AW: [IT] Das Meer
20.01.2014 Monte San Biagio
13,3 km
Am Morgen stürmt es nicht mehr so stark und am Himmel zeigen sich kleine helle Abschnitte.
Im Fernsehen werden dramatische Bilder von Überschwemmungen in Italien gezeigt. Das Militär füllt Sandsäcke. Der verunglückte IC in Ligurien ist immer noch ein wichtiges Thema. Anscheinend ist es nicht möglich, ihn bei diesen Wetterbedingungen von den Gleisen zu entfernen. Die Hänge unter ihm sind ebenfalls instabil. Züge in Richtung französische Grenze müssen vermutlich über Turin geleitet werden und eine Region ist vom öffentlichen Nahverkehr ausgeschlossen.
Als ich Richtung Hafen rollere, ist es trocknen. Aber über dem Meer liegt ein bläulicher Streifen, der nichts Gutes verheißt.
Auch in der Nacht sind sintflutartige Regenfälle heruntergekommen, auf den Straßen stehen hohe Pfützen. Fischer sehe ich bei dem Wetter keine. Zum Abschied hätte das gut getan. Im Sommer wird es hier traumhaft sein. Heute wirkt alles trostlos. Vielleicht ganz gut. So fällt die Erkenntnis, dass der Urlaub bald zu Ende ist, nicht so schwer.
Ein breiter Strand taucht auf und ich genieße noch einmal das Flair und die Weite der Küste. Ein alter Mann parkt sein Dreiradgefährt am Straßenrand und läuft mühsam auf die andere Straßenseite. Diese Gefährte waren mir immer wieder auf den Landstraßen begegnet. Sie werden bei Gartenarbeiten oder in der Landwirtschaft eingesetzt und halsbrecherisch gefahren. Ape 50. Nun weiß ich auch den Namen. Ein Gedenkstein mit italienischer Flagge kommt in Sicht und an der Fahne sieht man den Wind. So schön bekommt man eine Fahne nicht immer fotografiert. Den Text verstehe ich nicht. Recherchen ergeben, dass es sich um ein Ehrenmal für einen 1942 gefallenen Leutnant und Scharfschützen Augstine Quartulli handelt, der im heutigen Kroatien gefallen ist. Das Denkmal wurde 2012 errichtet und wenn ich die maschinelle Übersetzung richtig verstanden habe, ist es Teil eines historischen Projektes, dass die Identität Terracinas stärken soll, um die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Schwierigkeiten zu überwinden.
Ein alter Mann kommt durch den Sand gestapft. Als er meinen Roller sieht, fragt er, woher ich sei. „Germania“, sage ich. Er lächelt. Auf Deutsch erzählt er, dass er in Deutschland gelebt hat, als er ein junger Mann war. Das war eine schöne Zeit. Er wünscht mir eine gute Weiterreise.
Ich komme nun an den strategisch wichtigen Engpunkt, den die Via Appia so bedeutend macht. Wissen tue ich davon nichts, aber es ist schon beeindruckend, wie wenig Platz hier ist. Zunächst sind auf der rechten Seite noch Häuser, dann geht die Straße über eine gemauerte Steinkonstruktion direkt am Meer entlang um die Felsen herum. Ob man hier wohl damals Felsen abgetragen hat, um die Straße zu bauen?
Ein kleiner Gewerbebetrieb befindet sich direkt am Meer, und ich fahre in die Einfahrt und genieße einmal wieder das Spiel der Wellen.
Ein Stück weiter ist ein kleiner Aussichtspunkt und hier ist das Wasser noch näher und wilder.
Erwähnte ich schon einmal, dass ich an derartigen Stellen stundenlang stehen könnte und dem Wasser zuschauen könnte?
Es fängt nun an zu nieseln und ich sehe das als Zeichen des Abschiedes. Eine enge, schmale Straße direkt am Meer liegt vor mir. Ein Schild warnt vor Steinschlag („caduta massi“).
Die Straße ist gerade frei und geht leicht bergab. Das trifft sich gut. Sie ist sehr schmal und hat keinen Seitenstreifen, an dem ich Autos ausweichen könnte. So wage ich es nicht, ein Foto zu machen. Aus dem Auto heraus, und vielleicht sogar mit dem Fahrrad, würde man vermutlich gar nicht merken, wie der Abschnitt beschaffen ist. Eine normale Straße nahe am Wasser, wie schön, würde man vermutlich sagen.
Mit dem Roller ist das ein ganz anderes Erlebnis. Wohl wissend, ein zu langsames und damit gefährliches Verkehrshindernis zu sein, rollt man mit vielleicht 3-4 km/h bei leichtem Gegenwind eine nasse, enge Straße entlang, die rechts nur durch einen alten Mauer-Stahlrohrzaun vom fast ebenerdig liegend wirkenden, unruhig schäumenden Wasser getrennt wird, das direkt neben einem am Fuß der leicht erhöht gebauten Straße tobt. Ich war noch nie besonders mutig und in dem Moment muss ich eine leichte aufkeimende Panik unterdrücken. Wäre das hier eine Fußgängerbrücke, wäre ich sicherlich Feuer und Flamme. Aber auf der vielbefahrenen Via Appia ist das schon Nervenkitzel.
Als die Hälfte geschafft ist, muss ich wieder treten und komme aufgrund des Windes kaum voran. Schneller als ein Fußgänger bin ich kaum. Tatsächlich kommen nun ein paar Autos. Aber sie fahren zu meiner Erleichterung human. Möglicherweise sind hier im Sommer Fußgänger und Radfahrer unterwegs und sie sind Hindernisse gewohnt. Und ich bin mit dem Poncho wohl auch kaum zu übersehen.
Der Regen wird nun erheblich stärker und fotografieren sinnlos. Der Küstenstreifen verbreitert sich wieder und es tauchen Sommeraufbauten auf. Ob es nun ein Campingplatz oder Strandinfrastruktur ist, erinnere ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich in einen Nebenweg abbiege, um der Straße aus dem Weg zu gehen und in einer Sackgasse lande.
Die Landstraße teilt sich und ich passe gut auf, dass ich nicht auf der Autobahn lande. Das Navi ist hier eine große Hilfe, ich muss es auch mal loben. Dann kommt wieder ein neuralgischer Punkt, und ich interpretiere Straßenschilder und Navi falsch. Ich denke, ich muss mich rechts halten, dabei führt der Rechtsabbieger auf der linken Spur unter der Brücke entlang. So lande ich auf einem Feldweg parallel zur Straße und nutze den Moment, etwas zu essen und ein paar Fotos zu machen.
Ich ordne mich wieder auf der Straße ein und groß warnt ein Schild langsame Verkehrsmittel, wie z.B. Fahrräder und Motorroller, geradeaus zu fahren und zwingt sie nach links. Geradeaus ist der Zubringer zur Autobahn. Ich rollere ganz nach links und biege ordnungsgemäß ab. Als ich die Autobahn quere, mache ich noch ein Bild von der Straße und den tiefhängenden Wolken an den Bergen. Die Sicht könnte besser sein.
Und dann ist Schluss mit lustig. Dieser Teil der Via Appia ist stark befahren. Mit ohrenbetäubendem Geräusch fahren die LKW ganz nahe an mir vorbei. Nicht unhöflich, keinesfalls. Aber die Straße ist zu eng und zu stark befahren, um richtig ausweichen zu können. Ich wechsele auf die linke Seite und stelle die Stirnlampe auf die höchste Stufe.
Wieder versuche ich mich im Seitenstreifen- und Einfahrthopping und das macht die Sache etwas erträglicher. Links und rechts der Straße sind nämlich Häuser und so bin ich jedenfalls etwas geschützt.
Irgendwann taucht ein See auf. Den Turm fotografiere ich nicht, aber ein Erinnerungsfoto ist der See wert. Er ist groß. Tagebau hat einem Felsen den Stempel aufgeprägt. Faszinierend und zerstörerisch zugleich.
Die Landschaft wird nun wieder bäuerlicher und im Sommer und ohne Verkehr wäre die Straße sicherlich sehr schön. Immerhin kommen die Autos nun wieder im Pulk und das macht die Fahrt angenehmer. In der Ferne zeigt sich ein heller Streifen und der Regen nimmt langsam ab.
Eisenbahngleise tauchen auf und ein Schnellzug verschwindet im Tunnel. Der Bahnhof Monte San Biagio existiert. Lange halte ich diese Straße nicht mehr aus. Aber das schlimmste Stück beginnt erst jetzt. Die Straße ist kurvenreich und an den Kurven ist es lebensgefährlich, an der linken Seite zu rollern. Seitenstreifen fehlen und wenn die Straße links abknickt, fahren die italienischen Autofahrer ganz nahe am Rand, um Kurvenschneidern aus dem Weg zu gehen. Mit mir rechnen sie nicht und die Ausweichsmanöver, die sie vor lauter Schreck fahren, sind bei Gegenverkehr für alle, auch mich, gefährlich. So wechsele ich erst ständig zwischen links und rechts hin und her und bleibe bald auf der rechten Seite. Das ist für alle Beteiligten einfacher. Als ich später bei ODS die Diskussion über den Unfall einer Gruppenkolonne lese, die auf der rechten Seite marschierend von einem Auto angefahren wurde, weiß ich, warum die Kolonne wie vorgeschrieben rechts unterwegs war. Auf ein langsames Fahrzeug rechts muss ein Autofahrer vorbereitet sein. Eine Kolonne in Gegenrichtung fährt zu gefährlichen Ausweichmanövern. Ein Ape demonstriert sehr schön, dass sich Autofahrer auch auf langsame Fahrzeuge einstellen können. Bei seinem Anblick wird mir warm ums Herz. Schade, dass er nicht hinter mir fährt.
Auf den letzten Metern bekomme ich Angst. Die Straße ist kurvig, schlecht einsehbar und die mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Autos gefährlich. Da es hügelig ist, muss ich schieben. Mehr als einmal dränge ich mich beim geringsten Geräusch mit dem Rücken an die Leitplanke. An einer Stelle klappe ich sogar den Lenker ein. Dass der Roller viel schmaler als ein Fahrrad ist, kommt mir hier zu gute. Die Angst bleibt. Nicht auf den letzten Metern noch ein Gedenkstein am Straßenrand werden.
Dann bin ich am Ort. Die Polizei bremst vor mir hart auf der anderen Straßenseite, aber sie ist an einem LKW hinter ihr interessiert. Der Regen hat aufgehört. Ich erhalte die originellste Fahrkarte meines Lebens, einen Vordruck mit zwei aufgeklebten Marken sowie einem handschriftlichen Vermerk. Ungefähr sieben Euro zahle ich für die Fahrkarte nach Neapel. Der Zug hat vierzig Minuten Verspätung.
Ich entledige mich am Bahnsteig meines Gepäcks auf einer Bank. Ein älterer Herr mit imposantem Bauch sucht das Gespräch, aber ich kann ja kein Italienisch. Er schenkt mir drei Bananen. Ein Mann von um die vierzig ist leicht genervt über die Verspätung. Wir kommen ins Gespräch. Er ist aus Nizza und spricht französisch, englisch und italienisch. Er hat seine geschiedene Frau und den Sohn in Terracina besucht und will jetzt in Neapel einkaufen. Neapel ist günstig. Vermutlich kauft er Anzüge. Heute morgen gab es in Italien ein kleines Erdbeben. Der Ätna ist auch wieder aktiv und im Umfeld des Vesuves gibt es schon seit längerer Zeit Veränderungen. Wir wünschen uns Glück. Später warnt er mich, mein Gepäck so offen da liegen zu lassen, wie ich es gerade tue. Ich nicke. Aber noch bin ich auf eine Großstadt nicht vorbereitet. Im Herzen stehe ich immer noch in Sabaudia am Meer.
20.01.2014 Monte San Biagio
13,3 km
Am Morgen stürmt es nicht mehr so stark und am Himmel zeigen sich kleine helle Abschnitte.
Im Fernsehen werden dramatische Bilder von Überschwemmungen in Italien gezeigt. Das Militär füllt Sandsäcke. Der verunglückte IC in Ligurien ist immer noch ein wichtiges Thema. Anscheinend ist es nicht möglich, ihn bei diesen Wetterbedingungen von den Gleisen zu entfernen. Die Hänge unter ihm sind ebenfalls instabil. Züge in Richtung französische Grenze müssen vermutlich über Turin geleitet werden und eine Region ist vom öffentlichen Nahverkehr ausgeschlossen.
Als ich Richtung Hafen rollere, ist es trocknen. Aber über dem Meer liegt ein bläulicher Streifen, der nichts Gutes verheißt.
Auch in der Nacht sind sintflutartige Regenfälle heruntergekommen, auf den Straßen stehen hohe Pfützen. Fischer sehe ich bei dem Wetter keine. Zum Abschied hätte das gut getan. Im Sommer wird es hier traumhaft sein. Heute wirkt alles trostlos. Vielleicht ganz gut. So fällt die Erkenntnis, dass der Urlaub bald zu Ende ist, nicht so schwer.
Ein breiter Strand taucht auf und ich genieße noch einmal das Flair und die Weite der Küste. Ein alter Mann parkt sein Dreiradgefährt am Straßenrand und läuft mühsam auf die andere Straßenseite. Diese Gefährte waren mir immer wieder auf den Landstraßen begegnet. Sie werden bei Gartenarbeiten oder in der Landwirtschaft eingesetzt und halsbrecherisch gefahren. Ape 50. Nun weiß ich auch den Namen. Ein Gedenkstein mit italienischer Flagge kommt in Sicht und an der Fahne sieht man den Wind. So schön bekommt man eine Fahne nicht immer fotografiert. Den Text verstehe ich nicht. Recherchen ergeben, dass es sich um ein Ehrenmal für einen 1942 gefallenen Leutnant und Scharfschützen Augstine Quartulli handelt, der im heutigen Kroatien gefallen ist. Das Denkmal wurde 2012 errichtet und wenn ich die maschinelle Übersetzung richtig verstanden habe, ist es Teil eines historischen Projektes, dass die Identität Terracinas stärken soll, um die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Schwierigkeiten zu überwinden.
Ein alter Mann kommt durch den Sand gestapft. Als er meinen Roller sieht, fragt er, woher ich sei. „Germania“, sage ich. Er lächelt. Auf Deutsch erzählt er, dass er in Deutschland gelebt hat, als er ein junger Mann war. Das war eine schöne Zeit. Er wünscht mir eine gute Weiterreise.
Ich komme nun an den strategisch wichtigen Engpunkt, den die Via Appia so bedeutend macht. Wissen tue ich davon nichts, aber es ist schon beeindruckend, wie wenig Platz hier ist. Zunächst sind auf der rechten Seite noch Häuser, dann geht die Straße über eine gemauerte Steinkonstruktion direkt am Meer entlang um die Felsen herum. Ob man hier wohl damals Felsen abgetragen hat, um die Straße zu bauen?
Ein kleiner Gewerbebetrieb befindet sich direkt am Meer, und ich fahre in die Einfahrt und genieße einmal wieder das Spiel der Wellen.
Ein Stück weiter ist ein kleiner Aussichtspunkt und hier ist das Wasser noch näher und wilder.
Erwähnte ich schon einmal, dass ich an derartigen Stellen stundenlang stehen könnte und dem Wasser zuschauen könnte?
Es fängt nun an zu nieseln und ich sehe das als Zeichen des Abschiedes. Eine enge, schmale Straße direkt am Meer liegt vor mir. Ein Schild warnt vor Steinschlag („caduta massi“).
Die Straße ist gerade frei und geht leicht bergab. Das trifft sich gut. Sie ist sehr schmal und hat keinen Seitenstreifen, an dem ich Autos ausweichen könnte. So wage ich es nicht, ein Foto zu machen. Aus dem Auto heraus, und vielleicht sogar mit dem Fahrrad, würde man vermutlich gar nicht merken, wie der Abschnitt beschaffen ist. Eine normale Straße nahe am Wasser, wie schön, würde man vermutlich sagen.
Mit dem Roller ist das ein ganz anderes Erlebnis. Wohl wissend, ein zu langsames und damit gefährliches Verkehrshindernis zu sein, rollt man mit vielleicht 3-4 km/h bei leichtem Gegenwind eine nasse, enge Straße entlang, die rechts nur durch einen alten Mauer-Stahlrohrzaun vom fast ebenerdig liegend wirkenden, unruhig schäumenden Wasser getrennt wird, das direkt neben einem am Fuß der leicht erhöht gebauten Straße tobt. Ich war noch nie besonders mutig und in dem Moment muss ich eine leichte aufkeimende Panik unterdrücken. Wäre das hier eine Fußgängerbrücke, wäre ich sicherlich Feuer und Flamme. Aber auf der vielbefahrenen Via Appia ist das schon Nervenkitzel.
Als die Hälfte geschafft ist, muss ich wieder treten und komme aufgrund des Windes kaum voran. Schneller als ein Fußgänger bin ich kaum. Tatsächlich kommen nun ein paar Autos. Aber sie fahren zu meiner Erleichterung human. Möglicherweise sind hier im Sommer Fußgänger und Radfahrer unterwegs und sie sind Hindernisse gewohnt. Und ich bin mit dem Poncho wohl auch kaum zu übersehen.
Der Regen wird nun erheblich stärker und fotografieren sinnlos. Der Küstenstreifen verbreitert sich wieder und es tauchen Sommeraufbauten auf. Ob es nun ein Campingplatz oder Strandinfrastruktur ist, erinnere ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich in einen Nebenweg abbiege, um der Straße aus dem Weg zu gehen und in einer Sackgasse lande.
Die Landstraße teilt sich und ich passe gut auf, dass ich nicht auf der Autobahn lande. Das Navi ist hier eine große Hilfe, ich muss es auch mal loben. Dann kommt wieder ein neuralgischer Punkt, und ich interpretiere Straßenschilder und Navi falsch. Ich denke, ich muss mich rechts halten, dabei führt der Rechtsabbieger auf der linken Spur unter der Brücke entlang. So lande ich auf einem Feldweg parallel zur Straße und nutze den Moment, etwas zu essen und ein paar Fotos zu machen.
Ich ordne mich wieder auf der Straße ein und groß warnt ein Schild langsame Verkehrsmittel, wie z.B. Fahrräder und Motorroller, geradeaus zu fahren und zwingt sie nach links. Geradeaus ist der Zubringer zur Autobahn. Ich rollere ganz nach links und biege ordnungsgemäß ab. Als ich die Autobahn quere, mache ich noch ein Bild von der Straße und den tiefhängenden Wolken an den Bergen. Die Sicht könnte besser sein.
Und dann ist Schluss mit lustig. Dieser Teil der Via Appia ist stark befahren. Mit ohrenbetäubendem Geräusch fahren die LKW ganz nahe an mir vorbei. Nicht unhöflich, keinesfalls. Aber die Straße ist zu eng und zu stark befahren, um richtig ausweichen zu können. Ich wechsele auf die linke Seite und stelle die Stirnlampe auf die höchste Stufe.
Wieder versuche ich mich im Seitenstreifen- und Einfahrthopping und das macht die Sache etwas erträglicher. Links und rechts der Straße sind nämlich Häuser und so bin ich jedenfalls etwas geschützt.
Irgendwann taucht ein See auf. Den Turm fotografiere ich nicht, aber ein Erinnerungsfoto ist der See wert. Er ist groß. Tagebau hat einem Felsen den Stempel aufgeprägt. Faszinierend und zerstörerisch zugleich.
Die Landschaft wird nun wieder bäuerlicher und im Sommer und ohne Verkehr wäre die Straße sicherlich sehr schön. Immerhin kommen die Autos nun wieder im Pulk und das macht die Fahrt angenehmer. In der Ferne zeigt sich ein heller Streifen und der Regen nimmt langsam ab.
Eisenbahngleise tauchen auf und ein Schnellzug verschwindet im Tunnel. Der Bahnhof Monte San Biagio existiert. Lange halte ich diese Straße nicht mehr aus. Aber das schlimmste Stück beginnt erst jetzt. Die Straße ist kurvenreich und an den Kurven ist es lebensgefährlich, an der linken Seite zu rollern. Seitenstreifen fehlen und wenn die Straße links abknickt, fahren die italienischen Autofahrer ganz nahe am Rand, um Kurvenschneidern aus dem Weg zu gehen. Mit mir rechnen sie nicht und die Ausweichsmanöver, die sie vor lauter Schreck fahren, sind bei Gegenverkehr für alle, auch mich, gefährlich. So wechsele ich erst ständig zwischen links und rechts hin und her und bleibe bald auf der rechten Seite. Das ist für alle Beteiligten einfacher. Als ich später bei ODS die Diskussion über den Unfall einer Gruppenkolonne lese, die auf der rechten Seite marschierend von einem Auto angefahren wurde, weiß ich, warum die Kolonne wie vorgeschrieben rechts unterwegs war. Auf ein langsames Fahrzeug rechts muss ein Autofahrer vorbereitet sein. Eine Kolonne in Gegenrichtung fährt zu gefährlichen Ausweichmanövern. Ein Ape demonstriert sehr schön, dass sich Autofahrer auch auf langsame Fahrzeuge einstellen können. Bei seinem Anblick wird mir warm ums Herz. Schade, dass er nicht hinter mir fährt.
Auf den letzten Metern bekomme ich Angst. Die Straße ist kurvig, schlecht einsehbar und die mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Autos gefährlich. Da es hügelig ist, muss ich schieben. Mehr als einmal dränge ich mich beim geringsten Geräusch mit dem Rücken an die Leitplanke. An einer Stelle klappe ich sogar den Lenker ein. Dass der Roller viel schmaler als ein Fahrrad ist, kommt mir hier zu gute. Die Angst bleibt. Nicht auf den letzten Metern noch ein Gedenkstein am Straßenrand werden.
Dann bin ich am Ort. Die Polizei bremst vor mir hart auf der anderen Straßenseite, aber sie ist an einem LKW hinter ihr interessiert. Der Regen hat aufgehört. Ich erhalte die originellste Fahrkarte meines Lebens, einen Vordruck mit zwei aufgeklebten Marken sowie einem handschriftlichen Vermerk. Ungefähr sieben Euro zahle ich für die Fahrkarte nach Neapel. Der Zug hat vierzig Minuten Verspätung.
Ich entledige mich am Bahnsteig meines Gepäcks auf einer Bank. Ein älterer Herr mit imposantem Bauch sucht das Gespräch, aber ich kann ja kein Italienisch. Er schenkt mir drei Bananen. Ein Mann von um die vierzig ist leicht genervt über die Verspätung. Wir kommen ins Gespräch. Er ist aus Nizza und spricht französisch, englisch und italienisch. Er hat seine geschiedene Frau und den Sohn in Terracina besucht und will jetzt in Neapel einkaufen. Neapel ist günstig. Vermutlich kauft er Anzüge. Heute morgen gab es in Italien ein kleines Erdbeben. Der Ätna ist auch wieder aktiv und im Umfeld des Vesuves gibt es schon seit längerer Zeit Veränderungen. Wir wünschen uns Glück. Später warnt er mich, mein Gepäck so offen da liegen zu lassen, wie ich es gerade tue. Ich nicke. Aber noch bin ich auf eine Großstadt nicht vorbereitet. Im Herzen stehe ich immer noch in Sabaudia am Meer.
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