Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten....

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  • Fritsche
    Alter Hase
    • 14.03.2005
    • 2817
    • Privat

    • Meine Reisen

    #41
    AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

    Zitat von Jack68 Beitrag anzeigen
    Also her mit euren Geschichten, bei denen Ihr den "Experten" lieber früher widersprochen hättet...
    Geht "rechtzeitig" auch?

    Vor vielen Jahren zu meiner Entwicklungsdienstzeit, war ich mit einem "Mountain Club of Kenya" auf einer geführten Tour am Mount Kenya unterwegs.
    Das war eine Dreitagestour um ca. 5000m, also nicht zum Gipfel sondern irgendwie in Schangenlinien drumherum.
    Die Gruppe bestand aus 15 Leuten, Männlein und Weiblein, von 16 bis 50, und einem "ortskundigen" Führer.
    Am zweiten Tag gabs dichten Nebel, der Führer nimmt Richtungen ein, die mir zusehends erratisch vorkamen. Ich war der einzige in dieser Gruppe mit Karte und Kompass (GPS gabs damals noch keines) und nach der ersten Pause, als ich Zeit hatte mir ein oder drei mögliche aktuelle Aufenthaltsorte zurechtzureimen, war mir klar, der Führer hate keinen blassen Schimmer, wo wir waren.
    Was auch immer das Problem sein mochte das zuzugeben, aber er hat vehement sich dagegen gewehrt, dass wir inzwischen von der geplanten Route weit weg waren. Ich musste eine kleine Meutergruppe bilden, wir waren dann drei, die alle einer Meinung waren: wir wussten, wo wir waren, zumindest hatten wir uns auf einen Ort auf der Karte geeinigt.
    Nochmal drei waren strikt der Meinung des "Führers".
    Dem Rest der Gruppe war es egal, oder eher: die hatten mit Durchnässung, Minusgraden und einer Teilnehmerin zu kämpfen, die alle halbe Stunde um sich geschlagen und geschrien hatte, sie wolle jetzt und zwar sofort nach Hause.

    Nach einiger Zeit später war uns klar, dass der "Führer" nicht nur die Orientierung verloren hatte, sondern auch noch keine Karte lesen konnte.
    Letztlich einigten wir uns auf eine "Gesichtswahrungssache": einer von den drei Meuterern zeigte, wenn niemand anders zusah, dem "Führer" wo es langgehen müsste, der "Führer" tat so, als ob er uns dorthin führte, und am späten Abend waren wir dort, wo wir hinwollten.

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    • blue0711
      Alter Hase
      • 13.07.2009
      • 3621
      • Privat

      • Meine Reisen

      #42
      AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

      Guter Kompromiss, bevor die Gruppe komplett durchdreht.

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      • nimrodxx
        Fuchs
        • 10.03.2009
        • 1662
        • Privat

        • Meine Reisen

        #43
        AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

        Zitat von Flachlandtiroler Beitrag anzeigen
        Das Problem ist aber nicht eine idR ja auch sachlich nachvollziehbare Richterentscheidung, sondern
        a) als Garant kommst Du garnicht mehr aus dieser Haftungs-Denke heraus => im Endeffekt machst Du an Stellen unnötig auf Lehrbuch, wo man in einer echten privaten Seilschaft einfach schlampt und natürlich viel Zeit spart (Überholen anderer Seilschaften, KLettern von Einzelpassagen am kurzen Seil oder mit / ohne Eisen, ...).
        Diese Art von Garantenstellung (oder wie auch immer das im Beamtendeusch korrekt heißt) hast du generell bei einem deutlichen Erfahrungsgefälle, das ist nicht von einer Bergführerlizenz oder ähnlichem Abhängig! Gibt es mindestens ein Urteil aus dem Tauchbereich drüber...

        In deinem Fall hast du das Problem (Lizenz oder nicht) das du weißt, das die Lehrmeinung eine andere ist und hast dich bewusst dagegen entschieden. Den Grund hast du gleich mit angegeben, nämlich Zeit sparen mit dem Wissen das ist Schlampig. Wenn etwas passiert, ist mit der Schilderung vermutlich gleich grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen, wenn du nicht gute und nachvollziehbare Gründe vorbringen kannst, warum das Ignorieren der Lehrmeinung keine zusätzliche Gefahr dargestellt hat (außer Zeit sparen).

        Aber zu den Geschichten...
        Ein Freund, erfahrener Skifahrer und Bergliebhaber, hat mich dazu überredet mit Ihm mal eine Skitour im Harz zu machen, Skitechnisches Vorwissen meinerseits waren zwei Stunden Skihalle... Tourenski konnte er mir leihen... mit Softbindung... an einem B Wanderschuh...

        Er meinte, das fährt sich genau so wie eine Richtige Bindung und war dabei so überzeugend, das ich es ihm geglaubt habe

        Also eines Winterlichen Abends gegen 20:00 (Tagsüber muss man ja Arbeiten und die Wochenenden sind für die Familie, oder Richtige Touren) von Bad Harzburg über die Eckertalsperre, Heinrich-Heine Weg auf den Brocken... Wetter -15 bis -20°C Grad, "leichter" Schneefall und Wind am Gipfel 90 km/h im Mittel (Eigentlich kein Problem, kenne dort schlimmere Verhältnisse )

        Berg rauf war auch kein Problem, anstrengend aber OK. Auf dem Weg runter sah das dann schon etwas anderes aus,da bin ich mit den Ski gar nicht mehr klar gekommen. Auf dem windverdichteten Hartschnee auf dem Gipfelweg, machten die sowieso mit mir was sie wollten und auch im 1,5m tiefen Pulverschnee, der Zwischendurch ziemlich Flächendeckend lag, ging bei mir nichts mehr. Abschnallen war (wie sich einige schon vorstellen können) auch keine wirkliche Lösung, dann steckte ich zum Teil bis zu den Achseln in irgendwelchen Schneeverwehungen...

        Jedenfalls sind aus den geplanten 3,5 Stunden über sieben geworden, bis ich mich irgendwo an der Talsperre auf eine Bank gesetzt habe um abzuwarten, das der Schnee schmilzt (Wir hatten immerhin einen Biwacksack mit )... Wie er es die Nacht geschafft hat mich zum weitergehen zu motivieren, weiß ich bis heute nicht...

        Wir sind immer noch häufig zusammen unterwegs, aber nur noch zu Fuß. Außerdem wundert er sich häufig, wenn bei neuen Tour-Voschlägen seinerseits, die meisten Leute seit diesem Tag reflexartig NEIN sagen...
        Und ich kriege seit dem immer ein nervöses Zucken, wenn ich das Wort Ski höre

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        • Flachlandtiroler
          Freak
          Moderator
          Liebt das Forum
          • 14.03.2003
          • 29028
          • Privat

          • Meine Reisen

          #44
          AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

          Zitat von nimrodxx Beitrag anzeigen
          Diese Art von Garantenstellung (oder wie auch immer das im Beamtendeusch korrekt heißt) hast du generell bei einem deutlichen Erfahrungsgefälle, das ist nicht von einer Bergführerlizenz oder ähnlichem Abhängig!
          Ich bin mit eigenständig denkenden Leuten unterwegs (Ausnahme:Familie) und gehe davon aus dass mit meinem Bergkameraden auch nach einem Unfall Einigkeit herrscht, sollten wir irgendwo gegen die ohnehin veränderliche Lehrmeinung "verstoßen" haben. Wie will 'ne klagende Versicherung da für ein Erfahrungsgefälle konstruieren?
          Mit FÜL-Schein o.ä. ist die Sache dagegen offensichtlich. IMHO bist Du damit fast automatisch "Unfallteilnehmer 1"...
          Meine Reisen (Karte)

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          • nimrodxx
            Fuchs
            • 10.03.2009
            • 1662
            • Privat

            • Meine Reisen

            #45
            AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

            Zitat von Flachlandtiroler Beitrag anzeigen
            Ich bin mit eigenständig denkenden Leuten unterwegs (Ausnahme:Familie) und gehe davon aus dass mit meinem Bergkameraden auch nach einem Unfall Einigkeit herrscht, sollten wir irgendwo gegen die ohnehin veränderliche Lehrmeinung "verstoßen" haben. Wie will 'ne klagende Versicherung da für ein Erfahrungsgefälle konstruieren?
            Mit FÜL-Schein o.ä. ist die Sache dagegen offensichtlich. IMHO bist Du damit fast automatisch "Unfallteilnehmer 1"...
            Ein Erfahrungsgefälle muss man nicht konstruieren, sondern wird im Rahmen der Ermittlungen belegt

            Außerdem solange sich nach dem Unfall einig sind, ist das eh kein Problem, aber wenn die Staatsanwaltschaft sich einmischt, sieht es anders aus (Strafrechtliche Betrachtung).

            Bei dem Beispiel mit den Tauchern: Zwei grundsätzlich gleichberechtigte Taucher, Pärchen, er 300 TG, sie 75 TG. Beide waren sich vorher einig, das er sie im Flachbereich alleine lässt und noch mal schnell die Steilwand runtertaucht. Sie ist während seiner Abwesenheit (genaue Ursache unbekannt) gestorben. Beide waren sich auch vorher den Problemen des Solotauchen (Standardverstoß, aber allgemein Praktiziert) bewusst. Trotzdem wurde er wegen Fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er als Erfahrener Taucher angesehen wurde und gegenüber seiner Freundin die Sorgfaltspflicht verletzt hat, weil er eine Anfängerin alleine gelassen hat.

            Ich möchte auch nicht bestreiten, das jemand mit Lizenz genauer betrachtet wird, strengere Maßstäbe angelegt werden und erst mal der Verantwortliche ist. Das liegt aber IMHO nicht an der Lizenz per se, sondern daran, das es offensichtlich der Erfahrenste ist und das nötige Wissen hat.

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            • blue0711
              Alter Hase
              • 13.07.2009
              • 3621
              • Privat

              • Meine Reisen

              #46
              AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

              Zitat von nimrodxx Beitrag anzeigen
              Ein Erfahrungsgefälle muss man nicht konstruieren, sondern wird im Rahmen der Ermittlungen belegt
              Und vom trockenen, warmen Sessel aus kann man im Nachhinein ja auch so viel belegen.

              Klassisches Problem der Verrechtlichung und eine Basis für Aversion gegen Recht. Ob das langfristig wünschenswert ist ...
              Vollkaskomentalität auf Nehmerseite halt.

              Ich halts für mich lieber so, dass ich Ansprüche nur bei gewerblichen Verhältnissen oder massivem Erfahrungs- oder Verantwortungsgefälle und der "ins Messer laufen lassen"-Situation sehe.
              Und bei gewerblichen Angeboten schränke ich noch ein auf Preis-Leistung. Ich erwarte bei Fremdenführer-Angeboten keine hochalpinsichere Rundumbetreuung.
              Alles andere lähmt IMHO das Miteinander.

              Das nicht blind vertrauen ist für mich irgendwie selbstverständlich. Ich kann garnicht anders.
              Mitm Mopped auf Straßen einem einfach hinterherdackeln ist noch das wildeste, denn da hab ich Navi, um mich jederzeit abzusetzen.
              Bei Outdooraktionen ist es mir aber schon immer ein Bedürfnis, Strecke und Umgebung vorzubereiten, wie wenn ich alleine da hin wollte.

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              • wesen
                Fuchs
                • 16.02.2005
                • 2155
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                OT:
                Zitat von Flachlandtiroler Beitrag anzeigen
                Ich bin mit eigenständig denkenden Leuten unterwegs (Ausnahme:Familie) [...]
                Sieht deine Frau das auch so?

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                • Randonneur
                  Alter Hase
                  • 27.02.2007
                  • 3373

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                  OT: In jedem Beruf gibt es Leute die ihn gut und welche die ihn schlecht ausueben. Mit einem bisschen gesundem Menschenverstand kann man das aber meist schnell beurteilen.

                  Was die Familie betrifft: Ich erwarte auch von den Kindern, dass sie eigenstaendig denken. Mein Sohn und ich sind mal an einem Fluss umgekehrt weil er fand, dass es zu heikel war ihn zu durchqueren. Ich fand das nicht, aber er soll ja auch lernen gegebenfalls umzukehren.

                  Falls die Kinder finden, dass etwas gut geht und ich finde es gefaehrlich ist es natuerlich etwas komplizierter...
                  Je suis Charlie

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                  • wesen
                    Fuchs
                    • 16.02.2005
                    • 2155
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                    OT: Es ging mir nur um die Formulierung. Ich stell' mir bei "nicht eigenständig denken" Zombies vor.

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                    • Enja
                      Alter Hase
                      • 18.08.2006
                      • 4750
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                      Es geht wohl mehr um die eigenständige Verantwortung als um das eigenständige Denken. Die hat bei Kindern eindeutig Grenzen. Manche Entscheidungen überlässt man ihnen dann doch nicht. Und wenn Menschen mit größerer Erfahrung dabei sind, ergeben sich solche Konstellationen auch oft. In einer Gruppe treffen selten alle ständig selber die nötigen Entscheidungen. Sie verlassen sich meist drauf, dass einzelne sich besonders gut mit dem Wetter auskennen. Oder mit der Gegend, dem Wetter usw.

                      Normalerweise verklagt man sich hinterher trotzdem nicht gegenseitig, wenn das mal nicht so geklappt hat. Aber manchmal eben doch.

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                      • Moltebaer
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                        Liebt das Forum
                        • 21.06.2006
                        • 12325
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                        OT:
                        Zitat von Randonneur Beitrag anzeigen
                        Was die Familie betrifft: Ich erwarte auch von den Kindern, dass sie eigenstaendig denken. Mein Sohn und ich sind mal an einem Fluss umgekehrt weil er fand, dass es zu heikel war ihn zu durchqueren. Ich fand das nicht, aber er soll ja auch lernen gegebenfalls umzukehren.
                        Wandern auf Ísland?
                        ICE-SAR: Ekki týnast!

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                        • Flachlandtiroler
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                          Moderator
                          Liebt das Forum
                          • 14.03.2003
                          • 29028
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                          Zitat von wesen Beitrag anzeigen
                          OT: Sieht deine Frau das auch so?
                          Was z.B. Klettern oder Bergsteigen angeht, hab' ich immer den Hut auf.
                          Abseits dieser Belange ist meine Familie selbstverständlich zu eigenständigemDenken fähig.

                          Danke für den Hinweis, meine Formulierung war nicht eben glücklich.
                          Meine Reisen (Karte)

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                          • Jack68
                            Erfahren
                            • 30.03.2012
                            • 401
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #53
                            AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                            Vielen Dank für die drei, vier Geschichten und die vielen erhellenden rechtlichen Erörterungen!
                            ...

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                            • Ditschi
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                              Liebt das Forum
                              • 20.07.2009
                              • 12362
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                              Guter thread. Er muß ja noch nicht zu ende sein.
                              Ditschi

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                              • Andreas-F
                                Erfahren
                                • 31.03.2007
                                • 304
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #55
                                AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                                Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                Normalerweise verklagt man sich hinterher trotzdem nicht gegenseitig, wenn das mal nicht so geklappt hat. Aber manchmal eben doch.
                                Oder der Arbeitgeber des Verunfallend versucht sich die Lohnfortzahlung von dem vermeintlichen Garanten zu holen.

                                Gruß Andreas

                                Kommentar


                                • Ditschi
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                                  Liebt das Forum
                                  • 20.07.2009
                                  • 12362
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                                  Oder der Arbeitgeber des Verunfallend versucht sich die Lohnfortzahlung von dem vermeintlichen Garanten zu holen.
                                  Genau das ist das Problem. Wer dem Verletzten Leistungen erbringt, sucht, wo er sein Geld zurückbekommt. Arbeitgeber, Krankenkasse, Versicherung, der Staat. Häufig gibt es Normen, die im Falle einer Leistung einen gesetzlichen Forderungsübergang bestimmen, so daß der Leistende ohne Abtretung aus eigenem Recht fordert. Beispiele der Legalzession hier:
                                  http://de.wikipedia.org/wiki/Legalze...Deutschland%29
                                  Gruß Ditschi

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                                  • Randonneur
                                    Alter Hase
                                    • 27.02.2007
                                    • 3373

                                    • Meine Reisen

                                    #57
                                    AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                                    Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                    Es geht wohl mehr um die eigenständige Verantwortung als um das eigenständige Denken. Die hat bei Kindern eindeutig Grenzen. Manche Entscheidungen überlässt man ihnen dann doch nicht.
                                    Ich wuerde sagen manche Entscheidungen beeinflusst man gegebenfalls moeglichst unmerklich. Moeglichst halt.

                                    Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                    Und wenn Menschen mit größerer Erfahrung dabei sind, ergeben sich solche Konstellationen auch oft. In einer Gruppe treffen selten alle ständig selber die nötigen Entscheidungen. Sie verlassen sich meist drauf, dass einzelne sich besonders gut mit dem Wetter auskennen. Oder mit der Gegend, dem Wetter usw.
                                    Kenntnisse alleine erlauben noch keine Entscheidung. Eine Wettervorhersage ist noch keine Entscheidung was man macht.
                                    Je suis Charlie

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                                    • walkingalone
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                                      • 05.01.2010
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                                      #58
                                      AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                                      Vorhin habe ich diesen interessanten Faden entdeckt. Beim Stichwort „eigenständige Verantwortung“ vs. „eigenständiges Denken“ fiel mir folgender Vorfall ein:

                                      Vor einigen Jahren machte ich organisierten Wanderurlaub mit einer Gruppe in den Alpen (Tagestouren von festem Standort aus) mit einem „renommierten“ Anbieter. Wir waren zehn Wanderer, bunt gemischte Gruppe, mit einem recht jungen, aber fachlich offensichtlich versierten Führer. Das Leistungsniveau war uneinheitlich, aber bis auf einen Teilnehmer hielten alle bei den ersten Touren gut mit.

                                      Am vierten Abend kündigte der Wanderführer an: „Morgen machen wir ein Tour auf den xx-Berg, das wird eine anspruchsvolle 8-Stunden-Wanderung mit 1500 hm. Das ist nicht für jeden etwas, und wer sich das nicht zutraut, der sollte einen Pausentag einlegen und das schöne Schwimmbad im Ort besuchen.“ Dabei schaute er eindringlich in die Richtung des Teilnehmers, der auch ohne Rucksack schon UH unterwegs war und an dem Tag bei 800 hm absolut an seiner Grenze war. Am nächsten Morgen saß der indirekt Angesprochene fröhlich am Frühstückstisch – in voller Montur!

                                      Um es kurz zu machen: Er machte auf halber Strecke schlapp, die ganze Gruppe musste umkehren, alle waren sauer! Die meisten auf den Wanderer, ich auf den Wanderführer (und ein bisschen auf mich selber). Auch wenn es nicht angenehm ist: Wenn jemandem die Selbsteinschätzung fehlt, ist es m.E. Aufgabe des Leiters, für Klarheit zu sorgen. Auch wenn es in diesem Fall nicht um Gefährdung ging, sondern "nur" um eine Enttäuschung.

                                      Das zeigt für mich deutlich, dass neben der technischen Seite der Aufgabe (Navigation und Erläuterungen zur Natur …) auch „psychologische“ Fähigkeiten und zur Not Konfliktfähigkeit zu einem guten Wanderführer gehören.

                                      Für mich selber habe ich auch eine Lehre gezogen: Ich werde diese Problematik offen ansprechen, wenn ich sie sehe oder ahne. Dazu wird es vermutlich aber nicht mehr kommen, weil ich keine organisierten Wandertouren mehr mache.

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                                      • Torres
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                                        • 16.08.2008
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                                        • Privat

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                                        #59
                                        AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                                        @walkingalone

                                        Danke für diese interessante Geschichte.
                                        Über diesen Aspekt habe ich nämlich auch schon nachgedacht. Ich kenne leider Gruppentouren nicht vom Wandern, sondern nur von Motorradfreizeiten, aber die Problematik dürfte ähnlich sein. Hier hatte ich es mit ganz unterschiedlichen Leitern zu tun:

                                        a) Gruppenleiter, die ungefähr so reagiert haben, wie in Deinem Beispiel: Sie haben - um genau das zu vermeiden, dass Einzelne den anderen die Freude nehmen - verschiedene Gruppen gebildet und versucht, den Schwächeren klar zu machen, dass sie in der leistungsstärksten Gruppe überfordert sind. Klappte oft, aber nicht immer. Trotz persönlichen Gesprächs (das Dein Gruppenleiter ja auch noch geführt haben kann) gab es keine Einsicht. Die leistungsstarke Gruppe war sauer und der Gruppenleiter musste es ausbaden.

                                        b) Gruppenleiter, welche die Gruppe lediglich anführten, aber nicht führten, sondern überforderten: Geschwindigkeitsübertretungen, gefährlicher Belag, wenig Rücksicht auf die Schwächeren. Es ist zwar immer gut gegangen, aber manchmal war es arg knapp. Immerhin: Alle fühlten sich später als Helden und waren mit dem Gruppenleiter schwer zufrieden. Wer das kritisierte, war in den Augen der Gruppe ein Schwächling.

                                        c) Gruppenleiter, die umsichtig führten, Sicherheitsaspekte berücksichtigten und Warnungen aussprachen. Hoher Unzufriedenheitspegel : no risk, no fun.

                                        Ich bin nach den ersten Freizeiten dazu übergegangen, mich führerlosen Gruppen von Individualisten an zu schließen, die ebenfalls an ihrem Leben hingen. Alles andere war mir zu gefährlich. Dazu gehört aber durchaus einiges an Durchsetzungsvermögen - und man musste das Glück haben, Gleichgesinnte zu finden. Sonst ist man schnell isoliert und der Urlaub macht keinen Spaß mehr. Irgendwann habe ich mich dann entschlossen nur noch alleine zu fahren und dabei ist es geblieben.

                                        OT: Wobei ich die Zeit nicht missen möchte. Am besten ist mir eine Freizeit in Erinnerung, in der nur Individualisten vor Ort waren. Es gab zwar Gruppenführer, aber niemand interessierte sich für die. Vielmehr entwickelten sich spontane Gruppen mit Führern, die die Karte nicht lesen konnten (da weitsichtig geworden) oder die ihre Gruppe an der Kreuzung verloren (die waren zum Bäcker abgebogen). Es gab Gruppenmitglieder, die ohne Ankündigung verschwanden und Stunden später irgendwo durch den Wald brachen. Jeder verfuhr sich pro Tag mindestens zwei Mal, irgendwie traf man sich dennoch immer wieder und das Beste war eine separatistische Gruppe aus zwei Personen, die eine perfekte Symbiose bildeten (er konnte keine Karte lesen, sie nicht schneller als 30 fahren. Wenn er die Karte begriffen hatte, hatte sie wieder aufgeschlossen).

                                        Haftungsrechtlich frage ich mich, ob man das heute noch so durchführen dürfte. Ich bezweifele es. Und da die Ansprüche auf den "perfekten" Urlaub immer höher werden, wird der Gruppenführer / Veranstalter sicherlich noch stärker den "Schwarzen Peter" haben. Schließlich sitzt heute Veranstaltern doch immer die Angst vor schlechten Internetbewertungen oder Klagen im Nacken. Jemanden, der bezahlt hat, von einer Gruppenaktivität aus zu schließen ohne konkrete Sicherheitsbedenken äußern zu können, ist trotz Konfliktfähigkeit schwierig und könnte den Gruppenleiter seinen Job kosten. Eher müsste er dann auf die Route verzichten und eine einfachere Strecke wählen, damit alle an der Wanderung teil nehmen können.
                                        Oha.
                                        (Norddeutsche Panikattacke)

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                                        • gearfreak
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                                          • 30.01.2010
                                          • 278
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                                          #60
                                          AW: Warum wir auch "erfahrenen" (Wander)Führern nicht blind vertrauen sollten...

                                          Interessanter Thread.

                                          Ich denke, daß viele Probleme in Gruppen dadurch entstehen, dass man eben gerade keine Lust hat, auf den Langsameren / Schwächeren / Führerschein-Neuling zu warten und diesen dann (vielleicht unbewusst) unter Druck setzt.

                                          Ich versuche, nur dann mit anderen zu reisen, wenn ich bereit bin, mich ihrem Tempo und ihren Fähigkeiten anzupassen bzw. wenn ich mich andersherum darauf verlassen kann, dass der Erfahrenere das bei mir tut.

                                          Bei einer organisierten Reise sollte man im Idealfall in der Lage sein, diese Reise auch allein zu machen; aber wenn alle das könnten, gäbe es ja wahrscheinlich keine Gruppenreisen..

                                          Für alle die bei mir mitreisen:
                                          Ich hab keine Ahnung von nix!

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