[DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Werner Hohn
    Freak
    Liebt das Forum
    • 05.08.2005
    • 10870
    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

    Zitat von Enja Beitrag anzeigen
    ... Und auch, wenn man mal auf befahrenere Straßen gerät - Radfahrer werden dort sehr viel rücksichtsvoller behandelt als hier. ...
    Na, da muss ich widersprechen. Die Franzosen sind freundlich, besonders wenn man auf einer aktuellen Tour-Etappe unterwegs sind. Da wird gehupt, gewunken, auch schon mal das Fenster runtergekurbelt und der Facebook-Daumen in echt aus dem Fenster gestreckt.

    Doch die sind ziemlich forsch, was das Überholen angeht. Wo es passen könnte, wird überholt. In Frankreich habe ich mir angewöhnt ziemlich weit links zu fahren, wenn ich der Meinung war, dass sie gefälligst hinter mir zu bleiben haben. Schon hier bei uns, fahre ich nicht auf der weißen Randmarkierung, in Frankreich ist das die gleichzusetzen mit einer schriftlichen Einladung. Besonders genervt haben die in Frankreich oft zu sehenden langen Fahrbahnteiler mittels Bordsteinen oder kleinen Mäuerchen in der Straßenmitte. Nicht selten ziehen die sich über Hunderte Meter hin, und man schleppt schnell ein paar Autos hinter sich her. Allerdings, das ist der ganz große Unterschied zu meinen Erfahrungen in Deutschland, es hupt niemand, es schimpft niemand, wenn sie dann endlich vorbeifahren können.

    Die wenigsten Probleme hatte ich übrigens mit LKWs, egal in welchem Land. Bei denen passt es oder eben nicht. Ein "könnte passen" , wie so viele PKW-Fahrer das handhaben, habe ich nie erlebt. Und die Horrorgeschichten, die man so oft hört, dass die am dicht Ellenbogen vorbeiziehen, oder Radfahrer sogar in den Graben drängen, halte ich mittlerweile für stark übertrieben. Einer hat mir ungefragt über einen halben Kilometer Windschutz gegeben, damit der Mistral mich nicht von der Fahrbahn bläst. Der ist einfach 2 Meter neben mir geblieben und hat den Gegenverkehr mehr oder weniger auf den schmalen Randstreifen gedrängt. Höchstwahrscheinlich saß da ein Radfahrer hinter dem Lenkrad.
    .

    Kommentar


    • Enja
      Alter Hase
      • 18.08.2006
      • 4750
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

      Also uns haben sie immer mit großem Seitenabstand überholt. Wir fahren allerdings auch nicht so furchtbar weit rechts. Ich erinnere mich da noch sehr ungut an die Ausfahrt aus Limoges. Da ging es endlos bergauf so eine geteilte Fahrbahn entlang. Oben angekommen stellte ich fest, dass ein Bus und eine lange Reihe Autos brav hinter mir hergedackelt war. Das Gehupe hätte ich hier mal hören wollen.

      Aber meistens hatten wir die Nebenstraßen für uns allein.

      Kommentar


      • Werner Hohn
        Freak
        Liebt das Forum
        • 05.08.2005
        • 10870
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

        Stimmt schon mit den Nebenstraßen. Manchmal habe ich mich gefragt, ob mich jemand findet, wenn ich jetzt vom Rad falle.
        .

        Kommentar


        • Enja
          Alter Hase
          • 18.08.2006
          • 4750
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

          Wahrscheinlich nicht. Man merkt da doch, dass Frankreich sehr viel dünner besiedelt ist als Deutschland. Und dabei sind diese Sträßchen zuverlässig durchnummeriert und ausgeschildert. Ich hatte mir mittels Google maps eine Route möglichst Jakobsweg-nah auf diesen Sträßchen gebastelt und eine Art Roadbook erstellt. Das hat uns sicher geführt. Ohne GPS. Wir hatten ab Vezelay nur Seiten aus einem Straßenatlas mit. Da waren die Sträßchen meist nicht einmal eingezeichnet.

          Kommentar


          • lina
            Freak

            Vorstand
            Liebt das Forum
            • 12.07.2008
            • 42948
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

            Es ist toll, fast jeden Tag eine Fortsetzung hier lesen zu können, vielen Dank!

            Wenn Du vergleichst: Jakobsweg-zu-Fuß und Jakobsweg-per-Rad – welche Variante findest Du passender oder schöner oder angenehmer und warum? Oder hängt das von der bereisten Gegend ab?

            Kommentar


            • Werner Hohn
              Freak
              Liebt das Forum
              • 05.08.2005
              • 10870
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

              Der Vergleich wird schwer bis unmöglich, weil Enja 2012 mit dem Rad gefahren ist und ich 2008 zu Fuß auf dem Jakobsweg war.
              .

              Kommentar


              • lina
                Freak

                Vorstand
                Liebt das Forum
                • 12.07.2008
                • 42948
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                Schon, aber Enja hat ja beide Fortbewegungs-Varianten auf Jakobswegen ausprobiert, wenn auch nicht die selbe Strecke.

                Kommentar


                • Enja
                  Alter Hase
                  • 18.08.2006
                  • 4750
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                  Wir haben eigentlich vor, den Camino Frances noch einmal zu laufen. Aber das Fahrrad hat es ermöglicht, von zu Hause aus am Stück bis Santiago zu pilgern. Was auch einen erheblichen Reiz hat. Ich denke, es lohnt sich beides.

                  Kommentar


                  • Enja
                    Alter Hase
                    • 18.08.2006
                    • 4750
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                    13. Tag

                    Stadtbesichtigung Nevers. Wir sehen uns die Altstadt noch mal bei Tageslicht an, besuchen die Kathedrale, die nicht so wirklich ein Glanzlicht darstellt. Bernadette Soubirous hat geschlossen, als wir dort ankommen. Und St. Etienne, die romanische Vorzeige-Kathedrale suchen wir erst einmal vergeblich bis wir sie in einer Art Hinterhof finden. Die Suche hat sich gelohnt. Wir haben entschieden eine Vorliebe für die Romanik. Und hier ist noch viel davon zu finden, da man sich offensichtlich dafür entschieden hat, in der Gotik eine neue Kathedrale zu bauen und die bisherige einfach stehen ließ. Besonders ergiebig zum Bummeln ist die Altstadt nicht. Wir machen uns schließlich auf die Fahrt. Überqueren noch einmal die Loire und fahren weiter nach Süden. Zunächst einmal geht es endlos bergauf durch die Vororte. Der Jakobsweg auf dem Bürgersteig. Wir daneben auf der Fahrbahn.

                    Eine weitere sinnvolle Wegführung ist nicht so ganz klar. Der Jakobsweg schlägt einen weiten Bogen. Die Straße folgt erst einmal der Autobahn, ist aber nicht so ganz leicht zu finden, ohne auf Abwege zu geraten. Dabei gibt es allerdings heftige Steigungen mal wieder. Während die Autobahn gemütlich im Tal bleibt. Da die Strecke zudem völlig öde ist, haben wir schon vor Magny Cours keine Lust mehr und beschließen, abzubiegen. In Richtung Mars sur Allier, wo es eine romanische Dorfkirche gibt. Das Allier-Tal ist völlig eben, sehr grün und durch diverse Nebenstraßen erschlossen. Die Ortsdurchquerungen werden gerade zu breiten Prachtstraßen ausgebaut. Mit Bürgersteigen, Straßenbäumen, Parkstreifen und was man noch so gebrauchen kann.

                    Die romanische Kirche ist wunderschön. Wir machen im Kirchgarten eine Pause und bewundern das Bauwerk ausführlich von innen und außen. Wir können uns kaum trennen. Der weitere Weg führt uns nach St. Pierre le Moutier. Es ist bereits Abend, obwohl wir noch keine allzu lange Strecke hinter uns gebracht haben. Aber müde sind wir auch. Der Ort ist nicht völlig unbelebt. Als wir keine Hinweisschilder auf den hier laut Internet vorhandenen Campingplatz finden, können wir also fragen. Der Gemüsehändler weist uns den Weg, sagt aber, der Platz sei noch geschlossen. Wir sollten doch lieber mal den Bürgermeister fragen. Darauf können wir jetzt mangels Alternativen leider keine Rücksicht nehmen. Wir machen es uns auf dem Platz gemütlich. Da es nicht einmal regnet und wir auch keine lange Tour hinter uns haben, fällt es uns diesmal leicht, auf eine Dusche zu verzichten. Es ist ruhig in der Nacht. Spaziergänger, die ihren Hund ausführen, kommen mal vorbei und wundern sich. Ansonsten schlafen wir ungestört.

                    Kommentar


                    • Enja
                      Alter Hase
                      • 18.08.2006
                      • 4750
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                      14. Tag

                      Zurück durch den Ort suchen wir bei dichtem Nebel den Abzweig zur Allier-Brücke und verlassen Burgund in Richtung Auvergne. Wieder haben wir die Wahl zwischen Hauptstrecke und Nebenstraßen durch die Hügel. Wir versuchen mal das eine, mal das andere. Je nachdem, was reizvoller aussieht. Häufig kommt man auf den Hauptstrecken flotter voran. Bei gar nicht mal so viel Verkehr. Manchmal auch nicht, weil dort die Steigungen häufig stärker sind. Und die Dörfchen an der Nebenstrecke sind natürlich auch idyllischer. Es ist ein warmer Tag zur Abwechslung mal. Die Sonne scheint. Wir „wellen“ auf und ab. In den Dörfern überholen wir immer mal zu Fuß gehende Pilger. Heute besonders viele, die sich stark humpelnd vorwärts bewegen. Die meisten sind zu zweit unterwegs. Man sieht dann schon aus der Entfernung, dass einer zwei Rucksäcke trägt. Und der andere sich nur noch mühsam vorwärts bewegt. All die Verletzungen und Beschwerden sind in dieser Phase Thema Nr. 1 bei Treffen. Die meisten, die uns hier begegnen, sind Franzosen. Und überwiegend peilen sie auch nur Abschnitte an. Wenige haben Santiago als Ziel.

                      In Charenton erreichen wir den Cher, dem wir nach St. Amand-Montrond folgen. An der Ortseinfahrt fahren wir an einem Aldi vorbei. Aber auch dort gibt es keine Gummibärchen. Die Franzosen essen so was anscheinend nicht. Der Ort ist hübsch. Wir fahren aber, da wir ihn schon kennen, weiter in die Abtei Noirlac. Die kennen wir zwar auch schon, aber sie ist wirklich besonders schön, so dass wir uns dort längere Zeit aufhalten.

                      Zurück in St. Amand-Montrond passiert uns mal wieder das, was wir gar nicht schätzen. Wir verpassen irgendwie die richtige Ausfahrt und fahren einen weiten Umweg. Das liegt daran, dass es hier mal einen Radweg gibt, der uns an der falschen Stelle über die Autobahn führt und bis wir das merken, ist es schon zu spät umzukehren. Wir haben inzwischen auch keine IGN-Karten mehr, sondern benutzen einen Autoatlas. Da ist so was schnell passiert.

                      In Le Chatelet treffen wir wieder auf die eigentlich vorgesehene Strecke. Von hier aus sind es noch 12 km bis Chateaumeillant, wo es einen Campingplatz gibt. Egal, wie weit man fährt, die letzten 10 km sind immer besonders anstrengend. Zumal wenn wie hier nichts besonderes zu sehen ist, es gefühlt immer nur bergauf geht und uns auch mal wieder ein konstanter Wind entgegenbläst. Nach Chateaumeillant geht es jedenfalls schön abwärts. In der Ortsmitte sitzen viele Menschen in netten Straßencafes, aber wir müssen nun stramm wieder nach oben und dann wieder abwärts (was einen abendlichen Besuch im Ort sinnlos erscheinen lässt), wo sich überraschenderweise ein ziemlich großer See befindet, an dem der Platz liegt.

                      Wir checken hier ein. Es ist nett. Die Duschen geben reichlich heißes Wasser von sich. Der Stellplatz ist groß und mit dem erwünschten kurz geschorenen Gras bewachsen. Und vorne am Eingang versammelt sich eine Fangemeinde um einen Flachbildschirm, um ein sehr, sehr wichtiges Spiel der Fußball-WM anzusehen. Es ist also für alles gesorgt. Allerdings fängt es in der Nacht an, stark zu regnen.

                      Kommentar


                      • Enja
                        Alter Hase
                        • 18.08.2006
                        • 4750
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #31
                        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                        15. Tag

                        Am nächsten Morgen schüttet es immer noch. Wir bleiben zunächst mal liegen und warten, ob das Geprassel nicht vielleicht mal weniger wird. Leider nein. Irgendwann angele ich meinen Regen-Poncho, gehe zum Waschhaus und anschließend in die Rezeption und frage, ob es vielleicht einen Baguette-Service gibt. Wie eigentlich praktisch überall. Hier natürlich nicht. Dann müssen wir wohl ohne Frühstück los.

                        In dem Moment verlassen zwei bekannte Gestalten die Holzhütte daneben. Das ist die offizielle Pilgerherberge – mit insgesamt vier Betten. Zwei der Insassen kennen wir aus Vezelay. Er ist schon in Regenzeug gehüllt und schiebt sein Fahrrad raus – Baguette holen. Natürlich bekommen wir eins mitgebracht. Perfekt. Und bis wir gefrühstückt und gepackt haben, hört auch der Regen auf. Es wird zwar immer mal wieder regnen über Tag, aber so eine Regenpause zum Packen hat was.

                        Zur Abwechslung nehmen wir mal die Straße, um zügig voranzukommen, da es in dieser Ecke nicht so besonders spannend zu sein scheint. Der Jakobsweg schlägt hier weiträumige Mäander und nimmt jeden Hügel mit. Bis La Chatre kommen wir so zügig voran, haben aber dort die Nase voll von dem Gebrumm der Lkws und den ständigen Steigungen bei der fast ohne Kurven geradeausführenden Straße, die wir dadurch als ziemlich kraftraubend empfinden. Außerdem möchten wir mal wieder etwas ansehen und nicht nur Straßen entlang radeln. Gesagt, getan. Wir biegen ab und nehmen ein paar große Bögen mit.

                        Am Ende des ersten liegt Schloss Sarzay. Wenn man schon mit dem Fahrrad bis an die Loire fährt, müssen auch Schlösser geboten werden. Auf dem Foto im Outdoor-Führer sieht es sehr interessant aus. Also nichts wie hin. Zunächst einmal ist die schmale verkehrsarme Straße mal wieder eine nette Abwechslung, auch wenn es – natürlich – gleich mal ordentlich bergauf geht. Aber immerhin in idyllischer Umgebung. Wir passieren einsame Häuser. Einen schmalen Fluss über den eine Bogenbrücke führt. Noch eine Anhöhe hoch und da steht Schloss Sarzay. Die Großform stimmt. Aber es sieht reichlich vergammelt aus und steht auch nicht frei, sondern auf einem Hof, der von allerlei Scheunen umgeben ist. Eine Touristengruppe ist gerade in Autos vorgefahren. Sie klingeln zwecks Führung. Ein Schild schlägt das vor. Es kommt aber niemand. Wir gucken in die Scheunen. Der Schlossherr hat offensichtlich zwischenzeitlich auf Schrotthändler umgeschult. Die Scheunen sind mit unglaublichen Mengen an Schrott jeder Art angefüllt. Wir fahren weiter.

                        Nächstes Highlight ist ein Zisterzienserkloster. Der Weg wird schmaler und ist streckenweise unbefestigt, so dass wir im wiedereinsetzenden Regen um die Pfützen kurven. Das Kloster sieht ganz nett aus, ist aber verriegelt und verrammelt. Der Regen wird stärker. Aus dem Grün erscheinen drei französische Pilger. Wir quatschen ein bisschen und machen uns wieder auf den Weg. Das nächste Ziel ist Neuvy St. Sepulchre. Weit ist es nicht mehr.

                        Der Ort ist bekannt für seine Templerkirche in Ortsmitte. Ein Zentralbau. Wir umrunden sie einmal, um den Eingang zu finden. Von innen ist sie sehr eindrucksvoll. Ein bisschen hilflos möbliert. Bei so einem Bau gibt es immer Schwierigkeiten bei der Frage, wo der Altar hin soll. Aber wir freuen uns, dass sie offen ist. Die Athmosphäre im halbdunklen Inneren ist geheimnisvoll.

                        Direkt daneben ist der Abzweig von der Hauptstrecke. Hier soll es eine Pilgerherberge geben. Wäre das nicht was für uns? Es regnet immer noch stark. Wir finden die Adresse. Aber hier ist nichts. Also weiter. Es geht im Regen einen Bach entlang. Idyllisch, aber ziemlich viel Wasser für unseren Geschmack. Durch die tiefhängenden Regenwolken sieht es fast so aus, als würde es schon dämmern. Dabei ist es dafür noch deutlich zu früh. Wir fühlen uns, als wären wir allein auf der Welt. Die Dörfer sehen mal wieder völlig unbewohnt aus. Kein Mensch zu sehen. Keine Lichter. Wir umrunden Cluis mit seinen zwei Burgen. Die sehen äußerst romantisch aus. Aber wegen des schlechten Wetters und der fortschreitenden Zeit haben wir keine Lust, sie uns näher anzusehen. Weiter.

                        In der Ferne sehen wir ein Aquädukt. Da der Reiseführer keins erwähnt, ist es wahrscheinlich eher ein Viadukt, also irgendeine Talbrücke. Die Steigungen ziehen an. Die Hügel türmen sich höher auf. Die Täler werden enger. Unser Ziel ist Eguzon. Das liegt an einem Stausee. War also zu erwarten, dass wir da auf Berge treffen. Es geht immer heftiger auf und ab. Wir sind jetzt auch langsam müde. Und ziemlich nass.

                        In Eguzon gibt es mehrere Campingplätze. Wir diskutieren schon mal, welcher davon denn wohl am ehesten warmes Wasser zu bieten hat. Dummerweise nähern wir uns Ort und Staudamm von unten. Der Staudamm türmt sich vor uns auf. Der Ort ist noch nicht zu sehen. Wir überqueren den Fluss, der aus Richtung des Staudamms kommt. Dann geht es rund. Eine Kehre über uns. Wir keuchen rauf. Es wird immer steiler. Noch eine Kehre. Wenn man durch den Nebel nach oben guckt, sieht man hoch über uns die Autos weitere Kehren passieren. Auch das noch. Uns bleibt tatsächlich nichts erspart. Einen Großteil der Steigung schiebe ich. Es reicht einfach. Außerdem muss der Ort dort oben irgendwo sein.

                        Tatsächlich kommt er irgendwann in Sicht. Wir nehmen gleich den ersten Campingplatz. Vorne steht eine Scheune. Auf einem weitläufigen Platz stehen ein paar Wohnmobile. Und auf einer Wiese eine unübersehbare Masse kleiner Zelte mit Fahrrädern daneben. Es handelt sich um die Jahreshauptversammlung eines niederländischen Fahrradclubs. Das Protokoll hängt nachher an der Clotür. Der Platz ist unter niederländischer Führung. Das Betreiber-Ehepaar empfängt uns freundlich. Wir bestellen erst einmal ein Bier. Es sieht gemütlich aus in der Kneipe. Eine Menschenmenge hat sich dort an Bierzeltgarnituren niedergelassen und kocht. Draußen hätte das nicht viel Sinn.

                        Wir fragen, ob es vielleicht irgendeine Hütte zu mieten gibt. Unser Zelt ist zwar schwimmfähig, aber es reicht irgendwie. Man bietet uns für 20 € einen Wohnwagen an und wir akzeptieren gerne. Endlich im Trockenen. Wir können in einer Art Aufenthaltsraum unsere Sachen zum Trocknen ausbreiten. Es gibt Wi-Fi. Nach einer heißen Dusche wollen wir nur noch schlafen.


                        16. Tag

                        Die ganze Nacht über hat der Regen auf den Wohnwagen geprasselt. Am Morgen ist er eher noch stärker geworden. Der Fahrrad-Club packt und reist ab. Wir beschließen zu verlängern. Wir wollen einfach mal einen Tag faulenzen. Und der Regen ist so stark, dass wir wenig Sinn darin sehen, irgendeine nennenswerte Strecke zurückzulegen. Wir packen unser nasses Zelt aus und legen es auch noch im Aufenthaltsraum zum Trocknen aus. Es sind nun außer uns kaum noch Menschen auf dem Platz, so dass nur noch die Winter-Sanitäranlagen geöffnet werden. Was für ein Luxus. Alles blitzsauber, liebevoll gestaltet und – geheizt. Es besteht eine gewisse Nahrungsmittelknappheit, da es im Ort irgendwie keine Einkaufsmöglichkeit gibt. Wir sind trotzdem zufrieden.

                        Kommentar


                        • grenzenlos
                          Dauerbesucher
                          • 25.06.2013
                          • 566
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #32
                          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                          Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                          Ich denke, es lohnt sich beides.
                          Wir haben auch beides immer sehr genossen auf unseren Radtouren. Ich denke auch, egal wo man unterwegs ist, beides hat seine Vor und Nachteile. Wandern kann noch intensiver sein. Radel ist halt schneller. Beides macht viel Freude und Spaß. Wichtig für uns war immer der Zeitfaktor, denn egal ob nun Radel oder Fuß, es darf halt kein Stress werden. Dann ist in der Regel die Welt irgendwie in Ordnung.

                          Übrigens schöner Bericht. Weiter so + Danke!
                          Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                          Gruß, Wi grenzenlos

                          Kommentar


                          • Sir_Hawk
                            Erfahren
                            • 17.04.2008
                            • 290
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                            Hallo,
                            toller Bericht, schön geschrieben.
                            Wär es möglich, dass du mal kurz euer Equipment aufzählst
                            und ein Bild von den Rädern zeigst?

                            Hoffe, es geht bald weiter.
                            Hawk

                            Kommentar


                            • Enja
                              Alter Hase
                              • 18.08.2006
                              • 4750
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                              Gefahren bin ich mit Koga Miyata Randonneur Lady. 10 Jahre alt. Und laut Auskunft des Vorbesitzers bis zum Kauf 4000 km gelaufen. Ich habe das Vorderrad ausgetauscht. Der Nabendynamo war sehr veraltet. Den vorderen Scheinwerfer habe ich gegen ein hochmodernes Teil gewechselt. Und das war es schon. Das Rad hat einen Stahlrahmen und wiegt 18 kg. Alles ist ziemlich stabil. Tubus-Gepäckträger, Frontrollerträger, Abus-Rahmenschloss, Brezel-Lenker, 9-fach xt-Schaltung, V-Brakes, gefederte Sattelstütze, Pirelli-Ledersattel. Ich hatte mehrere Plattfüße. Natürlich am ausgetauschten Vorderrad.....

                              Vaude-Karakorum-Satteltaschen, Vaude Lenkertasche, (keine Frontroller auf dieser Tour), Hilleberg Nammatj 3, Billigst-5cm-Luftmaträtzchen (hat Dauer-Ärger gemacht), Exped-Comfort-Schlafsack, Benzinkocher, 2x Radkleidung vom Discounter, Keen-Sandalen an den Füßen. Eine PET-Wasserflasche. Helm.

                              So:

                              http://www.google.de/imgres?imgurl=h...QEwAw&dur=2303

                              sieht das Rad aus. Genau so. Meines hat vorne keinen Ständer. Dafür so einen Lenkausschlagbegrenzer, der mir ziemlich gut gefällt. Dadurch haut einem das Vorderrad nicht um die Beine, wenn man steht und keine Hand frei hat.

                              Kommentar


                              • Enja
                                Alter Hase
                                • 18.08.2006
                                • 4750
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #35
                                AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                17. Tag

                                Weiter geht’s. Dank Superkompensation sind unsere Beine mal wieder richtig unternehmungslustig und freuen sich auf die nächsten Steigungen. Es regnet nicht mehr. Und ortsauswärts finden wir auch noch einen großen Supermarkt. Der Jakobsweg will jetzt gleich mal runter an den See, um sofort wieder nach oben zu kommen. Da die Wolken tief hängen und sowieso keine nennenswerte Aussicht ermöglichen, lassen wir den Abstecher aus. So fahren wir zunächst mal auf der Durchgangsstraße abwärts, bis wir an den Abzweig des Sträßchens kommen, das uns nach La Souterraine bringen wird.

                                Sofort wird es wieder unglaublich ländlich. Aber man merkt, dass der Jakobsweg voranschreitet und sich langsam füllt. Es gibt jetzt durchgängig eine Ausschilderung. Und man überholt immer mal Pilger zu Fuß und trifft auch zunehmend welche auf Fahrrädern. Gleichzeitig taucht auch die notwendige Infrastruktur auf. Fast jeder Ort hat jetzt ein Refuge zum Übernachten. Und am Wegesrand gibt es Bars, in denen Pilger einkehren können. Man sieht bemuschelte Rucksäcke an den Stühlen lehnen und bepackte Fahrräder parken.

                                So kommen wir nach La Souterraine. Schon ein interessanter Name für eine Stadt. Die Unterirdische. Irgendwie unterirdisch sieht es auch aus. Die Stadt besteht aus diversen Kreiseln, vergammelnden Vororten, einem überdimensionierten Bahnhof, und einer Innenstadt, die im wesentlichen aus einer Baugrube besteht. In der Mitte die Kathedrale, deren berühmte Krypta, die jeder Jakobspilger unbedingt aufsuchen muss, der Stadt den Namen gegeben hat. In der Kirche riecht es muffig. Auf einem Tisch liegt ein Pilger-Gästebuch, wo man sich in diversen Spalten bemüht, die Pilger irgendwie zwecks Statistik in Schubladen zu ordnen. Die berühmte Krypta ist verschlossen.

                                Wir haben wieder mal Schwierigkeiten, die richtige Straße zwecks Ausfahrt aus der Stadt zu finden. Das kommt von dem Nebenstrecken-Konzept. Je unbefahrener die Straße, desto unscheinbarer oder unvorhandener die Beschilderung. Irgendwann müssen wir uns auch Gedanken machen, wo wir übernachten wollen. Weit und breit ist kein Campingplatz zu haben. Also eine Pilgerherberge? Ständig sind wir an welchen vorbeigekommen. Aber wenn man eine sucht….. In St. Priest en Feuille und Chamborand finden wir sie nicht. Wir suchen aber auch nicht besonders intensiv. In Benevent l’Abbaye wird es klappen. Ein verschlafener Ort mit einer großen Kirche. Es ist kurz vor Ladenschluss. Laut Führer muss man in der Apotheke nach dem Refuge Pelerins fragen. Die Apothekerin lacht. Ja, es gibt eins. Aber nicht das, das im Führer steht. Und sie ist auch nicht zuständig. Es gibt ein Refuge municipal. Mit vier Betten. Heute schon belegt von zwölf Pilgern. Wir könnten sechs km in den Nachbarort fahren und dort fragen. Oder Mme Irgendwie fragen. Die nimmt manchmal Pilger auf. Oder was auch immer. Irgendwo auf Verdacht in die Gegend fahren, liegt uns nicht so. Wir fahren weiter.

                                Um den nächsten Ort zu erreichen, müssen wir bei bereits einbrechender Dunkelheit die höchste Stelle der Via Lemovicensis überqueren. Also an die Arbeit. Wir treten kräftig in die Pedale und sind schneller oben als gedacht. Solche Steigungen können uns inzwischen nicht mehr schrecken. Oben gibt es eine schöne Aussicht. Vor allem auf eine imposante Bergwelt. Sehr ermutigend. Wir fahren ab nach Chatelus le Marcheix. Dort müssen wir übernachten. Es ist praktisch dunkel und nach dem Ort warten die nächsten Bergketten.

                                Das ist auch kein Problem. In dem Ort gibt es eine Auberge du Peuple (was immer das sein soll), einen Campingplatz und ein Hotel. Groß ist er nicht. Das erleichtert die Suche. Man sieht keinen Menschen und kein Licht. Als erstes fahren wir an der Auberge vorbei: ferme. Alles dunkel. An der Kreuzung steht das Hotel. Mit Brettern vernagelt. Der Campingplatz ist ausgeschildert und liegt auf einer Kuppe. Sehr schön, aber geschlossen. Das kennen wir schon. Wir suchen uns ein nettes Eckchen neben einer Tisch-Bank-Kombination und lassen uns nieder. Eingekauft haben wir. Auch relativ viel Wasser dabei. Es wird eine sehr ruhige Nacht. Ohne irgendein Geräusch. Auch von hier oben sieht man kein einziges Licht im Ort.

                                Kommentar


                                • Enja
                                  Alter Hase
                                  • 18.08.2006
                                  • 4750
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                  18. Tag

                                  Gut erholt frühstücken wir bei herrlicher Aussicht mutterseelenallein auf unserer Hügelkuppe. Vorbei an einer verlassenen Tankstelle verlassen wir den Ort und überholen kurz darauf zwei Pilgerinnen, die munter ihre Wanderstöcke schwingen. Sie haben es also auch irgendwie geschafft, in diesem Ort zu übernachten.

                                  Die Straße ist völlig autofrei, gut zu befahren und führt durch eine eindrucksvolle bergige Landschaft, in der sich immer wieder schöne Ausblicke finden. Ab und zu geht es durch ein kleines Dorf. Und es gibt so viele romanische Kirchen, dass wir gar nicht alle ansehen können. Viele sind auch abgeschlossen. Wir rasten gerne an den Kirchen. Dort gibt es meistens Bänke in hübscher Umgebung. Bei Bedarf auch Schatten. Wenn, wie heute, die Sonne mal rauskommt. Neben diesen angenehmen Aspekten ist die Strecke vor allem eins: anstrengend.

                                  Als zwischen den Hügeln die Kirchturmspitze von St. Leonard de Noblat auftaucht, können wir uns deshalb gut vorstellen, dass es schön wäre, mal etwas ebenere Verhältnisse anzutreffen. Der Ort liegt an der Vienne, wie auch Limoges. Da könnte man doch dem Fluss folgen und relativ eben dort hinkommen. Aber nein, das wäre zu einfach. Erstens führt keine Straße dran entlang. Was kein Wunder ist, da der Fluss einen großen Bogen schlägt. Die Straße, die am ehesten in die Richtung führt, ist die Hauptverkehrsstraße. Sowas wird nach unserer Erfahrung um so unangenehmer, je mehr man sich größeren Städten nähert.

                                  In den Ort hinein bekommen wir schon mal eine Kostprobe. Es geht fleißig berauf. Wohin auch sonst. Die Straße ist eng. Und LKW auf LKW rauscht an uns vorbei. Das wird so heftig, dass wir seitlich abbiegen. Was sich als gute Idee erweist. Wir landen direkt in der Altstadt, die sehr mittelalterlich wirkt. Das ist schön anzusehen. Und das kann man von einer netten Bar aus. Natürlich besuchen wir auch die Stiftskirche in ihrer romanischen Pracht. Hier befindet sich das Grab des heiligen Leonhard. An der Wand hängen seine Ketten. Das wird zusammen mit dem strengen Schimmel-Geruch etwas morbide. Finster ist es auch.

                                  Am Ortsausgang überquert die Durchgangsstraße die Vienne auf einer Bogenbrücke aus dem 13. Jahrhundert. Diese Brücken begeistern uns immer wieder. Vor der Brücke gibt es einen Abzweig an den flott dahinsprudelnden Fluss. Das Ufer mit Bänken garniert. Da müssen wir doch gleich mal eine Pause einlegen. Bald hinter der Brücke biegen wir nach links aus dem Tal aus. Es geht steil nach oben. Schön ist es hier. Ein Bach stürzt nach unten Richtung Vienne. Malerische Gehöfte liegen im Grünen. Und bald sind wir auch hoch genug, um immer wieder eine schöne Aussicht zu genießen. Die Wegweiser werden sparsam, so dass wir nicht mehr so wirklich wissen, wo wir sind. Jedenfalls geht es immer höher.

                                  Bis wir schließlich in das nächste Tal abfahren und dort eine Straße finden, die uns nach Limoges bringen soll und die, laut Wanderführer weniger befahren ist, als die, von der wir wegen zu starken Verkehrs abgebogen sind. Das ist natürlich relativ. Je mehr wir auf Limoges zu kommen, desto mehr Autos und vor allem auch LKWs füllen die Straße. Für uns bleibt nicht viel Platz. Besonders schwierig wird das, wenn es stark bergauf geht und dabei der Seitenstreifen direkt an den Abgrund grenzt und immer schmaler wird.

                                  Wir biegen mehrmals ab, werden aber immer wieder auf die Durchgangsstraße zurückgeführt. Das Gelände ist sehr uneben. Seitenstraßen führen in irgendein Wohngebiet oder auf einen Hof und enden dort. Uns bleibt nur die Straße. Wie immer bei solchen Stadteinfahrten geht es lange durch Vororte und vor allem auch Gewerbegebiete. Schließlich überqueren wir die Vienne und sind damit in der Innenstadt angekommen. Erstmalig habe ich hier das dumme Gefühl, dass die der motorisierte Verkehr beschlossen hat, uns zu übersehen und damit zu überrollen. An einer Ampel kann ich gerade noch auf den Bürgersteig flüchten. Das ist mir zuviel. Wir schieben weiter und biegen bei nächster Gelegenheit ab in eine ruhigere Seitenstraße.

                                  Wir besichtigen die Kathedrale und die umliegenden Parks und Gärten mit ihrer Aussicht über die Vienne unten im Tal. Schieben durch ein sehr übersichtliches Areal idyllischer Altstadt und laufen dann erst einmal bei der Touri-Info auf. An die Hilfsbereitschaft dieser netten Leute haben wir uns schon gewöhnt. Sie sind zwar unterschiedlich ausgestattet, aber in so einer Stadt natürlich maximal. Es gibt komfortable Toiletten. Wi-Fi. Eine Sesselecke, um mal gemütlich mit Internetzugang auszuruhen. Und eine gute Stadtkarte, wo man uns den Weg zum Campingplatz (relativ weit außerhalb) einzeichnet. Eine Oase im Großstadtgetümmel sozusagen.

                                  Die Innenstadt selber spricht uns nicht besonders an. Groß. Dreckig. Viel Verkehr. Baustelle an Baustelle. Schwierige Orientierung wegen eines komplizierten Geflechts an Einbahnstraßen und Sackgassen. Wobei man nicht denken muss, dass man mit dem Rad da schon irgendwie durchkommt. Das verhindern diverse Treppen.

                                  Nach Besichtigung machen wir uns auf den Weg zum Campingplatz. Es geht kontinuierlich bergauf. Die Straße ist eng. Der Verkehr stark. Der Platz liegt an einem See. Hinter einem gigantischen Einkaufszentrum. Er ist gepflegt und gut unterhalten, dabei schwach belegt. Wir haben viel Platz. Vom Badesee haben wir nichts. Es ist viel zu kalt für solche Unternehmungen.

                                  Kommentar


                                  • Enja
                                    Alter Hase
                                    • 18.08.2006
                                    • 4750
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #37
                                    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                    19. Tag

                                    Für die Weiterfahrt müssen wir Limoges einmal von Nord nach Süd durchqueren. Dank Stadtplan finden wir diesmal auf Anhieb die richtige Ausfahrt. Bis Aixe sur Vienne geht es abwärts. Dort überqueren wir die Vienne zum letzten mal und biegen auf eine Nebenstrecke ein, die aus dem Tal heraussteigt. Natürlich erst, nachdem wir noch einmal gemütlich am Flussufer gerastet haben. Das wird langsam zur Gewohnheit.

                                    Über Lavignac und Flavignac geht es nach Les Cars. Die Landschaft ist hier unspektakulär. Mal wieder die Variante „grüne Wellen“, an der man sich verausgaben darf. Die Dörfchen werden auch zur Gewohnheit. Im „Groben“ geht es jetzt auf Perigueux, also das Perigord zu. Das ist eine schöne Gegend. Da sind wir dafür. Wir möchten jetzt auch endlich im Süden ankommen und es wärmer haben. Wir sitzen abends immer noch dick eingemummelt am Zelt. Die richtig warmen Sachen wollten wir eigentlich heimschicken.

                                    Vor uns baut sich jetzt ein sehr imposanter Berg auf. Oben drauf stehen jede Menge Antennen. Wir taufen ihn den CIA-Berg. Der Jakobsweg biegt davor nach Westen aus, um diesen Berg zu umfahren. Wir überlegen. Geradeaus wäre es wesentlich kürzer. Schaffen wir das, einfach drüber zu fahren? Nach Chalus zieht uns irgendwie nichts. Also los. Der Weg führt auf den Berg zu. In ein Tal. Wir sind gespannt auf die Steigung – und nun geht es nur noch bergab. Das ist mal wieder so eine „Variante“, die sich als unerwartet schön erweist. Es geht durch ein sehr schönes Tal kontinuierlich abwärts. Dabei ändert sich nun die Vegetation. Wir sind offensichtlich in Frankreichs Süden angekommen. Sogar der Geruch ist nun anders.

                                    Bei La Coquille treffen wir wieder auf die N21. Und da wir gerade mal Lust auf Kilometer-Schrubben haben, biegen wir auf die breit ausgebaute Straße ein und treten kräftig in die Pedale. Zeitgleich senkt sich die Landschaft. Es geht anscheinend nur noch bergab. Die N21 hat hier einen überbreiten Seitenstreifen. Wir fühlen uns wie auf einer Fahrrad-Autobahn. Die Landschaft rast nur so vorbei.

                                    Abends landen wir auf einem Campingplatz bei Sarliac. Er liegt gut versteckt. Von der N21 hört man hier nichts. Wir zelten in einer Flussschlaufe des Isle. Über der grünen Wiese hängt Nebel. Wobei es recht warm ist, so dass uns der schöne Pool ganz recht kommt. Endlich Sommer. Wir legen schon mal das Sonnenöl bereit.

                                    Kommentar


                                    • Enja
                                      Alter Hase
                                      • 18.08.2006
                                      • 4750
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #38
                                      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                      20. Tag

                                      Bis Perigueux ist es jetzt nicht mehr weit. Wir bleiben auf der N21 und zweigen dann auf einen Radweg in die Stadt ab. Das ist natürlich Luxus. Es ist heiß. Die Sonne prallt. Ab jetzt hält man besser im Schatten. Schnell sind wir in der Innenstadt und laufen ein wenig durch die Gassen. Anschließend besichtigen wir die Kathedrale. Ein merkwürdiger Bau. Man hat in Zeiten des Historismus das Dach abgebaut, so dass die Kuppeln über den Kirchenschiffen jetzt den oberen Abschluss bilden, was der Kathedrale ein merkwürdig byzantinisches Aussehen gibt. Die Kirchen werden im Moment gerade alle großzügig mit Blumen geschmückt. Bald ist Pfingsten.

                                      Wir verlassen Perigueux am Isle entlang. Da gibt es einen ausgeschilderten Flussradweg, was wir natürlich genießen. Auch wenn die Jakobsweg-Schilder in eine andere Richtung zeigen. Wie immer lässt er keinen Hügel und vor allem keine Kirche, kein Kloster aus. Wir dagegen schon. Wir fahren solange am Fluss entlang, wie das geht. Als der Weg aufhört und wir kurz anhalten, um zu gucken, wie es weitergeht, werden wir von Mückenschwärmen geradezu aufgefressen. Also nichts wie weg in Richtung Straße.

                                      Wir passieren viele hübsche Orte. In St. Astier sehen wir uns die Kirche an und der Herstellung des dortigen Blumenschmuckes zu. Hier gibt es außerdem nette Gassen und einen Markt. Anschließend halten wir noch beim Discounter. Wie schon öfter kommt jemand auf mich zu und schenkt mir Blumen. Wenn die Leute unsere Muscheln sehen, fragen sie nach dem Woher. Das Wohin ist ihnen klar. „Kann ich etwas für Sie tun?“ „Beten Sie für mich, wenn Sie dort sind.“ Die Franzosen haben augenscheinlich einen starken Bezug zum Jakobsweg. Das sind sehr nette Begegnungen. Im Moment brauchen wir aber definitiv keine Unterstützung. Anfänglich wusste ich nicht so recht, was ich mit diesen Fahrrad-Dekorationsblumen anfangen sollte. Sie werden so liebevoll überreicht, dass ich sie nicht in einen Papierkorb stecken würde. Gleichzeitig werden sie aber natürlich sehr schnell welk. So habe ich sie an Wegkreuzen niedergelegt. Die gibt es hier am Jakobsweg überreichlich. Meist liegen dort schon Blumen.

                                      Da es recht warm ist, kehren wir im nächsten Ort in eine schattige Bar ein, in der schon ein deutscher Pilger sitzt. Er ist erst in Perigueux losgelaufen und hat noch nicht viel zu berichten. So bummeln wir durch die Örtchen. Schließlich überqueren wir den Fluss in Richtung Mussidan und treffen dort auf einen sehr schönen Markt. Wir parken unsere Räder und lassen uns von der Menschenmenge zwischen den Ständen durchschieben, auf denen Spezialitäten jeder Art angeboten werden. Man kann sich kaum entscheiden, was man mal probieren möchte.

                                      Und schon geht es wieder aufwärts. Über die Berge in Richtung Dordogne-Tal. Wir haben im Internet einen Campingplatz kurz vor der Talabfahrt gefunden. Die sind hier rar. Die meisten, die es gibt, öffnen erst am 1. Juli. Wenn es denn überhaupt welche gibt. Mal wieder sind wir auf einer Nebenstraße bergauf unterwegs. Aber hier gibt es eine Besonderheit. Überall auf der Straße liegen überfahrene Schlangen. Dick. 1,50 m lang. Plattgefahren. Bis zu diesem Moment haben wir unterwegs weder tote noch lebendige Schlangen getroffen. Aber das gibt nun irgendwie zu denken. Suchen wir vielleicht doch zu leichtfertig das grüne Gestrüpp am Wegesrand auf, wenn uns mal danach ist? Ab jetzt gucke ich sehr genau, wohin ich trete.

                                      Auch diese Strecke zieht sich. Wir könnten mal ankommen. Am eigentlichen Abzweig von der Straße (aus dem wir am nächsten Morgen wieder in die Straße einbiegen) steht kein Schild (mehr). An der nächsten Kreuzung geht es bereits nach Monfaucon ab. Wir sind zu weit. Wir fahren mal in die Richtung und fragen einen Mann, der in seinem Garten arbeitet, nach dem Weg. Er empfiehlt uns durch den Ort bis zur Kirche zu fahren und dort rechts ab. Dann so ca. 7 km geradeaus. Da wäre der Platz. Das Schild am Abzweig an der Kirche hätte jemand umgefahren. Da stünde also (auch) keins mehr. Ein gut versteckter Platz. Das ist bestimmt umsatzfördernd.

                                      Der Weg ist sehr schlecht. Asphalt nur noch in Resten. Schotter, große Löcher und steil bergab. Wir fragen uns, ob wir da wohl richtig sind. Aber genau auf den Punkt stehen wir vor einer großen Einfahrt, geschmückt mit diversen Fahnen. Die Anlage ist groß und fast völlig verlassen. Die Bungalows stehen leer. Ein einziges Zelt wird gerade aufgebaut. In Rezeption und Restaurant ist niemand. Wir bewundern einen großen See, mückenumschwirrt natürlich, ein großes Schwimmbecken (Pool kann man dazu schon nicht mehr sagen) und eine Badelandschaft mit diversen Großrutschen. Alles ohne Wasser.

                                      Den mürrischen Betreiber klopfen wir aus seinem Wohnhaus. Er sagt uns, es sei zwar offen, aber wenn keiner käme, lohne sich das nicht. Ob wir wirklich bleiben wollen? Ja, doch. Wohin denn sonst. Wir sollen unser Zelt aufbauen, wo wir wollen. Die Anmeldung könnte man doch morgen machen. Es sei denn, wir wollen vormittags weiter. Doch, das wollen wir. Brummig kassiert er einen ungeheuer hohen Betrag. Wegen der Badewelt. Dann brauchen wir ihn nicht mehr. Im Grunde ist für alles gesorgt. Wenn auch im Waschhaus offensichtlich nach der Winterpause noch nicht sauber gemacht wurde. Wir stellen uns vor, wie er dort sitzt und sich wundert, dass keiner mehr kommt, weil es keine Zufahrtsschilder mehr gibt, deren Reparatur aber leider völlig über seine Kräfte geht.

                                      Kommentar


                                      • Enja
                                        Alter Hase
                                        • 18.08.2006
                                        • 4750
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #39
                                        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                        21. Tag

                                        Der Morgen begrüßt uns mal wieder mit einem Platten. Wieder vorne. Und wieder erst bei Abfahrt bemerkt. Aber dann geht es weiter. Hier hält uns nun definitiv nichts. Auf der „richtigen“ Strecke kommt man auf besserem Weg zur Straße zurück, ein kurzes Stück noch bergauf und dann eine lange rasante Abfahrt durch den frischen Morgen runter an die Dordogne. Wir erreichen sie in Le Fleix, wo wir gleich erst einmal in der dortigen Auto-Reparaturwerkstatt ums Reifenaufpumpen bitten. Kein Problem. Auch hier ist man sehr hilfsbereit. Am Fluss entlang nach Ste Foy et Ponchapt ist es nicht weit. Und hier geht es schon wieder über den Fluss und aus dem Tal heraus. Wir statten den Flüssen auf dieser Tour in der Regel Kurzbesuche ab. Die meisten werden schlicht nur überquert. Im Ort sehen wir uns kurz die Kirche an und lesen in unserem Führer, dass man hier bei Bedarf im Obdachlosenasyl übernachten kann. Gut, dass es noch zu früh für die Quartierssuche ist.

                                        Sofort wird es wieder ländlich. Sehr ländlich. Immer ländlicher. Ich habe die Route vorher zusammengesucht und eine Art Roadbook dazu geschrieben, dass im wesentlichen die Orte, die Richtungsänderungen und die Bezeichnungen der Straßen enthält. Das ist sehr verlässlich. Solange wir uns nach den Straßennummern richten, sind wir völlig auf dem richtigen Weg. Manchmal kann man das kaum glauben, so einsam ist es. Dabei sind die Orte genauso verlassen wie seit Lothringen meistens. Es gibt also kaum Möglichkeiten mal jemand zu fragen.

                                        In St. Ferme halten wir an dem dortigen ehemaligen Kloster. Es ist riesig. Und auch menschenleer. Gegenüber ist das Refuge Pelerins. Man sieht Rucksäcke an der Wand lehnen. Dort ist tatsächlich jemand. Auf dem Weg haben wir niemanden überholt.

                                        Weiter geht es nach La Reole. Der Ort ist gar nicht klein. Er liegt an der Garonne, über die eine hübsche Brücke führt. Über dem Ort liegt ein riesiges Kloster. Als wir auf dem zentralen Platz ankommen, beginnt gerade eine Volkstanzaufführung. Alle Männer haben Baskenmützen auf. Wir sind im Baskenland angekommen. Eine Kapelle spielt. Wir setzen uns dazu und sehen uns das an. Die Sonne scheint. So könnte es bleiben.

                                        Aber wir möchten jetzt erst einmal auf den Campingplatz an der Garonne. Überraschung: Er ist geschlossen. Nun könnten wir uns natürlich da niederlassen, wie wir das schon öfter gemacht haben. Aber der Platz ist eine Wiese ohne Baum und Strauch. Von der Stadt her komplett einsehbar. Und auf dieser Seite ist ein Gewerbegebiet in dem merkwürdige Gestalten unterwegs sind. Das spricht uns nicht an. Also weiter. Der nächste Platz ist in Bazas. Dort gibt es sogar zwei.

                                        Jetzt müssen wir uns natürlich beeilen. Bis Bazas ist es noch weit. Wir haben also keine Zeit mehr für Stopps. Das ist schade, weil es unterwegs nette Dörfer gibt. Überall wird gefeiert. Da könnte man sich gut mal anschließen. Aber mal so richtig Gasgeben macht auch Spaß. Wir erreichen Bazas also mit dem letzten Licht. Wir fahren durch den Ort. Kein Hinweis auf einen Campingplatz. Wo sollen sie sein? Wir folgen der Internet-Beschreibung. Es geht, natürlich bergauf, aus dem Ort heraus. Und als wir das ganze schon für einen Scherz halten, zeigt auch endlich ein Wegweiser in einen Abzweig und nach einem kurzen Stück Piste kommen wir in einer Art Freizeitpark an. Der übrigens beide Plätze ist. Wenn man das so sagen kann. Jedenfalls stehen beide Namen dran.

                                        Wir melden uns an. Bauen unser Zelt auf und gehen in die angeschlossene Kneipe. Sowas ist doch mal eine nette Abwechslung. Der Platz hat nicht nur allerhand Kinderspielplätze, Minigolf usw., sondern auch einen überdeckten, geheizten Pool, einen Außenpool und einen See. Wir beschließen spontan bei gutem Wetter mal einen Ruhetag einzulegen und bei der Gelegenheit unsere Wäsche zu waschen. Morgen ist Pfingsten….

                                        Kommentar


                                        • Enja
                                          Alter Hase
                                          • 18.08.2006
                                          • 4750
                                          • Privat

                                          • Meine Reisen

                                          #40
                                          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                          22. Tag

                                          Die Sonne scheint. Es ist Pfingsten. Wir hängen die frisch gewaschene Wäsche in die Sonne und machen uns auf den Weg in den Ort, um einkaufen zu gehen. Auf dem Kirchplatz hat sich eine regelrechte Menschenmenge versammelt. Wir fahren erst einmal vorbei, auf der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten. In dem hübschen Ortskern finden sich Läden jeder Art. Von diversen Spezialitätenläden bis zum Lebensmittelgeschäft. Wir beschließen, mal etwas aufwändiger zu kochen, da wir heute genug Zeit und kein Transportproblem haben.

                                          Dann schließen wir uns den Menschen auf dem Kirchplatz an. In der Kirche geht der Pfingstgottesdienst gerade dem Ende zu. Wir kommen genau rechtzeitig zum Pilgersegen. Dazu reihen sich insgesamt 16 Pilger auf. Die anderen alle in voller Montur. Danach geht es vor die Tür. Vorweg marschiert ein Musikzug mit Querflöten und Trommeln. Die Musikanten in den baskischen Trachten, die wir schon in La Reole erlebt haben. Vor der Tür stehen kleine Jungs auf Stelzen Spalier. Auf sehr hohen Stelzen. Da sie Schaffellwesten tragen, vermute ich mal, dass das irgendeine Hirtentradition ist.

                                          Wir sehen uns die archäologischen Ausgrabungen hinter der Kirche an, finden dort einen hübschen Garten mit Bänken und schöner Aussicht, wo wir einen kleinen Frühschoppen einlegen. Nun ist auch die Kirche zu besichtigen. Der Pfarrer übt inzwischen mal mit den werdenden Kommunionskindern. Die Kirche ist interessant. Wir haben allerdings inzwischen so viele gesehen, dass sie in der Erinnerung nur noch schwer auseinander zu halten sind.

                                          Zurück auf dem Campingplatz packen wir unsere Badesachen aus und gehen in Richtung Pool. Unter der Überdachung ist es so heiß, dass es kaum auszuhalten ist. Das Wasser ist dazu auf Badewasser-Temperatur aufgeheizt. Man fühlt sich also eher wie in einer Sauna. Das Wasser draußen ist dagegen eiskalt.

                                          Nach einer Mittagspause gehen wir noch einmal baden. Inzwischen hat man das Dach weggefahren und nun ist das Baden das reinste Vergnügen, das wir genießen, bis es Zeit ist bei Sonnenuntergang ein Glas Rotwein zu trinken.


                                          23. Tag

                                          Auf der Karte liegt Bazas direkt an der Grenze zwischen Bergland und Tiefebene. Praktisch ist von oben von hier von der Ebene noch nichts zu sehen. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass es heute tendentiell eher bergab bzw. eben zugehen wird. So klein der Ort ist, hier kreuzen sich zwei Hauptverkehrsstraßen und eine Autobahn schlängelt sich auch noch vorbei. Wir brauchen also die übliche Vollrunde, bis wir die richtige Ausfahrt finden. Immerhin finden wir dabei auch noch eine Ansammlung großer Supermärkte, die es nach Beschreibung der Camping-Rezeption nicht gibt. Heute haben sie geschlossen. Gestern war Sonntag, da war vormittags geöffnet. Heute am Pfingstmontag nicht. Da finde mal einer durch. Glücklicherweise sind wir versorgt, so dass uns das nichts ausmacht.

                                          Kurz darauf geht es bergab und weiter durch eine völlig ebene Landschaft. Wir entschließen uns, die Hauptstrecke zu nehmen. Die Straße ist wunderbar ausgebaut. Der glatte Asphalt wirkt fast wie Rückenwind, den wir zusätzlich noch haben. Der Seitenstreifen ist breit und sauber. Es gibt kaum Verkehr, vielleicht feiertagsbedingt. Die Orte liegen bis zu 30 km auseinander. Die Straße geht schnurgeradeaus. Links und rechts ist Wald. Die größten Mücken, die wir bisher getroffen haben, surren in dichten Wolken herum und stürzen sich auf uns, sobald wir anhalten. Diese Rahmenbedingungen verleihen uns regelrecht Flügel. Wir legen die Strecke bis Mont de Marsan in Rekordzeit zurück.

                                          Wir fahren meist mit mehr oder weniger großem Abstand. Jeder in seinem Tempo. Dabei achten wir normalerweise drauf, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Heute wird der Abstand weit. Man kann weit voraus sehen, da es keine Kurven gibt. Aber aus der Ferne sind die Radfahrer natürlich nicht mehr eindeutig zu identifizieren. Und so gebe ich mir große Mühe, einen Radfahrer einzuholen, der mir, als ich ihm näherkomme, völlig fremd ist. Meinen Mann habe ich längst irgendwo überholt, wo er ein Foto machte, ohne ihn zu sehen.

                                          Spannend. Wir haben für solche Fälle normalerweise Handys dabei. Meins mag aber kein Roaming. Ist jetzt also nutzlos. Ich beschließe, erst einmal bis in den Ort zu fahren und dort vor der Kathedrale zu warten. In der Hoffnung, dass er da auch auftauchen wird. Er denkt, ich sei hinter ihm und wartet am Ortseingang. Als ich nicht komme, vermutet er eine Panne und kehrt um. Ich stelle fest, dass es keine Kathedrale gibt. Auch kein irgendwie definiertes Ortszentrum. Hm. Ich frage in der Touri-Info, ob ich mal zu Hause anrufen darf. Kein Problem. Obwohl man für das Auslandsgespräch erst ein anderes Telefon holen muss. Geld will man auch keines dafür. Meine Tochter schickt meinem Mann eine SMS. Kurz darauf treffen wir uns vor der Touri-Info.

                                          Wir könnten hier übernachten. Es ist aber noch relativ früh und wir sind fit. Bis Saint Jean Pied de Port sind es, wenn man unsere übliche Reisegeschwindigkeit beachtet, noch 2,5 Tage. Wie stark uns das Pyrenäenvorland ausbremsen wird, ist schwer zu kalkulieren. Also auf nach St. Sever. Wir nehmen die Autobahn. Na gut, an sich ist es keine. Man darf hier fahren. Sieht aber aus wie eine Autobahn und fühlt sich für uns auch so an. Der Seitenstreifen ist komfortabel, die vorgeschlagenen Haken zur Autobahnvermeidung sehen umständlich und steigungsreich aus. Wir versuchen das mal. Die Abfahrten sind relativ dicht. Die Strecke verlassen, können wir also bei Nichtgefallen problemlos.

                                          Der Verkehr erweist sich als moderat, was wohl am Feiertag liegt. Die Steigungen sind gut fahrbar. Wir kommen zügig nach St. Sever. Auch da könnten wir übernachten. Wir überlegen und fahren erst einmal in den Ort. Der Campingplatz liegt vor dem Ort unten am Fluss. Der Ort oben auf einer Hügelkette. Wir arbeiten uns da rauf, finden oben einen netten mittelalterlichen Ortskern und sehen uns erst einmal die Kirche an, um dann in der Bar gegenüber einzukehren. Das Pilger-Refuge ist gleich um die Ecke. Die Pilger bevölkern die Bar. Wir quatschen ein bisschen und sitzen bequem.

                                          Schließlich entschließen wir uns aber doch, noch bis Haguetmau weiterzufahren. Für die Übernachtung in St. Sever müssten wir wieder nach unten und am nächsten Morgen wieder rauf. Das ist gegen unser Prinzip. Wir fahren auch nicht wieder runter zur „Autobahn“, sondern nehmen den Weg durch die Hügel über Audignon und Horsarrieu. Als wir die Ausfahrt suchen, stellen wir fest, dass St. Sever größer ist als gedacht. Aber wir finden das richtige Sträßchen und fahren im Abendlicht in die Hügel. Außer uns ist hier praktisch niemand unterwegs. In Audignon sehen wir uns die romanische Kirche an, die allerdings schon geschlossen ist. Aber von außen ist sie auch sehr schön.

                                          Wir biegen auf eine noch schmalere Straße ein und müssen nun noch ganz schön arbeiten für die fortgeschrittene Zeit. Es geht endlos bergauf bis in den nächsten Ort. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis Haguetmau. Vor dem Ort stoßen wir auf ein CP-Schild, das uns auf die Umgehungsstraße schickt. Wir umrunden den Ort, finden aber kein weiteres. Wir fragen uns schließlich durch und stehen irgendwann vor dem Eingang des Platzes. „Ferme“ steht dran. Der Platz liegt, ähnlich wie in Auxerre, in einem großen Sport- und Freizeitzentrum. In einem kleinen Häuschen neben der geschlossenen Rezeption ist Licht. Wir klopfen. Abweisen lassen, wollen wir uns nicht mehr. Es ist längst dunkel und zu spät, noch weiterzufahren. Wir sind gerne bereit, auf dem „geschlossenen“ Platz zu übernachten, möchten das aber nicht ohne Einverständnis des Mannes tun, der offensichtlich so eine Art Platzwart ist. Er schlägt uns vor, im Pilger-Refuge des Ortes unterzukommen. Gibt aber zu, dass da jetzt niemand mehr ist. Er telefoniert mit dem Bürgermeister. Nach langem Hin und Her bekommen wir die bürgermeisterliche Genehmigung, zu bleiben. Bürgermeister sind in Frankreich ganz offensichtlich für alles und jedes zuständig. Das haben wir schon öfter erlebt.

                                          Der Platz ist sehr gepflegt. Wir werden auf eine von Hecken umgebene Grasfläche geführt. Ein eigenes Waschhaus steht drauf. Der nette Mann schaltet uns Wasser und Strom ein, probiert noch aus, ob das Duschwasser auch warm genug und alles sauber ist. Schraubt an der Küchenspüle eine neue Glühbirne ein und bringt Clopapier. Alles perfekt. Am nächsten Tag sollen wir uns im Hallenbad anmelden. Wir danken und machen es uns gemütlich.

                                          Kommentar

                                          Lädt...
                                          X