[FI] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

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  • Torres
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    Liebt das Forum
    • 16.08.2008
    • 30593
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    • Meine Reisen

    #41
    AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

    Vielen Dank für die netten Kommentare.

    @Chouchen
    Danke für die Erläuterung und Gratulation zu dem Teil. Ich habe Tretschlitten mit der Ausnahme in Kilopää vor allem in den Städten gesehen, aber auch da nur selten. Als Wintersportgerät hat es keiner benutzt, da dominierten die Skier. Wenn es bei uns hier mehr Schnee gäbe, würde ich glatt überlegen, ob ich mir nicht so ein Teil zulege. Fürs Flachland dürfte der prima sein.
    Oha.
    (Norddeutsche Panikattacke)

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    • Torres
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      Liebt das Forum
      • 16.08.2008
      • 30593
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      • Meine Reisen

      #42
      AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

      18.01.2013 Schneeschuhtour. Ca. 6,5 km

      Am nächsten Morgen packe ich meine Schneeschuhe aus und begebe mich an den Ausgangspunkt der Skitour. Irgendwo hier muss auch der Einstieg in den Schneeschuhkurs sein.





      Zwei Engländerinnen haben die gleichen Probleme mit ihren Skiern wie ich gestern und ich bekunde meine Solidarität. Zwei Asiatinnen mit weißem Mundschutz betrachten die Infotafeln. Ist der Mundschutz gegen die Kälte? Es sieht immer ein bißchen nach Smogalarm aus. Da ich keinen separaten Einstieg finde, folge ich der Empfehlung einer Skifahrerin und laufe ein Stück auf dem Skitrack von gestern.





      Kurz darauf geht es links ab und ich bin auf dem Schneeschuhwanderweg. Darth Vader grüßt.








      An einem Abhang bleibe ich stehen. Zwei Schneeschuhwanderer überholen mich und laufen leichtfüßig hinunter. Ich taste mich lieber herunter. Noch habe ich meinen Rhythmus nicht gefunden.
      Bald stelle ich fest, dass ich viel besser Steigungen laufen kann, wenn ich die Haltung, die ich gestern für das Skifahren gebraucht habe, einnehme. Mit geübtem Blick sondiere ich die Umgebung. Im Schnee sieht man immer wieder Kanten, die so aussehen, als wäre dort jemand gelaufen. Ich vermute Steine und Flüsse als Ursache. Das Gelände ähnelt dem Weg bei Turku. Den Schnee, der hier liegt, hätte ich gebraucht.





      Ich überschreite die Brücke zum Nationalpark. Fahrradfahren ist hier verboten.





      Unter dem Schnee fließt der Fluss.








      Der Weg ist auch ein Naturlehrpfad.





      Ein steiler Aufstieg wartet auf mich und ich beschließe, mit der neuerworbenen Technik hinauf zu stürmen. Es funktioniert bestens. Hier der Blick von oben. Der Weg verläuft neben der Treppe. Meine Schneeschuhe geben mir das Gefühl von Sicherheit. Und es macht einfach Spaß. Das muss ich öfter machen.




      Der grüne Wegweiser markiert eine 2,5 km lange Tour, der orangene Wegweiser eine 6 km lange Tour. Ich werde die lange Tour gehen. Die Landschaft ist tief verschneit. Der Weg ist gepurt, aber auch neben dem Weg ist der Schnee nicht hoch. Kein Vergleich mit den ungespurten Flächen im letzten Jahr in Rovaniemi. Ich bleibe dabei: Es kommt mir vor, als wäre hier in diesem Jahr wenig Schnee. Immer wieder sehe ich die typischen Anzeichen der felsigen Landschaft, die ich von Turku her kenne. Nicht nur weil hier Naturschutzgebiet ist, ist es ratsam, auf dem Weg zu bleiben. Links von mir befindet sich eine tiefe Schlucht.














      Aus Richtung Saariselkä ertönen Geräusche von Schneemobilen. Der Lärm zerreißt die Stille. Ich erspare mir einen Kommentar. Gedanken mache ich mir schon.











      Ein Bohlenweg. Auch diese Stellen sind besonders tückisch. Obwohl ich aufpasse, rutscht mein Fuß seitlich in die Tiefe. Die Schneeschuhe federn den Fuß ab. Als Wanderer kann man sich da schnell verletzen, wenn die Stelle nicht erkennbar ist.





      Immer weiter steigt der Weg an und dringt schließlich in baumlose Regionen vor.











      In der Ferne liegt Saariselkä.





      Ein scharfer Wind setzt ein.











      Die Sicht wird schlechter und es wird unangenehm kalt. Die Spuren der Wanderer vor mir sind verschwunden. Nur an wenigen Stellen sieht man noch einen Fußabdruck. Sie haben eine halbe oder sogar eine Stunde Vorsprung und dennoch hat der Wind ihre Spuren getilgt. Wie schnell das geht. Jetzt noch ein wenig Schneetreiben und man hat keine Orientierung mehr. Deshalb wird die Wegweiserdichte nun erheblich höher. Wetterumschwünge dürften hier an der Tagesordnung sein. Nicht umsonst liegt in der Mappe im Hotelzimmer das folgende Dokument:






      Die Sicht verschlechtert sich immer stärker. Auf den Bildern sieht man das nicht ganz so deutlich, wie es wirklich war. Der Wind kühlt die Körpertemperatur herunter. Ich merke, dass ich meine Schritte beschleunige. Auch wenn es ein zivilisationsnaher Wanderweg ist, so sollte man ihn nicht unterschätzen.





      In der Mitte des Bildes ist eine Schlucht. Wenn man nicht aufmerksam ist, sieht man sie erst, wenn man davor steht.





      An der Infotafel knickt der Weg nach rechts ab





      und geht parallel zu der Schlucht weiter. Die genaue Wegführung sieht man während des Laufens auch erst an der Abzweigung. Die Augen spielen einem einen Streich. Optische Täuschungen nennt man das wohl.





      Der Weg mündet in einen breiten Skitrack ein.








      Ein Blick zurück.








      Aber schon bald geht es wieder auf einem kleinen Pfad in den Wald.





      Auch Finnen haben eine pädagogische Ader.








      Hier ist der Schnee ziemlich hoch.





      Wieder hört man Schneemobile röhren. Etwas weiter entfernt bellen Hunde. Es scheinen sich Kunden für eine Huskyschlittentour gefunden zu haben.





      Bald bin ich wieder an der Treppe und der steile Abstieg macht mir nun nichts mehr aus. Viel zu schnell ist die Tour vorbei. Das hat richtig Spaß gemacht. Am liebsten würde ich die Runde noch einmal drehen, aber es ist schon beinahe 16.00 Uhr und heute wird es schneller dunkel als in den letzten Tagen.














      Ich beschließe, im Supermarkt essen zu gehen. Der Himmel hat einen blauen Streifen.





      Im Supermarkt sehe ich zwei deutsche Kuttenträger eines Motorradclubs. Mein Verdacht, dass sie zu den Schneemobilfahrern gehören, wird sich erhärten. Ich gönne mir eine Lachssuppe.





      In einer Zeitschrift lese ich, dass der Kaunispää 437 Meter hoch ist, der Aussichtsturm neu errichtet wurde, dass es in Saariselkä 230 km Skitracks gibt, von denen 30 km beleuchtet sind und dass es ein Geisterhaus gibt.
      Als ich anschließend den Wetterbericht in Fernsehen anschaue, sind in Inari + 2 Grad. Dafür hat Südfinnland eine Kälteperiode mit sehr tiefen Temperaturen um die - 30 Grad. Irgendetwas mache ich falsch.

      Ich gehe noch einmal zum Ausgangspunkt meiner Schneeschuhtour zurück. Das Thermometer zeigt – 10 Grad. Die Luftfeuchtigkeit ist von 0 auf 98 gestiegen. In der Nähe entdecke ich einen Fußgängerweg, wandere noch ein wenig und probiere, Nachtbilder zu machen.





      Neue Gäste sind gekommen. Im Hof des Hotels steht ein Auto, das ein Fahrrad auf dem Gepäckträger hat.
      Zuletzt geändert von Torres; 31.01.2013, 15:56.
      Oha.
      (Norddeutsche Panikattacke)

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      • efbomber
        Erfahren
        • 23.08.2010
        • 228
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        • Meine Reisen

        #43
        AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben


        Wooooaaaahhhhh!!! Ein recht herzliches Zwischens-Dankeschön für deinen tollen Bericht! Der ist nicht nur klasse und unterhaltsam geschrieben, hat aber auch noch gute Informationen zu bieten!

        Die Bilder sind einfach nur traumhaft schön! Besonders die Aufnahmen der Tage, an denen die Sonne geschienen hat. Jetzt weis ich auch endlich was du mit "Land des Lichts und der Farben" meintest.
        Da bekomme ich direkt Bock mich in den zu mümmeln!

        Und Respekt wie solide du mit dem Bericht vorankommst! Ich komme da kaum mit dem Lesen hinterher

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        • lina
          Freak

          Vorstand
          Liebt das Forum
          • 12.07.2008
          • 42854
          • Privat

          • Meine Reisen

          #44
          AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

          Mag auch mal meiner Begeisterung Ausdruck geben – grandios!







          .... schreib schneller! :P

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          • Mika Hautamaeki
            Alter Hase
            • 30.05.2007
            • 3979
            • Privat

            • Meine Reisen

            #45
            AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

            Großartiger Bericht.
            Ich ärgere mich gerade, daß wir uns dieses Jahr entschieden haben nicht im Februar nach Muonio zu fahren.
            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
            A. v. Humboldt.

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            • ühürü
              Erfahren
              • 07.08.2007
              • 266
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              • Meine Reisen

              #46
              AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

              Auch ich bin Teil der begeisterten Leserschaft. Die Faszination des Lichts kann ich nachvollziehen. Bin gespannt auf die Fortsetzung.
              In der Liebe ist es wie beim Verbrechen - ohne den richtigen Komplizen wird es nichts.

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              • Inarijoen Peter
                Dauerbesucher
                • 22.07.2008
                • 764
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                So wie ich im Bericht lese war es genau richtig, dass ich Dir Saariselkä vorgeschlagen habe.

                Hier noch ein kleiner Vergleich an selber Stelle.



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                • Pylyr

                  Alter Hase
                  • 12.08.2007
                  • 2505
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                  Zitat von lina Beitrag anzeigen
                  Mag auch mal meiner Begeisterung Ausdruck geben – grandios!







                  .... schreib schneller! :P
                  Menno, hörst du die arme Lina nicht?
                  Wir warten...*Fingertrommeln*

                  Im nächsten Jahr Skier unter das Fahrrad und noch weiter in den Norden?

                  So toll scheint deine neue Kamera doch nicht zu sein, ein paar deiner Bilder haben einen deutlichen Blaustich. (Warum sollte also Mitfreuneid aufkommen? Pöh.)
                  Wenn dir etwas gefällt, analysiere es nicht, sondern tanze dazu.
                  Tex Rubinowitz

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                  • Prachttaucher
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                    • 21.01.2008
                    • 11905
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                    #49
                    AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                    OT: Besserwissermodus an : Hoffentlich in Raw-Format fotografiert, dann läßt sich´s noch nachträglich beheben.

                    Am besten erstmal ignorieren und nicht beim Weiterschreiben stören lassen.

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                    • Torres
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                      • 16.08.2008
                      • 30593
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                      #50
                      AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                      Ja, Peter, war ein toller Tipp. Und danke für das Bild. Ich dachte, in Lappland wächst nur Schnee . Vielleicht sollte ich doch mal im Herbst nach Finnland fahren....
                      Vorne die Treppe habe ich nicht gesehen. Für mich war da einfach nur eine schöne feste Schneedecke an einem Abhang.

                      Prima, dass der Bericht so vielen gefällt. Ich schreibe gleich weiter.

                      @Pülür: Auf meinen Rechner habe die Bilder keinen so starken Blaustich. Aber nach dem Hochladen schon.
                      Oha.
                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                      • Torres
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                        • 16.08.2008
                        • 30593
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                        #51
                        AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                        19.01.2013. Blues. 2,4 km

                        Am nächsten Morgen spüre ich das Schneeschuhlaufen in den Beinen. Das Wetter scheint schön zu werden.





                        Viel werde ich heute aber nicht unternehmen. Ich habe das Bedürfnis, einen Ruhetag ein zu legen. Ich entscheide mich, vor dem Frühstück den Skibus zu nehmen und mir Kilopää an zu schauen. Aussteigen werde ich allerdings nicht, sondern gleich wieder zurückfahren. Der nächste Bus fährt nämlich erst gegen Abend und Skifahren kann ich ja bekanntlich nicht. Den Busfahrer wird das ein wenig irritieren, aber die 5,00 Euro, die der Skibus kostet, sind für den ganzen Tag. Dass es in Kilopää ebenfalls eine Schneeschuhstrecke gibt, sehe ich leider erst am nächsten Tag. Sonst wäre ich vielleicht doch noch schwach geworden.

                        Die Feuertonne vor dem Grill Imbiss hat interessante Muster in den Schnee gefräst.





                        Ich stelle fest, dass man Neuankömmlinge am vorsichtigen Gang erkennt. Am ersten Tag hatte ich auch noch auf meine Füße geachtet, mittlerweile ist das Laufen auf Schnee und Eis völlig normal geworden. Ein Reisebus mit der Aufschrift "Porsche Driving Experience" biegt auf den Parkplatz am Holiday Club ein. Das Unternehmen hat hier in der Nähe ein Testzentrum und lädt in den Wintermonaten Kunden und Mitarbeiter zu Events ein.

                        Der Skibus, der sonst fast leer war, wird von Skifahrern und Snowboardern überrannt. Sie steigen am Skilift alle aus.





                        Ein Paar aus Frankreich bleibt im Bus sitzen und wir kommen (auf französisch!) ins Gespräch. Sie haben einen Glasiglu gebucht, um Nordlichter sehen zu können. Hoffentlich haben sie Glück. Als der Bus in Kakslauttanen hält, sehe doch tatsächlich echte Schlitten vor der Tür. Das Igludorf ist leider nicht zu erkennen.





                        Nun schraubt sich der Bus Richtung Kilopää den Berg hoch. Nur wenige Häuser stehen hier und Infrastruktur gibt es so gut wie keine. Einkäufe muss man in Saariselkä erledigen. Wer also die Einsamkeit sucht, könnte hier gut aufgehoben sein. Die Jugendherberge hat ganzjährig geöffnet.





                        Ein Mann übt Tretschlittenfahren, traut der Sache aber nicht so ganz. Seine Freundin lacht aus vollem Hals. Auch hier ist der Himmel eindrucksvoll schön. Ich könnte stundenlang fotografieren. Baum für Baum.








                        Am Hotel steige ich wieder aus, denn ich will noch frühstücken.





                        Ich bin spät dran und hole mir schnell das, was ich brauche, bevor abgeräumt wird. Das finnische Ehepaar, das in der letzten Nacht bis morgens um 4 Uhr in seinem Zimmer gelärmt hat, kommt ebenfalls. Die Frau hat leichte Koordinationsschwierigkeiten. Sie fragt mich auf Englisch woher ich komme und wechselt dann in ein fehlerfreies Deutsch. Sie empfiehlt mir ebenfalls das Konzert auf dem Kaunispää. Da uns niemand verstehen kann, bitte ich sie, diese Nacht leiser zu sein. Sie verspricht es und wird sich tatsächlich daran halten. Hinter dem Tresen arbeitet ein junger Mann, der ohne auf sie Rücksicht zu nehmen, konsequent lächelnd den Frühstückstisch abräumt. Als ich mich mit „Kiitos“ verabschiede, sagt er „Danke schön“....

                        Ich habe keine Lust, heute den Abhang hoch zu laufen, hole meinen Schlitten und nehme den Skibus. Der Himmel färbt sich in grellen Farben und ich komme mir vor, als wäre ich auf einer Safari.








                        Zehn Minuten später fängt es an zu schneien.





                        Entsprechend grau ist der Kaunispää. So kenne ich ihn noch nicht.




















                        Ich beschließe, dass bis zum Konzert noch Zeit ist und fahre die Bahn herunter. Der Schnee ist weich geworden und ich bleibe immer wieder stecken. Auch die Plastikpulken haben Probleme.








                        Als ich im Tal ankomme, strahlt der Himmel wieder. Fast wie bei uns an der Küste ist es hier.








                        Ich nehme den Skibus nach Kaunispää um 13.15 Uhr und eile zu dem Restaurant. Der Eintritt kostet 10.00 Euro. Das Restaurant ist brechend voll. Alle Tische sind besetzt. Es sind viele Familien dabei, die gemeinsam zu Mittag essen. Ich frage eine der Bedienungen nach einem Stuhl und tatsächlich zaubert sie noch einen herbei. Ich entscheide mich für die Lachssuppe und sie ist köstlich. Das Brot kommt jedoch erst, als ich aufgegessen habe. An meinem Tisch sind Finnen, die kein Englisch können und wir verständigen uns mit Händen und Füßen und lachen. Kein Problem, die Bedienungen kommen aufgrund der vielen Bestellungen nicht hinterher. Die meisten Gäste haben große Gläser mit Bier in der Hand. Die Stimmung ist gelöst und heiter. Das Fahrrad, das ich gestern am Hotel gesehen habe, steht vor der Tür.











                        Dann geht es los. Die ersten Lieder sind ein wenig mehr Big Band als Blues, aber die Musiker sind richtig gut.





                        Es sind verschiedene Gruppen, die spielen und zusammen auftreten. Später, als ich zum Hotel zurück gehe, werde ich die Plakate entdecken.





                        Die Atmosphäre des Spielortes ist unbeschreiblich. Innen ist es warm und gemütlich und vor der Tür eisig kalt. Aber aufgrund großen Fenster und des Lichts hat man das Gefühl, drinnen draußen zu sein.


























                        Die Musiker spielen viele bekannte Lieder und einige der Lieder werden sogar auf Zuruf gespielt. Man scheint sich zu kennen, denn die Sänger sprechen immer wieder zum Publikum und die Leute lachen und machen Zwischenrufe. Die meisten Hörer sind zwischen 40 und 50 Jahre alt, einige vielleicht sogar älter. Jugendliche sind kaum dabei. Ich lausche der Musik und mir scheint, als kenne ich jeden Ton und jedes Solo, es ist eben Blues.

                        Ich sitze mit dem Rücken zu den Musikern und lasse meinen Blick zu den Gesichtern der Männer und Frauen wandern, die hinter den Tischen vor mir stehen. Die Frauen genießen die Musik ganz offensichtlich und bewegen sich wippend im Takt, während die Männer ruhig und regungslos dabei stehen. Fast wirken sie unbeteiligt. Ein ungefähr 40 jähriger Mann mit schulterlangen Haaren gerät in mein Blickfeld, ich stutze und drehe die Zeit zurück: Die Gesichter der Männer werden wieder jung, ihre Haare länger und die Figuren schlank. Und plötzlich weiß ich, dass sie alle, wie sie hier stehen, Musiker sind oder waren. Sie sind nicht unbeteiligt. Sie hören anders.
                        Und ich muss noch einmal an die Gespräche mit Inarijoen Peter denken. Kennt man das heute noch in Zeiten von Internet und Smartphone? Diese endlos langen Abende, an denen man niemanden traf und niemanden erreichen konnte? An das Telefon gingen die Eltern, die nichts wussten oder wissen sollten oder die Freunde hatten kein Telefon. Und wie man sich dann in sein Zimmer schlich, die Gitarre nahm und versuchte, die Akkorde der Songs heraus zu finden, die gerade angesagt waren oder die man sich mühevoll aus dunklen Quellen beschafft hatte? Womit sollte man sich sonst die Zeit vertreiben! Stundenlang, manchmal tagelang? Bis dann durch Zufall ein Abend kam, an dem man jemanden auf der Straße traf und dann noch jemanden und plötzlich waren alle da und man nahm die Gitarren zur Hand und dann wurde die ganze Nacht lang improvisiert, gebluest, gejazzt und das Leben war einfach nur schön. Von diesen Tagen sprach man noch lange. Fast kommt es mir vor, als wäre dies hier auch so ein Tag.

                        Viel zu schnell ist das Konzert zu Ende. Es ist kalt geworden, denn es weht wieder der fiese kalte Wind. Schnee, der wie Sand aussieht und auch genauso weh tut, jagt über den Berg. Ich hatte überlegt, heute noch einmal nach Nordlichtern zu schauen, aber ich entscheide mich um. Ich hatte mein Erlebnis bereits.





                        Ich stelle mich an meine Rodelkante und Saariselkä liegt leuchtend im Tal.





                        Eine Finnin spricht mich erst auf Finnisch und dann auf Englisch an und erklärt mir, dass mein Schlitten sehr gefährlich ist. Ich schüttele den Kopf, aber ich weiß, was sie meint. Mein Schlitten ist viel zu schnell für diese Bahn. Wenn man wollte, könnte man hier ganz böse verunglücken. Sie läuft zu Fuß ein Stück Bahn hinunter, da sie in den Häusern am Hang wohnt und ich hoffe, es beruhigt sie, dass sie sehen kann, dass ich den Schlitten zu einer moderaten Geschwindigkeit zwinge. Das ist auch bitter nötig, denn die Bahn ist wellig geworden und der Wind hat den Schnee umverteilt. Etwas weiter unten bleibe ich hoffnungslos stecken. Ich laufe zu Fuß in Richtung Schikane und fotografiere den Mond. Er ist groß geworden und steht scharf umrissen am Himmel, doch die Fotos lassen ihn verschwimmen, obwohl ich den Schlitten als Stativ nutze.











                        Als ich in mein Zimmer komme, schneit es draußen wieder. Morgen ist mein letzter Tag. Die Wettervorhersage lautet: - 7 Grad für Saariselkä und – 29 Grad für Turku.
                        Zuletzt geändert von Torres; 31.01.2013, 18:27.
                        Oha.
                        (Norddeutsche Panikattacke)

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                          #52
                          AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                          20.01.2013 Abschied. Geschätzt 3-4 km.

                          Durch den Schneefall in der Nacht hat sich die Struktur des Schnees vor meinem Fenster verändert. Der Schnee ist weicher geworden und er hat auch kleine Löcher bekommen.

                          Ich lasse mich vom Skibus auf den Kaunispää fahren, um Abschied zu nehmen. Die Spitzen der Bäume sind rosarot. Der Wind hat den Schnee verformt und gehärtet. Ein letztes Mal genieße ich das Licht. Überall laufen Menschen mit dicken Kameras und großen Stativen herum. Fotowetter.














                          Wind und Schnee haben neue Kunstwerke geschaffen. Auf der Rodelbahn befinden sich Schuhsohlen aus vereistem Schnee. Ich versuche, die Stelle zu glätten, aber es gelingt mir nicht.









                          Ein letztes Mal fahre ich mit meinem Schlitten die Bahn herunter. Diesmal filme ich die Fahrt. Der Schnee bremst mich stark ab und das ist mir recht. Ich mag keine Vorführeffekte. In der Schikane kommen mir Menschen entgegen und ich bremse freiwillig. Es ist eine ganze Gruppe aus bestimmt 15 Franzosen, die ungehemmt mit Schneeschuhen neben einander in der Kurve die Rodelbahn hinauflaufen. Es ist eine geführte Tour und sie zahlen 50 Euro dafür. Im ersten Moment denke ich: Naja. Aber sie wirken unheimlich glücklich und so soll das sein.

                          Ich versuche das Rot des Morgens einzufangen, aber das Licht hat sich verändert.














                          Ich verabschiede mich von Toshi und seiner Frau, die vermutlich schon abgereist sind und verewige hiermit ihre Namen.





                          Die Rodelbahn. Ein Mann mit Auto hat soeben Pulken eingesammelt. Vielleicht fährt er die Gäste nach oben.





                          Die Kapelle, an der ich jeden Tag vorbei gekommen bin.





                          Design hat schon etwas. Auch wenn es eine Hotelkette ist.





                          Der Kran, der aus dem Nebel kam.





                          Erinnerungen an die Schneeschuhtour werden wach.





                          Ein Eichhörnchen huscht über die Straße und verschwindet zwischen den Häusern.





                          Ich schaue mir noch einmal den Schaukasten am Einstieg zum Skitrack an. Meine Schneeschuhtour ging auf den 450 Meter hoch zum Iisakkipää. Ich entdecke den Rundkurs bei Kilopää. Und K(l)eine Spuren.





                          Draußen sind es – 10 Grad, die Schneetemperatur beträgt -6 Grad und die Luftfeuchtigkeit 98 Prozent.








                          Ich biege auf den Fußgängerweg ein, den ich im Dunkeln öfter gegangen bin. So ein Blockhaus sieht schon gemütlich aus.














                          Unter den Bäumen sehe ich eine Skifahrerin. Hier ist eine von vielen Loipen in Wohngebieten und man muss aufpassen. Immerhin machen die Skistöcke im verhärteten Schnee ein peitschendes Geräusch. Erst dachte ich, dass die Skier für das Geräusch verantwortlich sind. Aber es liegt wohl an der Kombination Stöcke – Schnee, denn in Joensuu werden meine Stöcke dieses Geräusch ebenfalls von sich geben.





                          Ich betrachte den Sendemast und überlege, ob er für den Fernsehempfang zuständig ist.





                          Auf der Straße links unten im Bild kommt ein Schneemobil röhrend hoch geschossen. Die Fahrerin schaut nach rechts und nach links und rast dann geradeaus weiter und pflügt mit aufheulendem Motor von dannen. Ich dachte bisher, das wäre hier ein Wohngebiet. Ich bin so verdutzt, dass ich meine Kamera nicht zücken kann. Sachen gibt es.





                          Der Mond ist immer noch da.





                          Mein Schlitten auch.




                          Und die Sonne sowieso. Auch wenn sie hier ein wenig kitschiger herüber kommt, als sie wirklich war.





                          Bäume gibt es mehrerere.





                          Der Schornstein, an dem das Thermometer angebracht ist.





                          Und der Supermarkt. Ein Rabe fliegt vorbei. Es ist der erste Vogel, den ich sehe.





                          Der Kaunispää aus anderer Perspektive.





                          Und die Straße nach Inari. Aus dieser Richtung wird der Bus kommen, der mich morgen nach Rovaniemi bringt.





                          Ich wechsele die Straßenseite und schaue mich dort um. Irgendwo hier muss der Weg nach Laanila beginnen, der für Wanderer auch im Winter freigegeben ist. Ich sehe ihn und laufe vorsichtig an der Scooterspur entlang, von der aus er rechts abzweigen wird.





                          Roaarh. Ich erschrecke mich und springe zur Seite. Zurück bleibt eine Wolke von Gestank.








                          Der Weg ist mit einer Walze begehbar gemacht worden und ich laufe ihn ein Stück entlang. Er verläuft parallel zur Straße. Das wird sich später bessern. Zivilisationsnah verläuft er dennoch an Straßen entlang und durch Wohngebiete. Das war der Grund, warum ich ihn nicht eher gesucht habe. Jetzt, wo ich ihn gefunden habe, gefällt er mir recht gut. Verkehr ist hier ja relativ. Manchmal kommt alle fünf Minuten ein Auto, manchmal aber auch nur einmal die Stunde. Manchmal kommen sogar zwei hintereinander. Vielleicht muss ich noch einmal wieder kommen.








                          Nach einiger Zeit drehe ich um, denn ich will noch packen. Eine lange Reise steht mir bevor. Da ich noch Tage auf meinem Interrailticket übrig habe, habe ich mich für Joensuu im östlichen Teil Finnlands, genauer in Karelien entschieden. Die Bahnstrecke ab Helsinki soll schön sein und ich kenne die Gegend nicht. Ich habe bereits ein Bett im Hostel reserviert, denn die Campingplätze sind auch hier im Winter geschlossen. Auf Peters Rat hin habe ich mich für den Nachtzug von Rovaniemi nach Helsinki entschieden. Über Helsinki zu fahren ist einfacher, weil man nur einmal umsteigen muss. Teurer als das Hostel Rudolf wird der Schlafplatz vermutlich nicht sein und ich erspare mir dadurch eine mitternächtliche Ankunft in Helsinki mit dortiger Übernachtung oder den Verlust eines ganzen Tages. Hoffentlich hat der Bahnhof in Rovaniemi noch auf, damit ich mir einen Schlafplatz reservieren kann.

                          Im Supermarkt kaufe ich Reiseproviant, da ich mich nicht an Einkaufsmöglichkeiten am Bahnhof in Rovaniemi erinnere. Mit dem Gepäck werde ich kaum in den Supermarkt mit der Frischetheke gehen. Die Mitglieder des deutschen Motorradclubs haben ihr Snowmobil auf dem Parkplatz geparkt und einer telefoniert. „Ja, geil hier. Wetter gut, Bier gut, Weiber gut“. Ich verziehe mich.

                          Dann fällt mir ein, dass die Ladung auf dem Schlitten im Bus verrutscht war. Ich frage bei Partioaitta nach Gummizügen und man schickt mich zur Tankstelle.







                          Die Tankstelle ist ein Gemischtwarenladen und führt Schrauben, Äxte, Gaskartuschen, Backwaren, warme Speisen und auch sonst alles, was man im Leben wirklich braucht. Ich erwerbe zwei gelbe Gummizüge im 2erPack für 4,60 Euro. Geprüft vom TÜV Thüringen.


                          Zurück im Zimmer packe ich. Immer wieder erstaunlich, wie man sich ausbreitet, wenn man länger bleibt. Im Zelt sieht das auch nicht anders aus. Die Schiebelehne schraube ich auseinander, damit sie wieder in die Schneeschuhtasche passt. Ich brauche sie nicht mehr. Draußen fällt Schnee.








                          Ich dusche vor und dann hält es mich doch nicht im Zimmer. Die Schneeschauer haben aufgehört und ich mache noch einen Spaziergang. Die Temperatur ist auf - 7 Grad gestiegen und der Himmel ist klar. Ich schaue zum Kaunispää hoch, aber Nordlichter sehe ich keine. Der frische, feuchte Schnee liegt auf der festgetretenen Schneedecke locker auf. Fast stürze ich, als mein rechtes Bein wegrutscht. Mein Knie beschwert sich. Vorsichtig gehe ich noch eine kleine Runde durch die Nebenstraßen am Skitrack.

                          Dann bereite mich seelisch auf die Abreise vor. Morgen ist Montag und am Samstag geht mein Schiff nach Deutschland. Ich mag noch gar nicht daran denken.
                          Zuletzt geändert von Torres; 31.01.2013, 22:32.
                          Oha.
                          (Norddeutsche Panikattacke)

                          Kommentar


                          • Torres
                            Freak

                            Liebt das Forum
                            • 16.08.2008
                            • 30593
                            • Privat

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                            #53
                            AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                            21.01.2013 -22.02.2013 Fahrt nach Joensuu. Joensuu. Ca. 4 km

                            Um 10.00 Uhr verlasse ich mein Zimmer und gehe frühstücken. Ein letztes Mal Toast mit Schinken und Käse, Milch und Tee. Gestern hätte ich mir ein Frühstücksei gewünscht – immerhin war ja Sonntag – aber hier gibt es jeden Tag das Gleiche. Mein Bus fährt um 12.50. Es ist der Local Bus. Ich hätte auch den Express Bus nehmen können, der eine Stunde später fährt. Seine Fahrtzeit ist eine halbe Stunde kürzer. Aber dieser Zeitvorteil bringt mir nichts.

                            Im Lokal sind nur wenige Gäste. Ich hänge trüben Gedanken nach. Draußen schneit es. Ein Bus kommt und neue Gäste reisen an. Ein ewiger Kreislauf. Gäste kommen und Gäste gehen. Jeder einzelne fühlt sich als etwas Besonderes. Und wird mit seiner Ankunft Tourist. Früher nannte man Touristen Fremde. Und Tourismus Fremendenverkehr. Heute heißt das Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Wahrscheinlich schweißt ein Leben in so einem Ort zusammen.

                            Endlich ist es soweit. Ich setze den Rucksack auf, nehme meinen Schlitten und gehe langsam zur Bushaltestelle. Es hat aufgehört zu schneien. Das ist schlecht. Eigentlich bin ich ganz froh, dass das Wetter mir den Abschied leichter macht. Aber schon klar es in der Ferne auf.











                            Zwei Engländer steigen aus dem Bus nach Ivalo. Sie haben viel zu viel Gepäck dabei und die Frau ist sichtlich genervt. Drei Asiatinnen laufen in den dicken Daunenanzügen vorbei, die ihnen von ihrem Hotel gestellt werden. Ich schätze die aktuelle Temperatur auf knapp unter Null. Der Bus kommt und Schlitten und Rucksack verschwinden in seinem Gepäckfach. Er rollt zur Hauptstraße und ich sehe die Temperaturanzeige am Schornstein. Es sind – 2 Grad. Der Bus biegt Richtung Rovaniemi ab. Glücklich macht mich das nicht.

                            In Kakslauttanen steigt auf dem Parkplatz eine Frau aus und der Busfahrer erläutert ihr, dass sie sich auf der Rückfahrt an die Bushaltestelle stellen soll. Von hier aus sind es 250 Kilometer bis Rovaniemi. Aber erst geht es weiter nach Kilopää. Plötzlich bremst der Bus ab. Rentiere sind auf der Straße. Der Fahrer hupt. Das größere Tier weicht an den Straßenrand aus, aber das kleine Rentier läuft vor dem Bus davon. Es dauert, bis er vorbei kann.














                            In Kilopää steigen zwei Asiaten aus. Sie waren vermutlich in Saariselkä Lebenmittel einkaufen, denn sie haben Einkaufsbeutel und Plastiktüte dabei. Der Skibus dürfte sie heute morgen nach Saariselkä gebracht haben.





                            Als der Busfahrer auf den Abschnitt kommt, wo die Rentiere waren, fährt er langsam. Aber sie trotten bereits ruhig in Richtung Wald. Mir fällt auf, dass die Frontscheibe des Busses große Risse hat. Der Busfahrer telefoniert ausgiebig und laut. Immerhin mit Freisprecheinrichtung am Ort. Mit dieser Angewohnheit ist er nicht alleine. Viele Finnen telefonieren ungehemmt und laut. Sogar ein Straßenbahnfahrer wird in Helsinki mit dem Handy am Ohr fahren. Aber da ich nichts verstehe, stört es mich nicht.
                            Ich hatte mir vorgenommen, einen Fluss zu fotografieren, der mir auf der Hinfahrt gefiel, aber ein Pfeiler schmuggelt sich genau in dem Moment auf das Bild, als der Fotoapparat auslöst. Der Tankajoki in der Nähe von Rentierdorf und Goldgräberdorf? Ich weiß es nicht mehr.





                            Ein kleines Mädchen steigt ein. Der Bus dürfte die einzige Verbindung sein, wenn Kinder ihre Freundinnen besuchen wollen. Viele Menschen leben hier nicht. Ein großer Seen taucht auf.





                            Die Straße verläuft nun parallel zum Fluß Kitinen, der mit dem See verbunden ist und sich an einigen Stelle verbreitert. Nicht überall ist er zugefroren. In Sodankylä ist wieder eine halbe Stunde Aufenthalt, weil die Pakete ausgetauscht werden.





                            Dann fährt der Bus die Schulen ab. Viele Kinder steigen ein. Ein Junge wirft Schneebälle auf die schon recht erwachsen wirkenden Mädchen. Sie strafen ihn mit Verachtung. Manche Dinge ändern sich nie. Ein anderer Junge zieht ein Comicbuch aus der Tasche. Mir fällt auf, dass ich schon lange keine Jungen mehr habe lesen sehen. Die meisten spielen Spiele.








                            Ein Lidl Markt leuchtet in der Dämmerung. Nach einer halben Stunde steigen die ersten Mädchen aus. Der Junge mit den Schneebällen müsste an der nächsten Haltestelle heraus, klingelt aber zu spät. Er läuft zum Busfahrer. Der Busfahrer bremst mitten auf der Straße und sie diskutieren. Dann legt der Busfahrer den Rückwärtsgang ein und rollt ein Stück zurück. Schließlich entscheidet er sich, zu wenden. Das dauert etwas, denn erst muss er eine Seitenstraße finden, in der er wenden kann. Schließlich findet er sie.








                            Als er zurückfährt, nehme ich im Augenwinkel ein Werbeschild war. Oh, denke ich, der beworbene Supermarkt heißt ja genau so, wie der in Saariselkä. Natürlich ist es eine Werbung für Saariselkä. Wir fahren ja falsch herum.
                            Der Bus wendet erneut und lässt den Jungen heraus. Vor dem großen Schneehaufen an der Bushaltestelle wirkt er ganz klein. Aus einem Haus, das sich ein paar Meter von der Haltestelle entfernt befindet, dringt Licht. Was das wohl für eine Kindheit abseits der Zivilisation ist? Was in diesen abgelegenen Häusern passiert, wissen nur die Bewohner.

                            Wieder steigen Kinder aus. 45 Minuten Schulweg. Zwei Mal am Tag.





                            Die Sonne geht unter und es sieht aus, als stände der Horizont in Flammen. Wir fahren genau in den Sonnenuntergang hinein. Die letzten Kinder steigen aus.





                            Immer noch zeigt sich der Sonnenuntergang hell am Horizont und das wird auch die nächsten 45 Minuten so bleiben. Ich brauche einige Zeit, bis ich verstehe, dass wir in die Sonne hinein fahren. Die Tage werden mit jedem Kilometer länger.











                            Dann sind wir plötzlich kurz vor Rovaniemi. Das Dorf des Weihnachtsmannes taucht auf und ich muss sagen, dass es beleuchtet wunderschön aussieht. Die Rentiergruppe am Flughafen.





                            Vom Busbahnhof ziehe ich meinen Schlitten Richtung Bahnhof. Vor der Tür rüste ich um und packe den Schlitten in seinen Packsack. Die Schalter sind bis 21.20 Uhr geöffnet. Ich habe die Wahl zwischen einem normalen Sitz oder einem Bett und ich entscheide mich für das Bett. Ich habe noch nie in einem Nachtzug geschlafen und will das ausprobieren. Außerdem bin ich in Urlaub. Ich zahle 30 Euro. Der Zug ist sehr voll und so muss ich die Kabine teilen. Gepäck kann man unter das untere Bett schieben. Ich glaube kaum, dass der Rucksack darunter passt, aber irgendetwas wird mir schon einfallen. Sie erzählt mir, dass der Zug um 21.30 Uhr bereit gestellt wird und um 22.15 Uhr abfährt.

                            Ich fotografiere endlich den Schriftzug. Im letzten Jahr hatte ich ihn nicht gesehen.





                            Es ist kurz vor 18.00 Uhr. Ein anderer Nachtzug steht bereit, aber den will ich nicht nehmen. Nutzt man ein Interrail Ticket nach 19.00 Uhr, gilt erst der nächste Tag als Reisetag. Würde ich den früheren Zug nehmen, müsste ich zwei Tage eintragen. Das könnte ich allerdings verschmerzen, denn schon jetzt ist absehbar, dass ich einen Reisetag nicht nutzen werde. Der wahre Grund ist, dass der erste Zug zu einer unchristlichen Zeit in Helsinki ankommt. Nämlich um 7.00 Uhr. Mein Zug kommt um 9.00 Uhr an und das erscheint mir gnädiger.

                            Ich lese mein Buch weiter. Immer wieder vertrete ich mir die Beine. Mein Gepäck lasse ich unbeaufsichtigt. Ich vertraue den Finnen. Die wichtigsten Dinge habe ich am Körper. Es ist warm in Rovaniemi. Die Temperatur beträgt – 3 Grad. Der Mond leuchtet und die Sterne funkeln. Groß ist er geworden. Letzte Woche stand nur eine schmale Sichel am Himmel.








                            Tatsächlich steht der Zug ab halb neun bereit. Die Codekarte steckt an der Tür. Ich teile meinen Raum mit einer netten Begleitung, die morgens um 4 Uhr aussteigen wird, gerade aus Murmansk kommt und in Inari als Wildnisguide gearbeitet hat. Das Gespräch ist sehr interessant. Nachdem ich das obere Fach meines Rucksackes geleert habe, lässt sich sogar das Waschbecken öffnen. Ich beziehe das obere Bett und bin überrascht, wie gemütlich es ist. Die Bettwäsche ist aus dicker, hochwertiger Baumwolle in den Farben des finnischen Bahn. Die Codekarten kommen in die Halterung am Waschbecken, damit sie griffbereit sind. Weiß für die Tür und Schwarz für die Dusche.











                            Ich schlafe spät ein und unruhig. Schiffsschaukeln ist für mich gewohnter als die Eisenbahn. Um 4 Uhr höre ich die Tür, aber dann wache ich erst wieder auf, als der Zug in Hämeenlinna ankommt. Ich grüße in Richtung Parola.





                            Gegen 8.00 Uhr werde ich wach und bleibe noch etwas liegen. Dann mache ich mich fertig. Der Zug rollt pünktlich in Helsinki ein. Mein Anschlusszug fährt auf dem gleichen Bahnsteig ab.





                            Ich überlege, mich in den Warteraum zu setzen, aber im Gebäude ist es mir zu warm. Das Wetter ist sonnig bei Temperaturen um – 10 Grad. Angenehm. Ich gehe zum Bahnsteig zurück. Eine Reklame, in der sich auf dem Foto das gegenüberliegende Gleis spiegelt, erinnert mich an Lappland. Lang, lang ist es her.





                            Kurz vor 10.00 Uhr fährt der Zug ein und ich lege Rollwagen und Schlitten in ein Gepäckfach. Der Rucksack bleibt neben mir. Als der Zug anfährt, denke ich an meine Radtour vom letzten Jahr. Damals waren die Seen offen und schmutzig grau.





                            In Lappeenranta ist vor einigen Tagen der frisch renovierte historische Bahnhof abgebrannt, der zu Ehren Zar Alexander III gebaut wurde. Es muss sich um einen anderen Bahnhof handeln, als denjenigen, der vom Zug aus zu sehen ist.
                            Das Bild ist auf der Rückfahrt entstanden.





                            Der Zug hält in Imatra und die Hälfte der Fahrgäste steigt aus. Es wirkt, als wäre Imatra Grenzstadt und das ist richtig. Imatra liegt nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt.








                            Zwanzig Minuten später hält der Zug wieder und ich bin von den Eiszapfen fasziniert. Die Strecke führt jetzt eine Zeitlang direkt an der russischen Grenze entlang.











                            Um 14.40 Uhr erreicht der Zug Joensuu. Eine Finne hatte seinen Kinderwagen von den Rollen befreit, damit er in das Gepächfach passt. Nun versucht er die Konstruktion im Gang wieder zusammen zu bauen. Da ich Zeit habe, warte ich geduldig und reiche ihm die Rollen, die ihm davon gekugelt sind, aber er ist etwas genervt und winkt mich durch. Ich halte schließlich die anderen Fahrgäste auf.

                            Der Zug hat hier Endstation und alle steigen aus. Eine Unterführung gibt es nicht, sondern man läuft hinter dem Zug über die Gleise. Und als ich hinter dem Zug hervor komme und Joensuu das erste Mal sehe, trifft mich der Schlag. Auf diesen Eindruck bin ich mental nicht vorbereitet. Helsinki, Tampere und Turku hatten selbst in Bahnhofsnähe einen mehr oder weniger urbanen Charme. Die kleineren Orte sowieso. Und Joensuu? Häßlich. Flach. Verkehrsschneisen. In der Ferne sieht man Hochhäuser.

                            Ich kann nicht sagen, warum, aber spontan fallen mir die Worte Russland, real existierender Sozialismus und Zweckarchitektur ein. Ich hoffe, ich trete damit niemandem auf die Füße und entschuldige mich in diesem Falle dafür. Ich war noch nie in Russland. Vielleicht kommen mir die Gedanken, weil Russland so nahe ist und diese Stadt keine Gemeinsamkeiten mit den Städten Südfinnlands und Lapplands hat, die ich bisher kennen gelernt habe.
                            Joensuu liegt in Nordkarelien. Karelien ist ein historisches Gebiet, das sich in einen (kleinen) finnischen Teil (Nord- und Südkarelien) und einen (großen) russischen Teil aufgliedert. Das Gebiet, in dem ich mich befinde, wurde jahrhundertelang zwischen Schweden und Russland hin- und hergeschoben wurde, bevor es endgültig ein Teil Finnlands wurde. Die heutige Grenze existiert seit 1947. Joensuu ist mit 75.000 Einwohnern die größte Stadt Ostfinnlands und war – wie ich später erfahre - in den 90er Jahren aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der Ansiedlung somalischer Bürgerkriegsflüchtlinge (Quelle: wikipedia) Ausgangspunkt der finnischen Skinheadbewegung. Tatsächich registriere ich bereits auf dem Bahnhofsvorplatz, dass es in Joensuu viele Bürger mit Migrationshintergrund gibt und Jugendliche, die so wirken, als wäre die Zukunft bereits an ihnen vorbei gegangen. Eine Großstadt. In den anderen finnischen Städten wird es das Phänomen auch geben, aber es ist mir bisher nicht aufgefallen.

                            Ich gebe die Jugendherberge in mein Navi ein und sehe, dass ich über die Brücke muss. Eine hauchdünne, festgetretene und mit Granualt abgestreute Schneeschicht liegt auf den Bürgersteigen. Eine Lok steht neben der Ampel und ich überlege ein Foto für Pfad-Finder zu machen. Ich entscheide mich, über den Parkplatz zu laufen. Ein Taxi biegt schwungvoll ein und bremst. Der Fahrer springt heraus und fragt in einem harten Finnisch, ob ich ein Taxi brauche. Ich erschrecke mich. So direkt bin ich hier bisher nie angesprochen worden. Normalerweise muss man sich selbst helfen, wenn man etwas will. Ich schüttele den Kopf, denn ich will die ca. 2 km zum Hostel laufen. Kurz darauf bereue ich die Entscheidung. Es ist viel Verkehr auf der Brücke. Autofahrer machen Kavalierstarts und spielen den Helden. Ich komme mir vor, wie in St. Pauli oder Steilshoop. Was will ich hier?

                            Der Fluss Pielisjoki scheint sich in mehrere Arme zu teilen und die Brücke ist sehr lang. Ungefähr in der Mitte ist eine kleine Halbinsel und vermutlich ist es hier im Sommer sehr schön. Am Ende der Brücke biege ich in die Uferstraße ein. Vorweg kann ich sagen, dass sich der Grundriss Joensuus (wie übrigens auch der Stadtkern Tamperes) durch gerade, rechtwinklig verlaufende Straßen auszeichnet. Das diente bei der Entstehung vor gut 150 Jahren dem Brandschutz. In den siebziger Jahren wurde der größte Teil der Holzhäuser abgerissen und durch Hochhäuser ersetzt. Daher besitzt Joensuu wenige Sehenswürdigkeiten. Es ist – aus meiner Sicht - einfach nur hässlich.

                            Nach ungefähr einem Kilometer Strecke nervt mich der Rollwagen. Auf Schnee lässt er sich nicht so gut ziehen. Ich packe ihn auf den Schlitten. Meine Laune hebt das nicht. Es sind viele Radfahrer unterwegs, die ohne Rücksicht überholen. Ein schmaler Weg führt am Fluss entlang, aber da ich nicht weiß, ob es Skitracks sind, bleibe ich auf der Straße. Als ich mich gerade zu etwas mehr Optimismus zwingen kann, dringen die Geräusche einer Baustelle im Fluss an mein Ohr. Es wird gehämmert und eine Säge kreischt. Meine lappland- und schneestilleverwöhnten Ohren schmerzen. Eine Skulptur taucht auf und dann zücke ich doch die Kamera.








                            Immerhin ist auf die Sonne Verlass.









                            Die orthodoxe Kirche mildert meine schlechte Laune merklich. Vielleicht ist es ja doch ganz schön hier. Die Uhr sieht interessant aus.





                            Die Jugendherberge kommt in Sicht (das rote Gebäude). Die Anmeldung ist im Gebäude schräg gegenüber.





                            Bei meinem Telefonat hatte die Rezeptionsmitarbeiterin anscheinend Tuesday und Thursday verwechselt. Aber ich habe Glück. Ein Raum ist noch frei. Als Entschädigung bekomme ich zusätzlich zu meinen Prozenten noch 5 Euro Rabatt. Teuer ist es dennoch, wenn ich es richtig erinnere, zahle ich ungefähr 35 Euro. Allerdings inklusive Frühstück. Einzelbetten kann man hier nicht buchen, sondern muss das ganze Zimmer nehmen. Ich zahle erst einmal nur eine Nacht. Morgen werde ich entscheiden, ob ich hier länger bleibe oder flüchte.

                            Zwei Räume gehören zu einer Einheit, die über Dusche/WC und eine modern eingerichtete Küche verfügt. Das Zimmer ist sehr ansprechend. Ein Pluspunkt für Joensuu.





                            Ich laufe Richtung Innenstadt, um einen Supermarkt zu finden. Gleich an der nächsten Ecke ist ein K Markt. Ich habe gestern und heute Morgen nur etwas Brot gegessen und einen Bärenhunger. Paprikaschoten lachen mich an. Barilla-Spaghetti (andere gab es nicht). Lachs. Bolognesesoße im Glas. Mustikka-Joghurt (Heidelbeere). Milch. Eine Flasche Mineralwasser mit Krabbel. Emmentaler Reibekäse aus Saksa (Deutschland). Und Eier. Der Einkauf kostet mich 18 Euro. Ich mache mich in der Küche breit. Mein Mitbewohner ist noch nicht da.





                            Die Küche ist mit Rauchmeldern versehen und Schilder fordern auf, bei jedem Kochvorgang die Dunstabzugshaube an zu stellen. Fehlalarm geht auf eigene Kosten. Es gibt einen Topf und eine Pfanne und ich stelle fest, dass ich weder Salz noch Öl habe. Egal. Ich koche die Paprikaschoten, packe die Nudeln dazu und zuletzt die Soße. Die Spiegeleier brate ich in Wasser an. Die Pfanne taugt, denn die Spiegeleier gelingen perfekt. Die Reste verstaue ich im Kühlschrank. Ich werde wohl doch einen zweiten Tag bleiben müssen.

                            Ich mache mich auf, um mir die Innenstadt an zu sehen. Vielleicht gibt es ja doch einen historischen Stadtkern. Es geht immer geradeaus. An den Rändern liegt graues Schneegranulat. Ein modernes Haus gefällt mir.








                            Eine der wenigen Sehenswürdigkeiten: Das Kunstmuseum.





                            Am Marktkplatz suche ich nach dem Bus Nummer eins. Ich hatte an der Rezeption nach Wanderwegen oder Schneeschuhpfaden gefragt. Da auch hier die meisten Wanderwege für Skier freigegeben sind, hat mir die Frau an der Rezeption entweder das kleine Gebiet zwischen Hostel und See oder die Region Utra empfohlen. Dort gibt es eine Halbinsel und ein Wandergebiet. Es ist ca. 6 km entfernt und kann mit dem Bus erreicht werden.





                            Die Fußgängerzone ist beinahe menschenleer.





                            Nur sehr wenige Menschen huschen vorbei. Die Geschäfte haben bereits seit 18.00 Uhr geschlossen. Das erste Mal fühle mich in Finnland nicht sicher. Ich wandere langsam in Richtung Hostel zurück. Eine Apotheke hat geöffnet und bedient die Kunden an kleinen abgetrennten Schaltern. Wie so oft in Finnland müssen auch hier Nummern gezogen werden.

                            Wieder mache ich Fotos.











                            Im Gelände an der Kirche versuche ich einen Spaziergang zu machen. Skifahrer tauchen lautlos auf und Verschwinden im Dunkeln. Der Schnee ist tief und ich stapfe mühsam einen lächerlich kleinen Abhang hoch.





                            Hinter der Kirche ist eine Rodelwiese. Nach der Bahn in Saariselkä kann ich sie nicht ernst nehmen. Ich laufe zur Jugendherberge. Über die Straße schallt eine laute Stimme. Irgendjemand scheint das Radio an zu haben und das Fenster geöffnet zu haben. Ich schüttele den Kopf. Ein merkwürdiger Ort ist das hier. Ich gehe zu meinem Zimmer und treffe in der Küche meinen Nachbarn. Ein wortkarger Finne, der kein Englisch spricht. Die Küche riecht nach den Duft- und Geschmacksstoffen billigen Fertigfutters. An der Spüle steht eine zweite leere Dose Bier.

                            Ich hole meine Stirnlampe und gehe wieder auf die Straße. Die Stimme ist immer noch so laut. Mein Hirn formt das Wort Pferderennen. Pferderennen? Wie komme ich auf Pferderennen. Ich wundere mich über mich selbst und lenke meine Schritte erst einmal in den Park. Auch hier sind Loipen, aber es gibt auch einen Fußgängerweg. In einem Gehege sind viele Hunde, die anscheinend nach und nach von ihren Besitzern abgeholt werden. Der Schnee am Wegrand ist mit Hundehaufen verziert.








                            An der Kreuzung weisen Schilder auf einen Wohnmobilstellplatz am See hin. Ich gehe in die Gegenrichtung. Ein Jogger läuft keuchend an mir vorbei. Die immer noch weithin schallende Stimme kommt näher. Man sieht in der Ferne Flutlicht. Wieder tauchen Skifahrer lautlos aus dem Dunkeln auf und verschwinden ebenso schnell. Einen Fußgängerweg sehe ich nicht.








                            Ich vermute, dass die Flutlichtanlage zu einem Stadion für Ice Skating oder was es hier noch so für Sportarten gibt, gehört. Immer wieder bin ich überrascht, was für eine Vielfalt an Wintersportarten im Fernsehen übertragen wird. Wäre ein Fußgängerweg sichtbar, würde ich nachschauen, aber der Eingang scheint einige Blocks entfernt zu sein.

                            Es wird Zeit um zu drehen. Ich laufe Richtung Hostel. In einem Hof sitzen ein paar Hoppel.





                            Die Stimme wird lauter und schneller. Ich bleibe stehen. Pferderennen. Das sind definitiv Pferderennen. Finnisch hin oder her. Den Tonfall kenne ich. Ich krame nach dem Stadtplan. Trotting Course. Ich kenne das Wort nicht und frage einen Finnen: Horses? Er nickt. Einen Moment überlege ich, ob ich die Bahn besuchen soll und mir die Pferde anschauen soll. Aber der Eingang ist nicht in der Nähe. Und es werden wohl Traber sein, ich erinnere mich, dass es bei den Trabern häufig Rennen im Schnee gibt. Als Bewohner einer Derbystadt interessiere ich mich für Galopprennen. Nachdenklich gehe ich nach Hause. Joensuu hat eine Pferderennbahn. Vielleicht ist es hier doch ganz nett.
                            Zuletzt geändert von Torres; 01.02.2013, 15:36.
                            Oha.
                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                            • Abt
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                              • 26.04.2010
                              • 5726
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                              #54
                              AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                              Danke fürs Erstellen Torres.
                              Ich bin weder neidisch auf die Kamera und auf die Tour. Aber wir lesen mal weiter....

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                              • Inarijoen Peter
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                                • 22.07.2008
                                • 764
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                                #55
                                AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                                Pferderennen (Traber) sind in Finnland sehr beliebt und finden eigentlich jeden Tag irgendwo statt.
                                Da Du die Rennen in Joensuu verpasst hast, kannst Du sie hier anschauen.
                                Kalenterihaku = Marraskuu 2012 , Ravirata = Joensuu

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                                • Torres
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                                  Liebt das Forum
                                  • 16.08.2008
                                  • 30593
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                                  23.01.2013 Schneeschuhe. Ca. 8 km.

                                  Am Morgen verlässt mein finnischer Nachbar früh die Wohnung und das weckt mich. Frühstück ist von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr. Um 8 Uhr betrete ich den Frühstücksraum und er entpuppt sich als eine Kantine. Das Gebäude ist eine Ausbildungsstätte für den Sport. Entsprechend gut und reichhaltig ist das Frühstück. Verschiedene Müslisorten, Brotsorten, Wurstsorten, Käse, Lachs, rohes Gemüse und vieles mehr ist aufgetischt. Nach einer Woche Toast mit Schinken kann man sich gar nicht entscheiden. Anschließend gehe ich in die Innenstadt in Richtung Marktplatz. Auf dem Rücken habe ich den Tagesrucksack und über der Schulter die Schneeschuhe. Die Schiebelehne habe ich aus der Tasche herausgenommen.

                                  Joensuu ist immer noch nicht schön, aber ich weiß ja nun, was mich erwartet. Das Kunstmuseum von vorne.





                                  Ich suche die Tourist Information und finde sie im Carelicum. Ich frage nach einer Karte von Utra, um zu sehen, wo ich ungefähr aussteigen muss. Die Dame an der Tourist Information empfiehlt mir den Bereich in der Nähe der Jugendherberge, in dem ich gestern schon die ersten Schritte gemacht habe. Hinter der Trabrennbahn befindet sich ein Wald mit Wanderwegen und dort kann man auch auf den See gehen.

                                  Ich kaufe mir eine Eintrittskarte für die Ausstellung über Karelien, die im ersten Stock stattfindet, um mich über die Region zu informieren. Ich finde so etwas immer sehr hilfreich, um eine Region besser zu verstehen. Im unteren Stockwerk befindet sich eine Sonderausstellung die sich mit der der Russischen Revolution, der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg und dem Stalinismus beschäftigt. Die Schautafeln sind in Finnisch und in Russisch.

                                  In einem abgedunkelten Raum wird ein Film gezeigt und die Installation an der Wand lässt mich schaudern. Von einem Bronzestich schaut Stalin von der Wand herab. An den Seiten die Namen der Finnen, die im Stalinismus ermordet wurden. Der Raum widmet sich den Finnland – Kanadiern. Viele Finnen waren im 19. und Anfang des 20. Jhs. nach Kanada ausgewandert. Fasziniert von der russischen Revolution, gingen sie unter dem Eindruck der Großen Depression nach Karelien, um Arbeit und bessere Lebensbedingungen zu finden. Viele von ihnen wurden ohne Grund abgeholt, ermordet und wie Millionen andere Opfer der stalinistischen Säuberungen in Massengräbern verscharrt.
                                  Der gezeigte Film heißt „Letters from Karelia“ und zeigt die Geschichte von Aate Pitkänen, eines Finnland-Kanadiers, der 1931 nach Karelien ausgewandert war, als russischer Ski Champion die Säuberungen überstand und im Krieg zwischen die Fronten geriet. 1942 wurde er in Finnland als Spion hingerichtet. Er hinterließ seine Frau und ein Kind, das zusammen mit Aates Schwester im Mittelpunkt des Filmes steht. Klick.

                                  Im oberen Stockwerk wird die Geschichte Kareliens dargestellt. Manche Dinge sind sehr detailreich und nicht immer kann ich die Dinge zu ordnen, da mir die Geographie- und manchmal auch die Geschichtskenntnisse fehlen. Interessant ist es dennoch, etwas über die wechselvolle Geschichte und die Eigenheiten dieser Region zu lernen.

                                  Dann gehe ich in Richtung Park.
                                  Die Sonne scheint. Es sind – 17 Grad und die Luft ist eiskalt, aber die Sonne hat bereits Kraft und wärmt. Nun weiß ich, was der Mann in Rovaniemi letztes Jahr meinte, als er sagte, im März seien die Tage bereits warm. Welch ein Unterschied zu der Sonne in Lappland.








                                  Ich laufe den Weg, den ich bereits gestern gelaufen bin und biege dann Richtung Campingplatz ab. Boote liegen an Land und es riecht nach Fisch.








                                  Der See lockt und ich sehe Trittspuren. Aber ich weiß nicht, ob es hier ungefährlich ist. Die Dame von der Tourist Information hatte mich extra vor dem Fluss gewarnt, der in Sichtweite verläuft.





                                  So gehe ich erst einmal weiter. Im Sommer wird es hier wunderschön sein.








                                  Ich komme wieder an dem Stellplatzschild heraus und gehe in Richtung der Flutlichtanlage.





                                  Wieder sehe ich keinen Wanderweg und richte mich darauf ein, das Gebiet auf einer Straße zu umrunden, aber eine Frau läuft in eiligen Schritten ein Stück des Skitracks entlang und biegt dann links ein. Anscheinend ist dort ein Weg. In der Ferne spielen Hunde. Hier scheint ein Park zu sein. Eine Fahrradfahrerin folgt uns, stellt aber bald das Fahrrad ab. Der Schnee ist zu tief. Tatsächlich ist er sehr fest und überfroren und ich ziehe meine Schneeschuhe an. Ich brauche ewig, bis ich sie an den Füßen habe und denke resigniert, dass sie nach einem Bankraub wohl nicht das geeignete Fluchtmittel sind. Endlich sitzen sie richtig und ich sehe: Die Idee hatten auch schon andere. Das wundert mich nicht. Mit Schneeschuhen macht das Laufen auf dieser Oberfläche unglaublich viel Spaß.

                                  Ich genieße die Sonne und dann denke ich an Fotos. Vor mir sieht der Weg so aus.





                                  Und hinter mir so.





                                  Und erst da begreife ich, dass ich längst auf dem See bin. Ich habe mich von dem Anblick des Schnees und der Bäume täuschen lassen. Dort, wo die Skitracks waren, ist wohl im Sommer eine Badestelle.











                                  Zwei Jungs sind beim Eisangeln. Ich frage den einen, wie dick das Eis ist. Es ist sehr dick. Er zeigt es mir mit der Angelschnur und ich bin beeindruckt. Erfolgreich werden sie nicht sein.








                                  Im See sind kleine Inseln. Ich umkreise sie.








                                  Im Gegenlicht übersteuert die Kamera grenzenlos, aber das Bild gefällt mir dennoch.





                                  Ganz schön große Tapsen, die ich hinterlasse.





                                  Da ich kein besonderes Ziel habe, laufe ich einfach nur so herum und mache Spuren in den unberührten Schnee. Und immer wieder Fotos. Bei letzteren achte ich jedoch darauf, dass immer ein Busch oder Baum zu sehen ist. Ohne diese Maßnahme werden die Bilder zu langweilig.











                                  Viel zu schnell für meinen Geschmack verschwindet die Sonne hinter dem Horizont und ich gehe wieder zurück. Gerne hätte ich den See gequert, aber er ist riesig und das sollte man nicht unterschätzen. Im Moment bin ich sogar alleine - zumindestens auf dem von hier aus sichtbaren Teil des Sees.

                                  Mein Akku meckert und blinkt und kündigt an, dass er gleich alle ist. Ich weiß, dass das nicht stimmt. So stecke ich die Kamera unter die Daunenjacke. Das gefällt dem Objektiv gar nicht. Meine Körperwärme sorgt für Feuchtigkeit und als ich die Kamera wieder heraus nehme, friert sie zu. Mühsam befreie ich die Linse vom Eis.





                                  Dann geht die Kamera wieder.








                                  Die Sonne spiegelt sich glutrot in den Häusern.








                                  Schließlich bleibt nur noch ein schwaches Leuchten am Horizont.





                                  Ein Blatt liegt auf dem Schnee und ich mache ein Foto für lina.





                                  Und noch eines.





                                  Mein Akku hat sich wieder auf „voll“ gestellt und ich lasse die Kamera um den Hals baumeln. Ein Fehler. Meine Atemluft befeuchtet sie und sie friert völlig zu. Vorsichtig versuche ich das Eis zu entfernen, aber bis auf dieses kleine Gucklock gelingt es mir nicht mehr.





                                  Das ganze Objektiv ist nun von einer dünnen Eisschicht umgeben. Der Übergang vom See zum Ufer bleibt unfotografiert. Langsam laufe ich zurück zum Hostel, während meine Nasenhärchen leicht zusammen frieren.

                                  War das ein schöner Tag! Ich sollte wieder hierher kommen.
                                  Zuletzt geändert von Torres; 01.02.2013, 19:37.
                                  Oha.
                                  (Norddeutsche Panikattacke)

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                                  • supi
                                    Gerne im Forum
                                    • 13.01.2013
                                    • 79
                                    • Privat

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                                    #57
                                    AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                                    Torres,
                                    du hast meinen vollen Respekt und meine Anerkennung. Deine Berichte sind sehr gut zu lesen, das könntest du glatt beruflich machen. Mit einem Rodelschlitten und Rückenlehne.... da muss man erst mal drauf kommen!
                                    Du hattest Glück, der Januar war dieses Jahr so mild wie ich ihn noch nie erlebt habe, normal wäre es viel kälter (dafür hatten wir letztes Jahr viel Schnee...).
                                    Gruss aus dem Norden
                                    supi


                                    P.s.: Vor 3 Jahren an Ostern habe ich mal einen Alt-Hippi kennengelernt der bei -17 bis -22 Grad 230km die Bundesstrasse 4 Richtung Jyväskylä runtergeradelt ist um seine Schwester zu besuchen. Knallhart mitten im Verkehr mit Schnee, Eis, Brummis und Feiertagsverkehr, aber auf den Wegen die du nehmen wolltest... keine Chance. Gut das du einen Alternativplan hattest.
                                    Das du noch mal in dieser Zeit wieder kommst hätte ich aber nicht gedacht. Komm doch mal in der warmen Jahreszeit (kalkuliere aber Ersatzreifen ein, da hört man öfters mal Radfahrer jammern).

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                                    • Nordlandpirat
                                      Erfahren
                                      • 03.02.2013
                                      • 146
                                      • Privat

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                                      #58
                                      AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                                      Sehr schöner Bericht. Auch schön, ein paar Fotos von Plätzen zu sehen, an denen ich selbst öfter mal rumspringe. Tampere ist ja wirklich nicht so riesig ;)
                                      Die Farben und die Lichtstimmung in Lappland im Winter sind wirklich einzigartig. Ich kann mich noch gut dran erinnern, wie ich Anfang Dezember im Nachtzug nach Kemijärvi saß und dann auf halber Strecke von Rovaniemi nach Kemijärvi langsam die erste Morgendämmerung einsetzte. Dieses graublau ließ die Landschaft fast unwirklich daherkommen. Leider konnte ich es aus dem fahrenden Zug nicht vernünftig fotografieren.

                                      Ich kann jedenfalls verstehen, dass Finnland es dir so angetan hat, ich würde am liebsten auch gleich hierbleiben.
                                      Jos ei viina, terva tai sauna auttaa, tauti on kuolemaksi (Finnisches Sprichwort)

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                                      • Torres
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                                        Liebt das Forum
                                        • 16.08.2008
                                        • 30593
                                        • Privat

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                                        #59
                                        AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                                        @supi
                                        Über die warme Jahreszeit habe ich auch schon nachgedacht Mal schauen.
                                        Aber ich mag ja die Kälte. Ich hätte es gerne kälter gehabt, um ein Gefühl für ganz tiefe Temperaturen zu bekommen. Dass im letzte Jahr mehr Schnee war, kann ich auch bestätigen. Die wussten ja teilweise nicht mehr, wo sie ihn hinpacken sollen. Jemand meinte irgendwo zu mir, dass man normalerweise nicht so gut auf dem See herum spazieren kann, weil in der Regel zuviel Schnee darauf liegt.

                                        @Nordlandpirat
                                        Ja, das graublau in Lappland ist faszinierend. Als ich wieder ins hiesige Schmuddelwetter zurück gekommen bin, war der Unterschied ernüchternd. Studierst Du in Tampere? Ist wirklich ein schöner Ort.

                                        Schön, dass Euch der Bericht gefällt, das freut mich.
                                        Oha.
                                        (Norddeutsche Panikattacke)

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                                        • Nordlandpirat
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                                          • 03.02.2013
                                          • 146
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                                          #60
                                          AW: [FIN] Klapprodelwandern im Land des Lichts und der Farben

                                          Yep, ich bin zwei Semester als Erasmus hier und würde am liebsten hier bleiben. Nicht unbedingt im Stadtteil wo ich jetzt wohne, aber die Stadt an sich ist halt echt der Hammer. Vorteil am jetzigen Wohnort ist halt die Nähe zur TU.

                                          Die richtig schöne Kälteperiode hier im Süden hast du ja leider verpasst. Am 12.1. war ich bei -16°C eisfischen und eine Woche später gings teilweise sogar bis -27 runter. Da bin ich die 20 Meter in den Nachbarblock vom Wohnheim zum Wäschewaschen auch nur in voller Montur gegangen.

                                          Mein Kumpel der mich in der Zeit besucht hat, hat auch bös über das deutsche Wetter geflucht, nachdem er wieder daheim war

                                          In der Gegend um Saariselkä komme ich in zwei Wochen auch vorbei, allerdings ist das mehr eine Partytour mit Studentengruppe als das was ich da oben auf eigene Faust machen würde. Eine Wintertour in Lappland auf eigene Faust traue ich mir dann doch bei weitem noch nicht zu. Irgendwann die nächsten Jahre mal, jetzt erstmal meine Sommertour planen
                                          Jos ei viina, terva tai sauna auttaa, tauti on kuolemaksi (Finnisches Sprichwort)

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