Dazu kaufe ich ein paar Bohnen und zwei Maiskolben. Mansikkaa. Erdbeere. Jeden Tag ein neues Wort.





                                  Nur ungern verlasse ich diese Stelle. Es kommt mir vor, als wäre hier ein ganz besonderer Ort. Warm, mild und sonnig. Und geprägt von einer besonderen Leichtigkeit. Vielleicht ist das der Grund, dass hier Menschen wohnen.





                                  Das Wetter ändert sich allerdings wieder, es wird wieder kalt, regnerisch und windig. Als wäre der hochgelene Punkt am See wirklich eine kleine Insel gewesen. Ein Empfangskommittee.





                                  Es sind mehr, als ich anfangs dachte.








                                  In dem dazugehörenden verwahrlosten Garten stehen verrottende Oldtimer. Irgendwo am Wegesrand eine Hofeinfahrt. Den Namen kenne ich doch irgendwoher.





                                  Es fängt wieder zu nieseln an. Auf diesem Baum thront ein Motorradhelm.





                                  Hier in der Nähe muss ein Campingplatz sein, aber ich sehe kein Hinweisschild. Vermutlich ist es ein Sommerplatz. Es wäre mir auch viel zu früh. Ein schwarzer Porsche 911 überholt mich, biegt ab und fliegt an den Feldern vorbei. Harmonisch fügt er sich in die Landschaft ein. Eine Augenweide.

                                  Der nächste Ort kommt. Ist es bereits Hämeenkyrö? Krähen fliegen Zugvögeln gleich über meinem Kopf und lassen sich dann in den Bäumen nieder. Ihr „Krah“ wirkt unheimlich, als würden sie etwas aushecken.
                                  An einer Unterführung spricht mich ein Mann mit einem Fahrrad mit gelber Packtasche an. Leider kann er kaum englisch. Wir verstehen uns trotzdem. Helsinki – Vaasa - das ist weit. Finnland ist um diese Zeit immer kalt.

                                  Im Ort Hämeenkyro muss ich wieder auf Radfahrer achten. Ein paar Jugendliche verfolgen ihren Weg, als gäbe es mich nicht. Sie fahren nebeneinander. An einem Kreisel lockt ein Motelschild. Es regnet gerade wieder richtig, und ich überlege, ob ich in den Ort abbiege und hier übernachte. Mir ist kalt. Aber der Ort hat nichts Schönes, und ich hoffe, in Ikaalinen einen geöffneten Campingplatz zu finden. Der Ort soll interessant sein. Die Strecke schaffe ich nun auch noch. Junge Leute lungern auf einem Parkplatz herum. Sie schauen zu mir hinüber und lachen. Ob über mich, kann ich nicht sagen. Ich muss übrigens gerade schieben.

                                  Die folgende Straße lässt sich gut fahren, und ich bin gerade in Schwung, als ich plötzlich ein Schild sehe: Pirkan Ura.





                                  Ein Wanderweg? Er scheint laut Navi später wieder zur Straße zu führen, und so radele ich in den Weg hinein.





                                  Erneut bin ich überrascht, was meine Garmin Straßenkarte für Wege kennt. Irgendwo auf dieser Tour hatte ich mal versucht, mit einer heruntergeladenen OSM Topo-Karte zu navigieren, aber das war sinnlos. Es waren nur Hauptstraßen und Höhenlinien drauf. Sonst war alles weiß.





                                  Schnell wird der Sandweg zu tief, und ich muss umdrehen.





                                  Ich biege jetzt in einen festen Naturweg ein.





                                  Der Wandertrail verläuft parallel.








                                  So stoße ich kurz darauf auf einen der Shelter, die in der alten GT Karte eingezeichnet sind.








                                  An sich wäre ein Shelter ein gute Gelegenheit, sich niederzulassen, aber ich weiß nicht so ganz, was ich hier will. Der Wald ist nass und feucht, der Shelter dunkel und abweisend. Auf der anderen Seite der Straße ist ein Gebäude, es sieht aus, als wäre hier eine Landebahn vor der Tür. In regelmäßigen Abständen kommen Autos mit hoher Geschwindigkeit vorbei. Nein, danke, nicht, wenn ich allein bin. Zur Bestätigung heizt ein Auto an mir vorbei.

                                  Es soll hier in der Nähe auch noch einen Grillplatz geben, aber ich will jetzt nicht mehr suchen. Ja, ich könnte hier im Wald zelten. Aber was soll ich da? Bäume anschauen? Mit eine Erkältung holen? Ich bringe es auf den Punkt: Es sind einfach zu viele Bäume hier.

                                  Das wird umso deutlicher, als es wieder lichter wird.





                                  Eine schöne Landschaft schließt sich an.





                                  Ein wenig Schwarzwald. Oder flache Schweiz.














                                  Allerdings sehe ich nun auch deutlich: Da, wo es wirklich schön ist, ist es auch in Finnland privat. Man stellt es sich bei uns manchmal viel zu einfach vor.








                                  Unerwartet ein Radwegschild. Wie niedlich.





                                  Und dann kann ich nicht mehr. Selbst Studentenfutter als Treibstoff nutzt nichts. Es geht immer nur hoch und kaum runter. Lincolnshire. Die Autos fahren schnell und sind entsprechend laut, sonst kommen sie den Berg nicht hoch. Immer wieder wechsele ich die Seite: Links schieben, rechts fahren. Gegen Ende fahre ich noch nicht einmal bergab. Es geht ja eh gleich wieder hoch. Ein alter Mann überholt mich lässig auf einer Dreiganggurke. Der absolute Tiefpunkt. Ich beschließe, hinter der Kuppe einfach zu streiken.

                                  Kaum habe ich sie erreicht, sehe ich: Ich bin da.





                                  Der Platz soll am See liegen. Aber ob er geöffnet hat? Ein Lidl. Ich brauche zur Abwechslung dringend Mineralwasser. Ich parke das Rad vor dem Aschenbecher. Boah, wie das stinkt.
                                  Saskia, die blaue Flasche wie bei uns, kostet hier 1.19. Inklusive 40 c Pfand. Saskia mag ich nicht. Ich nehme eine andere Flasche, 65 cent inklusive 40 cent Pfand. Das Wasser wird nicht schmecken. Der Laden ist genauso steril wie bei uns, nach den ganzen Feldern und Wäldern empfinde ich das als futuristisch abstoßend. Schnell raus hier.

                                  Ich eile die flache, breite Straße entlang. Der Radweg ist schlecht. Baumwurzeln. Eine sehr schön angelegte Parkanlage am See lockt und ich beschließe, notfalls zelte ich hier wild. Weiter fahre ich jetzt nicht mehr. Der Zugang zur Insel, hier ist auch ein Schwimmbad. Die Sonne ist herausgekommen und Menschen genießen die Strahlen. Auch eine Option. Ich schiebe einen steilen Hügel hoch und lande bei einem großen Gebäude. Ein Sanatorium? Das Gebäude scheint berühmt zu sein, wie ich später feststelle, hier macht man wohl Wohlfühlurlaub.

                                  Ich schaue noch einmal ins Navi und fahre wieder herunter. Ein wunderbarer Campingplatz. Das sehe ich sofort. Ein paar Hütten, ein paar Wohnmobile. Die Athmosphäre wirkt freundlich.
                                  Die Rezeption ist allerdings geschlossen. Ich rufe bei der Nummer an. Ein Ehepaar kommt, spricht aber kein Englisch. Verzweifelt versucht der Mann, jemandem aus dem Büro zu erreichen. Ich vermute, er weiß nicht, wieviel Zelte kosten. Ich fülle schon mal den Anmeldezettel aus, dann sage ich „Sonne“, schiebe flink das Rad in die Sonne und hole den klitschnassen Lappen von Zelt aus seiner Packtasche raus. Der Mann lacht, als er das sieht. Es ist windig hier. Ich ziehe das Gestänge ein und mache das Zelt gut fest.
                                  Dann klappt es mit seinem Anruf. 10 Euro. 10 Euro für diesen schönen Platz? Ich bin begeistert. Auf der Zeltwiese am Wasser baue ich das Zelt auf. Mein Fahrrad schließe ich am Balkon der Sauna an.








                                  Ich finde die Dusche und dusche heiß. Wie schön, dass Finnen wissen, was gut tut. Die Hose riecht immer noch nach dem Basmatireis, den ich im Aulanko Nationalpark gekocht hatte.





                                  Ein Paar winkt mir aus der Küche zu, aber als ich die Küche betrete, sind sie verschwunden. Sie sind mit einem umgebauten Reisebus hier.
                                  Ich koche auf dem Herd, das ist wärmer als im nassen Zelt. Und lade meine Akkus auf. Auch den, der am E-Werk hängt. Das ist am besten. Die Bohnen haben Fäden. Das gibt es noch?





                                  Aber die Erdbeeren sind der Hammer. Noch nie habe ich so etwas gegessen. So müssen Erdbeeren schmecken. Fruchtig süß und dennoch ein bisschen säuerlich. Dazu sind die Früchte knackig und fest. Ein echter Genuss. Wo kann man das in Deutschland kaufen?





                                  Von der Küche aus hat man einen guten Blick über den ganzen Platz, da sie umlaufende Fenster hat. Die Sonne geht bereits unter. Als ich wieder zum Zeltplatz gehe, ist sie bereits verschwunden. Mein Zelt ist auf dem Foto nicht zu sehen, obwohl es direkt im Bild steht.





                                  Als die Sonne schon verschwunden scheint, leuchtet der Himmel wieder auf.





                                  Ich mache mich bettfertig, aber das Abendrot bleibt bestehen. Die ersten Sterne funkeln. Mein Zelt steht außerhalb einer Beleuchtung, die Lichter vom Campingplatz sind weit entfernt, dennoch wird es nicht dunkel. Es ist, als schwebe das Licht um den See herum.

                                  Es ist jetzt neun und Schlafenszeit, aber mein Körper wird nicht ruhig. Der Himmel elektrisiert mich. Immer wieder ziehe ich meine Schlafmaske ab und reiße doch noch einmal die Zelttür auf. Der rote Schimmer am Horizon bleibt bestehen.





                                  Es wird kalt und obwohl ich zwei Schlafsäcke dabei habe (0 Grad und + 13 Grad), kommen sie an ihre Grenze. Ich ziehe als zusätzliche Schicht ein dünnes Merinohemd am. Wo ist eigentlich meine wollene Mütze?

                                  Wieder versuche ich zu schlafen, aber im Zelt bleibt es hell. Neugierig schaue ich nach draußen. Das Abendrot ist einem hellen weiß gewichen, gleißend und doch transparent. Als wäre es eine millionenfach verdichtete Milchstraße, die den Horizont überspannt. Die Corona, die ich vom Kaunispää her kenne. Wenn ich Glück habe, kommen vielleicht noch Nordlichter hervor.
                                  Das Glück habe ich nicht, aber eine Sonnenaktivität ist es dennoch. Man hört es am Geräusch. Nordlichternächte haben ihren eigenen Klang. Das kann man nicht beschreiben. Laserstrahlen ragen ohne sichtbare Lichtquelle in den Himmel.
                                  Ich zittere am ganzen Körper vor Kälte und zwei Buffs auf dem Kopf helfen auch nicht weiter. So tauche ich immer wieder zum Aufwärmen im komplett geschlossenen Schlafsack unter. Immer wieder beschließe ich, endlich schlafen zu gehen, aber es geht nicht. Ich will warten, ob sich die stillen Geister der Nacht zum Tanz versammeln.
                                  So hole ich doch noch den Fotoapparat und probiere verschiedene Funktionen aus. Mühsam erinnere ich mich, aber die Bilder werden nichts. Ich wollte mich doch darum kümmern. Nun ist es leider zu spät.
                                  Die ersten Wolken tauchen auf. Über mir ist der Himmel taghell. Das Hotel auf dem Berg? Oder die Reflektion der Corona in den Wolken? Ich vermute letzteres.
                                  Hunde beginnen wild zu bellen, sie befinden sich auf der anderen Seeseite und sind doch klar und deutlich zu hören, als ständen sie neben mir. Schaurig und doch schön. Wieder ist mir bitterkalt. Die Apsis flattert im Wind. Doch jeder Versuch, jetzt schlafen zu gehen, scheitert.

                                  Ich greife wieder nach dem Fotoapparat und eine Idee lässt die Bilder besser werden. Das ist von den Farben her noch am realistischsten, obwohl der Himmel sehr viel heller ist.





                                  Hier färbt die Kamera die Lichteinstrahlung grün.











                                  Immer mehr Wolken ziehen herüber und verdichten sich. Mit ihnen erscheinen neue Laserstrahlen am Himmel, aber langsam decken sie das Leuchten immer stärker zu. Nun verändern sich auch die Geräusche und es ist, als lege sich ein Schleier auf die Magie. Aus einem Wunder wird ein ganz normaler Abend. Noch ein paar sehnsüchtige Blicke und die Hoffnung auf ein Zurück, dann ziehe ich die Zelttür endgültig zu. Es ist jetzt kurz vor Mitternacht.

                                  Ich ziehe meine Schlafmaske über die Augen und wickele mich in die Schlafsäcke ein. Ein schöner Platz hier. Man sollte viel länger bleiben. Und ich erinnere mich an den Satz, den ich bereits dachte, als ich in Valkeakoski unter der heißen Dusche stand: Kein Zweifel. Gott muss Finne sein.
                                  Zuletzt geändert von Torres; 01.10.2015, 12:34.
                                  Oha.
                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                  Kommentar


                                  • Torres
                                    Freak

                                    Liebt das Forum
                                    • 16.08.2008
                                    • 30722
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #57
                                    AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                                    Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                    Über die Wollmütze freut sich bestimmt jetzt ein Lummiko oder ein Orava, samt jeweiliger Familie



                                    @Spartaner
                                    Danke für die Info. Ich war mir dann doch nicht so sicher. Bei uns ist es ja eher andersherum.
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

                                    Kommentar


                                    • Torres
                                      Freak

                                      Liebt das Forum
                                      • 16.08.2008
                                      • 30722
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #58
                                      AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                                      08.09.2015. Parkano. 51,1 km.


                                      Am Morgen ist es kalt und sehr windig. Der Zauber der Nacht ist verflogen. Der Himmel ist bewölkt. Für einen Moment überlege ich, ob ich bleibe. Aber wieder einmal bekomme ich meinen inneren Motor nicht ausgeschaltet. Der Flow treibt mich weiter. Mein Kopf fühlt sich an, als wäre ich erkältet, und husten muss ich auch. Trotzdem packe ich routiniert. Ich frühstücke in der Küche die letzten zwei Brötchen und mache das Wasser für Kakao in der Pfanne heiß. Der Wasserkocher ist defekt. Das Fahrrad lehne ich hinter dem Bürogebäude an, damit es nicht vom Wind umgeweht wird.

                                      Der Wind bleibt auch nach dem Frühstück eisig, und ich ziehe den Poncho an. Ich brauche etwas gegen den Windchill. Das dicke, langärmliche Radshirt, die dünne Windbreakerjacke, die Baumwolljacke und meine gelbe Windbreakerweste reichen einfach nicht. Die Regenwahrscheinlichkeit soll dagegen gering sein. Die ods-hotline hatte mir gestern die Wetterentwicklung durchgesagt. Es soll in den nächsten Tagen aufwärts gehen. Auch temperaturtechnisch. Das glaube ich zwar noch nicht so ganz, aber wir werden sehen. Das Ehepaar, das mich angemeldet hatte, winkt mir fröhlich zum Abschied zu. Das ist selten, und ich winke erfreut zurück. Ein schöner Platz, das sagte ich doch.

                                      Der Wind treibt das Wasser vor sich her.





                                      Kaum habe ich die Insel verlassen, sehe ich mich mit einer Steigung konfrontiert, da ich den Ortskern besichtigen will. Schüler steigen gerade aus einem Bus und laufen deutlich unbegeistert in Richtung Schule.

                                      Kaum habe ich ein paar Meter geschoben – pardon, bin ich ein paar Meter geradwandert - , merke ich, dass ich nicht gut drauf bin. Am liebsten führe ich wieder zurück, aber das wäre ja auch doof. Das wollen die Beine auch nicht. Mit dem Ortskern kann ich nicht viel anfangen und habe jetzt auch keine Lust, nachzuschauen, was jetzt wichtig ist und was nicht.








                                      Was macht das Boot da im Garten?





                                      Ein kleiner Supermarkt, aber da ich keinen Radständer oder Laternenmast finde, um mein Fahrrad abzustellen, habe ich schon gleich keine Lust mehr. Es ist 10.00 Uhr. Ein Blick zurück.





                                      Ich wende mich Richtung Ortsausgang und sehe wieder den Lidl. Die Pfandflasche kann man nur dort abgeben, so habe ich den Text auf der Flasche verstanden. Aber das ist mir jetzt Moment egal. Ich fahre vorbei.

                                      Ich suche den Weg und finde ihn nicht. Der Radweg führt laut Karte an der Hauptstraße entlang. Ist es die Straße am Einkaufscenter? Laut Navi nicht. Ich schaue noch einmal unter der Unterführung nach. Auch nicht. So nehme ich die Auffahrt zur Europastraße und muss schieben. Der Wind lässt jede Hoffnung ersterben, ich käme da aus eigener Kraft hoch. Der Tag fängt wirklich ätzend an.

                                      Kurz darauf habe ich das Gefühl, hier nicht hinzugehören. Der Verkehr ist viel zu stark. Ich drücke mich am schmalen Randstreifen entlang. Autos und LkW überholen kreischend, aber gehupt wird nicht. Ein Radweg taucht neben der Straße auf. Er verläuft parallel. Leider kann ich den Straßengraben nicht überwinden. An einer Blitzampel erkenne ich meine Chance, hier ist der Trennungsstreifen flach, und ich wechsele auf die Seite.








                                      Noch einmal ein Blick auf den See und die Parkanlage von gestern. Es sind immerhin 12 Grad, aber der Wind macht die Sache viel kälter.





                                      Vor mir befindet sich eine Tankstelle, der Radweg führt seitlich vorbei, und ich habe plötzlich Hunger. Die Auswahl ist recht groß, und ich entscheide mich für einen Cheeseburger im finnischen Brötchen. 5 Euro. Der Mann spricht englisch und ist gut drauf. Ich setze mich in die Gaststube, ein LKW Fahrer schaufelt Eier und Bratkartoffeln in sich hinein. Es gibt bereits Lunch. Einen Moment überlege, ob ich das Falsche bestellt habe. Nein. Der Burger ist köstlich. Der Raum ist geheizt und man könnte hier auch bleiben. Als ich wieder im Wind stehe, ist es doppelt kalt.

                                      Eine Hotelanlage. Sieht aus, als wäre hier im Winter ein Skigebiet. Alt und modern nahe beieinander.





                                      Kinder lernen Golf.





                                      Ein Einkaufszentrum wirkt deplaziert in der rauen Umgebung. Zwischendrin erscheint mal wieder eine Radwegmarkierung. Man ahnt sie mehr, als dass man sie sieht.





                                      Jeden Tag ein neues Wort. Merken kann ich mir das leider nicht.





                                      Im Hintergrund das Windrad, das ich gestern aus dem Zelt heraus erblicken konnte. Rechts von mir muss also der See sein, auf den ich gestern geblickt habe. Erneut ist die Nebenstrecke ausgeschildert. Die Strecke hügelig und gemein. Man sieht nicht mehr als Wald und ab und zu ein Haus.











                                      Wie es hier halt so ist. Bei Sonne fände ich das vermutlich nett. Aber vielleicht auch nicht. Für mich ist es hier einfach zu steil. Ein Fahrzeug, das mir gefällt. Volvo. Ich überlege, ob man hier Ytong-Steine fertig.





                                      Im Wald leuchten die Preiselbeeren. Der Weg ist festgefahren und teilweise voller Steine.





                                      In der Ferne auch mal ein See.








                                      Drei Kraniche schauen mich an, und ich fotografiere sie erfreut. Blöderweise hat sich die Kamera verstellt. und ich merke es zu spät. Mir bleibt heute nichts erspart. Majestätisch laufen sie genau in dem Moment aus dem Bild, als ich den Fehler gefunden habe.








                                      Kreative Bautechniken gibt es hier auch.





                                      Noch ein paar Kraniche, aber das Tele auszupacken, habe ich keine Lust. Mir ist schon kalt genug.





                                      Es geht überwiegend Nebenstrecke entlang. Kein Asphalt. Festgefahrener Sand. An die kleinen Steinchen habe ich mich längst gewöhnt. An die größeren Steinchen auch. Es ist fast angenehmer mit den schmalen Reifen zu fahren, als mit den MTB Reifen, weil man immer eine kleine Spur findet, auf der man unbehelligt fahren kann. Bei den breiteren Reifen erschrickt man sich immer so, wenn die Steinchen zur Seite platzen.











                                      Teilweise heize ich todesmutig den Hügel hinunter. So leichtsinnig bin ich sonst nie. Das Navi wird eine Höchstbeschwindigkeit von 40,9 km/h anzeigen. Das ist für meinen Fahrstil Rekord. Die Gegend erscheint mir tot, töter, am tötesten. An einem verlotterten Sportplatz ein künstlicher Elch.





                                      Schweine auf einer Wiese. Immerhin: Hier fährt ein Bus. Vermutlich der Schulbus.





                                      Was hat man hier gemacht, als es noch keine Autos gab? Pferdekutschen? Konnte man sich ernähren? Wie musste man für den Winter vorsorgen, um bis zum Frühling durchhalten zu können? Kam hier überhaupt jemals jemand hin? Kurz darauf ändert sich das Bild. Ein gut gepflegtes, nobel wirkendes Haus mit hübschem Garten. Da verdient anscheinend jemand Geld.





                                      Und schon bin ich in Mansoniemi. Den Campingplatz gibt es wirklich. Zugig ist es und immer noch kalt.





                                      Ich hatte angedacht, auf diesem Platz Rast zu machen. Es soll hier sehr schön sein.





                                      Als ich aus meiner Seitenstraße an die Hauptstraße komme, liegt er direkt vor mir. Geöffnet hat er auch (sogar bis 30.09.). Rechts von mir an der Hauptstraße ist eine Ampel, da aufgrund einer Baustelle nur eine einspurige Verkehrsführung vorhanden ist. Sie ist in meine Fahrtrichtung rot. Dementsprechend halten vor mir zwei Schweinelaster. Ich schaue zum Platz, dann zum Schweinelaster, dann wieder zum Platz. Nein, danke. Keine Schweinelasterverkehrsgeräusche im Zelt. Heute nicht. Spontan reihe ich mich in den Stau ein, lasse den zweiten Schweinelaster vor (boah, stinkt das) und gebe alles, um die Steigung hochzukommen. Vergebens. Alle sehen es: Ich schiebe.





                                      Mein Radweg geht nun rechts ab und einen Moment überlege ich, ob ich zurückfahre. Dieser Tag ist wirklich schwer. Aber ich werde mir nicht so richtig schlüssig, ob ich das wirklich will. Es ist gerade mal 13.00 Uhr, bisher war der Tag einfach ätzend. Das kann es für heute nicht gewesen sein. Und so radwandere ich einfach weiter.

                                      Und hoffe natürlich, dass nun alles besser wird. Weit gefehlt. Es wird schlimmer.





                                      Klappbrücken, definitiv. So nenne ich fiese Steigungen, die erst richtig anfangen, wenn man denkt, dass man sie gerade überstanden hat. Wann hört das bloß jemals auf?








                                      Kurz vor Polti mache ich an einer Bushaltestelle Halt. Und wie bereits tausendmal zuvor schaue ich auf eintönige Straße, Wald und Wiese, und weil es Outdoor heißt, ist es toll. Kippen liegen im Sand. Man kann wirklich sagen, ich bin heute unglaublich gut drauf.





                                      Ich biege ab und es bleibt zwar hügelig, aber ein paar Mal komme ich tatsächlich die Steigungen hoch. Selbst die Felder sind trostlos. Am heutigen Tag leuchtet da nichts.





                                      Immerhin mal ein paar Blumen. Reißt es zwar auch nicht raus, aber man darf ja nicht klagen.





                                      Es ist weiterhin hügelig auf festgefahrenen Sandwegen, und wenn ich so den Hügel hinunterknalle, fühle ich mich schon recht mutig. Aber aus irgendeinem Grund habe ich mittlerweile Vertrauen zu meinem Fahrrad. Fast wird mir das vor dem Golfclub Ikaalinen zum Verhängnis. Eine Vertiefung, ich pralle hinein, bremse vor Schreck, und lasse dann aber sofort wieder locker und das Rad fliegt weiter. Glück gehabt. Sich mit 40 Sachen auf die Nase zu legen, gibt unschöne Streifen. Ich denke über meine Bremsen nach. Ich dachte ja früher, meine Magura wären schon gut. Aber Scheibenbremsen sind nicht zu toppen.





                                      Der Golfclub ist leer. Wieso ist das eigentlich der Golfclub Ikaalinen? Ist Ikaalinen so groß? Ich dachte, ich hätte den Ort schon hinter mir. Auch das noch, ich komme noch nicht einmal voran. Eine flachere Strecke schließt sich an. Sie lässt sich besser fahren, aber meine Laune bessert das nicht. Ich überlege, was man hier eigentlich sieht:

                                      Rechts ein Baum (einer? Tausende. Und alle gleich.),





                                      links ein Baum (einer? Tausende. Und alle gleich.),





                                      und in der Mitte ein Zwischenraum.





                                      Und wenn der Wald abgeholzt ist, sieht es so aus.





                                      Ich werde später erklärt bekommen, dass diese Bäume absichtlich stehen bleiben. Aussaat. Der Wind frischt immer wieder auf, aber hier stört er mich weniger. Alles ist besser als diese blöden Steigungen. Vom Schieben – ähh Wandern - tut mir schon der Arm weh.





                                      Da ich nun aber wieder fahren kann, denke ich erneut über Wildcampen nach. Bei Schnee fand ich die Platzsuche ja ziemlich einfach, da sieht man alles unter dem Schnee nicht. Aber im Sommer muss ich feststellen: So einfach ist das auch wieder nicht. Man braucht schon eine Einfahrt oder irgendeine vorbereitete Stelle. Zumindest mit dem Fahrrad. An den Wanderwegen sieht das sicherlich anders aus.

                                      Der Wald: Dicht und verwildert. Totholz. Gestrüpp. Schwer zu erkennende Unebenheiten.





                                      Steinig und bemost.





                                      Pflanzenteppiche. Da würde ich es nicht über das Herz bringen, zu zelten.








                                      Es beginnt zu regnen, aber das interessiert mich nicht. Solange Wind ist, geht das wieder vorbei, er treibt die Wolken weiter. Die Böen sind weiterhin nicht so angenehm, aber immer häufiger schützt mich jetzt auch der Wald vor unkontrollierten Schlenkern. Ein Holzlaster steht herum, der Fahrer schaut mich mit großen Augen an, bevor er vor dem Regen ins Führerhaus flüchtet. Links von mir ahnt man einen See.





                                      Die Steigungen hier machen jetzt wieder Spaß.





                                      Heidelbeeren am Wegesrand. Ist das nicht viel zu spät?








                                      Wandertag. Ich laufe den Hügel hinauf. Pferde schauen mich interessiert an. Ist ja auch sonst nichts los hier. Als der Rappe - oder ist es eine Stute? - losgeht, zickt der oder die kleine Braune herum.








                                      Die meisten Hügel komme ich jetzt aber hoch und meine Laune wird erheblich besser. Aber manchmal klappt es doch nicht ganz. Aber dann ist es nur das letzte Stücken. Erdbeeren am Straßenrand?





                                      Hausbau auf Finnisch. Es riecht nach frischem Holz. Mein Tief ist langsam überwunden. Ich bin wieder besser drauf. Vielleicht, weil ich weiß, dass das Ziel nicht mehr weit ist. An der Hauptstraße überholt mich ein Holzlaster. Es scheint, als sei es der Holzlaster von vorhin, aber genau weiß ich das nicht.





                                      Rechts sehe ich ein Holzschild, anscheinend gibt es hier auch einen Wanderweg oder sogar einen Trail in einem Nationalpark. Auf einer fernen Wiese rasen Kinder mit kleinen kreischenden Motorscootern um die Wette. Man hört das Geräusch der Motoren meilenweit. Fände ich auch cooler, als Fahrradfahren, stelle ich fest. Idiotisch, hier Fahrrad zu fahren. Aber ich bin ja Wanderer. Das Fahrrad gehört mir nicht. Das habe ich gefunden.

                                      Ich bin jetzt in Parkano, dem geplanten Endpunkt dieser Etappe. Den Ort kenne ich aus dem Zugfenster, wenn ich mich nicht täusche. Der Name sagt mir nämlich etwas. Ich glaube, hier war der Schnee bei meiner ersten Reise das erste Mal richtig hoch. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht.





                                      Es ist flach hier. Ich gebe den Campingplatz ins Navi ein. Zwei Jungs, die sich schnell als ein Junge und ein Mädchen entpuppen, rasen auf einer Wiese um die Wette und spielen Verfolgen, der Junge macht sich wichtig. Als ich stehen bleibe, halten sie an. Ich zücke die Kamera. Er will nicht, sie nickt und lächelt.





                                      Vor den Häusern stehen geschmackvolle Kunstwerke.








                                      Die Nationalstraße kommt in Sicht und am Kreisverkehr gibt es daher zwei oder drei große Supermärkte. Ich kaufe jetzt doch bei Lidl ein, aber nur wegen der Flasche. Preiswert für Finnland, in der Tat. Und schnell finde ich alle Sachen. Das System ist ja schließlich bekannt. Und es gibt auch deutsche Bezeichnungen auf einigen Produkten, das hilft. Mit Erstaunen sehe ich Kilopackungen Hüttenkäse und bewundere eine große Lachstheke. Man sieht hier vielleicht am deutlichsten die Unterschiede in den Essgewohnheiten der Länder. Ich kaufe Erbsen und Champignons und in einem undefinierbaren Spaghettihunger eine Packung Tomatensoße, die ich dann fast eine Woche durch die Gegend fahren werde. Als ich an der Kasse stehe, gefällt mir mein Geruch überhaupt nicht. Der Poncho hat ein Mikroklima geschaffen, das nicht gerade kontaktkompatibel ist. Aber der Platz ist ja nicht weit.

                                      Genau genommen ist er direkt um die Ecke. Am Eingang ist ein Haus und ein russisch aussehender Finne steht gerade in der Tür und telefoniert. Ich stürze auf ihn zu und frage ihn, ob er die Rezeption ist. Er spricht ein wenig Englisch und winkt mich in das düstere Haus. Der Fernseher läuft. Hinter dem Tisch steht eine Kasse, und er sucht auf einer Liste nach dem Preis. 10,00 Euro, sehe ich sofort, bei ihm dauert das etwas, er bucht erst 5,00 Euro ein und ruft noch den Besitzer an. Dann bucht er wieder 5,00 Euro ein. Ich bekomme eine Quittung. Er arbeitet hier nicht, erklärt er entschuldigend. Dann zeigt er mir aber den Platz. Er erklärt mir, was wo ist, indem er das englische Wort benutzt, und ich sage das Wort daraufhin auf Finnisch. Wir lachen.





                                      Der Platz wirkt im Gegensatz zu gestern eher trostlos und sehr leer. Etwas weiter weg steht ein großes Wohnmobil. Sonst sehe ich niemanden. Ich stelle mich in die Nähe der Küchen- und Sanitärgebäudes, so dass ich halbwegs einen Blick auf den See habe. Direkt am Wasser will ich nicht stehen, es ist durch den Regen einfach zu feucht und Bäume versperren die Sicht.





                                      Die Dusche ist in Ordnung, und die Küche riesig und angenehm warm. Ich pule die Erbsen und entdecke, dass die gekauften Champignons aus Deutschland stammen. Auch die Aufschrift ist deutsch.








                                      Das Essen schmeckt sehr gut, das liegt natürlich auch an dem wundervollen Parmesankäse, den ich ganz zufällig dabei habe.





                                      Ein kleiner Junge reißt die Tür auf, ruft irgendwas und wirft sie wieder zu. Dann inspiziert er die Grillhütte. Hyperaktiv. Er rennt hin und her, mal rein, mal raus, dann wieder zur Hütte der beiden und redet dabei die ganze Zeit. Sein Vater schnauft hinter ihm her. Er ist überhaupt nicht so gelenkig und bekommt den Sohn nicht so richtig in den Griff. Ich überlege, ob der Junge wohl ein Scheidungskind ist? Die beiden erinnern mich an die Zeichengeschichten von Vater und Sohn. Der schnaufende Vater und der aufgeweckte Sohn. O.E. Plauen - Eric Ohser. Ein bitteres Schicksal, geht mir durch den Kopf. Im Nachhinein glaube ich übrigens, dass der Vater eigentlich der Opa ist.





                                      Vater und Sohn haben nun die Grillhütte erobert und heizen ein. Als sie die Hütte verlassen, gehe ich hinein. Der müffelnden Baumwolljacke kann der Holzgeruch nur gut tun, das Radshirt soll trocknen und mir wird dann hoffentlich auch gut warm. Ein Transporter stellt sich in etwas Entfernung in die Sichtachse meines Zeltes. Urban Outdoor. Mist. Aber vielleicht stehe ich ja auch auf den Plätzen für die Monteure. Er wohnt wohl in einer der Hütten rechts von mir. Auch der Wohnwagen scheint eine entsprechende Unterkunft zu sein. Vater und Sohn sind neben mir die einzigen touristischen Gäste.

                                      Ich lege Holz auf und setze mich auf die Bank am Feuer, aber die Grillhütte ist so riesig, dass die Wärme schnell verfliegt.





                                      Der Wind pfeift durch das offene Dach. Mein Radshirt dampft. Richtig trocken wird es nicht werden, der Raum ist einfach zu groß.





                                      Vater und Sohn kommen zurück, schauen durch das Fenster und gehen in die Küche. Ich erinnere mich an die Grillhütte im Wald bei Turku, wo die Finnen sehr schnell die Hütte verlassen hatten, nachdem ich kam. Ist es Höflichkeit, den anderen nicht stören zu wollen? Als der Vater erneut durch das Fenster schaut, winke ich ihn hinein. Die beiden kommen tatsächlich. Allerdings sprechen sie kein Englisch. So schweigen wir Erwachsenen, während der Junge ohne Hemmungen auf Finnisch plappert. Der Vater brummt dazu.

                                      Der Vater legt ein paar Würstchen aufs Feuer, sie sind ganz dick, dicker als die Würstchen bei uns. Eine 1,5 Literflasche mit rotem Saft steht neben ihm. Er schenkt seinem Sohn und sich ein Glas voll und trinkt seinen Saft dann mit einer Handbewegung, als wäre es Schnaps. Innerlich muss ich grinsen. Dann sind die Würstchen fertig. Sie sind sehr heiß und die Haut sieht wie dunkles, glattes Leder aus. Er wartet nicht, dass sie abkühlen, sondern knabbert saugend und schlürfend die Wurst in sich hinein. Es ist ein sehr lautes Sauggeräusch, und ich bin fasziniert. Diese Saugwürstchen will ich auch.

                                      Als ich die Grillhütte verlasse, ist mir wärmer. Das Shirt ist noch nicht trocken, aber so werde ich es morgen anziehen können. Die Sonne geht gerade unter und verbreitet ihren Schein über den See.








                                      Ach. Eigentlich war das doch ein schöner Tag.
                                      Zuletzt geändert von Torres; 04.10.2015, 07:11. Grund: Die Reiher sind Kraniche
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                      Kommentar


                                      • Ditschi
                                        Freak

                                        Liebt das Forum
                                        • 20.07.2009
                                        • 12367
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #59
                                        AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                                        Akribisch, aber dank des gekonnten Umganges mit der Sprache immer lebendig. Bilder und Sprache ergänzen sich harmonisch und lassen uns die Fahrt sehr plastisch miterleben. ...und Finnland reizt uns mehr und mehr. Der Plan für das nächste Jahr nimmt Konturen an. Auch wenn es nicht outdoormäßig-stilvoll mit den Rad sein wird, sondern wieder schnöde mit Auto und Zeltanhänger. Aber vielleicht bauen wir eine Kanutour ein.....? Alles noch unausgegoren. Nach den vielen schönen Berichten hier im Forum müssen wir da endlich mal hin!
                                        Ditschi

                                        Kommentar


                                        • supi
                                          Gerne im Forum
                                          • 13.01.2013
                                          • 79
                                          • Privat

                                          • Meine Reisen

                                          #60
                                          AW: [FI] In Finnland ist alles möglich - Radwandern auf der Via Finlandia

                                          Es gibt Hasen:
                                          https://fi.wikipedia.org/wiki/Rusakko - Feld-/Waldhase
                                          Kanienchen soll es im Süden Finnlands in der Ecke Helsinki-Turku geben. Ich selbst habe da aber noch keine gesehen. In Ahvenanmaa gibt es sie aber sicher. Weiter nördlich kommen sie nicht über den Winter. Das die Hasen das schaffen... ich werde das in meinem Leben nicht verstehen.

                                          Du hast richtig verstanden, LIDEL, von Deutschen auch Oase genannt, hat sein eigenes Rücknahmesystem mitgebracht.
                                          Wenn du von Frankfurt-Hahn Richtung Mainz fährst siehst du auf der linken Seite ein LIDEL Logistikzentrum. Von diesem Logistikzentrum aus werden die Logistikzentren in Finnland versorgt (zumindest war das vor 4-5 Jahren noch so). Zur Wiessen Zeit gibt es einmal im Jahr sogar Weisswürste und Maultaschen, dieses Jahr soger erstmalig Fleischkäse. Da wird dann gebunkert bis die Gefriertruhe platzt. Ein bischen heimatilche Folklore muss sein. Du als Nordlicht verstehst das aber vermutlich nicht.

                                          Wenn du dir mal so Grillwürstchen besorgen möchtest solltest du dich an diese beiden Sorten halten. Die sind ganz ok, in anderen ist oft so viel Mehl das sie nach EU-Recht unter Backwaren eingestuft sind (kein Witz).
                                          https://www.atria.fi/tuotteet/makkar...grillimakkara/
                                          http://www.hookoo.fi/tuotteet/tuote/...riginal-400-g/
                                          Beim Senf empfehle ich
                                          http://www.auranmaustaminen.fi/tuoteryhma/sinapit/ (den rotbraunen)
                                          (auch so eine typ. finnische Story. Ursprünglich war das Turun Sinapia (Turkuer Senf). Dann wurde Turun Sinapia an einen schwedischen Konzern verkauft. Der hat die Senffabrik in Turku zu gemacht und angefangen Turun Sinapia in Schweden zu produzieren. Da hat die alte Belegschaft das Werk in Turku übernommen und unter dem Namen Auran Sinapia weitergemacht. In der Zwischenzeit wurde die Produktion Turun Sinapia nach Polen verlagert, und wie es aussieht kommt Turun Sinapia bald wieder aus Finnland. Die alten Marktanteile erreichten sie nie wieder.)

                                          Du hast dich über das Verhalten von Vater/Opa und Sohn/Enkel gewundert. Das ist ziemlich normal. Man will nicht aufdringlich sein, nicht stören. Die Patemtante meiner Frau hat uns trotz zig-Einladungen in 5 Jahren nicht einmal besucht. Ich muss mal einen Van, ein paar Kumpels und einen Sack für über den Kopf organisieren... So sind "sie" halt.

                                          Mal was anderes....
                                          Sag mal bist du irre? Mit 40 km/h auf so einer Sandpiste den Hügel runter? Habe ich das wirklich richtig verstanden?
                                          Vor 8 Jahren habe ich mich mit meinem Auto an genau so einer Stelle doppelt überschlagen, und das obwohl ich keine 55km/h gefahren bin. Da hat kein ABS und kein ESP mehr geholfen (ausweichen, grosses Schlagloch, frischer Schotter.... und Abflug). Es hat schon seine Gründe warum viele Rennfahrer und Rallyfahrer aus Finnland kommen. Habe noch nicht herausbekommen ob die das in den Genen haben oder ob das mit der Muttermilch kommt. Mir fehlt das "gewisse etwas" definitiv.
                                          Und du bretterst da allen ernstes mit dem Fahrrad runter.

                                          Gruss


                                          P.s.: Du gondelst da übrigens gerade durch das alte landwirtschaftliche Zentrum Finnlands. Danke für die Strassenschilder, ich kann die per googel maps/street view gut folgen.

                                          Kommentar

                                          Lädt...
                                          X