[AT] Montafoner Berge 6/6 – Piz Buin, der König von Vorarlberg

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  • OutofSaigon
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    [AT] Montafoner Berge 6/6 – Piz Buin, der König von Vorarlberg

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    Wenn man sich das Beste bis zum Schluß aufheben will, dann muß ein Artikel über den Piz Buin wohl der letzte einer Serie zum Thema „Montafon“ sein; denn der Piz Buin ist mit 3312 m der höchste Berg von ganz Vorarlberg. Seine Besteigung ist für echte Bergsteiger wohl ein Kinderspiel, aber sie erfordert doch Gletscherbegehung und ein wenig leichte Kletterei und ist damit schon deutlich anspruchsvoller als nur eine Bergwanderung. Mit den Händen in den Hosentaschen kommt man jedenfalls nicht hinauf. Ich selbst habe den Piz Buin im April 1962 zum ersten Mal gesehen und nach vielen, vielen Verschiebungen im August 2014 endlich erstmals erstiegen.

    Dieser kleine Bericht ist auch eine Antwort auf einen anderen Thread in diesem Forum, nämlich:
    https://www.outdoorseiten.net/forum/...66178-Piz-Buin


    Eigentlich stand eine Besteigung des Piz Buin auf dem Programm einer organisierten Hochtour durch die Silvretta, die ich zwei Wochen vorher gemacht hatte. Aus dieser Besteigung wurde wegen sehr schlechten Wetter damals aber nichts, wovon ich noch separat berichten werde. So mußte ich den Piz Buin als Ein-Mann-Gruppe besteigen. Das geht nicht ohne Bergführer, und einen solchen fand ich im Internet über „montafon(dot)bergfuehrer(dot)at“. Was das kostet, steht auch dort; im August 2014 waren es 300 Euro für einen Gast, je 150 Euro für zwei Gäste. Es muß vielleicht nicht unbedingt ein professioneller Bergführer sein; andere Gruppen, die ich am Berg traf, hatten sich einem sachkundigen und erfahrenen Bergkameraden anvertraut, das tut es womöglich auch. Dazu weiter unten noch mehr.

    Ich fuhr am 7. August mit dem Postbus von Schruns zur Bielerhöhe (man kann natürlich genauso gut aus dem Paznauntal kommen) und ging dann den normalen Fahrweg entlang zur Wiesbadener Hütte, die auf 2443 m Höhe liegt (Koordinaten: 46°52'6"N und 10°6'59"E). Das dauerte genau zwei Stunden ab Silvretta-Stausee. Der Weg dient zahlreichen Spaziergängern für eine Kurzstrecken-Wanderung zur Wiesbadener Hütte mit Rast und anschließender Rückkehr. Nur eine Minderheit geht dann von der Wiesbadener Hütte irgendwie weiter nach oben. Entlang dieser Strecke sah ich auch die Endmoräne, welche die größte jüngere Ausdehnung des Gletschers (Mitte des 19. Jahrhunderts) markiert; man sieht sie rechter Hand dort, wo der Fahrweg die erste doppelte Haarnadelkurve auf dem Weg nach oben macht. Auch auf dem Satellitenbild ist sie klar zu erkennen (Koordinaten: 46°52'49"N und 10°6'13"E).

    Es gibt zur Wiesbadener Hütte auch einen alternativen Weg, der weiter oberhalb am Hang verläuft und mit weiß-blau-weißer Farbe als „anspruchsvoller Bergwanderweg“ gekennzeichnet ist. Der Abzweig ist gut markiert. Mehr davon sowie über die verschiedenen Wege weiter nach oben findet ihr auf der Website der Wiesbadener Hütte. Ich blieb auf dem Fahrweg, weil es ohnehin regnete (wie meistens im Sommer 2014).

    Auf der Hütte ließ ich mir gute Tiroler Speckknödel und ein Bier schmecken, und ich traf dort auch meinen Bergführer. Wir besprachen den kommenden Tag; dann ging es in die Heia.


    Am nächsten Morgen um 6.30 sah die Welt sehr in Ordnung aus: ein weitgehend klarer Himmel ließ uns hoffen, daß der im Wetterbericht versprochene schöne Tag (eine Ausnahme im August 2014) wirklich kommen würde. Und da war er, der Piz Buin (rechts vorgelagert und deshalb fast genauso hoch erscheinend: die Felsen des Wiesbadener Grätle).

    Links am Bildrand seht ihr den Vermuntgletscher, rechts oben am Bildrand den Ochsentaler Gletscher.

    Zunächst gingen wir von der Wiesbadener Hütte nach Süden bis dahin, wo der Weg den Bach quert, der das Schmelzwasser des Vermuntgletschers abführt. Das ist also das kleine Tälchen links in obigem Bild. Dieser Bach kann bei entsprechender Witterung durchaus so stark anschwellen, daß eine Überquerung nicht mehr ganz einfach ist; das war auch später an jenem Tag so. Dann steigt der Weg an, denn er überquert jetzt die Grüne Kuppe. Diese erscheint heutzutage als ein Felsriegel mit nur herzlich wenig Grün darauf. Der Name kommt aber davon, daß im 19.Jahrhundert dieser Felsriegel zwischen den Zungen des Vermuntgletschers im Osten und des Ochsentaler Gletschers im Westen hervorragte und damals wohl auch stärker mit Gras bewachsen war. Ihr seht die Grüne Kuppe rechts im Bildmittelgrund des obigen Fotos (man muß aber schon recht genau hinschauen, um das spärliche Grün zu erkennen). Von dieser Grünen Kuppe geht der Weg dann wieder hinunter nach Westen und überquert den Bach, der das Schmelzwasser des Ochsentaler Gletschers abführt.

    Die erste (ziemlich kleine) Gletscherzunge überquerten wir noch ohne Steigeisen; es erschien uns ausreichend, auf den in das Eis eingebetteten Steinen Halt zu suchen. So kamen wir auch ohne Ausrutschen hinüber. Dann aber, an einem Punkt mit den ungefähren Koordinaten 46°51'34"N und 10°6'13"E, hieß es „Anhalten und Steigeisen anlegen!“, denn auf einer Eisoberfläche dieses Gefälles geht es nicht mehr ohne.

    Blickrichtung dieses Fotos ist Südosten. Ihr seht den Piz Buin, links davon vorgelagert (und deshalb höher erscheinend) das Wiesbadener Grätle. Rechts im Bild ist das Ende des Ochsentaler Gletschers zu sehen; wir machten also einen großen Bogen: zuerst nach rechts (Südwesten) und dann wieder zurück nach links (Südosten). Mehr zu dieser Routenwahl weiter unten in diesem Bericht.

    Nach einem anfangs recht steilen Aufstieg erreichten wir dann die Hauptfläche des Ochsentaler Gletschers und stapften auf dieser weiter, natürlich angeseilt wegen der verdeckten Spalten. Auch sichtbare Spalten gab es reichlich. Das folgende Foto zeigt rechts den Kleinen Piz Buin, links den Großen Piz Buin, zwischen den beiden die Buinlücke (über die man auch in die Schweiz absteigen kann), und ganz links am Bildrand die Felsen des Wiesbadener Grätle.

    Wie ihr seht, war es mit dem „schönen Wetter“ zu diesem Zeitpunkt (etwa neun Uhr) schon fast wieder vorbei. Mist!

    So erreichten wir die Buinlücke. Der Weg dorthin über die Fläche des Gletschers ist nicht gerade aufregend; fast könnte man ihn „etwas langweilig“ nennen. An der Buinlücke legten wir dann einen Teil unseres Gepäcks ab, wie es praktisch alle Gruppen tun. Tja, und dann ging es den eigentlichen Gipfelaufbau des Großen Piz Buin hinauf. Das sieht so aus:

    Viele Steine, ja, aber eigentlich keine technische Schwierigkeit.

    Es gibt nur eine kleine Kletterstelle, vielleicht 20-30 m hoch, in einer leicht kamin-ähnlichen Situation. Mein Bergführer kletterte vor und sicherte mich als Nachkommenden am Seil. Es sind an dieser kurzen Kletterstrecke auch drei oder vier Metallringe zum Sichern (wie immer die fachmännisch genannt werden) an den Felsen befestigt. Es ist also kein Problem. Mein Bergführer sagte, diese Kletterstrecke entspräche dem Grad II. Ich kann das nicht beurteilen, ich kenne mich in diesen Dingen zu wenig aus, aber auch als kletter-unerfahrener Mitt-Sechziger hatte ich an dieser Stelle keinerlei Problem. Oberhalb dieser Kletterstelle geht es dann mehr oder weniger genauso weiter, wie das obige Foto zeigt.

    So erreichten wir etwa um elf Uhr den Gipfel. Das „schöne Wetter“ hatte sich da schon wieder verabschiedet.



    Hier der Ausblick vom Gipfel in Richtung Nordwesten, zum Silvrettahorn (3244 m) hin. Im Bildmittelgrund der Ochsentaler Gletscher, über den wir gekommen waren (und danach auch wieder zurückkehrten).


    Und hier der Ausblick in Richtung Norden:

    Genau in Bildmitte (aber noch unterhalb des Horizonts) seht ihr das Hohe Rad (2934 m), links davon den Silvretta-Stausee (von dem es links ins Montafon hinab geht), und unterhalb des Hohen Rads die Wiesbadener Hütte.
    Auch aus einem anderen Grund solltet ihr diesem Foto etwas Aufmerksamkeit widmen: Steinschlag-Gefahr am Wiesbadener Grätle. Ich seht in der rechten unteren Bildecke, daß da wohl schätzungsweise zwei Lastwagen-Ladungen Felsmaterial auf die Gletscheroberfläche gefallen sind, und weiter links oben (nahe dem Ende des Wiesbadener Grätle) war es anscheinend fast eine halbe Güterzug-Ladung. Die hätte ich nicht auf den Kopf bekommen wollen. Auf der Website der Wiesbadener Hütte wird ausdrücklich vor der großen Steinschlag-Gefahr am Wiesbadener Grätle gewarnt, und nach diesem Anblick konnte ich das nachvollziehen. Deshalb also hatten wir den großen Bogen über den Ochsentaler Gletscher gemacht, was ja ein erheblicher Umweg ist.


    Lange blieben wir nicht auf dem Gipfel; es wurde auch immer nebliger. Wir traten also den Rückweg an. Dabei seilten wir uns an der erwähnten Kletterstelle bequemlichkeitshalber ab, was völlig problemlos ging. Mein Bergführer schüttelte nur den Kopf ob der Tatsache, daß die meisten Gruppenführer ihre mitgebrachten Seile an der Buinlücke ablegen, obwohl ein Seil doch für die erwähnte Kletterstelle (in beiden Richtungen!) enorm nützlich sein könnte. „Unverständlich“ meinte er. Kritisch merkte er auch an, daß Gruppen, die sich wohl keinen professionellen Führer genommen hatte, auf dem Gletscher ohne Handschuhe unterwegs waren oder sich dem steinschlag-gefährdeten Hang unterhalb des Silvrettahorns ohne Not recht weit genähert hatten.


    Ansonsten gibt es über den Rückweg nicht viel zu sagen. Wir folgten genau der Route des Hinwegs. Der Bach vom Vermuntgletscher hinunter war mittlerweile deutlich angeschwollen, wir kamen aber trotzdem noch hinüber. Allerdings hörte ich später, daß einige Wanderer, die eigentlich nur auf die Grüne Kuppe hatten gehen wollen, an dieser Bachüberquerung wieder umgekehrt waren: „zu kniffelig“.


    Nach ziemlich genau acht Stunden waren wir wieder an der Wiesbadener Hütte; das war also etwa drei Uhr nachmittags. Acht Stunden ist, laut meinem Bergführer, die Zeit, die eine Gruppe durchschnittlich für diese Tour benötigt (es gab auch schon Gruppen, die waren zehn Stunden unterwegs). Für mich reichte die Zeit noch für ein kurzes Mittagessen und den Abschied von meinem freundlichen Bergführer (der für die Gäste des folgenden Tages gleich auf der Wiesbadener Hütte blieb), dann aber trabte ich relativ rasch auf dem Fahrweg zurück zur Bieler Höhe, denn ich wollte unbedingt noch den letzten Postbus nach Schruns (17.50 Uhr) erwischen. Das klappte auch.


    So hatte ich in diesen anderthalb Tagen die Tour gemacht, von der ich seit 1962 geträumt hatte: den Piz Buin bestiegen. Ich muß ehrlich sagen: das war ein sehr, sehr befriedigendes Gefühl.

    Zuletzt geändert von OutofSaigon; 08.02.2021, 13:34.

  • moeTi
    Erfahren
    • 24.07.2014
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    #2
    AW: [AT] Montafoner Berge 6/6 – Piz Buin, der König von Vorarlberg

    Schöner Bericht, Glückwunsch zur Besteigung! Mit so viel Anlauf ist es ja mindestens doppelt so schön
    http://www.outdoorlogbuch.de

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    • OutofSaigon
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      • 14.03.2014
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      #3
      AW: [AT] Montafoner Berge 6/6 – Piz Buin, der König von Vorarlberg

      Ja, 52 Jahre "Anlauf" sind schon etwas überdurchschnittlich ...

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