[DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

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  • ronaldo
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    • 24.01.2011
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    • Meine Reisen

    #41
    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

    >> Die Musikanten in den baskischen Trachten, die wir schon in La Reole erlebt haben. Vor der Tür stehen kleine Jungs auf Stelzen Spalier. Auf sehr hohen Stelzen. Da sie Schaffellwesten tragen, vermute ich mal, dass das irgendeine Hirtentradition ist.

    Hi,

    vmtl. hast du nicht baskische, sondern gascognische Trachten gesehen (wie der Wortstamm erkennen lässt, sind sie eh verwandt, die letzten schon früh romanisiert). Da die Region, insbesondere Les Landes, sehr sumpfig war, stiegen die Hirten auf Stelzen - diese Tradition wird seit ner Weile wieder gepflegt. Vor allem die Stelzentänzer sollte man gesehen haben, allerdings mit gutem Sicherheitsabstand...

    Überhaupt ne tolle Ecke von Frankreich, von den Stränden, den Dünen und Rittlingers Dschungelexpeditionen dort will ich gar nicht erst anfangen...

    Danke für den schönen Bericht, was du über die Leute schreibst macht Lust auf das Touren im ländlichen Frankreich.

    Gruß, Ronald

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    • Enja
      Alter Hase
      • 18.08.2006
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      • Meine Reisen

      #42
      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

      Danke für die Hinweise. Ich wollte da noch ein bißchen forschen. Bin aber bisher noch nicht dazu gekommen. Sie trugen halt Baskenmützen. Und wir hatten mal ein Au Pair-Mädchen aus der Ecke, die sich auch als Baskin bezeichnete.

      Als wir in La Reole mit unseren Rädern auftauchten, brachte man uns gleich Stühle als wir uns mit in die Runde stellten. Und bedankte sich für unser Interesse. So wie wir überhaupt überall sehr herzlich empfangen wurden.

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      • Enja
        Alter Hase
        • 18.08.2006
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        #43
        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

        24. Tag

        Während wir gerade frühstücken, erscheint ein LKW mit Arbeitern drauf, die nun mähen und die Hecken schneiden möchten. Eine Weile arbeiten sie kommentarlos um uns herum, aber schließlich kommt einer auf uns zu und fordert uns auf, sofort zu erklären, was wir da tun. Etwas reflexhaft antworte ich mit „Wonach sieht’s denn aus?“ Gut, das war nicht nett. Als wir ihnen erzählen, dass der Bürgermeister uns unser Tun genehmigt hat und wir auch gleich in Richtung Hallenbad aufbrechen werden, um die entsprechende Gebühr zu entrichten, sind sie beruhigt.

        Im Hallenbad amüsiert man sich heftig über uns. Wir müssen 5 € bezahlen. Wir folgen jetzt weiter der ehemaligen Fast-Autobahn, die schmaler und schmaler wird. Steigungsmäßig geht es zur Sache. Immer noch fahren wir über Hügel – nicht über Berge. Aber Kette auf Kette muss überquert werden. Und die Straße nimmt dazu den kürzesten Weg. Ist man oben, geht es gleich wieder abwärts bis fast auf Meereshöhe. Wir gewinnen insgesamt nicht wirklich an Höhe.

        Die Steigungen sind anstrengend. Jetzt an einem Werktag sind viele LKWs unterwegs. Einmal quäle ich mich aufwärts, während mein Mann schon oben ist und von oben heftig winkt. Ich sehe mich um. Direkt hinter mir kommt ein Convoi exceptionelle mit Überbreite. Das Teil reicht vom Mittelstreifen genau bis an den Abgrund. Da passe ich nicht vorbei. Im Gegenverkehr ist keine Lücke. Und ich fahre mit ca. 5 km/h. Ich lege mich mächtig ins Zeug und springe gerade noch bevor der riesige LKW endgültig anhalten muss in eine Einfahrt. So reizvoll die Landschaft auch ist, so was ist anstrengend.

        So sind wir froh, als wir in Orthez ankommen. Ein nettes Dörfchen. Das auch schon ganz anders aussieht als die bisherigen. Irgendwie nach Pyrenäen. Es gibt eine Fußgängerzone mit Cafes und einen großen Markt, wo wir einkaufen, was wir in der Mittagspause essen möchten. Orthez liegt an der Gave de Pau, einem Flüsschen, das auch schon sehr nach Pyrenäen aussieht. Von der Farbe her und auch weil es so heftig über die Felsblöcke schäumt. Über die Gave führt eine Bogenbrücke mit einem Turm in der Mitte. Wir suchen uns ein Picknickplätzchen unten am Fluss mit Blick auf die Brücke.

        Am diesseitigen Ufer führt die Bahnlinie entlang. Ein beschrankter Bahnübergang führt direkt auf die Brücke. Das sieht etwas eigenartig aus, weshalb dieses Stück Brücke auf den Reiseführer-Fotos nicht mit abgebildet wird.

        Wir verlassen Orthez mit einem gewissen Bedauern, überlegen aber, ob wir nicht heute noch bis SJPdP fahren sollten. Wir sind ein bisschen kribbelig und würden gerne den Pyrenäen-Pass hinter uns bringen. Die Hauptstrecke macht jetzt einen weiten Umweg, während wir von den Autoabgasen sowieso die Nase voll haben. Wir bleiben also nahe am Jakobsweg und biegen auf eine Nebenstrecke ab. Eine Hügelkette nach der anderen türmt sich vor uns auf. Man fährt hier nicht auf die Pyrenäen zu, indem man in einem Tal aufwärts fährt. Die Flüsse kommen uns nicht entgegen, sondern fließen senkrecht zur Fahrtrichtung. Wie immer…..

        Auf der Karte sind einige Aussichtspunkte eingezeichnet. Tatsächlich sieht man hier direkt auf den Pyrenäenhauptkamm. Da türmt sich was auf. Oben liegt Schnee. Wahrscheinlich werden wir sie an einer weniger spektakulären, schneefreien Stelle überqueren. Aber der Ausblick von hier aus ist imposant. In einem kleinen Dorf müssen wir mal wieder einen Vorderreifen flicken. Es ist heiß. Wir suchen uns eine schattige Stelle, sitzen auf einem Stein und stellen fest, dass wir ganz schön verschwitzt und ausgepumpt sind. Nachdem wir in einer Stunde genau 10 km zurückgelegt haben. Das ist so eine Art Negativrekord. Wie wird es wohl weitergehen?

        Aber jetzt fängt die Straße an, sich der Landschaft anzupassen. Führt auch mal in einer Schlaufe nach oben, um die Steigung bequemer zu halten. Und eine Weile oben entlang, bis wir nach Sauveterre de Bearn hinunterfahren. Sauveterre liegt an der Gave d’Oloron. Wir kommen voran. Oben über dem Ort liegen Reste einer Burg und eine sehr interessante Kirche. Hier treffen wir ein niederländisches Ehepaar, das mit einem auffälligen Gepäckwagen zu Fuß unterwegs sind. Die anderen Pilger, von denen etliche den Ort bevölkern, sind alle schon im Refuge eingecheckt und sitzen in der Bar. Vor SJPdP gibt es keinen CP mehr. Das ist noch so weit, dass wir wohl im Dunkeln ankommen werden. Und es fängt mal wieder an zu tröpfeln.

        Ab hier hat uns die Ex-Fast-Autobahn wieder. Sie ist noch schmaler geworden und nicht mehr so wirklich besonders befahren. 16 km sind es noch bis SJPdP. Die Steigungen werden weniger. Die Straße folgt jetzt einem Tal. Mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir an. In einer anderen Welt. Soviele Pilger haben wir noch in keinem Ort gesehen. Sie besetzen jeden freien Stuhl in den vielen, vielen Bars. Die Häuser, in denen keine Bars sind, sind Pilger-Unterkünfte oder beherbergen Läden mit Pilgerbedarf. Nach den vielen einsamen Strecken und stillen Dörfern in Frankreich ist das ein harter Kontrast. Wir sind uns noch nicht sicher, ob es uns gefällt.

        Wir suchen ein Weilchen den CP. Kann doch keiner ahnen, dass der direkt innerhalb der Stadtmauer liegt. Da sieht man ihn erst, wenn man davor steht. Aber das macht ihn sehr gemütlich. Die Ausstattung ist zwar sehr bescheiden, aber es ist nett. Neben den üblichen Wohnmobilen und Wohnwagen stehen etliche Zelte mit Fahrrädern daneben. Das sieht nach einem ergiebigen Austausch aus.

        Nach Zeltaufbau und Dusche machen wir uns noch einmal auf den Weg in die Stadt. Wir haben Hunger. Außerdem sind die historischen Bauten nett angestrahlt. Das sieht alles sehr einladend aus. Ganz bis nach oben in die Burg treibt es uns nicht mehr. Wir suchen eher unten am Fluss nach einem netten Restaurant. Die haben aber anscheinend zum größten Teil schon geschlossen. Wir landen in einer kleinen Pizzeria. Neben äußerst günstigen Preisen dürfen wir hier auch die Dorfjugend kennenlernen. Wir unterhalten uns ziemlich spannend. Und lernen ein neues Phänomen kennen. Einheimische, die sich als Pilger verkleiden, mit allem was dazu gehört. Dann kann man leichter Pilger anquatschen und/oder anbetteln oder irgendwohin schleppen, wo man Prozente kriegt. Interessant.

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        • Werner Hohn
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          • 05.08.2005
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          #44
          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

          Ihr habt ja dauernd den Reifenheber in der Hand. Wie ist es zu den vielen Platten gekommen? Dünne Rennradreifen, oder jedesmal durch die auf französischen Straßen gleichmäßig verteilten Glasscherben gefahren?
          .

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          • hosentreger
            Fuchs
            • 04.04.2003
            • 1406

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            #45
            AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

            Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
            ...oder jedesmal durch die auf französischen Straßen gleichmäßig verteilten Glasscherben gefahren?
            Mit solchen Fragen treibst Du meine Phantasie auf Höchsttouren und lässt mich mit 10 Ersatzschläuchen auf die Strecke gehen!
            Ich wollte eigentlich nur einen mitnehmen!

            Aber im Ernst: Woran lagen tatsächlich die häufigen Platten? Ist es in Frankreich wirklich schlimmer als sonstwo mit Scherben & Co.? Oder war es ganz einfach nur Pech?
            hosentreger
            Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

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            • Enja
              Alter Hase
              • 18.08.2006
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              #46
              AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

              So ganz genau wissen wir das auch nicht.

              Wir hatten hinten Marathon plus. Und überhaupt keinen Platten.

              Vorne hatten wir die nicht. Was wohl keine gute Idee war. In Frankreich lagen eigentlich nicht mehr Scherben rum als in Deutschland.

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              • Werner Hohn
                Freak
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                • 05.08.2005
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                #47
                AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                In Frankreich liegt tatsächlich reltaiv viel Glas auf den Straßen, meist an den Straßenrändern. Oft handelt es sich um Flaschenglas, das von kleinen Flaschen stammt. Flaschenböden mit kleinem Durchmesser lassen da keine Zweifel aufkommen. Dann gibt es noch das Autoglas von den Auffahrunfällen an den allgegenwärtigen Kreisverkehren. Das ist meist Sicherheitsglas der Scheinwerfer, über die ein guter Radreifen ohne Platten drüber rollen sollte. Nach meinen Beobachtungen gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Im Süden bleibt mehr liegen, wird auch mehr aus dem Fenster geworfen. Da ich viel auf Hauptverkehrsstraßen gefahren bin, ist mein Eindruck eher nicht zu verallgemeinern Viel Verkehr, viel Müll.

                Ein Schlauch reicht. Auf den 3.600 km meiner Radtour, davon mind. 2.600 durch Frankreich, hatte ich keinen einzigen Platten.
                Zuletzt geändert von Werner Hohn; 28.07.2013, 22:11.
                .

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                • Enja
                  Alter Hase
                  • 18.08.2006
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                  #48
                  AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                  Wir hatten einen mit. Das hat gereicht.

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                  • Enja
                    Alter Hase
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                    #49
                    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                    25. Tag

                    Als wir ausgeschlafen haben, sind die Pilger schon alle abmarschiert und abgeradelt. Wir hatten am Abend noch mit einigen gesprochen. Die meisten, die wir treffen, beginnen gerade ihren Weg. Wenn sie das zu Fuß vorhaben, rangieren sie im Pilgerranking deutlich vor uns. Wir sind sozusagen immer noch am Ende der Nahrungskette unterwegs. Das bleibt so bis zum Auftauchen der Auto- und Buspilger. Das Problem beim Jakobsweg ist aber, dass einem niemand entgegenkommt. Über die weiterführende Strecke gibt es also nur Gerüchte. Die gingen hier eindeutig in Richtung „bitterkalt, Schnee, Tote, die es nicht geschafft haben“. Das können wir uns nicht so ganz vorstellen. So hoch ist der Pass nun auch wieder nicht. Wir glauben jedenfalls auch bei gemütlicher Abreise im Laufe des Tages irgendwie die 28 km bis zur Passhöhe bewältigen zu können. Zur Sicherheit kramen wir mal die Pullover raus und bringen sie bei den stets griffbereiten Regensachen unter.

                    Wir wandern noch mal durch den Ort, holen uns im Pilgerbüro Stempel, besuchen eine Pilger-Boutique, kaufen im örtlichen Supermarkt ein und besuchen das danebenliegende Sport-/Outdoorgeschäft, um unsere Sammlung an Fahrradflickzeug wieder aufzufüllen. Ort und Berge waren zunächst mal in dichten Nebel gehüllt. Mittags haben sie sich gelichtet und wir steigen auf unsere Räder und nehmen den Aufstieg in Angriff.

                    Zunächst mal geht es relativ gemütlich los. Man fährt einem Bach entgegen, der hier die Grenze zwischen Frankreich und Spanien bildet. Über eine Brücke besuchen wir schon mal ein spanisches Einkaufszentrum, fahren wieder nach Frankreich zurück und verlassen es im nächsten Ort wieder. In Valcarlos kaufen wir uns spanische Chorizo für ein Picknick unterwegs.

                    Dann geht es hoch und immer höher. Pässe kannte ich bisher so, dass sich nach einigen Vorbergen die Kehren über einem auftürmen und man abzählen kann, wie weit es noch bis zur oben sichtbaren Passhöhe ist. Am Ibaneta-Pass ist das nicht so. Man fährt durch Wald. Das ist nicht unpraktisch, weil man immer Schatten hat, aber man sieht nicht viel. Irgendwann gibt es auch Kehren, aber die liegen weit auseinander, so dass man auch hier nicht überblickt, was noch vor einem liegt. Die Aussicht ist überhaupt relativ eingeschränkt. Zusätzlich gibt es sehr abweichende Vorschläge, wie weit es denn nun bis zur Passhöhe ist. So weiß man nicht einmal, wie viele Kilometer man noch bewältigen muss. Jedenfalls war es für mich durchaus grenzwertig. Einfach schon durch die schiere Länge der relativ gleichmäßigen Steigung. Da gibt es keine flacheren Einschübe zum Atemholen oder Ausruhen. Es geht immer nur stramm aufwärts.

                    Und auf einmal fährt man um eine Kurve und ist oben. Wir machen das übliche Gipfelfoto und statten der gut verschlossenen Kapelle einen Besuch ab. Daneben ist ein Parkplatz von dem aus man endlich eine eindrucksvolle Aussicht in die Berge genießen kann. Und von der Seite kommen die Fußpilger anmarschiert. Wir rollen gemächlich bergab nach Roncesvalles, das wir sehr bald erreichen. Wir haben die Schilderung von HP Kerkeling gelesen, der sich hier gleich mit Schaudern abwandte und die Flucht antrat. Dazu steht in allen unseren Führern, dass man dort keine Radfahrer aufnimmt. Wir haben also hier keine Übernachtung eingeplant. Dazu ist es noch viel zu früh. Aber wir wollen uns Herberge und Kloster natürlich ansehen. Viele Touristen wollen das auch. Es gibt eine getrennte Wegführung für Pilger und Touristen. Damit die sich nicht gegenseitig belästigen. Wir schieben unsere Räder vor die Herberge. Refugio heißt das ab jetzt. Und der Hospitalier heißt jetzt Hospitalero. Eine Niederländerin empfängt uns herzlich. Wir sollen gleich mal unsere Räder in die extra dafür vorgesehene Scheune schieben und uns im Büro für die Übernachtung einschreiben. Alles ist extrem aufwändig ausgebaut. Sieht durchaus verlockend aus, aber sechs km weiter gibt es einen Campingplatz. Da fahren wir noch hin und werden sicher ruhiger schlafen als in so einem Massenlager. Wir fragen nach. 7 Mio € sind in das Gebäude seit K.s Besuch gesteckt worden. Nun ist alles top. Ach so. Es sind etliche Radfahrer bereits angekommen. Wir tauschen uns ein wenig über das Woher aus. Das Wohin steht nicht in Frage.

                    Wir sehen uns noch ein bisschen um und rollen dann weiter hangabwärts. Der Pass ist ziemlich asymmetrisch. Auf der spanischen Seite geht es wesentlich weniger bergab. Wir bleiben auf ca. 800 m, während wir am Morgen von nur 160 m gestartet waren. Im ersten Dorfladen füllen wir unsere Vorräte auf, da wir über den Pass nicht viel mitgenommen haben und versuchen, uns in Spanien zu orientieren. Die Autos überholen uns genauso rücksichtsvoll wie in Frankreich. Wir werden freundlich gegrüßt. Jetzt wünscht man sich auch endlich ununterbrochen „Buen Camino“. Der Campingplatz liegt freundlicherweise genau dort, wo er eingezeichnet ist. Er hat geöffnet, ist stärker frequentiert als die bisherigen, fast doppelt so teuer und schlicht aber ordentlich ausgestattet. Unsere Nachbarn kennen wir schon von der Passhöhe. Zufrieden mit uns machen wir uns einen netten Abend.

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                      #50
                      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                      26. Tag

                      Für die spanische Strecke haben wir drei Routenvorschläge. Bikeline, Bruckmanns Radführer und das Jakobsweg-Radreisebuch von Kay Wewior. Bikeline empfiehlt nur im äußersten Notfall unbefestigte Wege und meidet jede auch nur annähernd verkehrsreiche Straße. Das führt dazu, dass die Bikeline-Route häufig in großer Entfernung vom eigentlichen Jakobsweg unterwegs ist, so dass man eigentlich wenig Jakobsweg-Feeling erlebt. Das Radreisebuch schlägt vor, meistens den Jakobsweg zu nehmen und nur wenn der gar nicht befahrbar ist auf Straßen auszuweichen. Der Bruckmann-Führer liegt irgendwo dazwischen. Die gleiche Strecke wird dann manchmal in einem Führer als kaum noch zu meistern und im anderen als „entspannt zu radeln“ eingeschätzt. Zwischen diesen Empfehlungen gilt es nun „unseren“ Weg zu finden. Im Bikeline-Führer ist der Jakobsweg blau eingezeichnet. Im realen Leben mit gelber Farbe geradezu ausgemalt.

                      Da es Brot auf unserem Platz in Burguete erst ab 11 Uhr gibt, müssen wir uns ohne Frühstück auf den Weg machen. Bald werden wir uns daran gewöhnt haben. Auf dieser ersten Etappe wickelt sich der Fußweg um die Straße, führt mal links ein Stück im Gelände daher, mal rechts, mal die Straße entlang. Meistens hat man ihn im Blick. Heute morgen ist er stark bewandert. Pilger an Pilger bewegt sich dort entlang. Der Weg ist dabei so schmal und so uneben, dass wir keine Veranlassung sehen, uns da einzureihen, sondern die gut ausgebaute, wenig befahrene Straße entlang fahren. Straße und Weg entlang gibt es in kurzen Abständen Rastplätze, Bars, Schnellimbisse, Cola-Automaten, Obststände. Wo eine Nachfrage ist, wird sie anscheinend auch befriedigt. Und an diesen Stellen rasten stets viele Pilger, mit denen man leicht ins Gespräch kommt. Obwohl oder weil fast alle gerade erst in SJPdP gestartet sind, sehen ihre Füße spektakulär aus. Die meisten humpeln. Und bei jedem Halt werden die Stiefel ausgezogen, die Blasen fotografiert und die Füße ins kalte Wasser gestellt.

                      Zunächst einmal geht es über den Puerto de Mesquiriz. 922 m hoch. Dazu müssen wir nicht mehr sehr viel Steigung bewältigen, aber danach geht es tiefer runter, so dass der danach kommende Puerto de Erro mit seiner Höhe von 801 m mehr Aufstieg erfordert. Beide Pässe sind jedenfalls nach dem Ibaneta ein Klacks. Die Landschaft ist schön. Ein bisschen wie in der Schweiz. Auch was die Orte betrifft. Eine nette, erholende Fahrt mit immer neuen schönen Aussichten. Nach der Abfahrt vom Pass machen wir einen kurzen Abstecher nach Zubiri.

                      Die Straße folgt jetzt dem Rio Arga, so dass wir zwar ständig auf hohe Berge sehen, aber im Tal dazwischen bleiben. Eine nette Abwechslung. Mehrmals sehen wir von weitem Radler mit Ortlieb-Taschen, die aber jeweils in Richtung Fußweg abbiegen. Einmal versuchen wir das auch. Die anderen haben aber MTBs. Für unsere Trekkingräder ist der sehr schmale Weg hier nicht geeignet, so dass wir bei der nächsten Möglichkeit wieder auf die Straße zurückkehren. Wir könnten dem Weg folgen, aber hier keinen Fußgänger überholen.

                      Auf der Straße überholen uns fleißig spanische Radsportgruppen in einheitlichen Trikots auf Rennrädern. Dabei wenden sie sich uns jeweils zu und rufen ein freundliches Wort, das klingt wie „quaak“. Was meinen sie bloß?

                      Schließlich findet die idyllische Tour schlagartig ein Ende, als wir in Huarte ankommen. Die Straße mündet in einen höllisch befahrenen Kreisel. Alle Straßen, die davon wegführen, sehen wie Autobahnen aus. Wir hätten uns rechtzeitig vorher auf den Fußweg einfädeln müssen. Das haben wir aber noch nicht gelernt. Immerhin gibt es an dem Kreisel einen Aldi. Das ist schon mal gut. Alle Läden unterwegs hatten geschlossen. Die Zeitfenster für Einkäufe sind denkbar knapp. Die Läden öffnen spät, schließen bald darauf zur Mittagspause und öffnen erst danach wieder. So ca. um 17 Uhr. Da müssen wir uns noch umstellen.

                      Da wir den Fußweg nun nicht mehr finden, fahren wir auf einer autobahnähnlichen Straße Richtung Centro Ciudad. Wir fragen an einer Tankstelle, ob sich nicht auch ein anderer Weg fände, aber nein, man schickt uns auf die Schnellstraße zurück. Glücklicherweise zweigt von der kurz drauf ein Radweg in Richtung Stadtmitte ab. Wir haben zwar den Eindruck, dass wir immer bergauf die Stadt erst einmal umrunden, um dann von oben wieder zur Stadtmitte runterzufahren. Aber das täuscht bestimmt. Wir kommen irgendwann durch einen Park auf die Kathedrale von Pamplona zu und treffen erst einmal auf die Stierkampfarena. Eine Spanierin im Dirndl bittet uns rein zum Oktoberfest von Paulaner. So kriegen wir wenigstens die Stierkampfarena ohne Stierkampf zu sehen. Zu den nervenzerfetzenden Klängen einer jodelnden spanischen Kapelle.

                      Durch die wunderschöne Altstadt mit interessanten Fassaden, vielen Bars, jeder Menge Hemingway-Feeling und vielem Schönen mehr kommen wir durch die Estafeta (wo im Juli der Stierlauf stattfindet) auf die Kathedrale zu. Wir parken unsere Räder davor und sehen sie uns an. Wir müssen Eintritt bezahlen. Ein interessantes Gefühl, wenn man als Pilger an eine Kirche kommt und gleich mal abkassiert wird. Immerhin bekommen Pilger Rabatt. Die Kathedrale ist dann auch wunderschön und der zweigeschossige Kreuzgang mit diversen Ausstellungen ist im Preis enthalten. Wir entschuldigen das jetzt also mal und verbringen eine längere Zeit hier.

                      Wir möchten diese Nacht in der Stadt verbringen und nicht wieder raus auf den Campingplatz. Wer weiß, ob wir durch das Gewirr der vierspurigen Straßen dort hinfinden würden. Also gehen wir zur Touri-Info, um nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu gucken. Man empfiehlt uns das Refugio neben der Kathedrale. Na gut, dann probieren wir das jetzt mal aus. Wir sehen wohl inzwischen so aus, als käme ein anderes Zimmer nicht mehr in Frage.

                      Das Refugio befindet sich in einer ehemaligen Kirche. Man hat eine Zwischendecke und eine Mittelwand eingezogen, die den großen Raum etwas aufteilen. Links und rechts, oben und unten stehen lange Reihen von durchnummerierten Doppelstockbetten. Im Eingang gibt es Fahrradständer, hinten eine Art Waschküche und an mehreren Ecken Waschräume, die ziemlich überflutet aussehen. Auf den meisten Betten liegen schon Rucksäcke mit oder ohne Besitzer. Die anderen Betten füllen sich zügig. Um 22.30 Uhr sollen wir zurück sein. Dann wird die Eingangstür abgeschlossen.

                      Inzwischen ist es 18 Uhr und wir machen uns auf den Weg in die Altstadt. Lag sie vor einer Stunde noch verlassen da, ist sie jetzt von einem unglaublichen Gedränge erfüllt. Anscheinend ist es Pflicht für alle Einwohner, hier abends zu erscheinen. An den Gassen liegt Bar an Bar. Alle völlig überfüllt. Draußen davor ballen sich die Gäste. An den Tresen wird gedrängelt, um an einen Vino Tinto und ein paar Pintxos zu kommen. Das sieht alles sehr lecker aus, aber wir können anscheinend nicht genug drängeln und vor allem nicht laut genug schreien, um mal an die Reihe zu kommen. Es gibt auch Restauranttische, aber die sind alle besetzt oder reserviert sind.

                      Wir beschränken uns also erst einmal auf das Herumbummeln und Zusehen. Das ist spannend genug. Wir kommen auch mal ohne Abendessen aus. In einem Laden kaufen wir uns eine Flasche Rotwein. Die vielen Menschen werden immer fröhlicher, je weiter der Abend fortschreitet. Sie schreien immer lauter. Später fliegen die leeren Flaschen. Das ist leicht gewöhnungsbedürftig. Viele sitzen jetzt auf dem Pflaster. An vielen Ecken wird Musik gemacht. Als wir um 22.15 Uhr Richtung Refugio aufbrechen, ist die Party draußen noch in vollem Gange.

                      Drinnen ist es mindestens 15 Grad wärmer als draußen und Atemluft Mangelware. Es gibt nur wenige Fenster hoch oben. Die sind offen. Die Außentür wird pünktlich geschlossen. Kurz darauf geht das Licht aus und bald darauf kehrt Ruhe ein. Abgesehen von heftigem vielstimmigen Schnarchen und andauerndem Geniese, Gehüstel und Geschniefe. Schwierige Nachtruhe, aber gut, wir sind müde genug. Es kommt uns so vor, als wären wir gerade eingeschlafen, als um 4 Uhr die ersten Handys ihre Besitzer wachklingeln. Die stehen unverzüglich auf, wühlen raschelnd in ihren Rucksäcken und marschieren irgendwann energisch ab. Ein Vorgang, der sich so lange wiederholt, bis keiner mehr da ist. Um acht Uhr müssen alle raus sein. Wir gehören zu den letzten. Es gibt eigentlich keinen Grund für so einen frühen Aufbruch. Von Mittagshitze ist nicht die Rede. Und die 20 km, die da so im Schnitt gewandert werden, könnte man auch tagsüber unterbringen.

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                      • hosentreger
                        Fuchs
                        • 04.04.2003
                        • 1406

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                        Also ich habe allmählich das Gefühl, mit Euch mitzuradeln, so anschaulich schilderst Du das.
                        Bin mal gespannt, ob Du mich bei der nächsten Etappe nicht mit einbauen kannst...
                        Danke Dir- das Lesen macht richtig Spaß!!!
                        hosentreger
                        Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

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                        • Enja
                          Alter Hase
                          • 18.08.2006
                          • 4750
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                          Wie? Warst du da auch unterwegs?

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                          • Enja
                            Alter Hase
                            • 18.08.2006
                            • 4750
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #53
                            AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                            27. Tag

                            Um 8 Uhr liegt Pamplona immer noch in tiefem Schlaf. Mit den Wanderern zusammen folgen wir der Jakobsweg-Kennzeichnung in Richtung Zezur Nagusia. Die vielen Wanderstöcke klackern über den Boden. Abfälle jeder Art liegen herum. Dummerweise auch ein regelrechter Glasscherben-Teppich. Das Flaschenwerfen ist keine radsportfreundliche Beschäftigung. Kurz bevor wir die Stadt verlassen, finden wir ein geöffnetes Cafe.

                            Nun scheiden sich die Geister. Der Jakobsweg führt geradeaus weiter. Alle drei Fahrradfüher empfehlen nach rechts abzubiegen und dann unterschiedliche Wege einzuschlagen. Wir sind heute eigensinnig und wollen über Campanas nach Eunate fahren. Egal, was die anderen vorhaben. Während also alle Radfahrer abbiegen, folgen wir noch ein Stück den Wanderern bis wir nach links ausbiegen. Es folgt uns eine spanische Radsportgruppe. Die kennen wir aus dem Refugio. Sie standen morgens mit Koffern vor der Tür und warteten auf ihr Begleitfahrzeug. Nun sind sie auf Rennrädern ohne Gepäck unterwegs und natürlich viel schneller als wir. Eine Weile später holen wir sie an einem Kreisel ein. Sie sehen sehr ratlos aus. Sie haben keine Karte dabei und wollten offensichtlich dem Radweg über den Puerto de Perdon folgen, nicht unserer Kultur-Strecke. Nachdem sie sich unsere Karte angesehen haben, telefonieren sie mit ihrem Fahrer und werden angewiesen, wie wir nach Eunate zu fahren.

                            Bis Campanas fahren wir über eine schmale Asphaltstraße bergauf und bergab durch eine landschaftlich genutzte Gegend, immer mit Blick auf den Perdon. Campanas liegt vor einem Bergmassiv, an dem die Autobahn entlangführt, davor eine Hauptverkehrsstraße, der wir laut Beschreibung ein paar Kilometer folgen sollen. Und um die überhaupt zu erreichen, müssen wir erst mal eine Bahnhauptstrecke überqueren. Danach wird die Beschreibung speziell. Wir sollen an einem bestimmten Kilometerstein rechts in einen Feldweg abbiegen, unter der Bahn durch und über verschiedene weitere Feldwege bis wir wieder an eine Straße kommen. Das ist wohl ein bisschen veraltet. Es gibt eine maximal ausgebaute Straße, auf der bereits Santa Maria de Eunate ausgeschildert ist, unser Ziel.

                            Die Straße verläuft meist bergab, so dass wir im Nu an der Kirche ankommen. Die romanische Kirche ist achteckig und besonders schön, weshalb wir sie auf jeden Fall sehen wollten. In den meisten Jakobsweg-Reiseberichten steht man vor geschlossener Tür, weshalb ich vorsichtshalber im Internet nach Öffnungszeiten gesucht hatte, so dass wir passend dort ankommen. Noch ist sie geschlossen, aber auf dem Parkplatz steht bereits der Bus einer deutschen Reisegruppe, die neben der Kirche sitzt und diverse Pilger haben sich auch bereits im anschließenden Garten niedergelassen. Alles wartet entspannt. Neben der Kirche steht eine kleine Pilgerherberge.

                            Wir kochen uns einen Kaffee und klönen mit den Buspilgern. Vor der Kirche posiert ein Foto-Pilger. Malerisch gekleidet, mit dem man sich fotografieren lassen kann. Die Buspilger haben ihren Pfarrer dabei. Viele sind schon älter und trauen sich die Reise zu Fuß oder mit dem Rad nicht mehr zu, wollen aber unbedingt trotzdem Pilgern. Andere wollen sich die Ecke mal angucken, um zu entscheiden, ob sie sich zu Fuß auf den Weg machen wollen. Sportliche Motivationen treiben sie nicht. Insofern unterscheiden sie sich durchaus stark von all den Wanderern und Radlern, die speziell auf ihre körperliche Leistung sehr stolz sind.

                            Tatsächlich erscheint irgendwann jemand mit einem Schlüssel. Wir dürfen alle Eintritt bezahlen. Wir warten noch, bis der Bus wieder abgereist ist. Das sind doch etwas zu viele Menschen für so eine kleine Kirche. Erwartungsgemäß ist sie von innen so schön wie von außen. Das Warten hat sich also gelohnt. Die Busgruppe war von Puente la Reina hierher gewandert und wurde hier vom Bus abgeholt. Der Fotopilger hat seine Ausstattung im Kofferraum seines Autos verladen und ist davon gefahren.

                            An Obanos vorbei fahren wir nun nach Puente la Reina. Das ist nicht mehr weit. Der Ort hat, wie viele hier, eine lange durchgehende Hauptstraße. Wir kehren hier irgendwo ein und trinken einen Kaffee. Es ist längst Mittagszeit. Während des Kaffeetrinkens sehen wir der örtlichen Müllabfuhr zu. Es sind dabei ausschließlich Frauen am Werk. Und die haben nicht so ein Warmduscher-Müllauto wie bei uns. Die am Rand stehenden Müllsäcke werden in einen LKW gewuchtet.

                            Die berühmte Bogenbrücke überquert man beim Verlassen des Ortes. Sie ist so schön wie erwartet. Wir bewundern sie ausführlich. Drüben lernen wir jetzt eine neue Jakobsweg-Variante kennen. Am Kreisel geht es nur noch auf die Autobahn. Als wir uns schon wundern, sehen wir noch einen seitlichen Abzweig. Es geht auf die N1110. Da die Autobahn gebührenfrei ist und direkt nebenher führt, fahren hier nur Räder. Der Fußweg ist wie bisher meistens in Sichtweite und immer mal wieder auch mit der Straße identisch. Idylle ist allerdings anders. Es fährt sich ziemlich öde. Die Steigungen tun ihr Übriges, da der Weg immer wieder hoch über der Autobahn herumführt. Die Landschaft ist hügelig braun. Schon ein starker Kontrast zur bisherigen Strecke.

                            Wir nutzen also jede Möglichkeit, durch eines der Dörfer in der Nähe zu fahren. Endlich ist es auch mal warm. Sogar sehr warm. Mit uns sind hier noch mehrere Radler-Paare unterwegs. Man fährt so ein bisschen von Schatten zu Schatten. Schließlich mündet auch der Fußweg in diese Straße. Sofort gibt es mehr Cola-Automaten, was praktisch ist, da unser Wasser zur Neige geht. Und man fährt wieder an erschöpften Wanderern vorbei, die alle mühsam irgendeinem Ziel entgegenhumpeln. Viele sitzen an den Bushaltestellen oder telefonieren ein Taxi herbei. Typischer Nachmittagsbetrieb am Jakobsweg.

                            Als wir in Estella ankommen, beschließen wir also, den dortigen Campingplatz zu nutzen. Er liegt überraschend weit vor der Stadt. Um dort hinzukommen, muss man an einer Art Fabrik vorbei. Es stinkt heftig. Die asiatischen Pilger tragen einen Mundschutz. Wir müssen da so durch. Als wir schon umdrehen wollen, kommen wir an den Platz. Hier herrscht überraschenderweise Campingnormalität. Und der Pool ist geöffnet. Das nutzen wir gleich, was auch gut so ist, denn eine Stunde später schließt er, um während unserer Zeit dort nie wieder zu öffnen. Der Platz wird hauptsächlich von Dauercampern genutzt. Aber ein paar Tagestouristen sind auch da.

                            Frisch gebadet fahren wir in die Stadt, um sie uns in Ruhe anzusehen und irgendwo essen zu gehen. Erstaunlicherweise geht es hier zu wie in Pamplona, nur in überschaubarerem Rahmen. Aber sonst das gleiche Muster. Menschenauflauf, Schreien, Feiern, Flaschen werfen. Ein aufkommendes Gewitter treibt uns zurück zum Zelt. Wir hatten nicht allzu viel abgespannt. Das machen wir jetzt ordentlich. Es blitzt, donnert und weht eine ganze Weile.

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                            • hosentreger
                              Fuchs
                              • 04.04.2003
                              • 1406

                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                              Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                              Wie? Warst du da auch unterwegs?
                              Nur virtuell durch Deine Berichterstattung...
                              Hätte ich mir aber gut vorstellen können!

                              hosentreger,
                              der aber wohl mit der Original-Gretchenfrage seine Probleme hätte
                              Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

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                              • Enja
                                Alter Hase
                                • 18.08.2006
                                • 4750
                                • Privat

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                                #55
                                AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                28. Tag

                                Morgens machen wir noch einmal eine Runde durch den interessanten Ort und sehen uns die Kirchen von innen an. Gestern waren sie schon geschlossen. Aus dem Ort heraus geht es steil bergauf. Oben werden wir mit einer unglaublichen Supermarkt-Häufung belohnt. Praktisch. Bis Irache ist es jetzt nur noch ein Katzensprung. Das Kloster ist zwar geschlossen, aber die Weinquelle sprudelt. Wir bleiben ein Weilchen. Ständig kommen Pilger vorbeigewandert. Ihr Bedarf an Rotwein am frühen Morgen ist unterschiedlich. Als nächstes kommt eine komplette Busfüllung anmarschiert, da räumen wir lieber das Feld.

                                Oben vor dem Kloster gibt es einen Picknickplatz. Da frühstücken wir. Die Bus-Reisenden kommen dazu. Der Fahrer packt ihnen ein Picknick aus und stellt es zurück. Sie stehen verschüchtert am Rand der Picknickfläche und fragen uns erst einmal demütig, ob sie dort auch sitzen dürfen. Sonst könnten sie auch im Bus.....oder auf der Straße im Stehen..... Es gibt genug Bänke und Tische für mehrere Busfüllungen. Man hat ihnen schon unmissverständlich klar gemacht, dass sie irgendwie verkehrte Pilger oder wahrscheinlich sogar verkehrte Menschen sind und keinen Anspruch auf die Benutzung der Infrastruktur haben. Sie freuen sich, als wir ihnen nicht nur erklären, dass hier jeder frühstücken dürfe, sondern sie auch herzlich eingeladen seien, sich mit an unseren Tisch zu setzen und dass wir gerne auch mit ihnen reden. Und ihnen auch ihre Fragen beantworten. Alles in allem eine nette Begegnung. Bergab zur Straße sausen wir hinter dem abfahrenden Bus her und werden unten mit großem Gewinke verabschiedet.

                                Die weitere Strecke ist zunächst mal wieder so eine Autobahnbegleitstrecke wie gestern. So richtig begeistert uns das immer noch nicht. Heute sind wir zudem völlig allein unterwegs auf der Straße und auch der Jakobsweg ist nicht besonders belebt. Er ist immer noch schmal, steil und von Treppen durchsetzt. Also nichts für uns. Es gibt diverse Steigungen, aber unsere Beine sind inzwischen so fest, dass wir relativ mühelos darüber segeln. Wir verbessern dabei ständig unsere Technik, indem wir immer mal probieren, wie man am besten bergab Schwung holt und in welcher Weise man dann, ohne ihn zu verlieren, zurückschaltet. Langsam klappt das ziemlich optimal.

                                Um etwas Abwechslung zu haben, fahren wir auch heute in jedes Dorf, wobei wir schließlich in Los Arcos auf einem hübschen Dorfplatz landen, wo wir in einer der Bars einkehren, um etwas zu essen. Natürlich nur eine Kleinigkeit. Wir wollen noch weiter. Um uns herum sitzen nur Pilger, die sich bereits zur Übernachtung entschlossen haben. Das sieht man regelmäßig an den sauberen Sachen und den Badelatschen an den Füßen. Die sind schon geduscht und werden jetzt den Nachmittag beim Vino Tinto verbringen. Zuerst einmal wird ein Pilger-Menü verzehrt. Dabei weiß man nicht so richtig, ob man besser unter einem Sonnenschirm sitzt oder nicht. Das Wetter ist heute sehr wechselhaft. Mal prallt die Sonne regelrecht herunter, mal kommt ein kalter Windstoß und es fängt an zu tröpfeln.

                                Wir fahren weiter über Sansol nach Torres del Rio. Wir möchten die kleine Templerkirche dort besichtigen. Es hängt ein Zettel mit Öffnungszeiten dran. Um 16 Uhr wird geöffnet. Das ist einer halben Stunde. Wir trinken einen Kaffee in der Bar nebenan. Auch hier sitzen Pilger. Um 16 Uhr kommt niemand. Wir warten eine halbe Stunde und fragen dann in der Bar nach. Vielleicht um 17 Uhr ist die Auskunft. Daraus wird aber auch nichts. Falls man außerhalb der Öffnungszeiten hinein möchte, soll man eine Nummer anrufen, die dort hängt. Wir haben kein Handy dabei und können kein Spanisch. Schließlich gehen wir in eine weitere Bar, die wie die erste zugleich Refugio ist, um jemanden zu finden, der das mal macht. Nun klappt es. Nach einer weiteren halben Stunde dürfen wir in die Kirche. Diverse Leute aus dem Refugio kommen mit. Und wie aus dem Nichts erscheinen auch mehrere Touri-Autos. Das Warten hat sich jedenfalls definitiv gelohnt. Wir sind begeistert.

                                Nach der Besichtigung kehren wir noch einmal auf eine Cola in der freundlichen Herberge ein. Wir überlegen, hier auch zu bleiben, da es im Grunde sehr nett aussieht, entscheiden uns dann aber doch für die Weiterfahrt nach Logrono, um dort zu zelten. Im Grunde schlafen wir am liebsten im Zelt. Außerdem ist die Auswahl an Plätzen nicht groß. Wenn wir da so eine Etappe stark verkürzen, kommen wir aus dem Takt. Außerdem fühlen wir uns noch zu fit, um schon den Tag zu beenden. Also weiter.

                                Die Strecke, die jetzt kommt, bezeichnet Bikeline als kaum noch zu fahren und empfiehlt einen weiten, steigungsärmeren Umweg. Der Bruckmann-Führer schreibt mal wieder von entspanntem Radeln. Also gehen wir es an. Die Hügel haben angezogen, was die Landschaft sehenswerter macht. Der Jakobsweg ist eng an der Straße, wie wir es mögen aber völlig menschenleer. Es geht kräftig aufwärts über eine Bergkette. Wir treten motiviert in die Pedale und sind bald oben. Pünktlich dazu zieht eine gewaltige Gewitterfront auf. Das mag ich nun nicht so gerne. Im Gewitter auf dem Berggipfel – nein. Also weiter. Heftige Böen leiten einen starken Sturm ein. Das Gewitter droht erst einmal nur. Der Wind kommt meistens von hinten und verleiht uns Flügel. Aber ab und zu auch mal von der Seite. Das ist grenzwertig. Hier können wir aber nicht bleiben. Nun geht es abwärts. Das Tempo verstärkt sich weiter. Wir sausen auf Viana zu. Sollen wir gleich dran vorbei nach Logrono? Natürlich nicht. Gewitter hin – Gewitter her, erst einmal sehen wir uns Viana an. Das wird lustig. In den Gassen, wo sich die Leute schon zur fröhlichen Abend-Party versammelt haben und vermutlich die Flaschen schon wurfbereit haben, fliegen Stühle und Tische umher. Es geht recht heftig zu.

                                Von Viana aus ist Logrono unten in der Ebene am Ebro schon sichtbar. Die Straße führt schnurgerade dort hin. Parallel dazu der Jakobsweg. Wir beeilen uns. Das Wetter wird immer heftiger. Leichter Regen hat eingesetzt. Auf dem Jakobsweg ist auch noch ein Grüppchen Wanderer unterwegs. Mit wehenden Regenponchos kämpfen sie sich vorwärts. Logrono ist gar nicht so klein. Wir kommen also wieder auf heftige Verkehrsbauwerke zu und wie so meist wird aus unserer Straße eine Autobahn. Inzwischen haben wir gelernt, in solchen Momenten auf den Jakobsweg zu wechseln. Wo Fußgänger überleben können, können das meist auch Radfahrer. Schnell noch ein Blick in den Führer: „an der Papierfabrik auf den Fußweg wechseln“. Ist das eine Papierfabrik vor uns? Keine Ahnung. Nehmen wir es mal an.

                                Und tatsächlich, ein gut ausgebauter Asphaltweg führt verkehrsfrei nach Logrono. Wir tunneln uns unter den Autobahnen und Schnellstraßen durch. Wir kommen durch eine Art Mischung aus Kleingartensiedlung und Müllkippe und halten wie vorgeschrieben am Haus der alten Dame, die hier immer schon Pilgerpässe stempelt und Getränke verkauft. Inzwischen macht das ihre Tochter. Hier bricht nun endlich der erwartete Wolkenbruch über uns herein. Wir drücken uns zuerst an die Hauswand, werden dann in eine Art Scheune gebeten.

                                Als es nur noch leise regnet, machen wir uns wieder auf den Weg. Nun ist es nicht mehr weit. Es geht abwärts nach Logrono. Vor dem Ebro biegen wir nach rechts ab und folgen ihm bis auf den Campingplatz. Der ist konkurrenzlos teuer. Und gegen jede Gewohnheit kostet Wifi noch extra. In Spanien ist das sonst an jeder Straßenecke kostenlos zu haben. Um noch mal in die Stadt zu fahren, ist es zu spät. Im Regen sind wir dazu sowieso nicht motiviert genug. Wir bekommen einen Stellplatz zu gewiesen, der genau so groß ist, dass wir unser Zelt gerade aufbauen können. Die Räder müssen schon auf dem Weg stehen. Erst einmal sammeln wir den Müll, der drauf liegt ein, das hatten wir auch noch nicht. Auf dem Areal wächst kein Grashalm.

                                Da es wieder stark regnet, kochen und essen wir in der „Gemeinschaftsküche“. Eine Überdachung ohne Licht mit zwei defekten E-Herden. Ein wenig trostlos. Vorsichtig ausgedrückt.

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                                • Enja
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                                  • 18.08.2006
                                  • 4750
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                                  #56
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                                  29. Tag

                                  Die Nacht war ungemütlich. Neben dem Platz liegt eine Bar am Ebro, in der natürlich gefeiert wurde. Und der Zuweg ging direkt an unserem Zelt vorbei. Wir packen das klatschnasse, völlig verdreckte Zelt in einen Müllsack und hoffen für den Abend auf eine gemütliche Wiese in der Sonne. Mal sehen.

                                  Den Ebro entlang fahren wir durch eine Grünanlage bis zur Brücke in die Altstadt. Es ist 9 Uhr. In Logrono ist gestern wohl heftig gefeiert worden. So viele Scherben hatten wir bisher denn doch noch nicht auf unserem Weg. Über diesen Bodenbelag suchen sich Pilger zu Fuß und auf Rädern ihren Weg aus der Stadt. Ansonsten rührt sich noch nichts. Wir machen eine kurze Stadtrundfahrt und sehen uns die Kirchen an. Die Stadt spricht uns nicht besonders an. Das kann am Schlafmangel liegen.

                                  Karten und Führer sind jetzt der Meinung, dass man, da es keine Straße neben der Autobahn mehr gibt, entweder den Jakobsweg nutzen muss, was Bikeline für unmöglich hält oder einen weiten Umweg fahren. Wir glauben mal Bikeline, zumal die darin vorgeschlagene Alternative am Ebro entlang führt, wo es uns ganz gut gefällt. In El Cortijo ist dann allerdings vorgesehen, Radwege zu nutzen, die es hier in jeder Form im Gelände gibt. Die sind nicht wirklich ausgeschildert und wir verbringen viel Zeit damit, uns durchzufragen. Von den vielen Möglichkeiten fahren wir einen Schotterweg entlang, der in ziemlich schlechtem Zustand ist und eine Bahnlinie entlang auch nicht wirklich reizvoll. Genauso wenig wie die Straße, auf die es uns anschließend verschlägt. Wir beschließen, auf die Bikeline-Vorschläge künftig zu verzichten und uns mehr am Jakobsweg zu orientieren.

                                  In Navarrete schüttet es mal wieder ordentlich. Wir machen einen kurzen Stop unter einem Vordach und fahren dann weiter. Jetzt bleiben wir zwischen den Wanderern auf dem Jakobsweg und finden ihn ziemlich gut befahrbar. Außerdem ist es nett zwischen all den Leuten. Heute im Regen tragen alle bunte Ponchos mit spitzen Kapuzen und einer Ausbuchtung auf dem Rücken für den Rucksack. Das sieht lustig aus. Dazu die urzeitlichen klobigen Wanderstöcke. Muscheln überall. So haben wir uns den Jakobsweg vorgestellt.

                                  Der Weg nimmt nicht ganz den im Bikeline eingezeichneten Verlauf. Und im wesentlichen folgen wir auch der Autobahn. Aber geteiltes Leid ist halbes Leid. An einer Autobahnbaustelle durchqueren wir eine riesige Pfütze, die so groß ist, dass man sie nicht umfahren kann. Sie ist auch überraschend tief und rutschig. Nachdem wir erst noch denken, da sei ein Wassertank ausgelaufen, merken wir bald, dass hier wohl ein heftiger Schauer niedergegangen ist. Jedenfalls hat er Weg und Felder in eine rote Lehmgrube verwandelt. Unsere Räder kleben sich schnell mal wieder fest. Ich erreiche das rettende Ufer – eine Querstraße – indem ich das Vorderrad hochhebe und das blockierende Hinterrad hinter mir her schleife. Interessant auch der Effekt an den knöcheltief im Morast versinkenden Füßen.

                                  Wir glauben jetzt also mal unseren Reiseführern, dass der Weg hinter Najera für Räder unbefahrbar ist. Der Ort liegt an einem Fluß vor einer Felswand. Sicher besser, die zu umfahren. Wir suchen lange nach dem Kloster, das aber geschlossen hat, als wir es finden. Die Stadt ist touristisch offenbar häufig angefahren. In solchen Ballungen fühlen wir uns inzwischen nicht mehr wohl. Wir nehmen die vorgeschlagene Straßen-Ausfahrt. Im Grunde führt die direkt auf die neue Autobahn, die in unseren Karten noch gar nicht eingezeichnet ist. Wieder mal ohne Begleitstraße. Wir sollen auf Hormilla zufahren, vor dem Ort links abbiegen, die Hauptstrecke überqueren und über einen Feldweg nach Azofra.

                                  Wir versuchen das, aber das Überqueren einer Autobahn ist schwierig. Wir irren über verschiedene Feldwege bis wir eine Unterführung finden. Bis Azofra kommen wir nun leicht. Und dort biegen wir in den Jakobsweg ein. Das erweist sich als gute Entscheidung. Wir kommen zwar nur langsam vorwärts, aber die Wegführung ist deutlich attraktiver als die der Straßen. Und man ist überall in netter Gesellschaft. Neben den Wanderern sind hier auch viele Radfahrer unterwegs. Es gibt hübsche Rastplätze. Kein Vergleich mit den Landstraßen. Die meisten Radfahrer sind allerdings mit MTBs und wenig bis keinem Gepäck unterwegs.

                                  Ganz ohne Treppengeschleppe geht die Tour nicht ab. Aber die Landschaft ist hier wunderschön. Bergauf wird es häufig zu steil zum Fahren, da schieben wir zwischen den Wanderern. Einige Gefällestrecken schiebe ich auch, wenn es sehr steil ist und ich das Gefühl habe, mein Rad im losen Schotter nicht mehr im Griff zu haben. Wir beschließen bald, diesen Weg jetzt öfter zu benutzen. So kommen wir bis Ciruena. Es wir Abend. Wir nehmen von dort aus die Straße, die direkt nach Santo Domingo de la Calzada führt und sehen dort nach einem Refugio, da es keinen Campingplatz gibt.

                                  Im Zisterzienserinnen-Kloster ist schon alles belegt. Ein Stück weiter ist das Gemeinde-Refugio, in dem auch die Kirchen-Hühner wohnen, da checken wir ein. Im Erdgeschoss gibt es wieder einen Fahrrad-Abstellraum, wo schon diverse Räder stehen. Auch sonst ist alles da, was man so brauchen könnte. Das Zimmer enthält „nur“ zwölf Betten. Mal sehen wie das wird. Erst einmal machen wir einen Spaziergang durch den Ort, treffen alte Bekannte, lernen andere kennen. Sich mit Radfahrern auszutauschen, ist natürlich immer wieder besonders interessant. Erstmalig essen wir heute ein Pilgermenü. Das wollten wir immer schon mal ausprobieren und tun das umso lieber in netter Runde. Es ist gut. Es ist viel. Wir haben uns eigentlich angewöhnt, mit sehr viel weniger auszukommen. Als ersten Gang gibt es ein halbes Hähnchen mit Pommes und Salat. Als zweiter wird ein großer Teller mit Paella serviert. Anschließend Nachtisch. Und Brot und Rotwein (immer wieder aufgefüllt) gehören auch noch dazu. Für 8 €. Nachdem wir noch einen Wein getrunken haben, gehen wir zum Refugio zurück und finden die Tür abgeschlossen. Das war für 22 Uhr angekündigt. Wir machen einen Uhrenvergleich. Die Uhren meinen, dass es so zwischen zwei vor Zehn und zwei nach Zehn ist. Wir sind zu acht. Draußen wollen wir nicht schlafen. Wir klopfen und rufen, bis man uns öffnet.

                                  Wir lernen eine neue spanische Vokabel kennen. Wir seien "poco tarde" sagt uns der Hospitalero. Was bedeutet, dass man zwar zu früh geschlossen hat. Aber dass das doch eigentlich zu erwarten war. Das werden wir noch öfter erleben. Meist bei Läden oder Campingplätzen.

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                                  • Werner Hohn
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                                    • 05.08.2005
                                    • 10870
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                                    #57
                                    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                    Mehrfach schreibst du von feiernden Spaniern. Waren das Feiern und Feste zu Sant Joan (24.6.)?
                                    .

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                                      • 18.08.2006
                                      • 4750
                                      • Privat

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                                      #58
                                      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                      Nein, das waren die Basken. An gewöhnlichen Wochentagen. Und zwar an jedem. In der Großstadt. In den Kleinstädten. In den Dörfern.

                                      Nun im Rioja, dann in Kastilien und Galizien war das nicht so. Hier waren zwar abends auch alle auf den Straßen und Plätzen. Aber entspannt lächelnd, freundlich plaudernd und wohlerzogen essen und trinken.

                                      Wir waren zur Zeit der Fußball EM unterwegs. Im Moment waren das noch die Anfänge, so dass es kaum eine Rolle spielte. Wir stellten uns aber gerade mal ein Endspiel vor, in dem Deutschland Spanien schlägt. Da hätten wir in dieser Gegend nicht so gern am Public Viewing teilgenommen. Praktisch waren wir zur Zeit der wichtigeren Spiele in Kastilien. Da war alles easy. Alles jubelte freudig aber äußerst gesittet. In hübschen Reigentänzen. Keine Spur von Aggressivität.

                                      Ich gestehe, dass ich speziell das Flaschen-Zerballern äußerst nervig fand.

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                                      • Enja
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                                        • 18.08.2006
                                        • 4750
                                        • Privat

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                                        #59
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                                        Noch ein Einschub.

                                        Während wir in Frankreich ab und zu mal Pilger-Gottesdienste besucht hatten, taten wir das nun in Spanien regelmäßig. Morgens in die Laudes, abends in die Messe. Die immer gleichen Worte, wo aus "Ewigkeit" erst die "siècles" und nun die "siglos" wurden. "Der Herr", der erst zum "Seigneur" und dann zum "Senor" wurde - das hat eine hypnotische Wirkung und strukturiert die Tage. Es ist unser Rotwein-Ersatz.

                                        Der Weg in diesem Bereich führt mich täglich und immer wieder an meine Grenzen. Ich bin inzwischen jeden Abend so todmüde, dass ich die Feiereien gar nicht mehr mitbekomme. Körperlich absolut am Limit. Wiege schon über 10 kg weniger. Bin bemuskelt wie ein Ringer. Braun gebrannt und ausgedörrt. Die Klamotten verblichen. Meistens frierend. Ständiger Regen. Gegenwind. Steigungen. Ab und zu aber auch brennende Sonne und Staub. Gigantische Landschaften wechseln ab mit völliger Ödnis in Form von Gewerbegebieten und Autobahnen. Und dazu ein Rhythmus: Laudes - immer weiter, auf und ab - Messe - Schlafen.

                                        Das ist mein Weg. Für andere ist er anders. Viele junge Leute nutzen ihn als Feiermeile. Viele sind mit sehr sportlichen Motiven unterwegs. Outdoorer eher weniger. Wir sind jetzt seit fast 3000 km unterwegs. Ich vermute, dass das einen Unterschied macht. Mal ganz abgesehen davon, dass wir nicht so die Barsitzer sind. Gerne mal abends. Aber nicht ab 11 Uhr.

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                                        • Enja
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                                          • 18.08.2006
                                          • 4750
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                                          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                          30. Tag

                                          Die Nacht ist etwas ruhiger als in Pamplona. Offensichtlich haben sich alle akklimatisiert. Das Hüsteln und Niesen ist verschwunden. Aber der Klingel- und Knisterterror ab 4 Uhr ist derselbe. Zudem fällt uns auf, dass Laken und Kopfkissenbezüge nicht mehr ab- sondern nur noch glattgezogen werden. Verdächtig. Wir beschließen, doch lieber mehr nach Campingplätzen zu suchen. Offenbar brauchen wir lange Erholungszeiten zwischen den Refugio-Nächten. Die Läden und Cafes sind um 8 Uhr noch geschlossen. Alle müssen frühstücksfrei auf Tour. Wir folgen weiter dem Camino. Bikeline schlägt einen großen Bogen. Näher dran wäre die stark befahrene N120. Da ist auch uns zuviel Verkehr. Das ist kein Spaß mehr. Aber zwischen den Fußgängern gefällt es uns. Das ist gut machbar und sehr nett. In einem Dorf kochen wir auf dem Rastplatz eine Runde Kaffee für alle. Es gibt etliche Fußgänger, die uns immer wieder über den Weg laufen. So ganz mit rechten Dingen kann das nicht immer zugehen. Aber von mir aus….

                                          In Belorado finden wir endlich einen offenen Laden und decken uns mal wieder ein. Ich habe mich längst dran gewöhnt, dass nicht immer Mineralwasser zu haben ist. Morgens fülle ich die beiden Flaschen, die ich am Rad habe mit Leitungswasser auf, da man nie weiß, wann man wieder anderes kaufen kann. Die Wanderer sind überwiegend mit Halb-Liter-Flaschen unterwegs, die sie bei jeder Möglichkeit auffüllen. Nach Trinkwasser sieht das nicht immer aus, was da irgendwo herauströpfelt.

                                          Nun geht es auf die Montes de Oca zu. Auf dem Fußweg scheint das schwierig zu sein. Wenn es in die Berge geht, ist der meist zu steil und zu ausgewaschen. Zudem wird er schmal. Alle Radführer empfehlen, eine Straßenetappe einzulegen. Wir biegen also in Tosantos ab. Hoch müssen wir natürlich trotzdem, nur verteilen sich die Steigungen auf eine längere Strecke und die Straße ist besser befahrbar. Von der N120 wird ebenfalls abgeraten. Es geht durch einsame kahle Hügel nach oben. Weit nach oben. Aber wir fahren das jetzt klaglos und flott. Das Frankreich-Training zahlt sich aus. Es ist völlig einsam. Kein Dorf, kein Straßenverkehr. Dafür ein weiter Blick über das Land. An der ersten Passhöhe machen wir einen Stop, trinken Wasser und frühstücken. Die Vögel zwitschern. Da kommen acht Rennradfahrer angejagt und bremsen neben uns, um sich zu sammeln. Niederländer auf Pauschalreise. Die fahren mit Bus und Fahrradanhänger und picken sich die schönsten Strecken raus. In diesem Fall sind es 28. Als wir weiterfahren, fehlen immer noch etliche. Einige sehen schwer geschafft aus.

                                          Bis Villalomez geht es abwärts und anschließend bis Villalmondar den Rio Oca entlang, also ein Stück eben weiter. Dort biegen wir in ein Tal ein, dass uns noch einmal sehr viel höher bringt, bis es oben gewohnt hügelig, nur nun auf einer höheren Ebene weitergeht. Irgendwann kommen wir „oben“ an und es wird fast völlig eben. Wir haben die Hochebene erreicht, auf der wir nun über Burgos bis Leon weiterfahren werden. Zunächst einmal kommen wir nach St. Juan de Ortega, wo wir den Fußweg kreuzen. Entsprechend belebt ist es hier. Wir treffen die üblichen, die wir überall treffen. Ein Bus hat ein großes Büfett für seine Insassen, diesmal eine deutsche Gruppe, aufgebaut. Es wimmelt regelrecht. Wir statten der Kirche einen Besuch ab, beschließen aber, hier nicht zu übernachten, sondern weiter nach Burgos zu fahren, um den dortigen Campingplatz zu benutzen.

                                          Ein ziemlich direkter Weg wäre die N120, vom Fußweg wird immer noch wegen weiterer Bergstrecken abgeraten, Bikeline schlägt mal wieder die übliche große Rundreise fern des Jakobswegs vor. Wir möchten jetzt eigentlich gerne zügig nach Burgos, da der Tag dem Ende zugeht und beschließen, uns die N120 und eventuelle Seitenstreifen mal anzusehen. Das risikofreudige Radreisebuch schreibt, dass wir einfach den alternativ-Pilgerweg an der Seite benutzen sollen. Mal gucken, ob da einer ist.

                                          Die N120 liegt relativ weit oben. Unsere Nebenstraße läuft drauf zu. In dem Moment sausen die 28 Rennrad-Niederländer an uns vorbei und machen sich auf den Weg, dem Bikeline-Routenvorschlag zu folgen. Wir nähern uns vorsichtig der N120 und entdecken auf der anderen Seite tatsächlich einen Schotterweg, der dem Jakobsweg gleicht wie ein Ei dem anderen. Es sind sogar die gleichen Markierungssteine mit dem Muschel-Zeichen dran. Nur alles etwas vergammelt und zugewachsen. Trotzdem. Da kann man fahren, ohne unter einem LKW zu enden und spart viele Kilometer Umweg. In den Orten setzt dieser Weg regelmäßig aus. Da muss man auf die Straße, was jedes Mal nervt. Und der Weg ist mal links, mal rechts der Straße, also nicht immer einfach zu fahren. Aber kurze Zeit später wird es besser. Der Weg wird breiter und ist gut ausgebaut bis er sich sogar von der Straße trennt und zu einem separaten Radweg Richtung Burgos wird.

                                          Der Campingplatz liegt vor Burgos am anderen Ufer des Arlanzon. Das Radreisebuch liefert eine Wegbeschreibung, die sicher irgendwann mal gestimmt hat, aber diese Randbereiche verändern sich offensichtlich sehr schnell. Wir kreuzen jedenfalls zwei Autobahnen, überqueren die N120 und biegen Richtung Arlanzon ab. Irgendwo finden wir eine Brücke. Und nach einigen Fragerunden kommen wir auf den großen, gut ausgebauten Campingplatz, wo uns auch wieder sofort alte Bekannte entgegen kommen. Hier stehen diverse Radlerzelte. Wir packen unseren nassen Zeltkram aus und stellen erst einmal das Überzelt in die Sonne. Der Platz hat einen Laden, der uns ein üppiges Abendessen und sogar Frühstück beschert. Nette Nachbarn, sonniges Wetter, angenehme Duschen. Hier treffen wir zwei, die bereits auf dem Rückweg nach Deutschland sind. Sie machen das jedes Jahr. Einmal zu Hause - Santiago und zurück mit dem Rad.

                                          Wenn bloß das heftige Schneetreiben nicht wäre. Den Arlanzon entlang stehen Pappeln. Und die haben sich entschlossen, ihre Pollen fliegen zu lassen. Der Rasen ist weiß. Das Zelt ist weiß. Alles ist weiß. An den feuchten Stellen bildet sich eine Beschichtung, die tagelang haftet. Essen und Trinken ist nicht so die reine Freude.

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