[SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

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  • kirsten66
    Gerne im Forum
    • 08.03.2013
    • 52
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    • Meine Reisen

    #21
    AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

    Toller Bericht, freue mich schon auf die Fortsetzung. Diese Raupen, sind das Seidenspinnerraupen? Die sind doch nicht ganz ungefährlich oder?

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    • dingsbums
      Fuchs
      • 17.08.2008
      • 1503
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

      Zitat von kirsten66 Beitrag anzeigen
      Diese Raupen, sind das Seidenspinnerraupen?
      Es sind Fjällbjörkmätare - Fjällbirkenspanner bzw. heißen sie auf Deutsch wohl Birken-Moorwald-Herbstspanner.

      Übrigens: Guter Bericht, auch ich freue mich über jeden neuen Tag, von dem erzählt wird.
      Zuletzt geändert von dingsbums; 16.01.2014, 10:33. Grund: Genaue deutsche Bezeichnung ergänzt.

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      • Mika Hautamaeki
        Alter Hase
        • 30.05.2007
        • 3979
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

        Tolle Fotos und ein genial geschriebener Bericht! Hoffentlich geht es bald weiter.
        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
        A. v. Humboldt.

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        • Zeppenvolk

          Anfänger im Forum
          • 04.12.2006
          • 38
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

          Ja, der Bericht liest sich wie ein Roman. Die Fotos ergänzen "ihn" prächtig.

          Ich weise mich mit dem Perso und dem DJH-Mitgliedsausweis aus. Abgebrochen hatte ich damals auch nicht komplett, habe auch dann "umdispniert".

          Gruß Rudolf
          Der Weg ist das Ziel

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          • Mortias
            Fuchs
            • 10.06.2004
            • 1202
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

            Der Schreibstil ist wirklich sehr erheiternd und entlockt immer wieder ein kleines Schmunzeln. Wobei ich Deine Wut über die vielen Klo- und Feuerstellen am Weg sowie den arglos weggeworfenen Müll sehr gut nachvollziehen kann. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Rücksicht auf die Natur sind wirklich nicht zuviel verlangt. Aber neben vielen interessanten und lustigen Bekanntschaften trifft man leider auch sowas zuhaus aufn Kungsleden an. Ist halt die Kehrseite der Medaillie.
            Schade auch, dass an einigen Abschnitten der Wald komplett kahl ist. So wirkt alles doch viel trostloser. Wobei ich mich frage ob das alles nur kahlgefressen ist oder ob da nicht einfach die Knospen noch nicht alle aufgegangen sind. Immerhin bist Du ja zu Beginn der Sommersaison da oben gewesen.

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            • efbomber
              Erfahren
              • 23.08.2010
              • 228
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

              An dieser Stelle schon Mal vielen Dank für die vielen netten Kommentare
              Das freut mich doch sehr, wenn ich einigen von euch damit ein wenig zurückgeben kann!

              @ dingsbums: Klasse! Ich habe einfach nur nach "grüne Raupe" im Internet gesucht und irgendwie kein einziges Passendes Bild gefunden. Nun weis ich endlich womit ich mich da rumärgern musste. Vor allem stinken die ekelig, wenn man die aus Versehen auf den Kleidungsstücken zerreibt beim Gehen.

              @ Mortias: Die Stellen auf den Fotos sind leider tatsächlich kahlgefressen, teilweise konnte man komplett begrünte Birken zwischendurch entdecken. Vom Nahen hat man manchmal noch Blattreste gesehen. Der extrem warme Maimonat hat für einen sehr frühen Vegetationsschub gesorgt, der von den Raupen zu dieser Fressorgie missbraucht wurde.

              Ich hoffe ja nur, dass sich der Großteil der Bäume noch erholen konnte. Laut einigen Leuten aus der Turiststation war dies das dritte Jahr in Folge mit so einer gigantischen Plage. Die Birken schaffen es kaum in den kurzen Sommerwochen sich von solchen Attacken zu erholen.

              Gleich gibts noch eine kleine Fortsetzung, morgen dann vielleicht schon eine Größere

              Gruß
              David

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              • efbomber
                Erfahren
                • 23.08.2010
                • 228
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                Kapitel 4 - Schlechtes Wetter draußen, gute Stimmung drinnen
                20.06

                Als ich wach werde, ist es 7 Uhr morgens. Ein nicht weit entferntes Husten verrät die Anwesenheit des zweiten Hüttenwarts, der sich auf dem Weg zu den Toiletten befindet. Bei Konstantin im Zelt hört man ebenfalls Bewegung, Markus hingegen schnarcht noch dezent vor sich hin. Es sei ihm gegönnt
                Langsam krieche ich aus dem Schlafsack und in meine Klamotten und verlasse das Zelt. Es ist noch relativ ruhig hier. Kurz vertrete ich mir die Beine, als mir der Stugvärd gegenübertritt und mich mit einem akzentfreien "Guten Morgen, der Herr! Haben Sie gut geschlafen?" begrüßt. Für mich ist es eine dieser Situationen, wo ich mich freue, dass man die deutsche Sprache ausnahmsweise nicht von einem Deutschen hört und zeitgleich schäme ich mich, dass ich fast kein Wort Schwedisch beherrsche. Er erklärt mir, dass das alles noch aus seiner Schulzeit hängen geblieben ist. Ich bin beeindruckt, da meine Schulzeit gerade Mal 12 Jahre her ist und ich weis heute kaum noch, welche Fächer ich belegt hatte. Kann aber auch daran liegen, dass man traumatische Erlebnisse schneller verdrängt

                Unterdessen kommt Konstantin aus seinem Zelt und genehmigt sich eine Frühstückszigarette. Kurz wird der Gedanke an ein schnelles echtes Frühstück, gefolgt von einem raschen Start, wach. Ein Blick in alle 4 Windrichtungen zügelt mich dann doch. Während wir unser Frühstück vor der Küche zubereiten und zu uns nehmen, kommt auch Markus aus seinem Zelt. Er will heute schon wieder zurück, da er den Zug nach Norwegen erwischen will. "Muss man halt mitnehmen, wenn man schon hier oben ist", sagt er. Richtig so! denke ich. Bist du erst Mal berufstätig hast du kaum eine Chance so einen Trip zu unternehmen. Die Verpflichtungen lassen es einfach nicht mehr zu. Noch während wir gemeinsam frühstücken, fallen die ersten Regentropfen.



                Markus verlässt uns kurz darauf und macht sich auf seinen Weg. Wir wünschen ihm noch ganz viel Spaß und eine sichere und gesunde Reise. Konstantin lässt vorsichtig verlauten, dass er sich immer noch nicht sonderlich besser fühlt und spielt bereits mit dem Gedanken die Tour abzubrechen. Er hat nicht genug Bargeld um Essen in den Hütten nachzukaufen und nicht genug Ausdauer um alles weiterhin mitzuschleppen. Er will mir sein Trangiaset überlassen, ich lehne aber dankend ab, da weder Platz in meinem Rucksack ist, noch das Zusatzgewicht mich glücklicher machen würde. Seine gesamte gefriergetrocknete Nahrung wandert ins Regal mit der Kennzeichnung "free for all". "Das schlepp ich doch nicht mehr mit zurück!". Er hat noch fast volle 3 Wochen Urlaub, mindestens eine davon will er in Stockholm verbringen. Beim Flug hierher hatte er dort seinen Zwischenstopp und die Stadt hat es ihm angetan. Irgendwie kann ich ihm da zustimmen, es ist ca. 5 Wochen her, dass ich dort ebenfalls 7 Tage verbracht habe. Es regnet mittlerweile konstant und es sieht nicht danach aus, dass es in naher Zukunft aufhören würde. Wir gehen beide unsere Gebühr für diesen Tag beim Stugvärd bezahlen und erfahren von ihm, dass es noch richtig fies werden soll. Na prima...

                Konstantin will aber seine neue Ausrüstung nicht umsonst durch die Gegend getragen haben, also beschließen wir einen kleinen Ausflug zu unternehmen. Wir stärken uns vorher noch mit einem Kaffee in der Küche, als ein Paar hereintritt. Zwei Deutsche, wie sich herausstellt, wir sprechen kurz miteinander und sie erkundigen sich nach einem weiteren deutschen Paar, dass sie bereits hier vermutet hätten. Der Mann würde mir sehr ähnlich sehen, nur ein wenig älter. Es stellt sich heraus, dass die beiden gestern an ihrem Nachtlager vorbeigekommen sind, sie aber nicht auf dem Weg nach Abiskojaure wiedergesehen wurden. Etwas Besorgnis ist in der Nachfrage zu verspüren und wir versprechen auf unserem Ausflug nach ihnen Ausschau zu halten, falls sie nicht bereits weitergelaufen sind und Abiskojaure links liegen gelassen haben. Als wir losmarschieren ist der Regen immer noch gleichgültig monoton am Fallen.



                Wir zwei haben aber dennoch gut Lachen, so ganz frei vom Gewicht der Ausrüstung und nach ein paar ordentlichen Portionen Essen ist die Motivation, die Gegend zu entdecken, hoch!



                Der Wanderweg steht quasi unter Wasser, was uns beide dazu veranlasst sich abseits davon zu bewegen. Es ist auch angenehmer für Konstantins überstrapazierte Gelenke, warum also nicht. Selbst bei diesem nassen Wetter ist die Gegend einfach nur schön!



                Schnell stellt sich heraus, dass es abseits vom Kungsleden noch mehr zur Schlammschlacht wird. Breit ausgefahrene Quadspuren ziehen sich durch die Landschaft. Konstantin nutzt die Gelegenheit seine Stiefel und Gamaschen auf Dichtigkeit zu prüfen. Ja es macht Spaß neue Ausrüstung zu nutzen!
                So sehr, dass auch stark moorige Abschnitte exakt durch die Mitte gequert werden. Konstantin kommt immer gerade so durch, während ich Schwergewicht an diesen Passagen richtig tief einsinke und den Boden sehr häufig zum Nachgeben zwinge. Irgendwann lasse ich ihm seinen Spaß und halte mich mehr an die steinigeren Flächen. Man muss sich ja keine nassen Wanderschuhe an einem Ruhetag holen.



                Während Konstantin so dahinwandert, widme ich mich den kleinen Blümchen, die hier sehr häufig den Boden schmücken.



                Als wir wieder auf den Weg zurückkehren und noch ein Stück weiter Richtung Abisko laufen, kommen uns plötzlich zwei Wanderer entgegen. Konstantin meint sofort, dass das die beiden Deutschen sind. Vorneweg geht eine Gestalt mit schwarzem Regenhut, in schwarzen Klamotten. Auch er ist etwas beleibter und ich beschließe einfach mal unverschämt einen Willkommengruß in unserer Landessprache von mir zu geben. Ich lasse ebenfalls noch ein "Ihr werdet schon erwartet." ab, was verwunderte Blicke nach sich zieht. Als wir von dem anderne Paar berichten, verstehen es die beiden sofort. Sie hatten heute länger geschlafen und sind unter anderem auch wegen dem Regen später losgelaufen. Weiter als bis zur Hütte wollten sie dann auch nicht. Kann ich extrem gut nachvollziehen.
                Für ein Weilchen streunen Konstantin und ich noch durch die Gegend, aber recht schnell haben wir die Schnauze vom Regen voll und beschließen wieder zurück zu gehen. Etwas Warmes trinken und vor allem etwas Warmes zu essen lockt uns. Zum Regen gesellt sich langsam ein unangenehmer Wind.

                Zurück in der Küche, die mittlerweile eine Basisstation für allerlei Hiker geworden ist, kochen wir uns mit den anderen unsere Nudeln und unterhalten uns. Schnell stellen wir fest, dass die Anwesenden alle der deutschen Sprache mächtig sind, 6 Deutsche, 1 Schweizer, 1 Holländer, der gerade aus den westlichen Gebirgen querfeldein hier runter gewandert ist. Er ist von Absiko aus vor zwei Tagen gestartet, durchs Kårsavagge und anschließend über den Boazočohkka zu uns gewandert. Er will sich nur kurz aufwärmen um dann schnell zur Turiststation zu gelangen, da er bereits morgen Abend seinen Rückflüg in Kiruna vor sich hat. Eine kleine Geschäftsreise wurde mit privatem Urlaub verlängert und mehr Zeit war nicht drin.
                Draußen ist es mittlerweile ziehmlich übel am Gießen. Der Regen prasselt mit den Windböen in einem Stakkato gegen die Fenster der Gemeinschaftküche und wir sind alle heil froh im Warmen und Trockenen zu sitzen. Auf einmal dringen zwei weitere Stimmen von außerhalb zu uns durch, sie kommen mir bekannt vor und ich gehe hinaus. "Na so ein Zufall, ihr auch hier?". Die beiden Jungs aus Berlin, die ich in Boden getroffen hatte, waren bereits auf ihrem Rückweg. Ich bekomme nur ein trockenes "Ach du bists! Bist ja weit gekommen bisher!". Das zaubert mir direkt ein Grinsen aufs Gesicht, auch wenn es, verdammt noch eins, stimmt. Die zwei hatten ihre Tour durchgezogen, allerdings wurden sie vom regnerischen Wetter bis heute relativ verschont. So kann es hier oben gehen, man selbst bekommt den Arsch versohlt, während zwei Täler weiter alles trocken bleibt. Wir tauschen uns aus, während sich alle über die Trekkingmahlzeiten von Konstantin hermachen. Alle freuen sich die teuren, gefriergetrockneten Produkte austesten zu können, ohne selbst Wucherpreise dafür ausgeben zu müssen. Einer der beiden Berliner ist schon ziehmlich geschafft und die warmen Mahlzeiten sollen die Motivation für den Rest der Strecke bis nach Abisko oben halten. Jetzt sind wir schon 10 Leute in der Hütte, die Stühle sind alle besetzt und der Geruch von diversen Fertiggerichten, Kaffee und Körpergeruch erfüllt den Raum. Konstantin verzieht sich irgendwann in sein Zelt, essen macht müde. Dafür kommen dann ein weiterer Deutscher mit seiner schwedischen Freundin hinzu. Er studiert in Stockholm.

                Langsam aber sicher glaube ich, dass man nur mit Deutsch wunderbar hier oben zu Recht kommt. Es werden noch zwei Jungs erwartet. Ein Ire und ein Schwede. Diese wollten gestern noch im Ica in Abisko einkaufen. Keine Stunde später trotten 2 klitschnasse Gestalten an den Hütten vorbei zum Stugvärds Shop. Und jetzt kommts, beide haben in jeder Hand eine bis zum platzen volle Plastiktüte, gefüllt mit den Einkäufen aus dem Ica!!! Als sie zu uns in die warme Stube kommen, wird von allen verwundert gefragt, ob sie das jetzt den ganzen Weg von Abisko so getragen hätten. Ja natürlich, ging nicht anders, bei dem Regen kann man schlecht die Rucksäcke draußen packen. Okay, ich denke kurz darüber nach, wie sich meine Hände nach so einer Aktion angefühlt hätten. Wie hätte ich Halt suchend, ohne die Wanderstöcke gegriffen zu haben, über die nassen Holzplanken und Steine balancieren sollen? Mir grauts, aber irgendwie habe ich vor der Leistung Respekt. Zwei ganz harte Hunde
                Während die beiden Berliner und der Holländer sich nun wieder auf den Heimweg machen, werden die guten Waren aus den Ica-Beuteln gezaubert und in den Rucksäcken verstaut. Der meiste Verpackungsmüll bleibt in Abiskojaure. Habe ich schon erwähnt, dass selbst der Ire ein wenig Deutsch sprechen konnte? Un-fuckin-believable! Seine Mutter ist Deutsche, somit klärt sich auch das Mysterium.

                Wir sitzen alle noch eine Weile zusammen und irgendwann lässt der Regen nach, der Wind ebenfalls und bevor der Abend voranschreitet lässt sich auch hin und wieder ein kurzer Blick auf die Sonne erhaschen. Die wenigen Sonnenstrahlen zu genießen tut sooooo guuuut!



                Irgendwann läuft mir wieder Konstantin über den Weg. Er sieht nun ein wenig besser aus. Er fasst den Plan morgen so früh wie möglich Richtung Abisko aufzubrechen, damit er schnellstens einen Flug zurück nach Stockholm bekommt. Er fragt, ob er mich wecken soll. "Wenn du Sonne siehst, wenn du ,morgen aufstehst, dann ja!"
                Den Abend verbringen wir draußen und kurz bevor wir zeitig in die Penntüten schlüpfen, dreht Atos noch seine Wachrunde.



                Bevor mich der SChlaf übermannt, grübele über die Aussage, des einen Berliners nach. Scheisse, denke ich mir, ich bin hier nun schon 5 Tage, und was habe ich bisher gesehen? 3 Tage Dauerregen. Bin ich zu weich für diese Art von Urlaub geworden? Warum hatte ich da oben bei Lapporten so eine Blockade? Das Thema lässt mich eine ganze Weile nicht los, auch die nächsten Tage werde ich hin und wieder darüber nachdenken. Irgendwann dämmere ich mit der Hoffnung auf einen schönen Wandertag mit Sonne und vor allem auch wieder etwas Zeit für mich alleine, ein.

                Was soll man groß zu diesem Tag sagen? Die Zeit wurde mit Nahrungsaufnahme, sehr guter, netter und interessanter Gesellschaft, einem kleinen Ausflug und viel Hoffnung auf Besserung der Wetterlage, totgeschlagen. So toll das in der Gemeinschaftsküche mit den ganzen Leuten war, so sehr wünschte ich mir an diesem Abend ein wenig dieser Einsamkeit vorangegangener Touren. Ob sich das denn auf den folgendend Etappen des Kungsleden realisieren lassen würde? Schließlich wusste ich noch nicht genau, wann ich den Weg verlassen würde. Sich an diesem Punkt fest zu legen, wäre in meinen Augen fatal. Ich lebte auf dieser Tour von einem Tag zum anderen, aber das war es im Endeffekt, was es ausgemacht hat. Die Entscheidungen immer nur für den Moment treffen und nicht mehr drüber nachdenken, nachdem man sie getroffen hat.
                Nach diesem ganzen Geschreibsel mit wenigen guten bunten Fotos verspreche ich für den folgenden Tag wieder viel mehr Bilder!

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                • efbomber
                  Erfahren
                  • 23.08.2010
                  • 228
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                  Kapitel 5 - Teil 1 - Ein sonniger Tag auf dem Kungsleden
                  21.06

                  Irgendwas rüttelt an meinem Zelt und reist mich aus dem Schlaf. Ich will nicht aufstehen. Der Traum von Kaiserwetter in einem steinigen Hochgebirge ist grad so schön. Ich murmle irgendwas vor mich hin, doch das Rütteln hört nicht auf. Langsam nehme ich eine Stimme wahr, sie gehört Konstantin, der mich zum Aufstehen ermuntert. Schlagartig gehen meine Augen auf, er sollte mich doch nur wecken, wenn die Sonne zum Vorschein kommt! Im Zelt merkt man nichts davon, trotzdem antworte ich, dass ich gleich raus komme. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es 4:30 ist. Schnell in die Klamotten gesprungen und raus an die frische Luft. Der gestrige Regen hat die Temperatur sinken lassen, was wir am Thermometer an der Außenwand der Gemeinschaftsküche feststellen können.



                  Die Luft ist angenehm und wir frühstücken erneut vor der Hütte, es bleibt trocken. So langsam aber sicher reist die Wolkendecke auf und vereinzelt schafft es die Sonne einige wärmende Strahlen auf die Erde herab zu schicken. In diese Richtung wird es heute für mich gehen. Die Spitze des Adnjetjårro erstrahlt bereits im Licht, während Abiskojaure noch unter einer Wolkendecke liegt.



                  Der allmorgendliche Ablauf kostet seine Zeit, Essen, Geschirr spülen, Frischwasser nachholen, Dreckwasser an der dafür vorgesehenen Stelle wegkippen, die Küche ausfegen dann endlich das eigene Hab und Gut zusammenpacken. Die Sonne setzt sich immer mehr und mehr durch, so dass auch mittlerweile unser Tal, beinahe frei von Wolken, ein wunderschönes Lichtspiel an den nassen Steinflanken des Giron reflektieren lässt.



                  Um 6:30 sitze ich mitten in Abiskojaure an einer alten Feuerstelle und lasse mir die Sonne ins Gesicht brennen. Alles ist startklar und ich will nicht länger trödeln. Das verspricht heute ein genialer Tag zu werden. Ich leiste Konstantin nur noch kurz Gesellschaft, er hat noch nichts zusammengepackt und legt auch keine Eile an den Tag. Er versucht noch ein wenig Gewicht loszuwerden und will mir sein Antibrumm mitgeben, was ich wie schon sein Trangiaset und seine gefriergetrocknete Nahrung dankend ablehne. Ich habe selber ein kleines Roll-on Mygga dabei. Als ich die Hummeln im Hintern nicht mehr ertrage, stehe ich auf, setze meinen Rucksack auf und frage, ob er das denn heute alleine auf die Reihe bekommt. "Na logo, bin gut ausgeruht, ich geh auch gleich, freu mich schon auf Stockholm!". Wir wünschen uns alles Gute, geben uns die Hand und ich gehe endlich los.
                  Weit komme ich jedenfalls nicht, ohne direkt ein paar Bilder zu knipsen. Ich bin fasziniert, was die Gegend für einen Unterschied aufweist, wenn die Sonne auf einen scheint. Gestern fühlte man sich noch irgendwie eingeschüchtert, heute hingegen willkommen.



                  Hin und wieder ziehen noch letzte Wolkenbänke über mich her, worüber ich sogar dankbar bin. Obwohl ich die Softshell im Rucksack gelassen habe, komme ich schnell ins Schwitzen. Der Weg ist bislang noch leicht zu gehen, es geht durch eine flache, teilweise leicht sumpfige Ebene. Würde man hier geradeaus weiterlaufen, würde man nach Unna Allakas gelangen. Auch hier eine gute Alternative, falls einem zu viel auf dem Kungsleden los sein sollte.



                  Am Giron wird ein Wasserfall sichtbar. Finde ich persönlich richtig Klasse!



                  Ein wenig später gelange ich an eine Stelle, die mit einer großen, hölzernen Hinweistafel versehen ist, die mitten auf dem Weg steht. Sie markiert die Grenze des Abisko Nationalparks und gibt allerlei Informationen von Flora, Fauna, Parkregeln und so weiter an. Ich lese nichts davon, weil ich weiter Richtung Gárddenvággi möchte. Der Gárddenvárri liegt so einladend in greifbarer Nähe! Verlaufen ist hier unmöglich.



                  Langsam geht es etwas aufwärts. Ich komme ins Schnaufen und mache hinter der Hängebrücke über den Šiellajohka eine kleine Rast um den Durst an dem eiskalten Wasser zu stillen. Ich mache mir nicht die Mühe meine Wasserflasche aufzufüllen, ich trinke direkt aus dem Becher.



                  Bis hierhin ist der Weg super zu laufen und in meinen Augen auch prima für Anfänger ausgelegt. Lediglich die Etappenlänge von 22km nach Alesjaure könnte abschreckend wirken. Ich schultere den Rucksack und schaue den Hang hinauf. Direkt nach der Brücke gehts ein paar Meter ganz schön steil nach oben. Kurz frage ich mich wie Konstantin das hier verkraftet hätte, vermutlich nicht besonders gut. Nach dem ersten Anstieg steht ein rotes Zelt beinahe direkt auf dem Weg vor mir. Es ist still und ich verhalte mich leise um niemanden aufzuwecken. Irgendwann ist man auf einem Höhenniveau zwischen 700 und 800m angekommen und läuft mal mehr mal weniger in diesem Bereich weiter. Der Blick zurück ist wundervoll!



                  Zu meiner Rechten sticht der Gárddenvárri im Sonnenschein hervor.



                  Hier gönne ich mir auch eine kleine Schokoladenauszeit und atme ein paar Mal durch. Dabei werden bei Bilderbuchwetter weiterhin Fotos geknipst. Hier ein phänomenaler Himmel mit tollen Wolken und dem Blick runter ins Tal, das Richtung Unna Allakas führt.



                  Bis hierhin benötigte ich jetzt schon eine Stunde und 15 Minuten. Ich habe Schwierigkeiten einzuschätzen, ob ich eventuell zu langsam unterwegs bin. Macht nichts, der Plan ist nach wie vor irgendwo am Rádujávri mein Zelt aufzuschlagen. Meinen ursprünglichen Verlauf würde ich so oder so nicht schaffen. Der Pfad geht sich aber sehr einfach und ich mache ein Gedankenvermerk: "Schauen wir mal einfach wie weit wir heute kommen, anhalten kannst du jederzeit!"



                  Der Pfad um den Gárddenvárri verläuft durch ein großes Weidengestrüpp, was zum Glück durch die Sonneneinstrahlung bereits fast trocken ist. So kann die Regenhose im Rucksack bleiben und ich werde nicht nass. Der Pfad selbst wird ab und an zum Bächlein, aber dadurch nie wirklich unangenehm zu gehen. Kurz darauf wird die Sicht auf den Miesákčohkka frei.



                  Aus dem Nichts taucht wieder dieses nervende Geknatter der Rotoren eines Hubschraubers auf. Der Pilot meint es gut und fliegt besonders tief über mir hinweg. Ich mache ein Beweisfoto, kann den Schriftzug aber nicht lesen. Rote Helis hatte ich hier oben bislang noch nicht zu Gesicht bekommen. Gehören die zur Bergwacht?



                  Das Wetter meint es heute auch richtig gut mit mir, es ist weder zu heiß, noch zu kalt. Der flaue Wind kühlt mich und ich kann die Gegend in vollem Zuge genießen!



                  Wenn man Richtung Nordwesten schaut, stellt man schnell fest, dass es hier noch ein wenig mehr Schnee auf den Gipfeln hat.



                  Hier kann man auch Sami-Sommerhütten bewundern, die von den Rentierzüchtern in den wärmeren Monaten bewohnt werden. Bis auf ein rotes Zelt abseits sieht alles verlassen aus. Auch dort bewegt sich niemand. Schließlich ist es ja erst 9 Uhr. Irgendwie vergesse ich, dass ich heute so früh los bin.



                  Nach einer weiteren Trink- und Futterpause, die ich abseits vom Weg verbringe, komme ich wieder schnell voran. Irgendwann gelangt man an einen Zaun, den man einfach über eine fast neu wirkende Holztreppe mit 3 oder 4 Stufen auf jeder Seite übergehen kann. Der Blick Richtung Seenlandschaft haut mich um. Sofort wird ein weiterer Vermerk in Gedanken gemacht, "Da musst du unbedingt durch, zur Not plane so, dass es klappt!"



                  Irgendwie fühle ich mich beobachtet und schaue öfters über die Schulter. Werde ich so ganz alleine auf weiter Flur etwa paranoid? Die einzigen Beobachter sind Gárddenvárri, Giron und Šiellanjunni.



                  Ich lege an einer Stelle erneut ein Päuschen ein um diesen wunderschönen Ausblick noch länger genießen zu können. Ich klopfe mir selbst auf die Schulter, dass ich gestern nicht stumpf weiter gegangen bin. Was wäre mir hier für ein Anblick entgangen! Da schmeckt mir die Heisse Tasse Steinpilzcremesuppe gleich viermal so gut!



                  Irgendwo weit da hinten wäre auch der Einstieg hoch zum Mårmapass. Aktuell ist mir das egal, ich erfreue mich an der Schönheit dieses Landes und das Beste an der Sache ist, dass sich niemand in Sichtweite befindet, und man kann von hier aus verdammt weit gucken! Nachdem ich den Becher ausgespült habe, folge ich weiterhin dem Weg. Sobald es ein wenig matschig wird, liegen Holzbohlen aus. Die Infrastruktur ist richtig klasse, zumindest bis hierhin. Ob sich das den ganzen Kungsleden so hält? Hätte ich nicht gerade nach unten geschaut, gäbe es einen kleinen Frosch weniger. Auch er nutzt die Bohlen, allerdings nicht als Pfad, sondern als Versteck. Die Vibration meiner Schritte haben ihn unter dem Brett hervorhüpfen lassen. Als Dank, dass ich ihn nicht platt gemacht habe, lässt er ein Foto von sich machen. Noch bevor ich die Kamera in der Hosentasche verschwinden lasse, sitzt er wieder unter der Bohle.



                  Die Hänge am Šiellanjunni bannen bei den Lichtverhältnissen meinen Blick.



                  Ein kleiner Teil des Goduglaciären kann bereits zwischen den Gipfeln erspäht werden.



                  Und immer wieder der Blick in dieses atemberaubende Tal! Alle zwei, drei Minuten wirkt es dank der dahinziehenden Wolken anders. Ich empfinde den heutigen Tag schon jetzt als Wiedergutmachung für den Misslungenen Start der Tour.



                  Bis zur Hütte am Rádunjárga ist es nun nicht mehr weit. Ich habe keine Ahnung ob diese Hütte in Privatbesitz ist, oder als Notunterkunft für Kungsledenwanderer gedacht ist. Einen direkten Pfad dorthin gibt es jedenfalls nicht, zumindest fällt mir keiner auf. Was mir hingegen auffällt ist ein kleiner blauer Farbklecks weit vor mir, der sich mir nähert. Der erste andere Wanderer des Tages! 20 vor 11 treffe ich auf eine schwarzhaarige Schwedin, die allerhöchstens Anfang 20 sein kann. Wir unterhalten uns kurz und sie erzählt mir, dass sie bereits vor einigen Tagen in Norwegen gestartet ist. Heute ist sie bereits spät dran, sie will noch bis zur Turiststation. Als ich frage von wo sie kommt und sie Alesjaure antwortet, staune ich nicht schlecht. Als sie hinzufügt, dass sie kurz vor 7 los ist, muss mein Gesichtsausdruck die Ungläubigkeit wiederspiegeln, die ich empfinde. Sie fängt an zu lachen und sagt, dass sie fast kein Gepäck dabei hat, nur 10 Kilo, nicht so wie ich. Im Nachhinein bedauere ich, dass ich nicht nach ihrem Namen gefragt habe, sie war mir sympathisch und ich erinnere mich ungerne an Gesichter ohne einen dazugehörigen Namen.



                  Als wir nach dem Plausch unserer Wege gehen, vergesse ich die Begegnung bei dem Anblick um mich herum recht zügig. Links im Bild der Miesákčohkka, rechts der Njuikkostakbákti und in der Mitte der Goduglaciären.







                  Wenn man genau hinsieht, erkennt man in weiter Ferne die Hütte bei Rádunjárga



                  Da der Weg nicht schwerer zu laufen ist, als zu Beginn, mache ich immer nur kurze Pausen um zu trinken, nen Happen zu essen und gehe weiter. Einen längeren Brake lege ich an einer kaputten Brücke ein. Sie scheint abgerissen worden zu sein, nur ein kleiner Teil ist noch übrig, der mir als freihängende Sitzbank dient. Zeit die Schuhe auszuziehen, die Beine baumeln zu lassen und die Sonne zu genießen! Langsam glaube ich, dass ich es durchaus schaffen könnte, bis nach Alesjaure durchzukommen. Immerhin liegt hier noch einiges vor mir! Die gelben Trollblumen geben einen wunderschönen Kontrast zum saftigen Grün der Weidensträucher ab! Die leicht mit Schnee bedeckten Gipfel der Berge krönen die Aussicht. Ich komme mir vor wie im Hochsommer. Mittlerweile hat die Sonne Oberhitze eingestellt. Ich bin dankbar für meinen Hut und dass ich heute hier an diesem wunderbaren Fleckchen Erde sein darf.







                  Nichtmal die Mücken trauen sich heute mein Wohlbefinden zu stören, vielleicht ist ihnen auch einfach nur zu warm. An der Brücke genehmige ich mir Liter Nummer 5! Langsam schnüre ich mir die Stiefel wieder zu und beschließe ganz größenwahnsinnig heute bis nach Alesjaure durchzuwandern.

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                  • dingsbums
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                    • 17.08.2008
                    • 1503
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                    #29
                    AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                    Zitat von efbomber Beitrag anzeigen

                    Aus dem Nichts taucht wieder dieses nervende Geknatter der Rotoren eines Hubschraubers auf. Der Pilot meint es gut und fliegt besonders tief über mir hinweg. Ich mache ein Beweisfoto, kann den Schriftzug aber nicht lesen. Rote Helis hatte ich hier oben bislang noch nicht zu Gesicht bekommen. Gehören die zur Bergwacht?


                    Ich tippe drauf, dass es dieser war. Kallax Flyg hat zur Saison einen Hubschrauber in Abisko stationiert und fliegt dich, wohin immer du willst. Vielleicht wollte jemand nach Alesjaure, angeblich lassen sich da oft Leute hinfliegen.

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                    • Fjaellraev
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                      • 21.12.2003
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                      #30
                      AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                      Zitat von efbomber Beitrag anzeigen
                      Bis zur Hütte am Rádunjárga ist es nun nicht mehr weit. Ich habe keine Ahnung ob diese Hütte in Privatbesitz ist, oder als Notunterkunft für Kungsledenwanderer gedacht ist. Einen direkten Pfad dorthin gibt es jedenfalls nicht, zumindest fällt mir keiner auf.
                      Das ist, wie an der Signatur auf der Karte zu erkennen ist, eine Rasthütte für Wanderer. Allerdings liegt sie nicht am Sommerpfad sodern an der Winterroute und wird wohl auch während dieser Jahreszeit eher genutzt. Wer im Sommer dorthin läuft wählt wahrscheinlich einen grossräumig angepassten Weg und deshalb verteilen sich die Spuren besser.

                      Gruss
                      Henning
                      Es gibt kein schlechtes Wetter,
                      nur unpassende Kleidung.

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                      • efbomber
                        Erfahren
                        • 23.08.2010
                        • 228
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                        #31
                        AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                        Zitat von dingsbums Beitrag anzeigen
                        Ich tippe drauf, dass es dieser war. Kallax Flyg hat zur Saison einen Hubschrauber in Abisko stationiert und fliegt dich, wohin immer du willst. Vielleicht wollte jemand nach Alesjaure, angeblich lassen sich da oft Leute hinfliegen.
                        Klasse! Danke dingsbums! Das war tatsächlich deren Helikopter. Nach der Homepage zu urteilen müsste es sich um das Modell EC 120B Colibri Eurocopter 2000 SE-JHA handeln. Ich würde einmal so gerne bei schönem Wetter einen Rundflug machen, aber die Preise sind ja echt hoch!
                        30 Minuten bei 4 Fahrgästen 1320SEK pro Person
                        Zumindest ist das für mich viel Geld.

                        Gruß
                        David

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                        • efbomber
                          Erfahren
                          • 23.08.2010
                          • 228
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                          #32
                          AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                          Kapitel 5 - Wo sind die Leute hin?

                          Die Stille ist eine Wohltat nach 2 Tagen Hüttentroubel, niemand auch nur in der Nähe, an dessen Laufgeschwindigkeit ich mich anpassen müsste. Prima!



                          Der Njuikkostakbákti mit einem kleinen Teil des Rádujávri. Die Sonne schmilzt den Schnee auf dem Gipfel und das Wasser läuft in zarten Rinnsalen am Gestein herunter.



                          Durch diese sumpfige Passage führen Kilometerlange Holzbohlenwege, man kommt also immer noch ohne größere Anstrengungen voran. Die Landschaft ist voller Troll- und Sumpfdotterblumen. Zweitere seht ihr auf dem Foto.



                          Langsam kommt ein frischer Wind auf, weshalb die Softshell letztendlich dann doch aus dem Rucksack geholt und drübergeworfen wird. Vereinzelt huschen bereits einige Mücken durch die Luft. Sie nutzen mich allerdings nur als Transportmöglichkeit um gegen den Wind anzukommen. Das ist das erste Mal, dass die Biester mir nicht nach dem Blut trachten, obwohl sie die Chance dazu hätten. Na gut, denke ich mir, will ich mal nicht so sein und lasse sie mitwandern. Winter- und Sommerwanderweg überschneiden sich ab jetzt. Der Blick zurück ist herrlich.



                          Am Rádujávri verläuft das Gestein ganz flach am Ufer ins Wasser. Ich schaue mich um, kann weit und breit niemanden sehen und beschließe hier eine kleine Runde zu schwimmen. Der Wind ist immer noch extrem frisch, aber ich vermute, das wird sich gleich relativieren, wenn ich ins noch kältere Wasser hüpfe.



                          Grinsen wie ein Honigkuchenpferd! Die Vorfreude aufs Bad schüttet eine Portion Endorphine aus.



                          Die Klamotten streife ich mir schnell ab, dann bereite ich das Handtuch zum Abtrocknen vor und die frische Unterwäsche. Ich deponiere alles hinter dem Rucksack, so dass der Wind nicht meine Wäsche durch die Gegend fliegen lässt. Ok, jetzt gilt es, Rückzieher nicht erlaubt. Vorsichtig setze ich einen Fuß ins Wasser und bin froh darüber. So merke ich sofort, dass der Stein unter der Wasseroberfläche von einem extrem rutschigen Schlamm bedeckt ist. Also reinlaufen ist keine Option. Ich setze mich hin und nutze den Stein als Rutsche. Die Kälte ist unbeschreiblich! Tausend Nadelstiche durchfahren mich im ersten Moment, aber es ist erfrischend. Ich schwimme eine ganz kleine Runde im Kreis, bevor mein Gefühl in den Fingern und Zehen verschwindet. Schnell wird der Körper noch saubergerubbelt und dann geht es auch schon wieder ans Ufer, was sich Dank des Matsches als recht aufwändig erweist. Ich greife mit den Händen aus dem Wasser auf ein Stück trockenen Fels und ziehe mich wie eine Robbe an Land. Der wind pfeift mir um die Ohren und mein Körper steuert endlich gegen die Kälte an. Die innere Heizung wird hochgefahren und ich verzichte aufs Handtuch, lege mich stattdessen auf den felsigen Untergrund und lasse mich von Sonne und Wind trocknen. Kann es was schöneres geben? Bester Tag soweit! Langsam lässt auch der Wind nach und ich entspanne mich noch mehr.

                          Etwas kitzelt mich am rechten Oberarm und stört meine meditative Ruhe. Ich schlage mit der Linken blind in die Richtung und ignoriere den Juckreiz. Kurz darauf dasselbe an der Schulter. Moment mal, was ist das denn jetzt? Ich mache die Augen auf und stelle zwei Dinge fest. Rechts vor mir sind 4 Wanderer aus Alesjaure zu sehen, die mich schon die ganze Zeit beobachten können. Na toll, immerhin hatte ich meine Boxershorts angelassen. Das Zweite, was ich registriere ist die beinahe komplette Windstille und ein lautes Summen, was mein Gehirn irgendwo im Unterbewusstsein die Alarmglocken schrillen lässt. Das Unbehagen wird sofort begründet, als ich mich umdrehe um meine Sachen anzuziehen. Hinter mir hat sich ein gigantischer Schwarm von den größten und fiesesten Stechmücken erhoben, den ich bisher je zu Gesicht bekommen habe. Die Kleidungsstücke auf dem Grünzeug hinter dem Rucksack deponiert, hätte ich mich genau in den Schwarm begeben müssen um dran zu kommen. Ich will einfach nur losheulen, stelle mich schon mit einem Bein wieder ins Wasser um mich mit einem Satz zu retten. Lieber unterkühlen und absaufen, als sich totstechen zu lassen! Just in dem Moment kommt eine Winböe auf, die die Angreifer dazu zwingt im niedrigen Buschwerk Schutz zu suchen. Ich reagiere blitzschnell, sprinte zu meinen Sachen und stelle vermutlich einen Weltrekord im Anziehen auf. Der Wind scheint auch nicht mehr nachlassen zu wollen. Ich danke allen möglichen Gottheiten für die Rettung, während ich mir Gesicht, Hände und Nacken mit meinem Mygga vollschmiere, nachdem alle Klamotten angezogen sind.

                          Wenn ihr genau in die Mitte schaut, seht ihr viele kleine schwarze Flecken, das war nur ein Teil der Biester.



                          Hier nochmal ein Versuch den Schwarm in Groß aus dem Originalbild auszuschneiden.



                          Als ich mir den Rucksack aufsetze und mich schläunigst vom Badeplatz entferne, stelle ich fest, dass die Wanderer bereits vorbeigelaufen sind. Wenn sie sich die Zeit genommen hätten, mich zu beobachten, wären sie vermutlich immer noch nicht aus dem Lachen gekommen. Ein paar Meter weiter befindet sich die Furtstelle, wo der Alisjávri in den Rádujávri fließt. Bei den aktuellen Wetterbedingungen scheint es eine einfache Sache zu sein, hier zu furten. Will ich aber nicht.



                          Noch ein paar Meter weiter und man gelangt an einen richtig schönen Platz, der anscheinend auch von den Samen genutzt wird um hier Überfahrten mit dem Boot in den Sommermonaten durchzuführen. Dunkle Sandsträndchen, eine alte Feuerstelle, die Holzstaken eines Tipi ohne bespannte Felle stehen wie Skelette in der Gegend rum. Ich betrete den Steg und beschließe hier meinen Hunger zu stillen.



                          Ich schlage mir den Bauch mit gesalzenen Erdnüssen und getrockneten Feigen voll. Die salzigen Erdnüsse sind eine spitzenmäßige Nahrungsergänzung, da ich so viel Wasser zu mir nehme und auch entsprechend schwitze. Ich bleibe noch eine Weile und träume vor mich hin.



                          Auch wenn ich anfangs dachte, ich würde hier irgendwo meinen Zeltplatz aufschlagen, fühle ich mich nicht müde oder ausgelaugt und laufe einfach weiter. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es hier mehr als genug. Wie hier z. B.. Die Sonne reflektiert sich von den Wellen, der Ausblick auf die gegenüberliegenden Gipfel ist beeindruckend. Die alte Feuerstelle zeigt an, dass hier schon andere die Schönheit des Platzes in der Vergangenheit für sich beanspruchten.



                          Drüben stürzt sich ein Wasserfall zwischen Njuikkostakbákti und Visttasvárri in die Tiefe.



                          So ungefähr ab der Umzäunung für Rentiere, kann man in der Ferne bereits die Alesjaurestugorna ausmachen. Kann also nicht mehr weit sein. Der Weg ist weiterhin gut und einfach zu gehen. Ich bin über jedes kleine Hindernis dankbar, um das Gehen wenigstens ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten. Dank dem Regen der letzten Tage trifft man hin und wieder auf Stellen, wo der Weg zum Bächlein wird.



                          Das Farbenspiel der Landschaft lässt mich die Kamera oft aus der Tasche holen. Besonders die Blautöne der Seen haben es mir angetan.



                          Alesjaure hingegen bleibt irgendwie konstant weit weg, obwohl man sich darauf zubewegt. Das ist wohl mit Abstand einer der gemeinsten Routenverläufe schlechthin! Ich muss zwangsläufig an ein Bild von einem Esel denken, dem der Reiter eine Karotte an einem Stock vor die Nase hält. Als ich dachte, dass es nur noch 10 Minuten Fußmarsch sein können, taucht ein Holzschild vor mir auf. Alesjaure 3km. Ich gehe weiter, ansonsten würde sich der Drang das Schild zu Feuerholz zu verarbeiten, durchsetzen. Und ab jetzt wird der Weg richtig toll! Die Holzbohlen liegen in absolut trockenen Bereichen und führen zielgenau zum Matschloch, aber eben nicht mehr darüber hinweg. Brücken über Flüsse sucht man ebenfalls vergebens. Jetzt wäre also auch geklärt, bis wohin der Weg wirklich spitzenmäßig ausgebaut ist. Ab jetzt ist er nur noch gut ausgebaut. Die Wegfindung gestaltet sich auf den letzten Windungen durch das Weidengestrüpp als spannend. Am Coalmmeriehpejávrráš muss ich das erste Mal auf dieser Tour meine Stiefel gegen die Neoprenschuhe austauschen. Die Furt wäre sicherlich auch ohne Schuhwechsel machbar gewesen, aber es ist erst 15 Uhr und ich bin schon fast da.



                          Auf der gegenüberliegenden Seite kann man ins Tal zwischen Moarhmmavárri und Bogičohkka schauen. Dahinter verbirgt sich der Moarhmmáglaciären.



                          Der Wasselfall zu meiner Rechten, direkt nach der Furt.



                          Der Visttasvárri.



                          Im Verlauf der letzten Meter führt der Weg genau am Ufer entlang. Eine völlig neue Erfahrung für mich in Lappland durch relativ tiefen und weichen Sand zu laufen. Der Blick zurück zeigt noch richtig schönes Wetter...



                          ...während es sich in Laufrichtung bereits langsam zuzieht.



                          Um 16 Uhr habe ich es geschafft und bin in Alesjaure angekommen.



                          Lediglich die Füße fühlen sich überanstrengt an. Die Meindl verrichten wie immer ihren guten Dienst, bis auf die leichte Wasserdurchlässigkeit nach der Neubesohlung. Der Hüttenwart kommt mir entgegen und heist mich als ersten Ankömmling aus Richtung Abiskojaure willkommen. Wow, mich hat heute niemand überholt! Und selbst die Jungs, die gestern noch weitergelaufen sind, um heute eine kürzere Etappe zu haben, sind ebenfalls noch nicht da. Ein klein wenig schlägt sich der Stolz dann schon bei mir durch. Schließlich habe ich mir wirklich Zeit gelassen, ein Bad genommen, gekocht und auch sonst nicht wirklich hastig die Kilometer runtergerissen.
                          Bevor ich mich entscheide, ob ich auf dieser Seite bei den Hütten nächtigen möchte, oder noch ein Stück weiterlaufe, sage ich dem netten alten Herren, dass ich mich erst ein wenig ausruhen und umsehen möchte. Ich setze meinen Rucksack auf der riesigen Bank am Fahnenmast ab und laufe meine müden Beine aus, indem ich Alesjaure erkunde. Hier oben auf dem Hügel pfeift der Wind so stark, dass mir trotz Halskordel Angst und Bange um meinen Hut wird. Irgendwann schleiche ich mich in die große Hütte, wo auch der kleine aber gut sortierte Laden zu finden ist. Ein schwedisches Paar in meinem Alter sitzt dort und unterhält sich mit dem Stugvärd. Ich geselle mich zu ihnen und wir quatschen eine Weile auf Englisch, bevor die drei wieder auf Schwedisch wechseln und ich versuche mir die Geschichte durch brockenhaftes Verstehen oder Verstehenglauben einiger Vokabeln zurechtzulegen. Als am Ende dabei eine Story über steinefressende Flugsaurier, die eine Burg bei Tjäktja bauen, rauskommt, wird mir wieder klar, dass ich kein Schwedisch verstehe. Die Geschichte war trotzdem toll! Ich gehe in den Laden und bezahle meine Gebühr für einen Zeltplatz bei Frau Hüttenwart. Meine Beine wirken nach ein paar Minuten Pause doch schwerer, als vorerst angenommen. Den Komfort der Toiletten und einer warmen Gemeinschaftsküche in der Nähe zu wissen beruhigt mich ungemein und ist mir dann den Preis wert. Als ich wieder raus gehe, sitzt ein junges Paar neben meinem Rucksack. Ich grüße mit einem freundlichen Hej und setze mich für einen Snack hin. Die beiden unterhalten sich, wie hätte es anders sein können, auf Deutsch miteinander. Ich mische mich erst Mal nicht ein, bis über meinen Rucksack und das Gewicht geredet wird.
                          "Schau mal Jürgen, wie vollgepackt sein Rucksack ist, der schleppt noch mehr mit wie wir, das sind bestimmt über 20kg. Wie schafft man sowas?"
                          Darauf antworte ich "Das sind sogar zu Beginn 30kg gewesen. Man gewöhnt sich dran und ich bin gut im Zeug durch die Gegend schleppen."

                          Ich liebe die überraschten Gesichtsausdrücke, wenn den Leuten klar wird, dass ich sie verstehe. Wobei ich den Schweden nichts vor machen kann, die sehen sofort, das ich aus Tyskland bin

                          Wir kommen natürlich ins Gespräch. Isabell und Jürgen sind aus Straubing. Sie laufen die Route Abisko - Nikkaluokta. Allerdings haben Sie nur 7 Tage Zeit und wollen unbedingt den Kebnekaise als Tagestour besteigen. Deshalb wird hier auch nur eine kleine Pause eingelegt, es soll noch einige Kilometer weiter gehen, so dass die morgige Etappe über Tjäktja direkt nach Sälka nicht mehr so lang ist.
                          Isabell fragt mich, wo ich heute nacht gezeltet habe, "Abiskojaure, euch hab ich da aber nicht gesehen. Und überholt habe ich auch niemanden. Seid ihr etwa von Abisko losgelaufen?"
                          Sind sie nicht, sie saßen im Zelt hinter der Hängebrücke über den Šiellajohka. Sie hätten mich schon einige Zeit auf den letzen Kilometern vor Alesjaure gesehen und beeilt mich einzuholen, aber das hat nicht geklappt. Drum sind beide so erstaunt, dass ich mit dem Gepäck so flott war, bzw. sie ein wenig geknickt, weil sie so langsam waren. An meinen mittlerweile sehr schwer werdenden Beinen merke ich, dass ich anscheindend schneller als mein normales Tempo unterwegs war, aber ok. Geschafft ist geschafft.
                          Während wir noch über das Wetter, den blöden Regen vorgestern und Essen auf Tour quatschen, trotten die Nächsten ein. Der Ire und sein schwedischer Kumpel sind dabei, sie haben bei den Samihütten campiert, und eine Gruppe von 4 sehr jung aussehenden Burschen! Die vier sehen total fertig aus.



                          Geniale Idee mit der Flagge, habe ich auch noch nicht gesehen
                          Isabell und Jürgen raffen sich auf und machen sich weiter auf den Weg. Sie meinen nur "Bis morgen dann" weil sie sich sicher sind, dass ich sie wieder einholen werden. Nur für den Fall, dass nicht, wünsche ich ihnen eine gute Reise! Auch ich suche mir jetzt ein Plätzchen fürs Zelt, noch habe ich freie Auswahl. Auf der windgeschützen Seite baue ich es auf, was sich im Verlauf des Abends und der Nacht als ausgesprochen dämlich erweisen sollte.



                          Während ich das wunderschöne Alisvággi weggucke, tauchen auf ein Mal zwei weitere bekannte Gesichter auf. Das deutsche Paar aus Abiskojaure, das am Vortag zuerst in der Hütte angekommen war, leider habe ich von beiden den Namen nicht mehr im Kopf, da wir uns so nie vorgestellt hatten. Er gesteht sich ein, dass er ebenfalls ziehmlich geschafft ist und lobt mich, weil ich so gut durchgekommen bin. Naja, wer so früh aufsteht, wie ich, der ist auch bei Zeiten vor Ort. Die beiden bauen ihr Zelt dort unten auf. Das war extrem schlau von ihnen!



                          Am Abend will ich dann draußen kochen, aber die Mücken bei meinem Zeltplatz werden so penetrant, dass ich sofort alles zur Küche hochschleppe und den Gaskocher dort drinnen verwende. Das habe ich nun vom windgeschützten Platz. Ein älteres schwedisches Paar, es sind überhaupt verdammt viele Päärchen unterwergs, sind die einzigen in der Küche. Der Piezozünder versagt kläglich, mein Feuerzeug ist im Trangiaset eingebaut und der nette Kerl leiht mir Seines. Damit zündet das Gas sofort. Es gibt eine gute Portion Nudeln mit Jägersauce, einen Kaffee und obendrauf noch eine Heisse Tasse Spargelcremesuppe. Die Energiereserven brauchen input! Als ich mit Futtern fertig bin, wasche ich alles, fülle wie immer die Frischwasserreserven auf und schütte das Dreckwasser weg, macht anscheinend kein anderer außer mir, und genieße die Aussicht für eine Weile draußen auf der Bank. Von den 4 ganz jungen Leuten humpelt einer in Badeschlappen durch die Gegend. Ein genauerer Blick verrät, dass seine komplette linke Hacke blutet. Nicht nur eine kleine Blase, die gesamte Hacke ist quasi offen. Lieber Himmel, wie hat er das nur bis hierher geschafft? Nach einem weiteren Plausch mit dem Hüttenwart verziehe ich mich dann gegen 22 Uhr in den Schlafsack. Direkt nebenan hat sich ein weiteres Paar häuslich eingerichtet. Da kriegt man ja als Single beinahe Komplexe

                          Die Mücken sind zahlreich und nerven mit ihrem Rumgesumme. Die Hütte, die meinem Zelt am nächsten steht, ist rappelvoll und die Leute scheinen eine Party zu feiern. Es geht wohl sehr lustig zur Sache und immer wieder erreichen die leckersten Gerüche, meine Nase. Der Wind ist richtig stark und so in etwa ab 23 Uhr hört man eine Böe, dann Stille und dann knallt sie volle Kanne aufs Zelt nieder. Das wiederholt sich dutzende Male. Die Nacht wird eine weitere Bewährungsprobe fürs Akto. Vom gesunden Schlaf hält mich das alles aber nicht ab.

                          Fazit dieses Tourentages:
                          Während der gesamten 22 Kilometer sind mir gerade einmal 5 Leute begegnet, davon nur eine Person direkt. Ich bin sichtlich erstaunt, dass man je nach Wanderzeit auch auf dem Kungsleden seine Ruhe haben kann. Das Panorama von Abiskojaure nach Alesjaure ist einfach nur der Hammer! Vor allem bei schönem Wetter ist das Genusswandern vom Feinsten! Der verunglückte Tourenstart ist zu dem Zeitpunkt vergessen und ich freue mich auf die folgenden Tage.

                          Weiter geht es dann im Verlauf der kommenden Woche. So ein ausführlicher Reisebericht frisst enorm viel Zeit und ich muss andere Dinge beiseiteschieben, was natürlich nicht immer geht.

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                          • Vintervik

                            Fuchs
                            • 05.11.2012
                            • 1929
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                            Zitat von efbomber Beitrag anzeigen
                            Bis zur Hütte am Rádunjárga ist es nun nicht mehr weit. Ich habe keine Ahnung ob diese Hütte in Privatbesitz ist, oder als Notunterkunft für Kungsledenwanderer gedacht ist. Einen direkten Pfad dorthin gibt es jedenfalls nicht, zumindest fällt mir keiner auf.
                            Zitat von Fjaellraev Beitrag anzeigen
                            Das ist, wie an der Signatur auf der Karte zu erkennen ist, eine Rasthütte für Wanderer. Allerdings liegt sie nicht am Sommerpfad sodern an der Winterroute und wird wohl auch während dieser Jahreszeit eher genutzt. Wer im Sommer dorthin läuft wählt wahrscheinlich einen grossräumig angepassten Weg und deshalb verteilen sich die Spuren besser.
                            OT: Diese Hütte heisst im Volksmund auch Kungens stuga, weil sie angeblich zu Ehren von Carl Gustav gebaut wurde, und dieser sie dann den Wanderern überlassen hat.

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                            • berlinbyebye
                              Fuchs
                              • 30.05.2009
                              • 1197
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                              Bericht = Bombe!

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                              • efbomber
                                Erfahren
                                • 23.08.2010
                                • 228
                                • Privat

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                                #35
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                                Kapitel 6 - Wo bleibt die Sonne?
                                22.06

                                Als ich wach werde ist es bereits 9 Uhr. Auch wenn ich ausgeruht in den Tag starte, die ersten Schritte sind nach der gestrigen Etappe doch ein wenig schwer und ähneln dem Gang einer Ente. Das Wetter ist definitiv nicht mehr so schön wie am Vortag. Blick zurück auf den Alisjávri.



                                Es windet noch sehr und so wird nicht lange gefackelt und das Zelt, was sich überaus stabil gehalten hat, eingepackt und das Frühstück in die Hütte verlegt. Ich bin mutterseelenallein im Gemeinschaftsraum und koche Wasser für einen kleinen Espresso während mein Müsli in einer mit Trockenmilch angerührten Pampe aufweicht. Schmeckt hier draußen aber um Längen besser als daheim; wie immer, wenn man unterwegs ist. Während ich mit dem Festmahl beginne kommt das deutsche Paar hinzu. Wir machen uns jeweils an einem Tisch breit und unterhalten uns über den weiteren Verlauf. Sie wollten eigentlich den Kungsleden bis nach Kvikkjokk gehen, aber bei dem miesen Wetter, es soll laut ihnen heute noch schlechter werden, wird als Alternativplan ab Vakkotavare die Miete einer Sommerhütte in Augenschein genommen. Kann ich nachvollziehen. Meine erste Woche ist noch nicht rum und es gab bereits mehr Regen als in der letztjährigen Tour zusammengerechnet. Aber das kann man sich schließlich nicht aussuchen, sie wollen es langsam angehen lassen nach gestern, und heute kurz hinter dem Tjäktja-Pass das Zelt aufschlagen. Oder kurz bevor es hinunter geht, wenn das Wetter nicht mitspielen sollte. Nach einem ausgelassenen Plausch verabschieden wir uns voneinander und wünschen uns wie üblich in solchen Fällen eine gute und sichere Reise.

                                Ich komme um kurz nach 11 los, was seinen Vorteil hat. Die meisten Anderen sind bereits unterwegs und ich habe die Strecke wieder für mich allein
                                Das Weidengestrüpp mit seinem frischen Grün ist eine Wohltat fürs Auge bei dieser trüben Aussicht.



                                Die Gipfel auf der Nordwestseite sind noch nicht verhangen und lassen mich die Schönheit des Alisvággi genießen. Der Aliseatnu schlängelt sich langsam fließend durch das Tal.



                                Die Nässe im Hang deutet darauf hin, dass es in der Nacht sogar geregnet hat, wenn nicht genau bei Alesjaure, dann doch irgendwo in den Nebentälern. Die Bächlein sprudeln nur so vor sich hin. Das ist eine positive Eigenschaft vom Regen, er versorgt mich immer mit frischem Wasser



                                Und dann kommt auch schon mein erstes Schneefeld, dass ich auf dieser Tour passiere. Der Zeltplatz bei Lapporten zählt nicht, da ich genau auf einer freien Fläche dazwischen campiert habe! Selbstverständlich könnte ich hier vom Pfad abweichen und ober- oder unterhalb des Feldes langgehen, aber das wäre ja langweilig. Sofort werden Erinnerungen an Stora Sjöfallet 2012 wach. Hier waren es nur wenige Meter, wohingegen Sebastian und ich damals über mehrere Kilometer große Schneefelder laufen mussten. In dem Moment frage ich mich, wie die Tour verlaufen wäre, wenn mein bester Freund dabei wäre.



                                Wie ich so weiterlaufe sehe ich in der Ferne zwei braungraue Punkte über die Ebene flitzen. Meine ersten Rentiere, die ich diesen Sommer zu Gesicht bekomme! Ich bin übereifrig und knipse ein paar Fotos aus viel zu weiter Ferne. Die Bilder des heutigen Tages werden sowieso nicht besonders gut. Schlechtes Wetter bedeutet für meine Olympus leider auch teilweise schlechte Fotos. Seltsamerweise hat es fast alle Bilder mit Rentieren drauf erwischt. Ich laufe einfach weiter und erblicke hinter einer Kuppe eine große Gruppe Wanderer. Ach du scheiße, denke ich nur, und verfluche mich insgeheim, dass ich nicht den Wecker gestellt habe um früh los zu kommen. Hilft ja nichts, ich marschiere drauf los und bin auch kurz darauf am ersten Nachzügler. Der Rest der Gruppe steht schon an einem kleinen Bach dessen Ufer bereits auf Höhe des Pfades total kaputtgetrampelt ist und das Ganze zu einer sehr matschigen Angelegenheit macht. Ich überlege kurz, ob ich einfach stillschweigend mitlaufen soll, der weibliche Guide redet nämlich Englisch und frage mich, ob die bemerken würden, dass ich nicht dazu gehöre. Aber die lärmenden Rufe und das Gebaren einiger Teilnehmer assoziiere ich mit besoffenen Kneipenhooligans und die Gruppe geht mir innerhalb von 3 Sekunden auf die Nüsse. Ich drängle mich einfach mitten durch und überhole alle während der sehr einfachen Furt mit einem knappen "Hej everybody, excuse me, sorry, have a nice trip!". Ich ernte verdutzte Blicke und schalte sofort einen Gang höher. Zwei Minuten später herrscht wieder Ruhe, mein Tempo halte ich aber noch für 15 Minuten oben, damit ich nicht beim nächsten Päuschen von ihnen eingeholt werde. Das Wetter wird nicht besser, aber immerhin bleibt es noch trocken. Der Ážik, links im Bild, kommt immer näher.



                                Es folgen weitere nasse Streckenabschnitte. Vom Schneefeld ins Tauwasser zum Schlammpfad. Die Aussicht ist trotzdem schön und animiert mich immer wieder Fotos zu schießen.



                                Bislang habe ich noch keine Pause eingelegt, weil ich Angst habe, dass die Wandergruppe wenige Minuten hinter mir ist. Auf einmal stehe ich vor dem Bossojohka, der sich tief ins Gestein frisst. Die Schneereste auf der anderen Seite sind immer einen Hingucker wert.



                                Es führt aber eine Stahlhängebrücke hinüber, so wird auch dieser Teil mit Leichtigkeit überwunden. Einige Meter oberhalb der Brücke wäre aber auch eine Furt problemlos möglich gewesen.



                                Einige Meter später entschließe ich dann doch eine erste Pause einzulegen. Hinter einem kleinen Hügel ist es endlich Mal windstill. Durst und Hunger machen sich bemerkbar, welche mit Wasser und Trockenfeigen bekämpft werden. Die schweren Beine sind längst wieder warm und ich merke nichts mehr vom anstrengenden Vortag.



                                Während ich so da sitze und die Ruhe genieße, tauchen plötzlich zwei Wanderer hinter mir auf. Sie gehören aber nicht zur Gruppe. Wir grüßen uns kurz, sie laufen an mir vorbei und ich bemerke eine deutsche Flagge am Rucksack des Zweiten. Ich kann es mir nicht verkneifen und quatsche sie an, da ich neugierig bin, wo sie hin wollen. Nikkaluokta, wie sehr viele andere auch. Aber ja, die Gegend kann ich verstehen und gerade als Einstieg ist das eine tolle Sache. Wenn ich mich richtig erinnere, stammen beide aus Hamburg und wollen heute noch nach Sälka. Die beiden Etappen Tjäktja und Sälka werden allgemein sehr gerne zusammengelegt. Möglicherweise mache ich das heute auch noch. Sie gehen weiter und ich folge ihnen 5 Minuten später, sie sind schneller als ich. Hinter einem weiteren Schneefeld gibt es einen Ausblick auf die Steilwände des Ážik.



                                Auf den nächsten zwei Kilometern überhole ich die beiden Jungs, weil sie eine Pause eingelegt haben. Als ich vorbeigehe, meine ich nur trocken "Bis gleich!". Sie lachen. 1 Kilometer später ziehen sie an mir vorbei, während ich zum Trinken den Rucksack abgelegt habe "Wir sehen uns, halt die Ohren steif!" bekomme ich zu hören.
                                Leider bekomme ich kurz darauf etwas zu sehen, was ich eigentlich ganz und gar nicht am heutigen Tage sehen wollte. Es fängt wieder an zu regnen, erst ein paar wenige Tropfen, die aber blitzschnell zur Wasserschlauchstärke mutieren. So ein Dreck aber auch, jetzt wo die Sicht in den weiteren Talverlauf doch so schön werden würde



                                Immerhin kann ich jetzt etwas austesten, was ich mir nach dem Zwischenfall bei Lapporten ausgedacht hatte. Da mich keiner hetzt und ich niemandem außer mir selbst Rechnung schuldig bin, ziehe ich meine Regenklamotten an und laufe in einer unglaublichen Geschwindigkeit von 1km/h los. Was soll ich sagen, das funktioniert. Die Nässe bleibt auf den Regenklamotten, und ich trocken darunter! Geile Sache, aber keine Lösung auf Dauer. Das kann man mal zwischendurch machen, aber keine 20 Kilometer am Stück. Zur Aufmunterung kommt ein kleiner Vogel herbei gelaufen und hüpft von Felsen zu Felsen während er mich genau so beobachtet, wie ich ihn.



                                Ich trotte langsam wie eine Schnecke vor mich hin, freue mich dem Wetter damit ein Schnippchen zu schlagen und wundere mich über die Renvaktarstuga, die vor mir steht. Bin ich tatsächlich schon hier? Blickrichtung auf die Hütte, links davon der Gaskačohkka und rechts der Šielmmáčorru.



                                Die Sicht wird immer schlechter, meine Laune auch. Was soll das denn? Wenn man hier unten schon kaum was vernünftig erkennt, wie mag dass dann erst oben in den höheren Regionen aussehen? Wenigstens rennen mir genau einige Rentiere über den Weg um als Entschädigung für das blöde Wetter her zuhalten. Ich schieße mehrere Fotos, von denen alle verwaschen und verschwommen sind. Das merke ich aber erst zu Hause... Das ist noch das Beste von Allen.



                                Aus heiterem Himmel hört es auf zu regnen und ich traue dem Braten nicht. Während ich über mehrere kleine Flussarme furte, entscheide ich mich zu pokern und danach meine Regensachen abzulegen. Ein Flussarm wird sehr abenteuerlich überquert. Irgendein geistesabwesender Wanderer hat eine Holzplanke vom Weg gerissen und an einem Uferende ins Wasser niedergelassen. Dank dem Regen ist das Wasser relativ strömungsreich und die fußbreite Holzbohle wird ordentlich unterspült. Aus Faulheit auf meine Furtschuhe zu wechseln springe ich auf die Planke, rutsche leicht ab, kann aber mein Gleichgewicht mit den Wanderstöcken abfangen. Schwein gehabt! Jetzt muss ich mich nur noch ans andere Ufer kommen, ohne die Holzbohle mit meinem Gewicht zum Zerbrechen zu bringen. Mit einem weit ausholendem Schritt verteile ich die Last vom im Wasser liegenden Ende zum am Ufer liegenden Ende. Das klappt und ich gelange trocken an Land.
                                Nach dieser Aktion fliegen die Regenklamotten außen an den Rucksack und ich spaziere weiter. Es geht jetzt leicht aufwärts und ich frage mich von hier aus, wo es hoch zur Tjäktja-Hütte geht. Viel erkennen kann man leider immer noch nicht. Gegen halb 4 nachmittags erreiche ich dann die Furtstelle über den Šielmmánjira. Ich habe ein wenig Sorge wegen seiner Breite und dem ganzen Regen, aber mit Furtschuhen sollte er kein Problem darstellen.



                                Als ich mich am Ufer hinsetze, einen weiteren Proteinriegel vernichte und mit Wasser nachspüle um den chemischen Geschmack von Blaubeermuffin aus dem Mund zu bekommen, trotten ein Vater mit seinem Sohn an. Ich beginne mir langsam die Neoprenschuhe anzuziehen, während ich von den beiden beäugt werde. "A very smart decision of you to use surferboots!", sagt der Vater zu mir. Ich erwidere, dass die Wahl aus früheren Erfahrungswerten herrührt. Plötzlich kommt eine ganze Horde Leute den kleinen Hang hinuter gelatscht. Ohje, jetzt haben sie mich doch eingeholt. Eine ganz übereifrige junge Dame geht direkt ins Wasser. schuhe werden nicht umgezogen. Ich entscheide mich, mir die Sache in Ruhe anzusehen, bevor ich selber losgehe. Vielleicht findet sie ja einen guten Weg. Kurz darauf stellt sie fest, dass es doch wesentlich tiefer wird, als vermutet, aber der Stolz verbietet es ihr zurückzugehen. Nach einem kleinen Zick-Zack-Kurs geht sie irgendwann einfach quer zum anderen Ufer. Ich vermute, die Schuhe sind bereits nass geworden und es war ihr nun egal. Die Gruppe applaudiert ihr zu und ich mache mich auf den Weg. während die anderen sich noch beraten.



                                Nun wird mein Versuch genau inspiziert. Ich schlage einen direkten Weg ein und bin in wenigen Schritten drüben. Mein Applaus ist kaum zu vernehmen, so laut rauscht das Wasser. Während ich mich der Neoprenüberzieher entledige und meine Füße trockne, kommt die junge Frau auf mich zu und fragt, was sie jetzt machen soll. Ich sage, dass ich nicht verstehe wie sie das meint. Sie zeigt nur auf ihre Stiefel und meint "Look at them, they are ruined!". Ich muss mich arg zusammen reissen um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Stattdessen gebe ich mir Mühe sie zu beruhigen, da sie wirklich aufgelöst wirkt. Was sie jetzt tun soll, die sind völlig nass und sie hat nur noch ein Paar Socken dabei. Ich sage ihr, dass die Schuhe für sowas ausgelegt sind und die definitv trocknen werden, vielleicht nicht mehr heute, aber das wird schon. Während die anderen ihre Wege suchen, wohlgemerkt alle in Wanderschuhen, erzählt sie mir, dass es sich hier um eine Anfängergruppe handelt. Lediglich der Vater mit seinem Sohn haben schon in ihrer Heimat Erfahrungen gesammelt. Die beiden kommen aus Neuseeland, der Rest der Truppe stammt aus Schweden. Alle auf ihrer ersten Hikingtour. Hier ein Foto vom Vater-Sohn Gespann, die Tips von einer zierlichen Schwedin bekommen.



                                Die meisten rüber gerufenen Hinweise werden nicht gehört. Am Ende haben die meisten nasse Stiefel. Ich bleibe sitzen, während die Gruppe weiter geht. Habe echt keine Lust auf den Troubel und nasche lieber noch ein stück Schoki. Der Weg hoch zur Tjäktjastugan führt über Reste von gigantischen Schneeverwehungen.



                                Der Wind nimmt eine ungeahnte Stärke an. Es ist ein absoluter Kampf für mich, dort hoch zu kommen. Der Pass dort oben verstärkt den Wind wie ein Tunnel. Die Böen sind teilweise so stark, dass ich insgesamt dreimal auf dem Schnee umgeworfen werde. Der Wind keilt sich zwischen meinem Körper und dem Rucksack ein und drückt mit einer unglaublichen Kraft gegen mich. Auf dem rutschigen Schnee habe ich nicht genügend Halt und mir bleibt nichts anderes übrig als sich immer wieder mit dem Körper abzuwenden. Vor allem um auch normal zu Atem zu kommen. Streckt mal bei 200km/h den Kopf aus dem Auto und versucht in Fahrtrichtung normal zu atmen....
                                Der Aufstieg dauert eine ganze Weile, aber irgendwann schaffe ich es dann doch nach oben. An die Brücke kommt man ebenfalls nur, wenn man über ein kurzes Stück Schnee läuft. Hier breche ich durch und lande im Matsch. War ja klar! Die Schneereste sehen trotzdem total toll vor dieser Kulisse aus. Auf der anderen seite muss ich sofort ein Foto machen.



                                Von dort aus muss man wieder ein paar Meter zurück laufen, um zur Hütte zu kommen. Nach dem Aufstieg beschließe ich für heute Schluss zu machen, das Wetter spielt einfach nicht mit und ich bin immerhin trocken geblieben, was ich nicht aufs Spiel setzen will. Was solls, neues Tagesziel Tjäktja. Kurz vor der Hütte bei den Gasflaschen stehen zwei Gestalten. Es sind die beiden Hamburger, ich gehe auf sie zu, sie erkennen mich und grinsen. Ich bleibe 10 Meter vor ihnen stehen und rufe laut "Verdammt nochmal! Die ganze Zeit voll in die Fresse rein!". Sie lachen laut und ich stimme mit ein. Die Zwei haben ebenso sehr wie ich mit dem Wind zu kämpfen gehabt. Beide wollen es aber trotz des schlechten Wetters versuchen und sich zumindest bis hinter den Pass durchschlagen. Sie hatten sich eine Stunde in der Hütte aufgewärmt und waren gerade auf dem Weg loszulaufen. Wie immer wünscht man sich alles Gute.
                                Als ich an der Hütte ankomme sehe ich erst keine Menschenseele, bis ich irgendwann um eine Hausecke schaue. Dort sitzt die Wandergruppe, die Hüttenwartin weist sie gerade ein und unterbricht ihr Prozedere, als ich auftauche. Es ist mir sofort unangenehm. Sie stellt sich mir als Monika vor und fragt ob ich hier bleiben will, wenn ja, dann müsste ich aber zelten, da kein Zimmer mehr frei wäre. Kein Problem, sage ich und sie gibt mir eine nette Info, dass ich gute, windgeschützte Plätze weiter hinten finden würde. Also los gehts. Ich marschiere noch ungefähr 250 Meter weiter zurück und finde einen perfekten Platz. Wenn ich stehe pfeift der Wind mir durch die Haare, gehe ich in die Hocke ist es absolut windstill. Der Blick ins Tal wäre ebenfalls toll von hier, wenn es nicht voller Wolken hängen würde. Ich halte mich an meine Regel immer zuerst die Pflichten zu erfüllen, bevor ich mich erhole. Also wird sofort das Zelt aufgebaut.



                                Danach wird direkt Wasser geholt. Ich gebe mich nicht mit einem flachen Rinnsal zufrieden und gehe runter zum Hauptstrom des Čeavččanjira. Eine kleine Ortserkundung muss schließlich sein. Die Schneewand ist beeindruckend und strahlt so hell bei diesem tristen Wetter.



                                Auf einmal geschieht ein kleines Wunder und die Sonne bricht doch noch durch die Wolkendecke hindurch! Das Weiß des Schnees und des Wassers wirkt sofort noch strahlender als zuvor.



                                Innerhalb weniger Minuten reist eine große Lücke in der Wolkendecke auf, so dass auch blauer Himmel zum Vorschein kommt. Ich kann mein Glück kaum fassen!



                                Das zaubert mir direkt ein Grinsen ins Gesicht!



                                Nachdem ich den Wassersack gefüllt habe, begebe ich mich zurück zum Zeltplatz. Laufe aber anschließend noch weiter um ein Blick ins Tal zu riskieren. Hier werde ich nun direkt am Abend für meine Strapazen entlohnt! Ein wahrhaft schöner Ausblick ins sofort freundlich wirkende Tal! Herrlich, Balsam für die Seele



                                Als ich am Zelt anfange zu kochen, gönne ich mir als Selbstbelohnung eine leckere, scharfe Elchwurst als Vorspeise. Der Himmel zieht sich mittlerweile wieder zu und nur noch vereinzelt schaut die Sonne hervor. Das macht nichts, es ist trocken, ich kann draußen kochen und essen, was will ich mehr?



                                Bei so einem Tagesabschluss schmecken die Nudeln doch direkt besser. Heute gibt es eine Kräuter-Dill-Sauce für Fischgerichte. Eine absolut geniale Alternative, anstelle der Tomaten- und Jägersauce. Leider hatte ich nur eine Packung davon mit. Der Kräutergeschmack haut einen echt um!



                                Um 19 Uhr bin ich damit fertig, begebe mich noch auf den letzten Weg Richtung Hütte zur Abendtoilette und verschwinde dann auch schon zeitig im Zelt. Nicht weil ich müde bin, sondern weil es wieder anfängt zu regnen. Aber der heutige Tag hat echt alles gehabt! Spaß <-> Hass, Regen <-> Sonne, Freude <-> Trauer (darüber, dass der Topf Nudeln mit der leckeren Dill-Sauce so schnell alle war). Ich liege noch eine Weile wach, lausche den Regentropfen, dem Wind und bin einfach nur happy, den heutigen Tag so gut überstanden zu haben. Irgendwann schleiche ich von meinem Dämmerzustand in die Traumwelt hinein.

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                                • Mortias
                                  Fuchs
                                  • 10.06.2004
                                  • 1202
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                                  Ich denk mal solche Momente, wo nach einem anstrengenden verregneten Tag abends plötzlich die Sonne rauskommt und auf einmal die miese Stimmung wie weggeblasen ist haben wir alle schon mehr oder weniger erlebt. Ist immer wieder eine tolle Erfahrung, und freut mich, dass Du es auch genießen konntest. Noch besser natürlich, dass Du beim wunderschönen Abschnitt nach Allesjaure so tolles Wetter hattest. Ich hoffe nur, dass Du auf Deiner Tour noch häufiger solche schönen Tage hattest. Aber auch bei schlechtem Wetter, der Bericht ist echt gut geschrieben und die Landschaft dennoch (trotz Regen) sehr schön.

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                                  • efbomber
                                    Erfahren
                                    • 23.08.2010
                                    • 228
                                    • Privat

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                                    #37
                                    AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                                    Zitat von Mortias Beitrag anzeigen
                                    Ich denk mal solche Momente, wo nach einem anstrengenden verregneten Tag abends plötzlich die Sonne rauskommt und auf einmal die miese Stimmung wie weggeblasen ist haben wir alle schon mehr oder weniger erlebt. Ist immer wieder eine tolle Erfahrung, und freut mich, dass Du es auch genießen konntest. Noch besser natürlich, dass Du beim wunderschönen Abschnitt nach Allesjaure so tolles Wetter hattest. Ich hoffe nur, dass Du auf Deiner Tour noch häufiger solche schönen Tage hattest. Aber auch bei schlechtem Wetter, der Bericht ist echt gut geschrieben und die Landschaft dennoch (trotz Regen) sehr schön.
                                    Danke Mortias
                                    Der Tag kann noch so besch... verlaufen, wenn man mit kleinen Lichtblicken gefüttert wird, hält es einen am Laufen! Ich will nicht all zu viel vorwegnehmen, aber das schlechte Wetter kam immer wieder mal durch, wie schlimm genau, erfährst du, wenn der Bericht so weit ist

                                    Bei der Schönheit der Landschaft muss ich dir einfach zustimmen. Der Flair ist bei schlechtem Wetter ein anderer, aber dennoch empfinde ich eine Begeisterung. Eigentlich müsste man die Streckenabschnitte einer Tour in allen Jahreszeiten erleben um die volle Schönheit eines einzigen Ortes auskosten zu können.

                                    So, noch kurz Korrekturlesen und dann gibt es das nächste Kapitel!

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                                    • efbomber
                                      Erfahren
                                      • 23.08.2010
                                      • 228
                                      • Privat

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                                      #38
                                      AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                                      Kapitel 7 - Die Stille im Regen
                                      23.06

                                      Früh die Augen aufzuschlagen bedeutet nicht zwangsläufig, dass alle negativen Aspekte des Vortages automatisch verschwunden sind. Erneut lausche ich den Wassertropfen, wie sie mein Zelt malträtieren. Na gut, ich bin positiv eingestellt und döse einfach ein wenig vor mich hin. Wird schon gut werden, hat doch gestern auch alles prima geklappt. Ich freue mich schon insgeheim auf den Abstieg vom Tjäktjapass. Der Blick ins Tal wird bestimmt hervorragend und das Wetter wird sich auch bestimmt bald bessern. Gestern überlegte ich kurz durchs höher gelegene Šielmmavággi Richtung Nallo zu laufen, aber da noch nicht einmal die Hälfte meiner Tour um ist, verwarf ich den Gedanken auch schnell wieder.
                                      Wie ich so da liege und über die Sehenswürdigkeiten des Tages nachdenke, verrinnt die Zeit Minute um Minute und vom 6:30 Augen aufmachen bis um 10 Uhr bessert sich die Lage nicht. Enttäuscht packe ich meine Klamotten zusammen und genehmige mir das Frühstück heute einmal im Zelt. Um der nassen Kälte gleich noch gegenzusteuern, koche ich mir einen leckeren Tee.



                                      Kochen im Akto ist durchaus möglich. Man sollte lediglich die Windverhältnisse berücksichtigen und die Flamme klein halten, dann kann auch nichts "anbrennen"
                                      Nur wenige Momente nach dem letzten Schluck hört der Regen endlich auf. Ich lasse mich nicht zwei Mal bitten und packe die Ausrüstung zusammen und mache mich startklar. Die beiden anderen Zelte, die noch gestern Abend weiter oben im Hang aufgebaut wurden, sind ebenfalls noch da. Es sah aber nicht so aus, als ob jemand mit dem Gedanken spielte loszulaufen. Aber erneut einen Tourentag dem Regenwetter zu Opfer fallen zu lassen, das kann und will ich einfach nicht! Also Augen zu und durch.



                                      Als ich an der Tjäjktjastugan vorbeikomme, nutze ich noch kurz die Gunst der Stunde und mache Gebrauch von der Sanitäreinrichtung. Die Toilettenhäuschen sind innen mit Bildern behangen. Zu meiner Rechten tolle Aufnahmen aus verschneiten Gebirgen und zu meiner Linken schaut mich ein Braunbär an, ich fühle mich eingeschüchtert und werde schnell mit dem Geschäft fertig. Kurz noch Monika "Tschüss" sagen, muss aber sein. An der Hütte ist sonst niemand mehr zu sehen, es ist still. Vermutlich sind alle schon unterwegs. Ich finde sie in ihrer kleinen Hütte und sie lädt mich noch auf einen Tee in der Gemeinschaftsküche ein, die sie ohnehin noch putzen muss. Sie fragt mich zu meiner Tour aus und will einen ausführlichen Bericht. Na gut, früh loslaufen kann ich auch noch am Nachmittag
                                      Ich berichte ihr von meinem Pech bei Lapporten und der daraus resultierenden Routenänderung. Findet sie jedoch nicht schlimm, wie ich im übrigen auch nicht. Dann erzählt sie mir von der geführten Wandergruppe. Diejenige, die es eilig bei der Furt hatte und als Erste über den Fluss gegangen war, jammerte gestern bei der Einweisung die ganze Zeit rum, dass sie frieren würde, ihre Schuhe nass seien und ob sie den Trockenraum nutzen wolle, den es natürlich dort nicht gibt! Monika verrät mir, dass sie mit solchen Leuten kein Mitleid hat. "You know, these townpeople... always the same!", sagt sie mit einem Grinsen auf den Backen. Niemand mag nasse Sachen, aber rumnörgeln, weil die Schuhe möglicherweise ruiniert sind, das geht ihr zu weit! Ich erkundige mich, wer noch alles gestern vorbeigekommen ist. Viele waren es dann nicht mehr. Aber besonders bitter wurde es für 4 ganz junge Kerle. Ohoh denke ich mir, etwa die Jungs aus Alesjaure? Als sie mir den Zustand der Jungs beschreibt, bleibt kein Zweifel mehr. Die 4 hatten nur synthetische Klamotten mit, keine groß wärmenden Sachen. Und jetzt kommt es, dank der Gruppe war die Hütte rappelvoll. Sie wollten gerne übernachten, hatten aber kein Zelt für die Tour dabei! Monika hat sie weiter geschickt. Ich dachte, ich höre nicht recht. Doch doch, 2 waren am Zittern wie Espenlaub, der Eine am humpeln, nur der Letzte machte einen halbwegs fitten Eindruck. Monika meint, dass sie absolut unzureichend für so eine Wanderung ausgerüstet seien, weder Zelt noch warme Kleidung dabei, unpassende Schuhe. Als ich frage, warum sie sie nicht in der Küche nächtigen hat lassen, sagt sie nur, dass das noch lange kein Notfall sei. Die Etappe wird unangenehm und beim nächsten Mal haben sie dazugelernt. Falls es ein nächstes Mal geben wird und sie nicht durch die Erlebnisse abgeschreckt werden
                                      Fairerweise erwähnt sie, dass sie die 4 kostenlos 2 Stunden die Küche hat nutzen lassen.

                                      Wir unterhalten uns eine knappe Stunde, sie gibt mir noch ein paar Ratschläge und rät mir unbedingt ab durch das Šielmmavággi zu gehen. Zu viele Wolken, die Sicht sehr schlecht und noch einige Schneefelder, vor allem runter nach Nallo. Klingt doch vielversprechend, aber ich will die Landschaft sehen, ein Blick in das Tal ist von hier unten kaum möglich, die Wolken haben es komplett erobert. Wirklich schade! Als ich am kleinen Wasserfall vorbeikomme, knipse ich noch ein Foto.



                                      Auf der anderen Seite des Čeavččanjira geht es sich recht flott Richtung Pass. Der Weg ist breit ausgetrampelt und ebenfalls noch gut markiert. Für meinen Geschmack könnte es ein wenig trockener sein. Der Regen setzt wieder ein, so dass ich schon hier zu meiner Regenkluft greifen muss. Wäre ja auch zu schön gewesen.



                                      Die Landschaft finde ich dennoch äußerst angenehm zu beobachten. Die Brauntöne der verwitterten Pflanzen vom Vorjahr, die noch nicht lange frei von Schnee sein können und die Schneekleckse an den nassen Berghängen verzaubern meine Stimmung. Ich hege nur noch den Wunsch, dass die Wolken ein wenig höher steigen, damit ich mehr von all dem sehen kann. Im weiteren Verlauf hoch zum Pass springt mir hin und wieder etwas Grellgrünes ins Auge. Der Kontrast der Farbtöne wirkt hier oben völlig fehl am Platz.



                                      Der gut sichtbare Weg verschwindet je höher man kommt. Hier oben liegen fast nur noch Steine und man hat zwei Möglichkeiten, der Navigation, ohne technische Hilfsmittel. Man folgt Steinmarkierungen, die es hier zu Hauf gibt, aber leider auch nicht alle zum gewünschten Pass führen!!! Oder man folgt der Wintermarkierung... sofern man diese in den Wolken ausmachen kann. Die Sicht wird nämlich ebenfalls immer schlechter, was auch meinen beschlagenen Brillengläsern zuzuschreiben ist. So ein Sauwetter und ich werden bestimmt keine Freunde mehr!
                                      Deutliche Steinmännchen wie dieses hier, findet man leider nicht immer. Ferner kann die Sicht auch schon ab und an so miserabel sein, dass man von einem Männchen zum Anderen nicht gucken kann. In solchen Situationen hilft GPS, oder einfach das Vertrauen in den eigenen Instinkt. Das kleine Steinmännchen rechts im Bild führt NICHT auf direktem Wege rauf zum Pass, nur eines von einigen Beispielen.



                                      Mittlerweile halte ich an um meinen Energielevel oben zu halten, Proteinriegel und Wasser direkt vom Boden! Wasser ist hier überall um mich rum. Es fließt im Fluss entlang, es kommt von den Hängen herunter, der, zum Glück wesentlich schwächere Wind als gestern, weht es mir von allen Seiten um die Ohren.



                                      Während der Pause reist es minimal auf und ich bekomme für einen Augenblick die Sicht auf die Nothütte am Pass! Noch bevor ich ein Foto machen kann, ist sie auch schon in den Wolken verschwunden.



                                      Macht nichts, jetzt habe ich einen Anhaltspunkt und meine ohnehin angepeilte Richtung wird mir dadurch bestätigt. Ich schultere den Rucksack und gehe weiter. Die Sicht verschlechtert sich schlagartig! Erst kurz vor der Hütte, kann man deren Umrisse erahnen.



                                      Als ich an der Hütte ankomme, vermute ich sie bereits belegt, aber ich irre mich. Perfekt, ich sehe fast nichts mehr um mich herum und entscheide mich einfach etwas auszuharren. Die nassen Klamotten kommen so weit es geht runter und werden in dem recht dreckigen Innenraum aufgehangen, während ich meiner Seele mit Trockenobst, Erdnüssen und Schokolade eine kleine Pflegeeinheit verpasse.



                                      Jetzt legt auch der Wind enorm zu, ich bekomme langsam aber sicher das Gefühl, dass diese Tour die Quittung für die 10 Tage Sonnenschein letztes Jahr ist. Man muss es eben nehmen, wie es kommt. Ich vertreibe mir die Zeit und blättere in den Hüttenbüchern, leider wurden die Alten zum Feuer anzünden gefleddert. Wirklich schade! Isabell und Jürgen haben sich eingetragen, habe ich es also doch nicht mehr geschafft sie einzuholen.
                                      Auf dem einzigen Regal liegt ein sehr abgenutztes Exemplar von "Into The Wild", womit ich mir ein wenig die Zeit vertreibe. Zum Glück auf Englisch! Leider lenkt es mich nicht besonders von dem Dreckswetter draußen ab. Nach guten 2 Stunden ist das Schlimmste überstanden und ich trete vor die Tür, es nieselt nur noch und der Wind hat beinahe aufgehört. Fast euphorisch ziehe ich die klitschnassen Kleidungsstücke wieder über und gehe los. Die Sicht kann man mittlerweile beinahe wieder als "gut" bezeichnen! Als ich an der Hütte ankam, konnte man kaum die Steinmarkierung erkennen.



                                      Die Wolken werden immer heller und ich vermute, dass jeden Moment die Sonne durchbrechen muss. Genial, komme ich doch noch zu meinem Blick ins Tal! Keine 20 Meter später erwischt mich ein Platzregen. Binnen kürzester Zeit bin ich komplett nass. Das Wasser läuft mir überall runter und das Gefühl, dass mir hier höhere Mächte nicht besonders positiv gesonnen sind, macht sich breit. Jetzt ist es zumindest egal, wie ich weiter gehe. Nach feucht kommt nass, nach nass wieder trocken, also einfach nicht drüber nachdenken. Schade um den Ausblick, aber was solls. Der Abstieg selbst ist bei so einem Wetter echt nicht ohne. Der Weg ist zwar recht einfach zu finden, aber das Wasser nutzt ihn ebenfalls, um ins Tal zu fließen. Jeder Schritt erfordert meine Konzentration, trotzdem rutsche ich zwei Mal unfreiwillig und einige Male gewollt ab. Dreck an den Klamotten macht mir jetzt auch nichts mehr aus. Meine Laune ist eh hinüber. Mein Gesichtsausdruck spricht Bände!



                                      Um 18 Uhr bin ich runter vom Pass und laufe schnell im Tal lang. Angepeiltes Tagesziel -> Sälka
                                      Hier unten reist es endlich auf und die Wolken geben die Sicht auf ein wenig Landschaft frei. Wurde aber auch Zeit! Die drei Schwäne auf dem kleinen Tümpel stört das Wetter kein Stück. Zwei der Schwäne schwimmen genau am Schneefeld lang und sind hier nicht sichtbar



                                      Der Regen zuvor war wirklich schlimm. Das ganze Tal schwimmt, fließt und matscht vor sich hin. Ich stelle auf Panzermodus und marschiere ohne Verluste drauf los. Ich schaue nur ein einziges Mal zurück, dieses Bild ist dabei entstanden.



                                      Die Holzbohlen wurden teilweise komplett weggeschemmt, so dass die sumpfigen Gebiete eine kleine Herausforderung werden. Ok, wenn ich trocken bleiben wollte, wären sie eine Herausforderung, so stampfe ich einfach durchs Wasser, die Stiefel sind sowieso voll davon. Nach 2 Kilometern begegnet mir eine kleine Rentierherde, die ich freudig auf mehreren Bildern festhalte. Alle Fotos werden verschwommen und sind nicht zu gebrauchen, was sich rückblickend wunderbar mit diesem Tag einhergeht
                                      Eines von insgesamt 5 Landschaftsfotos ist gelungen. Hier regnet es nur noch sehr mäßig und die Wolken verziehen sich immer mehr und mehr. Ich bin mir nicht sicher, welcher Berg das ist, aber ich meine es müsste sich um den nördlichen Teil des Sälka-Massivs handeln. Korrigiert mich, wenn ihr es genau wisst!



                                      Die Strecke zieht sich, besonders als ca. 1km vor mir die Wolkendecke aufreist und die Sonne genau auf Höhe des Wanderweges den Boden erreicht. Ich knirsche mit den Zähnen und laufe im Regen weiter. Die Höhere Macht versprottet mich nun. Ich schimpfe in Gedanken und renne dem Sonnenfleck hinterher, der konstant weit entfernt von mir bleibt. 2 Kilometer vor Sälka hört der Regen auf, so dass ich zumindest die Regenhose an den Rucksack heften kann und die Hoffnung hege, dass meine Trekkinghose ein wenig trocknet. Um 19:54 sitze ich in Sälka auf der Holztreppe, im Sonnenschein. Da hier Leute der Wandergruppe und einige Andere durch die Gegend flitzen verkneife ich mir einen Fluch, der mir auf den Lippen liegt. Ändert ja auch nichts an der Sache.



                                      Ja ich fühle mich absolut verarscht. Oberflächlich bin ich wenigstens trocken geworden.

                                      Als ich den Shop betrete, werde ich wärmstens in Empfang genommen. Mir wird sofort eine heisse Tasse Tee gereicht, so mitleiderregend muss ich aussehen. Eigentlich wollte ich nur zelten und Geld sparen, aber als mir von beiden Hüttenwarten nahe gelegt wird, den Ofen anzufeuern, lasse ich mich dadurch überreden. Was soll der Geiz! Ich trage mich im Buch ein, wie ich es an allen anderen Stationen auch gemacht habe, bezahle meine Gebühr und bekomme noch eine Tasse Tee spendiert.
                                      Der ältere, hochgewachsene Hüttenwart macht einen auf "automatisches Programm runterspulen" und erklärt mir das Recyclingsystem und das Verhalten auf den Hütten im Detail. Alles Brennbare in diese Container! Und jetzt pass auf, dünne Folie oder Bonbonpapier... "ist auch brennbar, und gehört nicht in den Plastikcontainer, ich weis.", unterbreche ich ihn. Noch hoffe ich, dass er bemerkt, dass ich das schon alles weis, aber nope! Dosen kommen hier rein, er zeigt auf den entsprechenden Container mit unverwechselbarem Symbol. "Habe ich eh nicht dabei." Pfandflaschen und harter Platik hierhin, "ebenfalls nichts dabei, guter Herr". Langsam bin ich genervt und fange an runterzurattern welche Abfälle in welchen Container gehören, verbrauche ich Feuerholz oder Wasser, muss ich auch für Nachschub sorgen, kenne ich alles! Er steht nur da und kurz rechne ich damit, dass er mir in die Fresse haut, stattdessen streckt er mir die Hand entgegen, drückt meine Pranke wie ein Bär und spricht mir seinen Lob aus, wie gut ich informiert sei. Phuu, Glück gehabt.

                                      Ich bekomme ein Achterzimmer auf einer Hütte zugewiesen. Bisher sei nur eine Person dort, mit der ich es teilen müsse. Wie sollte es anders sein, er ist auch ein Deutscher! Als ich den Shop verlasse, hat sich das Wetter schon merklich gebessert.



                                      Ich betrete die Hütte, und lerne Hubert kennen. Er ist aus Bayern und ungefähr in meinem Alter. Er sitzt am Tisch und speist gerade, also will ich ihn nicht großartig stören. Ein schwedisches Paar sitzt einen Tisch weiter. Wir quatschen 5 Sätze miteinander und ich ernte abfällige Blicke und einen dummen Spruch, dass es hier oben auch mal nass wird, ich sollte mich doch vorab informieren. Das Gespräch ist damit von meiner Seite beendet, ich lächle und sehe zu, dass meine Klamotten an die Wäscheleinen am Ofen kommen. Hubert hat nichts dagegen, dass ich ein Feuer mache, weil auch seine Sachen ein wenig feucht sind. Da kaum Anzündholz rumliegt und ich keine Lust habe noch heute die Axt zu schwingen, packe ich aus meinem Notfallkit das Stückchen Esbit aus und lege es zwischen zwei nicht ganz trockene Scheite. Der Hüttenwart kommt uns besuchen und leiert sofort neue Verhaltensregeln runter. Legt nicht zu viel Holz in den Ofen, die Hitze kommt zeitverzögert. Stellt eure Stiefel nicht auf den Ofen. Ich nicke nur noch resigniert vor mich hin und atme ruhig ein und aus. Muss ja schon Vollidioten gegeben haben, die ihre Klamotten auf dem Ofen geschmolzen bzw. abgefackelt haben, sonst würde er es ja nicht erwähnen. Er entschuldigt sich dafür, aber er sei vepflichtet das jedem aus versicherungstechnischen Gründen mitzuteilen. Unweigerlich stelle ich ihn mir als Beamten in einer deutschen Behörde sitzend vor und muss grinsen. Während ich nun mein Abendessen zubereite, besucht Hubert die Sauna.

                                      Zusammen mit mir kochen noch eine bildhübsche Italienerin namens Sara und ihr schwedischer Freund ihr Abendessen. Sie haben das Viererzimmer für sich alleine und feuern ebenfalls den kleinen Holzofen an. Es gibt Nudeln mit Tomatensauce und vorab eine Heisse Tasse Suppe. Sara humpelt ein wenig, ihr Knöchel ist etwas geschwollen. Sie will es morgen ruhig angehen lassen, ihr Freund aber bis nach Alesjaure durchlaufen. Wir hocken uns zusammen an einen Tisch und ich lasse mir ihre bisherige Tour schildern. Die Sonne scheint mittlerweile und der Himmel wird immer blauer! Das Abendessen in so einer netten Gesellschaft schmeckt doppelt gut und meine Laune hebt sich merklich an. Die beiden haben den Kebnekaise in Form einer Tagestour an der Steilwand erklettert. Das wird von der Fjällstation aus angeboten, muss aber vorab gebucht werden. Für Sara ist es das erste Mal outdoor, das erste Mal klettern und das erste Mal so eine körperliche Belastung. Als sie davon berichtet leuchten ihre Augen vor Begeisterung. Nordfieber lässt grüßen! Das ist ansteckend und wir sitzen eine ganze Weile zusammen, bevor die beiden raus gehen und ich den Abwasch übernehme.

                                      Als ich den Ofen nachfeuere und nach hinten zum Fenster raus schaue, sehe ich eine nackte Person mit einem Blecheimer zum Fluss rennen, Wasser auffüllen und wieder in eine kleine Hütte eilen. Da war wohl das Wasser in der Sauna alle

                                      Da hier alles in Butter ist, begebe ich mich dann nochmals vor die Tür, die Sonne lockt und es ist eine wirklich tolle Atmosphäre draußen.



                                      Der Blick Richtung Süden gibt ein anderes Farbenspiel preis.



                                      Irgendwann schleiche ich mich zurück ins Haus und lasse die Hitze über mich ergehen. Hubert ist bereits anwesend. Ich erzähle ihm vom Nackedei an der Sauna und er lacht und meint, dass er es war. Hatte die Sauna für sich alleine, naja fast, gegen 21 Uhr kam der Hüttenwart rein und hat geschimpft, dass er über der Zeit sei. Er hätte so einen anstrengenden Tag und kann es nicht gebrauchen, dass sich die Leute nicht an die Regeln halten. "Hockt den guanzn Tag nur rum, muasst ja eh jeder alles selbst machn'. Dem hätt I' eine langn könn'!", schimpf Hubert. Ich verstehe ihn und wir reden noch ein bisschen. Für ihn sind auch mal 30km an einem Tag drin und auch sonst macht er einen fitten Eindruck. Normalerweise wäre sein Bruder mit dabei, aber mit dem Urlaub hat es dieses Jahr nicht geklappt, also ist er alleine los. Sein Plan sei auch nach Nikkaluokta zu laufen und den Kebnekaise mitnehmen. Aber es hätte noch bei jeder Gipfeltour bei ihm schlechtes Wetter gegeben, so dass er nur äußerst selten einen schönen Ausblick genießen kann. Kommt mir irgendwie bekannt vor

                                      Als ich mich schlafen lege, ist es kurz vor 12 nachts. Zwei Dinge halten mich noch länger wach. Erstens, die Vorfreude auf das Losmarschieren am folgenden Tag, denn mittlerweile sind die Wolken verschwunden und die Sonne strahlt bei Kaiserwetter vom Himmel! Zweitens, Hubert hat Gesellschaftsspiele für sich entdeckt und spielt Kniffel.... mit sich alleine. Die Würfel pollern wieder und wieder auf dem Tisch herum. Um 1 Uhr nachts überlege ich kurz, ob ich was sagen soll, aber hej, ich kann eh nicht schlafen. Ich bin so aufgedreht wie als kleines Kind zu Weihnachten am Tag vor der Bescherung.

                                      Und wieder ist ein Tag der Tour rum. Das Wetter hat heute einen negativen Höhepunkt erreicht, der nicht so einfach zu toppen sein wird. Die schönsten Sichten versaut durch sehr tief hängende Wolken, klitschnasse Klamotten, misslungene Bilder und dann noch dieser Spott mit dem Sonnenloch vor mir auf den letzten Kilometern. Das hat mich einiges an Nerven gekostet. Aber wie auch schon gestern bei Tjäktja hat das Blickenlassen der Sonne zum Tagesabschluss enorm positiv auf meine Stimmung gewirkt. Auch Hubert, Sara und ihr Freund haben nochmals einiges rausgerissen und für die nötige Ablenkung gesorgt. So verkehrt ist es für mich also nicht dem Kungsleden zu folgen. Schade, dass es hier schon die letzte Etappe davon ist. Ab morgen will ich durchs Stuor Reaiddávággi nach Nallo. Im Vorfeld (5 Wochen vorher in Stockholm) habe ich von vintervik gehört, dass es hier sehr schön sein soll und er unbedingt mal da lang will. Naja, das ist der riesen Vorteil, wenn man spontan plant, einfach mal die Route ändern und weiter gehts. Am Wochenende gibt es mehr Lesestoff für euch!

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                                      • Vintervik

                                        Fuchs
                                        • 05.11.2012
                                        • 1929
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #39
                                        AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                                        Zitat von efbomber Beitrag anzeigen
                                        Ab morgen will ich durchs Stuor Reaiddávággi nach Nallo. Im Vorfeld (5 Wochen vorher in Stockholm) habe ich von vintervik gehört, dass es hier sehr schön sein soll und er unbedingt mal da lang will.
                                        Japp, und da meine Diss, die mich letztes Jahr davon abgehalten hat, dort lang zu kommen, nun abgeschlossen ist, werde ich nun hoffentlich bald mal da langstiefeln.

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                                        • Fjaellraev
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                                          Liebt das Forum
                                          • 21.12.2003
                                          • 13981
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                                          #40
                                          AW: [SE] 3 Wochen alleine unterwegs in der Wildnis Schwedisch Lapplands

                                          Das garstige Wetter kommt in deinem Bericht gut rüber, man leidet so richtig mit.
                                          Mit den Hüttenwarten in Tjäktja und Sälka hast du ja etwas spezielle Exemplare erwischt
                                          Nur weil alle Betten besetzt sind, heisst das noch lange nicht dass weitere Gäste einfach abgewiesen werden können. Auch ohne Notlage können die dann, gegen Bezahlung des normalen Übernachtungspreises, auf Matrazen oder dem Fussboden schlafen.
                                          Oavsett om du förbetalat boende i en STF Fjällstuga eller inte, är du alltid garanterad en sovplats och tak över huvudet. En sovplats i våra fjällstugor är antingen en ordinarie sängplats eller en bekväm golvbädd som innebär en madrass på golvet, täcke och kudde
                                          Einen Trockenraum hat die Hütte übrigens auch (Zwischen Eingang und Küche), aber der ist bei vollbelegter Hütte schnell mal überlastet.
                                          Beim Hüttenwart in Sälka habe ich den Eindruck dass der entweder seinen ersten Einsatz nach dem Kurs hatte und "Angst" hatte Fehler zu machen, oder dass er seine Erfahrungen mit absoluten Banausen gemacht hat und deshalb alles so genau erklärt hat.

                                          Gruss
                                          Henning
                                          Es gibt kein schlechtes Wetter,
                                          nur unpassende Kleidung.

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