[IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavellir

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    • 01.05.2014
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    [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavellir

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    Hallo zusammen, ein kurzes Vorwort: Auch wenn dies mein erster Beitrag im Forum ist, so habe ich doch die letzten zwei, drei Jahre über fleißig mitgelesen. Viele Reiseberichte haben mir so manchen Feierabend versüßt und natürlich auch die Reiselust geweckt. Irgendwie muss man die Wartezeit bis zum Aufbruch ja verbringen. Von den Tipps für Ausrüstung und Co. nicht zu sprechen. Eigentlich wollte ich diesen Island-Bericht schon viel früher hier posten um auch endlich etwas beitzutragen, aber wie's halt so ist: Bildbearbeitung, Privatleben, Prokrastination, neue Projekte und so weiter. Da im August drei Wochen Norwegen anstehen, wollte ich davor jedoch unbedingt die letzte Tour bearbeitet haben.

    Routernabschnitte: Skógar - Fimmvörðuháls-Hütte - Langidalur - Emstrur - Álftavatn - Hrafntinnusker - Landmannalaugar - Landmannahellir - Áfangagil - Rjúpnavellir

    Ich weiß dass der Laugavegur eine häufig beschriebene Strecke ist, vielleicht ist daher unser zweiter Routenabschnitt - von Landmannalaugar über den Hellismannaleið nach Rjúpnavellir - eine noch etwas weniger abgegraste Tour. Für alle vier Tourteilnehmer war es eine prima Erfahrung. Ein bisschen davon möchte ich mit diesem Bericht teilen. Für Großversionen der Fotos einfach draufklicken.

    Links zu den weiteren Berichten: (Teil 2) (Teil 3) (Teil 4) (Teil 5)

    Den genauen Streckenverlauf gibt's (hier).



    21.6. - Prolog

    Die Materialschlacht war geschlagen: Vier Trekkingrucksäcke, nach lange ausgeklügelten Packlisten mit allerlei Ausrüstung vollgestopft, lagen sauber verstaut im Kofferraum von Andis Kombi. Meine Freundin Kathrin hatte noch eine letzte Vorlesung an der Uni auszusitzen, also saßen Andi, Chris und ich im neu eröffneten Biergarten der Universität Ulm, tranken aus rein wissenschaftlichen Gründen alkoholfreies Weizen und vertrieben uns die Zeit mit Vorfreude über die anstehende Islandreise. Nachdem lange Monate an Warte- und Vorbereitungszeit an uns vorbei gezogen waren, würden sich die wenigen Stunden bis zum Abflug in Frankfurt am Main hoffentlich überstehen lassen. Zeit zerdehnt sich, wenn man wartet, und so schlenderten wir bei bestem Wetter fast lustlos durch den Botanischen Garten um sie irgendwie vergehen zu lassen.

    Natürlich waren wir alle froh, Alltag und Arbeit abzustreifen und vor allem, die Insel wiederzusehen, die auf unserer Auto-Rundreise auf der Ringstraße im März 2012 einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. „Island light“ war das damals, meinen 30. Geburtstag habe ich auf dieser Reise in Ytra-Lón im Nordosten in kleiner Runde gefeiert - Hotpot, Sternenhimmel und Einsamkeit. Damals genau richtig. Geplant war wenig und so bestand die Entscheidung zum damaligen Trip eher aus einem Kurzschluss an einem tristen Feierabend, dessen Ergebnis ein Schwung gebuchter Flüge nach Island war. Dass Island uns dann nach zehn Reisetagen auf der Ringstraße innerlich aufgewühlt wieder nach Hause schicken würde, dass die Sehnsucht nach Rückkehr fast zeitgleich mit dem Aufsetzen des Fliegers in Frankfurt kommen würde, ich noch Monate danach immer wieder vor meinen Fotos sitzen würde, das alles war nicht absehbar. Umso gespannter waren wir nun darauf, wie nahe wir dem Land auf der solider geplanten diesjährigen Trekkingtour kommen würden. Zu Fuß, denn um sich Island wirklich zu nähern, muss man Zeit in seiner Natur verbringen, die Strecke ist nicht entscheidend. Zumindest für mich stimmt das, wie sich im Vergleich der beiden Touren dann doch eindeutig gezeigt hat.

    Gebucht waren die Flüge seit Februar und gebrückt haben wie die Wartezeit mit ausführlichen Vorbereitungen, dem Stöbern in verschiedensten Foren, dem Lesen vieler Tourberichte und nicht zuletzt der Optimierung und Komplettierung unserer Ausrüstung. Das Thema Gewichtsersparnis interessierte mich schon aufgrund meines etwas kaputten Rückens, auch wenn wir es letztendlich nicht übertrieben haben. Die Zahnbürste hat jedenfalls niemand abgesägt. Putzt sich auch ganz lausig damit. (Nachtrag: Eine Person schon, wurde mir mitgeteilt ...) An dieser Stelle daher ein Dank in das Internet hinein: Ohne die unzähligen Foreneinträge mit Vergleichstests und Erfahrungwerten wären wir sicherlich deutlich schwerer unterwegs gelesen, wenn ich mir meine historischen Erstentwurf der Packliste so anschaue.

    Da kam auch schon Kathrin. Ab auf die Autobahn Richtung FFM, denselben Langzeitparkplatz wie im Jahr zuvor gekapert, in den Shuttle-Bus zum Flughafen gestiegen, Rucksäcke in Frischhaltefolie eingewickelt und aufgegeben, fettige Pizza gegessen, Warten. Endlich Boarding! Der Direktflug nach Keflavík verlief dann ebenso ruhig wie die Hinfahrt nach Frankfurt und so setzen wir kurz vor Mitternacht zum grandiosen Farbenspiel der gerade untergehenden Sonne auf isländischem Boden auf. Endlich zurück, irgendwie kam uns schon der Flughafen so vertraut vor! Das Gepäck vollständig und unbeschädigt eingesammelt, sitzen wir im FlyBus Richtung Reykjavíc. Draußen ziehen düstere Lava-Landschaften an uns vorbei. Kurze Zeit habe ich Angst, dass ich Kathrin für ihre erste Islandreise zuviel versprochen haben. Man gerät ja schließlich schon ab und an in‘s Schwärmen.

    22.6. - Willkommen in Reykjavíc

    Der FlyBus setzt uns in den frühen Morgenstunden am Campingplatz ab. Erinnerungen kommen hoch, schließlich hatten wir hier ein Jahr zuvor unsere letzte Nacht im Hostel verbracht. Diesmal lassen wir den Campingplatz nichts rechts liegen um in einem beheizten Zimmer zu schlafen, sondern steuern auf die noch geöffnete Rezeption zu. Trotz später Stunde herrscht reger Betrieb, viele Touristen laden ihre Smartphones an erstaunlichen Konglomeraten aus Mehrfachsteckdosen. Am Tresen stehend erinnere ich mich an dieses Gefühl von Fernweh, als ich vor gut einem Jahr Ende März ein einsames Zelt auf dem noch verschneiten Campingplatz stehen sah. Es hatte ganz offensichtlich schon eine Geschichte hinter sich. Diese Erinnerung ist mir in diesem Augenblick sehr präsent, umso mehr freue ich mich, dass wir dieses Mal unsere eigenen Zelte dabei haben und diese nun auch endlich aufbauen. Ein stilechtes und nach der Landung eiligst aus dem DutyFree-Shop gefischtes „Hallo Island!“-Guiness später heißt es dann: Matrazenabhorchdienst! Wir sind hundemüde.

    Gegen sechs Uhr teste ich die neuen Sanitäranlagen. Völlig verschwitzt und pappig muss ich dringend duschen. Wahrscheinlich hat mich auch die Vorfreude nicht schlafen lassen. Gegen 10 Uhr stehen wir alle auf, die Sonne steht hell in einem strahlend blauen Himmel und Island heißt uns mit milden Temperaturen willkommen. Es gibt Porridge zum Frühstück, nur mit etwas Dussel finden wir einen freien Tisch. Reger Betrieb. Der Campingplatz besitzt durchaus Ähnlichkeiten mit einem Taubenschlag, es herrscht geschäftiges Treiben, wir lauschen Gesprächen in vielen unterschiedlichen Sprachen. Einige Gesichter werden wir in den nächsten Tagen auf unserer Tour wiedersehen.

    Nach dem Frühstück schlagen wir noch etwas ungelenk unsere beiden Zelte ab und und packen die Rucksäcke. Endlich geht es los! Unser Plan besagt, die ersten Meter auf Island für eine kurze Sightseeingtour in Reykjavík nutzen, bevor es mit dem Buss ab nach Skógar gehen soll. Wir laufen Richtung Innenstadt und unterbrechen ab und zu, um die Rucksäcke noch besser einzustellen. Die sind gefühlt noch bleischwer und sitzen noch nicht perfekt, aber es wird.

    In der wuseligen Innenstadt unterscheiden sich dann zwei Arten von Touristen ganz offensichtlich: Rucksackträger in voller Montur, deutlich in der Unterzahl, und klassische Touristen. Die Stadt ist gefüllt mit Leben. Beim ersten Bónus erwerben wir aus Nostalgie „unsere“ Würstchen und ein großes Stück Käse – von beidem haben wir uns auf dem letztjährigen Roadtrip fast ausschließlich ernährt. Ein Becher Skyr für jeden darf natürlich auch nicht fehlen. Verputzt wird der bunt gemischte Einkauf dann gegen Mittag auf den Steinen vor der Hallgrímskirkja.


    Wir drehen eine Runde durch die Hauptstadt, laufen am neuen Konzerthaus Harpa vorbei und lassen natürlich auch das Wikingerschiff Sólfar nicht unabgelichtet.



    Danach drehen wir ein in Richtung IBS. Spiritus für unseren Brenner hätten wir der Einfachheit halber natürlich auf dem Campingplatz mitnehmen können – haben wir aber nicht. Ich bin mit diesem „Ach, das kaufen wir nachher irgendwo in der Stadt“-Gedanken einfach daran vorbei gelaufen. An der Tankstelle vor dem Busbahnhof kaufen wir den letzten 5l-Kanister Rødsprit, kleinere Gebinde sind leider aus. Trotzdem Glück gehabt. Wir stellen uns schon einmal darauf ein, drei doch recht teure Liter in Skógar der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Worin genau wir die für uns benötigten zwei Liter transportieren sollen, wissen wir noch nicht genau, denn der große Kanister ist definitiv zu sperrig für unser Gepäck. Wird sich klären.

    Nach kurzer Zeit in der Wartehalle am Busbahnhof begrüßt uns dann der Busfahrer – ein netter Kerl mit viel Spaß bei der Sache. Die Fahrt über erzählt eine Stimme aus der Konserve über die Bordlautsprecher mehr oder minder interessante Dinge über die landschaftlichen Sehenswürdigkeiten, die wir gerade passieren. Muss wohl die falsche Route gewesen sein, denn so ganz passte das alles nicht zusammen. Auch ohne die etwas zu penetrant auf lustig gemachte Erklärung zieht mich Island mit jedem Kilometer weiter in den Bann. Nachdem wir die Außengebiete der Stadt langsam hinter uns lassen, tritt wieder die archaische Landschaft in den Vordergrund, die mich schon letztes Jahr so begeistert hat. Aus dem Fenster gucken und genießen! Am Seljalandsfoss machen wir trotz eher diffusem Wetter eine kurze Fotopause, immerhin fällt Chris diesmal nicht um Haaresbreite in den Wasserfall hinein. Könnte daran gelegen haben, dass die Gischt Ende Juni nicht mehr sofort gefriert und der schmale Pfad hinter dem Wasserfall entsprechend auch nicht mehr einer Schlitterpartie gleicht.

    Wenig später begrüßt uns der Skógafoss. Auf dem Campingplatz ist es deutlich leerer als in Reykjavík, was uns keineswegs stört. Wir schlagen unsere Zelte in einiger Entfernung zum Wasserfall auf und haben dann Glück: Bei den sanitären Anlagen finden wir zwei fast leere 1l-Spiritusflaschen, zurückgelassen für die Allgemeinheit. Damit wäre auch das Thema Brennstoff geklärt. Unseren nach der Umfüllung noch halb vollen Kanister lasse ich für nachfolgende Reisende bei den Sanitäranlagen stehen, möge er für irgendjemand eine angenehme Überraschung gewesen sein. Zwar macht eine kleine improvisierte Imbissbude wohl wegen mangelnder Kundschaft gerade die Luken, aber egal: Noch sind Bestände aus dem Bónus-Einkauf vorhanden, es geht an's Essen. Noch während wir China-Nudeln, Käse und Snickers vernichten, taucht die Dämmerung die umliegenden Hänge in beruhigend gelbes Licht. Uns bleibt fast nichts anderes übrig, als die Treppen rechts des Wasserfalls hoch zur Aussichtsplattform schon heute zu besteigen.




    Am Fuße dieser Treppe proben zwei Isländer in scheinbar historischem Gewand etwas, was ich für traditionellen Satzgesang halte. Leider verstehe ich kein Wort, aber die beiden sind richtig gut. Oben angekommen sehen wir, dass auf der Wiese vor dem Wasserfall Zelte und Bänke aufgebaut – wir vermuten der feierlichen Ausstattung nach eine Hochzeitsfeier oder Ähnliches. Nach einigen Fotos verschwindet die Sonne endgültig hinter den Hügeln.



    Zurück in den Zelten lassen wir den Abend bei heißem Tee ausklingen. Ich verfasse meine ersten Notizen im Zelt und schlafe dann schnell ein. Morgen geht es los Richtung Landmannalaugar. Endlich.


    23.6. - Skógar nach Fimmvörðuháls-Hütte: Hochland und Höhenmeter

    Mein Tag beginnt mit Kopfschmerzen, ich bin ein klarer Fall für die Bordapotheke. Die Nacht war kalt und ich nicht sauber in den Schlafsack eingepackt. Daher habe ich gefroren wie ein Schneider, eigene Dummheit. Das wird in den nächsten Tage geändert. Das Frühstück vor großartiger Kulisse entschädigt, denn Island ist auch heute gnädig und gewährt uns auf unserer erste Etappe perfektes Wetter: Strahlender Sonnenschein mit fotogenen Wolken!



    Die Treppen rechts des Skógafoss vertreiben das letzte bisschen Müdigkeit aus den müden Knochen und so tauchen wir gut aufgewärmt in die wundervolle Landschaft entlang des Flusses ein. Zu Beginn fasse ich nicht so richtig, was wir da sehen. Meine Augen müssen sich an diese überbordenden Eindrücke erst noch gewöhnen. Herrlich!



    Fosse gibt es entlang dieser Route einige, einer schöner als der andere, die meisten davon tief in die Landschaft eingegraben. Mit jeder Windung des Weges kommt unsere kleine Gruppe besser in den Tritt. Im Stillen und angesichts meiner alltäglichen Rückenprobleme denke ich mir, dass sich die Reduzierung des Gewichts definitiv gelohnt hat – ich fühle mich durch den Rucksack nicht belastet. Die Gedanken an den Alltag schwinden mit zunehmenden Abstand zum Campingplatz ebenso, wie sich die Anzahl an Tagestourern oder Spaziergängern auf dem Weg verringert.



    Nach den ersten Kilometern machen wir eine kleine Pause, trinken frisches Wasser direkt aus dem Fluss. Es ist lange her, dass ich so gutes Wasser geschmeckt habe! Geredet wird in der Gruppe heute wenig. Ich habe das Gefühl, dass alle den Vorgang des Abschaltens in Stille genießen – endlich sind wir auf Tour!



    Noch vor unserer Mittagspause erreichen wir ein erstes Hindernis: Wir müssen den Skógar überqueren. Zu diesem Zweck existiert sinnigerweise eine Brücke, auf unserer Seite jedoch ohne Aufgang. Klettern! Wir wuchten erst die Rucksäcke und dann uns selbst auf den Übergang und belohnen uns mit einer ausgiebigen Mittagspause.



    Interessante Zugangsbeschränkung ins Hochland, diese Brücke: Hinter dieser Kletterpartie sind uns für den Rest des Tages kaum noch Menschen begegnet. Frisch gestärkt setzen wir unseren Weg fort, die Landschaft verändert sich erneut, die Vegetation an den Flussrändern weicht einer deutlich kargeren Landschaft, Brauntöne in allen Schattierungen lösen das saftige Grün ab.



    Der beständige Wechsel der Landschaft ist für mich einer der größten Reize Islands. Nur eins bleibt heute sehr konstant: Es geht bergauf. Dass wir viele Höhenmeter fressen würden, wussten wir, und mit zunehmender Höhe mischen sich auch schwarzgraue Tupfer in das Landschaftsbild – Altschneefelder, auch schwarze Vulkanasche findet sich noch überall. Nach einigen Kilometern sichten wir drei Hütten: Zwei davon mit Spitzdach, die alte und neue Baldvínskáli. Während die alte Hütte verfällt, ist die neue scheinbar bereits geöffnet. Zumindest genießt jemand barfuß sitzend die Aussicht davor.



    In einiger Entfernung und höher gelegen, sehen wir die Hütte Fimmvörðuháls, unser heutiges Tagesziel. Als wir die beiden Baldvínskáli-Hütten passieren, laufen wir fast durchgängig durch sulzigen Altschnee. Der zähe Untergrund zehrt an unserer Kondition, dazu das beständige auf und ab gepaart mit einigen heftigen Anstiegen – die Höhenmeter dieser Etappe addieren sich. Lockeres Einlaufen auf einer ersten gemütlichen Etappe ist das definitiv nicht.



    Ich freue mich, als ich dem Trampelpfad, dem wir folgen, mit dem Augen bis zur Fimmvörðuháls-Hütte verfolgen kann. Etwa einen Kilometer vor Ankunft zieht der bis dahin noch blaue Himmel zu. Es dämmert außerdem, und so laufen wir binnen weniger Minuten aus einem sonnigen Nachmittag hinaus und in eine düstere Abenddämmerung hinein. Als wir an der Hütte ankommen, ist es gespenstisch neblig. So neblig, dass die Navigation auf Sicht nicht mehr möglich gewesen wäre.



    Ohne die direkte Sichtverbindung wenige Minuten vorher und das Wissen, dass unser Pfad an der Hütte enden würde, hätten wir Karten und Kompass aus dem Rucksack kramen müssen, so ging's dann doch noch ohne. Umso mehr freuen wir uns über die freundliche Begrüßung des anwesenden Hüttenwirts. Der junge Mann bietet uns sofort warmes Wasser aus einem großen Topf an, was die Zubereitungszeit für unser Abendessen erfreulich verkürzt. Erledigt, ausgehungert, aber froh, angekommen zu sein – so lässt sich unsere Gemütslage beschrieben, als wir unsere Nudeln vertilgen. Zwar hat der Hüttenwirt seinen Dieselofen nicht ganz im Griff, es stinkt daher penetrant, aber wir sind schon ziemlich froh, dass es in der Hütte so mollig warm ist. Später erzählt uns der junge Mann, dass er die Hüttenbewirtung im Rahmen seines Studiums übernommen habe. Wenn ich das richtig verstanden habe. Klar ist aber, dass er mittags noch kurz im Tal gewesen ist, um zu duschen. Wir kommen uns dezent unsportlich vor.



    Kathrin hat in der eher rustikalen Toilette noch eine letzte Hürde zu überwinden: Wasser gibt es in der Toilette nicht und so müssen die „Geschäfter“ getrennt werden, was uns Männern konstruktionsbedingt deutlich einfacher fällt.

    Reserviert hatten wir in der Hütte nicht, aber an diesem Tag wird genug Platz für die wenigen Übernachtungsgäste auf der Hütte sein. Am Ende des Abends sind wir zu sechst. Nach dem Abendessen lichtet sich der Nebel auch schon wieder. Wir nutzen die Gelegenheit um nach draußen zu gehen, den Sonnenuntergang zu genießen und natürlich auch zu fotografieren.



    Wäre es nicht deutlich kälter geworden, ich hätte mir das ewig anschauen können.



    Wenigstens einmal möchte ich das mitgenommene Ministativ nutzen.



    Zurück in der Hütte halten wir einen Plausch mit einen netten deutschen Ehepaar, die sich gerade ebenfalls ans Abendessen machen, wir sind ihnen am Tag zuvor bereits auf der Aussichtsplattform am Skógafoss begegnet. Das wir Silke und Steffen noch einige Male treffen werden, fast die gesamte Tour parallel laufen werden, wissen wir noch nicht. Die beiden sind alte Hasen und gut ausgestattet. Nicht ganz ohne Grund fühlen wir uns wie absolute Frischlinge. Früh verkriechen wir uns in die Schlafsäcke – die erste Etappe ist geschafft.
    Zuletzt geändert von Styg; 30.10.2015, 09:33.

  • sandra73
    Erfahren
    • 26.02.2013
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    #2
    AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

    Sehr schöner Bericht und Fotos, da möchte man gleich loslaufen.

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    • Dieter

      Dauerbesucher
      • 26.05.2002
      • 533
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      #3
      AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

      Toller Bericht zum Einstand - da bin ich schon auf die Fortsetzung gespannt!
      Da liegt die selbst gelegte Latte hoch. Also nicht nachlassen!
      Super Panoramabilder auch, die einem interessante Details zeigen.

      Dieter

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      • Daddyoffive
        Fuchs
        • 24.08.2011
        • 2437
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        #4
        AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

        Super Bilder, schöner Bericht
        Das Leben ist kein Problem, das gelöst werden müsste, sondern ein Abenteuer, das gelebt werden will.
        John Eldredge
        ><>

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        • jamue
          Anfänger im Forum
          • 28.03.2013
          • 24
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          #5
          AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

          Klasse, ich hatte gehofft, noch einmal einen aktuellen Bericht über genau diese Strecke lesen zu können. Ich warte auf die Fortsetzung!

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          • Styg
            Gerne im Forum
            • 01.05.2014
            • 86
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            #6
            AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

            Vielen Dank für die positiven Rückmeldungen! Ich habe mich gleich an die Aufbereitung der nächsten Tage gemacht. Wenn ich nur meine eigene Sauklaue etwas besser lesen könnte ...

            Montag, 24.6. - Über Mórinsheiði nach Þórsmörk: Asche, Schnee und Grün!

            Es schläft sich gut auf Hüttenmatrazen. Motiviert und ausgeruht brechen wir nach einer großen Portion Porridge noch am Vormittag auf. Bei klarem, sonnigen Wettern gehen wir etwa einen Kilometer auf der gestrigen Route zurück, dann zweigt der Weg Richtung Þórsmörk auf.


            Beim Blick zurück auf die Hütte eröffnet sich eine prächtige Sicht, aber auch "Wetter" kündigt sich an.

            Durch weitläufige und unberührte Schneelandschaften laufen wir, bis wir nach kurzer Zeit an den durch die Ausbrüche des Eyjafjallajökull im Jahr 2010 neu entstandenen Hügeln Magni und Móði vorbeikommen. Auf welchen der beiden wir gestiegen sind, wissen wir nicht. Der Aufstieg über loses Geröll ist es jedoch definitiv wert. Auch als Laie sieht man sofort, dass diese Orte hier vor kurzem wohl noch ganz anders ausgeschaut haben.


            Natürlich müssen wir da hoch!

            Nicht nur die Aussicht ist gigantisch sondern auch das Gefühl, auf jungem Boden zu stehen, der vor kurzem in dieser Form noch nicht existierte. Für einige Minuten haben wir relativ freie Sicht ins Tal. Ich wollte eigentlich einmal die Gipfel in die Panoramen einzeichnen bzw. überhaupt erst heraussuchen, auch so ein wartendes Projekt.


            Einige der Schneefelder auf den folgenden Kilometern waren dann mit Vorsicht zu genießen.

            Durch das Tauwetter sind Freiräume und Höhlen unter der Schneedecke entstanden, auch unter scheinbar sicheren „alten“ Fußspuren. Uns kam daher nur gelegen, dass wir durch den Verlust an Höhenmeter nun auch den Schnee hinter uns ließen.


            Bald kommt die majestätische Hochebene Mórinsheiði in Sicht, in der Bildmitte eine Gedenktafel für eine Wanderung im Jahr 1970, die für drei Teilnehmer wegen eines Wetterumschwungs tödlich endete.


            Eine grandiose Sicht bis weit ins Landesinnere hinein.

            Bevor wir diese Ebene jedoch erreichten, galt es, auf rutschigem und sulzigem Untergrund noch einige Höhenmeter hinunterzuschlittern. Spätstens jetzt waren wir über unsere Trekkingstöcke froh. Eine weitere Stelle machte uns dann ebenfalls zu schaffen: Der Heljarkambur oder „Höllengrat“ trägt seinen Namen nicht ohne Grund. An dieser Engstelle geht es linkerhand einen steilen, verschneiten und vor allem tiefen Abhang hinab, rechts des schmalen Pfades befindet sich eine Felswand.


            Viel Platz zum manövrieren bleibt hier nicht.

            Im Sommer und ohne Schnee dürfte diese Stelle völlig harmlos sein. Als wir dort angelangten, lag im Schatten jedoch noch relativ viel Schnee der sich den tiefen Abhang hinunter zog. Ein Fehltritt könnte hier eine recht ausgiebige Rutschpartie zur Folge haben. Die angebrachte Kette war leider noch im Schnee versunken und daher nutzlos. Der Pfad selbst bestand aus sulzigem Schnee. Schnell drüber und weiter.


            Wie so oft, sieht man's auf Fotos nicht richtig.

            Trittsicher sollte man hier sein, Höhenangst ist ebenfalls hinderlich. Kaum steigen wir auf das Plateau der Ebene auf, kommen uns Wandergruppen in legerer Kleidung und Sandalen entgegen. Für einen kurzen Ausflug reicht das möglicherweise, bei manchen Begegnungen sind wir uns jedoch nicht sicher, ob die Leute nicht doch auf mehrtägiger Tour sind. Stichwort Zelt und Schlafsack in Plastiktüten.



            Gegen Mittag haben wir die Hochebene hinter uns gelassen. Den Abstieg flankieren wunderschön anzuschauende grüne Hänge. Hier lässt es sich aushalten! Ein Fleckchen Erde mit herrlichem Blick in das Tal vor Goðaland und die darin fließende Krossá ist schnell gefunden.


            Mittagspause, Füße lüften.

            Manchmal weiß ich nicht, wie ich die Aussicht beschreiben soll. Superlative aufreihen? Das Wort „brachial“ kommt mir in den Sinn. Die Eindrücke fahren teils mit einer Wucht ein, dass ich ab und an etwas überfordert damit, die Landschaft wirklich aufzunehmen. Man dreht sich um, sieht ein interessantes Detail und gleichzeitig die Sorge, an weiteren tausend schon vorbeigelaufen zu sein. Was wohl auch so war. Würde ich mich rein aufs fotografieren konzentrieren, würden wir wohl noch bäuchlings irgendwo hinter Skógar in der Landschaft liegen. Gerade im Nachhinein und beim Verfassen dieses Berichts denke ich mir, dass wir an einigen sicherlich tollten Aussichtspunkten vorbei gelaufen sind. Gut, am PC mit Internet kann ich mir die Sache von oben anschauen, da ist man schnell schlauer als vor Ort. Andererseits weiß ich auch, dass wir auf Tour selbst nicht auf Tempo aus waren und die Landschaft absolut genossen haben. Wir sind ja nicht hier, um ein Sammelalbum zu komplettieren.
            Diese Gedanken huschen mir das bei der Mittagspause durch den Kopf, ich muss mir das selbst auch ein Stück weit predigen. Viele Tourenberichte habe ich gelesen, bei identischer Route für die jeweiligen Wanderer völlig unterschiedliche Bilder gezeichnet hat. Was das für mich bedeutet? Mehr ging eben auf der einen Tour an Eindrücken nicht rein. Hier muss ich also nochmal hin! Mit dem Entschluss finde ich dann auch meinen Frieden und habe auf dem Rest der Tour nicht mehr das Gefühl, etwas verpasst oder übersehen zu haben.

            Kaum haben wir unsere Rationen vertilgt, kommen Silke und Steffen den Hang hinunter. Sie erzählen uns, dass einige Wandergruppen am Höllenkamm kehrt gemacht haben. Die beiden übernehmen unseren Rastplatz, wir packen zusammen und steigen gut ausgeruht weiter ab ins Tal.


            Der Weg führt uns über mit Ästen angelegte Treppen.

            Zügig geben wir Höhenmeter her. Der Bewuchs nimmt zu, das Grün wird satter.


            Bald laufen wir durch üppige Vegetation, Blumen und Gräser blühen.


            Ein weiterer, schmaler Kamm wird von uns gequert.


            Kleinwüchsige Birken entwerfen Szenarien, auf die Bob Ross direkt neidisch wäre.

            Leider war ich hier dann so schlau, viele Bilder unrettbar überzubelichten. Kamera verstellt und nicht bemerkt - zuviel mit Gucken beschäftigt gewesen. Egal, die Erinnerung daran ist immer noch satt bunt! Im Tal angekommen, lassen wir Básar links liegen. Da wir einem Wegweiser mehr Glauben schenken als unserer Karte und dem gesunden Menschenverstand, handeln wir uns einen kleinen Umweg ein: Statt Richtung Flussufer zu laufen und nach den mobilen Brücken Ausschau zu halten, die wir weiter oben bereits gesehen haben, folgen wir der Straße. Spätestens als wir in Höhe Langidalur immer noch auf der Straße laufen, wird uns der Lapsus klar. Irgendwie sind wir jedoch im Laufmodus und marschieren einfach weiter. Alle in der Gruppe sind auf Autopilot, diese Etappe hat uns landschaftlich fast schon überreizt. Zeit, das Lager aufzuschlagen. Am rechten Ufer kommt eine Brücke in Sicht. Ich mache eine Foto um mir die Vergrößerung anzuschauen. Sie scheint etwas ramponiert, aber noch intakt zu sein. Das sollte unsere Möglichkeit zur Überquerung der Krossá sein, sonst müssten wir ein ganzes Stück zurück. Dann eine Premiere: Unsere erste Furt auf Island. Geigenhimmel und Trompeten hier bitte dazu denken. Zwar hätten wir uns in den Folgetagen über die recht seichte Stelle einfach darübergemogelt, heute aber packen wir die Furtsandalen aus und überqueren den kleinen Nebenarm. Dann laufe ich voraus um im Geschlängel aus Kiesbänken und kleinen Wasserläufen nach einem Weg zu suchen, der uns trockenen Fußes zur Brücke führt. Dieses ist auch bald gefunden, ich winke den anderen.


            Bis der Rest der Truppe ankommt, genieße ich die Landschaft. Das Tosen des Wassers ist beruhigend.

            Hinter der Brücke führt ein kleiner Pfad durch recht dichten Bewuchs auf den Campingplatz in Langidalur. An der Hütte Skagfjörðskáli suchen wir die Hüttenwirtin, eine größere Gruppe scheint anwesend zu sein. Die Wardin finden wir dann in einem kleinen Häuschen am See, wir bezahlen unseren Aufenthalt und gönnen uns Duschmarken. Wäsche waschen und duschen ist angesagt.


            Den Zeltplatz haben wir dann fast für uns alleine.

            Zwischenzeitlich ist es sehr windig geworden, unser Abendessen nehmen wir daher in einem kleinen Aufenthaltsraum ein. Den Kocher stellen wir nach draußen auf eine Feuerstelle und bedienen ihn von innen durch ein Fenster. Nach dem Abendessen gönnen wir uns noch etwas Tee. Die heutige Etappe war so abwechslungsreich dass ich keine Sekunde an Arbeit, Steuererklärungen oder sonstige weltliche Dinge vergeudet habe. Gutes Zeichen - ich bin wohl endlich angekommen. Satt und zufrieden verziehen wir uns in die Zelte.


            25.6.2013 - Von Þórsmörk bis Emstrur: Einhorn in mystischer Stimmung

            Befreit von Alltag und Arbeit kommen in Träumen wirklich relevante Dinge zum Vorschein, auch die etwas tiefer vergrabenen. Ich schlafe, weiß dass es früher Morgen sein muss und träume. Ein Jugendfreud betritt die Bühne, wir hatten wenig Kontakt in den letzten Jahren, der Funkstille ging auch Streit voraus. Junge Männer, die noch nicht gelernt haben, dass Lebenswege und -arten, Entscheidungen oder Einstellungen unterschiedlich sein können, ohne jeweils falsch zu sein. Immerhin konnten wir bei unserer letzten Begegnung höflich und respektvoll miteinander umgehen, auch wenn wir etwas ungelenk waren und die frühere Vertrautheit noch verbaut war. Dann, einige Monate darauf, steht man plötzlich und vor allem das erste Mal vor dem Grab eines Dreißigjährigen. Bergsteigen, Lawine. Wir haben große Teile unserer Jugend gemeinsam verbracht, haben in den ersten Autos unfassbar laut Musik gehört, später lange Jahre zusammen welche gemacht, waren auf unzähligen Festivals, haben uns an Lagerfeuern die Nächte um die Ohren geschlagen, waren viel gemeinsam „Draußen“. Nur um sich dann wegen - bei Lichte betrachtet - Nichtigkeiten aus den Augen zu verlieren. Auch wenn es nicht auf der Packliste stand: Dieses diffuse Gefühl, einen unabänderlichen Fehler nicht mehr korrigieren zu können, einen guten Freund verloren zu haben, das hatte ich mit auf dieses Reise genommen. Träume in den Morgenstunden sind häufig obskur und seltsam. So auch an diesem Morgen, jedoch gab‘ es diesen einen Schnipsel, den ich nach dem Aufwachen noch erinnerte: Wir sind uns noch einmal begegnet, haben zusammen gelacht, hatten ein paar gute Momente - wie in alten Zeiten. Da ich ohne ihn kaum auf den Trekking-Geschmack gekommen wäre, gehört diese Episode ausdrücklich dazu.

            Naturgeräusche wecken mich endgültig auf. Grüblerisch und mit einem bittersüßen Gemisch aus Trauer und Freude steige ich aus dem Zelt. Ich stehe barfuß im grünen Gras, die Luft riecht frisch. Alles ist gut. Danke dafür, Island.

            Trotz starkem Wind mit heftigen Böen die ganze Nacht hinweg, haben wir wie die Steine geschlafen. Gut erholt stehen wir auf und machen uns ans Frühstück. Im Gegensatz zu gestern lacht uns kein strahlend blauer Himmel entgegen. Es ist leicht bedeckt, warm, die Sonne blinzelt durch einzelne blaue Flecken am Himmel. Klingt nach prima Wetter für die nächste Etappe. Noch, denn von der Hochebene herab treiben dicke Wolken in unsere Richtung. Wir packen zusammen und laufen los, nun sind wir auf dem Laugavegur.


            Es grünt so grün!

            Nach wenigen Metern folgt ein steiler Aufstieg durch üppige Vegetation. Einige Freiwillige verbinden das Nützliche mit dem Angenehmen und reparieren die Naturtreppen mit dicken Ästen. Das muss die größere Gruppe sein, die wir in der Hütte gesehen haben. Die Jugendlichen versuchen, der offensichtlichen Erosion zu trotzen. Ein Problem, das wir am Tag zuvor in Goðaland schon gesehen haben. Häufig säumen unzählige Stockspuren die Grasnarbe links und rechts der Wege. Ich beschließe, meine Stöcke sparsam einzusetzen und wenn möglich nicht in weichen Boden zu rammen. Aktionismus, klar.


            Bald erreichen wir unsere erste „echte“ Furt, es geht über die Þröngá.

            In den Untiefen der Rucksäcke suchen kleine Grüppchen am Uferabschnitt verstreut nach der Furtausrüstung. Ich verstaue meine Kamera im (hoffentlich) dichten Packsack, ziehe meine Sandalen an und mache mich an die Querung. Ohne Stöcke keine Chance - das Wasser zerrt auf halber Höhe der Oberschenkel enorm an mir. Jetzt bin ich mit meinen 173cm Körpergröße sicherlich nicht die Norm, aber viel tiefer hätte das für mich nicht sein dürfen, dann wäre zurückmogeln angesagt gewesen. Trotzdem geht alles gut. Am anderen Ufer sehe ich dann, dass ich die einzige Untiefe weit und breit erwischt habe. Der Rest der Gruppe kommt dann mit deutlich weniger Tiefgang aus. Der Fluss markiert dann auch einen Landschaftswechsel: Nach der Überquerung laufen wir durch die vom Fluss Markarfljót gegrabene Ebene, die grüne Vegetation aus Þórsmörk geht fast schlagartig in Sand und Geröll über. Mir gefällt‘s, ich mag dieses Wechselbad an optischen Eindrücken.


            „Nashornfels“ behaupten meine Aufzeichnungen, ist aber gelogen.

            Tatsächlich kommt der markante Gipfel Einhyrningur in Sicht. Er wird auf dieser Etappe fast ständig sichtbar sein. Gegen Mittag zieht es zu, lediglich am Rande des Mýrdalsjökull führt die Sonne zusammen mit verwehten Wolken ein bezauberndes Lichtspiel auf. Uns ist klar, dass wir diesem Wetter heute ganz sicher nicht davonlaufen werden. Die Strecke ist topfeben, wir kommen zügig voran.


            Eine fast mystische Stimmung kommt auf.

            Zwar sind wir dem Gefühl nach erst gerade losgegangen, beschließen jedoch, diese majestätische Sicht während dem Mittagessen ausgiebig zu bewundern. Das dachten sich wohl einige Wanderer, unsere Lagerstelle scheint gut frequentiert zu sein und bietet sogar eine kleine windgeschützte Stelle für unseren Kocher.


            Mahlzeit! Noch während der Pause kommt Wind auf, in der Ferne erkennen wir Regenfahnen.

            Den Einhornfelsen hinter uns lassend, rüsten wir uns mit Regensachen aus, denn Niederschlag steht uns definitiv bevor. Zwanzig Minuten und einen leichten Schauer später - der Boden ist kaum durchgehend befeuchtet - schwitzen wir, was das Zeug hält. Es hat aufgehört zu regnen und ist ziemlich schwül. Den restlichen Tag über wird der Himmel wolkenverhangen sein. Wir verlassen die Staubautobahn, Island schlägt wieder Wellen, es geht hoch unter runter über grüne Hügel.


            Vor uns öffnet sich ein Talbecken mit surrealer Landschaft.

            Unfassbar grüne Farbsprenkel sitzen neben kleinen Wasserläufen. Mittendrin ein Campingplatz-Schild, dessen Sinn sich mir nicht ganz erschließt. Vielleicht ein Notfall-Campingplatz als Relikt, als über den kommenden Syðri-Emstruá-Fluss noch keine sichere Brücke führte? Wir wissen es nicht. Unsere Reiseaufzeichnungen kündigen einen „Kettenabschnitt“ an, steil und schmal soll es werden, wir sind gespannt.


            Die Querung ist harmlos, eine Brücke führt über den Fluss.


            Als "barbarisch" bezeichnen meine Aufzeichnungen diesen Aufstieg. Wie so oft, sieht man's auf dem Foto nicht.

            Sehr steil und über loses Geröll geht es nach oben. Der vorangegangene Regen hat ausgereicht, um den Aufstieg zu einer glitschigen Angelegenheit werden zu lassen. Die Schinderei lohnt sich, wir werden durch eine wirklich tolle Aussicht belohnt, in der Ferne blitzt uns bald schon das heutige Ziel Emstrur entgegen. Kurz darauf steigen wir die Holztreppen zur Hütte des Warden hoch, bezahlen den Aufenthalt und schlagen unsere Zelte dann statt oben auf einer recht schlammigen Fläche doch lieber unten auf.


            Zelten in direkter Nähe eines kleines Flusses.

            Hastig bereite ich das Abendessen zu. Hungrig sind wir alle und so verläuft das Essen schweigend, lediglich das Wasser neben uns murmelt fröhlich vor sich hin. Bald gesellt sich zu unseren beiden Zelten in einigem Abstand noch das rote Hilleberg „unseres“ deutschen Pärchens. Ein stiller Gruß, dann verziehen wir uns früh in die Zelte. Morgen geht es weiter nach Álftavatn und wir wollen früh los. Dachten wir zumindest.
            Zuletzt geändert von Styg; 04.05.2014, 11:14.

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            • Styg
              Gerne im Forum
              • 01.05.2014
              • 86
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

              26.6.2013 - Von Emstrur nach Álftavatn: Mit Rückenwind geht‘s sehr geschwind.

              Das Geräusch von Regen weckt mich. Anfangs denke ich noch, dass das Bächlein am Zelt meine Ohren täuscht, aber nein: Regentropfen trommeln an die Zeltwand. Das tun sie in den nächsten Stunden leider ziemlich gleichbleibend und so verständigen wir uns zwischen den Zelten hinweg, dass etwas mehr Schlaf ja sowieso eine feine Sache sei. Konditionell wäre alles im grünen Bereich, der Muskelkater der Startetappe ist auch Geschichte. Dennoch sind wir einigermaßen erschöpft, auch psychisch „drückt“ das Wetter etwas. Um meinen E-Reader bin ich jetzt doch ganz froh, dabei habe ich die Dinger vor kurzem noch für Teufelszeug gehalten.

              Zum Frühstück raffen wir uns erst gegen Mittag auf, immerhin müssen wir es nicht mehr im Regen einnehmen. Erst gegen zwei Uhr brechen wir auf. Kein Beinbruch, soll die heutige Etappe laut Tourenplan doch einer „Autobahn“ gleichkommen. Erneut setzt Regen ein, also laufen wir in Regenklamotten los. Noch während dem ersten Anstieg stoppt der Regen, die Sonne kommt heraus, wir gehen fast ein vor Hitze. Umziehen ist angesagt, leider vergessen wir dann im Eifer des Gefechts und wohl auch angesichts der Uhrzeit, den Abstecher zum Fluss bzw. Canyon Markarfljót mitzunehmen. Im Nachhinein aber völlig okay, sonst wären am Abend Flussüberquerungen bei Dämmerlicht angesagt gewesen.


              Ein letzter Blick zurück nach Emstrur. Bis irgendwann, Einhornfels.

              Auch heute laufen wir durch ein spektakuläres Farbenspiel, Schritt für Schritt gelangen wir tiefer in die Emstrur-Wüste, eine verwunschen anmutende Landschaft hinein. Aus dunklem Geröll, Gestein und Staub erheben sich Hügel, auf denen irgendjemand mit einem verflixt ausgeprägten Sinn für Ästhetik grüne Farben in Form von Gras- und Moosteppichen ausgekippt haben muss. Herrlich, vor allem in Kombination mit der nun scheinenden Sonne und nur wenigen Wolken am blauen Himmel. Erneut perfektes Wanderwetter, auch wenn man auf den Fotos den Wind nicht erkennen kann. Der bläst uns allen ziemlich scharf um die Nasen. Die Moral der Truppe ist das dennoch bestens, denn mit dem Rückenwind als Hilfsmotor fällt das Wandern leicht. Was bin ich in diesem Moment froh, nicht gegen diese Pusterei anlaufen zu müssen! Bald schon laufen wir ein Stück weit an der F261 entlang.


              Erneut schenkt uns Island eine Mittagspause in malerischen Landschaft.


              Über zwei Flüsse der heutigen Etappe gelangen wir trockenen Fußes mittels Brücke.

              Eine Furtung in der Nähe von Hvangil hat es dann in sich: Da wir spät los gelaufen sind, ist der Wasserstand recht hoch, wir haben etwas Bammel vor der laut Reisebeschreibung letzten Querung. Zwar suchen wir eine ganze Weile nach einer geeigneten und seichten Stelle, finden diese dann jedoch auch flussaufwärts. Dann eine Begegnung mit zwei recht hastig wirkenden Wanderern. Ganz kurz reden wir ein paar Worte, ich verstehe nur "Tageskilometer", "Schnitt" und "Gegenwind". Scheinbar recht sorglose Gesellen: Sich ohne Stöcke und Furtschuhe in Jeans und T-Shirt über die Bäche zu mogeln, ist wahrscheinlich genau solange lustig und „schneller“, bis jemand im Wasser liegt und dann mitsamt patschnasser Ausrüstung durch einen Wetterumschwung marschieren muss. Zum spöttischen-arroganten Gesichtsausdruck der beiden, als wir unsere Furt uncool mit Schuhwerk und Stöcken vorbereiten, verkneife ich mir einen Kommentar. Immer wieder sehen wir im Tourverlauf künstlich angelegte Flussübergänge aus großen Steinen, die natürlich „rein zufällig“ so perfekt liegen. Mir dämmert langsam, aus welcher Geisteshaltung heraus diese wohl angelegt werden.

              Ein weiteres Pärchen kreuzt unseren Weg: Jemand ist in‘s Wasser gefallen, die Trockenlegung der Besitztümer ist angesagt. Bereits aus einiger Ferne sehen wir Zeltaussenhülle und Schlafsäcke auf einem großen Fels ausgebreitet im Wind flattern. Im Vorbeigehen wird dann jedoch klar, dass die Angelegenheit wohl glimpflich verlief und nicht alles aufgeweicht ist.


              Hvangil lassen wir rechterhand liegen.

              Wir haben uns vorgenommen haben, bis Álftavatn weiterzulaufen. Im Vorbeigehen erkennen wir noch das rote Zelt von Silke und Steffen, aufgebaut in einem durch Steinmauern windgeschützten Bereich. Die beiden sind offensichtlich deutlich vor uns aufgebrochen und widmen sich daher bereits dem wohlverdienten Feierabend.


              Eine fotogene Horde Islandpferde wird noch abgelichtet.


              Weiter geht's über eine etwas fragwürdige Holzbrücke.

              Die letzten beiden Flussüberquerungen hätten wir uns wohl sparen können, wenn ich das im Zuge des Verfassens dieses Reiseberichts betrachtete Satellitenbild richtig deute. Egal, mittlerweile sitzen die Handgriffe beim Umziehen, die Querungen werden zur Routine und nass geworden ist auch noch niemand. Mit dem Einsetzten der Dämmerung ändert sich auch die Landschaft ein weiteres Mal, wir laufen aus der weiten Ebene hinaus in eine grünere und hügeligere Landschaft. Zu unserer Rechten sehen wir den steilen Aufstieg Richtung Hrafntinnusker, er verschwindet in einer dichten Wolkendecke. Heute müssen wir da nicht mehr hoch, und das ist auch gut so.


              Áftavatn kommt in Sichtweite - Zeit wird's!

              Wir bezahlen unsere Übernachtung bei der freundlichen Hüttenwirtin und schlagen unser Lager auf. Wind kommt auf, der Himmel zieht zu. Den Spirituskocher baue ich in einer kleinen Senke auf und optimiere den Windschutz weiter mit einer kleinen Steinmauer - der Wind bläst nach wie vor kräftig und in Böen. Dann gibt es auch bald Abendessen und wir verziehen uns in die Zelte.


              27.6.2013 - Álftavatn bis Hrafntinnusker: Hat jemand „Schnee“ gesagt?

              Ich wache auf. Es ist noch früh und es regnet. Zusammen mit dem anhaltenden Wind Grund genug, sich noch einmal umzudrehen und weiterzuschlafen. Ewig kann man dieses Spielchen jedoch leider nicht treiben, die Natur fordert ihren Tribut. Ich stehe auf und trabe Richtung Waschhäuschen. Sitzung halten, fast schlafe ich dabei wieder ein, wo bitte gibt‘s denn sowas? Katzenwäsche, Zähne putzen ... so richtig komme ich heute nicht in Schwung, das trübe Wetter hilft dabei ebenfalls nicht. Chris gesellt sich am Waschbecken dazu, er hat sich mit dem Trekkingblues infiziert. Angst, es nicht zu packen, der Sache nicht gewachsen zu sein. Ich versuche, ihn zu beruhigen: Bis hierher sind wir gekommen, trotz der körperlichen Anstrengung musste niemand über dem eigenen Limit laufen. Alles innerhalb der Parameter. In dem Moment muss ich wohl selbst nicht glücklichsten Eindruck gemacht haben. Es gibt so Tage.


              Heute scheint nicht nur das Wetter ein Tief zu haben - wir haben Startprobleme.

              Irgendwann wird dann doch gefrühstückt, dann bauen wir die Zelte ab und laufen im Regen los. Es herrscht keine schlechte Stimmung, wichtig war nur, sich loszueisen und wieder auf Tour zu gehen. Alles gut.


              Schneefelder führen uns über Wasserläufe.

              Bald schon begegnen wir unserem Angstgegner der heutigen Etappe: Es geht einige hundert Höhenmeter nach oben, gefühlt mindestens senkrecht. Vielleicht hatten wir das heute Vormittag noch von gestern im Hinterkopf und kamen deswegen so träge in Gang.


              Der Pfad ist ausgewaschen, schlammig und rutschig.


              Bei klarer Sicht garantiert eine eindrucksvolle Aussicht.

              Aus Regen wird Graupel, aus Graupel Schnee - immerhin verlässlich von rechts kommend, nahezu waagrecht.


              Die ersten Fumarolen begrüßen uns qualmend durch das Schneetreiben.

              Ich behalte die Kamera am Körper unter der Regenjacke. Schlechtwetterbilder gehören irgendwie ja auch dazu. Es wird deutlich kälter, der Schneefall nimmt zu. Kantine geschlossen, ohne Mittagspause marschieren wir weiter. Sich Niederschlag und Wind länger als nötig auszusetzen, ist für niemand in der Gruppe eine Option und geschützte Stellen sind hier oben Mangelware.


              Immer wieder dampft und zischt es links und rechts des Weges.


              Lehmiger Boden macht aus Trekkingstiefeln Matsch-High-Heels.

              Zeitweise klart es etwas auf, der Schneefall lässt nach. Scheinbar endlos geht es hoch und runter, über schlammige Hügel und sumpfig-weiche Schneedecken. Das Vorankommen wird zu einem kräftezehrenden Akt, die Niedergeschlagenheit jedoch ist einer gewissen Trotzigkeit gewichen. Die paar Kilometerchen schnupfen wir jetzt auch noch weg.


              Das bissel‘ Schnee, war das schon alles?

              Hrafntinnusker kommt in Sichtweite, dennoch schmelzen die letzten Kilometer durch eine weite weiße Schneelandschaft ziemlich zäh dahin. Mein Magen teilt mir mit, dass er mit der Versorgungslage hinsichtlich Nahrung absolut nicht einverstanden ist. Hab's verstanden, wir sind ja gleich da.


              Endlich angekommen.

              Die Hütte ist voll. Gestopft voll. Noch auf dem Hinweg hatten wir uns gegenseitig mit dem Hinweis auf die folgende Hüttenübernachtung bei Laune gehalten. Nichts zu machen, schon der Eingangsbereich ist proppenvoll mit nassem Schuhwerk, tropfenden Klamotten und Wanderern, die sich nur ein Weilchen aufwärmen wollen. Die Luft im Innenraum ist dampfig und stickig. Ein junges Paar öffnet die Tür: Sie den Tränen nahe, tropfnasser Parka, Leggins; er macht in Jeans, dünner Jacke und mit patschnassem Rucksack auch keinen glücklicheren Eindruck. Weder Zelt noch Schlafsäcke haben sie dabei. Dem Mädel ist die Angst richtiggehend anzusehen und ich hoffe, dass die beiden es gut nach Álftavatn oder Landmannalaugar geschafft haben. Der sehr freundlichen Hüttenwirtin bleibt nämlich nichts anderes übrig, als den beiden nahezulegen, weiterzugehen. Die Hütte ist definitiv genagelt voll. Die Wardin frägt uns, ob wir Zelte dabei hätten, warme Decken könnte sie im Notfall stellen. Haben wir, und so ist Zelten angesagt. Im schwarzen Sand hält kein Hering, wie befestigen diese mit herumliegenden Steinen. Wenig Wind wäre heute Nacht trotzdem wünschenswert.


              Immerhin ergattern wir einen windgeschützten Platz hinter der Hütte.

              Meine Handschuhe sind nass. Memo an mich selbst: Die kommen nicht mehr mit auf Tour. Die Schuhe von Kathrin haben etwas Wasser abbekommen und so krabbelt sie gleich ins Zelt um sich aufzuwärmen. Nasse Füße gehen gar nicht. Ich werfe mit eisigen Fingern den Spirituskocher an und habe dank der Außenterrasse der Hütte sogar so etwas wie eine Küchenzeile. Dem nachgeholten Mittagessen folgt direkt das Abendessen. Die Moral der Truppe steigt wieder. Der Spiritusbrenner wird ein drittes Mal aufmunitioniert, kurz darauf gibt es Kaba. Nicht irgendeinen Kaba, sondern ungefähr den allerbesten Kaba auf der ganzen Welt, zumindest in dem Augenblick. Müde und abgekämpft kommt so etwas wie Euphorie auf: Dieser Etappe haben wir‘s gezeigt, trotz der widrigen Umstände. Die Stimmung ist positiv und trotz anstrengender Schlechtwetteretappe ist der Trekking-Blues wie weggefegt.


              Ich genieße die Stimmung und mache noch ein paar Fotos.

              Zur Belohnung reißt dann auch noch die dicke Wolkendecke etwas auf und die letzten Sonnenstrahlen des Tages lässt den Dampf der Fumarole direkt bei der Hütte im Abendlicht glitzern. Zufrieden krabbeln wir in unsere Schlafsäcke. Schichtende.


              28.6.2013 - Von Hrafntinnusker nach Landmannalaugar

              Kalt. Die Nacht war lang, der Schlafsack zu kalt. Zwar wurde mir dank Biwacksack doch noch richtig warm, aber ich habe ihn - warum auch immer - erst mitten in der Nacht ausgepackt. Auch so ist der Schlafsack in dieser Nacht an seiner Temperaturgrenze angekommen, zumindest für mich in erschöpftem Zustand. Selber schuld. Immerhin keine Kopfschmerzen, meine Trekking-Erkältung habe ich gleich in den ersten Tagen hinter mich gebracht. Kurz bevor wir loslaufen, leiht sich ein Wanderer noch kurz unser Nähzeug aus, er hat sich eine Triangel in's Zelt gerissen.

              Die Nacht war zwar kalt, aber wenig windig und dazu noch niederschlagsfrei. Blauen Himmel haben wir heute trotzdem nicht: Island zeigt uns wolkenverhangen und neblig die kalte Schulter. Der Himmel droht mit Niederschlag. Nichts wie weg hier! Nach einem schnellen Frühstück brechen wir auf und stapfen in voller Montur den Hang hinauf. Schneefall setzt ein - zuverlässig von links kommen, natürlich waagrecht. Trotz Schnee kommen wir heute besser voran als gestern, wir laufen stoisch durch das Schneetreiben. An einer kurzen Abstieg setzte ich gerade zu einem „Vorsicht es ist gla....“ an, da rauscht auch schon Kathrin unfreiwillig sitzend an mir vorbei. Nix passiert.


              Wir runter, viele rauf.


              Langsam lichtet sich die Wolkendecke.

              Es klart langsam auf, auch die vereinzelten Schneeschauer lassen nach.


              Pünktlich zum Abstieg pustet der Wind Wolken und Nebel für uns weg.

              Auf den letzten Kilometern wird diese Etappe noch zum Highlight für uns: Gigantische Aussicht! Enthusiastisch laufen dem Lager entgegen, wir begegnen zunehmend mehr Menschen. Tagesausflügler und auch Wanderer, die nach Hrafntinnusker aufbrechen. Dass wiederum einige in Leggins, ohne Zelt, Schlafsäcke oder Stöcke unterwegs sind, überrascht uns schon nicht mehr.


              Das saftige Grün kehrt in einer dampfenden Variante zurück.

              Am Rande des Lavafeldes Laugahraun machen wir kurz Halt. Eine Gruppe Asiaten eröffnet uns, dass sie den Laugavegur ebenfalls bis nach Skogár laufen wollen. Kurze Jeanshosen, T-Shirts und Bonus-Einkaufstüten. Still schauen wir uns gegenseitig an, jeder denkt dasselbe: In spätestens zwei Stunden würde die Gruppe durch Schnee laufen. Hoffentlich ging das gut. Den letzten Kilometer genießen wir, das Ziel und die großartige Aussicht vor Augen. Irritiert sind wir lediglich von der gefühlten Großdemonstration - zu viele Menschen, aber wir sind ja auch ein Teil davon.


              Dann stehen wir in Landmannalaugar und sind glücklich.

              Mit dem Wetter hatten wir auf dem Laugavegur größtenteils Glück und auch unsere beiden Schneetage habe ich in guter Erinnerung behalten. Glücklicherweise trinken wir unser in der Mountain Mall erworbenes Siegerbier erst nach dem Zeltbau, da es plötzlich aus blauem Himmel heraus zu regnen beginnt.


              Siegerbier, aus rein dokumentarischen Gründen.

              Um für eine gleichmäßige Befeuchtung aller Probanden zu sorgen, packen wir uns in die heißen Quellen - wobei Andreas sich erst einmal auf dem glitschigen Holzstreppenstufen lang macht, jedoch glücklicherweise im warmen Wasser landet. Warum ich es ihm wenige Augenblicke später nachmache, weiß ich nicht so genau.

              Nach einiger Wartezeit im lauwarmen Bereich ergattern wir gute Plätze an der heißen Quelle. Das Wasser ist himmlisch warm und auf Wunsch auch richtig heiß. So setzt dann neben der körperlichen auch die psychische Entspannung und fast schon so etwas wie Wehmut ein: Der Laugavegur liegt nun hinter uns. Keine allzu großen körperlichen Ausfallerscheinungen, keine Ausrüstungsdeaster, Gruppe noch vollzählig, alle Gliedmaßen intakt. Wobei: Dass mein rechtes Knie ab und zu zwickt, gestehe ich mir und auch den anderen jetzt ein. Auf dem Abstieg nach Landmannalaugar hinab wurde aus dem gelegentlichen Zwicken ein regelmäßiges Ziehen. Ich konnte es nicht mehr ignorieren und war aufgrund der stärker werdenden Schmerzen an der Grenze zur Schonhaltung. Überlastung. Alte Kriegsverletzung, als Kind skateboardfahrenderweise diverse Bänder malträtiert. Keine tragische Sache, aber ich weiß aus Erfahrung, dass die Lunte zum Zwicken und Zwacken bei meinem rechten Knie schlicht kürzer ist, als beim linken. Da hilft neben dem Einsatz der Bordapotheke nur ein Tag Pause. Mindestens. Den haben wir uns auch verdient. Hinzu kommt, dass aus rein strategischen Gründen zur Gewichtsreduzierung dringend diverse Essensbestände vernichtet werden sollten. Für die restliche Tourt mehr als genug Essen dabeihaben. Durch einen Einkauf in der Mountain Mall können wir unser Abendessen dann auch kräftig aufbohren. Ich zahle mit Kreditkarte und ignoriere die Preis. Egal, wir haben Kekse!

              Gegen Abend und mit der Abfahrt der letzten Busse wird es dann ruhiger auf dem Campingplatz. Fast. Einzig die Familie, die linkerhand von uns zu unserem Leidwesen gegen 23 Uhr versucht, ein Zelt aufzubauen, scheint der Ansicht zu sein, dass dies besonders laut besonders gut funktioniert. Das Ding ist dem laut vorgelesenen Preisschild nach noch OVP, wir ahnen Schlimmes. Das „Steck das mal bei mir rein“ der bockig-pubertären Tochter ist zwar unfreiwillig komisch, aber ich würde jetzt doch gerne schlafen. Es soll ja helfen, so‘n Zelt daheim mal probehalber aufzubauen? Kurz darauf gesellt sich von rechts noch die Unterhaltung einer Reisegruppe in alkoholschwangerer Lautstärke hinzu. Gut, jetzt ist der Krach wenigstens sauber im Stereobild verteilt - ich schlafe ein.


              29.6.2013 - Day off in Landmannalaugar: Kekse. Bier. Und Kekse.

              Unser erster Urlaubstag in Landmannalaugar beginnt wie alle anderen Tourtage auch: Aufwachen, kurz warten um zu kapieren wo genau man sich befindet, Morgentoilette und Frühstück. Mit dem Unterschied dass das Frühstück deutlich opulenter (KEKSE!) ausfällt als die Tage zuvor. Gepriesen sei die Mountain Mall!


              Mehr Geld habe ich für Zucker wohl niemals zuvor ausgegeben.

              Die Zelte bleiben an Ort und Stelle und wir verbringen den Tag mit Wäsche waschen, dem Verfassen von Reisenotizen oder kleinen Spaziergängen um das Lager herum.



              Ich schaffe es, in meine Regenjacke auf einem Toilettengang an irgendeinem herausstehenden Teil eine winzige Triangel zu reißen. Himmel nochmal! Nichts, was Sekundenkleber nicht flicken könnte, trotzdem unnötig - und bis Tourende in der gesamten Gruppe ernsthaft der einzige Defekt. Sachen gibt's.

              Was macht das Wetter? Der Himmel ist meistens bedeckt, jedoch meinte ein Wanderer bei einem kurzen Tratsch, dass der Wetterbericht blauen Himmel versprechen würde. Gegen Nachmittag trudeln Silke und Steffen ein. Sie haben einen Tag abgewettert und kamen entsprechend auch einen Tag nach uns an. Ihren Erzählungen nach muss es recht dramatisch zugegangen sein: Der Schneefall hielt an, es gab keine geschützten Zeltplätze mehr um die Hütte herum, selbige muss hoffnungslos überfüllt gewesen sein sodass viele Wanderer mit unzureichender Ausrüstung die Etappe ungeplant verlängert haben und weitergelaufen sind. Die beiden hingegen hatten Glück und zudem reserviert. Hoffentlich ging das für alle gut aus. Vielleicht ist das eine völlig normale Situation zu der Jahreszeit, ich hätte das jedoch nicht erwartet.

              Abends wollen wir noch den Bláhnúkur zu besteigen, vertagen das jedoch aufgrund der Massenträgheit der Gruppe. Für mein Knie wird das auch das Beste sein, obwohl es heute schon weniger ziept. Angesichts der fehlenden Belastung leider kaum aussagekräftig. Mit meinem Rücken habe ich auf Tour keinerlei Probleme, ob das wohl ein Zeichen ist?


              Gemütliches Beisammensein in entspannter Atmosphäre.

              Praktischerweise befindet sich direkt neben dem Zelt von Silke und Steffen ein Tisch mit zwei Bänken, für Sitzgelegenheiten ist also gesorgt.
              Während dem Essen lasse ich den Blick über das Gewusel des Zeltplatzes schweifen. Der Grund, warum alle hier sind, dürfte für die meisten Menschen zumindest ähnlich sein: Natur genießen, Wandern, abschalten. Der Hintergrund, die Lebensgeschichten der Leute, ist oft vollkommen verschieden. Beides zusammen führt zu sehr interessanten Begegnungen, die so im Alltag wohl nie zustande kommen würde.
              Wir besuchen den Hotpot erneut und treffen auf eine ältere Dame, die "wegen ihres Alters" (über 80!) "nur noch kleinere Tagestouren" unternimmt. Respekt. Ich hoffe, ich kann in dem Alter ähnliches behaupten. Wir lassen uns ausgiebig einweichen und bald haben unsere müden Knochen die beiden Schneeetappen vergessen. So'nen heißen Teich bräuchte ich daheim auch.
              Zuletzt geändert von Styg; 04.05.2014, 12:55.

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              • theslayer
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                • 13.11.2013
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                #8
                AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                Ein richtig geiler Einstand hier im Forum!
                Tolle Bilder, schöner Bericht und doch noch ein Quäntchen mehr auf meiner "Man, du musst mal nach Island"-Liste!

                Bitte Weitermachen!
                Auf meinem Blog Longing for the Horizon:
                Pamir Highway 2019 / Sarek 2018 / Padjelantaleden 2017 / 4500km Radtour Berlin-Nordkapp 2017 / Kungsleden 2015 / Kungsleden 2014 / Israel-Hike 2014 und viele kleinere Radtouren (Berlin - Kopenhagen / Prag - Berlin etc.)

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                • Dieter

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                  • 26.05.2002
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                  #9
                  AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                  Hallo Styg,

                  das geht ja Schlag auf Schlag!

                  Neben den Breitwand-Cinemascope-Panorama-Bildern besonderen Dank auch für die "Schlechtwetter"-Bilder. Sie zeigen anschaulich, welche Bandbreite unter normalen(!) Bedingungen beim Wetter auf dem Laugavegur möglich sind. Schneefälle, Schneeregen bei viel Wind und schlechter Sicht sind am Hrafntinnusker nichts Ungewöhnliches.

                  Ein junges Paar öffnet die Tür: Sie den Tränen nahe, tropfnasser Parka, Leggins; er macht in Jeans, dünner Jacke und mit patschnassem Rucksack auch keinen glücklicheren Eindruck. Weder Zelt noch Schlafsäcke haben sie dabei. Dem Mädel ist die Angst richtiggehend anzusehen und ich hoffe, dass die beiden es gut nach Álftavatn oder Landmannalaugar geschafft haben. Der sehr freundlichen Hüttenwirtin bleibt nämlich nichts anderes übrig, als die beiden weiterzuschicken. Die Hütte ist definitiv genagelt voll.
                  Die Hütte hat 53 Schlafplätze. Während der Sommersaison sind aber durchschnittlich 100 Wanderer pro Tag auf dem Laugavegur unterwegs. Also nur Platz für die Hälfte der Wanderer die vorbeikommen. Wenn die verfügbaren Schlafplätze vergeben sind, dann wird das den Leuten mitgeteilt. Aber "weitergeschickt" wird, meines Wissens nach, niemand. Kann und darf auch nicht. Für schlecht ausgerüstete und überforderte Wanderer könnte das unter den geschilderten Verhältnissen (lebens-)gefährlich sein. Dessen sind sich auch die Hüttenwarte bewusst.

                  Zumindest habe ich das so erlebt, dass selbst auf dem Platz auf dem Küchenboden unter der Spüle geschlafen wurde. Die Ranger und Hüttenwarte in Landmannalaugar warnen gelegentlich schon unten, dass oben "nichts geht", wenn die Lemminge nachmittags aus dem Bus hüpfen und gleich den Laugavegur starten wollen.

                  Dieter

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                  • Styg
                    Gerne im Forum
                    • 01.05.2014
                    • 86
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                    #10
                    AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                    Hallo Dieter,

                    die Abschriebe des Tourhefts habe ich größtenteils auf Halde, daher geht's hoffentlich schnell mit dem Bericht. Die Panoramen liegen mir besonders am Herzen, auch wenn natürlich von der eigentlichen Auflösung hier im Forum dann relativ wenig übrig bleibt. Naja, ein paar werden's in groß in die Wohnung schaffen, denke ich. Die Schlechtwetterbilder wollte ich auch für mich selbst haben, weil gerade auch diese Etappen intensiv waren und man sich dann eben auch gleich detaillierter erinnert.

                    Du hast natürlich Recht, was das "weiterschicken" angeht, da habe ich etwas verknappt formuliert. Sie hat sie nicht weggeschickt. Vielmehr war es so dass in einem kurzen Gespräch - wir standen direkt daneben - die Optionen straff aufgezählt wurden, es herrschte ziemlicher Andrang: Boden irgendwo wenn's wirklich garnicht anders geht oder eben weiterlaufen. Da war es für die beiden dann wohl am denkbarsten, nach Áftavatn abzusteigen. Zumindest sind die beiden danach wieder aus der Hütte raus, wir haben sie nicht mehr gesehen. Ganz ehrlich, das muss eine ziemliche Tour gewesen sein. Ich meine mich auch zu erinnern, dass das Auto an der Hütte einen Defekt hatte (siehe Foto) und an dem Abend nicht mehr weg konnte. Erst am nächsten Tag ist er nach mehrmaligem Anlauf und ziemlichem Getöse dann den Hang am Berg hochgekommen.

                    Wie unsere Bekanntschaften erzählt haben, muss es den nächsten Tag dann nochmal enger zugegangen sein. Keine Ahnung, ob hier irgendein Peak aus beiden Wanderrichtungen ungünstig aufeinander getroffen ist, Wetter inklusive. Aber deiner Beschreibung nach scheint das ja häufiger so zu sein. Schon heftig irgendwie.

                    In Landmannalaugar haben wir mit einem Warden kurz geredet. Der meinte auch, dass viele garnicht erst fragen würden, sondern einfach loslaufen ... ganz ehrlich, ohne Zelt würde ich mich das nicht trauen? Gerade als wir die Umgebung von Landmannalaugar reingelaufen sind, waren wirklich viele ziemlich leicht bepackt unterwegs. Klar, manche machen da wohl nur kurze Ausflüge. Aber wir waren ein paar Mal kurz davor Leuten zu sagen, dass sie in den Klamotten da so unmöglich hoch können. Sicher, raus aus'm Bus, die Sonne scheint, alles prima und Abmarsch ...

                    Fabian
                    Zuletzt geändert von Styg; 03.05.2014, 14:34.

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                    • Daddyoffive
                      Fuchs
                      • 24.08.2011
                      • 2437
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                      #11
                      AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                      Das Leben ist kein Problem, das gelöst werden müsste, sondern ein Abenteuer, das gelebt werden will.
                      John Eldredge
                      ><>

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                      • Styg
                        Gerne im Forum
                        • 01.05.2014
                        • 86
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                        #12
                        AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                        Weiter geht's ...


                        30.6.2013 - Bláhnúkur in Landmannalaugar

                        Spontan beschließen wir beim Frühstück, erneut einen Ruhetag einzulegen. Wir haben mehr als genug Zeit! Das Wetter ist gut, durch sporadisch vorbeiziehende Wolken scheint fröhlich die Sonne. Damit der Tag nicht völlig ereignislos vergeht, planen wir für den Nachmittag dann tatsächlich die Besteigung des Bláhnúkur ein. Da kann ich gleich mein Knie testen.


                        Fasziniert von türkisen Felsen steigen wir den steilen Pfad hinauf.


                        Oben angekommen wartet ein fantastischer Ausblick in alle Himmelsrichtungen auf uns.


                        Wir genießen die Landschaft und fotografieren ausführlich.

                        Gruppenfoto! Dann bin ich wenigstens auf einem meiner Bilder auch mit drauf. Auch das von Chris mitgeschleifte 400m-Objektiv kommt zum Einsatz, schließlich will er es nicht umsonst durch halb Island geschleift haben. Nächstes Mal bleibt es daheim, keine Ahnung, was wir und dabei gedacht haben.

                        Der Abstieg schlängelt sich steil über loses Gestein, unten angekommen stehen wir dann vor einem Problem: Wir müssen einen Fluss überqueren, haben aber keinerlei Ausrüstung dabei. Auf der Karte ist der Fluss eindeutig drauf, haben wir übersehen.



                        Zwei von uns mogeln sich über einige Steine, aber es geht nur knapp trockenen Fußes zu. Niemand möchte seine Kamera versenken. Da bleibt wenig übrig, außer barfuß durch das erfrischende Nass zu waten. Da haben wir Island unterschätzt, eigentlich wollten wir nur kurz auf Fototour mit leichtem Gepäck. Wieder im Camp angekommen, ist die etwas ungeschickte Episode schnell vergessen: Die Mountain Mall bohrt unser Abendessen heute ein weiteres Mal kräftig auf.

                        Den ganzen Tag über haben Reisebusse Menschen ausgespuckt. Der Campingplatz hat sich in den letzten beiden Tagen stark gefüllt, morgen wird er viele Wanderer auf den Laugavegur spülen. In Skógar zu starten war für uns die richtige Entscheidung, da wir bis Hrafntinnusker relativ einsam unterwegs waren. Erst Richtung Landmannalaugar bekamen wir immer mehr Gesellschaft. Morgen wird es für uns definitiv weitergehen, die erste Etappe des Hellismannaleið steht an.


                        1.7.2013 - Landmannalaugar bis Landmannahellir: Wilkommen in Mordor

                        Ich wache auf. Das Licht im Zelt verheißt Sonnenschein. Es ist früh morgens, noch ist es ruhig auf dem Campingplatz. Etwas schlaftrunken stehe ich auf, tatsächlich begrüßt mich ein blauer Himmel mit nur wenigen Wolken. Der Rest der Belegschaft wird durch sanftes Rütteln am Zelt geweckt.

                        Porridge und Kaffee gibt‘s heute auf einem sonnigen Sitzplatz, Plätze sind noch genügend frei. Danach packen wir unsere Siebensachen und laufen los. Das rote Zelt unserer Bekanntschaften steht noch. Sie werden uns bald auf den Hellismannaleið folgen, wir konnten die beiden für diese Route begeistern. Etwa einen Kilometer laufen wir das Lavafeld Laugahraun zurück, dann biegen wir rechts ab.

                        Schlagartig sind wir wieder völlig allein. Nicht nur die wenigen Fußspuren und das ausbleiben ausgetretener Pfade verraten, dass diese Route selten begangen wird. Im Verlauf der heutige Etappe begegnen uns heute lediglich zwei Wanderer. Nicht schlecht für die unmittelbare Nähe zu Landmannalaugar. Ein breites aber fast trockenes Flussdelta queren wir, dann geht es hoch auf eine mit Geröll bedeckte Ebene, laut Reiseplan das Lavafeld Háölduhraun.


                        Wolken ziehen auf, wir kommen uns vor wie in Mordor.


                        Eine ganz andere Stimmung wie im nur wenige Kilometer entfernten Landmannalaugar.

                        Nach einiger Zeit folgt ein kurzer Abstieg und wir kreuzen die F225. Auf der gegenüberliegenden Seite dieser Straße erwartet uns deutlich üppigere Vegetation: Gras, Kräuter, Wiesen. Auch wenn uns leichter Niesel zu den Regenklamotten greifen lassen, genießen wir im weiteren Verlauf den Anblick der wundervoll eingefärbten Seen Dómadalsvatn, Lifrarfjallavatn und Löðmundarvatn.



                        Als wir den letztgenannten umlaufen, kommt auch schon Landmannahellir in Sicht. Nicht zuletzt wegen den unzähligen Mücken legen wir die letzten Kilometer in recht scharfem Tempo zurück. Es sieht auch von Minute zu Minute mehr nach Regen aus, und zwar so richtig. Kaum haben wir die Zelte aufgeschlagen, beginnt es, richtig heftig zu schütten. Wir retten uns in eine kleine Steinhütte mit Sitzgelegenheit, bald darauf nimmt die Kantine Essenswünsche entgegen. Draußen prasselt's, innen wird's gemütlich.

                        Keine zehn Minuten später suchen Silke und Steffen in eben dieser Hütte Schutz. Nach einem gemeinsamen Abendessen verkriechen wir uns rekordverdächtig früh - es ist kaum 18 Uhr - in die Zelte. Die immer leichter werdenden Essensvorräte machen sich mittlerweile deutlich bemerkbar. Im Nachhinein erfahren wir noch, dass Landmannalaugar in den Folgetagen ziemlich abgesoffen sein muss. Auch in Landmannahellir platscht es die ganze Nacht fast durchgehend. Immerhin funktioniert mein Knie wieder.


                        1.7.2013 - Landmannahellir bis Afangagil: Mücken!

                        Die Nacht über hat es sich abgeregnet. Wir frühstücken unter klarem Himmel.


                        Tatsächlich kommen wir dann auch zeitig los.


                        Der Regen hat aufgehört, der Himmel ist den Tag über nur wenig bedeckt, es geht kaum Wind.


                        Ein letzter Blick zurück nach Landmannahellir.

                        Wir kommen zügig voran, die Strecke ist recht einfach zu gehen. Landschaftlich ist heute weniger geboten als sonst, bald sprechen wir von einer „Autobahnetappe“. So ganz stimmt das nicht - aber man wird schnell verwöhnt. Die weiten Ebenen sind durchaus hübsch anzusehen, ziehen sich aber auch stark in die Länge.


                        Blick auf den See Herbjannarfelsvatn.


                        Wandern durch die Wüste, es ist fast meditativ.

                        Man sollte nur den Fehler nicht machen, am Beginn einer solchen Durchquerung die Bohlen zu zählen, die den Weg markieren.


                        Der Hellismannaleid ist definitiv karger und im Wechsel der Landschaft auch langsamer als der Laugavegur.

                        Ein altes Lavefeld kommt in Sichtweite. Unserem Reiseführer nach ein altes Lavafeld einer Hekla-Eruption aus dem Jahr 1913.






                        Etwa in der Mitte des Lavafeld wird der Fluss Helliskvísl gefurtet.


                        Zwei Reiter eskortieren eine Horde Islandpferde. Oder umgekehrt?


                        Die Aufstiege der Etappe sind nicht zu unterschätzen.


                        Hekla wird sich für uns in eine dramatische Pose.

                        Seinen Reiz hat der Weg definitiv, vielleicht gerade aufgrund des Kontrastprogramms. Dennoch: Nach der weiter scheinbar endlosen Ebene wollen wir diese Etappe vor allem hinter uns bringen.



                        Der Wind ebbt ab. Sofort sind wir umgeben von ganzen Mückenwolken. Begleitet haben uns diese Viecher schon am Tag zuvor, so nervtötend wie heute waren sie jedoch nicht. Stoisch laufen wir weiter und vergessen wieder einmal das Mittagessen. Moskitonetze wären jetzt mehr als praktisch gewesen. Haben wir aber nicht dabei, Planungsfehler. So helfen wir uns mit unseren Buffs aus, das funktioniert ebenfalls gut. Nach einem letzten Aufstieg aus einer „Wüstenwanne“ hinaus kommt im Tal das Lager Áfangagil in Sicht. Beflügelt von der Vorfreude auf eine warme Mahlzeit und vor allem mückenlose Zelte. Diese Mücken mögen scheinbar Innenräume nicht, sie gelangen zumindest bei uns niemals in ein Zelt, hielten sich nicht einmal in den offenen Apsiden auf.


                        Kein Wind, viele Wolken und viele Mücken.

                        Unten im Lager ist niemand da, nur eine Notiz für eine Reisegruppe mit Buchung hängt an einer Tür. Der Warden schreibt, dass es später werden können. Warten und kochen ist angesagt, die Zelte bauen wir noch nicht auf. Kaum sprudelt das Wasser im Kocher, trudelt ein Bus mit einer Gruppe Franzosen ein. Ich verständige mich mit meinem etwas eingerosteten Schulfranzösisch, sie beziehen die Hütte direkt neben unserem Esstisch. Die falsche, wie sich nachher herausstellt. Die Luft steht, Mückenmassen lassen die Nahrungsaufnahme zu einer nervenden Geduldsprobe werden. Zwei Punkte erscheinen am Ende des Hangs hinter uns - Silke und Steffen trudeln ein, auch sie sind erschöpft von der heutigen Etappe samt Mückenplage. Gemeinsam sitzen wir zusammen am Esstisch und warten.

                        Ein erster blauer Fetzen wird am Himmel erkennbar. Er wird größer und zieht in unsere Richtung. Zehn Minuten später sitzen wir im Sonnenschein, Wind kommt auf und diese verdammten Mücken sind wie weggeblasen.


                        Wind, weniger Wolken und keine Mücken.

                        Eine näherkommende Staubspur am Horizont kündigt ein Fahrzeug an. Die Wardin kommt, sie wohnt scheinbar mit ihren beiden kleinen Kindern in einer Art Bauwagenhütte. Der kleine Knirps überrascht uns mit fließendem Englisch, dabei ist er ganz sicher noch nicht in der Schule. Der Preis für unsere beiden Zelte ist dann sehr günstig, kurze Zeit später steht unser Nachtlager dann auch. Im schönen Abendlicht wenden wir uns für fast zwei Stunden dem Fotografieren zu. Der Sonnenuntergang entschädigt für die Mückenplage des Nachmittags.


                        2.7.2013 - Afangagil bis Rjupnavellir: Mehr Mücken!

                        Die Stimmung beim Frühstück ist seltsam: Uns ist allen klar, dass heute die letzte Etappe dieser Tour ansteht. Ich genieße das Schlafen im Zelt, das Wandern, den Regen - sogar die verdammten Mücken. Mich reizt das Ausgesetztsein, die Endgültigkeit von Entscheidungen, den unbedingten Zwang, sie zu treffen und nicht aufschieben zu können. Die Reduziertheit der Tagesabläufe, die kleinen Dinge des Alltags werden auf Tour zu den wirklich wichtigen. Hier kann ich nicht kurz ins Haus zurück und Regenklamotten holen oder mal eben im Supermarkt fehlendes Essen nachkaufen. Es hat für mich etwas sehr klares an sich, sich bereits während einer Etappe auf‘s Abendesse zu freuen oder auf die Matratze im Zelt. Ich erinnere mich an den Kaba oben auf der Hfrantinnusker-Hütte.
                        Auf Tour bin ich im Hier und Jetzt verankert, wirklich vor Ort und Stelle. Im Alltag transportiere ich mich mehr von Erledigung zu Erledigung, als dass ich wirklich da bin. Das Smartphone liegt ohne Akku seit Tourstart im Rucksack, da soll es bis Samstag auch noch bleiben - dann wird der Check-in am Flughafen nötig.


                        Toilettenhäuschen bei Áfangagil, mückensicher!

                        Bei blauem Himmel laufen wir los, kein Wolkenfetzen am Himmel. Wir steigen den Hang bei Áfangagil links hoch, es geht Richtung Rjupnavellir.


                        Erneut geht es über weite Ebenen.


                        Die Landschaft ist weit und offen, Hekla lässt sich bei Sonnenschein ablichten.

                        Eins wird uns heute jedoch schnell klar: Das mit den Mücken gestern war im Vergleich zu heute garnichts - und manche der Biester stechen! Vermummt machen wir Kilometer.


                        Die Kargheit der Landschaft wird durch Vegetation an Flußrändern ab und an malerisch aufgebrochen.


                        Bald laufen wir am Ufer das Ytri-Rangá entlang.


                        Ein sehenswerter Wasserfall am Ufer des Ytri-Rangá.

                        Den Fehler, das Mittagessen ausfallen zu lassen, machen wir heute nicht. Hastige Nahrungsaufnahme inmitten einer ganzen Armada von Fliegen. Wir laufen weiter. Eine Flussbiegung später kommt leichter Wind auf, die Mückenplage löst sich auf. Hätten wir mit dem Essen 10 Minuten gewartet! Egal: Die Stimmung in der Gruppe verbessert sich dramatisch. Da ist es auch kein Beinbruch dass eine vergessene Sonnenbrille das erneute Auspacken der Furtutensilien nötig macht, Schadenfreude und zwei Extraquerungen inklusive. Es sollte unsere letzte Furt für diese Tour gewesen sein und wir alles wissen das.


                        Für mich endet die Tour dann endgültig mit dem der Überquerung dieser Brücke.

                        Lärm von für uns unsichtbaren Baufahrzeugen dröhnt hinter einem Hügel hervor. Baustelle auf der Strasse 26. Wir hören den Lärm von vorbeifahrenden Fahrzeugen. Die Wildnis hat uns ausgespuckt, wir sind zurück in der Zivilisation. Die letzten Kilometer bis Rjupnavellir bringen wir schweigend hinter uns.


                        Warten auf den Bus am Straßenrand.
                        Zuletzt geändert von Styg; 04.05.2014, 12:44.

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                        • antihero
                          Erfahren
                          • 29.01.2011
                          • 116
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                          #13
                          AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                          Vielen Dank für den tollen Bericht.

                          So sieht das also aus wenn man dort schönes Wetter hat
                          Da kommen aber trotzdem schöne Erinnerungen hoch, bei den Aufnahmen vom Laugavegur zumindest.

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                          • Sisterintherain
                            Erfahren
                            • 18.06.2013
                            • 371
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                            #14
                            AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                            Wow. Auch von mir ganz herzlichen Dank für diesen wunderbaren Bericht über das Ziel meiner Sehnsucht

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                            • Albiown

                              Erfahren
                              • 18.08.2011
                              • 371
                              • Privat

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                              #15
                              AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                              Hi erstmal,

                              super super toller Bericht und wundervolle Fotos! (vor allem auch die mit schlechtem Wetter ) Der Pass von Skogar aus war uns leider nur dichtnebenlverhangen vergönnt, umso schöner die ganzen Passbilder mal mit Schönwetter zu sehen.

                              Zitat von Dieter Beitrag anzeigen
                              Die Hütte hat 53 Schlafplätze. Während der Sommersaison sind aber durchschnittlich 100 Wanderer pro Tag auf dem Laugavegur unterwegs. Also nur Platz für die Hälfte der Wanderer die vorbeikommen. Wenn die verfügbaren Schlafplätze vergeben sind, dann wird das den Leuten mitgeteilt. Aber "weitergeschickt" wird, meines Wissens nach, niemand. Kann und darf auch nicht. Für schlecht ausgerüstete und überforderte Wanderer könnte das unter den geschilderten Verhältnissen (lebens-)gefährlich sein. Dessen sind sich auch die Hüttenwarte bewusst.
                              Moin Dieter,
                              dachte ich bisher auch. Leider wurden wir letztes Jahr eines besseren belehrt. Ganz im allgemeinen finde ich, werden die Hüttenwärter auch immer gereizter bzw. kühler/professioneller (meine nicht die typische isländische Kühlheit). Letztes Jahr wollten wir die Etappe Alftavatn - Landmannalaugar in einem Stück gehen und oben in der Hütte nur kurz im Vorraum für 10 Minuten verweilen, da wir trieften wie die Hunde in unseren Regenklamotten und uns bei den -3°C etwas aufwärmen wollten. Was passierte nach bereits 3,4 Minuten? Eine Hüttenwärtin meinte, die zahlenden Gäste wollten eine trockene und saubere Hütte, von daher sollten wir uns endlich aufmachen und in den Vorraum verlassen, damit dieser noch etwas trocknen könne bis die Gäste ab 13,14 Uhr eintrudelten. Wir hatten da gerade 11.30 Uhr. Auch das Angebot von uns, etwas zu spenden, würde rüde abgewiesen. Gleiches zuvor bei höheren Temperaturen, aber krasseren(!) Wolkenbrüchen in Emstrur.

                              Ich werde Island immer wieder bereisen, vor allem der Landschaft und Menschen wegen, aber vom Laugavegur bin ich wegen der Wardens mittlerweile echt bedient. (hat sich innerhalb eines Jahres, finde ich, schon massiv verschlechter, also 2012 auf 2013) 2012 hatte ich dich sogar noch kurz am Abflugtag auf dem Campingplatz getroffen und dir noch begeistert u.A. vom Laugavegur erzählt, 2013 wär das sicher nicht passiert.

                              Beste Grüße!

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                              • Katun
                                Fuchs
                                • 16.07.2013
                                • 1555
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                                In Islandpacklistenzeltkaufzusammenhängen wird hier immer der Sturm heraufbeschworen und dafür rüstet man sich dann. Der Laugavegur wiederum wird belächelt. Ist es dann mal kalt und nass, nimmt man doch gerne die Infrastruktur in Anspruch. Ich meine das jetzt nur ganz allgemein.

                                Styg: Tolle Bilder, schöne Tour! Wieso zeltet ihr direkt neben der Hütte? (das ist das Schlechtwetterbild? Mehr Schlechtwetterbilder seh ich nicht) Normalerweise sind da doch Zeltplätze mit ziemlich geschlossenen Steinmauern.

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                                • Styg
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                                  • 01.05.2014
                                  • 86
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                                  Hallo Katun, die Steinmauern kenne ich nur von Fotos - als wir dort ankamen, lag Schnee und der Platz vor der Hütte war ziemlich verweht. Da waren wir um einen windgeschützten Platz an der Hütte froh. Drinnen waren wir nur kurz zum bezahlen. Die Etappe ging für uns schon als Schlechtwetteretappe durch. Es zwar ziemlich nass, windig und halt allgemein ungemütlich. Klar, schlimmer geht immer, richtig abgesoffen sind wir natürlich nicht.

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                                  • Katun
                                    Fuchs
                                    • 16.07.2013
                                    • 1555
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                                    Ich glaub dir gerne, dass es kalt, nass und ungemütlich war und ne Freifläche an der Hütte vielleicht praktischer. Da es so hervorgehoben wurde, hab ich bloß die Bilder dazu gesucht - und nicht gefunden.

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                                    • codenascher

                                      Alter Hase
                                      • 30.06.2009
                                      • 4977
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                                      Alter, wehe unsere Sommerreisepläne sind wegen dir und deinem Bericht Geschichte....

                                      Nee, ich lese von zu vielen Mücken zum Ende. Vielen Dank für das teilen eurer Erlebnisse. Sehr schön geschrieben und von herrlich schönen Bildern unterbrochen

                                      Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

                                      meine Weltkarte

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                                      • Styg
                                        Gerne im Forum
                                        • 01.05.2014
                                        • 86
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [IS] Island - Von Skógar über Laugavegur und Hellismannaleið nach Rjupnavell

                                        Der letzte Teil des Berichts - vielen Dank für die Rückmeldungen!

                                        2.7. - 7.7 Epilog

                                        Wir stehen in Rjúpnavellir und suchen nach einem Busfahrplan. Eine ältere und äußerst freundliche Dame in der Info-Hütte hilft uns und sucht einen Plan heraus. Fünf Minuten noch, hastig eilen wir zur Straße und warten. Zurück in die Hauptstadt soll es gehen, von dort aus sind noch einige Tage Sightseeing geplant. Zugegeben - das war eher planlos. Die Tour war vorbei und wir standen wie bestellt und nicht abgeholt in der Landschaft. Einfach mal weitermachen. Daumen raus und hoffen. Wirklich saudumm ist, dass wir und Silke und Steffen nicht mehr getroffen haben. Wir wissen, dass sie nicht weit hinter uns sein können und wissen auch wie wir die beiden kontaktieren können. Da kommt auch schon Steffen angerannt und drückt uns einen Zettel mit Kontaktdaten in die Hand. Hervorragend!

                                        Weniger Glück haben wir mit den Bussen. Die fahren allesamt an uns vorbei. Wir haben davor nicht angerufen und uns angemeldet, insofern Pech gehabt. Zurück zur Info-Hütte nach Rjúpnavellir. Davor preis ein Werbe-Schild das „Hekla-Taxi“ an. Smartphone reaktivert und angerufen. Reykjavíc ginge auf keinen Fall heute mehr. Etwas verdattert, weil wir in dem Moment nicht wissen, wie‘s weitergehen soll, gehen wir zurück in die Info-Hütte und kaufen als Ersatzhandlung erst einmal einen Pack Eier. Kann man schließlich immer brauchen! So frisch gibt‘s die außerdem selten, die Hühner laufen im Camp verteilt herum. Die alte Dame ist verwundert dass der Bus nicht angehalten hat und telefoniert kurz. Wie wir später herausfinden, ist ihr Sohn (?) der Betreiber des Hekla-Taxis. Gute Nachrichten: Etwa eine halbe Stunde sollen wir warten, dann käme er. Vielleicht geht es für uns heute doch noch weiter.

                                        Zehn Minuten später sitzen wir dann in der Hütte, die sich Silke und Steffen angemietet haben. Die vorab gekauften Eier werden abgekocht und in Rekordzeit verspachtelt. Wir halten noch einen kurzen Plausch und können wir uns so doch noch anständig voneinander verabschieden. Immerhin sind wir von Skógar aus ziemlich parallel nach Rjúpnavellir gelaufen.

                                        Wenig später stehen wir erneut in der Info-Hütte. Der Sohn ist da und telefoniert erst einmal mit der Busgesellschaft. Isländisch versteht keiner von uns, aber er klingt etwas angefressen. Er erklärt uns, dass er uns nach Hella fahren könne und wir dort noch eine Buss nach Reykjavík erwischen würden. Kurze Zeit später sitzen wir in seinem Taxi. Absolut hilfsbereit, wir sind ihm wirklich sehr dankbar. Wir führen etwas Smalltalk auf Englisch und erzählen kurz über unsere bisherige Route. In Hella angekommen setzt er uns an der Bushaltestelle ab, erklärt uns unsere Verbindung nach Reykjavík ganz genau und fährt dann wieder zurück. Kurz darauf entern wir den Supermarkt direkt neben der Haltestelle und stopfen uns erst einmal mit Süßkram voll. Kekse!

                                        Im Bus sitzend vertreibe ich mir die Zeit indem ich die Bilder der Tour an der Kamera durchschaue. Wehmut kommt auf. So ein bischen war‘s das jetzt einfach für mich, auch wenn wir noch ein paar Tage auf der Insel sind. Für die Resttage war lose geplant, um Reykjavík herum noch einge Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Bushaltestelle außerhalb von Reykjavík, wir steigen um. Der Busfahrer brennt wie der Henker durch die Stadt. Tod und Verderben allen Fußgängern! Es geht Richtung Innenstadt. Wir steigen aus, der Busfährer fährt kurz an, hält aprupt an, steigt aus, rennt mir entgegen - und drückt mir eine vergessene Einkaufstüte in die Hand. Meine Kekse! Verdattert bedanke ich mich. Immerhin sind wir jetzt orientiert und beschließen, zum Campingplatz zu laufen.

                                        Der Campingplatz in Reykjavík ist brechend voll. An der Rezeption mieten wir uns einen Kleinwagen. Am nächsten Morgen kommt ein Mitarbeiter der Verleihfirma und sagt zu mir, dass ich kurz mitkommen solle. Ich gehen davon aus dass es nicht weit ist, wir fahren in seinem Auto los. 30 Minuten später sitze ich dann im Büro der Verleihfirma irgendwo außerhalb Reykjavík und habe keinen blassen Schimmer, wo ich gerade bin. Der Rückweg klappt dann trotzdem erstaunlich gut, ganz langsam kann ich mich in Reykjavíc zumindest grob orientieren. Immerhin muss ich das Auto nicht dorthin zurückbringen, sondern kann den Schlüssel an der Rezeption abgehen und das Auto auf dem Parkplatz vor dem Campground stehen lassen. Wir fahren los und stocken unsere Vorräte in einem Bónus auf, dann geht‘s auf die Golden Circle Tour.


                                        Erste Haltestelle ist Þingvellir.


                                        Dann steht Gullfoss auf dem Programm.

                                        Auch Geysir wird besucht, wir lichten einige Ausbrüche von Strokkur ab und verbringen die Nacht dort auf dem Campingplatz. Einen Radfahrer campt neben uns, wir laden ihn auf einen Kaffee ein. Gegenseitig erzählen wir uns unsere Touren - ihm macht der Gegenwind ziemlich zu schaffen.

                                        Wir brechen auf Richtung Skógar, es beginnt heftig zu schütten, starke Böen rütteln uns in unserem Gefährt durch. Auf dem Weg machen wir im „Eyjafjallajokull Visitor Centre“ Halt und schauen uns den sehenswerten Film dort an. Im Regionalmuseum in Skógar verbringen wir dann fast den gesamten Nachmittag. Sehr interessant, absolut empfehlenswert. Die dortigen Eindrücke hätten vor unserer Tour auch wunderbar in‘s geistige Handgepäck gepasst. Regen prasselt auf‘s Autodach, wir fahren kurz am Campingplatz beim Skógafoss vorbei. Der ist ziemlich abgesoffen, es regnet immer noch und nur wenige Zelte stehen auf der aufgeweichten Wiese. Wir hatten bei unserem Tourstart hier vor nicht ganz zwei Wochen deutlich bessere Bedingungen. Glück gehabt.

                                        Der Rückweg führt uns am Hostel Gaulverjaskóli vorbei. Auf unserer Rundtour letztes Jahr haben wir hier ebenfalls Halt gemacht.


                                        Die umgebaute alte Schule hat einfach eine nette Atmosphäre.

                                        Am nächsten Tag besuchen wir die Strandarkirkja.


                                        Am Ufer des Atlantik lassen uns ein letztes Mal ordentlich vom Winde verwehen.


                                        Danach statten wir noch Krýsuvík bzw. Seltún einen Besuch ab. Die Blue Lagoon lassen wir ausfallen.

                                        Zurück in Reykjavík machen wir uns zu Fuß auf Richtung Innenstadt. Nach einer kleinen Shoppingtour genießen wir unser Abschlussessen. Dann entern wir die MicroBar, genehmigen uns jeweils zwei äußerst leckere Biere (Gæðingur!) und laufen im schönem Abendlicht wieder zurück auf den Campingplatz. Postkarten werden endlich eingeworfen. Wir bauen unsere Zelte auf und übernachten das letzte Mal auf Island.

                                        Gegen Mittag holt uns der FlyBus ab, um 16:05 hebt unser Flugzeug Richtung FFM ab. In Deutschland hat es noch über 20 Grad. Der Stress der Großstadt kippt über uns aus. Vor Mitternacht setzt uns Andi zu Hause ab.

                                        Morgen wartet das Büro auf mich.

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