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Steve: Hey Guido, ich spiele schon länger mit dem Gedanken im September die letzten
300 Kilometer des Allier zu paddeln. Hast du Zeit und Lust?
Guido: Gute Idee, ich habe noch zwei Wochen über. Was stellst du dir vor?
Das waren die ersten Kontaktaufnahmen, aus denen letztendlich die hier beschriebene Tour entstand. Wir vereinbarten uns Anfang September in Clermont Ferrand zu treffen und am nächsten Tag gemeinsam nach Langeac, dem Startpunkt unserer Reise zu fahren.
Eine wilde Reise durch die Nacht
Das Abenteuer begann im Industriegebiet von Linz. Es war bereits Abend und die Sonne schon lange hinter dem Horizont versunken, als ich in den Euroline-Bus stieg der mich in 22 Stunden auf direkten Weg nach Clermont Ferrand bringen sollte.
Der ungarische Chauffeur verstetze der Gepäcksklappe des überladenen Gefährts noch einen wohl platzierten Tritt, der sie dazu brachte zuzuschnappen. Die Stimmung war schon ein wenig speziell als ich mir zwischen den Sitzreihen meinen Platz suchte. Auf meiner Suche nach meinem Sitzplatz stieg ich über ausgestreckte Gliedmaßen und Gepäckstücke hinweg, schlich mich an schlafenden Insassen vorbei und nahm schließlich neben einer blonden Dame mit wässrigen, lampenartigen Augen Platz.
Es war ein äußerst unangenehmer Aufenthalt. Der Bus blieb ständig stehen, dann kamen grimmig aussehende Grenzbeamte, sammelten sämtliche Pässe ein um sie anschließend wieder auszuteilen. Nach vielen Stunden Fahrt und einem Umstieg kam ich letztendlich in Lyon an. Dort machte der Bus eine längere Pause, die ich wohl zum Umsteigen hätte nutzen sollen. Davon hatte ich jedoch keinen Ahnung und freute mich dafür um so mehr als der Bus wieder Fahrt aufnahm und ich nur mehr vier Stunden von meinem Ziel entfernt war. Nun kontrollierte ich bereits die Autobahnschilder auf meine Wunschdestination, wurde aber nicht fündig. Stattdessen standen dort Orte wie Genf, die überhaupt nicht in meiner Richtung lagen.
Ich kontrollierte meine Position auf dem Garmin und stellte fest, dass der Bus auf Grenoble zusteuerte. Statt weiter zu kommen war ich also bereits wieder auf dem Rückweg in die traute Heimat. Es blieb mir daher nichts anderes übrig als in Grenoble aus dem Bus zu springen, mein Gepäck in den Zug zu werfen und den Rest der Strecke auf den Wegen aus Eisen zu bewältigen.
Der Bahnhof von Lyon, einer meiner ungeplanten Zwischenstops
Guido mein Mitpaddler war währenddessen schon längst am Zielort angekommen. Der Glückspilz konnte die Strecke von Köln mit diversen Schnellzügen bewältigen, während ich von einem Verkehrsmittel zum Nächsten wechselte. Am Bahnhof von Clermont Ferrand nahm er mich schließlich in Empfang. "Da bist du ja endlich! War ja ein ganz schönes Theater bei dir. Ich hab uns bereits gegenüber vom Bahnhof ein Zimmer gesucht. Dat ist zwar ein ziemlicher Schuppen aber dafür günstig. Die sperren hier den Bahnhof über Nacht zu und unter dem nassen Vordach wollte ich dann auch nicht pennen."
Mir war alles recht, Hauptsache die Reise hatte für heute ein Ende. Unser Bus nach Langeac, von wo wir die Befahrung starteten ging nämlich erst am nächsten Tag und so mussten wir eine Nacht in Clermont Ferrand verbringen. Am nächsten Morgen erreichten wir unser Ziel und quartierten uns gleich am hiesigen Campingplatz ein. Den Rest vom Tag verbrachten wir mit der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten und dem Aufbau unserer Boote. Hier muss erwähnt werden dass ich in einem Grabner Explorer Luftboot unterwegs war, während mein Partner in einem Faltboot sein Glück versuchte.
Langeac, der Startpunkt unserer Tour
Guido brauchte noch Flickzeug für sein Boot und erwarb in einem Baumarkt eine Rolle Klebeband. "Ist zwar nicht dat Panzertape mit dem ich sonst arbeite, aber ich denke das sollte es tun." erklärte er mir und hielt mir eine graue Rolle Klebeband unter die Nase. Im nahe liegendem Supermarkt erledigten wir anschließend noch den Einkauf von Reiseproviant. Guido versuchte noch ein Sitzkissen für sein Boot zu beschaffen. "I - need - a - seat - pillow!" teile er der Verkäuferin mit treuherzigen Blick mit. Als diese nur ratlos dreinblickte untermauerte er seine Anfrage noch mit einer pantomimischen Darbietung indem er ein paar mal in die Knie ging als würde er sich hinsetzen. Gebracht hat es ihm letztendlich nichts, im hiesigen Supermarkt gab es sicher einiges, aber halt keine Sitzkissen für ein Faltboot.
Unsere beiden Boote vor der ersten Wasserung
Im Anschluss schleppten wir unsere Einkäufe zurück zum Campingplatz. Guido hatte sich mit allem ausgerüstet was man sich nur vorstellen konnte. Das ganze Zeug verpackte er in unzähligen Säcken die er in seinem Faltboot verstaute. Ich hätte nicht einmal die Hälfte von dem ganzen Zeug in meinen Explorer gebracht. Doch schließlich war alles fertig verstaut und die Boote bereit zum Ablegen.
Abenteuer auf dem jungen Allier
Guido blickte stirnrunzelnd auf den jungen Fluss. "Dat ist mir zu seicht hier. Ich werde ein wenig weiter nach hinten treideln." (Für meine Familie: Treideln bedeutet das unbemannte Boot an einem Seil durch seichte oder gefährliche Stellen zu führen.) Sprachs und watete auch schon davon. Währenddessen hatte ich mich weiter unterhalb in ein Kehrwasser geflüchtet und wartete auf ihn.
Guidos erste Treidelmeter
Der Allier hatte auf den ersten Kilometern wenig erfreuliches für uns bereit. Zwar war die Landschaft atemberaubend schön, der Fluss jedoch stellenweise ein wenig tückisch. Nach kurzer Zeit gabelte er sich in zwei Arme wobei nur der Rechte der beiden befahrbar war. Guido fuhr in den Arm ein, während ich an der Einfahrt wartete bis er ihn durquert hatte. Plötzlich vollführte er einige merkwürdige Verrenkungen in seinem Boot, ich konnte jedoch aus der Ferne nicht erkennen was der Grund dafür war. "Was macht der Kerl da bloß?",fragte ich mich. Schließlich verschwand er aus meinem Blickfeld und ich fuhr selbst in den Arm ein.
Bald entdeckte ich auch den Grund für seine Unruhe. Auf halber Strecke lauerte rechts ein knapp überspülter Felsriegel der fast die Hälfte des Flusses blockierte. Ich bemerkte das Hindernis ebenso spät wie Guido, der mir von unten mit hektischen Handzeichen bedeutete weiter links zu fahren. Ich riss mein Boot herum und schrammte haarscharf an der Blockade vorbei.
Im Anschluss wurde es nicht wirklich besser. Der Fluss war sehr seicht und vor allem Guido hatte alle Hände voll zu tun um sein voll beladenes Faltboot in die gewünschte Richtung zu bekommen. Ein paar mal querte er plötzlich hektisch den Fluss und rettete sich in kleine Nebenarme um Steinbrocken und anderen Hindernissen auszuweichen. Obwohl er gute Instinkte hatte und sein Boot perfekt beherrschte kam Guido nicht ungeschoren davon. Mehrmals schrammte er hart über Steine oder blieb an seichteren Stellen am Grund hängen. Nach wenigen Kilometern war es dann so weit. Sein Boot hatte ein Loch. Wir hatten an diesem Tag erst sechs Kilometer geschafft, beschlossen aber dennoch es für heute gut sein zu lassen.
Blick auf den jungen Allier vom ersten Camp
Neben den kleinen Ort "Le Chambon" schlugen wir direkt am Fluss unser Lager auf. Guido machte sich gleich daran das Boot zu entladen und den Schaden zu beheben. Doch das erworbene Klebeband erwies sich als völliger Schrott. "Was ist dat denn fürn Müll?", brummte Guido verärgert als sich der graue Fetzen nach dem Aufbringen sofort wieder von der Boothaut löste. Nun war guter Rat teuer. "Wir nehme einfach das Reparaturset von meinem Boot.", schlug ich nach kurzem Nachdenken vor.
Und so machten wir es dann auch. "Schneide die Dinger rund aus. Etwa so groß wie ein fünf Mark Stück.", wies mich Guido an. Darauf warf ich ihm einen ratlosen Blick zu. "Ich habe keine Ahnung wie groß ein fünf Mark Stück ist." "Was? Dat gibts ja nicht. So jung bist du dann aber auch nicht." "Das hat mit dem nichts zu tun. In Österreich hatten wir nunmal keine Mark sondern Schilling." Nachdem er mir die gewünschte Größe dann so erklärt hatte dass auch ich als Österreicher sie verstehen konnte, hatten wir das Loch im Nu gestopft.
Einer der angenehmen Besucher unseres Camps
Die Nacht wurde bitterkalt und am Morgen des nächsten Tages war ich einige Zeit damit beschäftigt die unzähligen kleinen Nacktschnecken vom Zelt zu sammeln die sich in der Nacht überall festgeklebt hatten. Guido war währenddessen schon mit der Zubereitung seines Frühstücks beschäftigt, welches aus Cornflakes und einer Art Milchpulver für Babys bestand. Malerischer Nebel hüllte unser Camp ein, der nur langsam von der Sonne verdrängt wurde. Vom Gras bis zu den Bäumen war alles mit zahlreichen Spinnennetzen überzogen an denen Tautropfen wie Kristalle glänzten. Die Hänge des Flusses waren mit dornigen Ranken verwachsen an denen mehr Brombeeren wuchsen als ein Mensch essen konnte.
Wildbrombeeren aus dem Avernerland
Der Allier wurde allerdings nicht einfacher, er legte uns vielmehr weitere Hindernisse in den Weg. Vor allem Guido tat sich mit seinem Faltboot recht schwer. Felsstufen und unzählig andere Gemeinheiten über die ich in meinem Boot sorglos hinwegglitt, musste er mühsam treideln. Wenn er sich nicht gerade selbst im Fluss befand, war er damit beschäftigt mit seiner Kaffeetasse Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Gegen Mittag hatte er dann genug. "Ich bezweifle langsam ob dat wirklich Sinn hat", meinte er kopfschüttelnd. "Wenn das so weitergeht ruiniere ich mir noch das Boot. Wie weit ist es denn noch bis dat besser wird?" "Noch zwanzig Kilometer.", versuchte ich ihn aufzumuntern. "Ab dort sind keine Wildwasser mehr im Führer eingezeichnet." Darauf richtete er sich wieder auf. "Lass uns den Tag durchfahren und sehen dass wir Strecke machen.", erwiderte er.
Guido und der junge Allier - eine Hassliebe
Und so machten wir es auch. Doch obwohl wir ohne Pause durchfuhren hatten wir Abends nicht mehr als 20 Kilometer geschafft. Das ständige Aussteigen und Treideln kostete Unmengen an Zeit. Alle 200 Meter musst Guido aus dem Boot. Ich dagegen glitt mit meinem Schlauchboot über die Hindernisse hinweg als wären sie gar nicht vorhanden. Nach einiger Zeit versuchte ich ihn ein wenig aufzumuntern. "Mir kommt vor das Wasser wird schon mehr!" "Bei mir im Boot vielleicht." brummte er zurück und schöpfte einige Tassen aus dem Cockpit zurück in den Fluss.
Dennoch hatten wir den Tag irgendwann geschafft und als das Abendessen fertig war, hatte auch Guido wieder gute Laune. "Sag bloß du willst was von meinem guten Essen?" frage er verheißungsvoll und hielt mir eine Blechschüssel voll Dosenfutter unter die Nase. "Das Zeug friss du mal schön selber.", entgegnete ich angewidert. Doch nach wenigen Löffeln hatte auch er keine Komplimente mehr für sein Essen übrig. "Das schmeckt ja wie ne Seuche." Und nach ein paar Löffeln mehr resignierte er mit den Worten: "Ich bin ja nicht empfindlich, aber was zuviel ist ist zuviel."
In den Wäldern des Allier
Der Allier führte uns nun durch eine Landschaft die schöner kaum hätte sein können. Auf beiden Ufern ragten hohe Felswände in den Himmel. Eigentümlich geformte Steine blickten auf uns herab wie Gesichter aus Fels. Die Schönheit wurde nur von einigen Wehren getrübt. Die ersten konnten wir leicht überheben, doch am späteren Nachmittag trafen wir auf ein Brückenwehr, dessen Umtragung eine langwierige und elende Schinderei war.
"Von den 36 Kilometern die wir bis jetzt geschafft haben bin ich bestimmt 15 zu Fuß gegangen.", rief mir Guido über das Rauschen des Flusses hinweg zu. Doch im Laufe des Tages wurde der Wasserstand tatsächlich besser. Guido konnte es kaum fassen dass er nun schon eine halbe Stunde im Boot saß ohne aussteigen zu müssen. Am Abend schlugen wir unser Lager auf einer Insel in der Flussmitte auf. Wir hatten an diesem Tag unsere erste 30 Kilometer Etappe geschafft.
Gesichter aus Stein und Fels
In der Nacht goss es wie aus Eimern und als wir in der Früh unsere Nasen aus den Zelten hielten, tauchten wir in eine feuchte weiße Nebelwand ein. Fröstelnd bauten wir unser Lager ab um uns dem Fluss erneut zu stellen. "Mir kommt vor es ist heute mehr Wasser im Fluss als gestern abend." stellte Guido fest. "Zwar nur fünf Zentimeter, aber jedes kleine Bisschen hilft.
300 Kilometer des Allier zu paddeln. Hast du Zeit und Lust?
Guido: Gute Idee, ich habe noch zwei Wochen über. Was stellst du dir vor?
Das waren die ersten Kontaktaufnahmen, aus denen letztendlich die hier beschriebene Tour entstand. Wir vereinbarten uns Anfang September in Clermont Ferrand zu treffen und am nächsten Tag gemeinsam nach Langeac, dem Startpunkt unserer Reise zu fahren.
Eine wilde Reise durch die Nacht
Das Abenteuer begann im Industriegebiet von Linz. Es war bereits Abend und die Sonne schon lange hinter dem Horizont versunken, als ich in den Euroline-Bus stieg der mich in 22 Stunden auf direkten Weg nach Clermont Ferrand bringen sollte.
Der ungarische Chauffeur verstetze der Gepäcksklappe des überladenen Gefährts noch einen wohl platzierten Tritt, der sie dazu brachte zuzuschnappen. Die Stimmung war schon ein wenig speziell als ich mir zwischen den Sitzreihen meinen Platz suchte. Auf meiner Suche nach meinem Sitzplatz stieg ich über ausgestreckte Gliedmaßen und Gepäckstücke hinweg, schlich mich an schlafenden Insassen vorbei und nahm schließlich neben einer blonden Dame mit wässrigen, lampenartigen Augen Platz.
Es war ein äußerst unangenehmer Aufenthalt. Der Bus blieb ständig stehen, dann kamen grimmig aussehende Grenzbeamte, sammelten sämtliche Pässe ein um sie anschließend wieder auszuteilen. Nach vielen Stunden Fahrt und einem Umstieg kam ich letztendlich in Lyon an. Dort machte der Bus eine längere Pause, die ich wohl zum Umsteigen hätte nutzen sollen. Davon hatte ich jedoch keinen Ahnung und freute mich dafür um so mehr als der Bus wieder Fahrt aufnahm und ich nur mehr vier Stunden von meinem Ziel entfernt war. Nun kontrollierte ich bereits die Autobahnschilder auf meine Wunschdestination, wurde aber nicht fündig. Stattdessen standen dort Orte wie Genf, die überhaupt nicht in meiner Richtung lagen.
Ich kontrollierte meine Position auf dem Garmin und stellte fest, dass der Bus auf Grenoble zusteuerte. Statt weiter zu kommen war ich also bereits wieder auf dem Rückweg in die traute Heimat. Es blieb mir daher nichts anderes übrig als in Grenoble aus dem Bus zu springen, mein Gepäck in den Zug zu werfen und den Rest der Strecke auf den Wegen aus Eisen zu bewältigen.
Der Bahnhof von Lyon, einer meiner ungeplanten Zwischenstops
Guido mein Mitpaddler war währenddessen schon längst am Zielort angekommen. Der Glückspilz konnte die Strecke von Köln mit diversen Schnellzügen bewältigen, während ich von einem Verkehrsmittel zum Nächsten wechselte. Am Bahnhof von Clermont Ferrand nahm er mich schließlich in Empfang. "Da bist du ja endlich! War ja ein ganz schönes Theater bei dir. Ich hab uns bereits gegenüber vom Bahnhof ein Zimmer gesucht. Dat ist zwar ein ziemlicher Schuppen aber dafür günstig. Die sperren hier den Bahnhof über Nacht zu und unter dem nassen Vordach wollte ich dann auch nicht pennen."
Mir war alles recht, Hauptsache die Reise hatte für heute ein Ende. Unser Bus nach Langeac, von wo wir die Befahrung starteten ging nämlich erst am nächsten Tag und so mussten wir eine Nacht in Clermont Ferrand verbringen. Am nächsten Morgen erreichten wir unser Ziel und quartierten uns gleich am hiesigen Campingplatz ein. Den Rest vom Tag verbrachten wir mit der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten und dem Aufbau unserer Boote. Hier muss erwähnt werden dass ich in einem Grabner Explorer Luftboot unterwegs war, während mein Partner in einem Faltboot sein Glück versuchte.
Langeac, der Startpunkt unserer Tour
Guido brauchte noch Flickzeug für sein Boot und erwarb in einem Baumarkt eine Rolle Klebeband. "Ist zwar nicht dat Panzertape mit dem ich sonst arbeite, aber ich denke das sollte es tun." erklärte er mir und hielt mir eine graue Rolle Klebeband unter die Nase. Im nahe liegendem Supermarkt erledigten wir anschließend noch den Einkauf von Reiseproviant. Guido versuchte noch ein Sitzkissen für sein Boot zu beschaffen. "I - need - a - seat - pillow!" teile er der Verkäuferin mit treuherzigen Blick mit. Als diese nur ratlos dreinblickte untermauerte er seine Anfrage noch mit einer pantomimischen Darbietung indem er ein paar mal in die Knie ging als würde er sich hinsetzen. Gebracht hat es ihm letztendlich nichts, im hiesigen Supermarkt gab es sicher einiges, aber halt keine Sitzkissen für ein Faltboot.
Unsere beiden Boote vor der ersten Wasserung
Im Anschluss schleppten wir unsere Einkäufe zurück zum Campingplatz. Guido hatte sich mit allem ausgerüstet was man sich nur vorstellen konnte. Das ganze Zeug verpackte er in unzähligen Säcken die er in seinem Faltboot verstaute. Ich hätte nicht einmal die Hälfte von dem ganzen Zeug in meinen Explorer gebracht. Doch schließlich war alles fertig verstaut und die Boote bereit zum Ablegen.
Abenteuer auf dem jungen Allier
Guido blickte stirnrunzelnd auf den jungen Fluss. "Dat ist mir zu seicht hier. Ich werde ein wenig weiter nach hinten treideln." (Für meine Familie: Treideln bedeutet das unbemannte Boot an einem Seil durch seichte oder gefährliche Stellen zu führen.) Sprachs und watete auch schon davon. Währenddessen hatte ich mich weiter unterhalb in ein Kehrwasser geflüchtet und wartete auf ihn.
Guidos erste Treidelmeter
Der Allier hatte auf den ersten Kilometern wenig erfreuliches für uns bereit. Zwar war die Landschaft atemberaubend schön, der Fluss jedoch stellenweise ein wenig tückisch. Nach kurzer Zeit gabelte er sich in zwei Arme wobei nur der Rechte der beiden befahrbar war. Guido fuhr in den Arm ein, während ich an der Einfahrt wartete bis er ihn durquert hatte. Plötzlich vollführte er einige merkwürdige Verrenkungen in seinem Boot, ich konnte jedoch aus der Ferne nicht erkennen was der Grund dafür war. "Was macht der Kerl da bloß?",fragte ich mich. Schließlich verschwand er aus meinem Blickfeld und ich fuhr selbst in den Arm ein.
Bald entdeckte ich auch den Grund für seine Unruhe. Auf halber Strecke lauerte rechts ein knapp überspülter Felsriegel der fast die Hälfte des Flusses blockierte. Ich bemerkte das Hindernis ebenso spät wie Guido, der mir von unten mit hektischen Handzeichen bedeutete weiter links zu fahren. Ich riss mein Boot herum und schrammte haarscharf an der Blockade vorbei.
Im Anschluss wurde es nicht wirklich besser. Der Fluss war sehr seicht und vor allem Guido hatte alle Hände voll zu tun um sein voll beladenes Faltboot in die gewünschte Richtung zu bekommen. Ein paar mal querte er plötzlich hektisch den Fluss und rettete sich in kleine Nebenarme um Steinbrocken und anderen Hindernissen auszuweichen. Obwohl er gute Instinkte hatte und sein Boot perfekt beherrschte kam Guido nicht ungeschoren davon. Mehrmals schrammte er hart über Steine oder blieb an seichteren Stellen am Grund hängen. Nach wenigen Kilometern war es dann so weit. Sein Boot hatte ein Loch. Wir hatten an diesem Tag erst sechs Kilometer geschafft, beschlossen aber dennoch es für heute gut sein zu lassen.
Blick auf den jungen Allier vom ersten Camp
Neben den kleinen Ort "Le Chambon" schlugen wir direkt am Fluss unser Lager auf. Guido machte sich gleich daran das Boot zu entladen und den Schaden zu beheben. Doch das erworbene Klebeband erwies sich als völliger Schrott. "Was ist dat denn fürn Müll?", brummte Guido verärgert als sich der graue Fetzen nach dem Aufbringen sofort wieder von der Boothaut löste. Nun war guter Rat teuer. "Wir nehme einfach das Reparaturset von meinem Boot.", schlug ich nach kurzem Nachdenken vor.
Und so machten wir es dann auch. "Schneide die Dinger rund aus. Etwa so groß wie ein fünf Mark Stück.", wies mich Guido an. Darauf warf ich ihm einen ratlosen Blick zu. "Ich habe keine Ahnung wie groß ein fünf Mark Stück ist." "Was? Dat gibts ja nicht. So jung bist du dann aber auch nicht." "Das hat mit dem nichts zu tun. In Österreich hatten wir nunmal keine Mark sondern Schilling." Nachdem er mir die gewünschte Größe dann so erklärt hatte dass auch ich als Österreicher sie verstehen konnte, hatten wir das Loch im Nu gestopft.
Einer der angenehmen Besucher unseres Camps
Die Nacht wurde bitterkalt und am Morgen des nächsten Tages war ich einige Zeit damit beschäftigt die unzähligen kleinen Nacktschnecken vom Zelt zu sammeln die sich in der Nacht überall festgeklebt hatten. Guido war währenddessen schon mit der Zubereitung seines Frühstücks beschäftigt, welches aus Cornflakes und einer Art Milchpulver für Babys bestand. Malerischer Nebel hüllte unser Camp ein, der nur langsam von der Sonne verdrängt wurde. Vom Gras bis zu den Bäumen war alles mit zahlreichen Spinnennetzen überzogen an denen Tautropfen wie Kristalle glänzten. Die Hänge des Flusses waren mit dornigen Ranken verwachsen an denen mehr Brombeeren wuchsen als ein Mensch essen konnte.
Wildbrombeeren aus dem Avernerland
Der Allier wurde allerdings nicht einfacher, er legte uns vielmehr weitere Hindernisse in den Weg. Vor allem Guido tat sich mit seinem Faltboot recht schwer. Felsstufen und unzählig andere Gemeinheiten über die ich in meinem Boot sorglos hinwegglitt, musste er mühsam treideln. Wenn er sich nicht gerade selbst im Fluss befand, war er damit beschäftigt mit seiner Kaffeetasse Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Gegen Mittag hatte er dann genug. "Ich bezweifle langsam ob dat wirklich Sinn hat", meinte er kopfschüttelnd. "Wenn das so weitergeht ruiniere ich mir noch das Boot. Wie weit ist es denn noch bis dat besser wird?" "Noch zwanzig Kilometer.", versuchte ich ihn aufzumuntern. "Ab dort sind keine Wildwasser mehr im Führer eingezeichnet." Darauf richtete er sich wieder auf. "Lass uns den Tag durchfahren und sehen dass wir Strecke machen.", erwiderte er.
Guido und der junge Allier - eine Hassliebe
Und so machten wir es auch. Doch obwohl wir ohne Pause durchfuhren hatten wir Abends nicht mehr als 20 Kilometer geschafft. Das ständige Aussteigen und Treideln kostete Unmengen an Zeit. Alle 200 Meter musst Guido aus dem Boot. Ich dagegen glitt mit meinem Schlauchboot über die Hindernisse hinweg als wären sie gar nicht vorhanden. Nach einiger Zeit versuchte ich ihn ein wenig aufzumuntern. "Mir kommt vor das Wasser wird schon mehr!" "Bei mir im Boot vielleicht." brummte er zurück und schöpfte einige Tassen aus dem Cockpit zurück in den Fluss.
Dennoch hatten wir den Tag irgendwann geschafft und als das Abendessen fertig war, hatte auch Guido wieder gute Laune. "Sag bloß du willst was von meinem guten Essen?" frage er verheißungsvoll und hielt mir eine Blechschüssel voll Dosenfutter unter die Nase. "Das Zeug friss du mal schön selber.", entgegnete ich angewidert. Doch nach wenigen Löffeln hatte auch er keine Komplimente mehr für sein Essen übrig. "Das schmeckt ja wie ne Seuche." Und nach ein paar Löffeln mehr resignierte er mit den Worten: "Ich bin ja nicht empfindlich, aber was zuviel ist ist zuviel."
In den Wäldern des Allier
Der Allier führte uns nun durch eine Landschaft die schöner kaum hätte sein können. Auf beiden Ufern ragten hohe Felswände in den Himmel. Eigentümlich geformte Steine blickten auf uns herab wie Gesichter aus Fels. Die Schönheit wurde nur von einigen Wehren getrübt. Die ersten konnten wir leicht überheben, doch am späteren Nachmittag trafen wir auf ein Brückenwehr, dessen Umtragung eine langwierige und elende Schinderei war.
"Von den 36 Kilometern die wir bis jetzt geschafft haben bin ich bestimmt 15 zu Fuß gegangen.", rief mir Guido über das Rauschen des Flusses hinweg zu. Doch im Laufe des Tages wurde der Wasserstand tatsächlich besser. Guido konnte es kaum fassen dass er nun schon eine halbe Stunde im Boot saß ohne aussteigen zu müssen. Am Abend schlugen wir unser Lager auf einer Insel in der Flussmitte auf. Wir hatten an diesem Tag unsere erste 30 Kilometer Etappe geschafft.
Gesichter aus Stein und Fels
In der Nacht goss es wie aus Eimern und als wir in der Früh unsere Nasen aus den Zelten hielten, tauchten wir in eine feuchte weiße Nebelwand ein. Fröstelnd bauten wir unser Lager ab um uns dem Fluss erneut zu stellen. "Mir kommt vor es ist heute mehr Wasser im Fluss als gestern abend." stellte Guido fest. "Zwar nur fünf Zentimeter, aber jedes kleine Bisschen hilft.
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