[CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

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    [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

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    PROLOG
    Ursprünglich war geplant, das Weissmies mit meiner Hochtouren-Gruppe zu besteigen - von der Hohsaas-Hütte aus über den Triftgletscher.
    Nachdem wir am Vorabend der Tour gesehen hatten, dass sich im Triftgletscher zeitweise stündlich Eislawinen lösen, hatten wir jedoch beschlossen, die Tour nicht zu riskieren.
    Für die meisten der Gruppe war damit der Urlaub zu Ende. Da ich aber noch über eine Woche Zeit hatte, zog ich Plan B aus der Tasche, der auf einer auf hikr.org beschriebenen Tour basierte:
    Vom Stausee Mattmark aus über den Ofenpass nach Italien, dann weiter zum Lago di Cingino und den Lago di Camposecco, über den Passo delle Coronette, den Passo d'Andolla, den Zwischbergenpass zur Almagellerhütte. Von dort wollte ich dann nach einem Ruhetag am 12. August das Weissmies über den Südgrat solo erklimmen und ins Saas-Tal zurückkehren. So der Plan, denn für die Freitag bis Montag waren Regen und Gewitter vorhergesagt, doch am Dienstag sollte das Wetter für das Weissmies perfekt passen.
    Vor allem reizten mich an der Tour zwei Dinge: Sie führt durch eher abgelegene Täler der Alpen. Und es winkt die Option, das Weissmies doch noch zu erreichen.



    1. Etappe, 7. August: Vom Stausee Mattmark zum Bivacco Cingino
    2. Etappe, 8. August: Vom Bivacco Cingino zum Rifugio Andolla
    3. Etappe, 9. August: Vom Rifugio Andolla zur Almagellerhütte
    4. Etappe, 10. August: Von der Almagellerhütte nach Mattmark und zurück (Ohne Track)
    5. Etappe, 11. August: Von der Almagellerhütte auf das Weissmies und zurück

    GPS-Track
    Zuletzt geändert von macroshooter; 22.08.2014, 10:15.

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    #2
    AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

    1. Etappe, 7. August: Vom Stausee Mattmark zum Bivacco Cingino



    GPS-Track

    Nach der Rückkehr von der Hohsaas-Hütte packe ich meinen Rucksack für die Hüttentour um: Schlafsack, Kocher und Proviant müssen noch hinein. Da ich eine meiner Gamaschen vermutlich auf der Hohsaas-Hütte liegenlassen habe, besorge ich mir noch schnell ein Paar neue.

    Dann fahre ich zum Stausee Mattmark. Den Parkautomaten füttere ich mit allem Kleingeld, das ich finden kann - es reicht leider nur bis zum 12. August, 7:40. Dass ich - falls ich das Weissmies angehe - keinesfalls rechtzeitig zurück sein kann, muss ich eben hinnehmen.
    Als Marscherleichterung verordne ich mir meine leichteren Sommerbergschuhe und statt meiner Hochtourenhose eine dünne Kletterhose.

    13:00 Uhr geht's endlich los. Es geht zunächst über den Staudamm und dann östlich am Stausee entlang. Dann nehme ich den Abzweig ins Ofental. Da die Wetterprognose mir für den Abend Gewitter versprochen hatte, spute ich mich. Der Blick Richtung Italien verrät mir auch schlechtes Wetter.





    Ca. 15:00 bin ich auf dem Ofenpass angekommen und stecke im dichten Nebel. Der Nebel wird ab da leider nur noch selten weichen. Ich suche das Bivacco Antigine, auf dem ich eigentlich übernachten wollte. Ein recht schwieriges Unterfangen im dichten Nebel. Ich höre zwei nahe Stimmen in den Wolken quasseln und hoffe, dass mir die zugehörigen Leiber vielleicht helfen könnten. Es sind Herbert und Hans-Christian - zwei Wanderer aus dem Allgäu. Ein wahrer Glücksfall - wie sich schnell herausstellt. Wir finden nach kurzer Zeit tatsächlich das Bivacco, es sieht etwas nach Baustellenwagen aus und ist ziemlich verwahrlost. Die beiden Allgäuer verraten mir, dass sie am Bivacco Cingino hausen und dass es dort viel besser sei. Ich habe noch jede Menge Zeit bis zur Nachtruhe und beschließe, die beiden zum Bivacco Cingino zu begleiten.
    Gewürzt mit botanischen Lektionen und einem Stück wegeloser Kraxelei erreichten wir das Bivacco gegen 18:40.









    Das Bivacco Cingino ist tatsächlich luxuriös und geräumig im Vergleich zum Bivacco Antigine. Es ist schließlich auch relativ neu.
    Nach der abendlichen Hygienemaßnahme schaufele ich mir eine ganze Ration Kartoffelpüree mit Röstzwiebeln in den Magen. Kulinarisch nicht unbedingt ein Highlight, aber die für den kommenden Abend erwartete Schlemmermahlzeit im Rifugio Andolla lässt mich das verschmerzen. Hauptsache satt!
    Mit der Dämmerung geht's in die Heia.
    Zuletzt geändert von macroshooter; 05.03.2018, 14:49.

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      #3
      AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

      2. Etappe, 8. August: Vom Bivacco Cingino zum Rifugio Andolla



      GPS-Track

      Ich krabbele als erster aus dem Nachtlager. Zum Frühstück gibt es sechs Madeleines und frisches Wasser (ja, ich habe vergessen, Teebeutel mitzunehmen).
      Ein Blick nach draußen nährt meine vage Hoffnung, der Nebel möge sich verziehen. Immerhin blinzelt die Sonne kurzzeitig durch. Der Weg ins benachbarte Tal zum Lago di Camposecco führt durch einen Tunnel, durch den eine Wasserleitung den Berg passiert. Ich orte auch bald den Einstieg und finde, dass die unterirdische Strecke gerade jetzt - wo mal etwas Sonne scheint - doch ungelegen kommt. So spannend der Weg durch den Tunnel auch sein mag ... Er ist der Tiefpunkt der gesamten Route. Ein paar zusätzliche Hundert Höhenmeter Kraxelei hätte ich hier klar bevorzugt.
      Unglücklicherweise übersehe ich am Tunneleingang, dass man die Beleuchtung anschalten kann. So absolviere ich die Hälfte der Strecke nur mit Stirnlampe. Glücklicherweise gibt es zur Halbzeit noch einen Lichtschalter.





      Ich gehe zuweilen durch knöcheltiefes Wasser und muss feststellen, dass mein rechter Schuh die Dichtigkeitsprüfung nicht bestanden hat. Dabei hatte ich die Schuhe gerade erst als Austauschexemplar erhalten, weil bei den Vorgängern der linke Stiefel undicht war.



      Als ich nach über zwei Kilometern dem Tunnel entsteige: Wieder Nebel. Doch im Aufstieg zum Lago di Camposecco reißen die Wolken noch einmal auf. Auf der Staumauer treffe ich nur die üblichen Angler.





      Ich will den Aufstieg zum Passo delle Coronette in Angriff nehmen und werde gleich hinter der Staumauer von einer Schafherde ausgebremst. Kaum hat das Leittier der Herde mich entdeckt, rennt es freudig blökend auf mich zu - der Rest der Herde hinterher. Ich bin fast umzingelt und trete die Flucht nach vorne an. Die werden mich sicher bald in Ruhe lassen, denke ich. Falsch gedacht! Die Herde folgt mir in breiter Front und bedrängt mich von den Seiten und von hinten. Ich freue mich, dass der Weg nun schmaler wird und die Tiere nur noch hinter mir laufen können. Keine Ahnung, warum die so von mir begeistert sind. Mein unmittelbarer Verfolger leckt immer wieder an meinen Treckingstöcken. Vielleicht mögen sie ja das Salz, das von meinem Schweiß stammt? Die Schafe lassen sich nicht abschütteln und nach zehn Minuten beginne ich zu verzweifeln. Ich überlege krampfhaft, was die Viecher verscheuchen könnte.



      Da fällt mir DIE Zauberformel ein. Ich versuche es mit "Tschschsch, tschschsch!". Wie von Donner gerührt bleiben die Schafe stehen. Ein Wunder! Ich gehe weiter und kann es gar nicht glauben: die Schafe bleiben brav an ihrem Ort. Vielleicht hätte ich doch Schäfer werden sollen.





      Befreit kraxele ich zum Pass hoch. Der ist auf den letzten 50 Metern eine mit Grasbewuchs durchsetzte Felsscharte. Ich freue mich dort immer über blanken Fels, an dem ich wenigstens vernünftige Griffe und Tritte habe. Hingegen finde ich die Passagen mit Grasbewuchs und Matsch unangenehm. Glücklicherweise helfen einige Ketten, an denen man sich hochziehen kann.



      Auf dem Pass angekommen, kann ich nichts Außergewöhnliches feststellen: Wieder nichts als Nebel. Zeitweise mit nur 50 Metern Sichtweite. Ich tröste mich damit, dass es hätte schlimmer kommen können. Wenigstens regnet es nicht.
      Kurz nachdem ich den Pass überquert habe, suche ich den Abzweig zum Bivacco Varese. Ich möchte über diesen Weg zum Rifugio Andolla gehen, da ich so weit oben bleiben kann. Den Abzweig finde ich trotz des Nebels auch. Er ist jedoch leicht zu übersehen, weil die Wegweiser nur aus der Gegenrichtung gut zu sehen sind.



      Zum Bivacco Varese geht es nun fast ununterbrochen über Blockkletterei, manchmal ist ein Weg nicht auszumachen. Unterbrochen wird die Blockkletterei nur wenn ich gewaltige Moränen überqueren muss. Das finde ich noch unangenehmer. Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich vermisse immer wieder Wegmarkierungen. Doch plötzlich lugt aus dem Nebel doch eine kleine Hütte hervor - das muss das Bivacco Varese sein. Ich bin erleichtert. Denn nun ist es nicht mehr weit bis zum Rifugio Andolla. Und der Nebel weicht wieder der Sonne.





      Nun geht es an der Alpe Corona vorbei über Arnikawiesen talwärts.





      Kurz vor dem Rifugio sehe ich Sonne tankend einen Mann ausgestreckt auf einem Felsblock. Meine größte Sorge ist, dass die Hütte voll sein könnte. Der Sonnenhungrige beruhigt mich; die Hütte sei leer. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass der Sonnenhungrige die Hauptperson des Abends sein wird.



      In der Tat ist die Hütte leer - oder so gut wie ... Ich bekomme ein Zimmer ganz für mich alleine. Und es gibt Duschen mit warmem Wasser, die ich gleich GNADENLOS ausnutze. Ich komme aus der Verzückung kaum noch heraus: Italien = Espresso. Welch Luxus auf Tour! Wohlweislich nehme ich in Erwartung eines überproportional üppigen Abendessens Halbpension für lumpige 30 EUR. Und meine Erwartungen werden nicht enttäuscht: Vier Gänge: 1. Schinken- und Salamiplatte, 2. Pilz-Risotto, 3. Lammfleisch mit Kartoffelspalten, 4. Apfelstrudel.
      Leider vergesse ich vor lauter Appetit, das auch alles fotografisch zu dokumentieren.





      Nach dem Abendessen dann das Kulturprogramm ... Es soll eine Buchvorstellung mit Musik geben. Die Hüttenwirte laden mich explizit dazu ein. Ich sage zu, entschuldige allerdings, dass ich kaum etwas verstehen werde.

      Der Sonnenhungrige alias Lorenzo Arco stellt sein Buch "Monterosa Blues" vor. Das Hüttenpersonal und ein paar Freunde des Sonnenhungrigen sind quasi unter sich - und das in der Feriensaison an einem Freitag! Ich bin praktisch der einzige wahre Gast, der aber leider nicht so viel Italienisch versteht. Zum Glück sind es die Bluesstücke, vorgetragen vom Sonnenhungrigen und seiner Begleitung, alleine schon wert, hier zu lauschen.



      Allerdings verlasse ich 23:00 die Szene mit Verweis auf meine morgige Tour zur Almagellerhütte.
      Zuletzt geändert von macroshooter; 01.10.2014, 09:11.

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        #4
        AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

        3. Etappe, 9. August: Vom Rifugio Andolla zur Almagellerhütte



        GPS-Track

        Neuer Tag, alter Nebel. Nach meinem Frühstück starte ich kurz vor 8:30 gen Passo d'Andolla. Schon nach wenigen hundert Metern mache ich Halt - es fängt an zu regnen. Ich ziehe meine komplette Regenmontur und Gamaschen über. Doch auch ohne Regen müsste ich wenigstens die Regenhose tragen, denn das kniehohe Gras hätte meine Hose auch so geschwind durchnässt.



        Der Weg bis zum Pass ist trotz Nebel einfach zu finden.



        Die Schwierigkeiten beginnen danach. Ich muss einen Abzweig zum Zwischbergenbach finden, der mir ein zu weites Absteigen Richtung Gondo erspart. Den Abzweig finde ich auch doch ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit reicht, dass ich mich im nassen Gras auf die Nase lege. Ergebnis: Eine dicke Prellung am linken Schienenbein mit Platzwunde und ein verbogener Stock.



        Auf dem Weg zum Bach geht es teilweise abenteuerlich wegelos durch hohes Gebüsch und Alprosen. Laut Beschreibung soll ich nun den Bach queren. Fragt sich nur, wie ich überhaupt an den Bach herankommen soll: er rauscht unter mir tief in einer Schlucht. Anfangs suche ich nach einem Abstieg. Nach einer viertel Stunde setzt sich schließlich die Erkenntnis durch, dass ich viel zu weit östlich bin. So folge ich dem Bach taleinwärts und finde endlich einen Zugang zum Bach.



        Nun suche ich eine Möglichkeit, den Bach in Schuhen zu queren. Nachdem ich über eine Stunde herumgeirrt bin, sehe ich endlich ein, dass ich ums Furten nicht herumkomme. Ich ärgere mich im Nachhinein, dass ich nicht gleich durch den Bach gewatet bin. Zumal mein rechter Stiefel ohnehin wieder komplett mit Wasser getränkt ist.

        Auf der Nordseite des Tals finde ich unkompliziert den Weg Richtung Zwischbergenpass. Nach 200 Höhenmetern kommt mir das jedoch spanisch vor, da sich keine Markierungen mehr finden. Ich kehre um und will den Weg suchen. Da kommt ein Wanderer des Wegs. Welch Glück - denke ich - der kennt bestimmt den Weg.

        Es ist Žeko, der heute Morgen in Gondo gestartet war. Er zückt seine Karte und meint, dass das der Weg sein müsse. Ich zücke meine Karte und meine, dass der Weg mindestens 100 Höhenmeter weiter unten sein müsse. Wir stellen fest, dass der aktuelle Weg auf seiner Karte aus dem Jahr 1982 tatsächlich eingezeichnet war. Dieser muss verlegt worden sein, denn auf meiner Karte aus dem Jahr 2010 war dieser nicht mehr vermerkt - statt dessen windet sich dort der Weg schon früher steil nach oben und verläuft dann weiter oben im Hang.

        Egal - ich schließe mich vertrauensvoll Žeko an. Žeko ortet den ehemaligen Weg in einer Moräne. Die müssen wir hoch, meint er. Im Dauerregen sehen wir (beide Brillenträger) mit Brille immer schwerer. Brillen weg, so sieht man wenigstens noch ein wenig. So quälen wir uns im direttissima einen steilen Hang hoch. Das starke Gefälle - stellenweise fast 40° - wäre unter den Bedingungen ohne Stöcke wohl nicht zu meistern. Tatsächlich stoßen wir am Ende auf den neuen Weg.
        Mein GPS-Track wird mir später allerdings verraten, dass wir keineswegs die vermutete Moräne hoch sind. Die wäre deutlich komfortabler gewesen (in der Karte dunkelblau markiert). Statt dessen kamen wir zu weit nach rechts ab und kletterten geradewegs den nördlichen Abhang des Zwischbergentals hoch.

        Vor uns liegt nun noch ca. 1 km über den Zwischbergengletscher. Es dauert nicht lange dass mein rechter Fuß im völlig durchnässten Stiefel völlig gefühllos wird. Das ist sicher nicht der Sinn einer Goretex-Membran. Ich formuliere im Gehen schon innerlich ein Anschreiben für meine Reklamation.
        Auch sonst bin ich etwas unterkühlt - während Žeko (nur mit Langarmshirt und dünner Hose bekleidet) lässig meint, er habe eine gute Temperaturregulierung.



        Auf dem Zwischbergenpass angekommen, erwartet uns ein Wunder: Wir haben freie Sicht ins Wysstal. Hinter uns dagegen nur Nebel. Die Wolken drängen zur Passhöhe, schaffen es aber nicht, sie zu überwinden. Wir schon.



        Kurz nach 17:00 Uhr in der Almagellerhütte angekommen, spendiere ich Žeko einen Kaffee und ein Glas Rivella. Das ist das Mindeste, was ich ihm schulde. Ich bin ihm wirklich sehr dankbar für seine Pfadfinderdienste. Immerhin ist das für ihn nur eine kurze Pause. Er muss noch nach Saas-Almagell absteigen und dann mit Postauto und Bahn nach Hause fahren.
        In der kurzen Zeit, die uns beim Kaffee bleibt, frage ich ihn woher er komme. Er sei Jugoslawe. Und auf meine pedantische Nachfrage, ob aus Serbien, Kroatien oder sonstwoher, entgegnet er: Aus Kroatien. Aber er fühle sich immer noch als Jugoslawe.
        Ich denke erfreut bei mir: Offenbar hat Žeko mit dem nationalistischen Gift nichts am Hut. Ich wünsche Žeko eine gute Heimreise und resümiere, dass sich der Tag vor allem wegen dieser sehr sympathischen Bekanntschaft gelohnt hat.
        Zuletzt geändert von macroshooter; 22.08.2014, 10:24.

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          #5
          AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

          4. Etappe, 10. August: Der Ruhetag wird gestrichen. Von der Almagellerhütte nach Mattmark und zurück

          Als ich nach einer Nacht in der Almagellerhütte am Morgen feststelle, dass meine Stiefel noch immer pitschnass sind, ringe ich mich zum Abstieg nach Saas-Almagell durch.
          Mein Plan: 1. Nach Wetter erkundigen, 2. falls das Wetter für das Weissmies passt, meine Hochtourenstiefel holen und überflüssigen Kram im Auto lassen.
          Somit fällt mein Ruhetag ins Wasser.
          Ich reserviere noch ein Lager für die kommende Nacht mit dem Hinweis, dass ich zurückkomme wenn das Wetter günstig sein sollte.

          Nach zwei Stunden bin ich in Saas-Almagell und fahre mit dem Postauto nach Mattmark. Die Wetterprognose ist laut Tourismusbüro günstig. Ich jubele innerlich. Nachdem ich mein Auto in Saas-Almagell geparkt und meine Ausrüstung auf die Weissmies-Tour angepasst habe, mache ich mich 13:30 auf den Weg zur Almagellerhütte. Ich gehe betont langsam, da es mir in Hochtourenhose und Hochtourenstiefeln viel zu warm ist.

          Als ich 16:30 Uhr in der Hütte eintreffe, habe ich ein gutes Gefühl. Der "Ausflug" hat mich keine Körner gekostet, die ich morgen vermissen könnte.
          Sorgen bereitet mir lediglich mein Lager, das weitab vom Fenster liegt. Erfahrungsgemäß siegt ja auf Hütten fast immer die Fraktion, die bei geschlossenem Fenster schläft. Glücklicherweise begnügte sich die Fraktion diesmal mit einem Kompromiss. Ein Fenster durfte gekippt geöffnet bleiben.
          Zuletzt geändert von macroshooter; 22.08.2014, 10:25.

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            #6
            AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

            5. Etappe, 11. August: Von der Almagellerhütte auf das Weissmies und Abstieg nach Saas-Almagell



            GPS-Track (editiert, da der Anfang fehlte)

            Die Nacht war kurz. Ich wache 3:40 auf. Da ein paar der anderen bereits umherwuseln, winde auch ich mich aus dem Lager.
            Noch vor dem Frühstück mache ich meinen Rucksack fertig. So kann ich 4:25 loslaufen. Der Himmel ist fast wolkenfrei. Die Wolken kleben noch unten im Tal. Perfekt.



            Ich versuche, mein Tempo zu gehen. Ich will mich nicht durch schnellere Bergsteiger verrückt machen lassen. Was für mich als Solist insbesondere zählt: Ich muss so auf den Gipfel kommen, dass ich für den Abstieg reichlich Kraftreserven und damit genügend Konzentration habe.
            Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Das Firnfeld rechts vom Südgrat lässt sich gut gehen. Wir haben trittfesten Firn. Jedoch ist die Steigung stärker als ich erwartet hatte. Ein Saaser Bergführer, hinter dessen Seilschaft ich trotte, winkt mich irgendwann etwas unwirsch vorbei. Vielleicht meint er, ich wolle mir kostenlos einen Bergführer erschleichen? Warum sollte ich auch.

            Nachdem ich den Firn verlassen habe, geht die Kletterei im Fels recht locker. Während andere die Steigeisen anlassen, gehe ich da lieber ohne. Huch - was ist das? Auf ca. 3600 Metern kommt mir schon ein "Trailrunner" im Abstieg entgegen. Mit 20-Liter-Rucksack, ohne Eispickel. Ich sehe von ihm kaum mehr als einen Kondensstreifen.
            Dann am Beginn des Firngrats Steigeisen wieder an. Die letzten Meter rüber zum Gipfel sind entspannt.



            8:30 stehe ich endlich auf dem Gipfel. Ich halte mich nicht lange auf, es ist sehr zugig und eisig. Schnell meine Primaloft-Jacke anziehen, ein Foto machen. Dann für eine fremde Seilschaft noch ein Foto machen.



            Und schon mache ich mich auf den Rückweg zur Almagellerhütte.
            Ich bin der einzige, der über den Südgrat zurückgeht. Alle anderen gehen weiter über den Triftgletscher Richtung Hohsaas-Hütte. Ob die überhaupt wissen, was sie im Gletscher erwartet? Sollten sie eigentlich, denn in der Almagellerhütte hängt eine Information aus, dass sich im Triftgletscher Eislawinen lösen.

            Den Abstieg mache ich mir unnötig schwer. Im oberen Teil des Felsgrats gerate ich zunächst zu weit auf die Ostseite und habe dort mit extrem brüchigem Tonschiefer zu kämpfen. Ich rette mich nach einer Weile in festeren Fels, indem ich nach Westen traversiere. Dort gibt es vorwiegend Gneis.
            Weiter unten mache ich dann den zweiten Fehler. Ich meine, möglichst früh auf das Firnfeld absteigen zu müssen, um dort bequemer runterlatschen zu können. So gerate ich auf meiner Route in unnötig schwierige Kletterpassagen.



            Als ich dann am Firnfeld ankomme, stelle ich fest, dass es dort so steil ist, dass von bequemen Laufen keine Rede ist. Außerdem ist der Schnee inzwischen so weich geworden, dass ich mit jedem Schritt knietief darin versinke.
            Die Abstiegsroute, die auf meinem Track zu sehen ist, ist also nicht zu empfehlen!





            Am Zwischbergenpass verpasse ich dann auch noch den Weg Richtung Almagellerhütte und eiere eine Weile weglos über Felsblöcke. Punkt 12:00 Uhr erreiche ich dann endlich die Hütte, melde mich beim Hüttenwirt zurück und stoße mit einer Apfelschorle auf den Gipfelsieg an. Merkwürdig, auf dem Gipfel selbst war mir noch nicht zum Feiern zumute gewesen. Erst jetzt - wo ich zurück bin - kommt so etwas wie Genugtuung auf.
            Zuletzt geändert von macroshooter; 22.08.2014, 10:26.

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            • macroshooter
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              #7
              AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

              Epilog

              Ich stieg danach sofort nach Saas-Almagell ab, warf meinen Rucksack ins Auto und zog mich um. Da der Mont Blanc fast um die Ecke liegt, fuhr ich gleich nach Chamonix. Vielleicht habe ich ja Glück mit dem Wetter - so hoffte ich.
              Leider war dem nicht so. Dauerregen im Tal, ordentlich Neuschnee in den Bergen. Eine Schlechtwetterfront, die am selben Tag leider auch sechs Todesopfer forderte. Für Donnerstag und Freitag war instabiles Wetter vorhergesagt, im Maison de la Montagne riet man mir davon ab, auf den Mont Blanc zu gehen. Erst Sonntag und Montag sollte das Wetter perfekt werden. Leider zu spät für mich. So entschied ich, dem Mont Blanc vorerst den Rücken zuzukehren und Richtung Heimat zu fahren. Vielleicht später einmal. Der Berg rennt mir nicht weg.
              Zuletzt geändert von macroshooter; 22.08.2014, 13:08.

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              • Nita
                Fuchs
                • 11.07.2008
                • 1722
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

                Interessant zu lesen, ich war ja auch vor ein paar Wochen dort und das Wetter war ebenfalls unsicher. Auf dem Grat lag noch ordentlich Schnee, war aber trotzdem eine wunderschöne Tour. Und auch an dem Tag war ich die Einzige, die übers Almagelltal abgestiegen ist.

                Schade, dass es davor neblich war, die Täler sind bestimmt schön.
                Reiseberichte

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                • phoeniks
                  Erfahren
                  • 01.09.2009
                  • 291
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

                  Vielen Dank für den Bericht! Eine sehr schöne, entspannte Variante das Weissmies anzugehen. Gefällt mir ausgesprochen gut.

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                  • Rando
                    Anfänger im Forum
                    • 11.03.2015
                    • 45
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [CH, IT] Das Weissmies mit vier Tagen Anlauf

                    Hallo macroshooter

                    Ein schöner Bericht. Liest sich gut. Dein abenteuerlicher Abstieg war nicht ohne Risiko. Er erinnert mich an meine Tour zum Weissmies-Gipfel, 4017 m im Wallis auf der gleichen Route:

                    Zusammen mit Reinhold, der auch kein Seil dabei hat, brechen wir am 6. August 2006 gegen dreiviertel fünf auf. Wir sind nicht die einzigen. Viele Grüppchen gehen mit Stirnlampen schweigend im Gänsemarsch von der Almageller Hütte (2894 m) zum Zwischbergenpass, 3287 m. Noch ist es dunkel. Ungelenk bewege ich mich auf dem Geröll, ab 3100 m liegt Schnee. Oft sind die Tritte glatt, der Fels vereist. Über Schneefelder und Felsgeröll geht es aufwärts zum Pass. Es wird heller. Steile Aufschwünge und flachere Passagen folgen. Dann sehen wir den riesigen SSO-Felsengrat, den man im unteren Teil rechts umgehen kann. Wir legen Steigeisen an und nehmen den Pickel in die Hand. Zum Glück ist gespurt. Dann der Felsgrat. Wir sind nicht die ersten heute, auch gestern sind einige hier bei schlechtem Wetter zum Gipfel geklettert und haben den Neuschnee (20-25 cm) von den Griffen und Tritten gefegt. Mehrere Kletterstellen im II. Grat sind schwierig, da man heute Morgen mit Handschuhen und Steigeisen klettern muss. Besondere Konzentration ist erforderlich, wenn man auf Sicherungen verzichtet. Ich gehe immer voraus, Reinhold folgt. Die Akklimatisationstouren der letzten Tage haben sich gelohnt. Wir sind mit die schnellsten. Das Wetter ist relativ klar, wir haben gute Sicht und meist diffuses Sonnenlicht, dass hinter Wolken hervor scheint. Nach dem Felsengrat wird der Firngrat flacher und spitzer. Zu beiden Seiten geht es steil hinab. Wir können den Gipfel wieder sehen und wissen jetzt, dass wir es fast geschafft haben. Seit gestern haben Reinhold und ich mit dem Gedanken einer Überschreitung gespielt, obwohl wir kein Seil haben, um über den Gletscher abzusteigen. Gegen neun Uhr sind wir auf dem Weissmies-Gipfel 4017 m (alte Karte 4023 m). Die Sicht ist oft eingeschränkt, viele Wolken steigen über der Westnordwestflanke, wo der Gletscher liegt, auf. Die Temperaturen liegen bei ca. –10°C. Der Wind ist mäßig. Wir schwanken zwischen beiden Optionen: Zurück über die Aufstiegsroute oder den Gipfel überschreiten? Wer könnte uns mit ans Seil nehmen? Mehrere Seilschaften lehnen ab wegen ihren zu kurzen Seilen, die bei einem Bergführer und zwei Gästen in der Regel nur ca. 30 Meter lang sind. Eine Seilschaft nimmt dreiviertel zehn Reinhold mit, der sehr friert und auch auf dem Gipfel keine Mütze trägt. Ich finde gegen zehn Uhr eine Dreier-Seilschaft, die eine viertel Stunde später den Abstieg beginnt. Wir gehen zügig und passieren einige Seilschaften, die auf- bzw. absteigen. Die Sicht ist schlecht, aber die Gletscherautobahn ziemlich eindeutig, wenngleich an manchen Stellen steil und etwas heikel. 11 Uhr 25 binden wir uns aus. Zwanzig Minuten später sind wir an der Station Hohsaas. Die drei netten Bergsteiger aus Zürich fahren mit der Bahn bergab. Ich steige bei bewölktem, aber doch trockenem Wetter über die Weissmieshütte und Kreuzboden ab bis zum Ausgangspunkt am Ortseingang von Saas-Almagell. Sechszehn Uhr bin ich am Wagen. Dort finde ich eine Nachricht und Grüße von Reinhold.

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