[FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mündung

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  • StevePeacewalker
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    [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mündung

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Steve: Hey Guido, ich spiele schon länger mit dem Gedanken im September die letzten
    300 Kilometer des Allier zu paddeln. Hast du Zeit und Lust?

    Guido: Gute Idee, ich habe noch zwei Wochen über. Was stellst du dir vor?

    Das waren die ersten Kontaktaufnahmen, aus denen letztendlich die hier beschriebene Tour entstand. Wir vereinbarten uns Anfang September in Clermont Ferrand zu treffen und am nächsten Tag gemeinsam nach Langeac, dem Startpunkt unserer Reise zu fahren.

    Eine wilde Reise durch die Nacht

    Das Abenteuer begann im Industriegebiet von Linz. Es war bereits Abend und die Sonne schon lange hinter dem Horizont versunken, als ich in den Euroline-Bus stieg der mich in 22 Stunden auf direkten Weg nach Clermont Ferrand bringen sollte.

    Der ungarische Chauffeur verstetze der Gepäcksklappe des überladenen Gefährts noch einen wohl platzierten Tritt, der sie dazu brachte zuzuschnappen. Die Stimmung war schon ein wenig speziell als ich mir zwischen den Sitzreihen meinen Platz suchte. Auf meiner Suche nach meinem Sitzplatz stieg ich über ausgestreckte Gliedmaßen und Gepäckstücke hinweg, schlich mich an schlafenden Insassen vorbei und nahm schließlich neben einer blonden Dame mit wässrigen, lampenartigen Augen Platz.

    Es war ein äußerst unangenehmer Aufenthalt. Der Bus blieb ständig stehen, dann kamen grimmig aussehende Grenzbeamte, sammelten sämtliche Pässe ein um sie anschließend wieder auszuteilen. Nach vielen Stunden Fahrt und einem Umstieg kam ich letztendlich in Lyon an. Dort machte der Bus eine längere Pause, die ich wohl zum Umsteigen hätte nutzen sollen. Davon hatte ich jedoch keinen Ahnung und freute mich dafür um so mehr als der Bus wieder Fahrt aufnahm und ich nur mehr vier Stunden von meinem Ziel entfernt war. Nun kontrollierte ich bereits die Autobahnschilder auf meine Wunschdestination, wurde aber nicht fündig. Stattdessen standen dort Orte wie Genf, die überhaupt nicht in meiner Richtung lagen.

    Ich kontrollierte meine Position auf dem Garmin und stellte fest, dass der Bus auf Grenoble zusteuerte. Statt weiter zu kommen war ich also bereits wieder auf dem Rückweg in die traute Heimat. Es blieb mir daher nichts anderes übrig als in Grenoble aus dem Bus zu springen, mein Gepäck in den Zug zu werfen und den Rest der Strecke auf den Wegen aus Eisen zu bewältigen.



    Der Bahnhof von Lyon, einer meiner ungeplanten Zwischenstops


    Guido mein Mitpaddler war währenddessen schon längst am Zielort angekommen. Der Glückspilz konnte die Strecke von Köln mit diversen Schnellzügen bewältigen, während ich von einem Verkehrsmittel zum Nächsten wechselte. Am Bahnhof von Clermont Ferrand nahm er mich schließlich in Empfang. "Da bist du ja endlich! War ja ein ganz schönes Theater bei dir. Ich hab uns bereits gegenüber vom Bahnhof ein Zimmer gesucht. Dat ist zwar ein ziemlicher Schuppen aber dafür günstig. Die sperren hier den Bahnhof über Nacht zu und unter dem nassen Vordach wollte ich dann auch nicht pennen."

    Mir war alles recht, Hauptsache die Reise hatte für heute ein Ende. Unser Bus nach Langeac, von wo wir die Befahrung starteten ging nämlich erst am nächsten Tag und so mussten wir eine Nacht in Clermont Ferrand verbringen. Am nächsten Morgen erreichten wir unser Ziel und quartierten uns gleich am hiesigen Campingplatz ein. Den Rest vom Tag verbrachten wir mit der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten und dem Aufbau unserer Boote. Hier muss erwähnt werden dass ich in einem Grabner Explorer Luftboot unterwegs war, während mein Partner in einem Faltboot sein Glück versuchte.



    Langeac, der Startpunkt unserer Tour


    Guido brauchte noch Flickzeug für sein Boot und erwarb in einem Baumarkt eine Rolle Klebeband. "Ist zwar nicht dat Panzertape mit dem ich sonst arbeite, aber ich denke das sollte es tun." erklärte er mir und hielt mir eine graue Rolle Klebeband unter die Nase. Im nahe liegendem Supermarkt erledigten wir anschließend noch den Einkauf von Reiseproviant. Guido versuchte noch ein Sitzkissen für sein Boot zu beschaffen. "I - need - a - seat - pillow!" teile er der Verkäuferin mit treuherzigen Blick mit. Als diese nur ratlos dreinblickte untermauerte er seine Anfrage noch mit einer pantomimischen Darbietung indem er ein paar mal in die Knie ging als würde er sich hinsetzen. Gebracht hat es ihm letztendlich nichts, im hiesigen Supermarkt gab es sicher einiges, aber halt keine Sitzkissen für ein Faltboot.



    Unsere beiden Boote vor der ersten Wasserung


    Im Anschluss schleppten wir unsere Einkäufe zurück zum Campingplatz. Guido hatte sich mit allem ausgerüstet was man sich nur vorstellen konnte. Das ganze Zeug verpackte er in unzähligen Säcken die er in seinem Faltboot verstaute. Ich hätte nicht einmal die Hälfte von dem ganzen Zeug in meinen Explorer gebracht. Doch schließlich war alles fertig verstaut und die Boote bereit zum Ablegen.

    Abenteuer auf dem jungen Allier

    Guido blickte stirnrunzelnd auf den jungen Fluss. "Dat ist mir zu seicht hier. Ich werde ein wenig weiter nach hinten treideln." (Für meine Familie: Treideln bedeutet das unbemannte Boot an einem Seil durch seichte oder gefährliche Stellen zu führen.) Sprachs und watete auch schon davon. Währenddessen hatte ich mich weiter unterhalb in ein Kehrwasser geflüchtet und wartete auf ihn.



    Guidos erste Treidelmeter


    Der Allier hatte auf den ersten Kilometern wenig erfreuliches für uns bereit. Zwar war die Landschaft atemberaubend schön, der Fluss jedoch stellenweise ein wenig tückisch. Nach kurzer Zeit gabelte er sich in zwei Arme wobei nur der Rechte der beiden befahrbar war. Guido fuhr in den Arm ein, während ich an der Einfahrt wartete bis er ihn durquert hatte. Plötzlich vollführte er einige merkwürdige Verrenkungen in seinem Boot, ich konnte jedoch aus der Ferne nicht erkennen was der Grund dafür war. "Was macht der Kerl da bloß?",fragte ich mich. Schließlich verschwand er aus meinem Blickfeld und ich fuhr selbst in den Arm ein.

    Bald entdeckte ich auch den Grund für seine Unruhe. Auf halber Strecke lauerte rechts ein knapp überspülter Felsriegel der fast die Hälfte des Flusses blockierte. Ich bemerkte das Hindernis ebenso spät wie Guido, der mir von unten mit hektischen Handzeichen bedeutete weiter links zu fahren. Ich riss mein Boot herum und schrammte haarscharf an der Blockade vorbei.

    Im Anschluss wurde es nicht wirklich besser. Der Fluss war sehr seicht und vor allem Guido hatte alle Hände voll zu tun um sein voll beladenes Faltboot in die gewünschte Richtung zu bekommen. Ein paar mal querte er plötzlich hektisch den Fluss und rettete sich in kleine Nebenarme um Steinbrocken und anderen Hindernissen auszuweichen. Obwohl er gute Instinkte hatte und sein Boot perfekt beherrschte kam Guido nicht ungeschoren davon. Mehrmals schrammte er hart über Steine oder blieb an seichteren Stellen am Grund hängen. Nach wenigen Kilometern war es dann so weit. Sein Boot hatte ein Loch. Wir hatten an diesem Tag erst sechs Kilometer geschafft, beschlossen aber dennoch es für heute gut sein zu lassen.



    Blick auf den jungen Allier vom ersten Camp


    Neben den kleinen Ort "Le Chambon" schlugen wir direkt am Fluss unser Lager auf. Guido machte sich gleich daran das Boot zu entladen und den Schaden zu beheben. Doch das erworbene Klebeband erwies sich als völliger Schrott. "Was ist dat denn fürn Müll?", brummte Guido verärgert als sich der graue Fetzen nach dem Aufbringen sofort wieder von der Boothaut löste. Nun war guter Rat teuer. "Wir nehme einfach das Reparaturset von meinem Boot.", schlug ich nach kurzem Nachdenken vor.

    Und so machten wir es dann auch. "Schneide die Dinger rund aus. Etwa so groß wie ein fünf Mark Stück.", wies mich Guido an. Darauf warf ich ihm einen ratlosen Blick zu. "Ich habe keine Ahnung wie groß ein fünf Mark Stück ist." "Was? Dat gibts ja nicht. So jung bist du dann aber auch nicht." "Das hat mit dem nichts zu tun. In Österreich hatten wir nunmal keine Mark sondern Schilling." Nachdem er mir die gewünschte Größe dann so erklärt hatte dass auch ich als Österreicher sie verstehen konnte, hatten wir das Loch im Nu gestopft.



    Einer der angenehmen Besucher unseres Camps


    Die Nacht wurde bitterkalt und am Morgen des nächsten Tages war ich einige Zeit damit beschäftigt die unzähligen kleinen Nacktschnecken vom Zelt zu sammeln die sich in der Nacht überall festgeklebt hatten. Guido war währenddessen schon mit der Zubereitung seines Frühstücks beschäftigt, welches aus Cornflakes und einer Art Milchpulver für Babys bestand. Malerischer Nebel hüllte unser Camp ein, der nur langsam von der Sonne verdrängt wurde. Vom Gras bis zu den Bäumen war alles mit zahlreichen Spinnennetzen überzogen an denen Tautropfen wie Kristalle glänzten. Die Hänge des Flusses waren mit dornigen Ranken verwachsen an denen mehr Brombeeren wuchsen als ein Mensch essen konnte.



    Wildbrombeeren aus dem Avernerland


    Der Allier wurde allerdings nicht einfacher, er legte uns vielmehr weitere Hindernisse in den Weg. Vor allem Guido tat sich mit seinem Faltboot recht schwer. Felsstufen und unzählig andere Gemeinheiten über die ich in meinem Boot sorglos hinwegglitt, musste er mühsam treideln. Wenn er sich nicht gerade selbst im Fluss befand, war er damit beschäftigt mit seiner Kaffeetasse Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Gegen Mittag hatte er dann genug. "Ich bezweifle langsam ob dat wirklich Sinn hat", meinte er kopfschüttelnd. "Wenn das so weitergeht ruiniere ich mir noch das Boot. Wie weit ist es denn noch bis dat besser wird?" "Noch zwanzig Kilometer.", versuchte ich ihn aufzumuntern. "Ab dort sind keine Wildwasser mehr im Führer eingezeichnet." Darauf richtete er sich wieder auf. "Lass uns den Tag durchfahren und sehen dass wir Strecke machen.", erwiderte er.



    Guido und der junge Allier - eine Hassliebe


    Und so machten wir es auch. Doch obwohl wir ohne Pause durchfuhren hatten wir Abends nicht mehr als 20 Kilometer geschafft. Das ständige Aussteigen und Treideln kostete Unmengen an Zeit. Alle 200 Meter musst Guido aus dem Boot. Ich dagegen glitt mit meinem Schlauchboot über die Hindernisse hinweg als wären sie gar nicht vorhanden. Nach einiger Zeit versuchte ich ihn ein wenig aufzumuntern. "Mir kommt vor das Wasser wird schon mehr!" "Bei mir im Boot vielleicht." brummte er zurück und schöpfte einige Tassen aus dem Cockpit zurück in den Fluss.

    Dennoch hatten wir den Tag irgendwann geschafft und als das Abendessen fertig war, hatte auch Guido wieder gute Laune. "Sag bloß du willst was von meinem guten Essen?" frage er verheißungsvoll und hielt mir eine Blechschüssel voll Dosenfutter unter die Nase. "Das Zeug friss du mal schön selber.", entgegnete ich angewidert. Doch nach wenigen Löffeln hatte auch er keine Komplimente mehr für sein Essen übrig. "Das schmeckt ja wie ne Seuche." Und nach ein paar Löffeln mehr resignierte er mit den Worten: "Ich bin ja nicht empfindlich, aber was zuviel ist ist zuviel."



    In den Wäldern des Allier


    Der Allier führte uns nun durch eine Landschaft die schöner kaum hätte sein können. Auf beiden Ufern ragten hohe Felswände in den Himmel. Eigentümlich geformte Steine blickten auf uns herab wie Gesichter aus Fels. Die Schönheit wurde nur von einigen Wehren getrübt. Die ersten konnten wir leicht überheben, doch am späteren Nachmittag trafen wir auf ein Brückenwehr, dessen Umtragung eine langwierige und elende Schinderei war.

    "Von den 36 Kilometern die wir bis jetzt geschafft haben bin ich bestimmt 15 zu Fuß gegangen.", rief mir Guido über das Rauschen des Flusses hinweg zu. Doch im Laufe des Tages wurde der Wasserstand tatsächlich besser. Guido konnte es kaum fassen dass er nun schon eine halbe Stunde im Boot saß ohne aussteigen zu müssen. Am Abend schlugen wir unser Lager auf einer Insel in der Flussmitte auf. Wir hatten an diesem Tag unsere erste 30 Kilometer Etappe geschafft.



    Gesichter aus Stein und Fels


    In der Nacht goss es wie aus Eimern und als wir in der Früh unsere Nasen aus den Zelten hielten, tauchten wir in eine feuchte weiße Nebelwand ein. Fröstelnd bauten wir unser Lager ab um uns dem Fluss erneut zu stellen. "Mir kommt vor es ist heute mehr Wasser im Fluss als gestern abend." stellte Guido fest. "Zwar nur fünf Zentimeter, aber jedes kleine Bisschen hilft.
    Zuletzt geändert von StevePeacewalker; 24.09.2013, 18:15.

  • ronaldo
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    • 24.01.2011
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    #2
    AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

    Klasse! Weitermachen!!

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    • lina
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      #3
      AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

      Yup, und feine Bilder! Freu mich auf mehr!

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      • StevePeacewalker
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        #4
        AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

        Regen, Nebel und Kälte

        Der Allier verließ nun die Schluchten mit ihren Felswänden und trat in eine ebene Landschaft ein. Nebelschwaden zogen über unsere Köpfe hinweg und tränkten unsere Kleidung in Feuchtigkeit. Der Flussverlauf war ebenfalls sehr abenteuerlich. Einmal lag ein riesiger Baum quer über dem Fluss. Bei dem Versuch zwischen seinen Ästen durchzufahren hätte ich mich beinahe lang gemacht, konnte mein Boot aber gerade noch auf Kurs halten. Am Abend hatten wir erneut über 30 Kilometer bewältigt. Guido war gerade dabei eine Stromschnelle zu überwinden und stand bis zur Hüfte im kalten Wasser. Mit einem Anflug von Verzweiflung auf dem Gesicht deutete er auf eine etwa 30 cm hohe Sandbank am linken Ufer. "Machen wir dass wir dort hinkommen", brüllte er mir nach als ich an ihm vorbeifuhr.



        Unser Lager auf der Sandbank


        Sicher auf der Sandbank gelandet, war trotz Nieselregen das Entzünden eines Feuers meine erste Maßnahme. "Dir ist jetzt nach einem Feuer?",fragte Guido missmutig. Doch als es am Brennen war lies auch der Regen nach. Gemeinsam saßen wir bis spät abends am Feuer wobei jeder seine, nassen Klamotten in die Flammen hielt um sie wieder trocken zu bekommen. Zwar stanken diese dann tagelang nach kaltem Rauch aber wenn wir zwischen Kälte und Gestank wählen konnten, musste keiner von uns lange überlegen.

        "Was für ein Tag.", seufzte ich kopfschüttelnd. "Erst dieser umgefallene Baum und dann lag auch noch ein totes Kalb neben dem Fluss. Zuerst dachte ich es wäre ein Schaukelpferd weil es so komisch dalag." "Ja das habe ich auch gesehen!", sagte Guido. "Da fällt mir die Geschichte von diesem Pärchen wieder ein, die mit dem Faltboot den Ganges befuhren. Eines Tages schwammen Leichen im Wasser, direkt an ihrem Boot vorbei." Er schüttelte sich angewidert. "Wenn einmal Menschen im Wasser schwimmen, dat ist dann aber auch der absolute Gau hier. Das verfolgt dich bis in deine tiefsten Träume."



        Das Trocknen der Kleidung, abendliches Ritual


        Meine Träume in der folgenden Nacht waren auch ohne im Fluss schwimmende Leichen nicht unbedingt die Besten. Unsere Sandbank lag nur knapp über der Wasseroberfläche und in der Nacht regnete es immer wieder. Ich hatte ständig die Befürchtung unser Lager könnte geflutet werden, was aber gottseidank nicht eintrat. Der Allier mäanderte sich weiter durch die Ebene. Auf Grund des niedrigen Wasserstandes hatten wir mit allerhand Schwierigkeiten zu Kämpfen.

        Viele Stufen und Betonfundamente, kamen zum Vorschein von denen bei höheren Wasserständen außer ein paar Wellen nichts zu sehen ist. Für Guido wurde es wieder mühsamer und es begann erneut das große Treideln. Eines der fahrbaren Wehre hatte einen extrem unangenehmen Rücklauf, der eigentlich gar kein Rücklauf war sondern vielmehr ein extrem starkes Kehrwasser. Erst nach mehreren Versuchen schafften wir es dem Sog zu entkommen und Guido holte sich bei seinen Anläufen einige neue Löcher als ihn das Kehrwasser gegen die Felsen drückte. Am Abend riss erstmals seit langem die Wolkendecke auf und Sonnenstrahlen fielen hindurch. Es war ein magischer Moment und die folgende Nacht die einzige auf der gesamten Tour in der ich nicht gefroren habe.



        Die Abendsonne belohnt uns für unsere Mühen


        Am nächsten Morgen steuerten wir geradewegs auf die "Prallwand des Todes" zu, eine etwa 20 Meter hohe Prallwand die wir von unserem Lagerplatz bereits sehen konnten. Es wurde sogar durch Schilder auf Brücken vor ihr gewarnt aber bei unserem niedrigen Wasserstand passierten wir die Stelle völlig problemlos. Doch die Weiterfahrt gestaltete sich erneut als mühsam. Betonklötze, Wehrreste, Eisenträger und viele andere Unerfreulichkeiten kamen unter der Wasseroberfläche zum Vorschein und machten uns das Leben schwer. Guido war wieder einmal weit zurückgefallen da er sämtliche Hindernisse treideln musste. "Ich denke ich werde bei Vichy in 40 Kilometern aufhören.", teilte er mir gegen Mittag mit. Das hat auf diese Art und Weise keinen Sinn. Aber jetzt sehen wir mal zu dass wir ans Ziel kommen und alles weitere entscheide ich dort."



        Pont-du-Château


        Doch so schnell sollten wir dort nicht ankommen. An diesem Nachmittag treidelten und überhoben wir anschließend noch einen mehrstufigen Katarakt. Auf Grund des niedrigen Wasserstandes konnten wir ihn problemlos überwinden. Wie das hier bei Hochwasser aussieht, daran will ich noch nicht einmal denken. Wenige Kilometer später wartete eine Autobahnbrücke mit meterhoher Steinschüttung dahinter - absolut unfahrbar. Während ich mein Boot in weniger als fünf Minuten über die Steine nach unten gehoben hatte, war es für Guido nicht ganz so einfach. Sein Faltboot mussten wir eine sechs Meter hohe Steilböschung hinaufschleppen, das Hindernis umtragen und auf der anderen Seite die Böschung wieder hinunter stolpern. Den Rest des Tages und auch die Nacht hindurch regnete es ohne Unterlass. Wir fanden keinen Schlafplatz und die verregneten Roma - Lager an beiden Seiten des Flusses verbreiteten eine traurige Stimmung und luden nicht zum Bleiben ein. Bei strömenden Regen lagen wir letztendlich doch in unseren Zelten und hofften dass die Natur ihre Hunde zurückpfeifen möge.



        Nach der Bezwingung des Katarakts


        Am nächsten Tag fuhren wir weiter auf einem grünen, nebeligen Korridor. Der viele Regen hatte den Fluss anschwellen lassen und so hatten wir wenigstens die Strömung auf unserer Seite. Gegen Mittag erreichten wir ohne viel Zutun Vichy, den berühmtesten Kurort Frankreichs. Wir schlenderten in die Stadt hinein und ich sagte zu Guido: "Es wäre ungeschickt von dir wenn du jetzt aufhörst. Ab hier beginnt der Unterlauf des Allier, die eigentliche Wanderstrecke. Wenn du jetzt heimfährst ist die ganze Schinderei im Oberlauf umsonst gewesen." "Das hast du schön auf den Punkt gebracht.", gab er grinsend zurück.

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          #5
          AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

          Der Unterlauf des Allier

          Wir legten einen Tag Pause auf dem Campingplatz ein. Guido schnorrte von den Campingplatzbesitzern einen alten Fahrradschlauch mit dem er notdürftig sein Boot flickte. Währenddessen suchte ich nach einer heißen Dusche, doch das Wasser kam bestenfalls lauwarm und nach tagelangem Frieren in Regen und Nebel war mir das zu wenig. Also setzte ich mich kurzerhand in eine Art Babybadewanne von der Größe eines Waschbeckens. Hier war das Wasser angenehm heiß. Mit angezogenen Beinen hockte ich in der Schüssel und muss wohl in dem Moment ziemlich jämmerlich ausgesehen haben, aber wen juckte das schon?



          Die Allier Brücke von Vichy


          Nachdem wir uns auf dem Campingplatz ausreichend regeneriert hatten, machten wir uns bereit zur Weiterreise. Wir arbeiteten uns den Lac d'Allier entlang, einen Stausee vor dem Brückenwehr von Vichy. Dieses mussten wir mit unseren Bootswägen weitläufig umkarren. Ab hier trat der Allier in seinen Unterlauf ein und er verbreiterte sich enorm. Wir durchquerten eine windige Ebene unter einem silbergrauen Himmel. Kurz darauf passierten wir Billy, wo das Naturschutzgebiet begann. Allerdings wusste weder unser Führer (der generell ziemlich schlecht war) noch der DKV Führer welche Bereiche nun wirklich das Naturschutzgebiet darstellen.

          Laut Führer kontrollieren hier in der Hauptsaison paddelnde Polizisten die sämtliche Camper gnadenlos verjagen. Was davon wirklich stimmt können wir nicht beurteilen. Als wir das Gebiet durchquerten war es bereits Mitte September, es gingen mächtige Windböen und es regnete in Strömen. Dennoch berücksichtigen wir das Schutzgebiet indem wir auf das abendliche Feuer verzichteten. Unsere Zelte stellten wir gut versteckt im tiefen Unterholz auf und waren so nicht nur vor Blicken sondern auch vor dem Wind gut geschützt.



          Unser Camp im Unterholz


          Es stürmte die ganze Nacht hindurch, doch wir hatten unsere Zelte so tief ins Unterholz gestellt dass wir davon wenig spürten. Der Unterlauf des Allier verwandelte sich nun in eine weitläufige Landschaft aus Sanddünen auf denen riesige Schwärme von Vögeln saßen. Neben riesigen Gruppen von Kanadagänsen fanden sich auch der weit verbreitete Graureiher und ein weiterer kleiner weißer Vogel, bei dem es sich wohl um den Seidenreiher handelte. Das Wetter wechselte nun in der Stunde mehrmals zwischen leichten und mittelschweren Regenschauern. Der starke Wind machte mir zu schaffen. Hier konnte Guido mit seinem Faltboot erstmals seine Trümpfe ausspielen und ließ mich oft weit hinter sich zurück. Schließlich erreichten wir die gigantische Brücke samt Brückenwehr von Moulins wo das Naturschutzgebiet endete.



          Die Bogenbrücke samt Wehr, im Hintergrund Moulins


          An dieser Brücke gab es im linken Brückenbogen eine Fischtreppe über die das Wasser in einer Rechtskurve nach unten rauschte. Laut Führer gut fahrbar. " Da fahr ich nicht runter." war die erste Aussage von Guido als seine Augen die Fischtreppe erblickten. "Ach komm, sehen wir sie uns doch erstmal genau an." erwiderte ich und kletterte die Böschung hinunter. "Das sieht ja von hier unten noch viel schlimmer aus.", stöhnte Guido. "Sehen wir erstmal wie wir dein Boot rüber bekommen und ich überlege mir in der Zwischenzeit ob ich hinunterfahre.", schlug ich darauf vor. Das Boot über die Böschung weitläufig hinüber zu schleppen wäre extrem mühsam gewesen. Daher fuhr Guido in seinem Boot am Ufer entlang bis kurz vor die Fischtreppe, wo ich vom Ufer aus sein Boot sicherte. Von dort aus konnten wir es problemlos auf die andere Seite tragen.



          Das Wehr, im Vordergrund die Fischtreppe


          "Und was ist mit dir?", frage Guido als die Umtragung hinter uns lag. "Ich denke ich werde mein Glück versuchen. Habe mir das ganze genau angesehen. Werde möglichst außen fahren damit ich die Kurve problemlos kriege. Das Boot werde ich entladen damit es weniger schwerfällig wird. Grundsätzlich ist das kein Problem, solange ich nicht irgendwo an den Stufen hängen bleibe und quer komme. Dann wirft mich die Strömung um und ich rolle sozusagen von Stufe zu Stufe." "Soll ich dich vorher noch einmal fotografieren damit wir ein Dokument haben wie du vorher ausgesehen hast?", feixte Gudio. "Nein danke aber du darfst meine Befahrung fotografieren.",grinste ich.



          Die Befahrung der Fischtreppe


          Die Befahrung der Fischtreppe war kein Problem, aber ich hatte viele Grundberührungen die für ein Faltboot fatal gewesen wären. Guidos Entscheidung zu umtragen war also genau die richtige gewesen. Wir arbeiten uns weiter durch die endlose Dünenlandschaft. Die folgende Nacht war die kälteste überhaupt. Sogar Guido der Heißsporn hatte seine sämtlichen Pullover an und fror trotzdem noch.

          Die letzte Etappe

          Die Dünen traten nun zurück und dichter Urwald rahmte beide Ufer ein. Der Allier teilte sich munter in mehrere Arme auf, um kurz darauf wieder zusammen zu fließen. Unser letztes Camp schlugen wir in einer kleinen Bucht auf. In dieser lag nicht nur das gehackte Brennholz bereits von unseren Vorgängern bereit, es wuchsen hier auch unzählige der großblättrigen Stauden die wir "Klopapierpflanzen" getauft hatten.



          Im Audschungel des unteren Allier


          Der letzte Tag hatte es noch einmal in sich. Gleich drei Hindernisse mussten wir auf wenigen Kilometern kurz vor der Mündung umtragen. Zuerst stellte sich das Wehr von Lorrains in unseren Weg. Dieses lag gottseidank rechts an der Wehrkrone trocken und ließ sich leicht überheben. Direkt dahinter lag eine Eisenbahnbrücke mit sieben Bögen, laut Führer unfahrbar. Guido und ich fuhren durch das mittlere Joch, wobei auch die anderen problemlos fahrbar gewesen wären. Anschließend wartete noch das letzte Hindernis, die Brücke des Loire Seitenkanals, welche wir rechts umtrugen. Nun lag also die Loire vor uns. Ein riesiger Fluss, doppelt so breit wie der Allier. Nach wenigen Kilometern Fahrt legten wir an einer Sandbank in den Dünen von Fourchamboult ein letztes Mal an und unsere Tour war zu Ende.



          Unsere letzte Anlegestelle


          Den letzten Tag verbrachten wir mit einigen Erledigungen. In Fourchamboult konnte man keine Langstrecken - Zugtickets kaufen, also fuhren wir mit dem Bus nach Nevers um dies zu erledigen. Am Abend zerlegten wir unsere Boote. Wir hatten unser Zelt direkt an einem Zaun aufgestellt, der den Campingplatz umfasste und vom dahinter liegenden Dünengelände abtrennte. Allerdings gab es eine offene Pforte im Zaun, direkt neben unseren Zelten. Ich stellte meinen nassen und dreckigen Bootsrucksack auf der anderen Seite des Zauns in die Sonne um ihn zu trocknen. "Ich gehe nochmal hinunter mich vom Fluss verabschieden.",sagte ich zu Guido und schlenderte hinunter an den Strand. Guido kam wenige Meter später nach und gemeinsam bestaunten wir den einzigen Sonnenuntergang unserer Tour.



          Sonnenuntergang an der Loire


          Etwa zehn Minuten später schlenderten wir wieder hinauf zum Campingplatz. Als der Zaun in Sicht kam der ihn umgab blieb ich wie angewurzelt stehen, als ich sah dass mein Boot nicht mehr da war. "Da hat doch tatsächlich jemand meinen Rucksack geklaut." "Als ich vor ein paar Minuten herunterkam war er noch da.",sagte Guido. "Abgesehen davon wiegt der locker 24 Kilo, recht weit können die mit dem nicht gekommen sein." Ich marschierte in Richtung der Straße, Guido landeinwärts. Nachdem ich nirgendwo eine Spur entdecken konnte machte ich mich wieder auf dem Rückweg, als mir Guido schon entgegen kam. In seinen Händen hielt er einen Teil meiner Ausrüstung.

          "Hundert Euro Finderlohn!", grinste er zufrieden. "Da um die Ecke liegt der Rest von deinem Zeug. Brauchst es nur einzusammeln." Tatsächlich. Meine ganze Ausrüstung war noch da. Zwar hatte jemand den Rucksack ein paar hundert Meter geschleppt und in ihm gewühlt. Allerdings fand er darin nichts was ihm wertvoll erschien und so ließ er ihn einfach liegen. Am nächsten Tag traten wir die Heimreise, glücklich dass nichts abhanden gekommen war.

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          • Feurio
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            #6
            AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

            Sehr schön geschrieben! Ein Reisebericht mit direkter Rede ist wirklich mal was anderes. Echt großartig, herzlichen Dank!
            Für mehr Natur vor der Haustür!

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            • StevePeacewalker
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              #7
              AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

              Zitat von Feurio Beitrag anzeigen
              Sehr schön geschrieben! Ein Reisebericht mit direkter Rede ist wirklich mal was anderes. Echt großartig, herzlichen Dank!
              Vielen Dank fürs Lob!

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              • Feurio
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                #8
                AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

                Aber gerne! Hab gerade auch deine anderen Berichte gelesen, die finde ich auch super - jetzt habe ich selber ziemlich Lust, so eine Bootstour zu machen. Du hast auf jeden Fall einen sehr eleganten Schreibstil und machst schöne Fotos!
                Für mehr Natur vor der Haustür!

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                • bratgitarre
                  Gerne im Forum
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                  #9
                  AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

                  Sehr kurzweiliger Bericht.
                  War das Wetter wirklich sooo schlecht und hat dein Mitpaddler wirklich sooo seltsam gesprochen?

                  Vielleicht demnächst mehr vom Mekong oder dem Po.

                  vG Guido
                  (•¿•)› *«:::G:::» «:::U:::» «:::I:::» «:::D:::» «:::O:::» * ‹(•¿•) aka Bratgitarre
                  - www.faltbootreise.de -
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                  • StevePeacewalker
                    Erfahren
                    • 26.06.2011
                    • 247
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

                    Flussporträt des Allier

                    Vor kurzem habe ich die schönsten Fotos unserer Tour nochmals in einem kurzen Diavortrag zusammengefasst.

                    Dieses Flussporträt könnt Ihr euch hier ansehen.

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                    • kanuwanderer
                      Gerne im Forum
                      • 14.03.2011
                      • 58
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

                      Ach ja ne schöne Wandertour in Frankreich, da kommt man ins träumen ...

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                      • cane

                        Alter Hase
                        • 21.10.2011
                        • 4401
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                        #12
                        AW: [FR]300 Kilometer auf dem Allier durch die Auvergne -Von Langeac bis zur Mün

                        Toller Bericht, da bekommt man nochmal mehr Lust aufs Wasserwandern!

                        OT: Ich bin auf der meiner Suche nach Reviews des Grabner Explorer auf ihn gestoßen, deine Ausführungen scheinen meine Vermutung das das Teil eine Klasse robuster als die typischen Faltboote ist zu bestätigen.

                        Es ist denke ich nicht das einzigste Boot mit dem Du Erfahrungen hast, deswegen wäre mir deine Meinung wichtig, wäre Klasse wenn Du mir in oben verlinktem Topic einen Tipp gibst, der tolle Reisebericht hier hat meinen OffTopic nicht verdient


                        mfg
                        cane

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