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Mitreisende | |
Region/Kontinent: Island/Nordeuropa
Reisezeit: 31.7 - 21.8.2015
Länge: ~ 380 km
Personen: Solo
Prolog:
Dieses Jahr wollte ich Island entdecken. Genauer gesagt, das isländische Hochland, das nahezu unbewohnt und wenig, bis gar keine, Infrastruktur bietet. Ungefähr 380 Kilometer durch Geröllwüsten, Lavafelder, über Eiskappen und Gletscher, über farbenprächtige Liparitberge und durch reißende Gletscherflüsse. Weit ab von menschlicher Zivilisation bahnte ich mir 18 Tage lang einen Weg durch diese manchmal skurril anmutende Landschaft. Schnell stand fest, dass ich eine Süd-Nord Durchquerung des Hochlandes probieren würde. Die Berichte der gewählten Route von Landmannalaugar zum Langisjör, entlang des Vatnajökull und vorbei an Askja nach Myvatn sind spärlich und liefern kaum Informationen über die Beschaffenheit des Geländes. Perfekte Voraussetzungen für ein Abenteuer.
Die Schlüsselstelle befindet sich am Rande des Vatnajökull. Entweder ich betrete dessen Eis oder die Fluten der mächtigen Tungnaá. Eine Frage die mich von Beginn an plagte und mir Kopfschmerzen bereitete. Die Entscheidung sollte aber erst mehrere Tage nach dem Start der Querung direkt vor Ort fallen.
Ablauf:
01. Tag: Reykjavik – Skogar - Fimmvörðuháls
02. Tag: Fimmvörðuháls - Álftavatn
03. Tag: Álftavatn - Landmannalaugar
04. Tag: Landmannalaugar – Syðri-Ófæra
05. Tag: Syðri-Ófæra - Sveinstindur
06. Tag: Sveinstindur – Utfall
07. Tag: Utfall - Jökulheimar
08. Tag: Jökulheimar - Sylgja
09. Tag: Sylgja - Hagöngulon
10. Tag: Hagöngulon - Snapadalur
11. Tag: Snapadalur - Nyidalur
12. Tag: Nyidalur – Myvatn (Bus)
13. Tag: Myvatn – vor Botni
14. Tag: vor Botni - Botni
15. Tag: Botni - Dyngjufell
16. Tag: Dyngjufell - Dreki
Bericht:
Ausgangspunkt meiner Süd-Nord Hochlandtraverse war der Wasserfall Skogarfoss an der Südküste Islands. Von dort überschritt ich, mit Nahrung für die kommenden 18 Tage im Gepäck, einen Pass der mich auf den bekannten Wanderweg „Laugavegur“ brachte. Zweieinhalb Tage war ich auf diesem Richtung Landmannalaugar unterwegs, in dessen heißen Quellen ich mir ein erholendes Bad gönnte. Die „Wanderautobahn“ Laugavegur nahm ich zum Aufwärmen mit. Der, aufgrund des Jahrhundertwinters, teilweise noch mit Schnee bedeckt war. Danach sollte es Richtung Vatnajökull gehen, der größte Gletscher Europas. Der Weg dahin war beschwerlich und einsam, und gab einen Vorgeschmack auf die Geröllwüste die mir später noch bevorstand.
Die Nacherzählung des Laugavegurs, auf dem ich 2 1/2 Tage verbrachte, erspare ich mir. Stattdessen will ich Bilder sprechen lassen.
Skogar
Fimmvörðuháls
Mýrdalsjökull
Þórsmörk
Das Postkartenmotiv um den Àlftavatn im Nebel
Landmannalaugar
Ich folge dem Fluss Jökullgilskvisl von Landmannalaugar aus nach Süden, dem Torfajökull-Gletscher zu. Hier beginnt die Einsamkeit. Ich musste den Fluss einmal furten um auf einen Pass in östlicher Richtung zu gelangen. Die erste Feuertaufe.
Am Pass Richtung des Tales wo der Sveinsgil fließt
Sveinsgil
Auf der Karte ist ein Weg eingezeichnet wo keiner ist. Auf der anderen Seite des Hügelkamms angelangt finde ich mich in schluchtartigem Gelände wieder. Das Gehen entlang des Sveinsgil wird durch matschige Schneefelder erschwert. Der Weg am Gletscher vorbei ins Tal der Syðrifæra existiert nicht und so folge ich zwei älteren Fußspuren hinauf unter die Spitze des Gletschers. Der Anstieg war kräftezehrend und als ich oben ankam musste ich feststellen, dass der Abstieg kein Leichtes zu sein scheint. Die Fußspuren führen weiter über den Gletscher nach Strutslaug. Ich irre am Berg herum auf der Suche nach einem sicheren Abstieg. Bald rutschte ich die Schneefelder hinunter ins Tal.
Torfajökull
Blick zurück
Bis knapp unter die Spitze führt mein Weg
Abstieg zur Syðrifæra
Syðrifæra
Zelten an der Syðri-Ófæra
Bláfjall
Eldgja-Schlucht mit Wasserfall
Uxatindar
Die Skafta und im Hintergrund der Vatnajökull
Besonders in Erinnerung ist mir der Tag auf den Hügeln längs des Sees „Langisjör“ geblieben. Orkanartige Böen, horizontaler Regen, und unwegsames Gelände stellten mein Durchhaltevermögen auf die Probe. Nach einigen Stunden, völlig durchnässt und durch den Wind demoralisiert, versuchte ich mein Zelt auf felsigem Untergrund aufzubauen. Ich konnte nicht mehr weitergehen, die Erschöpfung war zu groß. Der Starkwind vereitelte jedoch den Aufbau meiner Nylonbehausung. Ich war gezwungen meinen Weg an das Tagesziel, das etwas windgeschützer in einer Art Krater lag, fortzusetzen. Weg war keiner zu sehen und so folgte ich ausgetretenen Schafpfaden an steilen Hängen zur Skafta hin. Sehr anstrengend.
Skafta
Der kommende Tag sollte nicht minder schwierig werden. Die Schlüsselstelle meiner Reise stand auf dem Plan. Der mächtige Gletscherfluss Tungnaá, der unüberwindbar und gefährlich sein soll. Ursprünglich hatte ich vor, jenen Strom über die Gletscherausläufer des Vatnajökulls zu umgehen. Jedoch traf ich überraschenderweise Wanderer, die den Fluss furten konnten.
Der Erfolg meiner Reise hing von jenem Tag ab. Wenn ich nicht auf die andere Seite des Flusses gelangen konnte, müsste ich umkehren. Alles spitzte sich auf diesen einen Tag zu, der mir davor ein ungutes Gefühl in der Magengegend bereitete. Man könnte auch von Angst sprechen.
Langisjör
Der Berg im Gletscher, Kerlingar, und Gletscherausflüße. Die Tungnaá befindet hinter den beiden Hügeln in der Bildmitte.
Von den Hügeln rund um den mehrarmigen Fluss spähte ich mögliche Furtstellen und den nahen Gletscher aus. Die Flussdurchquerung würde mir unnötige Kilometer am Gletscher ersparen, und so entschied ich mich für die Furtung. Möglicherweise war der Gedanke der Unmöglichkeit und Gefahr ausschlaggebend. Mehrere kleinere Bäche mussten durchwatet werden bis ich auf die Arme der Tungnaá stieß. Sechs trübe, etwa hüfthohe Flussarme mit starker Strömung standen nun an. Konzentriert stocherte ich mit den Wandstecken am Grund der Flüsse um den geeignetsten Weg hindurch zu finden. Fast am anderen Ufer des breitesten, stärksten Flussarmes angelangt, stieg ich in einen ausgewaschenen Kessel und das graubraune, eiskalte Wasser stand mir bis zur Brust und riss mich um. Gerade noch konnte ich ans andere Ufer hechten. Meine Crocs wurden durch die Fluten mitgerissen. Die nächsten Arme mussten mit den Wanderstiefel in Socken durchwatet werden.
Völlig durchnässt, mit Wasser in der Schuhen, stand ich nun auf der anderen Seite der Tungnaá. Freude über den Erfolg kam nicht auf. Die Kälte des Gletscherwassers nahmen mir jegliches Gefühl in meinen Beinen, Füßen, und Händen. Der brausende Gletscherwind und die niedrigen Temperaturen taten ihr Übriges. Meine Hände waren so klamm, dass ich die Schnallen meines Rucksackes nicht mehr betätigen konnte. Und so stapfte ich etwa 5 Kilometer in Unterhose zu einer, auf der Karte eingezeichneten Hütte südlich meiner eigentlich geplanten Route - Jökulheimar. Glücklicherweise befand sich gerade ein Italiener in der Hütte, der mich dort übernachten und meine Sachen trocknen ließ. Ansonsten ist die Jökulheimar geschlossen und muss gebucht werden.
Die Erschöpfung spricht mir aus dem Gesicht
Die weiteren Tage führten mich am Rande des Vatnajökulls durch schwarze Steinwüsten, deren Leere und Weite der Psyche sehr zusetzten. Weiters standen mir zwei schwer zu durchwatende Gletscherflüsse bevor – die Sylgja und die Svedja. Vor allem die Svedja, die vom Vatnajökull in den Hagöngulon strömt, machte mir zu schaffen. Drei Flußarme mit einer ungefähren Breite von 15 Metern mussten durchquert werden. Das größte Problem stellte neben der Strömung der sandige, unstete Flussgrund dar. Mitten im Strom geriet ich mehrere Male in Treibsand. Die niedrigen Temperaturen und der starke Wind taten ihr Übriges. Die Aussicht auf eine heiße Quelle bei Snapadalur spendete an diesem schweren Tag etwas Kraft. Am markanten Skrauti vorbei stieg ich hoch zum vermeintlichen Bad. Die Enttäuschung war groß als ich brodelnde, tellergroße Schlammlöcher vorfand. Entkräftet schlug ich mein Zelt an einer guten Stelle am Hang auf.
Snapadalur
Skrauti
Da ich von einer Gruppe Kanadiern erfahren habe, dass die Route durch Vonardskard in Richtung Askja aufgrund von Schneemassen nicht möglich ist, entschied ich einen Abstecher nach Nyidalur zu machen. Die Ranger, die dort stationiert sind, bestätigten die Aussagen der Kanadier. Ich wollte mein Glück nicht nochmals auf die Probe stellen und entschloss schweren Herzens mit dem Bus nach Reykjahlíð zu fahren - meine Müsliriegelvorräte waren ohnehin nahezu aufgebraucht. Die Süd-Nord Querung konnte ich also nicht komplett durchführen. Aufgeben wollte ich jedoch nicht. Ich wollte von Reykjahlíð aus, der ursprünglichen Route folgen und über Askja nach Dreki laufen. So würden nur max. 2 Tage der Traverse fehlen - das Teilstück Askja - Nyidalur. Damit konnte ich leben und ich erfreute mich sogleich in der Zivilisation angekommen eines Festmahles in Form eines Burgers.
Nyidalur
Sprenginsandur und Hofsjökull
Aldeyjarfoss
Myvatn
Lager am Weg nach Botni
Ein letzter Kraftakt am Ende meiner Reise stand noch bevor. Die Überschreitung des verschneiten Passes hinein nach Askja. Glücklicherweise war mir der Wettergott hold.
Hinauf zum Pass
Askja mit Vatnajökull im Hintergrund
Víti und Öskjuvatn
Nachdem der letzte Schneehang hinüber nach Dreki überwunden war
Der Tafelvulkan Herðubreið
Reykjavik
Abspann:
Am Ende einer solchen Fahrt hat man gemischte Gefühle. Das Hochgefühl das Ziel erreicht zu haben, die Befriedigung die körperlichen Anstrengungen gemeistert zu haben, Erleichterung, dass man die Strapazen hinter sich gebracht hat. Es braucht Tage und Wochen um die Weite der gemachten Erfahrungen zu erfassen und einzuordnen.
Vom Alltag wieder eingeholt, zerfließen Erlebnisse und Abenteuer zu leicht. Aber die Erinnerung an die raue Wildnis, die Stille und Weite der Landschaft, und die Entbehrungen und Strapazen bleibt.
So gelten Martin Heideggers allzu wahre Worte: "Der Verzicht nimmt nicht, der Verzicht gibt. Er gibt die unerschöpfliche Kraft des Einfachen."
Reisezeit: 31.7 - 21.8.2015
Länge: ~ 380 km
Personen: Solo
Prolog:
Dieses Jahr wollte ich Island entdecken. Genauer gesagt, das isländische Hochland, das nahezu unbewohnt und wenig, bis gar keine, Infrastruktur bietet. Ungefähr 380 Kilometer durch Geröllwüsten, Lavafelder, über Eiskappen und Gletscher, über farbenprächtige Liparitberge und durch reißende Gletscherflüsse. Weit ab von menschlicher Zivilisation bahnte ich mir 18 Tage lang einen Weg durch diese manchmal skurril anmutende Landschaft. Schnell stand fest, dass ich eine Süd-Nord Durchquerung des Hochlandes probieren würde. Die Berichte der gewählten Route von Landmannalaugar zum Langisjör, entlang des Vatnajökull und vorbei an Askja nach Myvatn sind spärlich und liefern kaum Informationen über die Beschaffenheit des Geländes. Perfekte Voraussetzungen für ein Abenteuer.
Die Schlüsselstelle befindet sich am Rande des Vatnajökull. Entweder ich betrete dessen Eis oder die Fluten der mächtigen Tungnaá. Eine Frage die mich von Beginn an plagte und mir Kopfschmerzen bereitete. Die Entscheidung sollte aber erst mehrere Tage nach dem Start der Querung direkt vor Ort fallen.
Ablauf:
01. Tag: Reykjavik – Skogar - Fimmvörðuháls
02. Tag: Fimmvörðuháls - Álftavatn
03. Tag: Álftavatn - Landmannalaugar
04. Tag: Landmannalaugar – Syðri-Ófæra
05. Tag: Syðri-Ófæra - Sveinstindur
06. Tag: Sveinstindur – Utfall
07. Tag: Utfall - Jökulheimar
08. Tag: Jökulheimar - Sylgja
09. Tag: Sylgja - Hagöngulon
10. Tag: Hagöngulon - Snapadalur
11. Tag: Snapadalur - Nyidalur
12. Tag: Nyidalur – Myvatn (Bus)
13. Tag: Myvatn – vor Botni
14. Tag: vor Botni - Botni
15. Tag: Botni - Dyngjufell
16. Tag: Dyngjufell - Dreki
Bericht:
Ausgangspunkt meiner Süd-Nord Hochlandtraverse war der Wasserfall Skogarfoss an der Südküste Islands. Von dort überschritt ich, mit Nahrung für die kommenden 18 Tage im Gepäck, einen Pass der mich auf den bekannten Wanderweg „Laugavegur“ brachte. Zweieinhalb Tage war ich auf diesem Richtung Landmannalaugar unterwegs, in dessen heißen Quellen ich mir ein erholendes Bad gönnte. Die „Wanderautobahn“ Laugavegur nahm ich zum Aufwärmen mit. Der, aufgrund des Jahrhundertwinters, teilweise noch mit Schnee bedeckt war. Danach sollte es Richtung Vatnajökull gehen, der größte Gletscher Europas. Der Weg dahin war beschwerlich und einsam, und gab einen Vorgeschmack auf die Geröllwüste die mir später noch bevorstand.
Die Nacherzählung des Laugavegurs, auf dem ich 2 1/2 Tage verbrachte, erspare ich mir. Stattdessen will ich Bilder sprechen lassen.
Skogar
Fimmvörðuháls
Mýrdalsjökull
Þórsmörk
Das Postkartenmotiv um den Àlftavatn im Nebel
Landmannalaugar
Ich folge dem Fluss Jökullgilskvisl von Landmannalaugar aus nach Süden, dem Torfajökull-Gletscher zu. Hier beginnt die Einsamkeit. Ich musste den Fluss einmal furten um auf einen Pass in östlicher Richtung zu gelangen. Die erste Feuertaufe.
Am Pass Richtung des Tales wo der Sveinsgil fließt
Sveinsgil
Auf der Karte ist ein Weg eingezeichnet wo keiner ist. Auf der anderen Seite des Hügelkamms angelangt finde ich mich in schluchtartigem Gelände wieder. Das Gehen entlang des Sveinsgil wird durch matschige Schneefelder erschwert. Der Weg am Gletscher vorbei ins Tal der Syðrifæra existiert nicht und so folge ich zwei älteren Fußspuren hinauf unter die Spitze des Gletschers. Der Anstieg war kräftezehrend und als ich oben ankam musste ich feststellen, dass der Abstieg kein Leichtes zu sein scheint. Die Fußspuren führen weiter über den Gletscher nach Strutslaug. Ich irre am Berg herum auf der Suche nach einem sicheren Abstieg. Bald rutschte ich die Schneefelder hinunter ins Tal.
Torfajökull
Blick zurück
Bis knapp unter die Spitze führt mein Weg
Abstieg zur Syðrifæra
Syðrifæra
Zelten an der Syðri-Ófæra
Bláfjall
Eldgja-Schlucht mit Wasserfall
Uxatindar
Die Skafta und im Hintergrund der Vatnajökull
Besonders in Erinnerung ist mir der Tag auf den Hügeln längs des Sees „Langisjör“ geblieben. Orkanartige Böen, horizontaler Regen, und unwegsames Gelände stellten mein Durchhaltevermögen auf die Probe. Nach einigen Stunden, völlig durchnässt und durch den Wind demoralisiert, versuchte ich mein Zelt auf felsigem Untergrund aufzubauen. Ich konnte nicht mehr weitergehen, die Erschöpfung war zu groß. Der Starkwind vereitelte jedoch den Aufbau meiner Nylonbehausung. Ich war gezwungen meinen Weg an das Tagesziel, das etwas windgeschützer in einer Art Krater lag, fortzusetzen. Weg war keiner zu sehen und so folgte ich ausgetretenen Schafpfaden an steilen Hängen zur Skafta hin. Sehr anstrengend.
Skafta
Der kommende Tag sollte nicht minder schwierig werden. Die Schlüsselstelle meiner Reise stand auf dem Plan. Der mächtige Gletscherfluss Tungnaá, der unüberwindbar und gefährlich sein soll. Ursprünglich hatte ich vor, jenen Strom über die Gletscherausläufer des Vatnajökulls zu umgehen. Jedoch traf ich überraschenderweise Wanderer, die den Fluss furten konnten.
Der Erfolg meiner Reise hing von jenem Tag ab. Wenn ich nicht auf die andere Seite des Flusses gelangen konnte, müsste ich umkehren. Alles spitzte sich auf diesen einen Tag zu, der mir davor ein ungutes Gefühl in der Magengegend bereitete. Man könnte auch von Angst sprechen.
Langisjör
Der Berg im Gletscher, Kerlingar, und Gletscherausflüße. Die Tungnaá befindet hinter den beiden Hügeln in der Bildmitte.
Von den Hügeln rund um den mehrarmigen Fluss spähte ich mögliche Furtstellen und den nahen Gletscher aus. Die Flussdurchquerung würde mir unnötige Kilometer am Gletscher ersparen, und so entschied ich mich für die Furtung. Möglicherweise war der Gedanke der Unmöglichkeit und Gefahr ausschlaggebend. Mehrere kleinere Bäche mussten durchwatet werden bis ich auf die Arme der Tungnaá stieß. Sechs trübe, etwa hüfthohe Flussarme mit starker Strömung standen nun an. Konzentriert stocherte ich mit den Wandstecken am Grund der Flüsse um den geeignetsten Weg hindurch zu finden. Fast am anderen Ufer des breitesten, stärksten Flussarmes angelangt, stieg ich in einen ausgewaschenen Kessel und das graubraune, eiskalte Wasser stand mir bis zur Brust und riss mich um. Gerade noch konnte ich ans andere Ufer hechten. Meine Crocs wurden durch die Fluten mitgerissen. Die nächsten Arme mussten mit den Wanderstiefel in Socken durchwatet werden.
Völlig durchnässt, mit Wasser in der Schuhen, stand ich nun auf der anderen Seite der Tungnaá. Freude über den Erfolg kam nicht auf. Die Kälte des Gletscherwassers nahmen mir jegliches Gefühl in meinen Beinen, Füßen, und Händen. Der brausende Gletscherwind und die niedrigen Temperaturen taten ihr Übriges. Meine Hände waren so klamm, dass ich die Schnallen meines Rucksackes nicht mehr betätigen konnte. Und so stapfte ich etwa 5 Kilometer in Unterhose zu einer, auf der Karte eingezeichneten Hütte südlich meiner eigentlich geplanten Route - Jökulheimar. Glücklicherweise befand sich gerade ein Italiener in der Hütte, der mich dort übernachten und meine Sachen trocknen ließ. Ansonsten ist die Jökulheimar geschlossen und muss gebucht werden.
Die Erschöpfung spricht mir aus dem Gesicht
Die weiteren Tage führten mich am Rande des Vatnajökulls durch schwarze Steinwüsten, deren Leere und Weite der Psyche sehr zusetzten. Weiters standen mir zwei schwer zu durchwatende Gletscherflüsse bevor – die Sylgja und die Svedja. Vor allem die Svedja, die vom Vatnajökull in den Hagöngulon strömt, machte mir zu schaffen. Drei Flußarme mit einer ungefähren Breite von 15 Metern mussten durchquert werden. Das größte Problem stellte neben der Strömung der sandige, unstete Flussgrund dar. Mitten im Strom geriet ich mehrere Male in Treibsand. Die niedrigen Temperaturen und der starke Wind taten ihr Übriges. Die Aussicht auf eine heiße Quelle bei Snapadalur spendete an diesem schweren Tag etwas Kraft. Am markanten Skrauti vorbei stieg ich hoch zum vermeintlichen Bad. Die Enttäuschung war groß als ich brodelnde, tellergroße Schlammlöcher vorfand. Entkräftet schlug ich mein Zelt an einer guten Stelle am Hang auf.
Snapadalur
Skrauti
Da ich von einer Gruppe Kanadiern erfahren habe, dass die Route durch Vonardskard in Richtung Askja aufgrund von Schneemassen nicht möglich ist, entschied ich einen Abstecher nach Nyidalur zu machen. Die Ranger, die dort stationiert sind, bestätigten die Aussagen der Kanadier. Ich wollte mein Glück nicht nochmals auf die Probe stellen und entschloss schweren Herzens mit dem Bus nach Reykjahlíð zu fahren - meine Müsliriegelvorräte waren ohnehin nahezu aufgebraucht. Die Süd-Nord Querung konnte ich also nicht komplett durchführen. Aufgeben wollte ich jedoch nicht. Ich wollte von Reykjahlíð aus, der ursprünglichen Route folgen und über Askja nach Dreki laufen. So würden nur max. 2 Tage der Traverse fehlen - das Teilstück Askja - Nyidalur. Damit konnte ich leben und ich erfreute mich sogleich in der Zivilisation angekommen eines Festmahles in Form eines Burgers.
Nyidalur
Sprenginsandur und Hofsjökull
Aldeyjarfoss
Myvatn
Lager am Weg nach Botni
Ein letzter Kraftakt am Ende meiner Reise stand noch bevor. Die Überschreitung des verschneiten Passes hinein nach Askja. Glücklicherweise war mir der Wettergott hold.
Hinauf zum Pass
Askja mit Vatnajökull im Hintergrund
Víti und Öskjuvatn
Nachdem der letzte Schneehang hinüber nach Dreki überwunden war
Der Tafelvulkan Herðubreið
Reykjavik
Abspann:
Am Ende einer solchen Fahrt hat man gemischte Gefühle. Das Hochgefühl das Ziel erreicht zu haben, die Befriedigung die körperlichen Anstrengungen gemeistert zu haben, Erleichterung, dass man die Strapazen hinter sich gebracht hat. Es braucht Tage und Wochen um die Weite der gemachten Erfahrungen zu erfassen und einzuordnen.
Vom Alltag wieder eingeholt, zerfließen Erlebnisse und Abenteuer zu leicht. Aber die Erinnerung an die raue Wildnis, die Stille und Weite der Landschaft, und die Entbehrungen und Strapazen bleibt.
So gelten Martin Heideggers allzu wahre Worte: "Der Verzicht nimmt nicht, der Verzicht gibt. Er gibt die unerschöpfliche Kraft des Einfachen."
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