[DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

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  • Mika Hautamaeki
    Alter Hase
    • 30.05.2007
    • 3979
    • Privat

    • Meine Reisen

    #41
    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

    OT: Kinners, diese ganze Hosen Diskussion ist doch sowas von wurscht! Laßt uns doch einfach den tollen Bericht genießen.
    So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
    A. v. Humboldt.

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    • Igelstroem
      Fuchs
      • 30.01.2013
      • 1888
      • Privat

      • Meine Reisen

      #42
      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

      OT:
      Zitat von cane Beitrag anzeigen
      Hier auf dem Land trägt meine Generation oft BW Klamotten, sind günstig und gut zum Arbeiten geeignet.
      Boshafterweise (und um die Kritik an Saniboys Beitrag behutsam zu relativieren) könnte man darauf hinweisen, dass ja cane dieses Thema früher auch schon mal anders akzentuiert hat, als es um militärische Rucksäcke ging:
      https://www.outdoorseiten.net/forum/...=1#post1275603

      Aber nix für ungut. Ich stecke übrigens die Hose nicht wirklich in die Stiefel, sondern habe wie bei den früheren BW-Moleskinhosen ein Zugband in den Saum hineingezogen, das man dann entweder zubinden kann oder auch nicht, je nach Zecken, Bodenfeuchte und Silhouettenmodifizierungsbedarf. Im Gespräch weise ich die Betrachter gelegentlich darauf hin, dass ja mein Outfit in vielerlei Weise gegen die Zentrale Dienstvorschrift 37/10 (Anzugsordnung) verstößt, so dass man sich schon denken könne, dass ich kein Soldat sei. Aber dann stellt sich immer heraus, dass die meisten Fachverkäuferinnen sich mit diesen Bestimmungen gar nicht auskennen.

      Ich markiere das alles als OT, weil Mikas impliziter Hinweis, ich solle doch lieber den Bericht weiterschreiben, natürlich berechtigt ist.
      Lebe Deine Albträume und irre umher

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      • ronaldo
        Freak
        Moderator
        Liebt das Forum
        • 24.01.2011
        • 11879
        • Privat

        • Meine Reisen

        #43
        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

        Allein schon dafür (---> "Silhouettenmodifizierungsbedarf") lohnt sich das Lesen deines Berichts, was kratzt mich da, ob die Landschaft toll ist oder nicht...

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        • stoeps
          Dauerbesucher
          • 03.07.2007
          • 537

          • Meine Reisen

          #44
          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

          Der Himmel ist klar, und zwischen den Blättern sieht man hier und da Sterne blinken. Solange es noch etwas dämmert, erscheint der Laubwald wie das Innere einer Kapelle mit unregelmäßiger Bauform; später, wenn die Konturen der belaubten Äste nicht mehr auszumachen sind, wird das Bild flächig und verwandelt sich in eine Art Scherenschnitt, weil der Himmel hinter dem schwarzen Laub relativ hell bleibt. Ein schwarzweißes Bild, in dem man versuchen kann, ornamentale Muster zu erkennen. Und genauso, wie man manchmal bei Google Earth die Landschaft fälschlich im Negativ sieht – also etwa die eingeschnittenen Täler als Grate –, kann man sich jetzt einbilden, die Lichtflecken der Himmelshelligkeit zwischen dem Laub seien Girlanden von schwachen LED-Leuchten auf einem schwarzen Hintergrund. Und wenn es so weit ist, dass man sich darüber nicht mehr verwundert, schläft man vielleicht ein.
          Wunderschön.
          Überhaupt, ein Gedankenbericht.
          Danke.

          stoeps
          „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
          ― John Muir

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          • cane

            Alter Hase
            • 21.10.2011
            • 4401
            • Privat

            • Meine Reisen

            #45
            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

            Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
            OT: Boshafterweise (und um die Kritik an Saniboys Beitrag behutsam zu relativieren) könnte man darauf hinweisen, dass ja cane dieses Thema früher auch schon mal anders akzentuiert hat, als es um militärische Rucksäcke ging:
            https://www.outdoorseiten.net/forum/...=1#post1275603
            OT:
            Nein, da bezog ich mich auf die unsinnige Aussage "ich trage nur grün / nie Deuter / ...", das es ein militärischer Rucksack war war für meinen Kommentar nicht relevant. Ich hab zwischen 7 und 13 größtenteils Armeeklamotten getragen, allerdings einfach weil es praktisch und Robust ist und ich fast jeden Tag in der Landwirtschaft gearbeitet hab in dem Alter.

            Anyway - jedem das Seine, der Bericht ist Klasse.

            mfg
            cane

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            • changes

              Dauerbesucher
              • 01.08.2009
              • 981
              • Privat

              • Meine Reisen

              #46
              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

              <-- gespannt auf die Fortsetzung wartend ...
              Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
              Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

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              • Pathfounder
                Neu im Forum
                • 04.10.2006
                • 3

                • Meine Reisen

                #47
                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                genialer Bericht

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                • Igelstroem
                  Fuchs
                  • 30.01.2013
                  • 1888
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                  Tag 4 (Sonnabend, 17. Mai)

                  Sandhagen – Neuensund
                  28,4 km



                  In der Morgendämmerung fallen noch zwei Schüsse, beide nicht in meiner Nähe. Es ist Wochenende.


                  Schlafplatz mit Centurio


                  Ausblick über das Feld


                  Nach den Bilddaten zu urteilen stehe ich um halb acht auf, packe zusammen und verlasse den Wald. Die Sonne scheint. Dort wo ich gestern in den Wald abgebogen bin, befindet sich ein leerer Flachsilo. Ganz leer ist er freilich nicht. Es sieht so aus, als hätten die Autoreifen, die sonst zum Abdecken verwendet werden, als Slalom-Markierungen gedient, und außerdem liegen einige vergammelte Matratzen und verstreuter Müll herum. Es muss schon eine Weile her sein, aber man imaginiert die Anwesenheit von Menschen, die hier irgendwelchen Spaß hatten.



                  Flachsilo


                  Ich setze mich auf eine Betonkante, koche Kaffee und esse etwas. Morgens in der Sonne macht das immer Spaß. Noch ist das Aufstehen seliger als das Schlafengehen. Ob das irgendwann anders wird, wenn man mehr Routine bei der Schlafplatzsuche hat?


                  Erst um zwanzig nach neun mache ich mich auf den Weg. Wieder eine Sonnenetappe im Landgrabental, mit einem kleinen Schlenker Richtung Sandhagen, wo man einen vermutlich besseren Schlafplatz im trockenen Kiefernwald gefunden hätte. Aber das weiß man vorher nicht.

                  Feldweg, Sonne; in der Luft das zaghafte Gepiepse der Lerchen. Irgendwo links liegt der Putzarer See, aber man sieht ihn nicht, weil etwas Wald dazwischenliegt.


                  Irgendwann auf diesen Strecken habe ich angefangen, den Flow mit einer Melodie zu unterlegen. Nicht, dass ich gesungen hätte. Ich summe nur vor mich hin. Wäre jemand bei mir, würde das vielleicht auf Missbilligung stoßen. Aber im Kopf, wo sie kreist, ist die Musik völlig klar, als würde sie von einem Holzbläser-Ensemble gespielt, und hat auch die nötige Spannung, die beim Singen in der Kirche nie erreicht wird. Das Lied hat den Vorzug, dass man die Phrasierung und Akzentuierung ein bisschen variieren kann, dann fügt es sich immer wieder anders in den Rhythmus des Gehens, nimmt ihn auf und löst sich wieder davon. Was uns die Erde Gutes spendet.



                  Rastplatz im Landgrabental


                  Bei dem Dorf Schwichtenberg verlasse ich schließlich das Landgrabental. Der in West-Ost-Richtung verlaufende Fernwanderweg biegt hier für einen halben Tag nach Süden ab; wohl deshalb, damit man den Galenbecker See und die Brohmer Berge nicht verpasst. Ich habe es aber trotzdem geschafft, den Galenbecker See nicht zu sehen.


                  ›Vorpommern‹, denke ich im Thomas-Bernhard-Stil, während ich mich Schwichtenberg nähere. ›Wenn ich jetzt mit polnischem Akzent spreche, bin ich tot.‹ Im Hinterkopf geistern Geschichten von osteuropäischen Banden herum, die Bau- und Landmaschinen stehlen und also zum Beispiel mit einem Radlader gemütlich über die offene Grenze tuckern. Dabei war das gar nicht hier, sondern in der Lausitz.


                  Wo die Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern verläuft, weiß ich übrigens gar nicht so genau. Das ist etwas kompliziert, weil die historische Grenze mit den heutigen Kreisgrenzen jedenfalls nicht übereinstimmt. Wenn ich im Gespräch mit den Einheimischen einen Satz mit »Hier in Mecklenburg« oder »Hier in Vorpommern« beginne, werde ich mitunter korrigiert.







                  In Schwichtenberg begrüßt mich ein Wahlplakat der Linken: »Mehr Kultur wagen«. Auf der Festwiese veranstaltet die Jugendfeuerwehr eine Übung. Ich könnte meine Wasserflaschen auch auf dem Friedhof auffüllen, aber wenn es schon einmal so ist, frage ich doch lieber hier: Wo eine Feuerwehr ist, ist auch Wasser. In der Tat darf ich den Wasserhahn im Gerätehaus benutzen. Kurzes Gespräch über meinen Wanderplan und Klärung der Frage, ob es noch eine geöffnete Gaststätte in Schwichtenberg gibt. Das ist nicht der Fall, denn ›Dingens‹ hat neulich zugemacht. Ich soll entweder einen Umweg über den Lübkowsee gehen oder mich bis Galenbeck gedulden, das sind noch einige Kilometer. Ich gedulde mich also bis Galenbeck.

                  Zum Schluss mache ich noch eine Art Situationsfoto mit Jugendfeuerwehr, aber es wird leider nicht scharf. Man kann sich im Internet behelfen, denn Schwichtenberg hat eine eigene Website (www.schwichtenberg-online.de).



                  Halb zwölf ist es jetzt. Südlich von Schwichtenberg biegt mein Wanderweg (kurz hinter dem Findlingsgarten) von der kaum befahrenen Straße auf einen Feldweg ab – aber nach einer Weile stehe ich vor einer Bullenweide, wo angeblich Lebensgefahr droht.




                  Man sieht den Bullen nicht, aber vielleicht hat er sich irgendwo versteckt und wartet auf Streckenwanderer. Ich laufe nach links am Zaun entlang, dann folge ich einem Feldrand, der freilich sehr bequem zu laufen ist, nämlich ein gemähter Grasstreifen zwischen Feld und Wald in der Breite eines Eigenheimgrundstücks. Und wenn man um das kleine Waldstück halb herumgelaufen ist, kommt man tatsächlich wieder auf die Straße (L 311), an der ich nun bis Fleethof entlanglaufe. Böser Asphalt. Da hinten rechts am fernen Waldrand, wo mein Weg eigentlich langläuft, ist es sicher schön. Scheißbullen.


                  Auf der Straße liegt ein toter Rabe. Dabei kommt hier nur alle paar Minuten mal ein einzelnes Auto angefahren.


                  In Fleethof finde ich den Weg und auch die Markierung wieder. Ganz netter Feldweg, der in weitem Bogen um den Galenbecker See herumführt, ohne dass man den wirklich sieht. Etwas Schatten und heute, weil Sonnabend ist, auch hin und wieder Radfahrer. Irgendwo setze ich mich auf meinen Rucksack und entferne das gestrige Tape von meinen Fersen, weil es begonnen hat, Falten zu werfen und sich abzulösen. Ich komme im weiteren Verlauf ohne Tape aus. Aber jetzt muss ich erst mal meine Füße kratzen und massieren; sie jucken so schön, dass man gar nicht wieder aufhören möchte.





                  Zick und zack macht der Weg, dann kommen am Horizont die Brohmer Berge in Sicht. Links auf dem Feld machen zwei Traktoristen Pause an ihrem Gefährt. Das heißt, sie stehen da, und als ich mich nähere, werde ich gefragt: »Hamse dich hier abgesetzt?« Ich muss erst mal nach Luft schnappen, denn es kann ja eigentlich nicht sein, dass man zweimal dasselbe gefragt wird. Einmal »ausgesetzt« und einmal »abgesetzt«, das fällt mir allerdings sofort auf. Und die Folge ist, dass ich schon wenig später nicht mehr so genau weiß, wer jetzt eigentlich »ausgesetzt« gesagt hat und wer »abgesetzt«. Kann also auch umgekehrt gewesen sein.

                  Jedenfalls fange ich mich und sage: »Dasselbe bin ich gestern auch schon gefragt worden. Ich bin aber zum Wandern hier.« Und so weiter. Vorhin, erzählen die beiden, sei nämlich ein Auto vom Zoll vorbeigefahren. Da hätten sie gedacht, dass die mich vielleicht hier abgesetzt haben. Oder ausgesetzt.

                  Das Gespräch geht über meinen Wanderplan. »Nach Jacknitz ist es aber noch weit.« Ach so, nicht Jacknitz, sondern Jatznick. (Ich habe jedes Mal Mühe mit dem Ortsnamen. Jitznack könnte es ja auch heißen. Jacknitz gibt es gar nicht, Jitznack wahrscheinlich auch nicht. Man muss sich Jazz merken, darf es dann aber nicht so aussprechen.)

                  Nach einer Weile ist es so weit, dass ich meinen Beruf erklären muss. Dass ich dann wandern gehe zum Ausgleich, das leuchtet ihnen völlig ein. Und als ich schließlich gut gelaunt weitergehe – ziemlich gut gelaunt, denn ich mag solche Gespräche, die in kürzester Zeit gleichsam die Grenze dessen erreichen, was am Wegesrand möglich ist –, sagt noch der eine ganz unbefangen zum anderen: »Nu, da ham wa ja noch ne ganze Menge rausgekriegt.« Da hat er recht. Der Zoll ist womöglich wortkarger.



                  Kurz vor Galenbeck: Diesmal ist die Rotunde zugewuchert.


                  Gegen halb vier bin ich in Galenbeck. Gutshaus, Kirche, eine kleine geschlossene Gaststätte am Ortsrand. Ich bin übrigens heute nicht der Einzige, der hier eine Gaststätte sucht. Jemand bietet mir an, mich im Auto nach Neuensund mitzunehmen, da gebe es dann jedenfalls etwas. Aber ich bleibe dann doch, hole mir Wasser auf dem Friedhof und koche mir an dem kleinen Rastplatz in Sichtweite der Kirche einen Kaffee.



                  Kirche in Galenbeck


                  Was das Touristische angeht, bin ich lausig vorbereitet. Fünfhundert Meter wären es zum Seeufer, aber ich bin beim Blick auf meine Karte zu sehr auf den weiteren Weg fixiert, außerdem ist meine Karte zu schlecht. Bei Galenbeck gibt es in der Seeniederung eine kleine Burgruine; der Turm steht schief, weil der Untergrund nicht tragfähig ist. Diese Ruine – und ich bin ein Freund von Wüstungen und Ruinen – liegt wohl keine hundert Meter von meinem Rastplatz entfernt, aber ich weiß nichts davon und es stehen ein paar Bäume dazwischen; deshalb erfahre ich das erst einige Tage später aus dem Internet.


                  Von Galenbeck führt der Weg auf einer schönen unbefestigten Allee nach Rohrkrug. Weiter Ausblick nach beiden Seiten. Rechts steigt das Gelände leicht an zu den Brohmer Bergen, die den Horizont bilden, links fällt es leicht ab zum Galenbecker See.












                  Man durchquert Rohrkrug, dann das sehr schön gelegene, wie ein ungenutzter Urlaubsort wirkende Gehren. Es ist das Land der kurzgemähten Rasenflächen.


                  In irgendeinem der Dörfer werde ich am Gartenzaun angesprochen und halte mich vielleicht zwanzig Minuten auf. Ich bekomme ein Leben erzählt.

                  Fünf Jahre bei den Fallschirmjägern, dann den Dienst quittiert, als er Testspringer werden sollte. Später Spezialbetonbau: Bunker für die NVA. Jetzt seit ein paar Jahren arbeitslos. Die Welt ist überwiegend schlecht, und die da oben haben eine Meise oder mehrere. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Kommunalwahl zugleich mit der Europawahl. Er wird nicht hingehen. Oder doch; aber nur, um denen einen zerrissenen Wahlzettel hinzuwerfen. Die Dörfer sehen akkurat aus, na klar. Soll ich Dir sagen, warum? Das sind alles Rentner hier. Wer Arbeit hat, macht Alten- oder Krankenpflege und muss fahren. Der Streifen zwischen Grundstück und Straße muss jetzt immer begrünt sein, deshalb sehen die Dörfer so gepflegt aus. Und wer muss das alles mähen? Die Grundstückseigentümer. Schuld daran sind die Grünen. Und an jedem Baum eine Plakette mit einer Nummer. Das ist die Baumzählung.
                  Die Sozialleistungen sind ungerecht verteilt. Die Polen kriegen Kindergeld, wenn sie sechs Monate hier gearbeitet haben. Er kriegt vom Amt 1,60 EUR im Monat zusätzlich als Energiekostenzuschuss, weil seine einjährige Enkeltochter in seinem Haushalt lebt. ›Das Amt denkt wohl, dass ich das Kind mit kaltem Wasser waschen soll.‹

                  Und so weiter. Seine Frau ist heute Abend zu einer Geburtstagsfeier in der Verwandtschaft. Aber er geht da nicht hin. Die haben alle Arbeit, und die reden dann über ihre Arbeit. Da will er nicht dabei sein. Er hat noch eine Weile zu tun, aber nachher wird er sich mit einer Kiste Bier in seine Garage setzen, ganz am Ende des Grundstücks. Guten Weg noch. Oder willste auch nen Bier?

                  Ich lehne dankend ab. Bier könnte die Beine schwer machen, und womöglich bricht man dann mitten im Naturschutzgebiet schlafend zusammen.


                  Während ich weitergehe, denke ich: ›Aber Du wohnst in Deinem eigenen Haus mit Ausblick in die Landschaft. Die gutverdienenden Angestellten in Berlin träumen nur davon. Ganz zu schweigen von Hartz-IV-Empfängern in der Stadt.‹







                  Hinter Gehren führt der Weg als Kopfsteinpflasterstraße weiter bergauf, dann durch ein Naturschutzgebiet. Inzwischen ist es Zeit, sich nach einem Schlafplatz umzusehen. Am Ende des Naturschutzgebietes, am Waldrand, gibt es einen Rastplatz mit überdachtem Tisch. Hier könnte man sich niederlegen, aber genau genommen gehört der Rastplatz noch zum Naturschutzgebiet.

                  Ich entschließe mich, noch Richtung Neuensund weiterzulaufen, und eventuell über den Ort hinaus in den Wald.

                  Es geht auf einer Asphaltstraße bergab, denn Neuensund liegt am Fuß der Brohmer Berge. Der Himmel hat sich inzwischen eingetrübt. Man hat unterwegs einen weiten Ausblick: In nordöstlicher Richtung scheint es sogar zu regnen, aber es zieht vorbei. Hier und da könnte man zur Not am Rande eines Waldstücks schlafen, aber letzten Endes laufe ich nach Neuensund hinein.



                  Dort gibt es einen großen Gutshof, der jetzt, wie ich später im Internet nachlese, von drei Berlinern restauriert und betrieben wird. Architekten und Kulturschaffende sozusagen. Es gibt sogar Zimmer zum Übernachten und neuerdings die Möglichkeit, auf dem Gelände zu zelten. Das steht auf einem Schild. Ich würde jetzt gerne. Vielleicht würde ich sogar ein Zimmer bevorzugen, denn der Wetterbericht ist ungünstig, wie ich heute unterwegs erfahren habe.


                  Aber die Gaststätte ist geschlossen und es ist niemand zu sehen. Auf der Informationstafel steht eine Mobilfunknummer, die man wählen soll, wenn man vor verschlossener Tür steht. Nur habe ich leider keinen Empfang. Ich merke mir die Nummer und gehe im Ort ein Stück zurück, weil es dort bergauf geht. Und in der Tat habe ich dann Empfang. Ein Auto mit zwei kräftigen, irgendwie tätowierten Gestalten fährt derweil auf der Dorfstraße vorbei. So stelle ich mir eine vorpommersche Nazi-Streife vor. Aber ich habe ja jetzt zu tun, muss telefonieren.

                  Rückrufbitte per SMS. Sagen Sie jetzt bitte ›Ja‹. Ich sage ›Ja‹, aber es wird keine Folgen haben. Da ich so schnell nicht aufgeben will, versuche ich auf anderem Wege herauszufinden, wer für die Zimmervermietung zuständig ist. Ich frage also an einem Grundstück, wo gerade vier Leute draußen am Gartentisch sitzen. Genau genommen stehe ich am Zaun und der Hund bellt, während die vier mich fragend ansehen – ein bisschen so wie auf dem Bild ›Einladung‹ von Michael Sowa. Ich würde da vielleicht noch heute so stehen und mich verbellen lassen, wenn ich nicht theatralisch gerufen hätte: »Hallooo – ich habe eine Frage!«
                  In der Tat steht dann jemand auf und ich bekomme auch die gewünschte Auskunft. Ist auch nicht so, dass die Leute unfreundlich wären. Ich werde an Frau XY verwiesen, die da oben in dem und dem Haus wohnt. Auf dem Weg dahin frage ich noch einmal jemand anderen, weil ich gerade Leute auf der Straße treffe.

                  Das Haus finde ich nach einer Weile, aber die Klingel ist defekt und auf mein mehrmaliges Klopfen geschieht nichts.


                  So gehe ich schließlich äußerst schlecht gelaunt davon, um mir einen Platz im Wald zu suchen. ›Die Leute leben hier nicht vom Tourismus; man lässt mich auflaufen.‹ Ungefähr das ist das Gefühl. Ein bisschen zu empfindlich vielleicht. Mehrmals heute hat man mir eine Einkehrmöglichkeit für das übernächste Dorf angekündigt, aber alles war geschlossen. Dann habe ich ›unter Aufbietung aller Kommunikationskompetenz‹ versucht, mir eine reguläre Unterkunft zu verschaffen, die es ja immerhin gab, und bin dabei gescheitert. Wenn jetzt jemand käme und mir sagte, es sei aber nicht erlaubt, im Wald zu schlafen …

                  Es kommt aber niemand.


                  Ich laufe nicht mehr allzu weit, sondern schlage mich einige hundert Meter hinter Neuensund in den Wald, erst rechts, dann doch lieber links. Die Suche dauert wieder eine Weile. Dann finde ich eine schöne Stelle unter einem kleinen Laubbaum, fast wie unter einem Schirm, wo ich einen vagen Ausblick aus dem Wald habe, zugleich aber nicht gesehen werden kann. Wenn ich mich aufrichte, kann ich durch den Wald bis zur Straße gucken – bin vielleicht fünfzig Meter entfernt und zugleich ein paar Meter höher –, aber auf dieser Straße fährt während der ganzen Zeit bis zu meinem morgendlichen Aufbruch niemand vorbei.



                  Mein Schlafplatz liegt links im Wald.



                  Die Nacht ist ruhig. In der Ferne fallen wieder vereinzelt Schüsse, in Neuensund bellt ein Hund. Ein nachtaktiver Käfer brummt in meiner Nähe. Aber von Rehen und Wildschweinen ist diesmal nichts zu hören. Ich rechne damit, dass es zu regnen beginnen könnte, habe aber trotzdem das Tarp nicht aufgespannt, sondern untergelegt. Falls es regnet, werde ich ein bisschen zur Seite rücken und das Tarp über den Schlafsack schlagen. Für eine Weile wird das wohl ausreichen, denke ich mir.


                  Dezimalgrad-Koordinaten: 53.5862, 13.7878
                  Zuletzt geändert von Igelstroem; 01.06.2014, 01:04.
                  Lebe Deine Albträume und irre umher

                  Kommentar


                  • Jack68
                    Erfahren
                    • 30.03.2012
                    • 401
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                    " ›Aber Du wohnst in Deinem eigenen Haus mit Ausblick in die Landschaft. Die gutverdienenden Angestellten in Berlin träumen nur davon. Ganz zu schweigen von Hartz-IV-Empfängern in der Stadt.‹"

                    Ja, das hilft nur keinem, der keinen Job hat.

                    Der geht nicht zum Geburtstag, weil er Angst vor den Angestellten hat...

                    Deine Naturbeschreibungen sind einfühlsamer....

                    Toller Bericht!
                    ...

                    Kommentar


                    • Igelstroem
                      Fuchs
                      • 30.01.2013
                      • 1888
                      • Privat

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                      #50
                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                      Zitat von Jack68 Beitrag anzeigen
                      " ›Aber Du wohnst in Deinem eigenen Haus mit Ausblick in die Landschaft. Die gutverdienenden Angestellten in Berlin träumen nur davon. Ganz zu schweigen von Hartz-IV-Empfängern in der Stadt.‹"

                      Ja, das hilft nur keinem, der keinen Job hat.

                      Der geht nicht zum Geburtstag, weil er Angst vor den Angestellten hat...

                      Deine Naturbeschreibungen sind einfühlsamer....:
                      Ich dachte mir schon, dass zu dieser Episode irgendwas kommt.

                      Mir stand ein anderer Reisebericht warnend vor Augen, in dem die beobachteten Personen regelrecht bloßgestellt werden. Deshalb habe ich verschwiegen, in welchem Ort das Gespräch konkret stattgefunden hat, und habe versucht, die Aussagen meines Gesprächspartners nur in ihrer Eigenlogik zu protokollieren. Dasselbe gilt aber für meinen eigenen Gedanken. Er enthält gar kein abschließendes Urteil, sondern ich zeichne auf, was mir durch den Kopf geht, da ich ja als Wanderer als Erstes nur das Idyllische der Wohnlage sehe. Das mit der Geburtstagsfeier habe ich wiedergegeben, weil es mich genauso berührt hat wie Dich. (Edit: Und ich habe heute Nacht eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob man deshalb das vorhergehende »Und so weiter« wieder rausstreichen muss.)
                      Zuletzt geändert von Igelstroem; 01.06.2014, 11:38.
                      Lebe Deine Albträume und irre umher

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                      • Jack68
                        Erfahren
                        • 30.03.2012
                        • 401
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                        #51
                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                        Deshalb habe ich es ja auch freundlich formuliert...

                        Wenn man selbst nicht in der Situation ist, richtet man (auch ich selbst) immer so schnell...ich hab einen Freund, den frage ich schon nicht mehr, wie die Bewerbungen laufen...er empfindet alles als Angriff...

                        Und wenn man sich mal vorstellt, das viele Gegenden in den neuen BL fast komplett "entindustriallisiert" sind...viele der "Jammerer" sind in einem Alter, wo der geistige Wandel fast unmöglich ist...

                        Ein schwieriges Thema...
                        ...

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                        • robart
                          Neu im Forum
                          • 26.05.2014
                          • 6
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                          #52
                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                          Mir kam das überhaupt nicht bloßstellend vor. Sicher hat der Mann lamentiert, und sachlich mag die eine oder andere Aussage auch komplett falsch gewesen sein, aber schließlich wurde ihm offenbar mit der Wiedervereinigung die bisherige Lebensplanung unter den Füßen weggezogen und keine wirklich tragfähige neue angeboten. Außer natürlich in wirtschaftlich entwickeltere Regionen abzuwandern. Was würde ich mit einer solchen Biographie im Rücken so alles erzählen?

                          Aber zurück zu meinem eigentlichen Anliegen: Deine Naturbeschreibungen lese ich mit großem Interesse. Aber oft wird es bei Dir so richtig spannend - so ist zumindest mein Eindruck - wenn Du auf andere Menschen triffst. Den Eindruck hatte ich auch bei der verregneten Schwarzwald-Wanderung. Einen Mangel an Einfühlungsvermögen konnte ich da bislang nicht feststellen, vielmehr hatte ich manchmal den Wunsch, dass Du diese Sequenzen noch weiter ausbaust. Denn letztlich gehört der Mensch bei Wanderungen in Mitteleuropa ja fast zwangsläufig zum Terrain dazu.

                          Grüße, Rolf

                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                          Mir stand ein anderer Reisebericht warnend vor Augen, in dem die beobachteten Personen regelrecht bloßgestellt werden. Deshalb habe ich verschwiegen, in welchem Ort das Gespräch konkret stattgefunden hat, und habe versucht, die Aussagen meines Gesprächspartners nur in ihrer Eigenlogik zu protokollieren. Dasselbe gilt aber für meinen eigenen Gedanken. Er enthält gar kein abschließendes Urteil, sondern ich zeichne auf, was mir durch den Kopf geht, da ich ja als Wanderer als Erstes nur das Idyllische der Wohnlage sehe. Das mit der Geburtstagsfeier habe ich wiedergegeben, weil es mich genauso berührt hat wie Dich. (Edit: Und ich habe heute Nacht eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob man deshalb das vorhergehende »Und so weiter« wieder rausstreichen muss.)
                          www.mtw-faltboot.de - Geschichte & Praxis der Faltboote aus Wismar

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                          • Igelstroem
                            Fuchs
                            • 30.01.2013
                            • 1888
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                            #53
                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                            Tag 5 (Sonntag, 18. Mai)

                            Neuensund – Jatznick
                            10,9 km



                            Um halb sechs wache ich davon auf, dass es anfängt zu regnen. Oben im Blätterdach rauscht es behutsam, ohne dass es diesmal der Wind wäre. Unten bei mir kommt zunächst nichts an. Ich beobachte das noch zwei, drei Minuten. Dann entschließe ich mich aufzustehen und schaffe es auch noch, meinen Kram trocken zusammenzupacken.

                            Nur der Schrittzähler, den ich gestern Abend ausnahmsweise vom Gürtel gelöst und mit in jenen Ziplocbeutel geworfen habe, in dem ich tagsüber das Tarp und nachts die Utensilien aus den Hosentaschen aufbewahre, geht dabei verloren. Er liegt jetzt wohl unter der angegebenen geographischen Position im Wald und zeigt die 41 600 Schritte des Vortages an. Aber sein Fehlen bemerke ich erst nach einigen Kilometern.


                            Kurz nach sechs ist es, als ich draußen zwischen Wald und Feld bei zunächst noch leichtem Regen (der mir nach drei Sonnentagen fast erfrischend vorkommt) meinen Kaffee koche.



                            Landschaftskaffee



                            Zum Verzehr desselben setze ich mich am Waldrand auf einen Baumstumpf, wo es noch immer nicht regnet. Und danach wird eben der Vollschutz angelegt und losgewandert. Durch den Wald, wo ich gestern schon einmal zur Schlafplatzsuche war; dann am Schmiedegrundsee vorbei, der links ›tief im Tal‹ liegt.


                            Als ich die L 32 erreiche, überlege ich mir, dass ich vielleicht nach Rothemühl hineinlaufen sollte, um noch einmal Trinkwasser zu besorgen, denn ich habe nur noch wenig. Inzwischen hat aber der Regen immer weiter zugenommen, und nachdem ich zweihundert Meter auf der Straße gelaufen bin, komme ich auf die Idee, dass man ja mal ausprobieren könnte, Wasser mit dem Tarp aufzufangen.

                            Das mache ich dann auf einem etwas abschüssigen Seitenweg. Es funktioniert auch. Nur lasse ich eben das Wasser anschließend auch noch durch den Filter laufen, und während des Hantierens mit diversen Ausrüstungsteilen im strömenden Regen wird einerseits der Rucksack nass; andererseits scheint sich auch Wasser durch die Regenjacke zu drücken, während ich in der Hocke bin und die Jacke über den Schultern spannt. Was immer da genau passiert – ich bin jedenfalls nach einer Viertelstunde nasser unter den Regenklamotten, als ich es während der Schwarzwald-Tour je war. Das Gleiche gilt für die Seitentaschen des Rucksacks.


                            Immerhin schaffe ich es aber hinterher noch, an der Straße das passende Foto zu machen:





                            Die Nässe am Körper ist nicht besonders bedrohlich, denn es ist nicht sehr kalt und ich bleibe beim Weitergehen gut temperiert. Der weitere Weg führt an Rothemühl und an seinem schön gelegenen Forstamt vorbei; in dieser Gegend hole ich zum letzten Mal die Kamera hervor.






                            Allerdings ist die Kennzeichnung des Weges teilweise unzureichend, sein Verlauf weicht von meiner Kartendarstellung ab, und im Übrigen wird das Druckerpapier meiner Kartenausschnitte schon unter dem Eindruck weniger Wassertropfen windelweich, so dass ich irgendwann eines der Blätter genervt zu einer nassen Papierkugel zusammenknülle, weil es sich nicht mehr in die Kartenhülle zurückschieben lässt.


                            Der Weg windet sich nun rechts oder links der Straße durch den Wald, bis man jene Stelle erreicht, wo die L 32 eine letzte Rechtskurve macht und dann ziemlich geradlinig auf den Bahnhof Jatznick zuläuft. Das sind dann die letzten vier oder fünf Kilometer.

                            In Höhe dieser Kurve findet man einen größeren Rastplatz, sozusagen eine vergrößerte Version der gewohnten Rotunde. Hier treffe ich zu meinem Erstaunen einen Radfahrer. Ich halte ihn zuerst für einen pausierenden Radwanderer, aber schon das etwas klapprige Damenfahrrad spricht dagegen. Tatsächlich handelt es sich um einen älteren Mann, der offenbar unter dem Dach ein ernsthaftes Feuer gemacht hat; etwas Glut ist noch übrig. Wir unterhalten uns eine Weile. Auch jetzt geschieht etwas zum zweiten Mal: Er erzählt aus seinem Leben (ist zu DDR-Zeiten Maurer gewesen) und ›lamentiert‹ über die derzeitige Situation. Freilich wird mir nicht ganz klar, ob er hier etwa die Nacht verbracht hat oder sehr früh morgens zu einem Ausflug im Regen aufgebrochen ist; jedenfalls scheint er, nach seiner Ortskenntnis zu urteilen, in der Region zu wohnen.


                            Das Wanderwegzeichen weist entgegen meiner Karte nach links in den Wald. Der Mann rät mir, lieber der Straße zu folgen. Das tue ich dann – vor allem deshalb, weil eben die Kennzeichnung im Wald unzuverlässig ist, mein Kartenausschnitt dort irgendwo endet und ich keine Lust habe, bei diesem Wetter nur nach Kompass durch den Wald zu laufen, wenn ich den Wanderweg verliere. Ich mache mich also auf den Weg, die Straße entlang; zügig, aber ohne vorher die Abfahrtszeiten der Züge zu ermitteln, denn ich will mich jetzt nicht von einem Bahnfahrplan hetzen lassen.



                            Wenn ich mich recht entsinne, erreiche ich den Bahnhof Jatznick um viertel vor elf. Jedenfalls stelle ich dort fest, dass ich noch eine Dreiviertelstunde Zeit habe, bis der Zug kommt. Der Bahnhof liegt etwas abseits der Ortschaft: Es gibt ein paar Häuser, man kommt an der ›Forstsamendarre Jatznick‹ vorbei, die auf den ersten Blick wie ein Hotel oder ein Altenheim aussieht; Menschen sind aber nirgends zu sehen. So kann man sich hier jetzt praktisch nackt ausziehen, ohne dass es jemand bemerkt. Ich ziehe das letzte trockene T-Shirt an; dann packe ich den Kocher aus und koche auf dem Bahnsteig Kaffee. Der Regen hat sich inzwischen zu einem leichten Nieseln abgeschwächt.

                            Zeitlich kommt alles hin: Als der Zug einfährt, ist alles wieder eingepackt und ein leicht feuchter Wanderer mit sauberem T-Shirt steigt ein. Die Tour ist beendet. Das Ziel wurde erreicht, Grenzen wurden kaum überschritten, außer der zwischen Mecklenburg und Vorpommern; vier Schlafplätze wurden gesucht und gefunden.


                            Auf dem Bahnhof Pasewalk, wo der Zug einige Minuten Aufenthalt hat und man kurz auf den Bahnsteig gehen kann, steuert jemand die allerletzte Anekdote zum Bericht bei, indem er mich fragt: »Sind Sie in Prenzlau?« Ich kapiere das zuerst nicht. Aber da ich ja nicht gut zu ihm sagen kann: »Nein, ich bin in Pasewalk, genauso wie Sie«, sage ich erst mal gar nichts, bis er dann ergänzt: »Ich meine, sind Sie in Prenzlau stationiert?« Dann finde auch ich wieder in meine Routine zurück und gebe ihm die übliche Auskunft. Sehr beeindruckt wirkt er nicht.

                            ***
                            Lebe Deine Albträume und irre umher

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                            • utor
                              Erfahren
                              • 30.06.2006
                              • 288
                              • Privat

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                              #54
                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                              Hey, schöner Bericht mit ner sehr unterhaltsamen Schreibe!

                              Die Ecke ist zwar nicht besonders spektakulär aber manchma muss
                              das ja auch gar nicht unbedingt sein und anscheinend hattest du ja
                              trotzdem deinen Spass.

                              Merci.
                              "Dinge, die wie Dinge aussehen wollen, sehen manchmal mehr wie Dinge aus, als Dinge." TP
                              ----
                              fotos vom draussen.

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                              • Pfad-Finder
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                                Liebt das Forum
                                • 18.04.2008
                                • 11913
                                • Privat

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                                #55
                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                Großes Kino in Breitwandformat.
                                Schutzgemeinschaft Grüne Schrankwand - "Wir nehmen nur das Nötigste mit"

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                                • Honkahonka
                                  Anfänger im Forum
                                  • 25.01.2014
                                  • 19
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                  Wie auf der ersten Seite schon gepostet: Danke für den toll verfassten Bericht. macht Lust auf eine Gegend, die ich eher zu übersehen neige ;)

                                  Alpenländler halt...



                                  Stelle ich mir bei Schlechtwetter trotzdem auch gemütlich vor. Wenn mans mag.

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                                  • Igelstroem
                                    Fuchs
                                    • 30.01.2013
                                    • 1888
                                    • Privat

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                                    #57
                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                    Danke fürs Lesen und Kommentieren. Meistens wird ja zu Reiseberichten entweder nur das Positive oder sonst lieber gar nichts geschrieben, schon aus Höflichkeit. Wenn ich meine eigenen wiederlese, gibt es immer auch Dinge, die mich stören. Deshalb hat man manchmal ganz hinten im Gehirn den Wunsch, dass mal jemand eine schonungslose Kritik vorträgt: zum Beispiel an dieser Art, die unspektakuläre Wirklichkeit so lange durchzukitzeln, bis eine erzählbare Anekdote herauskommt; oder an der Überbetonung zufälliger unheroischer Befindlichkeiten. Die Neuensund-Episode ist ja eigentlich ziemlich unrühmlich für mich: Jemand kommt abends in einen Ort, hat plötzlich Lust auf eine zivilisationsnahe Übernachtung und ärgert sich dann über Unschuldige, wenn er trotzdem im Wald schlafen muss, wie er es ursprünglich sowieso vorhatte.


                                    Apropos: Möchte noch irgendjemand etwas über Ausrüstungsfragen wissen? Bin ja gelegentlich in Versuchung, ein paar ungestellte Fragen zu beantworten ...
                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

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                                    • lina
                                      Freak

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                                      • 12.07.2008
                                      • 42859
                                      • Privat

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                                      #58
                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                      Mir scheint, Du beschreibst den Fluch des eigenen Stils, welchen der Autor hinterfragt – aber nur deshalb, weil er sich schon seeehr lange kennt Die weitere Leserschaft aber freut sich einfach, genießt und wünscht sich: Bitte mehr ’von! Also: Schreib, schreib!

                                      Und Ausrüstungsfragen? Gerne! :-) Gerade nach längeren Reisen finde ich es immer interessant, was jemand warum anders gemacht hat als letztes Mal, und was er das nächste Mal ändern oder/und ausprobieren möchte.
                                      Zuletzt geändert von lina; 07.06.2014, 21:18.

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                                      • Igelstroem
                                        Fuchs
                                        • 30.01.2013
                                        • 1888
                                        • Privat

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                                        #59
                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                        Also zur Ausrüstung:

                                        (1) Die Frage nach dem eierlegenden Wollmilch-Baselayer (d.h. nach dem für meine Ansprüche idealen T-Shirt) ist inzwischen geklärt. Leider mussten dafür kostspielige Umwege gegangen werden. Ich habe inzwischen festgestellt, dass ich Merino nicht auf der Haut tragen kann. Reine Baumwolle steht natürlich auch nicht zur Debatte. Das verschiedentlich getragene Polyamid-Meryl/Mikro-Modal-T-Shirt (›Mey Software‹) ist zwar brauchbar, hat aber nur mittelmäßige Trocknungseigenschaften und ist relativ teuer.
                                        Letztlich habe ich jetzt einen materialmäßig modifizierten Nachbau des Bundeswehr-Tropenunterhemdes angeschafft. Das Original besteht aus einer Baumwoll-Polyamid-Mischung, der Nachbau (nicht MilTec, sondern AR-Tactical) besteht aus 60 % Baumwolle und 40 % Polyester. Die Trocknungseigenschaften sind hervorragend, die Verarbeitungsqualität ist okay, ferner ist der Stoff sehr formbeständig, so dass beim ersten Waschen sogar die Lagerfalten erhalten bleiben. Der Schnitt ist vergleichsweise vorteilhaft, nämlich relativ lang und eher schmal. Nur der Rundhalsausschnitt könnte geringfügig enger sein. Dieses T-Shirt kann man für 10-12 EUR kaufen; anders als beim Original stehen drei verschiedene Farben zur Auswahl. ›Natürlich‹ muss man dann noch die Hoheitszeichen und die beiden Klettbandstreifen auf der Vorderseite abtrennen; Letzteres vor allem dann, wenn man vorhat, Wolle darüber zu tragen.

                                        (2) Die Weiterentwicklung des Schlafsystems ist trotz neuer Erkenntnisse immer noch ungeklärt. Die Idee beim Tarp war eigentlich schneller Auf- und Abbau, geringes Gewicht und knapp ausreichender Regenschutz. Aber mit Leinen, Heringen und Bodenplane wiegt die ganze Konstruktion eben doch fast 700 g, und den Aufbau fand ich immer noch zu kompliziert. Zumindest müsste man sich auf eine bestimmte Aufbauform festlegen, damit klar ist, welche Befestigungsmittel man braucht und wie sie angebracht werden, so dass man nicht abends im Regen noch eine Reihe Knoten machen muss. Nach Lage der Dinge kommt eigentlich am ehesten eine Halbpyramide in Frage, die längsseitig mittels einer 115-cm-Tarpstange aufgerichtet wird.
                                        Man könnte aber auch ein Zelt kaufen. Wenn mir jemand eine Pistole an den Kopf hält und sagt: »Welches Zelt willst Du haben, ich bezahle es«, werde ich keinen Thread im Forum eröffnen, sondern wie aus der Pistole geschossen antworten: »Six Moon Designs Skyscape Trekker«. Aber erstens wird halt niemand sagen »ich bezahle es«, und zweitens wird die Schlafplatzsuche in der deutschen Kulturlandschaft durch diese Aufrüstungsmaßnahme nicht unbedingt einfacher.
                                        Das Gegenmodell zum Zelt wäre ein geschickter Gebrauch eines der beiden vorhandenen Biwaksäcke. Der Macpac Bush Cocoon (mit Gestängebogen) bietet zwar relativ guten Regen- und Mückenschutz und ist theoretisch universell einsetzbar. Nur scheint mir die Wasserdampfdurchlässigkeit (vulgo Atmungsaktivität) eher mittelmäßig zu sein, und schon bei geschlossenem Moskitonetz wird es im Inneren schnell stickig. Außerdem ist eben der Gestängebogen nur etwa 55 cm hoch. Es bedarf einer gewissen Akrobatik, um hineinzukommen, und wie in jedem Biwakzelt ist zum Beispiel jeglicher Klamottenwechsel ein ›perfektes Bauchmuskeltraining‹, wie mal jemand in einem anderen Thread geschrieben hat. Man könnte irgendwie ein Tarp über den Eingang spannen – aber der Cocoon mit Gestängebogen wiegt selbst schon fast 1100 g.
                                        Alternativ könnte man den britischen Tarn-Biwaksack mitnehmen und eine bestimmte pragmatische Modifikation vornehmen. Der Sack hat nämlich ein Zugband am Kopfende und ist im oberen Bereich so weit geschnitten, dass man durch eine erhöhte Aufhängung des Zugbandes eine Art Zelteinstieg von bis zu 70 cm Höhe herstellen könnte. Das sieht mit Tarpstange ungefähr so aus:



                                        Wenn man jetzt vielleicht noch die Regenjacke geschickt über die Abspannung breitet, hat man vielleicht einen hinreichenden Regenschutz. Allerdings muss die Tarpstange dabei nah am Kopf stehen, und ich bezweifle, dass diese Konstruktion hinreichend stabil ist, selbst wenn man das Fußende am Boden fixiert.
                                        Besser wäre also eine Aufhängung des Zugbandes an einem Ast über dem Kopf. Das würde bedeuten: Bei stabilem Wetter kann man sich mit dem Biwaksack irgendwo hinlegen; bei drohendem Regen muss man sich einen Platz suchen, wo man nachts kurzfristig das Zugband mittels einer Verlängerungsleine so einhängen kann, dass der Kopfbereich (notfalls unter Beiziehung der Regenjacke) gegen Regen geschützt ist. Das müsste man mal ausprobieren.
                                        Der Vorzug des britischen Biwaksacks gegenüber dem Macpac Bush Cocoon besteht nicht so sehr im Gewicht (800 statt 1100 g), sondern in den mutmaßlich besseren Dampfdurchlässigkeits- und Belüftungseigenschaften, natürlich dann auf Kosten des Mückenschutzes. Es ist aber tatsächlich so, dass ich, solange es nicht regnet, am liebsten im Freien liegen würde, und erst bei Regen müsste dann irgendeine einfache Modifikation im Kopfbereich vorgenommen werden, die es erlaubt, den Nachtschlaf in Ruhe zu beenden; einen Tag abwettern (wie im Zelt) kann man so natürlich nicht.
                                        Generell ist eben der Gebrauch eines Zeltes ein Zelten im Wald oder in der freien Landschaft; und das Ideal, das dagegensteht, ist, dass man nichts aufbaut, sondern nur etwas aus dem Rucksack nimmt, es hinwirft und hineinsteigt, sich also gleichsam aus dem Laufen heraus getarnt schlafenlegen kann. Der britische Biwaksack kommt dem am nächsten. Im Prinzip kann man, wenn es schnell gehen muss, sogar nach Öffnung des Isomattenventils das Schlafsystem als Ganzes (d.h. Biwaksack mit innenliegender Isomatte und Schlafsack) komprimiert zusammenrollen und in einen Packsack bzw. in den Rucksack verstauen. Das wäre zum Beispiel dann von Interesse, wenn man nachts der Bitte des Jagdpächters nachkommt, schleunigst den Schlafplatz zu wechseln.

                                        (3) Zum ersten Mal habe ich meinen neuen Daunenschlafsack (Roberts Ultralight 400 mit Pertex Quantum Endurance als Außenhülle) verwendet. Die niedrigste Temperatur, die ich gemessen habe, war 6 °C (in der ersten Nacht). Dann ist der Schlafsack angenehm; in den folgenden Nächten war er bei 10-12 °C fast schon reichlich warm. Er ist also wärmer als mein doppelt so schwerer Kunstfaserschlafsack. Die Feuchtigkeitsaufnahme war minimal. Nach der letzten Etappe hatte der Packsack sogar einen feuchten Fleck, aber das Gewicht des Schlafsacks bei der Ankunft zuhause lag nur 20 g über dem Gewicht nach Trocknung. Das heißt: Der Feuchtigkeitseffekt von vier Nächten im Freien war nicht größer als der Effekt, der durch die Schwankungen der Ausgleichsfeuchte ohnehin entstehen würde. Das wundert mich etwas. Tagsüber gelüftet habe ich den Schlafsack unterwegs nur einmal (siehe Bild oben im Bericht).

                                        (4) Die Regenklamotten (Jacke und Hose) sind mit insgesamt 800 g zu schwer. Da bei meinem Aktivitätsgrad nach den bisherigen Erfahrungen die Wasserdampfdurchlässigkeit nicht entscheidend ist, werde ich mich nach einer leichten, billigen, primitiven Alternative umsehen, z.B. Quechua RainCut oder dergleichen, und diese zunächst in der Stadt (auf dem Fahrrad) testen.

                                        (5) Der Mücken- und Zeckenschutz war im Prinzip ausreichend. Ich habe die beim Schlafen freiliegenden Bereiche (Kopf, Nacken, Arme) mit Antibrumm behandelt und bin dort nicht gestochen worden. Gestochen wird man aber während der abendlichen Schlafplatzsuche auch durch das T-Shirt, so dass man gut daran tut, sich rechtzeitig den Rücken und Teile der Hose einzusprühen. Nachts habe ich außerdem ein Kopfnetz getragen. Der thermische Effekt ist größer als erwartet. Das heißt: Man kommt bei Temperaturen zwischen 5 und 10 Grad noch gut ohne Sturmhaube aus, wenn man nur ein Moskitonetz über den Kopf zieht. Allerdings finde ich bei Temperaturen über 10 Grad die Luft unter dem Netz dann schon wieder stickig, obwohl es wirklich sehr leicht ist.
                                        Nach der Tour habe ich eine Zeckennymphe an der Wade gefunden und entfernt. Ich habe ja den Verdacht, dass sie mitgereist ist und mich erst zuhause gebissen hat.

                                        (6) Das Ernährungskonzept hat sich im Großen und Ganzen bewährt:
                                        Knäckebrot (nur ca. 50 g/Tag);
                                        Salami (kein Hartkäse: wegen manifester Haltbarkeitsprobleme);
                                        Schokolade (wichtig);
                                        Cashewkerne (sollten tendenziell gesalzen sein); Verbrauch war aber diesmal nur 100 g pro Tag. Wenn man wesentlich mehr davon isst, hat das bestimmte Auswirkungen auf die Verdauung;
                                        Brausetabletten (Magnesium + Vitamin C); Magnesium ist auch in den Cashewkernen enthalten; es geht eher darum, sich eine Abwechslung vom Leitungswasser zu verschaffen und eventuellen Chlorgeschmack zu neutralisieren, wenn man das Wasser chemisch behandelt hat.
                                        Bei diesem Konzept wird damit gerechnet, dass man hin und wieder einkehrt oder Obst/Gemüse zum sofortigen Verzehr kauft.

                                        (7) Der elektronische Schrittzähler dient zu zwei Zwecken: erstens zur Messung von kürzeren Abständen unterwegs (also z.B. bis zur gesuchten Abzweigung, die laut Karte nach ca. 2 km Entfernung kommen sollte), zweitens zur Feststellung der täglichen Laufleistung unter Berücksichtigung der Abweichungen von der Route. Das Gerät arbeitet im Prinzip zuverlässig, d.h. es zählt die Schritte und sonst nichts. Eine automatische Umrechnung in die Entfernung ist überflüssig und nicht unbedingt sinnvoll. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die Schrittlänge auf Parkett und Asphalt zwar 85 cm beträgt, auf Naturwegen aber nur etwa 75 cm. Die Umrechnung in eine Entfernung ist also geländeabhängig und erfolgt deshalb besser im Kopf.

                                        (8) Zum Kartenmaterial: In Zukunft werde ich wieder in die sauren Äpfel des Landesvermessungsamtes beißen. Die Screenshot-Ausdrucke waren zwar schön gewichtslos, aber es fehlte eben außer der Farbe hin und wieder auch der Überblick über die weitere Umgebung der Route.



                                        Edit (zum Schlafsystem):
                                        Die folgende Variante wäre aber auch eine ernsthafte Option.



                                        Automatik-Trekkingschirm, evtl. am halbleeren Rucksack fixieren bzw. in diesen hineinstecken. Die Wanderschuhe passen auch noch mit unter den Schirm. Jedenfalls soll die Schirmkante hinten auf dem Boden aufliegen, damit der größte Teil des auf den Schirm fallenden Regens nach hinten abläuft.
                                        Zuletzt geändert von Igelstroem; 07.06.2014, 19:15.
                                        Lebe Deine Albträume und irre umher

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                                        • Werner Hohn
                                          Freak
                                          Liebt das Forum
                                          • 05.08.2005
                                          • 10870
                                          • Privat

                                          • Meine Reisen

                                          #60
                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                          Danke fürs Lesen und Kommentieren. Meistens wird ja zu Reiseberichten entweder nur das Positive oder sonst lieber gar nichts geschrieben, schon aus Höflichkeit.
                                          Nicht nur aus Höflichkeit. Die ganz große Mehrheit hier würde sich noch nicht einmal als Gelegenheitsschreiber bezeichnen. Die Anonymität des Nicks macht es möglich, dass man sich an den Rechner setzt und anfängt. Man hat etwas erlebt, einige vorzeigbare Fotos im Gepäck und möchte über die Reise erzählen. Wenn es nix wird, ist es halt kein Beinbruch. Das wissen oder ahnen viele; und so bleiben Reaktionen aus wie "Junge, Mädel, du solltest mit Bedienungsanleitungen anfangen, bevor du dich an einen Reisebericht wagst".

                                          Ich freue mich, dass es so ist, beides. Dass wirklich negative Kommentare ausbleiben - jedenfalls was den Text betrifft, bei Fotos hatten wir das ja schon (Asche auch auf mein Haupt), und dass es immer wieder Leute gibt, die sich Arbeit mit einem Tourbericht machen, obwohl sie nicht wissen, ob es gut geht, ob es überhaupt wird.

                                          Dann sind da noch die Berufsschreiber, ob Profi oder Amateur mit Drang zum Viertel-Profi sei dahingestellt, die hier über die Jahre immer wieder eine Duftmarke hinterlassen. Diese Gruppe würde sich ab und zu anbieten, denn die sollten genug dicke Haut haben. Leider kommt von denen nicht wirklicher Scheiß. Und ganz wichtig: So richtig weiß man ja nicht, dass da ein Professioneller (eine Professionelle verkneife mich mir) an der Tastatur gesessen hat und so lässt man es halt, das mit dem negativen Kommentar.

                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                          Wenn ich meine eigenen wiederlese, gibt es immer auch Dinge, die mich stören. Deshalb hat man manchmal ganz hinten im Gehirn den Wunsch, dass mal jemand eine schonungslose Kritik vorträgt: ...
                                          Das geht dann aber schon stark in Richtung Foren für Literatur, Schreiben, Journalismus.

                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                          ... zum Beispiel an dieser Art, die unspektakuläre Wirklichkeit so lange durchzukitzeln, bis eine erzählbare Anekdote herauskommt; oder an der Überbetonung zufälliger unheroischer Befindlichkeiten.
                                          Ist diese zwar unspektakuläre Wirklichkeit überhaupt Wirklichkeit? Sicher doch, aber eine Mehrtageswanderung, überhaupt jede Tour, hebt sich für ziemliche alle aus der 340-Tage-Wirklichkeit des Restjahres ab, dass "erzählt" werden darf. Scheibt man nicht auch aus diesem Grund? Alltägliches so erzählen, dass es gefällt? Jedoch sollte die Wirklichkeit nicht verbogen werden. Die Frage ist, wie lange soll oder darf gekitzelt werden:

                                          - der große Strand ...
                                          - der unendliche Strand ...
                                          - der unendliche, grenzenlose Freiheit versprechende Strand ...
                                          - der unendliche, grenzlenose Freiheit versprechende Strand, dessen Sand sich am Horizont ...
                                          - der unendliche, grenzlenose Freiheit versprechende Strand, dessen goldgelber Sand sich am Horizont mit dem blauen Himmel ...

                                          Vom Buchhalter zur Schnulze, doch alles wahr, alles Wirklichkeit.

                                          Schwierig wird es, sobald Gefühle, Gemütszustände rübergebracht werden sollen. Wann wird es schnulzig? Wie weit lagerst du dein Innenleben ins WWW aus? Wie nackig machst du dich? Wie sehr führst du andere vor? Wie lange hackst du auf anderen rum? Wie sehr baust du eine winzige Begebenheit in den Bericht ein, nur weil sie sich vom Trott des Tourentags abhebt. Wäre diese Begebenheit an einem anderen Tag eine Erwähnung wert?

                                          Zum Schluss die vielleicht wichtigste Gruppe, die, die dem Forum etwas zurückgeben wollen. Das sind die Nutzer, die sich an den Rechner setzen, einen schnellen Bericht tippen, ein Dutzend Fotos reinschieben und fertig sind. Das sind viel mehr als oft angenommen wird. Mit welchem Maßstab sollen die gemessen werden?
                                          Zuletzt geändert von Werner Hohn; 11.06.2014, 16:28. Grund: Wie immer: Fehlerbeseitigung
                                          .

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