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Neiße - Oder Kajaktour 2014
24.7. - 31.7. Zittau - Gartz 386km zu Fluss
24.7. - 31.7. Zittau - Gartz 386km zu Fluss
1. Tag
Zittau, Hartauer Dammweg: 324 Autokilometer liegen heute schon hinter mir und ein Verkehrsschild - Durchfahrt nur für Anlieger - vor mir. Was tun? Ich bin zwar kein Anlieger, habe aber ein Anliegen: Die Oder-Neiße-Grenze mit dem Kajak befahren. Ob aber ein wegen des miesen Wetters möglicherweise schlechtgelaunter Ordnungshüter dies als Anliegen anerkennt? Da bin ich doch etwas misstrauisch. Die letzten 700m bis zum Dreiländereck muss mein Boot vom komfortablen Autodachträger auf den kleinen Bootswagen wechseln. Aber noch habe ich Unterstützung, meine Tochter und ihr Freund helfen mir und werden später mit dem Auto wieder Richtung Heimat fahren.
Zelt, Schlafsack, Luftmatratze, Kochgeschirr, Kocher, Waschzeug, Wasserflaschen, Nahrungsmittel, Schwimmweste, Erste-Hilfe-Pack, Wechselkleidung und weiteres Gerödel wandern in die Gepäckluken. Zuallerletzt wird der zerlegte Bootswagen verstaut. Immer wieder erstaunlich, dass die Lukendeckel danach noch schließen. Das Boot wiegt jetzt ca. 75kg, für eine Einzelperson nicht mehr sinnvoll zu tragen. Aber nun wird das Boot seinem Element anvertraut und erwirbt damit die gewünschte Leichtigkeit, um auch noch mich zu tragen.
Beladen des Bootes am Dreiländereck
Gegen 12Uhr der erste Paddelschlag von am Ende grob geschätzt 150.000. Die Verabschiedung fällt recht kurz aus, die Strömung der Neiße will mich mitnehmen und ein leichter Nieselschauer lässt einen längeren Aufenthalt nicht erstrebenswert erscheinen.
ins Wasser, ins Boot und los
Die Neiße führt Niedrigwasser. Oft verbleiben nicht viel mehr als 10cm bis zum Grund und allenthalben kratzt das Boot über Flusskiesel. Mehrfach muss ich das Boot verlassen und treideln, um mich von einer Sandbank zu befreien. Nach der Mündung der Mandau in Zittau wird es etwas besser, aber man muss eigentlich auch im Weiteren bis Guben immer ein Auge darauf haben, Sandbänken, Steinen und Baumhindernissen auszuweichen.
kleiner Schwall kurz nach Zittau
Hinter Zittau, nur 200m entfernt von der Neiße befindet sich auf polnischer Seite ein riesiges Loch in der Landschaft, der Braunkohletagebau von Bogatynia. Aber davon merkt man wirklich nichts. Die Neiße hat hier kein tiefes Tal geschaffen, trotzdem reichen Einsenkung und Uferdeiche, um den Blick auf das Gewässer und seine Ufer zu beschränken. Erst etwa 8km nach dem Start ahnt man die Nähe eines Tagebaus, Kraftwerksschornsteine und Kühltürme kommen ins Bild.
Kraftwerksschornsteine und Kohlezug
Nicht mehr lange und das erste von am Ende 24 zu umtragenden Wehren verlangt Aufmerksamkeit. Wo Aussetzen? Der DKV-Flussführer meint auf der rechten Seite - also im Ausland. Noch einmal kurze Kontrolle: Sind die Aufkleber mit polnischer und deutscher Flagge ordentlich am Boot befestigt, liegt der Personalausweis griffbereit? Mit etwas Respekt setze ich den Fuß ans Ufer doch niemand nimmt davon Notiz. Eigentlich eine höchst angenehme Folge der europäischen Einigung, trotzdem bin ich ein wenig enttäuscht. Wenigstens hätte ja ein Angler kritisch dreinblicken können. Aber nur ein paar Enten fühlen sich belästigt. Und ich befürchte, dass dieses Publikum meine "heldische" Neißefahrt nicht gebührend zu würdigen weiß. Das Wiedereinsetzen gestaltet sich gegenüber dem Herausnehmen des Bootes recht mühselig. Die Ufer sind höher, steiler und steiniger als vor dem Wehr. Eigentlich ganz logisch, das merke ich dann auch meist leidvoll bei allen folgenden Wehren.
erstes Wehr bei Hirschfelde
aus dem Wasser ... ... und wieder ins Wasser
Schon bald steigen die Ufer auf beiden Seiten an, ich durchfahre den möglicherweise landschaftlich schönsten Neißeabschnitt zwischen Rosenthal und Marienthal. Das macht sich ein Bootsvermieter zu Nutze. In Rosenthal kann man stabile Schlauchboote mieten und hat dann 7km in diesem wirklich schönen Neißetal vor sich.
Leider ist der Genuss deutlich getrübt. Es regnet in wechselnder Intensität, aber beständig. Ich weiche langsam durch und kühle trotz reichlich Bewegung aus. Bald hilft nur noch die Paddeljacke. Zwar wird es darunter nicht trocken, aber es bildet sich ein feuchtwarmes Mikroklima. Zusammen mit den Paddelhandschuhen sorgt das für eine Wiederaufheizung auf "Betriebstemperatur", so dass ich kurz vor Marienthal die Handschuhe wieder ausziehen kann. Die Paddeljacke und der Regen bleiben aber bis zum Abend meine Begleiter.
Neiße nach Rosenthal
Unterwegs überhole ich eine Gruppe in einem Schlauchboot, was allerdings nicht schwer ist, da sich das Schlauchboot zwischen einigen Steinen verklemmt hat. Mein Gruß wird freundlich beantwortet, aber irgendwie scheint in dem Boot schlechtes Karma zu herrschen. Einerseits sind die Passagiere ebenso durchgeweicht wie ich, andererseits wird wohl mindestens eine Person das Boot verlassen müssen, um es von den Steinen zu schieben. Ich beobachte beim Vorbeifahren die hilflosen Versuche, sich mit den Paddeln abzudrücken, verkneife mir aber schlaue Ratsprüche und versuche die Leute damit zu ermuntern, dass sie nach bestandenem Abenteuer noch lange etwas zu erzählen haben werden.
Neiße, Steine und Schlauchboot
Die Strömung lässt nach, die Gewässertiefe nimmt zu, das nächste Wehr kündigt sich an. Und tatsächlich, kurz darauf wird Kloster Marienthal sichtbar - allerdings vor grauem regnerischen Hintergrund. Für das Wehr Marienthal wird treideln über die Wehrkante empfohlen. Zwar ist der Wasserdurchfluss dafür zu gering, aber die Steine sind nicht scharfkantig und schön glitschig, so dass ich das Boot mit der Hoffnung auf wenige Kratzer über das Wehr ziehe. Das Boot bleibt einigermaßen ungeschoren, aber die glatten Steine werden mir selbst zum Verhängnis. In der einen Hand die Treidelleine in der anderen das Paddel ... ja was tut man dann, wenn die Bodenhaftung nachlässt? Man fängt sich mit dem Allerwertesten ab. Ich weiß, mangelnde Vorsicht muss bestraft werden, aber warum gleich so schmerzhaft? Da niemand dort war, um mich zu bedauern, genoss ich nur das schöne Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt. Leider blieb noch ein ausreichender Rest, um mir für den Rest der Gesamttour im Kajak eine unentspannte Sitzhaltung aufzuzwingen. Auch noch Wochen später ist es möglich mit einem Druck auf die betreffende Stelle wieder in Erinnerung zu rufen - da war doch was - mindestens eine saftige Prellung wenn nicht gar ein Steißbeinbruch.
über die Steine - Wehr Marienthal
Weiter führt die Tour an Ostritz vorüber. Immer wieder erstaunlich: Häufig sieht man fast nichts von den kleinen Dörfern am Ufer. Manchmal kündet eine Kirchturmspitze von Besiedlung. Ansonsten wirken die Ufer durchaus natürlich.
Etwa 24km nach dem Start muss ich mit dem Boot die Neiße verlassen, um das Wehr Grunauer Mühle zu umtragen. Welch Perspektivwechsel. Man erkennt weite Felder und im Hintergrund sanft geschwungene Höhenzüge. Das Boot selbst bleibt aber dem nassen Element verhaftet. Die Umtragestrecke ist mit hohem Gras bewachsen, durch den Regen ist alles schön feucht und ich schleife das Boot durch das "Grasmeer". Eine der einfacheren Wehrumtragungen.
im Grasmeer
Schon eine halbe Stunde später kündigt sich mit einem Rückstau und Rauschen das Wehr Leuba an. Die Umfahrung durch den Mühlgraben ist gesperrt, hier finden Bauarbeiten statt. Nach kurzer Pause fahre ich am rechten Rand das Wehr herunter. Zum Teil treibt das Wasser das Boot hinab, zum Teil muss man sich von den Steinen des Untergrunds abdrücken. Die Gefahr besteht darin, dass das Boot mit dem Bug auf einen Stein läuft und mit dem Heck quer in die Strömung gedrückt wird, dann wird sich ein Kentern kaum vermeiden lassen. Ein wenig Wasser schwappt ins Boot und wird später zusammen mit dem Regenwasser per Schwamm entfernt, ansonsten funktioniert alles recht gut.
Wieder verläuft die Neiße so in ihrem Bett, dass man fast nie einen Blick über die Ufer hinaus werfen kann. Aber das macht ja auch einen Teil des Reizes einer Paddeltour aus. Nur die Karte verrät, das sich linkerhand der Berzdorfer See erstreckt. Jahrelang musste die Neiße hier einen Teil ihres Wassers hergeben, um das Tagebaurestloch in eine Erholungslandschaft zu verwandeln. Den Abzweigkanal habe ich nicht mehr gefunden, nur noch die Mündung der Pließnitz, die jetzt den See durchfließt, für Wassernachschub sorgt und das überschüssige Wasser wieder in die Neiße führt.
Meine erste ordentliche Sohlschwelle naht - Sohlschwelle Ossig, laut Flussführer meist fahrbar. Für jemanden, der bisher fast noch nie Fließgewässer befahren hat ein respekteinflößender Augenblick. Theoretisch ist alles klar: Vorsichtig heranfahren, gegebenenfalls mit Schrägfähre rückwärts eine geeignete Stelle suchen und dann mit Schwung parallel zur Strömung herabfahren. In Gedanken gehe ich jedoch sicherheitshalber durch, was zu tun ist, sollte ich dabei kentern. Dann aber das Steuer hoch und in den Schenkelstützen verkeilt. Jetzt zählt's ... Ja was eigentlich, es war ja doch recht unspektakulär, alles lief genau so wie in der Theorie. Eine schöne Abwechslung bei der Paddelei, davon gab es dann noch einige und es hätten gern deutlich mehr sein können.
nach Sohlschwelle Ossig
Es wird langsam Abend, der Schmerz im Hintern und das trübe, regnerische Wetter führen dazu, dass das kleine Stimmungshoch nach der Sohlschwelle Ossig rasch verschwindet. Am Wehr Köslitz erkenne ich rasch, dass bei Niedrigwasser für mich keine Chance auf Befahrung besteht. Das Umtragen, vor allem das Wiedereinsetzen ist nur noch anstrengend und lästig.
Gegen 21 Uhr erreiche ich im leichten Niesel Wehr Weinhübel. Es geht nicht weiter. Zwar habe ich gehofft, beim KC Görlitz nächtigen zu können, es sind nur noch 2,5km Luftlinie bzw. 4 Paddelkilometer, aber ich bin einfach zu erschöpft und es wird schon dunkel. Auf polnischer Seite suche ich einen Platz zum Biwakieren. Direkt am Ufer ist das ganz gut möglich, einige Hinweistafeln weisen den Ort als Rastplatz aus und machen auf polnisch und deutsch auf Besonderheiten der Umgebung aufmerksam. Das ist derzeit für mich völlig uninteressant. Ich baue schnell das Zelt auf, überlege dabei was lästiger ist, der Niesel oder die aggressiven Mücken. Luftmatratze aufblasen, Schlafsack ausrollen, den Rest der mitgebrachten Kaltverpflegung verschlingen, Kaugummi statt Zähneputzen und dann werfe ich nur noch die nassen Klamotten vors Zelt und krieche ins Nest. Ach ja, da war noch etwas. In Rückenlage lässt sich nicht ordentlich liegen, die Luftmatratze drückt auf den schmerzenden Steiß. Im Einschlafen denke ich nur noch: Was tue ich mir eigentlich an - aber ich glaube, ich habe es so gewollt ...
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