[SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

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    [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

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    Mitreisende
    Vorgeschichte und Anreise:

    Eigentlich ist es verwunderlich, wie gut diese Tour letztendlich geworden ist, denn am Anfang stand sie unter keinem guten Stern. Das begann schon mal mit der Tourenidee selbst, denn eigentlich wollte ich überhaupt nicht nach Schweden – das war eher eine Verlegenheitslösung. Eigentlich hatte ich für das Saisonende 2014 eine Komplettbefahrung der Donau geplant und sogar fast komplett voerbereitet. Nur kamen mir am Ende der Vorbereitungsphase zwei Dinge dazwischen: Zunächst mal wurde mir klar, dass die Radtour, die ich vor der Donau geplant hatte, viel länger dauern würde als ursprünglich angenommen. Damit würde ich auf der Donau in Zeitstress geraten. Und dann kam dann noch der Ukraine-Konflikt, der es auch nicht gerade erstrebenswert scheinen liess, dort herumzupaddeln. (Die Donau ist der Grenzfluss zwischen Rumänien und der Ukraine.)

    Also musste kurz vor Schluss dann noch eine andere Tour her. Mein Schreibtisch verwandelte sich in ein einziges Chaos von DKV-Führer, Reiseführern und Landkarten. Leider stellte sich dabei heraus, dass es gar nicht so einfach ist, eine Tour mit folgenden Kriterien zu finden:

    Dauer mindestens 1,5 bis 2 Monate
    in Europa und verkehrstechnisch gut und preisgünstig erreichbar
    technisch nicht allzu schwierig
    paddelbar bis Ende Oktober

    Nach langem Hin und Her habe ich mich dann auf eine „Durchpaddelung“ von Schweden eingeschossen. Die Idee war, Südschweden von Ost nach West zu durchpaddeln. Aufgrund der vielen Portagen sollte das auch wirklich 1,5 Monate hergeben. Die Ausgangspunkte waren sogar mit der Bahn und dem Europa-Spezialticket relativ preisgünstig erreichbar. Die Strecke hat einen hohen „Kanal-“Anteil und sollte damit nicht allzu schwierig sein. Und zumindest laut Klimastatistiken sollte das auch noch bis Ende Oktober machbar sein – ich bin diesbezüglich auch hart im Nehmen. Grob plante ich folgende Abschnitte:

    St. Anna Schärengarten an der Ostküste – östlicher Götakanal – Vättern – westlicher Götakanal – Vänern – Dalsland Kanal bis Norwegen

    Viel Zeit für die Vorbereitung blieb mir nicht, denn schon bald ging es für mich auf eine große Radtour (aber hierzu vielleicht später mal ein anderer Reisebericht). Nach knapp 8.000 km Radeln traf ich dann Ende August mit der Fähre wieder in Deutschland ein. Für den fliegenden Ausrüstungswechsel von Fahrrad auf Kayak hatte ich drei Tage in Berlin eingeplant. Nur leider wurde daraus nichts: Kaum war ich in Kiel von der Fähre gestiegen und mich zur Übernachtung bei einem Bekannten einquartiert, hatte ich einen Unfall. Als ich energischen Schrittes seine Etagentreppe heruntergehen wollte, rutschte ich bereits auf Stufe eins aus und polterte die 16 restlichen Stufen auf meinen Allerwertesten hinunter. Erst glaubte ich, mit dem Schrecken und ein paar blauen Flecken davongekommen zu sein, aber das sollte sich auf der Zugrückfahrt nach Berlin als großer Irrtum herausstellen. Schon im Zug schwoll mein linkes Knie immer mehr an und in Berlin angekommen, konnte ich kaum mehr laufen, geschweige denn Radfahren. Ironie des Schicksals: In meiner ganzen langen Outdoorlaufbahn hatte ich keinen auch nur ansatzweise so schwerwiegenden Unfall wie diesen Treppensturz. Die meisten Unfälle passieren halt tatsächlich im Haushalt.....

    In Berlin hatte mich eine freundliche paddelnde ODSlerin aufgenommen und als ich abends bei ihr ankam, bot ich ein Bild des absoluten Jammers. Es war so schlimm, dass sie mich erst mal mit einem Stock versah, damit ich mich überhaupt noch fortbewegen konnte. Ein Arztbesuch brachte zumindest eine nicht ganz niederschmetternde Diagnose: Durch den Sturz hatte ich mir eine Meniskusreizung zugezogen. Das wäre zwar nicht schön und die Heilung zieht sich endlos hin, aber mir wurde erlaubt, in den nächsten Tagen auf meine Paddeltour aufzubrechen. (Mein Arzt weiss auch, dass ich hart im Nehmen bin.) Dennoch verschob sich der Tourenstart erst mal um eine Woche, denn ich war einfach körperlich nicht in der Lage, mit meinen Riesen-Faltboot und aller Ausrüstung die Anreise zu schaffen.

    Aber angesichts des schönen Wetters in Schweden konnte ich mich bald nicht mehr halten: Am 02.09. ging es endlich mit dem Zug Richtung Norden. Die lange Zugreise von Berlin über Hamburg und Kopenhagen nach Norrköping verlief trotz meines lädierten Knies und mehrfachen Umsteigens recht einfach. Bei jedem Ein- und Ausstieg packten freundliche Mitreisende mit an. Dennoch musste ich dann noch im Dunkeln einen km von der Bushaltestelle zum Zeltplatz laufen. Am Ende dieses langen Anreisetages war ich dann zwar sehr erschöpft, aber recht froh, dass doch alles so gut geklappt hat.

    Am nächsten Tag musste ich erst mal einkaufen und mit Hin- und Zurückhumpeln vom Supermarkt gingen schon mal 2 Stunden drauf. Dann kam das Zusammenbauen des Bootes, wovor mir am allermeisten graute. Das Feathercraft K1 ist ein tolles Boot, aber der Zusammenbau ist für Menschen mit wenig technischer Befähigung eher schwierig. Erschwerend kam hinzu, dass ich mich aufgrund meines verletzten Knies kaum hinknien konnte – und so dauerte es über drei Stunden, bis das Kayak komplett aufgebaut war. Dann das nächste Problem: Die ganze Ausrüstung und die Vorräte mussten nun erstmalig in die Packsäcke gepackt und platzsparend verstaut werden. Es war schon 5 Uhr nachmittags, als ich endlich mit allem fertig war – und total erschöpft. Ich beschloss, noch eine weitere Nacht auf dem Campingplatz zu verbringen und erst am nächsten Morgen loszupaddeln.



    Praktische Infos: Ich habe meine Tour in den St. Anna Schärengarten von Valdemarsvik aus gestartet. Valdemarsvik ist mit zahlreichen täglichen Busverbindungen von Norrköping aus zu erreichen. Der kleine Campingplatz liegt nur ca. 1 km auf einem Rad- und Fussweg von der Endbushaltestelle entfernt und hat mehrere kleine Strände, auf denen hervorragend gestartet werden kann. In Valdemarsvik gibt es auch einen recht großen Supermarkt (ca. 1 km vom Campingplatz entfernt). Ich hätte die Tour auch in Gamleby oder Västervik beginnen können. Beide Orte sind ebenfalls gut erreichbar und verfügen über einen Campingplatz mit Strand sowie Supermärkte noch in Laufweite.
    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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    #2
    AW: [S] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

    St. Anna Schärengarten:

    Außer der Teilnahme an einem mislungenem Seekajak-Kurs habe ich keinerlei Erfahrung mit Paddeln auf dem Meer. Ein kleiner Abstecher in diesen Schärengarten erschien mir als guter Einstieg in dieses Neuland. Und mit dieser Einschätzung sollte ich recht behalten.

    Ich startete an einem Samstag bei strahlend blauem Himmel und kaum Wind. Die ersten 13 km konnte selbst ich kaum etwas verkehrt machen, denn es ging erst mal einfach aus dem engen Fjord hinaus Richtung Meer. Ich war vor allem total erleichtert, dass ich ohne Schmerzen im Boot sitzen konnte und mein Knie mir auch bein Ein- und Aussteigen weniger Probleme bereitete als erwartet. Im Schärengarten selbst stieg meine eh schon gute Laune noch mehr – hier war es wirklich traumhaft schön. Störend waren nur die Motorboote, die aufgrund des Wochenendes und des schönen Wetters natürlich recht zahlreich waren und nicht immer gerade rücksichtsvoll an mir vorbei düsten. Hier kam auch mein neu erworbener Bootskompass erstmalig zum Einsatz, was inmitten der vielen kleinen Schären wirklich recht hilfreich war.

    Nur leider wurde ich auch sogleich mit einem neuen Problem konfrontiert: An die meisten dieser Inseln kann man nur auf Fels anlanden – Sandstrand gibt es hier wenig. Auf dem Fels haben sich aber leider jede Menge Algen angesammelt, was dann zur veritablen Rutschbahn wird. Durch mein lädiertes Knie zusätzlich gehandicapt war der erste Ausstieg ein echtes Abenteuer. Glücklicherweise war ich gleich an einer Insel mit schöner Zeltmöglichkeit angelandet. Obwohl es erst vier Uhr war, beschloss ich, den ersten Tag ruhig angehen zu lassen und gleich da zu bleiben. Wie zu erwarten war, taten mir nämlich die Arme und Schultern weh. Meine Ruhe wurde eigentlich nur durch die lauten Motorboote gestört, aber das legte sich natürlich komplett nach Einbruch der Dunkelheit.

    Der nächste Tag war ähnlich schön – und bis mittags auch fast komplett Motorboot-frei. Als die Bootsbesitzer dann aber mal ausgeschlafen hatten, brachten sie mich ein paar Mal durch heftiges Propellerwasser in Bedrängnis. Nachdem mich eine fette Yacht fast umgefahren hätte, fand ich einen traumhaft schönen Zeltplatz auf einer kleinen Insel und genoss Sonnenunter- und Mondaufgang.

    Am dritten Tag verließ ich dann auch schon den Schärengarten und bog in den Fjord Richtung Mem und den Beginn des Götakanal ein. Für die nächsten Tage war Regen und stärkerer Wind angekündigt. Als ich die Seilfähre bei Stegeborg passierte, fing es dann auch prompt an zu regnen. Hier kam dann mein ebenfalls neu erworbener Südwester erstmals zum Einsatz und erwies sich auch sofort als voller Erfolg. Meine Mittagspause verbrachte ich dann auch bibbernd im Regen. Dennoch erreichte ich noch am Nachmittag Mem und damit die erste Schleuse des Götakanals.



    Praktische Info: Der St. Anna Schärengarten ist ein traumhaftes Paddelrevier. Der Schärengarten ist so breit, dass man sich bei stärkerem Wind relativ gut in den inneren Schären „verstecken“ kann. Man kann locker mehrere Tage mit der Erforschung dieses Gebiets zubringen. Ich habe die wasserfesten Tyvek-Karten von Utekartan verwendet und war hochzufrieden damit. Auch Wildzelten war auf den Inseln überhaupt kein Problem und ich habe einige offensichtlich stark frequentierte Zeltplätze vorgefunden. Einzig die Motorboote sind etwas nervig, aber dieses Problem besteht hauptsächlich an den Wochenenden. Ansonsten: sehr empfehlenswert!
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    • evernorth
      Fuchs
      • 22.08.2010
      • 1828
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      #3
      AW: [S] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

      Sehr verheißungsvoller Beginn - das macht Lust auf Fortsetzung. Ich bin sehr gespannt.
      My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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      • AlfBerlin
        Lebt im Forum
        • 16.09.2013
        • 5073
        • Privat

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        #4
        AW: [S] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

        Schon mal Danke für Deinen Reisebericht.

        Die Trennung von Bericht und praktischen Infos ist super
        Nächsten Herbst werden sich die Schweden wundern, wenn Horden von Deutschen einfallen


        Kajak, Bootswagen-Trolley und Rucksack sehen ja wirklich extrem kompakt aus.
        Kannst Du etwas zur Ausrüstung sagen? Und bitte die Stirnlampe nicht vergessen!
        Zuletzt geändert von AlfBerlin; 27.10.2014, 08:41.

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        • Mika Hautamaeki
          Alter Hase
          • 30.05.2007
          • 3979
          • Privat

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          #5
          AW: [S] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

          Wow, das läßt sich wirklich gut an. Evtl. ein paaer mehr Fotos einbauen, das wäre toll. Ansonsten finde ich die erste Tage sehr gut geschrieben. Kompakt aber doch sehr ausagekräftig. Freue mich auf die Fortsetzung!
          So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
          A. v. Humboldt.

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          • German Tourist
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            • 09.05.2006
            • 849
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            • Meine Reisen

            #6
            AW: [S] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

            @Alf: Danke für das Kompliment und daher auch gleich das Alf-Ausrüstungsspecial:

            Die "Kompaktheit" der Ausrüstung ist das Ergebnis von viel Übung und harter Arbeit. Am Ende einer Tour dauert es ca. 4 h, bis das Boot komplett zerlegt und die Ausrüstung in die beiden Taschen verstaut ist. Im Packsack des Faltboots befinden sich neben dem kompletten Faltboot inkl. SeaSock und Spritzdecke noch 2 vierteilige Paddel, eine Schwimmweste sowie einige Ausrüstungsgegenstände. Wenn ich fliege, dann muss aufgrund der Gepäckabmessungen von max. 158 cm das Boot auf zwei Gepäckstücke aufgeteilt und der Packsack mit Gurten oder Frischhaltefolie "in Form gebracht" werden.

            Nun zur Ausrüstung selbst, wobei ich nur auf die wichtigen Gegenstände eingehe:

            Boot: Feathercraft K1
            furchtbar im Aufbau und kein sehr schnelles Boot (vor allem wenn ich drin sitze), aber sehr robust und geräumig. Auf dem Mississippi hat mein Paddelpartner mein K1 immer "the warship" genannt. Auch nach der jetzigen Tour mit endlos vielen Portagen hat die Bootshaut kaum Kratzer.

            Paddel: 2 vierteilige Lendal-Paddel mit Ergoschaft
            Da ich mit dem Boot viel im Flugzeug unterwegs bin, kamen für mich aufgrund der Gepäckabmessungen eigentlich nur 4-teilige Paddel in Frage. Damit grenzt sich die Herstellerauswahl drastisch ein auf Werner und Lendal. Da nur Lendal 4-teilige Paddel mit Ergoschaft anbietet, bin ich eben dort gelandet.

            Bootswagen: KaroCanoe Herkules
            Unglaublich robust! Hat die zahllosen Portagen und Transporte ohne einen einzigen Defekt erledigt. Einziges kleines Problem: Das Boot ist mir bei den Portagen fast immer seitlich von den Holmen gerutscht, was das Lenken ein bisschen erschwert hat. Ansonsten: unkaputtbar!

            Zelt: Big Agnes Fly Creek 2
            Für diese Tour empfehle unbedingt ein halbwegs freistehendes Zelt wie das o.g., da ich in Dalsland oft in den Hütten übernachtet habe und dort das Innenzelt in der Hütte aufgestellt habe, um mich vor Mosquitos und Mäusen zu schützen.

            Matte: NeoAir All Season und drunter eine CCF Matte
            Die einfache Schaumstoffmatte war eines der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände. Erst mal hat sie mir als Unterlage unter die empfindliche NeoAir zu einer "lochfreien" Tour verholfen. Zweitens war sie im Boot als Sitzunterlage bei den kalten Temperaturen unerlässlich. Vor allem aber war sie unheimlich wichtig, um das Boot im Alleingang über scharfkantige Steine und Schleusenmauer zu schleifen.

            Schlafsack: Enlightened Equipment Prodigy 20 Quilt
            Bei Paddeltouren nehme ich nur und ausschließlich Synthetik. Der EE Prodigy 20 hat nun schon 300 Nächte runter und wärmt immer noch zuverlässig bis ca. - 5 Grad.

            Regenkleidung: Südwester-Hut und Palm Poplar Paddeljacke
            Billig und gut

            Handschuhe: Hier hatte eine große Auswahl dabei: Neoprenhandschuhe, einfache Windstopper-Handschuhe und Geschirrspül-Handschuhe. Die Neoprenhandschuhe waren ein ziemlicher Fehlschlag, da sie so steif sind, dass man damit keine gute Griffigkeit am Paddel hat. Am angenehmsten paddelte es sich mit den Windstopper Handschuhen. Bei starkem Regen habe ich den Spülhandschuhe drübergezogen, was immer noch angenehmer, wärmer und griffiger war als Neopren.

            Schuhe: Keen Newport Sandalen mit Zehenschutz
            Sehr praktisch, da man mit diesen Schuhen auch einfach ins Wasser konnte und vor allem auch mal schnell reinschlüpfen kann. Leider trocknete das Neopron recht langsam, so dass ich mir bei langen Portagen zahlreiche wundgescheuerte Stellen an den Füssen geholt habe (Reibung feuchte Schuhe auf feuchter Haut). Da ich ständig nasse Füsse hatte, sind diese Stellen dann nur sehr langsam verheilt. Dennoch waren die Sandalen der beste Schuh-Kompromiss.

            Socken: Neopren-Socken, Neopren-Füsslinge, normale Trekking-Socken
            Letztendlich bin ich meistens barfuss gepaddelt, was bis ca. 5 Grad Lufttemperatur auch sehr gut ging. Am Ende wurde es dann eher ungemütlich, aber keines der Neopren-Teile hat es wirklich gebracht. Als es dann tagsüber unter 5 Grad blieb, bin ich beim Ein- und Ausstieg einfach barfuss ins Wasser, habe mir dann die Füssen abgetrocknet und zum Paddeln normale warme Socken angezogen. Das hat zumindest halbwegs funktioniert.

            Kocher: MSR Dragonfly und MSR-Topfset
            Ich bin kein Freund von Lagerfeuer. Da es beim Paddeln nicht so auf das Gewicht ankommt, habe ich mir einen Benzinkocher gegönnt, um die langen Nächte mit ausgebiegem Kochen und Heißgetränken zu verkürzen. Benzin konnte ich unterwegs ja einfach nachkaufen.

            Navigation: Suunto Bootskompass und Garmin Etrex 30 GPS mit Garmin-Karten für Schweden
            Im Grunde wäre es auch ohne alles gegangen, denn ausser vielleicht in den Schären war die Navigation recht einfach. Dennoch hat mir gerade der Bootskompass das Leben sehr vereinfacht.

            Stirnlampe: Petzl Tikka XP
            Die stärkste Lampe aus meiner umfangreichen Petzl-Kollektion, da ich ja aufgrund des wenigen Tageslichts die Lampe viel nutzen würde und sie für den Notfall auch nachts als Bootsbeleuchtung verwenden wollte (dazu kam es aber nie).

            Ganz entscheidend für diese Tour war die Verteilung des Gepäcks im Boot! Aufgrund der vielen Portagen mussten die schwersten Säcke leicht zugänglich sein. Ich habe es so eingerichtet, dass ich nur zwei Packsäcke (1 Packsack mit dem gesamten Proviant und 1 Packsack mit Kleidung und Isomatte) herausnehmen musste um das Boot aus dem Wasser heben zu können.

            Folgende Verteilung:

            Ganz vorne (vor Spant 1): die zusammengerollte Packtasche für das Faltboot
            Achtung: Bei dieser langen (und feuchten Tour) fing die Packtasche an zu schimmeln. Ich musste sie vor dem Rücktransport gründlich abbürsten und trocken, bevor das ganze geruchstechnisch wieder zumutbar war. Dasselbe galt für die Seasock, die ich nur wenige Male im Gebrauch hatte.

            Vor den Füssen (zwischen Spant 1 und 2):
            Seasock, Zelt und Schlafsack

            Hinter dem Cockpit (zwischen Spant 4 und 5)
            1 Packsack mit Proviant und 1 Packsack mit Kleidung und Isomatte, eine große Mülltüte als Cockpitabdeckung und die Spanngurte für die Portagen, ggf. noch Wasser und Mülltüte

            Ganz hinten im Boot (zwischen Spant 5 und 6)
            Ersatzpaddel, Deichsel des Bootswagens (der Bootswagen selbst war oben hinten auf dem Deck befestigt), Kartenmaterial und Reparaturset

            Der Platz hinter Spant 6 ist beim K1 leider nur für Menschen mit verlängerbaren Armen zugänglich. Mir ist es nicht gelungen, hier was hineinzuschieben, da dann auch wieder zugänglich ist, ohne das Boot komplett auseinanderzubauen.

            Auf dem Boot selbst hatte ich hinten die Lenzpumpe und den Bootswagen, direkt hinter mir meine Sandalen und vor mir eine Flasche Wasser, die Karten in Kartentasche, den Bootskompass und ein kleines Drybag mit den Tages-Snacks, Handschuhen, Socken und Mütze.
            http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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            • IloveScotland
              Gerne im Forum
              • 11.10.2011
              • 84
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              • Meine Reisen

              #7
              AW: [S] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

              Du bist ja ziemlich gross. Wie tief lag denn der K1 mit dir bzw. mit dir inkl. Gepäck im Wasser ?

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              • German Tourist
                Dauerbesucher
                • 09.05.2006
                • 849
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                • Meine Reisen

                #8
                AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                Ja, am Anfang fand ich es schon erschreckend, wie tief das vollbepackte Boot im Wasser liegt. Hier mal ein Photo vom Mississippi, wo ich mit ähnlich schwerer Zuladung unterwegs war - und jemand dabei hatte, der mich fotografieren konnte.

                http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                • AlfBerlin
                  Lebt im Forum
                  • 16.09.2013
                  • 5073
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                  Oh, danke für das "Alf-Ausrüstungsspecial"

                  Welche Version des Herkules-Bootswagens hast Du denn verwendet? Und wie hat sich Dein Herkules als Gepäck-Trolley (wie auf dem Foto) bei An- und Abreise bewährt?
                  Zuletzt geändert von AlfBerlin; 28.10.2014, 02:48.

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                  • eisen
                    Erfahren
                    • 03.10.2005
                    • 331
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                    Schon abgefahren, andere lassen sich mit dickem Knie vom Heli ausfliegen und du gehst erstmal ein paar Monate Paddeln. Erinnert mich irgendwie an einen Satz, den ich neulich hörte: "That's, what a (wo)man separates from the boys."

                    Grüsse,
                    Eisen

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                    • German Tourist
                      Dauerbesucher
                      • 09.05.2006
                      • 849
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                      Zitat von AlfBerlin Beitrag anzeigen
                      :Welche Version des Herkules-Bootswagens hast Du denn verwendet? Und wie hat sich Dein Herkules als Gepäck-Trolley (wie auf dem Foto) bei An- und Abreise bewährt?
                      Ich hatte die Standard-Version des Herkules dabei einschließlich Deichsel und Gepäckstütze.
                      Als (Urlaubs-)Berlinerin hatte ich die Möglichkeit, mich von den freundlichen Besitzern von CaroCanoe persönlich beraten lassen zu können. Dabei wurde mir dann auch eine zusätzliche Halteöse an der Deichsel montiert.

                      Beim Gepäckstransport war der Wagen großartig! Mir fehlt zwar der persönliche Vergleich zu anderen Bootswagen, aber aus Erzählungen und Berichten habe ich erfahren, dass bei anderen Bootswagen gerne mal ein Teil abfällt und bricht. Der Herkules ist einfach bombenfest. Ich habe meine ganzes Zeug über Unmengen von Bahnhofstreppen und ICE-Stufen gehievt und es gab nie auch nur das geringste Problem mit dem Herkules. Er ist auch relativ wendig und gut zu handhaben.
                      http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                      • lutz-berlin
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 08.06.2006
                        • 12436
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                        OT: Alf
                        Treppen sind damit kein Proplem

                        Kommentar


                        • maahinen
                          Erfahren
                          • 01.02.2014
                          • 303
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                          #13
                          AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                          Liebe German Tourist,
                          ich liiiiiiiiebe deine Reiseberichte!
                          Mehr, mehr, ich will mehr davon!

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                          • wilbert
                            Alter Hase
                            • 23.06.2011
                            • 2956
                            • Privat

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                            #14
                            AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                            Socken:
                            ... Das hat zumindest halbwegs funktioniert.
                            ich habe in deinem blog gelesen, das du damals am yukon die socken von reed ausprobiert hast, und scheinbar ganz zufrieden warst …?
                            aus diesem material habe ich eine latzhose und in kombi mit den ultras von vivobarefoot ist dies eine prima sache.
                            http://www.vivobarefoot.de/ultra/?redirected=1
                            selbst längeres stehen im kalten wasser ist kein problem und die ultras sind wie crocks praktisch sofort trocken. nur einmal hätte ich beinahe einen schuh im schlamm verloren, da der sich unterwasser festgesaugt hatte.

                            lg. -wilbert-
                            www.wilbert-weigend.de

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                            • German Tourist
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                              • 09.05.2006
                              • 849
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                              #15
                              AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                              Wilbert,

                              die Vivobarefoot-Schuhe sind ein super Hinweis. Ich denke, damit wäre ich auf dieser Tour besser bedient gewesen, da sie eben sofort trocknen. Ich hatte unterschätzt, dass das Neopren an den Keen-Sandalen so lange zum Trocknen braucht und mir dabei eben die Füsse wundgerieben.

                              Von den Reeds-Socken bin ich ziemlich abgekommen. Am Yukon waren die ganz ok, vor allem aus zwei Gründen: Damals waren sie nagelneu und damit noch komplett wasserdicht. Leider hat das nicht lange angehalten - sie haben relativ schnell Löcher bekommen. Am Yukon war die Lufttemperatur auch deutlich wärmer. In Schweden bin ich am Ende der Tour einige Tage lang bei Temperaturen unter 5 Grad gepaddelt. Dabei hatte ich dann die Thermosocks 1 mm von Camaro an (ähnlich wie die Reed-Socken), aber die haben kaum was gebracht.
                              http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                              • German Tourist
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                                • 09.05.2006
                                • 849
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                                #16
                                AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                                Götakanal Ost Teil 1:

                                Als ich im Nieselregen in Mem ankam, war ich recht gespannt, wie ich denn die zahlreichen vor mir liegenden Schleusenumtragungen bewerkstelligen würde. Ich war schon im Jahr zuvor am Götakanal gewesen – damals aber auf meinem Fahrrad im Rahmen meiner Skandinavien-Radtour. Schon damals hatte es mir der Kanal angetan, aber ich hatte nur einen einzigen einsamen Paddler getroffen. Ich hatte schon damals die Schleusen auf ihre „Portage“-Möglichkeiten hin untersucht, aber natürlich konnte ich mit dem Fahrrad keinen Praxistext machen. Und so saß ich nun im Boot vor der ersten Schleuse und war erst mal ratlos, denn mir war völlig unklar, wie ich die hohen Schleusenmauern überwinden sollte. Erst nach einigem Herumpaddeln entdeckte ich eine flache Stelle zum Anlanden – und wenig später sogar eine perfekte Bootsrampe. Soweit – so gut!



                                Wie auch an vielen anderen Stellen des Götakanal gibt es in Mem einen Gästehafen mit Duschen, Toiletten, Wasseranschluss etc. Natürlich war jetzt Anfang September alles geschlossen, aber ein freundlicher Mensch hatte das Türschloss an einer Toilette blockiert, so dass ich den nun folgenden Regenguss warm und trocken am Klo aussitzen konnte. Als ich dann noch eine funktionierende öffentlich zugängliche Steckdose für meine Handyakkus fand, beschloss ich, die Nacht hier zu auf dem Schleusengelände zu zelten. Nur war mir zu diesem Zeitpunkt noch recht unklar, wie legal das eigentlich ist. Immerhin erfuhr ich im Gespräch mit einem Einheimischen, dass ich nach Söderköping auch auf dem parallel verlaufenden Flüsschen paddeln und mir so zwei Portagen ersparen könne.



                                Also ging es dann am nächsten Morgen auf dem kleinen Flüsschen los und tatsächlich kam ich so direkt bis nach Söderköping. Im Ort selbst waren die Flussufer auch nicht mehr so steil, so dass ich mich mit der Kartoffelsack-Methode auch aus dem Kayak ans Land rollen konnte. Auch mein Boot konnte ich recht gut den Abhang hinaufzerren und auf meinen Bootswagen bugsieren. Die Portage zur nahegelegenen Schleuse war dann einfach.

                                Jetzt musste ich nur noch einkaufen gehen. Da ich mich nicht zweiteilen konnte, musste ich das Boot dabei unbewacht einfach stehen lassen, was mir zu diesem Zeitpunkt noch ein recht mulmiges Gefühl bereitete – vor allem weil ein meiner Ansicht nach obdachloser älterer Mann in der Gegend herumstrich. Schweren Herzens ließ ich mein Boot und meine ganze Ausrüstung an der Schleuse stehen und rannte förmlich zum Supermarkt, wo ich in Windeseile einkaufte. Zurück am Boot erlebte ich erst mal eine Überraschung. Natürlich stand es noch völlig unberührt da – und der vermeintlich obdachlose saß mittlerweile im nahegelegenen Cafe und schlürfte einen Latte irgendwas, den ich mir bei den schwedischen Preisen sicherlich nicht hätte leisten können.... Diesbezüglich beruhigt ging ich dann noch kurz tanken (mein Benzinkocher brauchte Nachschub von der Tankstelle), bevor ich dann endgültig in den Götakanal einsetzte – und zwar am Rabbit Crossing, einer lustigen Skulptur am Kanalufer.



                                Leider währte mein Paddelglück nicht allzu lange, denn schon nach weniger als 2 km kam ich an die nächste Schleusengruppe. Natürlich fing es dann auch noch prompt an zu regnen. Nun vollführte ich wieder die „Kartoffelsack“-Methode, die ich im Laufe des Götakanals noch perfektionieren sollte – wobei sie niemals elegant aussah..... Am Kanal hat man als Paddler nämlich ein „Ausstiegsproblem“. In der Regel gibt es keine Stege oder Bootsrampen zum Anlanden und schon gar keinen Strand. Es bleibt nur der Direktausstieg auf die Kanalböschung, da es keinerlei flaches Ufer gibt. Ist halt ein Kanal, der leider obendrein natürlich mit groben Steinen befestigt ist, die alles andere als Faltboot-freundlich sind. Hier mal eine typische Ausstiegsstelle:



                                Nun aber zur „Kartoffelsack“-Methode: Man suche sich eine möglichst wenig steile Stelle mit Grasbewuchs und möglichst wenig und nur stumpfen Steinen. Man fährt parallel so nah als möglich an das Ufer ran – möglichst ohne schon dabei das Boot irgendwo aufzuspießen. Dann krallt man sich mit beiden Armen im Gras fest und hofft, dabei nicht in irgendwelcher Hundekacke zu landen. Jetzt zieht man sich daran wie ein nasser Sack Kartoffeln aus dem Boot und robbt an Land. Bei Regen ist man danach recht nass..... Jetzt kauert man sich auf die Böschung und entlädt das Boot, diesmal in der Hoffnung, dabei nicht auszurutschen oder das Gleichgewicht zu verlieren. Ist das Boot dann genug erleichert, deckt man scharfe Steine oder Kanten mit der Schaumstoffmatte ab und zerrt das Boot aus dem Wasser und die Böschung hinauf.

                                Ich war so in meine Ausstiegs-Aktivitäten vertieft, dass ich erst in letzter Minute bemerkte, dass sich eine Yacht der Schleuse näherte. Die Schleusen am Götakanal sind nur bis zum 20.08. bemannt, aber bis zum 15.09. sind Schleusungen nach Voranmeldung und gegen Aufpreis weiterhin machbar. Ich fragte mich nun natürlich, wer die Yacht denn nun durchschleusen würde. Des Rätsels Lösung näherte sich auf dem Treidelpfad in einem Auto mit der Aufschrift „Götakanal“. In der Nachsaison werde die Boote von einem mobilen Schleusenwärter im Auto begleitet – daher der Aufpreis. Während ich nun mein Boot 1,5 km auf dem Bootswagen schob, wurde die Yacht durch 4 Schleusenkammern befördert. Ich sage nicht ohne Stolz, dass ich zu Fuß schneller war!!!! Dennoch ließ ich der Yacht oben angekommen der Vortritt – denn ich wollte beim Wiedereinstieg erst mal keine Zeugen haben.... Immerhin konnte ich so die mobile Schleusenwärterin befragen, wie es sich denn mit dem Zelten auf dem Schleusengelände verhielt. Voller Freude erfuhr ich, dass ich auf dem golfplatzähnlichen Rasenflächen um die Schleusen herum völlig legal zelten dürfte.

                                Als dann alle außer Sichtweite waren, machte ich mich an den Wiedereinstieg. Der war nun wiederum in diesem Teil des Götakanals in der Regel recht einfach. Ich konnte direkt hinter der Schleuse von der Schleusenmauer ins Boot gleiten, da der Abstand zwischen Mauerhöhe und Wasserspiegel geradezu ideal war. Bei Nieselregen ging es nun weiter über Kanal und den See Asplangen, bis ich an meinem Tagesziel, der Schleuse Hulta angekommen war. Als ich mich hier in der bewährten Kartoffelsack-Methode an Land befördert hatte, musste ich erst mal feststellen, dass das Schleusenwärterhaus bewohnt war – und die Familie hatte sich nun auch noch im Garten versammelt. Ich wollte nun auch nicht so einfach sozusagen vor deren Nase mein Zelt aufbauen und fragte daher höflich um Erlaubnis. Natürlich wurde mir das erlaubt und man schloss mir sogar die Toilette des Abfertigungshäuschens auf, so dass ich dort Trinkwasser holen konnte. Dieses kleine Häuschen mit „Veranda“ war auch ein willkommener Regenschutz beim Kochen. Und so beendete ich hochzufrieden meinen ersten Tag auf dem Götakanal.



                                Praktische Infos: Die Hauptsaison auf dem Götakanal endet am 20.08. Bis zu diesem Zeitpunkt sind alle Schleusen tagsüber bemannt und der Kanal ist ein beliebtes Ziel für Yachtbesitzer. Es gibt keinerlei Frachtverkehr auf dem Götakanal – nur Freizeitschiffe. Für diese Besucher gibt es in zahlreichen Gasthäfen eine hervorragende Infrastruktur mit Toiletten, Duschen, Wasser- und Stromanschluss etc. Leider sind diese Serviceeinrichtungen nur mit einer Magnetkarte zugänglich, die die Yachtbesitzer nach Bezahlung einer üppigen Gebühr erhalten. Für Paddler ist das Befahren des Götakanals umsonst – aber es gibt auch keine Magnetkarte... Glücklicherweise sind die Wasseranschlüsse frei zugänglich und im September auch noch nicht abgesperrt. Bis auf eine Ausnahme habe ich an den Schleusen aber keinen zugänglichen Stromzugang vorgefunden. Offiziell dürfen Paddler aus Sicherheitsgründen nicht geschleust werden, wobei ich im Vorjahr auch schon gesehen hatte, dass sich nicht alle Schleusenwärter an diese Regel halten.... Dennoch ist es in der Regel schneller zu umtragen, denn die Schleusen kommen meistens in Gruppen. Bis Mitte September sind Schleusungen nur noch nach Voranmeldung und gegen Aufpreis möglich, so dass man als Paddler den Götakanal ab dem 20.08. praktisch für sich alleine hat. Auf der gesamten Strecke sind mir 3 Yachten und ein Ausflugsdampfer begegnet. Der Kanal ist so breit, dass eine Begegnung mit Motorbooten keinerlei Problem darstellt.
                                http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                  • 09.05.2006
                                  • 849
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                                  #17
                                  AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                                  Götakanal Ost Teil 2

                                  Ich hatte nun schon Übung im Schleusenumtragen und dachte, das würde nun so einfach weitergehen. Als ich in Norsholm vor der Schleuse anlandete, machte ich daher erst mal ausgiebig Mittagspause und lief dann gleich mit meinem Boot im Schlepptau los. Nur leider erwartete mich hier das größte Hindernis auf dem gesamten Götakanal. Eigentlich sah auf der Karte alles ganz einfach aus: erst eine Schleuse und Straßenbrücke, dahinter gleich eine Eisenbahnbrücke. Unglücklickerweise war die Schleuse natürlich geschlossen und dahinter war der Wasserspiegel so niedrig, dass der Abstand zwischen Schleusenmauer und Wasserspiegel fast 2 Meter betrug. Hier war es schlichtweg unmöglich, ein Boot ins Wasser zu lassen. Kein Problem – dachte ich zuerst. Dann trage ich eben noch über die Eisenbahnschienen um und setze hinter der Eisenbahnbrücke ein. Hier war zwar auch ein Fußgängerübergang über die Gleise, aber der war mit einem Zickzackgitter so abgesperrt, dass man unmöglich mit einem 5 Meter langen Faltboot durchkam.



                                  Ein Blick auf Karte und GPS zeigte bald, dass sich weit und breit auch kein anderer Übergang befand. Die vielbefahrene Bahnstrecke war dazu auch noch im gesamten Verlauf abgezäunt, so dass man nicht einfach irgendwo über die Gleise kam. Das alleine war schon Grund zur Verzweiflung genug, aber es kam noch schlimmer. Selbst wenn ich es schaffen sollte, mein 23 kg schweres Boot komplett leer zu räumen und es über dem Kopf über die Absperrung zu tragen – dahinter befand sich überhaupt keine Gelegenheit zum Einsetzen. Die Kaimauer war weiterhin so hoch, dass man kein Boot zu Wasser bringen konnte und dahinter schlossen sich gleich abgezäunte Privatgrundstücke an.

                                  Ich lief fast eine Stunde hin und her, konnte aber keine halbwegs passable Möglichkeit entdecken. In meiner Not ging ich in den kleinen Supermarkt in der Nähe und befragte die Verkäuferin nach einer anderen Umtragemöglichkeit. Nach einem Blick auf mein draußen geparktes Boot verstand sie auch sofort mein Problem – und zu meiner großen Überraschung rekrutierte sie sofort einen einschuldigen Kunden zur Paddlerhilfe. Der arme Mann, der gerade zufällig am Laden vorbei kam, outete sich auch sogleich als Ex-Militär und war kaum zu bremsen, mein Boot über die Gleise zu tragen. Das erinnere ihn an die Rettungsübungen beim Militär, wobei sich damals dann sogar noch Verletzte in den Booten befunden hätten. Gemeinsam schulterten wir mein Boot und eine Minute später war ich auf der anderen Seite der Gleise.

                                  Das war ja aber nur Teil 1 des Problems. Wie sollte ich denn jetzt wieder ins Wasser kommen? Kein Problem, meinte mein Helfer. Ake würde dort in der Nähe wohnen und von seinem Grundstück aus ginge das ganz prima. Mein Einwand, ich könne ja nicht einfach bei wildfremden Leuten mit einem 5 Meter Boot im Schlepptau aufs Grundstück marschieren, ließ er nicht gelten. Ich sollte ihm einfach schöne Grüße ausrichten, dann wäre das schon in Ordnung. Immer mit dem Boot hintendran machte ich mich jetzt auf die Suche nach Ake, wobei es natürlich passenderweise anfing zu regnen. Ich fragte eine Frau mit Hund, wo genau ich diesen Ake denn nun finden würde. Das wisse sie auch nicht, aber hier wäre doch auch eine prima Stelle zum Einsetzen. War es auch, aber natürlich wieder auf einem Privatgrundstück. Kein Problem, ich solle einfach durchgehen, sie würde das mit ihren Nachbarn klären. Während ich also mein Boot einen steilen Abhang hinterbugsierte, klingelte meine neue Helferin bei den Grundstücksbesitzern. Keiner machte auf. Kein Problem, meinte sie, das wären ja ihre Nachbarn und falls sich jemand beschwert, solle ich einfach schöne Grüße von ihr ausrichten. Ich machte, dass ich schnell aufs Wasser kam – und beschwert hat sich auch niemand.

                                  Somit war ich nun auf dem Roxen angelangt – und ziemlich erschöpft. Mir war auch nicht so ganz klar, wie sich die Zeltplatzsuche gestalten würde. Meine Kartenunterlage war nämlich der Bootsatlas Götakanal aus dem deutschen NV-Verlag. Dieser ist sicherlich für Yachten großartig, aber für Paddler nur der beste und günstigste Kompromiss, denn leider sind darauf überhaupt keine Konturlinien eingezeichnet. Ich wusste also nicht, wo mich nun Steilküste und wo ein flacher Sandstrand erwarten würde. Als ich dann einen Bilderbuch-Anlandestrand sah, beschloss ich dann auch gleich, dort zu bleiben und genoss erst mal die schöne Abendstimmung über dem Roxen.



                                  Der nächste Tag wurde kilometermäßig sehr lang, was aber nicht weiter störte, denn es herrschte absolut traumhaftes Spätsommerwetter. Obwohl mittlerweile Mitte September, paddelte ich tagsüber immer noch im T-Shirt. Zunächst mal musste ich die lange Schleusentreppe bei Berg umtragen – kein Problem! Es gab sogar einen traumhaften Sandbadestrand zum Anlanden und einen schönen Radweg für die Portage. Wenige hundert Meter von der Schleuse entfernt auch noch einen Supermarkt, der sogar ausgeschildert ist. Service pur eben...Nur leider war die Portage über 2 km lang, denn ich nahm gleich mehrere Schleusengruppen mit. Ziel des Tages war eine der Rastanlagen, die entlang des Kanals für Radfahrer angelegt worden waren. In allen Touristeninformationen und sonstigen Serviceeinrichtungen entlang des Kanals liegen kostenlose Karten des Götakanals aus, in der diese Raststätten verzeichnet sind. In diesem Fall befand sich die Raststätte zwischen dem Kanal und einem See – und verfügte daher nicht nur über eine Toilette, Tische und Bänke, sondern sogar über einen Badesteg. Angesichts der immer noch sommerlichen Temperaturen gönnte ich mir also erst mal ein abendliches Bad.



                                  Am nächsten Morgen erwachte ich zum ersten Mal auf dieser Tour in dichtem Nebel. Aber angesichts des langen und anstrengenden Vortages freute ich mich direkt, mal ausschlafen zu können. Heute sollte es über den See Boren gehen, aber davor hatten die Kanalbauer erst mal die Schleuse von Borensberg gestellt. Nach dem üblichen Kartoffelsack-Anlandemanöver war ich immerhin so schlau, erst mal die Örtlichkeit zu ergründen. Aufgrund des großen Gästehafens gab es hier sogar eine (zur Nebensaison geschlossene) Touristeninformation, ein Cafe und einen Wohnwagenstellplatz. Dies war zwar toll, um meine Handyakkus aufzuladen und Wasser zu holen, aber weit und breit keine vernünftige Stelle zum Einsetzen. Das ganze Ufer war mit viel zu hohen Bootsstegen für Yachten zu gepflastert. Erst einen halben Kilometer weiter fand sich im dichten Schilf eine Möglichkeit, mein Boot ins Wasser zu schieben. Ein freundliches deutsches Pärchen hat meinen Kampf mit dem Schilf für mich photographisch festgehalten und musste dann sogar noch Hand an mein Boot anlegen, um mich ins offene Kanalwasser zu schieben.



                                  Auf dem Boren zog sich der Himmel immer weiter zu, so dass ich froh war, die Schleusentreppe von Motala zu erreichen. Hier war ordentlich Betrieb. Es gab mehrere Anlegestellen für Motorboote und einen Kanuverein, so dass das Aussetzen des Bootes gar kein Problem war. Ich stellte dann auch gleich mein Zelt auf der wie üblich super gepflegten Rasenfläche der untersten Schleuse auf. Da die Schleusentreppe eine ziemliche Touristenattraktion ist, waren die Toiletten hier sogar ausnahmsweise geöffnet – und sie verfügten sogar über eine funktionierende Steckdose. Ich verbrachte meinen Abend also mit Internetsurfen und Handyaufladen auf dem Klo....



                                  Praktische Info: Es gibt für den Götakanal zwei Kartensets: Einen deutsch/schwedischen Bootsatlas aus dem deutschen NV-Verlag und die schwedische Batsport-Karte. Beides sind Karten für Motorboote, so dass sie an einigen Stellen für Paddler zu viel und an anderer Stelle zu wenig Informationen haben. Preislich ist die NV-Karte etwas billiger, vor allem aber in Deutschland viel einfacher zu beziehen. Der NV-Atlas beinhaltet zudem noch den Vänern und den Trollhätte-Kanal, wobei die Karten für den Vättern nur die Direktpassage über den See beinhalten, also für Paddler unzureichend sind. Der Batsport-Atlas beinhaltet hingegen den kompletten Vättern, dafür aber weder den Vänern noch den Trollhätte-Kanal. Ich habe keine speziellen Paddelkarten für den Götakanal gefunden und der Kauf anderer schwedischer Landkarten für die gesamte Strecke wäre deutlich teurer gekommen als einer der beiden Bootsatlanten. Da die Bootsatlanten nur für Yachten gedacht sind, fehlen dort die Rastplätze entlang des Kanal-Radweges. Diese sind in der Gratis-Freizeitkarte Götakanal zu finden. Darüberhinaus gibt es sogar noch eine kostenlose Götakanal-App, die vor allem bei der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten und Unterkünften sehr hilfreich ist.
                                  http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                    • 09.05.2006
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                                    #18
                                    AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                                    Vättern:

                                    Bevor ich in den Vättern einsetzen konnte, musste noch so einiges in Motala erledigt werden. Zunächst einmal musste ich die steile Schleusentreppe hoch portagieren. Glücklicherweise gab es parallel einen Fahrweg zu den Bootsanlegestegen, denn die Schleusentreppe selbst war so steil, dass ich das alleine mit dem Bootswagen nicht geschafft hätte. Der parallel zum Kanal verlaufende Motala-Fluss ist wegen Kraftwerken (und der falschen Fließrichtung) auch nicht befahrbar. Kurz einsetzen, 1 km paddeln und dann schon wieder anlanden zum Einkaufen. Idiotischerweise bin ich beim Festmachen meines Kajaks dann auch noch so richtig schön hingefallen – und natürlich genau auf mein eh schon lädiertes Knie. Da ich nicht wusste, wie lange ich für den Vättern brauchen würde, kaufte ich erst mal großzügig für 5 Tage ein, bevor es dann weiter Richtung Vättern ging. Dabei kommt man auch am Denkmal für Baltzar von Platen, dem Erbauer des Götakanals vorbei. Zu meinem großen Erstaunen kam mir auch plötzlich ein Ausflugsdampfer entgegen, für den dann auch die Straßenbrücke kurz geöffnet wurde. Dies war das einzige Mal auf der ganzen Tour, dass ich eine Straßenbrückenöffnung miterleben durfte – es war halt einfach sonst nichts los.

                                    Direkt an der letzten Schleuse in den Vättern hinein befindet sich ein großer Gasthafen und die Touristeninformation von Motala, die ich glücklicherweise noch geöffnet fand. Ich brauchte nämlich eine vernünftige Karte für den Vättern. In meinem NV-Bootsatlas befanden sich nämlich nur die Karten für die Direktpassage über den Vättern, die für mich als Paddler aber viel zu gefährlich war – der Vättern ist 31 km breit.....Ich wollte ihn nördlich auspaddeln – und dafür fehlten mir die Karten. Ich hatte mir zwar zuhause aus eniro.se die entsprechenden Karten ausgedruckt, aber realistischerweise waren die einfach zu ungenau. Das Mädel in der Touristeninformation war zwar unglaublich hilfsbereit, hatte aber letztendlich keine Ahnung. Hier paddelt halt niemand – der Wassertourismus findet hier per Yacht statt. Immerhin schickte sie mich in die ansässige Buchhandlung, wo ich eine halbwegs passable Vättern-Karte kaufen konnte.

                                    Nun musste ich nur noch in den Vättern einsetzen, was sich schwierig gestaltete. Der riesige Hafenbereich hatte überall nur viel zu hohe Kaimauern. Die einzige Möglichkeit für mich befand sich an den Bootsanlegern – nur konnte ich da schwerlich alleine das Boot drauf schieben. Bevor ich mir einen Bandscheibenvorfall zuzog, wollte ich dann doch lieber Hilfe rekrutieren. Im Hafengebiet wimmelte es nur so von Leuten – und vor allem von knatternden Mopeds. Mein spontan rekrutierter Tragehelfer erklärte mir auch warum. Im Hafengebiet befindet sich das Motormuseum von Motala – und hier fand heute ein Moped-Oldtimer-Treffen statt. Der nette Mann half mir sogar noch, mein Kajak ins Wasser zu lassen und dann konnte es auch endlich losgehen mit dem Vättern.



                                    Ehrlich gesagt, hatte ich schon ein bisschen Bammel. Das Wetter war nicht wirklich gut, sondern verregnet und windig. Der Vättern ist riesig und ich hatte keinerlei Erfahrung auf Großgewässern. Also paddelte ich erst mal vorsichtig am Leuchtturm und der großen neuen Straßenbrücke aus der Bucht von Motala heraus. Der Wind entpuppte sich als gar nicht so schlimm, denn ich paddelte an der Ostseite des Vättern sehr angenehm im Windschatten. Einzig und allein eine große Gruppe Surfer beunruhigte mich ein wenig, denn es schien sich um einen Surf-Kurs zu handeln – mit unklarem Kenntnisstand. Ich hatte keine Lust, mit einem Surfanfänger zu kollidieren und hielt großen Abstand. Eine ausgesprochen positive Überraschung waren die vielen traumhaften Sandstrände, die mir auch einen wunderbaren Anlege- und Zeltplatz für den Abend bescherten.



                                    Am nächsten Tag ging es bei strahlendem Sonnenschein im Windschatten des Ostufers weiter und ich war begeistert vom Vättern – zumal trotz Wochenende und bestem Wetter außer mir kaum jemand unterwegs war. Als ich abends wieder mal an schönem Sandstrand anlandete, sah ich bei der Zeltplatzsuche in der Ferne ein Pärchen an einem Rastplatz sitzen. Da ich nun nicht gerade direkt neben einer Horde trinkender Dorfjugendlicher zelten wollte, beschloss ich, mir die beiden mal genauer anzuschauen. Es handelte sich aber erfreulicherweise um ein älteres Ehepaar, die mich ganz begeistert über meine Tour befragten und mich mit ihren ganzen Picknickresten beschenkten. Als die beiden bald danach aufbrachen, hatte ich ein wunderbares Abendessen am Rastplatz mit traumhaften Ausblick auf den Sonnenuntergang über dem Vättern.



                                    Nur der Wetterbericht machte mich ein kleines bisschen nervös. Der mäßige Wind kam weiterhin aus Osten, aber ich war nun auf der Westseite des Vättern angelangt.... Der nächste Morgen verlief noch friedlich mit der Erkundung eines kleinen Schärengartens. In der nördlichen Hälfte des Vättern gibt es nämlich mehrere Schärengärten, die als Naturreservate über Rast- und Zeltplätze verfügen. Der Wind frischte immer weiter auf, aber ich paddelte größtenteils noch im Windschatten einer großen Inseln Stora und Lilla Röknen in der Mitte des Vättern, bevor ich in einen weiteren Schärengarten einbog. Ich wollte an diesem Tag so weit als möglich kommen und beschloss, noch ein paar Kilometer draufzulegen – nur da hatte ich die Rechnung ohne den Wind gemacht. Kaum war ich aus dem Schärengarten heraus in den Vättern eingebogen, traf mich der Wind ungebremst seitlich mit voller Wucht. Hier gab es keinerlei Windschatten mehr, und der eigentlich recht mäßige Wind von 6 m/s hatte hier richtig heftige Wellen aufgebaut. Erschreckt paddelte ich zurück in den Schärengarten, wo ich auf einem offiziellen Rast- und Zeltplatz erst mal meine Wunden leckte und die mir bleibenden Möglichkeiten überdachte.



                                    Laut Wetterbericht sollte der Wind am nächsten Morgen etwas schwächer sein – aber bis Karlsborg und den sicheren Götakanal waren es noch 20 km.... Ich überlegte auch, einfach abzubauen und den Bus zu nehmen, aber erst mal war es sehr weit bis zur Straße – und ich fand auch zu meiner großen Überraschung keine Busverbindung im Internet. Ich beschloss, die Nacht erst mal hier zu verbringen und ganz früh am Morgen einen neuen Versuch zu starten. Im schlimmsten Falle würde ich abbauen und nach Karlsborg trampen müssen. Ich gebe offen zu, dass die ganze Nacht vor lauter Aufregung kaum geschlafen habe. Mir war klar, dass ich hier im Falle einer Kenterung ein großes Problem hätte, denn das Ufer war hier größtenteils felsig und sehr steil – und es war niemand mehr unterwegs oder in den Sommerhäusern.

                                    Ich konnte es kaum erwarten, bis es am nächsten Morgen hell genug zum Paddeln war. Leider erschwerte heftiger Nebel die Sicht. Ich stieg ausnahmsweise in meine Seasock, überprüfte mehrfach, ob alles gut verpackt und verstaut war und paddelte mit einem großen Kloß im Magen los. Die gute Nachricht war, dass der Wind sich tatsächlich etwas beruhigt hatte. Die schlechte Nachricht war, dass ich aufgrund des Nebels gerade mal 50 Meter Sicht hatte. Immerhin wäre jetzt kein Motorbootfahrer unterwegs, der mich hätte umfahren können. Aber ich hatte Angst, auf einen Felsen aufzulaufen und mir das Boot aufzureissen. Ohne mein GPS wäre ich hier komplett aufgeschmissen gewesen. Vorsichtig tastete ich mich der Küste entlang vorwärts. Nach 10 km gab es einen potentiellen Ausstiegspunkt in einem weiteren Naturreservat/Schärengarten, aber jetzt hatte mich der Ehrgeiz gepackt und ich wollte es bis Karlsborg schaffen.

                                    Es gab aber noch ein großes Hindernis: Kurz vor Karlsborg befindet sich ein großes militärisches Sperrgebiet. Anlanden absolut verboten – und mir war auch relativ unklar, wie weit auf das Wasser hinaus sich dieses Sperrgebiet erstreckte. Ich paddelte unentwegt und endlich kam auch das Militärgebiet in (neblige) Sicht. Große Schilder verkündeten, dass Anlegen hier absolut verboten war. Ich kämpfte mich weiter vorwärts, wobei die letzten Kilometer die schlimmsten waren. Ich musste noch um eine über 2 km um eine schmale Landzunge herum, die leider ebenfalls noch zum Sperrgebiet gehörte. Die mittlerweile immer höheren Wellen trieben mich Richtung Land und vor allem direkt auf die zahlreichen Felsenbrocken zu, die hier versteckt im Wasser lagen und geradezu darauf warteten, mir mein Boot aufzureißen. Normalerweise hätte ich hier einfach angelandet und hätte die 50 Meter auf die andere Seite der Landzunge umgetragen, um dort entspannt im Windschatten weiterzupaddeln. Ging ja aber nicht wegen militärischem Sperrgebiet.

                                    Als ich endlich um die Landzunge rum war, konnte ich vor Erschöpfung kaum mehr. Ich vermutete zwar, dass hinter der Landzunge auch das Wasser Sperrgebiet war, aber ich musste mich jetzt einfach etwas ausruhen und machte eine kleine Pause in deren Windschatten. Ich war gerade wieder losgepaddelt, als ich im dichten Nebel auch schon ein Boot auf mich zukommen sah. Das konnte ja heiter werden.... Wie vermutet, handelte es sich um ein Militärboot, das direkt neben mir aufstoppte. Doch die Militärs waren sehr freundlich. Sie sprachen mich erst auf Schwedisch und dann in lupenreinem Englisch an und wiesen mich freundlich daraufhin, dass ich mich im Sperrgebiet befände. Zerknirscht gelobte ich Besserung. No problem, wurde mir versichert und höflich gezeigt, wo das Sperrgebiet endet. Wir verabschiedeten uns freundlich und jeder zog seiner Wege.

                                    Ich spulte noch die letzten Kilometer bis Karlsborg ab und als ich unter der Straßenbrücke hindurch den Vättern verließ, glaubte ich, eine andere Welt zu betreten. Während ich draußen auf dem Vättern mit den Wellen gekämpft hatte, fand ich hier bestenfalls ein laues Lüftchen und eine gekräuselte Wasseroberfläche vor. Ich landete am Badestrand des Campingplatzes an und fiel dort vor Erschöpfung und Anspannung fast aus dem Boot. Dieser Campingplatz war eher eine Notlösung gewesen, da er sich dicht an der Strasse befand und nicht gerade eine ruhige Nacht versprach. Aber hier konnte man im Gegensatz zur Jugendherberge tagsüber jederzeit einchecken und check-out war erst drei Uhr nachmittags! Meine Laune besserte sich auch noch weiter, als mir die freundliche Campingplatz-Besitzerin von einem thailändischen AYCE-Buffet erzählte. Ich muss allerdings zugeben, dass sich meine Anspannung erst im Thai-Restaurant so langsam löste – an diesem Tag war alles ein bisschen viel gewesen.



                                    Praktische Info: Motorboote können den 31 km breiten Vättern direkt überqueren, während für Paddler eher die nördliche Hälfte mit den vielen Schärengärten interessant ist. Der NV-Bootsatlas Götakanal beinhaltet nur die Karten für die Direktpassage – der nördliche (und südliche) Teil des Vättern fehlt. Der beste Kartenkompromiss ist hier das große Kartenblatt SE 121 Vättern von Sjöfartsverkeret, das man vor Ort im Buchhandel bekommt. Zusätzlich sollte man sich in der Touristeninformation die kostenlosen Infoblätter für die Schärengärten/Naturreservate im Vättern holen, auf denen auch die Lage der Rast- und Zeltplätze eingezeichnet ist. Einige Teile des Vättern sind militärisches Sperrgebiet. So finden in der Nähe von Motala Schießübungen statt, die allerdings mit einem Leuchtfeuer angezeigt werden und wohl eher selten sind. Auch die großen Inseln in der nördlichen Mitte des Vättern (Stora Röknen) sind Sperrgebiet, was wichtig zu wissen ist, wenn man dort eine Querung wagen will. Am meisten beeinflusst einen Paddler jedoch das Dauer-Sperrgebiet nördlich von Karlsborg, wo auf mehreren Kilometern Länge des Anlanden streng verboten ist. Auch hier können Schießübungen stattfinden. Auf dem großen See kann der Wind ein riesiges Problem werden. Um den See mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu umfahren, gibt es leider nur eingeschränkte Möglichkeiten. In der Hochsaison gibt es eine Fahrradfähre. Das ganze Jahr über kann man mit dem Bus von Motala nach Karlsborg. Wer sich aber einmal auf den weg gemacht hat, für den gibt es unterwegs keine guten Abbruchmöglichkeiten. Es gibt keine vernünftige Busverbindung zwischen Askersund und Karlsborg. Hier fährt nur einige Male pro Woche überhaupt ein Bus! Also genug Vorräte mitnehmen, um schlechtes Wetter aussitzen zu können. Außer in Askersund kann unterwegs nichts eingekauft werden. In Olshammar gibt es zwar eine stinkende Papierfabrik, aber keinen Supermarkt mehr.
                                    Zuletzt geändert von German Tourist; 29.10.2014, 14:54. Grund: Karlsborg mit Mariestad verwechselt....
                                    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                    • Mika Hautamaeki
                                      Alter Hase
                                      • 30.05.2007
                                      • 3979
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                                      Hab deine Tour gerade auf der Karte versucht nachzuverfolgen. Wie weit nördlich bist Du denn gefahren? Durch die südlichsten Inseln auf Höhe von Olshammar oder noch nördlicher?

                                      PS: Du meinst aber schon Karlsborg am Vättern und nicht Mariestadt am Vänern, oder?
                                      So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                      A. v. Humboldt.

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                                        • 09.05.2006
                                        • 849
                                        • Privat

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                                        #20
                                        AW: [SE] Wer sein Kajak liebt, der schiebt: Mit dem Faltboot quer durch Schweden

                                        Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                                        Hab deine Tour gerade auf der Karte versucht nachzuverfolgen. Wie weit nördlich bist Du denn gefahren? Durch die südlichsten Inseln auf Höhe von Olshammar oder noch nördlicher?
                                        Ja, genau! Ich bin südlich an Grönön und Aspön entlang gepaddelt und habe bei Lövön mal einen kleinen Ausflug in den Schärengarten hineingemacht. Die Zwangsübernachtung wegen Starkwind musste ich im Schärengarten um Kyrkogardson einlegen.

                                        Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                                        PS: Du meinst aber schon Karlsborg am Vättern und nicht Mariestadt am Vänern, oder?
                                        Guten Morgen, Christine! Du hast natürlich völlig recht und ich korrigiere das gleich. Durch Mariestad komme ich erst später auf meiner Tour. Danke für den Hinweis!
                                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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