[ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

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    • 16.08.2008
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    #41
    AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

    24.01.2015. Auf zu neuen Ufern.

    Meine Tischnachbarin frühstückt heute wieder sehr früh. Ein letztes Schwätzchen, das mich mit Infos über die Insel versorgt. Der Lluis (von meiner Nachbarin demonstrativ Ludwig genannt) - Salvator - Fanboy versucht sie nach Details zu befragen. Ich kenne sie nun lange genug, dass sie sich a) nicht ausfragen lässt und b) sowieso nur das erzählt, worauf sie Lust hat und c) gerne auch mehrmals das gleiche erzählt. Wir haben viel Spaß. Der Wiener versteht nicht so recht und fühlt sich veralbert. Ich empfehle ihm, einfach hinzufahren und zu schauen, statt sich zu beschweren, dass hier niemand etwas weiß. Selbst der Museumsdirektor wusste irgendetwas nicht von etwas, dem Salvator in den sieben Bänden eine Seite widmete, was der Wiener mit endlosen Klagen kommentiert hatte. Dann soll er es eben selbst rausfinden. Uh. Da ist er sauer. Meine Tischnachbarin meint, mit dem Mann stimmt was nicht. Dramatisch schüttelt sie den Kopf. Hach, und gleich werde ich von meinen Freunden abgeholt. Und dann noch dieser Kerl. Sie kennt hier viele Leute. Vierzig Jahre kommt sie schon hier her. Gleich kommt das Auto. Aber doch nicht so früh! Es ist Viertel nach acht.

    Ich schließe meinen großen Rucksack in den Gepäckraum ein. Dann setze ich mich auf die Mauer am Strand. Die Mauer ist eiskalt, und ich setze mich auf meinen Wollpulli. Jogger. Radfahrer. Die Räder surren. Die Sonne ist noch kühl, aber heute wird ein schöner Tag. In der Ferne liegt eine Aida. Man erkennt sie mit bloßem Auge. Hafenkind.





    Bekannte aus dem Hotel. Verabschiedung. Auch ohne mich geht alles seinen Gang. Die Baustelle an der Ecke lärmt. Es macht mir nichts mehr aus.





    Ich habe eine anderthalb Liter Flasche Mineralwasser dabei. Zu schwer, um sie zu tragen. Ich trinke sie aus. Um blöde Ideen bin ich nie verlegen. Und weiß das schon. Die letzten Tage hatte ich wenig Durst.

    Gegen 11.00 Uhr wandere ich zum Hotel. Der Gepäckraum. Den Rucksack schultern. Ich öffne die Tür von innen und habe die Klinke in der Hand. Die Schrauben fehlen. Per favore. Das Zeichen, er möge bitte mal schauen. Gracias, ich beauftrage den Handwerker. Vorsichtshalber bringe ich das Wasser weg.

    Der Bus. Die 15 winke ich durch. Die 25 ist schneller. Placa Espana. Mit spanischem "th". Proxima parada („nächste Haltestelle“). Mit gerolltem "r". Als Kind hatte ich geübt. Proxima parada: Placa de Reina. Gibt es hier Toiletten? Der Fahrer macht den Motor aus. Verdammt. Wie immer endlos die Zahl der Haltestellen zum Zielpunkt. Endlich Placa Espana. Der Busbahnhof. Ich frage zur Sicherheit nach. Die Rolltreppe, dann aber zuerst in die falsche Richtung. Falls mal jemand Bedarf hat: Rolltreppe runter, durch die Tür, dann links. Vor dem Eingang des Eroski.

    Der Bus Nummer 1. Zielrichtung Port. Auf der Seite des Busbahnhofes fährt er, wie praktisch. Kinder lärmen. Hier steht ein Karussell. Alte Spanierinnen mit rundlichem Bauch drängen in die Busse. Die 1 kommt. Außer mir steigt ein Trupp Berliner ein. Sie wollen zum Castell Sant Charles.





    Der Busfahrer ruft Port zu mir. Er meint die Fähre. Ich nicht. An der Endstation steige ich aus. Passkontrolle. Ihr Ticket. Plötzlich wird die Beamtin freundlich. Zwei Rucksäcke sieht sie vielleicht nicht immer, die meisten Leute können sich Koffer leisten.





    Und damit beginnt die Reise, die ich immer schon machen wollte. So oft habe ich sie gesehen. Auf ods Treffen am Elbestrand. Dummdummdummdumm. Die Disco. Hell beleuchtet. Den Auslaufenden zugewinkt. Die Sehnsucht nach der Ferne. Noch 15 Minuten Fußweg liegen vor mir, und ich genieße jeden Schritt. Und dann stehe ich vor der AIDA. Und heute fahre ich mit.


    Oha.
    (Norddeutsche Panikattacke)

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      #42
      AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

      Leinen los.


      Ich stehe vor einem Abfertigungsgebäude. Eine Bank. Für die Raucher. Oder Leute wie mich. Ich esse einen Teil des Käses und das Müslibrötchen aus der fantastischen Bäckerei in Cala Estancia. Es ist nicht erlaubt, Lebensmittel mit an Bord zu bringen. man hat Angst vor Bakterien, Bazillen und Verderb. Die Gurke muss auch weg. Eine Deutsche telefoniert eifrig. Saarbrücken und Berlin sind da. Okay, der Bus holt sie. Was ist mit Frankfurt und Düsseldorf? Noch weiß ich nicht, dass es in Deutschland einen Schneeeinbruch gab. Einige haben wirklich Glück. Viele Flüge sind ausgefallen. Gäste steigen aus den Bussen aus. Triumpf im Blick.

      Der große Rucksack kommt auf ein Rollband. Im Gebäude ist der CheckIn. Zeltcharakter. Nette Menschen am Counter. Ein Extraschalter für die Suiten und gesundheitlich Eingeschränkten. Name. Pass. Voucher. Foto. Musste man vorher zustimmen. Dann wird es delikat. Streckenänderung. Statt Palermo zuerst Barcelona. Der Seetag morgen entfällt. 9 Meter hohe Wellen auf dem Thyrrenischenn Meer. Machbar. Aber ein Risiko. Mir ist das schnurz. Für die Gäste, welche die erste Hälfte mitgemacht haben - Marseille - Barcelona - enttäuschend. Ein Fotograph macht Fotos. Nein, danke schön. Das Publikum durchmischt. Eltern mit Kindern, junge Leute, Mädelsgruppen (die saufen bestimmt am meisten, würde meine Tischnachbarin von heute morgen sagen), Pensionäre und Rentner, junge Paare, Menschen mittleren Alters und auch viele abgearbeitete Gesichter. Einfache Leute. Hart arbeitende Leute. Und Raucher.

      Noch ein Schalter. Bordkarte zeigen. Hände desinfizieren nicht vergessen. Dann geht das Geld ausgeben los. Barcelona: Ich buche eine Tour zu Fuß. Stress unter Zeitdruck traue ich mir noch nicht zu. Palermo und Civitavecchia auch organisiert. Ein Landausflug nach Tuscania. Rom kenne ich ja schon. Und Palermo? Nach Sizilien wollte ich schon immer. Die Radtouren sind ausgebucht. Okay, dann Pedelec. Sie werden mich schlagen. Oh je, wo sind meine Ideale? Aber ich bin immer noch krank, das darf ich nicht vergessen. Außerdem ist das Schiff ja Urban Outdoor. da kommt es darauf auch nicht mehr an. Internet kostete für die Woche 159 €. Die Minute 0,39 cent. Eine Woche kein Internet. Die perfekte Therapie.

      Die Kabine gefällt. Sogar ein Fenster, wenn auch ohne Blick aufs Meer. Psychologisch wichtig.





      Auf dem Sonnendeck treffe ich meine Gesprächspartner aus dem Hotel wieder. Und freue mich. Die Sonne brennt. Man zeigt mir Schneefotos. Nasser, deutscher Nervschnee. Och ne. In der Sonne sind geschätzte 18 Grad.





      Das Schiff tutet, und ich bin tief berührt. So oft habe ich es schon gehört. Sogar bei mir zu Hause, wenn der Wind richtig steht. Und nun stehe ich selbst auf dem Schiff.





      Essen. Drei Restaurants. Eigentlich kann man hier fast den ganzen Tag essen. Pause zwischen 0.00 und 6.00 Uhr. Gute Qualität. Besser als in dem Hotel. Den Salat finde ich leider zu spät. Ich sitze neben einem Ehepaar. Wiederholungstäter. Wie fast alle, übrigens. Jahrelang mit einem umgebauten Bus durch die Lande gereist. Einem Omnibus, wohlbemerkt. Wir tauschen Campergeschichten aus. Jetzt fahren sie lieber AIDA. An sich war als Route Tunis, Palermo, Neapel, Barcelona gedacht. Tunis ist zu unsicher. Man hat Angst vor Überfällen und Flüchtlingen. Sagt der Mann. Dafür kam jetzt Rom ins Programm. Schade. Die Reisefreiheit wird immer beengter.
      Die Kellner sind vor allem von den Philippinen oder aus Indonsien. An den Schaltern junge Leute aus Deutschland. gut gelaunt und aufmerksam. Zahlt Aida eigentlich gut? Ich dachte, Aida wäre aus Rostock, aber das ist mittlerweile lang vorbei. Aida gehört zu Costa. Für den deutschen Markt konzipiert.

      Um 20.45 Uhr die Sicherheitsunterweisung. Treffen aller mit Schwimmwesten auf Deck 5. Man wird gnadenlos zusammengedrückt. Die letzten Kabinen werden aufgerufen. Geschichten gehen herum. Letztens mussten die Leute fast eine Stunde warten. Die Fehlenden lagen im Bett und schliefen. Die Stimmung ist gut.

      Der Kapitän erläutert im Theatrium die Wetterlage und stellt sich und einen Teil des Teams vor. Mir ist es zu voll da, ich kriege nicht alles mit. Dann gibt es auf dem Pooldeck Begrüßungssekt. Palma schimmert im Licht. Am Himmel leuchten die Sterne. Es weht ein leichter Wind. Mehr Natur geht wirklich nicht.





      Die Unterhalter stellen sich vor, und die Sänger und Tänzer. Ein wichtiger Arbeitsplatz, vermutlich. Wo sollen die ganzen Absolventen der Stage Schools denn auch hin. Mein Ohr schlägt sich tapfer. Modern talking. Nicht mein Geschmack, aber das Ohr beruhigt es.




      Die Lasershow. Gesehen schon oft, aber noch nie von innen. Immer noch funkeln die Sterne. Die Temperaturen sind immer noch mild.





      Wir laufen aus. Langsam bewegt sich das Schiff. Überall tief berührte Gesichter. Auch mich lässt das Ganze nicht kalt.
      Langsam verschwinden die Lichter der Promenade Platja de Palma und mit ihr Erinnerungen. Eine Frau wohnt zwischen Campos und Llucmajor, und wir sprechen über das Blinklicht. Das kann kein Leuchtturm am Ende der Bucht sein, ich habe keinen fotografiert. Schön dort, ich weiß. In einer Woche werden die Mandeln blühen.
      Die Lichter entfernen sich langsam. Wenn das Urban Outdoor ist, ist es einfach nur schön. Was sind Wald und Berge gegen das unergründliche Meer.

      Der Wind frischt auf. Erst will ich trotzen, aber der Fahrtwind ist dann doch zu stark. Gläser des Begrüßungssektes rollen herum. Zwei sammele ich ein. Ich will dem Personal Bescheid sagen, finde aber niemanden. Ich muss aufhören, für alles Verantwortung zu übernehmen. Im California Grill ist Hochkonjunktur. Man zieht sich riesige Burger hinein. Frisch zubereitet. Ein Lob für das Fleisch, wie ich höre. Für mich kommt das Angebot 20 Jahre zu spät. Soviel kann man gar nicht essen.

      Die Seitentüren auf meiner Ebene sind aus Sicherheitsgründen mit Schildern versehen.. Der Zugang ist gesperrt. Ein Mitarbeiter kommt sofort und schaut nach mir. Der Wind rüttelt an meinem Buff. Ich gehe zu Bett. Ein sanftes Schwanken wiegt mich in den Schlaf. Meterhohe Wellen. Sie stören mich nicht. Wie ich das liebe. Hafenkind.
      Oha.
      (Norddeutsche Panikattacke)

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        #43
        AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

        25.01.2015. Begegnung mit dem Licht (Barcelona)

        Die Nacht war schaukelig, aber schön. Auf dem Sonnendeck bin ich fast alleine. Wie ein zarter Regenbogen verströmt die Sonne das erste Licht. Gegen sieben Uhr wird es stärker. Barcelona liegt beleuchtet im Dunkeln. Winzige Punkte. Weit gedehnt. Flacher.





        Der Fahrtwind ist rau. Daunenjacke und Buff. Im Kopf gehe ich die Küstenroute ab Marseille durch. Auch sie war in der Radtourplanung. Die Hügel wirken relativ flach. Flacher als ich dachte. Mit einem Rennrad womöglich zu schaffen.

        Frühstück. Gut genährte Menschen vor den schmalen, lächelnden Indonesiern und Philippinern. Ein merkwürdiger Kontrast. Britischer Kolonialismus? Fettige Münder stopfen Speck in sich hinein. Aber ich darf nicht lästern. Richtig schlank kann ich auch nicht mehr sein. Aber trainiert. Das Personal schäkert mit den Gästen. Immerhin scheinen sie gut drauf zu sein.

        Rückwärts schiebt sich das Schiff in den Hafen. Am Heck stehen Tische. Baseball. Tennis. Flugzeuge schweben als kleine Punkte in die Stadt hinein. Es ist Sonntag. Das war so nicht geplant. Die Markthallen sind geschlossen. Die Läden auch. Einige Gäste freuten sich auf Shopping. Die letzten Partygäste wurden halb sechs aus der Bar geräumt. Sie lagen dann vor dem Rossini. Dem Luxusrestaurant.





        Wie bereits erfahren, hat der Kapitän einen Mitteilungsdrang. Er erzählt über Barcelona. Minutenlang. Einen Moment bereue ich die geführte Tour. Alleine könnte ich das auch. Vorbei. Bezahlt ist bezahlt.

        Sammelpunkt auf Deck 11. Sportlich wird das eher nicht. Karte zeigen. Sicherheitsdienst. Ein Bus steht bereit. Bis 17.00 Uhr geht es ab Trade Center alle zehn Minuten zurück. Der Führer heißt Ramon. Es geht die Rambla entlang. Gaudis Entwurf für die Villa Güell. Gaudi interessiert mich. Gesehen habe ich noch nichts. Die einfachen Leute mochten seine Architektur nicht, erzählt Ramon. Güell hatte ihn in die höhere Gesesllschaft einführt und ihn gefördert. Noch heute ist er umstritten.

        Einblicke in Höfe. Details mit der Kamera entdeckt.

        La Rambla. Hier und in der Umgebung sind noch günstige Wohnungen zu finden für Ausländer und Studenten. Die Cafés an der Hauptpromenade sind teuer und schlecht.





        Palau Güell. Das Opernhaus. Figuren auf Dächern. Eine Madonna an einer Häuserecke. Ein Decathlon. Geschlossen. Antike Ruinen. Ein Investor wollte eine Tiefgarage bauen und fand antike Stücke. Parkhäuser baut hier wohl niemand mehr. Kleine Gassen ziehen an uns vorbei. Das Café, in dem Picasso gerne saß. Jugendstilgebäude.








        Die Kathedrale. Kirche der Armen. Vor der Tür stehen Bettler. 12 Minuten für die Besichtigung. Es ist Gottesdienst. Man will nicht stören.





        Ich laufe am Platz entlang. Eine Mutter mit kleinen Kindern füttert Tauben. Eine Touristeninfo. Die Frau macht Pause. Noch 7 Minuten für die Besichtigung. Der Kollege sagt uns Bescheid, sie käme gleich. Ein Mann geht schon einmal. Noch 3 Minuten. Ich zeige auf die Uhr. Die Frau kommt. Langsam. Genervt. Nur nicht hetzen. Ich rede wieder meine selbsterfundene Sprache. "Mappa touristica. Uno Euro?" Sie nickt. Die Karte wechselt den Besitzer. Genau pünktlich bin ich am Treffpunkt. Sagrada Familia. Gaudis Meisterwerk. Gar nicht so weit. Aber umsteigen mit der Metro. Eine Mittsiebzigerin, auf die ich etwas aufpasse, sagt ab. Vor eigenständiger Planung hat sie Angst.

        Ein Platz. Fotoaufnahmen vor dieser Kulisse. Mit Model. Hier nicht im Bild.





        Die Regierung. Eine Demonstration. Ein Hauseingang. Neben und über Säulen ein Haus. Der ehemalige Tempel des Augustinus. So sieht das heute aus. Wieder eine Kirche. Die Erklärungen bekomme ich nicht mit. Eine Skulptur von Roy Lichtenstein. Klar weiß ich, wer das ist.

        Uninteressant ist die Führung nicht. Alleine wäre ich achtlos vorbeigegangen oder hätte mich einfach in die Sonne gesetzt. So ist das schon ganz nett. Ich bin vor Jahren mal durch Barcelona gefahren. Am Morgen erinnerte ich mich. Ein Moloch. Heiß. Verkehr. Hässlich. Die Olympischen Spiele waren die Wende. Die Fabrikanlagen am Meer wurden umgesiedelt oder abgerissen und stattdessen ein meterlanger Strand geformt. Davor gab es keinen Zugang für die Bewohner zum Meer. Heute ist Barcelona auf Platz 5 der meistbesuchten Städte in der Welt. Und auch ich muss sagen: Die Stadt ist interessant. Zumindest der kleine Teil, den ich kennenlernen durfte. 10 Prozent vielleicht.





        In einem Einkaufszentrum kurz vor dem Ende sind noch mal 10 Minuten Zeit. Ich nutze sie für Bedürfnisse. Dann finde ich den richtigen Ausgang nicht, und die Gruppe ist weg. Ich bin fassungslos. Ich laufe ein Stück Weg zurück, finde aber keinen. Ich suche die Geschäfte ab. Nichts. Ich hasse das! Die ods hotline ruft zurück (bei ods registrierte Person, die auch helfen kann, wenn sie gar nicht helfen kann) und beantwortet die Frage, ob ich Gaudis "Sagrada Familia" von innen anschauen muss mit: "Ich war nicht drin, aber andere waren angetan". Hhmm. Das hilft ja nur gar nicht. Der Weg dahin ist nicht ganz leicht. Metrofahren. Warteschlange. Im Januar vielleicht nicht so lang. 15 Minuten hatte der Guide geschätzt. Es wäre zu schaffen. Aber bloß das Schiff nicht verpassen. Zuviel Streß. "Es gibt Taxis", sagt die ods hotline. "Die sind ziemlich billig". Egal. Zuviel Stress. Mein Ohr tut weh.

        Ich eile zur Säule des Columbus. Es ist voll geworden. Afrikaner breiten ihre billigen Kettchen und Taschen aus. Radfahrer, Jogger, Spaziergänger. Eine Brücke. Es gibt eine weiteren Zugang zum Einkaufscenter. So konnte ich die anderen nicht finden. Und das macht mich sauer. Und sauer ist immer gut.
        Am Columbusdenkmal gebe ich Gas. Und fühle mich frei. Metrostation. Am Morgen hatte der Guide sie gezeigt. Ticket 2.15 €. Der Schlitz an der Schranke zum Entwerten. Unten, okay. Welche Station bin ich? Ein junges Paar zeigt es. Ich hatte etwas anderes gedacht. Kein Problem. Richtung Trinitat Nova, umsteigen in Diagonal. In der Bahn brennen an den Haltepunkten Lichtchen. Sehr praktisches System. Man sieht sofort, wo sie war und wo sie gleich halten wird, ohne sich den Hals zu verrenken.
        Umsteigen Richtungsschilder. Ein langes Laufband. Erinnerungen an Milano werden wach. Wer Milano schafft, schafft auch Barcelona. LT 5 blaue Linie. 2 Stationen. Sagrada Familia. Eine eigene Station. Ich verlasse den Ausgang und sehe eine Schlange. Ohne nachzudenken, reihe ich mich umgehend ein. Zwei Stunden habe ich Zeit. Die Securityfrau prognostiziert 15 Minuten. Das ist in Ordnung. In der Saison sind es mehr als zwei Stunden. Auch gegen Mittag muss sie erheblich länger gewesen sein, erfahre ich später.





        Dieser Architekt hier ist wohl ein anderer. Ein Teil der Kirche ist verhüllt.





        Das Ticket. Museum schaffe ich nicht. Aber den Turm? Man soll wohl schwindelfrei sein. Bin ich nicht. Egal. 19.50 mit Turm. Ohne wären es 15 €.

        Die Schlange galt nur der Kasse. So war es clever von einem jungen Mann, das Ticket am Plakat online zu buchen. Manchmal braucht man doch Internetzugang.





        Von vorne die Kirche unheimlich und gedrungen. Der Eingang. Ich übersehe den Mann am Eingang, und er rächt sich mit betont langsamer Prüfung. Der Sicherheitsdienst. Haben sie verbotene Gegenstände dabei? Mein Ehrlichkeitsgen kommt zum Tragen: Ja, ein Messer. Er zuckt fast ein wenig zusammen, ein "nein" wäre ihm wohl lieber gewesen. Ich suche das Opinel. Er öffnet es und ist einen Moment unsicher. Das Pflichtbewusstesein siegt. Es kommt in eine Tüte. Ich kriege eine Nummer. Am Ende hole ich es bei ihm ab.





        Ich betrete die Kirche. Und meine Augen werden groß. Licht. Ein unglaubliches Licht. Rot. Gelb. Orange. Und noch viel mehr. Glasfenster überall. Was ist dagegen die Glaskirche. Das hier ist eine Komposition. Wie so viele dachte ich von außen: Der Typ war verrückt. Der Blick zum Altar zeigt anderes. Gaudi war nicht verrückt. Gaudi hat etwas verstanden. Gesehen. Was für eine Kunst. Was für eine Wahrnehmung.





        Im Petersdom habe ich das erste Mal das Gefühl gehabt, es wäre ein Raum, in dem Gott wohnt. Und hier, in der Sagrada Familia, auch. Einen ganzen Tag müsste man hier verbringen. Im Lichterrausch. Die Details entdecken. Aus jeder Perspektive sieht der Innenraum anders aus. Welch ein Erlebnis: Das ist hier, das ist Natur. Grenzen verschwimmen. Wie Blütenstängel ragen die Säulen empor.





        Jede Perspektive anders. Ein Meer von Details. Perfekt in seiner Einzigartigkeit. Was für ein unglaubliches Gefühl, diese Vielfalt zu sehen.





        Am Abend erfahre ich, dass Gaudi, der die Pläne im Kopf bewahrte, als Folge eines Unfalls mit einer Straßenbahn starb, als er aus der Kirche eilte. Man brauchte länger, um zu verstehen, wer er war. Er hatte keine Papiere dabei und kleidete sich ärmlich wie ein Bettler.

        Nachträgliche Anmerkung: Verschiedenen Quellen, darunter wikipedia, zufolge machte Antoni Gaudi durchaus Pläne und es gibt auch rekonstruierte Gipsmodelle, aber die meisten Aufzeichnungen sind im Spanischen Bürgerkrieg 1936 verbrannt worden. Die Gipsmodelle wurden zerstört und später wieder zusammengesetzt. Man stützt sich heute auf die wenigen Informationen, die man noch hat. Da Gaudi 1926 starb, ist ein großer Teil der Kirche posthum entstanden. Das löst auch Kritik aus, da es sich sozusagen um einen konservierten Gaudi handelt. Da dieser immer wieder seine Pläne der neuen Zeit angepasst hat, würde die Kirche heute also womöglich völlig anders aussehen. Ein Teil der Fassade wurde von Subirach gestaltet, der einen anderen Stil aufweist. Ich hatte mich da schon gewundert, da Gaudi eher aus dem Jugendstil kommt. Man hofft übrigens, dass die Kirche zum 100. Todestag Gaudis fertiggestellt sein wird. Also im Jahr 2026.

        Im Aufzug geht es den Turm hinauf und oben packt mich die Höhenangst. 6.50 Meter. Mir reicht das. Ohne hinzuschauen mache ich Fotos durch die Nischen. Eine Spanierin taumelt ebenfalls. Zwei Asiaten machen mit Telekopstange Selfies. Ein kurzes Stück geht es noch höher, dann eine schmale Treppe zurück. Der Aufzug ist gerade offen, und ich nutze die Gelegenheit. Die Mauern sind eng, sie scheuern an der Jacke.





        Zurück zum Eingang. Und wieder dieses unglaubliche Licht. Man muss es gesehen haben. Bilder zeigen es nicht. Polarlichter sind vergleichbar. Andererseits auch nicht.

        Ich eile zur Security. Eine Frau stoppt mich. Ich muss erst durch den Museumsshop und außen herum und dann wieder zum Eingang, und dann kann ich das Messer holen. Umständlich. Diskussion zwecklos. Ich frage sie, ob sie aus Deutschland ist. Ich renne fast durch den Museumsshop, eile an der Straße zum Eingang und schlängele mich wieder die Warteschleifen durch. Der Securitymann hat das Messer schon in der Hand. Gracias. Ich eile zurück und quetsche mich an den neuen Gästen vorbei. Nicht gut gelöst.

        Die letzten Fotos. Dann die Metro. In zwei Minuten. Jugendliche, von Musik zugedröhnt. Viele Frauen. Ins Gespräch vertieft. Britische Touristen.
        Der Anschluss ist diesmal besser. An der vorletzten Station kommen Fußballfans. Geschätzt vierzig Leute brüllen die üblichen Fußballsongs. Ein paar davon direkt neben mir. Ich schütze meine Ohren. Eine Frau schüttelt mit dem Kopf. Als der Zug hält, beginnt Waggon-Hüpfen. Wie gut, dass ich hier raus muss.

        Draußen ist es immer noch sehr warm. Es ist jetzt vier Uhr. Kurz darauf bin ich am Treffpunkt. Ein Bus steht schon bereit.
        Der Zugang zum Schiff ist Hochsicherheitsbereich. Eine Sicherheitsschleuse, und ich denke an das Messer. Es kommt durch. Ab jetzt bleibt es im Safe.

        Ich habe den Tag nichts gegessen und freue mich über eine Ecke Pizza und Peperoni im Burgerrestaurant. Ich ordne die Fotos und dann fängt das Essen an. Wieder nette Gespräche. Egal, mit wem man redet, die Leute sind angenehm. Man sucht sich einfach einen Platz, wo frei ist. Keinerlei Zwang. Wer hatte das gedacht. Später wechsele ich ins Belladonna, und auch dort ist es wieder sehr nett. Ich denke an Werner Hohn. Kreuzfahrten sind gar nicht so schlecht.
        Oha.
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          #44
          AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

          26.01.2015. Seetag (Korsika und Sardinien).


          In der Nacht schwankt das Schiff. Ich mag das. Als ich um sechs aufstehe und dusche, nicht mehr so. Mir wird schwindelig. Sollte ich zu Seekrankheit neigen? Statt frühstücken zu gehen, lege ich mich hin und schlafe sofort wieder ein. Die Stimme vom Kapitän weckt mich. Blizzardwarnung in New York. Gewarnt wird vor dem schlimmsten Blizzard seit Jahren. Die Wetterlage betrifft uns auch. Mistral im Mittelmeerraum. Palermo fällt aus. Andernfalls kommt das Schiff nicht rechtzeitig zurück. Mist. Streckenänderung. Darin bin ich Spezialist. Und jetzt sogar das Schiff. Nicht zu fassen.

          Ich labe mich an Brötchen mit Käse und erfahre, dass die Tickets im Januar rausgehauen wurden. Die meisten fahren so günstig wie ich, und entsprechend dankbar sind sie auch. Dann erklärt der Kapitän live die Wetterlage. Neapel. Rom. Palma. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Die Wetterkarte ist dunkelrot. Familien mit Kindern, Ehepaare mittleres Alter und Rentner lauschen ihm gefasst. Die Jungen liegen noch im Koma. Mein Pedelec Abenteuer fällt aus. Bestimmt der Einfluss von ods. Die Versuchung wäre vielleicht hinterher zu stark.

          Ich lege mich auf einen Liegestuhl auf Deck 5. Wann habe ich mich das letzte Mal einfach so in die Sonne gelegt? Ohne ständig ods zu verfolgen? Welche softshell im Winter? Welche Socken bei Regen? Welche eierlegende Wollmilchsau (ich kann die Worte nicht mehr lesen) für Herbsttouren im Frühling? Das Meer rauscht. Wie ist das schön. Ein Segelboot wäre ja auch ganz nett. Nur das Geld habe ich leider nicht. Und auf dieser Route paddeln gehen? Och nö. Bei dem Seegang besser nicht.

          Gegen Mittag ungewohnte Eindrücke. Korsika. Schnee auf den Gipfeln. Eine raue Küste. Ich glaube, das ist keine Insel für mich. Der Reisebericht von tah. Die Wildschweine. Nie werde ich den vergessen.














          Auf der anderen Seite Sardinien. Flacher. Siedlungen sind zu sehen. Dann ebenfalls raue Küste.











          Es ist die Straße von Bonifacio. 12 km Abstand an der engsten Stelle. Der Wind lässt das Wasser schäumen. Der Zugang Backbord wird aus Sicherheitsgründen gesperrt. Ich fotografiere durchs Fenster. Immer hin und her.

















          Zu spät komme ich zu Mittag. Ein paar Nudeln. Dazu Mineralwasser. Der Ausflug in Palermo ist bereits storniert.

          Wieder die Liege, aber es ist zu kalt. Der Wind weht die Gischt auf das Schiff. Meine morgens gewaschenen Haare sind völlig verklebt. Das Sonnendeck auf dem obersten Stock. Zwei Frauen reden laut. Ohropax. Dann schreibe ich weiter und lese. Die Bilder der Sagrada Familia lassen mich nicht los. Ich entdecke, dass ich auf der Kabine Fernsehprogramm empfangen kann. Wintereinbruch in Deutschland. Bilder so unglaublich fern. In der Sonne sind 16 Grad.





          Essen im Belladonna. Die Bewohnerin Mallorcas, mit der ich am ersten Abend geredet hatte, sitzt am Nebentisch. Der nächste Leuchtturm ist Cap Blanc.
          Das Gespräch an meinem Tisch entwickelt sich in eine Richtung, die mir nicht gefällt. Seine Frau versucht, zu bremsen. Es gelingt ihr nicht. Ein Geschiedener in spe mischt sich ein. Er kenne ein paar Angestellte hier. Überdurchschnittlich werden die Angestellten nicht bezahlt. Rechnet man aber Kost und Logis hinzu und den Wechselkurs mit den Heimatwährungen, so sei das enorm viel. Der Eindruck, dass sie sich in ihrem Job wohlfühlen, täusche seinen Angaben nach nicht. Sie hätten ihre eigenen Parties. Und der Zusammenhalt sei groß. Der Flug nach Hause wird bezahlt. Daher sind sie so gut drauf. Nur die Trennung von den Familien ist nicht leicht. Sagt er. Er arbeitet seinen Angaben nach im Großküchenbusiness.

          Ich laufe herum. Die Vorstellung (der Aida Stars - haben die keine Namen?) besteht heute aus Abba-Songs. In der Bar singt eine Band. Ehepaare tanzen klassisch. Ich schaue bei den Münzspielen zu, dann bei Roulette und Ocean Poker. Ich liebe das. Selber spielen würde ich nie. Wieder erstaunlich, wie offen die Leute sind. Ein ods Treffen ist kaum anders. Das Geheimnis des Clubschiffkonzeptes. 2200 Leute sind auf dem Schiff. Man merkt es nicht. Mich wundert nur, wie locker bei einigen der Geldbeutel sitzt. Deutschland bleibt ein reiches Land.
          Oha.
          (Norddeutsche Panikattacke)

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            #45
            AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

            27.01.2015. Ein Lebenstraum (Napoli).

            Eine ruhige Nacht. Der Wecker klingelt um sechs. Normalerweise wäre ich schon wach. Hier schlafe ich gut. Fast eine Stunde tagträume ich. Unter der Dusche wird das Schiff laut. Verdammt. Die Einfahrt verpasst. Wir legen an. Ich stürze an Deck. Vesuvio. Die Sonne geht gerade auf. Keine Wolke am Horizont. Sollte es heute endlich klappen?








            Ich warte bis acht. Dabei beginnt Frühstück diesmal um sieben. Müsli. Ein Brötchen. Reicht. Der Vesuv ist immer noch wolkenfrei. Ein Lebenstraum würde wahr. Daunenjacke, Pullover, Poncho, Handschuhe. Es soll heute lausig kalt sein.

            Ich gehe von Bord. Keine Fotos, bitte. Ich halte den Arm vor das Gesicht. Eine Touristeninformation. Straßenbahn 1. Corso Garibaldi ist die Metro. Ich bin überrascht. Den Zustieg kannte ich nicht. Ich muss nicht nach Centrale. Vor dem Gebäude Taxifahrer. „Taxi Pompeij“. Grazie. „Taxi“. Grazie. Sie tun mir leid, sie brauchen das Geld. Aber ich auch. Ticket kaufen am Kiosk. Der Mann spricht deutsch. 2.60 €. Die 1 fährt gerade davon. Die nächste Bahn kommt, und ich steige ein. Blöderweise ist es die 4. Fasziniert betrachte ich den Verkehr. Aus dem Hupen kommt die Bahn nicht raus. Önk, önk. Ein altertümliches Geräusch. Es ist Stau. Vespafahrer quetschen sich auf die Gleise. Versuchter Selbstmord. Aus deutscher Sicht. Normal für Italien. Die Strecke zieht sich, die Bahn muss doch abbiegen. Irgendwann merke ich, dass ich zu weit bin. Ärgerlich. Heute Mittag soll sich das Wetter verziehen. Bloß nicht!

            Straße überqueren. Die Autos anvisieren und losgehen. Klappt. Die Bahn in Gegenrichtung. Navi einschalten. Okay. Dachte ich's mir. Hier raus. Die Ecke kenne ich. Da bin ich das erste Mal ausgestiegen und sogar schon mit dem Tretroller gefahren. Die Metro gesehen habe ich nicht. Schmutzig grauer Beton. Die Bahn steht an binario 8. Zehn Minuten später rattert sie los. Fahren kann man das nicht nennen. Die Waggons sind von 1975.

            Ercolano. Es gibt zwei Stationen. Die erste ist Scavi. Ich frage, ob es hier zum Vesuv geht, aber es sind alles Touristen. Also rufen: Sono italiano? (Sei oder siete wäre richtig, fällt mir drei Minuten später ein.) Es funktioniert. Eine Frau nickt. Vesuvio. Si, Scavi. Grazie.

            Am Vorplatz ein Schild: Vesuvio - Express. Ein kleines Geschäft. Besuchen Sie uns bei Facebook, Twitter. 20.00 Euro. 10 € für die Fahrt und 10 € Eintritt. 8 Leute. Der Bus ist voll. In halsbrecherischer Fahrt geht es eine kurvige Landstraße hoch. Den Vesuv mit dem E-Bike. Die Tour hätte ich bestimmt gebucht, sie wurde aber aufgrund des Wetters im Januar gestrichen. Ich wäre gestorben. Viel zu kurvig und viel zu hoch.

            Ein Parkplatz. 90 Minuten Zeit. Um 12.10 Uhr geht es wieder zurück. Bus 11.
            Ein Mann drückt den Mitfahrern Holzstöcke in die Hand. Ich habe den Trekkingstock mit, und er nickt anerkennend. Das schmeichelt meiner Outdoorseele. Steil geht es bergauf, und ich muss erst einen Rhythmus finden. Ich denke an Vega und Becks. Für sie ist das ein Klacks.





            Nordseite. Lausig kalt. Handschuhe. Wo ist der Objektivdeckel? Die Kamera ist unter der Jacke. Nein, die Mitwanderin hat nichts gesehen. Okay, er ist Richtung Bauchnabel gerutscht.





            Konzentriert schreite ich voran. Die Höhe macht mir nichts aus (der Vesuv ist derzeit 1281m hoch). Seitenstechen. Besser atmen. Ruhig und bestimmt. Das Seitenstechen geht weg. Die richtigen Schuhe habe ich dabei.

            Oben. Harmlos sieht er aus.





            Trügerisch. Noch immer ist er aktiv.





            Es steigt Qualm auf.








            Am Rand des Kraters kann man nun weiterlaufen. Die Sonne wärmt.





            Blick in sein Herz. Noch schläft er.





            Pflanzen im Vulkan. Die Natur ist voller Überraschungen.





            Bizarre Formationen im Morgenlicht.








            Ein Marienbild am Felsen angebracht.





            Der Weg ist steinig und es ist ein unglaubliches Gefühl, weiter zu gehen. Vesuvio. So lange habe ich davon geträumt, hier einmal zu stehen.








            Und so hatte ich mir einen Vulkan auch nicht vorgestellt.











            Blick auf Pompeij. Der Dunst verhindert leider die Orientierung. Ein Franzose mit Google hilft, aber das Licht ist zu schlecht.





            Der wachhabende Bergführer erklärt es genauer. Er spricht perfektes Deutsch. Gerne unterhielte ich mich länger mit ihm. Aber ich muss zurück. Man kann ihn auch für Sondertouren buchen. Heute leider nicht.








            Herunter ist immer viel unangenehmer, und ich bin sehr schlecht in der Zeit. Doch Rollerfahren hilft. Ich habe viel mehr Kraft in den Beinen als früher. So wage ich noch das eine oder andere Foto.








            Nach genau zwanzig Minuten bin ich am Bus. Keine Minute zu früh, aber eben auch nicht zu spät. Ich bin stolz auf mich.

            Zügig geht es zurück. Autos quetschen sich aneinander vorbei. In der Kurve bremst man mit Glück. Restaurantruinen.
            Gärten links und rechts. Blühende Orangen. Zitronen. Gar nicht so anders wie auf Mallorca. Aber am Straßenrand nur Müll. Papier. Plastik. Undefinierbares. Eine tote Katze. Im Ort vor allem kleine Autos. Beulen an den Seiten. Menschen diskutieren auf der Straße. Die Wäsche hängt am Haus.


            Ich entscheide spontan, Pompeij zu besuchen. Eigentlich wollte ich da nie hin. Aber der Besuch des Vesuvs war so beeindruckend. Pompeij rundet den Ausflug ab. Die Bahn fährt nicht nach Sorrento, sondern biegt vor Pompeij ab. Erst will ich zurückfahren, dann sehe ich auch hier ist Pompeij. Und bin im gleichnamigen Ort.

            Im Gegensatz zur Umgebung ist Pompeij sichtbar gepflegt. Ist es der Tribut an die Touristen? Zumindest sieht man, dass es geht.





            Eine kleine Bäckerei. Es gibt nur Süßes. Ein kleines rundes Gebäck. Schon eile ich weiter. Der Geschmack ist unbeschreiblich. Eine Flut von Aromen in der Füllung. Willkommen in Italien.

            Auch in diesem Teil Pompeij gibt einen Zugang zu den antiken Stätten. Eigentlich ist es eher ein Ausgang. Diskussionen um meinen Rucksack. Abgeben ist Pflicht. Ich ziehe alles an: Daunenjacke über die Jacke, Pulli um die Hüften, Regenponcho auch. Handschuhe in die Tasche. Dann knülle ich den Rucksack. Der erste sagt: Okay. Wieder hält mich einer an. Nur Klamotten. Ob er denkt, dass ich Steine klaue? Was ich denn am Körper haben würde. So geht das nicht. Die Kamera. Ich hole das schwere Teil hervor. Nun gibt auch er sich geschlagen. Ich will am anderen Ausgang raus und nicht mehr zurückgehen.

            Der erste Eindruck unerwartet. Still, kühl und würdevoll. Das war mal eine schöne Stadt.











            Ob sich die Bewohner hätten träumen lassen, dass wir noch heute in ihren Häusern unterwegs sind? Auf ihren Wegen wandeln? In ihre Zimmer schauen?











            Leicht verirrt man sich hier. Kleine graue Pfähle benennen die Straßen. Viele Wege sind gesperrt. Auch wichtige. Gebäude ebenfalls. Kein Geld? Oder sind die Einnahmen versickert? Es scheint, als würde Pompeij ein zweites Mal zerstört. Am Abend erfahre ich, dass laut eines Taxifahrers das für Pompeij bestimmte Geld die Deutschen haben. Frau Merkel kassiert das alles ein. Deshalb sind die Deutschen so reich. Als die Frau dem Italiener sinngemäß einen Vogel zeigt, ist die Antwort verschmitztes Gelächter.......





            Der Kapitän hatte die Bedeutung der hohen Steine erläutert. Zebrastreifen. Mit der Funktion, trocken über die Straße zu kommen. Früher floss in den Straßen die Schxxe. Die Vorstellung ist nicht ganz erquicklich.





            In den geöffneten Häusern stehen Frauen, die aufpassen, dass man nichts zerstört. Was sie wohl denken? Es ist warm, und ich laufe in einer Daunenjacke herum.

            An einem kleinen Säulentempel läuft eine kleine Maus an der Wand hinauf. Ab und zu Vögel. Ein Hund.





            Ansonsten Stille. Als wüsste die Welt, was hier passiert ist. Wie viele Menschen hier starben. Vielleicht ist es aber auch, weil hier kein Verkehr ist. Das wird früher anders gewesen sein. Ich höre den Hufschlag von Pferden auf dem Gestein. Und die Geräusche der Menschen.








            Aus der Therme ertönen Stimmen. Die Räume hallen. Ein wenig unheimlich ist das angesichts der Stille. Eine asiatische Reisegruppe ist unterwegs. Ansonsten ein paar Deutsche und Engländer am Apollotempel.





            Und immer wieder allgegenwärtig der Übeltäter: Der Vesuv. Da habe ich heute morgen gestanden und heruntergeschaut. Gar nicht weit.





            Vögel beleben die Ruinen und ein paar Fotos gelingen mir.








            Ich nehme die Metro nach Neapel (am Eingang rechts an der Touristeninfo ist die Haltestelle). Fast vergesse ich zu stempeln. Der Zug ruckelt wieder erbärmlich und mir tut bald der Hintern weh.

            Durch Seitenstraßen laufe ich zu Fuß. Chaotisch, dreckig, arm. Und dennoch soviel Flair. Man müsste sich nur kümmern. Dann wäre es eine wunderschöne Stadt. Ein kleiner Laden. Ein Stück Pamesan auf die Hand. Der Sohn sieht studiert aus. Der Vater ist alt. Dann doch noch vier Stationen Straßenbahn. Der Verkehr ist einfach zu laut.

            Das Schiff. Was für ein Kontrast. Die Häuser in Neapel, die Wirtschaftskrise in Italien. Und hier der reinste Überfluss. Die meisten Gäste haben hart dafür hart gearbeitet. Das glauben Außenstehende oft nicht. Aber es arbeiten auch viele andere. Und es reicht nicht für so ein Schiff.

            Japanisch im East. Gespräche mit dem Ehepaar aus dem Hotel in Platja de Palma. Intellektualität tut immer gut. Der Abend von gestern verliert seinen Schrecken. Sie waren zu Fuß in Neapel. Was für eine Stadt. Wäscheständer auf der Straße. Die Wäsche ärmlich und ausgebleicht. Der Müll. Die engen Straßen. Welten. Im Winter sichtbarere als im Sommer, wo die Stadt summt und brummt, von Gerüchen durchzogen, das pralle Leben. Ich mag das von Neapel, aber ich weiß genau, was sie meint.

            Ich kaufe nun doch so ein blödes Aida Schlüsselband. Zu umständlich sonst die Aktion mit der Bordkarte. Türöffner, Lichtspender und Zahlungsmittel. Geldbeutel braucht man hier nicht.

            Später schauen wir noch meine Bilder der Sagrada Familia an. Es läuft eine Show im Theatrium. Mit Quallen, Piraten und viel Gesang. Musicalkitsch. Aber das wird mir bald zu laut. In meiner Kabine schaue ich mir noch die Bilder von heute an. Was für ein Tag. Beim dritten Besuch habe ich es geschafft: Ich war auf dem Vesuvio. Welch ein unglaubliches Glück.








            Nur Treppensteigen zwickt.
            Oha.
            (Norddeutsche Panikattacke)

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            • Mocc
              Gesperrt
              Anfänger im Forum
              • 04.02.2015
              • 21
              • Privat

              • Meine Reisen

              #46
              AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

              Zitat von Torres Beitrag anzeigen
              Ein kleiner Junge auf dem Pony. Und hoch. Alle jubeln. Applaudieren. Er mag schlecht in der Schule sein. Hier ist er ein Held. Heimat. Tradition. Geborgenheit.
              Danke für diesen schönen Gedanken und den ganzen Bericht. Ein Gewinn für mich, ihn gelesen zu haben.

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              • Sisterintherain
                Erfahren
                • 18.06.2013
                • 371
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                Ganz wunderbar Torres, alles. Von der Sagrada Familia bis zu den Piepmätzen.

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                • schneehuhn
                  Gerne im Forum
                  • 08.07.2005
                  • 57

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                  ein hinreißender Bericht, Torres. Vielen Dank.

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                  • Waldhexe
                    Alter Hase
                    • 16.11.2009
                    • 2875
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                    Im klaren Winterlicht ist Napoli kaum wiederzuerkennen - ich war damals im Juni dort. Mir scheint der Vesuv dampft mehr als damals, vor ähm, 27 Jahren, o Gott. Liegt es an der kalten Winterluft oder bricht er bald aus? War das Bordell in Pompeji noch zu besichtigen?
                    Schreib schnell weiter!
                    Was macht Homo Faber?

                    Grüße,

                    Claudia

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                    • Torres
                      Freak

                      Liebt das Forum
                      • 16.08.2008
                      • 30594
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                      @all

                      Danke schön. Ein wenig geht es noch weiter.

                      @ Waldhexe

                      Das weiß niemand so genau. Angeblich soll die Aktivität in der ganzen Gegend anziehen, aber Genaueres ist nicht bekannt. Die Stadt bietet Umsiedlern, die ihre Häuser am Vesuv verlassen, Geld, aber es wird dennoch wild weitergebaut. Ich war auf jeden Fall froh, ihn einmal begangen zu haben.

                      Das Bordell habe ich leider nicht gefunden, ob es zu sehen war, weiß ich nicht. Es waren viele Wege gesperrt, und ich hatte keine Lust, dann immer wieder auf die Suche zu gehen, wo man durchkommt. Einen Führer hatte ich natürlich auch nicht mit, war ja spontan.

                      Homo Faber liegt auf dem Schreibtisch. Ich habe meine schulischen Interpretationsnotizen gesehen und sofort wieder Lesehemmung bekommen. Ich werde berichten, wenn ich mich überwunden habe.
                      Oha.
                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                      • Torres
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 16.08.2008
                        • 30594
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                        28.01.2015 Landausflug (Tuscania).

                        Die See war ruhig. Gegen 7.00 Uhr legen wir in Civitavecchia an. Den Sonnenaufgang und den Einlauf verpasse ich. Mein Ohr ist wieder schlechter. Ich bräuchte einen Ruhetag. Aber ich habe einen Ausflug gebucht.
                        Um 7.30 Uhr gehe ich zum Frühstück. Hektik auf den Fluren. Es geht nach Rom, viele haben lange Touren gebucht oder wollen ganz früh los. Man kann mit dem Bus zum Hafentor fahren. Dann zum Bahnhof gehen. Eine Stunde braucht der Zug. Mir war das zu viel Straße. Ich hatte am ersten Abend für viel Geld einen Landausflug gebucht. Mal schauen.





                        Die Bikertruppe lädt die Räder ein. Die Räder gehören zum Schiff. Der Anblick lässt mich kalt. Keine Lust auf Fahrstress in einer Großstadt. Immer noch krank.

                        Um 9.00 Uhr ist Treffpunkt. Bekomme ich eine Erkältung? Meine rechte Nase läuft. Und mir fallen fast die Augen zu. Der Bus fährt uns zum Hafenrand.
                        Zwei fehlende Teilnehmer sind jetzt doch noch da. Wieder zurück. Die Stadt wurde von Kaiser Trajano mit einer Stadtmauer versehen und im 2. Weltkrieg stark zerstört. Der Hafen von Civitavecchia ist seit dem 2. Jh. n. Chr. der Hafen Roms. Das war die Angriffe wert. Heute ist er der zweitwichtigste Kreuzfahrthafen Europas. Er hatte Ostia Antika ersetzt, das immer wieder versandete. Ostia. Der Startpunkt meiner Rollertour durch Latium. Outdoor. Ich werde sentimental.

                        Kurz darauf wird es ländlich. Via Aurelia. SS1. Ihr bin ich mit dem Tretroller ab Genua gefolgt. Auch im letzten Jahr. Die Vorstellung jetzt mit dem Roller unterwegs zu sein, lässt mich den Kopf schütteln. Viel zu große Distanzen hier. Die Landschaft geschwungen. Aber auf Dauer auch etwas langweilig. Elemente der Landwirtschaft erinnern an Mallorca. Aber es ist größer hier und es gibt nicht so viele Mauern.

                        Die Führerin erklärt mit sehr viel Temperament. Provinz Viterbo. Der Ort Tarquinia. Wir fahren nur hindurch. Eine Stadtmauer. Ein Feld mit tunnelzeltförmigen Bauten. Ich denke an Hundehütten, Schafställe oder Militär. Alles falsch. Es sind Etruskergräber. Als ich begreife, dass es historische Gräber sind, ist fotografieren nicht mehr möglich, wir sind zu schnell. Die Marta. Ein Fluss.
                        Dann sind wir auch schon an unserem Ziel: In Tuscania. Der Bus parkt. Es beginnt eine „Technische Pause“, wie sie sich ausdrückt. Aber die Toiletten am Parkplatz sind abgeschlossen. Ich rufe es ihr zu. Sie versteht nicht sofort. "Signora, chiuso!". Nun versteht sie sofort. Der Wortschwall, der nun folgt ist hörenswert "Non possibile. Ich stehe hier mit 45 Leuten und die Toiletten sind zu." Ich kann zwar kein Italienisch, aber ich verstehe jedes Wort und bin begeistert. Italienisch ist einfach wunderbar. Ein Mann, der an einer Mauer lehnt, zuckt die Schultern. Die Führerin entscheidet italienisch schnell. Das dauert zu lange, jemanden zu holen. Technische Pause nach der Besichtigung in einer der Cafés und Bars.

                        Das Örtchen ist klein und hübsch und von einer vollständig erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. Fußgängerzone steht an der Zufahrt. Wir laufen los und müssen immer wieder ausweichen. Autos bahnen sich einen Weg. Irritation. Später sehe ich: Fußgängerzone ist hier nur, wenn das Licht an ist. Die Kirche. Die Signora erklärt die Inschrift. Eine Zeitung tanzt vor der Tür. Der Wasserbrunnen ergießt sein Wasser über uns. Starke Böen. Auch ich werde nass.








                        Der Blick auf eine weitere Kirche. Die Signora erklärt wasserfallartig ihre Bedeutung, aber ich habe nur Augen und Ohren für die Natur. Immer noch weht der Wind. Als wir gehen, ist es wohl Zeit für einen Altherrenwitz: "Kommt ihr Mann bei Ihnen auch mal zu Wort?" Ha, wie lustig.





                        Ein kleines Café. Ich bestelle Kakao. Kaffee trinke ich ja nicht. Pulver, Milch. Dann erwärmen. Das Ergebnis passt in eine Cappuccinotasse. Der Geschmack: Göttlich: Die Konsistenz: Fest. Ich nehme den Löffel. Trinkbar ist es nicht. Es gibt genau eine Toilette. Geduld. Auf gut dreißig Wartende ausgelegt ist sie nicht.

                        Eine kleine Bäckerei. Zwei Kekse. Nur zwei. Die stämmige Bäckerin zeigt Unmut. Mehr darf ich nicht. Ich zeige meine Beute und die Signora strahlt. "Wir können nichts hier. Nichts funktioniert. Aber Kochen und essen. Das können wir perfekt".

                        Mein Platz im Bus ist besetzt, und ich setze mich weiter vorne in eine leere Reihe. Ein älteres Ehepaar kommt und fährt mich an. Was mir einfallen würde. Das hier wäre ihr Platz. Ich sollte gefälligst auf meinen Platz zurück. Ich bin starr. Mein Ohr dröhnt. Einen Moment überlege ich, zu gehen, aber der Ton ist eine Frechheit. Ich frage, ob sie reserviert haben. Wieder die Forderung, und ich sage entschuldigend: Mein Platz ist auch besetzt. Die Frau wirft mir vor, unverschämt zu sein, und da reicht es. Ich bleibe sitzen. Mein Gott, der Weg zur nächsten Kirche sind 5 Minuten. Dann können sie ihn ja wieder haben. Die Frau beschwert sich über meinen Rucksack, und ich nehme ihn weg. Sie setzt sich neben mich und der Mann räumt die Sachen der Signora weg. Auch sie ist starr ob diesen Verhaltens, nimmt aber ihre Sachen und lächelt das weg. Mein Ohr brummt. Stress.

                        Die Straße runter, ein paar Meter durch den Ort. Rückwärts den steilen Anstieg zur Kirche hoch. Aussteigen. Ein Mann aus der Gruppe spricht mich an. Er hätte den Platz nicht freigemacht. So eine Unverschämtheit. Auch andere zeigen ihre Solidarität. Das tut mir gut. Mein Ohr beruhigt sich.

                        Es ist eine der ältesten romanischen Kirchen Italiens. Entstanden auf den Resten eines römischen Tempels und einer etruskischen Akropolis. Orson Welles und Pasolini haben hier gedreht. Ein Erdbeben hat 1971 die Malereien zerstört. Aber ein wenig kann man noch sehen.











                        Die Signora erklärt die Front. Die Rosette ist Gott. Von vorne gesehen links davon das Gute. Rechts davon das Böse. Um den Menschen Angst zu machen. Einen anderen Grund gibt es nicht. Die Signora zeigt wieder Temperament. Ich denke an die Sagrada familia. Die Rosette. Das zentrale Element.





                        Der Altar. Die Gestaltung jeder Kirche ist darauf ausgelegt, dass man Gott in ihr erreicht. Durch ein Kirchenfenster fällt das Licht.





                        Unwillkürlich denke ich an Gaudi. Nein, revolutionär war er nicht. Er hatte eine Vision. Ein Gefühl für das Licht. Er schuf eine moderne Gotteswohnung. Die Formsprache alter Kirchen behielt er bei. Naiv und gestalterisch. Im Einklang mit der Natur. Aber blaspemisch, wie im Gegner vorwerfen wollten, ist er nicht.

                        Große Skulpturen an der Seite. Einige sehen so lebendig aus.





                        Nach einiger Zeit sehne ich mich nach Freiheit. Geometrie und Farben hier vor der Tür.





                        Ich trete ins Freie. Windig und sonnig ist es hier. Mein Anfangsplatz im Bus ist wieder frei und wird es auch bleiben. Der Opa sitzt auf seinem Platz.

                        Es geht den gleichen Weg wieder zurück, und ich denke an künftige Radtouren. Nein, wenig, was mich hier reizt. Das Essen schon. Die Kilometer auf befahrenen Straßen nicht. Italien ist wunderschön, aber kein echtes Outdoorland. Nicht abseits der Berge. Aber das wusste ich ja schon.

                        Ein Bauernhof in Nähe der Straße. Agrotourismus. Zimmer gäbe es auch. Eine Busladung ausländischer Gäste. Gewohnheit. Aber vielleicht auch der Druck. Der Tisch reich gedeckt. Weinprobe. Der Rotwein ist exzellent. Obwohl ich erst nicht wollte, probiere ich doch. Dazu gibt es Häppchen. Selbst gebackenes Brot. Zucchini-, Broccoli- und Pilzcreme. Warme Leberwurst. Verschiedenen Marmeladen. Ein Gedicht. Zu einer Frau sage ich: "Dafür kann man mir das Aidabuffet schenken." Sie nickt bejahend. "Ist eben Massentourismus, das kann man nicht vergleichen". Sie hat Recht.





                        Ich erwerbe eine Flasche Olivenöl. Im Garten ein Kleintierzoo. Pferde, Esel, Damwild und Wildschweine.

                        Der Bus wartet. Wieder zurück. Ein schöner Ausflug. Da hatte ich Glück.

                        Das Schiff ist recht leer und spontan entscheide ich mich für Sauna. Biosauna. Ruheraum. Der Mann neben mir liest "Der Trümmermörder".
                        Die Finnische Sauna. Eine stämmige Frau macht Aufguss. Nach dem dritten Mal ist es zu heiß. Im Ruheraum gibt es Obst. Die Sauna hat mein Ohr entspannt. Ich höre besser. Am Tisch jüngere Leute, wir haben viel Spaß. Einer machte die Fahrradtour. Verkehr in Rom. Wohl ein ziemliches Erlebnis. Nie wieder. Der andere hatte ein Taxi genommen, das am Eingang stand. 25 Euro. Drei geschwätzige Schwaben hinten im Fond.

                        Ich streife durch das Schiff. Hurricane Show der Aida Stars. Nett aufbereiteter Rock, perfekt inszeniert. Der Geräteraum ist leer, und ich traue mich hinein. Fahrrad. Mit 80 Umdrehungen und vierundzwanziger Schnitt. Ohne Ampeln kein Problem. Ein anderer Typ Fahrrad. Outdoorpanorama auf dem Bildschirm. Auf eigene Gefahr. Wieder gewohnter Schnitt. USA, Canyon. Fasziniert betrachte ich die Landschaft. Sand auf der Fahrbahn. Vorsichtig. Zu weit in der Mitte. Ich lege mich in die Kurven. Ein Auto kommt von einem Parkplatz, und ich gehe voll in die Eisen. Rücktritt. Wie albern. Ich lache über mich selbst. Theorie und Praxis. Virtuelle Realität ist in meinem Reiseradlerprogramm nicht vorgesehen.

                        Ich treffe meine Bekannten aus Mallorca wieder. Sie spricht eine Tonlage tiefer. Irgendein Infekt. Zusammen schauen wir die Wiederholung der Hurricane Show an. Der Moderator betont noch einmal extra, dass die Eltern ihre Kinder davon abhalten sollen, die Hände auf die Bühne zu legen. Wir reden ein wenig. Ihr Ausflug nach Rom endete vor den Toren Civitavecchias. Baustellenbedingt fuhr der Hafenbus viel weiter als geplant. So wurde der 10.00 Uhr Zug verpasst und der Ausflug in Eigenregie gestrichen. Der Petersdom entfiel sowieso. Mittwochs ist Audienz. Später erfahre ich, der Papst war gar nicht da.

                        Gemeinsam gehen wir nun doch in die „Haifischbar“. Es ist Hamburger Abend. Die Bar wurde mit Stehmöven und ähnlichem Tüddelüt dekoriert. Eigentlich wollte ich das vermeiden. Um halb zehn marschieren Kapitän und Offiziere auf. Ein Clubschiff. So ist das hier. Gemeinsam singen sie Shanties. Gar nicht so schlecht, muss man sagen. Sie lesen den Text ab, und der Kapitän muss Showelemente der Mannschaft ertragen. Es wirkt erstaunlich uninszeniert. Geschätzt zwölf Frauen und 14 Männer. Brücke, Navigation, Technik, Restaurant, Logistik, Unterhaltung und Unterkunft (oder wie auch immer man die Bereiche auf Kreuzfahrtschiffen nennt). Die Restaurantoffiziere sind Phillipiner oder Indonesier. Sie haben Schwierigkeiten mit dem Text. Die Frauen Logistik, Unterhaltung und Unterkunft. Wer steuert in der Zeit eigentlich das Schiff?

                        Auf dem Weg zum Fahrstuhl noch ein Elvis Imitator im Brauhaus. Eine tolle Stimme. Gut interpretiert. Und eine unangenehme Erkenntnis: In Wanderstiefeln der Kategorie B kann man nicht tanzen.
                        Zuletzt geändert von Torres; 13.02.2015, 10:40.
                        Oha.
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                          #52
                          AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                          29.01.2015. Seetag (Luxus).

                          Ich hatte geschworen, ich schlafe heute lang. Laut krachen die Brecher an die Bordwand. Das Schiff schwankt. Der Himmel ist von Wolken bedeckt. Bald zeigen sich hellere Abschnitte. Ich gehe auf das oberste Sonnendeck, kann mich aber kaum auf den Beinen halten. Auch die Kamera ist nur mit Mühe in Position zu bringen.





                          So quere ich die Raucherbar und stelle mich ans untere Sonnendeck. Auf einem Tisch steht Kaffee. Die Tischdecke tanzt im Wind. Ich flüchte in die Bar. Fernsehsessel, dahinter das Meer. Der Bildschirm ist grell. Als Lesestätte taugt das nicht. Nur weg hier.

                          Noch einmal wage ich mich auf das Oberdeck. Stemme mich gegen den Wind. Das Morgenrot verglüht. Auf den Wellen Schaumkronen.


                          Das East hat schon auf. Am Panoramafenster nehme ich Platz. Die Leute essen viel weniger. Man weiß jetzt, dass und wann es was gibt. Auch mir fehlen Ideen. Etwas Milchreis ohne Zucker, Lachs, Käse, Gurken. Zwei Brötchen. Kräutertee. Der Sonnenaufgang macht Bewölkung Platz. Eine ältere Frau aus Bayern. Nächste Woche geht sie Freunden eine Woche wandern. Ich erzähle von Mallorca und meinem Leihrad. Cube? Ja, die kenne ich, die sind aus Waldershof, das ist ganz bei mir in der Nähe. Doll, was der Bub da draus gemacht hat. Einen richtigen Konzern hat er geschaffen. Cube eine deutsche Firma? Man lernt nie aus.

                          Das Ehepaar von gestern. Die Unterhaltung ist nett. Am Käse treffe ich die ältere Frau aus der Gruppe in Barcelona. Gewartet hatte man kurz, dann war man den anderen Weg gegangen. Ich habe das Tablet dabei, und sie bestaunt die Fotos. Sie hatte in Rom und Neapel ein Taxi genommen. Die Gruppe der Italiener am Eingang, ich erinnere mich. 25 Euro pro Person im vollbesetzten Taxi nach Pompeij. Nach zwei Stunden kam das Taxi und holte die Gruppe wieder ab. Ein Schlenker durch die Innenstadt. Kein Vergleich mit dem teuren Ausflug an Bord. In Rom gestern 35 Euro im 8er Taxi mit 5 Personen besetzt. Sie fand die Info im Netz.

                          Der Kapitän macht eine Durchsage. Wir fahren nun doch noch nach Barcelona. Aber nur für einen halben Tag. Erst hieß es, wir fahren direkt nach Palma. Das war mir natürlich nicht so recht.


                          Sauna. Ich finde den Weg nicht. Ein Offizier hilft. Ich lobe den gestrigen Auftritt. Er freut sich. Die Sauna ist um diese Zeit noch leer. Bio-Sauna. Himmlische Ruhe. Der Blick aufs Wasser in die Sonne. Welch ein Traum. Etwas Schöneres kann es nicht geben. Dann die finnische Sauna. Ein Herr macht gerade Aufguss. Für mich zu heiß, aber ich gönne ihm den Spaß. Möglicherweise kriegt er dafür Ärger. Aufguss machen darf nur das Personal. Wäre nicht das erste Mal. Seine 31. Fahrt in fünf Jahren. Aida macht süchtig. Die anderen Herren stimmen zu. Ein Hotel mit Wasser vor dem Fenster. Er hat Recht. An Land nicht leicht zu finden. Als Campingplatz übrigens auch nicht. Dazu immer wieder woanders. Die Distanzen schafft man anders auch nicht. Asien. Karibik. Da gibt es noch viel mehr. Die Sonne scheint erneut durchs Fenster. Ein Foto mache ich natürlich nicht.

                          Der Ruheraum. Wieder ein Fensterplatz. Sonne. Einer quatscht immer. Der Nachbar röchelt ganz leicht. Auch ich schlafe ein.

                          Ich nehme mir vor, zu lesen. Im Lesesaal spielen Kinder mit ihren Eltern ein Spiel mit Chips. Ich hoffte auf Ruhe. Die Kabine wird gerade gemacht. Zur Essenszeit habe ich dann Glück. Für kurze Zeit wird es leise. Dann spielt ein Paar Backgammon. Polter. Klick.


                          In der Kabine finde ich Ruhe und schlafe ein. Balsam für das Ohr. Dann lese ich die Le monde diplomatique. Harter Tobac. Menschenrechtsverstöße in den USA, Whistleblower, Hacker (CCC, Anonymus), Chinesische und russische Propagandamedien, totalüberwachte Grenzen, die Datenkraken. Urlaubslektüre sieht anders aus.
                          Arbeitsbedingungen beim Versender. Ein Buchladen würde bei gleichem Umsatz 18 Mal so viele Arbeitsplätze schaffen. Und Steuern zahlen. Totalüberwachung durch das e-book. Lesezeichen, Fragen, Bücher personalisiert. Für Firmen eine Cloud. Alles unheimlich praktisch. Für Verlierer gibt es Uber und Airbnb. Hotels und Taxis konnten wir eh nie leiden. Die FDP weiß das nun auch. Teilen. Das klingt so schön gerecht. Man vermietet das Private. Soziale Absicherung braucht man nicht. Wir wissen alles, tut gar nicht weh. Und wir entscheiden immer noch selber. Die Folge: Selbstzensur. Bürgerliche Freiheit unter Terrordruck. Ein Googlelink zum Schuhversender schickt Daten an über 40 Rechner. Noch wurde nichts gekauft. Aber Hauptsache, wir kennen den Nutzer. Ich bin doch gar nicht wichtig. Die Schlinge zieht sich zu.

                          Als ich ausgelesen habe, schwirrt mir der Kopf. Ich denke an die Fahrt mit AIDA. Das ist nicht einfach ein Schiff. Du gehörst dazu. Du brauchst nur Deine Bordkarte. Das Foto und die Kreditkarte am Schalter hinterlegt. Stimmt das Gesicht nicht, kommst Du nicht mehr drauf. Die Gesichtserkennung nach neuesten Methoden. Fotografen und Kameraleute filtern Dich heraus. Druck Deine Bilder einfach aus. Stimmt noch ganz schnell zu. Nur ein einfacher Klick. Wer hat die Bildrechte? Du oder ich? Erinnerungsfoto, Erinnerungsfilm, Kunstauktion, Massagen, Workshops, Daddelautomaten, Internet. Ausflüge. Im Lesesaal wird geheiratet. Dir soll es an nichts fehlen. Buche die nächste Reise an den Tischen. Frühbucherrabatt und Reisevorteil. Das Team ist jung, viele Gäste alt. Wer will am Counter alte Leute sehen? Das Konzept scheint aufzugehen.


                          Nautische Informationen vom Kapitän. Geduldig steht er Rede und Antwort. Fast 2700 Menschen gehen auf das Schiff. Das gelingt aber nur im Sommer. Dann sind bis zu 700 Kinder an Bord. Teile des Publikums stöhnen auf. Schon jetzt gab es manchmal Konflikte. Kleine Kinder reisen kostenlos in den Oberbetten mit. Sicherlich ein Grund. Im Moment sind es wohl 2200. Dazu. 630 Personen Personal. 10 Tonnen Speisen und Getränke. Genaue Zahlen gibt es zum Schluss.

                          Indonesisches Essen im East. Eine super Qualität. Ein junges Paar am Tisch. Die Gruppe in Barcelona hatte sich am Einkaufszentrum aufgelöst. Daher hatte man mein Fehlen nicht bemerkt. Mitarbeiter darf man bewerten. Was tun die, die der Nörgler nicht mag? Sie musste gestern einen Mitarbeiter in Schutz nehmen. Manche Menschen sind grundlegend gemein. Auch sie waren auf dem Vesuvio. Ein wenig früher als ich. Leihwagen. Nie wieder mit dem Auto durch Neapel. Der Vermieter hat nur gelacht.





                          Wir sind jetzt bereits in Barcelona. Im richtigen Moment. Später wäre Anlegen unmöglich. Der Wind drückt das Schiff an den Kai. Man kann das Schiff zum Landgang verlassen. Wenn man denn will.

                          Ein Ehepaar aus dem Saarland. Bald darauf sind wir per Du. Wir fachsimpeln über Computer und die Fragen aus der Zeitschrift. Das Gespräch tut gut. Sie machten eine Führung durch die Küche. Hier wird tatsächlich ALLES frisch gekocht. Und auch frisch gebacken. Brötchen, Brot und Kuchen. Ca. 60 Torten pro Tag. Oder war das nur pro Restaurant? Ein Abstecher in die Bar. Im Theatrium wird "Wer wird Millionär" kopiert. Eine Frau scheitert an einer medizinischen Frage. Die Saarländerin hätte es gewusst. Die meisten richtigen Antworten im Publikum hat ein junger Mann aus Dresden. Eine Flasche Schampus ist sein Lohn.

                          Um 23.00 Uhr beende ich den Abend. Abreiseinformationen an der Tür. Hoffentlich kann ich überhaupt schlafen. Das Schiff liegt heute so ruhig.
                          Oha.
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                            AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                            30.01.2015. Es ist genug. (Barcelona)

                            Am Morgen bin ich lustlos und lege mich noch einmal hin. Ein kurzes Frühstück. Dann steht mir nach Frischluft der Sinn. Der Wind reißt mir fast den Kopf ab. Das hätte ich nicht gedacht. Der Ausstieg ist auf Deck 3. Der Wind drückt zu stark auf das Schiff. Ich bin freigiebig. 6 Euro für den Shuttlebus. Ein kurzer Weg zum Palau Güell, um die Öffnungszeiten zu erfahren. Er öffnet um 10.00 Uhr. Es ist gerade 9.06 Uhr.
                            Ich nehme die U-Bahn zu dem von Gaudi gestalteten Park Güell. Ich brauche ein wenig Outdoor, ein Park täte mir gut. Mein Ohr verhält sich tapfer. Es ist, als könnte ich wieder filtern. Die Seereise war die richtige Entscheidung. Meine Stresstoleranz steigt. Aussteigen. Die Hauptstraße entlang, dann Rolltreppen in die Höhe. Der Park ist geschlossen. Es ist zu windig. Ärgerlich. Eine Asiatin ist sehr enttäuscht. Sie war extra deswegen nach Barcelona gefahren.





                            Der Palau Güell ist unerwartet. Sein Erstwerk und wirklich noch zahm. Bereits mit viel Licht gestaltet. Nur eben nicht so extrem. Die Besichtigung lohnt sich. Ein Teil der Fotos wird nichts. Zu wenig Geduld.






                            Ein kurzer Abstecher zur Kathedrale. Auf einer Postkarte hatte ich einen Altar von Gaudi entdeckt. Auf der Rückseite stand Kathedrale. Ich kann mich nicht erinnern. Sicher will ich aber sein. Im Innenhof der Kathedrale ein Kleinzoo. Ich irre herum, den Nebeneingang suchend.





                            Nonnen gehen an mir vorbei. Die Touristen sind Franzosen. Schulklassen. Der Lehrer ist gestresst. Der Altar. Nein, das ist sie nicht.

                            Polizeisirenen. Schon wieder. Wieso fährt heute so viel Polizei herum? Vielleicht wegen der lustigen Autos. Ralley Monte-Carlo historique 2015.




                            Ich bummele in Richtung La Rambla zurück. Den Weg habe ich im Kopf. Ich mache mir keinen Druck mehr. Ein Anfang.





                            Der Ausflug ist beendet. Das Schiff legt um 15.00 Uhr ab. Ein andere Kreuzfahrer musste kreisen. Er kam an die Pier nicht ran. Auch wir müssen uns nun sputen. Das nächste Sturmtief kommt bereits. Sind wir nicht rechtzeitig in Palma, kommen wir auch da nicht in den Hafen rein. Die Anschlusstour wird nicht anders. Vermutlich fehlen bei den Nächsten Palermo und Rom. Und wir hatten Glück mit dem Wetter. Die anderen wohl nicht. Das sollen wir den Neuen allerdings nicht sagen, sagt der Kapitän. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Trick ist. Aber vielleicht hat er Recht.


                            Ich wasche noch etwas Wäsche. Dann schaue ich beim Auslaufen zu. Wieder ein lautes Tuten. Wunderschön. Eine kurzen Moment kann man zwischen den Bauten die Sagrada Familia sehen.





                            Silbermöwen umkreisen uns getragen vom Wind. Meine Lieblingsmöwe wird unscharf. Das falsche Objektiv? Oder die Nichtbenutzung des Stativs? Nur diese beiden Bilder werden etwas (von gefühlt 50 Stück):








                            Der Lotse verlässt das Schiff.





                            Langsam verschwindet Barcelona in der Ferne.





                            Kaum sind wir aus dem Hafen, schlägt der Wind wieder zu. Das Schiff schwankt und wackelt. Ich lese ein finnisches Buch. Hannu Raittila. Zu Hause soll Schnee sein. Kann ich noch einmal zurück?








                            Am Abend gibt die Küche alles, und ich esse zuviel. Die Bekannten aus Platja de Palma und ich hatten sich verabredet. Ein letztes Mal nette Gespräche. Morgen geht es für sie nach Deutschland zurück. Sie freuen sich. Weniger Menschen und einfaches Essen. Luxus nutzt sich ab. Auch ich freue mich auf Ruhe. Heute sind mir zu viele Menschen an Bord. Bei schlechtem Wetter verteilt es sich nicht.


                            Langsam läuft das Schiff Mallorca an. Es ist kühl, aber der Anblick ist wunderschön. Die kleinen Lichter auf dem dunklen Gestein.





                            Sekt und Laser auf dem Deck. Ich mümmele mich lieber in meiner Kabine ein und schlafe kurz darauf fest.
                            Zuletzt geändert von Torres; 13.02.2015, 17:09.
                            Oha.
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                              #54
                              AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                              31.01.2015. Palma.


                              Ein letztes Frühstück im East Restaurant. Der etwas rundlichere Putzmann, den ich schon kenne, steht im Gang. Heimreise? Nein. Putzen. All the time. Er lächelt, aber glücklich ist er nicht. Mein Zimmer betreut er nicht, und als ich vom Essen komme, muss ich nach ihm fragen. Einen Moment wundere ich mich über mich selbst, aber es gibt Dinge, die sind einfach richtig. So warte ich im nächsten Gang auf ihn. Erstaunen, als er mich sieht. Es ist nicht die Geste. Es ist die menschliche Begegnung, die zählt.

                              Ich hole das Gepäck. Die Durchsagen sind auf Effizienz getrimmt. Austausch von 2200 Gästen. Die Flughafenshuttle im Halbstundentakt. Für 23 Euro könnte ich bis abends bleiben. Aber ich möchte weiter. Es ist jetzt wirklich gut.

                              Am Check In stehen neue Leute. Den Triumpfblick wieder im Gesicht. Für sie geht die Party weiter. Gekauftes Glück.

                              Allein laufe ich quer durch den Hafen. Der Weg ist ziemlich weit. Der Himmel wolkenverhangen. Über die Kaimauer fegt die Gischt. 3 Meter könnten das sein.

                              Hinter dem Ausgang warte ich auf den Bus, zwei Minuten später kommt er. Endstation. Der Busfahrer lässt mich schon hinein. Volle Busse schieben sich Richtung Schiff. Große LKW reihen sich vor der Schranke ein. Hamburg Süd. Internationale Speditionen. Das wird das Essen sein. Heute abend dann wieder die Show. Alles von vorne. Das Wetter könnte diesmal allerdings wirklich schlechter sein. Von Umplanungen war ja schon die Rede. Die Wellen sind immer noch zu hoch. (Anm: Die nächste Route verlief über Neapel, Rom, Livorno (Pisa) und Barcelona. Der Vesuv war wolkenverhangen).

                              Das neue Hotel steht auf dem Berg, nicht weit vom Hafen entfernt. Der genaue Weg hat sich mir noch nicht erschlossen. Serpentinen. Trotzdem Laufen? Es ist noch viel zu früh. Ich fahre lieber Bus. Placa Espana. Die 46 fährt mir vor der Nase weg. Dann sehe ich, dass es zwei Haltestellen und zwei Routen gibt. Hektische Suche nach dem richtigen Bus. Eine Taube kackt auf Blumen. Der Bus fährt alle dreißig Minuten.

                              Das neue Hotel ist sehr nobel, so ganz passe ich nicht hier hin. Vom Zimmer aus schaue ich auf das Meer. Für einen Blick auf die Bucht mit Kathedrale und Platja de Palma wären 40,00 Euro Aufpreis fällig. Einen Moment überlege ich, ob es mir das wert ist. Hier habe ich Sonnenuntergang. Das ist mir dann doch lieber. Preiswert ist das Zimmer nicht. Ich föne die guten Hosen und weiß wieder, warum ich Outdoorer bin. Man kann herumlaufen wie ein Schlumpf, und alle finden das toll.

                              Ich finde den Fußweg ins Tal und fahre mit Bus Nr. 3 in die Stadt. Wiedereingliederungstherapie in die Großstadt.





                              Mein Ohr ist wieder schlechter geworden. Das ist das Wissen, dass der Urlaub bald zu Ende ist. Die Realität rückt näher. Ein Vollkornbrötchen. Ich hätte mehr kaufen sollen, aber ich finde die Bäckerei nicht wieder. Ein Eroski (Supermarkt) unter dem Placa Major. Wer das nicht weiß, findet ihn nicht. Vernachlässigt, schmutzig, grau die Passage. T-Shirt Händler. 70er Jahre.





                              Ich laufe weiter und dann zurück. Mich zieht es wieder ans Meer. Strand gibt es hier nicht. Nur Jollen, Boote und Yachten. Der Verkehr ist laut, die Boote klingeln. Der Wind macht wieder Konzert. Ich vermisse mein Fahrrad. Zu Fuß ist das hier weit.





                              Ein Zufluss. Steine als Zebrastreifen. Wie in Pompeij.





                              Vogelbilder. (Anmerkung: Lachmöwe, Seidenreiher, Kormorane. Danke, Griffon!)











                              Llucmajor. Der Hügel. Wie lange ist das schon her?





                              Ich weiche in Seitenstraßen aus.





                              Hier muss ich Gott sei dank nicht hoch.





                              Ich setze mich auf den Balkon in die Sonne. Das erste Mal seit einer Woche habe ich Internet, doch gleich darauf lasse ich es wieder sein. Außerdem gefällt mir das Layout dieser website nicht....





                              Glutrot geht die Sonne unter. Wie eine Corona der Schein.








                              Die Häuser leuchten in vielen Farben. Im Original ist da noch mehr rot. Gebannt schaue ich dem Farbenspiel zu.





                              Mit Gaudi verändern sich die Empfindungen. Alles vereint sich zu einer Komposition. Mensch und Natur. Licht und Kunst. Letztlich entscheidet doch nur, was wir in den Dingen sehen. Und nicht, was ist.

                              Am Abend lerne ich eine Frau aus Hamburg kennen. Eines ist wirklich spannend. Man trifft hier überall nette Leute. Manchmal ist das heilsamer als Zelten.
                              Zuletzt geändert von Torres; 14.02.2015, 22:05.
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

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                                #55
                                AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                                01.02.2015. Spaziergang im Park (Castell de Belver)


                                Ich habe gut geschlafen. Geplant war, heute zum Kloster Lluc zu fahren, aber über die Hügel schieben sich dicke, tiefhängende Wolkenfetzen. Das kann ich streichen.

                                So wandere ich zum nahegelegenen Park.





                                Am Morgen habe ich ein wenig ods gelesen. Die Diskussion, was ist Outdoor, was darf in Reiseberichten stehen und dann auch noch mit einem Zitat von mir (das auf die Tretrollertour anspielt, bei der ich ca. 280 km durch Italien gerollert bin), hat mich wieder völlig gestresst. Die ods Hotline muntert mich wieder auf. Die meisten wollen es bunt.





                                Ich wende mich der stadtnahen Natur zu. Wilde Wege. Regen. Das Castell de Belver. So viel gibt es hier auf Mallorca noch zu sehen. Das hätte ich niemals gedacht.








                                Es sind nur wenige Menschen unterwegs. Den meisten ist es zu nass und zu kalt. Immer wieder gehen ergiebige Regenschauer auf mich nieder. Ich habe den Poncho an. Da ich mir Zeit lassen kann, fotografiere ich Blumen.














                                Ein Weg geht sehr steil hinunter. Zuerst kehre ich um, dann taste ich mich doch vorsichtig abwärts. Ein Trupp Wanderer überholt mich leichtfüßig. Ich bin beeindruckt. Das lerne ich nie.








                                Zwanzig Minuten später. Der Mann humpelt, gestützt auf die Frauen, von einem Seitenweg aus langsam in Richtung Ausgang. Das Moos ist glatt. Das merkte ich bereits auch. Ein Hund starrt mir nach.

                                Ein wunderschöner Vogel. Unverwandt schaut er mich an. Ich dagegen halte die Luft an und bete, dass eines der Fotos etwas wird. Dann kommen Eltern mit Kinderwagen und der Vogel fliegt weg.





                                Es ist ein Wiedehopf, erfahre ich später. „Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der schenkt der Braut ein´n Blumentopf.“ Noch nie habe ich einen Wiedehopf gesehen.


                                Zurück im Zimmer merke ich, dass ich eine Erkältung bekomme. Kein Wunder. Das halbe Schiff hatte geschnieft. Also ab in die Sauna. Das Hotel ist ein Wellnessding. Die Sauna ist leer, da bin ich ganz froh. Durch die Tür sehe ich, dass die anderen Gäste Badebekleidung tragen. Beim Rausgehen sehe ich dann auch das Schild. Rücksichtnahme auf unterschiedliche Kulturen. Upps.





                                Im wickele mich in die Bettdecke ein und schreibe Tagebuch. Ich finde die webcam der Aidamar und anscheinend fährt sie doch nach Palermo. Ich suche ein wenig nach Informationen über Gaudi und ein Satz gefällt mir besonders gut: "Der Mensch wird dekadent, wenn er vergisst, die Natur anzuschauen." (Quelle: Die Zeit). Das hatte er seinen Mitarbeitern eingeprägt. Dann schlafe ich ein.
                                Oha.
                                (Norddeutsche Panikattacke)

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                                • boehm22

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                                  • 24.03.2002
                                  • 8236
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                                  Ich lese gerne mit, habe ich doch auch erst vor kurzem Mallorca und seine Naturschönheiten entdeckt.

                                  An diesem Vormittag war ich nur ca. 3 km von dir entfernt:
                                  habe mir die Kathedrale und den Hafen angeschaut und bin dann weiter gefahren nach Port Antratx und über die Küstenstraße nach Valdemossa.
                                  Viele Grüße
                                  Rosi

                                  ---
                                  Follow your dreams.

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                                  • Torres
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                                    • 16.08.2008
                                    • 30594
                                    • Privat

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                                    #57
                                    AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                                    02.02.2015. Überraschung.

                                    Meiner Erkältung geht es etwas besser. Die Bugcam der Aidamar zeigt den Vesuv. Die Spitze in Wolken verhüllt. Ich hatte wirklich Glück.
                                    Am Frühstückstisch habe ich kaum Hunger. Ein Jammer. Das hier ist ein Paradies. Es bedienen mindestens vier Leute. Der Kräutertee klappt heute auch.

                                    Als ich wieder im Zimmer bin, ist meine Energie verbraucht. Wenn Lluis Salvator Recht hat, zeigt sich heute in der Kathadrale die zweite Rosette (er hat Recht). Aber schon um 9.00 Uhr. So schnell komme ich nicht vor Ort. Ich lege mich noch einmal hin und ruhe mich aus.
                                    Dann entscheide ich, dass der letzte Tag nicht verschwendet werden darf und fahre mit dem Bus nach Palma. Vielleicht fahre ich einfach noch mal an den Strand. Als ich Placa Espana aussteige, entscheiden meine Beine anders. Ich laufe Richtung Placa Major. Eine Apotheke ist mein Ziel. Die Frau spricht kein Deutsch oder Englisch. Ich mache Zeichen, und sie sagt "Lutschen". Ich nicke. Klappt doch. Eine alte Frau sägt auf einer Geige mit Unterstützung eines Musiksticks plus Lautsprecher "Der Pate" und "Spiel mir das Lied vom Tod". Wie passend zu meiner Stimmung.

                                    Die Markthallen. Meine Bekannte hatte empfohlen, hineinzugehen. Nicht alle Stände sind offen. Aber die Offenen verlocken sehr. Eine Fülle von Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Ich streife herum. Überwältigend. Das ist Natur, denke ich. Das ist Natur im ursprünglichen Sinne. Der Mensch muss essen. Der Mensch muss trinken. Und wo es Nahrung im Überfluss gibt, da ist auch Zivilisation. Das Essen fördert nicht nur die Ansiedlung von Menschen, sondern auch die Kunst, die Kultur und die Literatur. Den Aufenthalt in menschenfeindlicher Ödnis erlaubt uns nur die Technik. In Form von Konservieren, Pulverisieren, Transportieren, Trocknen, Lagern und der Trennung von Konsum und Produktion.








                                    Ich laufe durch die längst bekannten Straßen. Ich brauche noch drei Souvenirs. Ich stoße noch einmal auf den Shop mit der Karte. Alles, was man braucht, kriegt man hier. Karten, Führer, den Rother. Und noch viel mehr.





                                    Ich laufe durch kleine Läden, aber Schönes ist meist zu schwer. Eine kleine Touristenformation. Hier kann man Touren buchen. In einer Ecke ein kleines Sortiment Bücher. Und Kompass 230 auf Deutsch. Ich finde drei Teelichter aus Holz. Die Kerzen lasse ich liegen. Ein bisschen ULer ist man ja doch.

                                    Ich bin jetzt an der Kathedrale. Und gebe mir einen Ruck. Schau Dir das Ding an, sagt eine innere Stimme. Dauert ja nicht lang.
                                    Das Museum gegenüber hat zu. Ein deutsches Ehepaar rätselt. Die Kathedrale dann wohl auch? Mal schauen. Gemeinsam gehen wir zu einer Seitentür. Die Kathedrale hat geöffnet und eine Gaudiausstellung für einen Euro mehr gibt es auch. Ich sage, das will ich buchen. Letzte Woche war ich in Barcelona. "Mit der Aida?" fragt das Ehepaar. Wir waren auf dem gleichen Schiff. Sie fliegen auch zur gleichen Uhrzeit. Die Richtung stimmt allerdings nicht.

                                    Für die Kathedrale der Heiligen Maria (La Seu, der Bischofssitz, genannt) gibt es einen Audioguide, und zuerst verstehe ich die Bedienung nicht. Dann geht es besser, und ich sehe in der Kathedrale das Licht. Mehrere Rosetten. Freundlich und durchflutet ist der Raum. An einer Stelle bricht sich ein Strahl.





                                    Ein faszinierende Anordnung von Motiven am Altar. Ein Ring aus Leuchten. Die Säulen. Vom Licht bestrahlt. Meine Gedanken schweifen zur Sagrada Familia. Eine Vorstufe zu Gaudi, denke ich. Die Kirche ist alt. Vielleicht hat sie ihn inspiriert? Ich sehe da Parallelen. Der Aufbau. Das Licht. Oder er hat Elemente dieser Kirche kopiert. Aber nein, das kann nicht sein, bei Architektur kennst Du Dich nicht aus. Aber wieso eigentlich nicht? Vielleicht hat er hier einmal Urlaub gemacht?





                                    Es dauert noch ein paar Erklärungen, bis ich begreife, dass das die Kathedrale ist, die ich suchte. Sie war bis Anfang des 20. Jahrhunderts klein und dunkel, die Geistlichen von den Gläubigen abgetrennt, und die Gläubigen mussten stehen. Der Priester Pere J. Campins beauftragte Gaudi, und dieser gestaltete den Innenraum neu. Er entkernte den Altarraum, vergrößerte und öffnete die Apsis und gab der Kathedrale das Licht zurück. Von 1904 bis 1914 lebte Gaudi in Palma und gestaltete mit weiteren Künstlern La Seu. Gaudi, denke ich. Mehr fällt mir eine Zeitlang nicht ein.





                                    Die Kapelle des Allerheiligsten, die 2007 vom (umstrittenen) zeitgenössischen mallorquinischen Künstler Miguel Barcelo (geb. 1957) gestaltet wurde. Es geht um die wunderbare Vermehrung von Brot und Fisch. Nahrung. Das Zentrum des Lebens. Und dazu das Licht. Der Kreis schließt sich. (Quelle: Klick.)





                                    Die Gaudi Ausstellung ist eher dürftig ausgestattet und die Texte und Filme sind auf katalanisch/spanisch. So eile ich kurz darauf zum Placa Espana. Der Bus fährt mir erneut vor der Nase weg, und ich muss 25 Minuten warten. Ein Mann kommt bittend an, als ich gerade das Kleingeld suche, und ich sage deutlich "No". Er geht weiter zum Nächsten. Seine Frage galt der Uhr. So entstehen kulturelle Missverständnisse. Es beginnt nun kurz, zu nieseln.

                                    An der Straße La Rambla stehen Platanen. Geschwungen recken sich die kahlen Stämme gegen das Licht. Wie die Säulen in Gaudis Kathedrale. Ebenmäßig. Und auch wieder nicht. Ein junger Mann mit 70 Liter Rucksack plus Daypack betritt den Bus. Schlagartig fühle ich mich nicht mehr alleine. Er ortet sich über sein Iphone und steigt eine Haltestelle vorher aus. Ein kleines Haus, kein Hotel. Ich tippe auf Couchsurfing. Unter dem idyllischen Viadukt, das ich gestern auf dem Weg zum Park begangen hatte, liegt meterhoch der Müll.





                                    Es ist kalt auf dem Balkon, und die Kamera übersteuert.





                                    Meine Erkältung ist wieder schlechter, und nach dem Sonnenuntergang denke ich an Wellness. Diesmal korrekt bekleidet. So gehe ich zunächst in den Swimming-Pool und lasse mich etwas treiben. Dann sehe ich mehrere Plastiklappen und kurz darauf bin ich im Freien. Outdoor! Die Palmen rauschen und der Mond scheint hell. Das Wasser ist warm und zwischen den Bäumen leuchtet das Meer. Dekadent ohne Ende? Oder einfach nur Glück?

                                    Dann sitze ich in der finnischen Sauna und wünschte, es wären -30 Grad, und ich wäre in Finnland. Das Knirschen des Schnees und das Funkeln. Und natürlich wieder das Licht. Es ist einem nie alles recht.
                                    Ich laufe in Richtung Aufzug. Eine nicht mehr ganz frische Grazie mit Kosmetiktäschchen taxiert mich schnell. Hochmütig schaut sie weg. Durchgefallen. Die Sorte Frau, die sich unter das Messer legt. Ich bezweifle stark, dass sie echt ist. Was für ein interessantes Hotel.
                                    Zuletzt geändert von Torres; 15.02.2015, 21:05.
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                                    • Torres
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                                      • 16.08.2008
                                      • 30594
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                                      #58
                                      AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                                      03.02.2015 Heimreise.


                                      Ich räume das Zimmer früher, als ich muss. Höflichkeit. Einen Dank gibt es nicht. Die Sofas im Hochparterre mit Blick über die Stadt. Der Flug geht um 20.00 Uhr. Schauer fegen über das Land. Es ist kalt. Ich schreibe Reisebericht und lese. Ruhe tut gut.

                                      Gegen 12.00 Uhr wird das Wetter besser, und ich gehe in Richtung Bus. Die Wolken weichen blauem Himmel, und ich schaue gebannt in das Licht. Die Häuser sehe ich nicht.

                                      Auf dem Placa Espana lasse ich mich nieder und esse den letzten Käse und Brot. Die Sonne leuchtet durch die Palme. Die Blätter wiegen im Wind. Ich denke an Platja de Palma. An Vergangenem soll man nicht rühren. Nicht zurückkehren an diesen Ort. Ein Paar mit Salat in den Händen setzt sich auf die nächste Bank. In Italien ist es verboten, öffentlich zu essen. In Spanien anscheinend nicht. Dann fangen sie an zu sprechen. Deutsche. Ob es erlaubt ist, weiß ich jetzt immer noch nicht.





                                      Die Bushaltestelle. Ich stelle mich an. Die Nr. 15. Platja de Palma. Ein Tross von Touristen steigt ein. Doch noch einmal das Meer? Ein letztes Mal? Ich lasse das Schicksal entscheiden. Airport Express gegen Palma Express. Die Nr. 25 kommt zuerst. Trotz des Gepäcks muss ich stehen. Eine große Baustelle. "Ein neues Einkaufszentrum im freien in natürlicher Umgebung (sic!)". Man sieht die Reste eines Olivengartens. Daneben ein kleiner Bauernhof. Der Wahnsinn geht weiter. Irgendwo, ungeplant, steige ich aus. Und komme genau beim Fahrradverleih heraus. Und stehe wieder am Meer.





                                      Und wie immer nimmt mich sein Zauber in den Bann. Dieses Rauschen. Diese Wellen. Und das unglaubliche Licht.





                                      Kalt ist es geworden. Zugig pfeift der Wind durch die Straßen. Sitzen kann man heute nicht. Ich nehme den Flughafenbus Nr. 21. Er kostet das Doppelte, wie die anderen Busse. Eine Fahrt 3,00 Euro. Ein kleiner Vogel auf dem Flughafenparkplatz (Bachstelze. Danke Griffon). Niemand beachtet ihn. Nur ich.





                                      Um 17.00 Uhr gebe ich den Rucksack auf. Dann suche ich die Sonne vor der Tür. Über den Bergen gießt sie Farbe aus. Licht und Farben. Das ist Natur.








                                      Glutrot geht die Sonne unter. Das Licht dennoch gedämpft. Kitschfarben sind es nicht. Das macht die Kamera. Ich erlaube ihr diesen Akzent.





                                      Realistisch gespiegelt im Fenster hinter mir.





                                      Im Flug sitze ich neben einem Ehepaar. Sie mögen Vulkane und bestiegen den Vesuv und den Stromboli. Gestein als Leidenschaft. Sie waren diesmal in Port de Soller. Ein Auto war dabei. Der Tag bestand aus Wanderung. Port de Soller bis nach Deja. Es ist die Strecke, die ich ursprünglich geplant hatte. Sie erzählen, dass sie traumhaft war. Ich ärgere mich, dass ich nicht abenteuerlustiger war. Allerdings: Den Eingang hätte ich nicht gefunden. Baustelle. Hätten Sie das auch alleine gemacht? Nein, das nicht. Um diese Zeit kommen keine Wanderer vorbei und Mobilfunkempfang besteht wohl auch nicht überall. Sie sind sehr trainiert. Am Sonntag waren 6 Meter hohe Wellen vor der Bucht. Der Leuchtturm auf dem Hügel war umspült. Die Wellen trafen auch die Bucht. Die Mauer der Strandpromenade wurde zerstört. In Palma konnte man davon nichts sehen. Der Wind kam aus Nordwest.

                                      Als ich kurz vor Mitternacht in meine Straße einbiege, fängt es gerade an zu schneien. Ich schaue den tanzenden Flocken zu. Der Himmel ist ganz grau. Es ist, als hielte jemand die Erdkugel an, denn es ist absolut still. Ich denke an den letzten Sonnenuntergang und die Tage im Rausch der Farben. Und ich weiß, Natur ist überall, man muss sie nur begreifen.

                                      Und mit Licht in meinem Herzen kehre ich die Welt der Stadt zurück. Noch einmal denke ich an Antoni Gaudi i Cornet und seine berühmteste Schöpfung. Nur selten fühlte ich mich dem Licht so nah und dem Gefühl des Glückes.

                                      Die Grenzen.

                                      Sie verschwimmen.


                                      Zuletzt geändert von Torres; 15.02.2015, 13:36.
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                      • Luckes85
                                        Anfänger im Forum
                                        • 09.02.2015
                                        • 41
                                        • Privat

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                                        #59
                                        AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                                        Es macht einen Riesen Spaß deine Berichte zu lesen, schön das du deine Gedanken so toll mit einbringst !
                                        Weiter so !!
                                        Mein anderes Hobby :

                                        http://markusecker.blogspot.de/

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                                        • blauloke

                                          Lebt im Forum
                                          • 22.08.2008
                                          • 8317
                                          • Privat

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                                          #60
                                          AW: [ES, IT] Wenn Grenzen verschwimmen - Mallorca und das Mittelmeer

                                          Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                          Ich finde die richtige Straße sofort. Einem Moment habe ich das Gefühl, auf Tour zu gehen. Eine Kirche am Wegesrand. Tatsächlich ist es ein Friedhof. Ein Mann ermutigt mich, einzutreten. Mir ist das unangenehm, ihn und die Friedhofsruhe zu stören. Mein Rad lehnt an einer Bank. Ein Klo gibt es auch. An der Straße sehe ich: Fahrräder verboten.
                                          OT: Hervorhebung von mir.

                                          Es braucht dir nicht unangenehm zu sein die Friedhofsruhe zu "stören".
                                          Bei mir vergeht praktisch kein Urlaub bei dem ich mir nicht einen Friedhof ansehe. Besonders die südländischen Friedhöfe sind wegen ihrer Gruften sehenswert und die Toten freuen sich wenn sie etwas Unterhaltung durch neue Besucher bekommen.
                                          Natürlich verhalte ich mich dort entsprechend respektvoll und laufe nicht wild knipsend über die Gräber.

                                          Mit deinen Outdoorfahrzeugen steigerst du dich immer wieder. Erst mit dem Fahrrad im Winter in Finnland, dann dort mit dem Klapprodel. Mit dem Trettroller durch Italien und jetzt mit der Aida übers Mittelmeer.
                                          Wie willst du dich noch steigern?
                                          Das nächste mal kannst du eigentlich nur noch mit einem Uboot abtauchen oder in eine Rakete einsteigen.

                                          Danke, dass du uns auf deine Reisen mit nimmst und deine, gut geschriebenen, Erlebnisse mit uns teilst.
                                          Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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