Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg

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  • Werner Hohn
    Freak
    Liebt das Forum
    • 05.08.2005
    • 10870
    • Privat

    • Meine Reisen

    Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg

    Auf den spanischen Pilgerwegen trifft man oft auf Menschen, die sich eher als Wanderer, denn Pilger verstehen, auch wenn sie damit auf diesen Wegen nicht haussieren. Vor ihrem Wechsel auf Pilgerwege waren viele jahrelange als Weit- oder Mehrwochenwanderer unterwegs.

    Für nicht wenige Pilger ist ein spanischer Pilgerweg die erste Bekanntschaft mit dem zu Fuß gehen, und sind davon begeistert. Haufenweise wird ein neuer Pilgerweg geplant oder die Fortsetzung des aktuellen fürs nächste Jahr vorgenommen. Hin und wieder habe ich nachgefragt, ob normale Wanderwege keine Option sei. Die Antwort war immer nein, auch bei denen, die nicht ausdrücklich aus religiösen Gründen unterwegs waren.

    Dann mal hier, wo es weltlicher zugeht, die Frage: Gibt es Pilger, die vom Camino auf den Weitwanderweg gewechselt sind, vielleicht, weil sie auf dem Camino gemerkt haben, dass das Zu-Fuß-Unterwegs-Sein ihr eigentlicher Beweggrund ist?

    Werner
    Zuletzt geändert von Werner Hohn; 12.11.2012, 09:54. Grund: Die Rechtschreibung ...
    .

  • Mus
    Freak

    Vorstand
    Liebt das Forum
    • 13.08.2011
    • 13116
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

    Die christliche Theologie kennt verschiedene Arten auf die sich Gott dem Menschen offenbaren kann. Eine davon ist die Natur, in diesem Kontext dann "Schöpfung" genannt. In diesem Sinne ist jeder Wanderweg auch Pilgerweg

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    • Enja
      Alter Hase
      • 18.08.2006
      • 4750
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

      Schwierige Frage. Die Fernwanderer fühlen sich offensichtlich auf den Pilgerwegen nicht so richtig wohl. Und andersrum auch nicht. Obwohl sich das verschneidet.

      Ich versuche mal, das für mich zu beantworten. (Wir fahren allerdings mit dem Rad.) Wir hatten vorher schon andere Strecken mit ähnlichem Schwierigkeitsgrad bei gleicher Länge zurückgelegt. Ohne Pilgermotivation. Der Jakobsweg sollte trotzdem anders werden. Wir wollten uns mehr Zeit lassen. Wir wollten von zu Hause aus starten. Im Gegensatz zu sonst (da planen wir gerne unterwegs mal um), war das Ziel auf dieser Reise sehr festgelegt und zog auch sehr stark.

      Bis Trier war es noch eine Tour wie viele andere. In Frankreich wurde der Charakter spezieller. In Spanien war er völlig anders.

      Woran lag das? Hm. Alle laufen und radeln in dieselbe Richtung. Haben dasselbe Ziel. Erst sind es einzelne. Dann werden es immer mehr. Man wird Teil einer Menschenmenge. Es ist kommunikativer als andere Touren. Sonst trifft man natürlich auch ab und zu mal Leute. Manchmal redet man auch miteinander. Das ist auf dem Pilgerweg anders. Man kommt sich näher. Vielleicht auch bedingt durch die berüchtigten Massen-Schlafsäle? Wobei wir meist gezeltet haben.

      Es war eine sehr wichtige, eine sehr eindrückliche Erfahrung. Wir planen jetzt an einer Tour nach Istanbul. Haben also nicht vor, uns künftig auf Pilgerwege zu beschränken.

      Obwohl? Ist der Jakobsweg nicht überall? Das war er auch schon, bevor wir uns aufmachten. Wir haben es nur nicht wahrgenommen. Ich habe jetzt natürlich keine Muschel mehr am Rad. Nur noch eine kleine silberne um den Hals. Ich bin den R3 entlang gefahren. Ohne böse Absicht. Richtung Osten. Also jakobstechnisch verkehrt herum. Da liefen sie wieder die Pilger. Inklusive Muschel am Rucksack. In den Kirchen lagen Stempel für den Pilgerpass aus. Campingplatzhüter, Gastwirte und Bäcker bekamen strahlende Augen wenn sie auf mein Muschelchen guckten und gaben mir ihre besten Plätze, ihre frischesten Brote, ein Gratis-Bier. In der Rhön das gleiche. Auf dem Weserradweg. Auf dem Bodensee-Königssee-Radweg. Auf dem Neckarradweg. Überall ist Jakobsweg. Und es werden immer noch beständig neue ausgewiesen. In nicht allzu ferner Zukunft wird es an jeder Kreuzung einen solchen Wegweiser geben. Damit man immer weiß, in welcher Richtung es nach Santiago geht.

      Ich überlege ein solches Schild an meiner Gartenmauer anzubringen. Hier könnte es in beide Richtungen zeigen. Schon eigenartig irgendwie.

      Und ich habe mir schon mal die Outdoor-Bücher Trier-Le Puy und Le Puy-SJPdP schicken lassen. Die Via de la Plata würde mich reizen. Und die portugiesische Variante? Oder doch eher das Baltikum? Zum Nordkap?

      Die Welt ist groß.

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      • Mountaincall
        Gerne im Forum
        • 05.11.2012
        • 50
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

        Hallo,

        Ich bin dieses Jahr mit Freunden einen Weitwanderweg gegangen, wobei unser kurz den Jakobsweg gekreuzt hat. Dabei haben wir einen Pilgerer getroffen der schon lange auf diesem Weg war und nun "unseren" Weitwanderweg weitergehen wollte.

        Ich selbst bin nicht religiös, könnte mir aber auch vorstellen einen Pilgerweg z.B den Jakobsweg zu gehen. Besonders wenn ich alleine gehen würde, weil ich denke dass man dort mehr Menschen trifft und vielleicht STücke zusammen geht. Hingegen die Weitwanderwege schätze ich im generellen viel einsamer sind. Mit Freunden find ich dass sehr nett, aber alleine würd ich das nicht wolln. Vielleicht ist es andersherrum ja genauso - Das den langjährigen Pilgerern die Menschen zuviel sind und sie einfach mit sich alleine - All Ein! - sein wollen.

        Lg

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        • Enja
          Alter Hase
          • 18.08.2006
          • 4750
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

          Die Frage ist doch, was denn so einen Pilgerweg von einem Fernwanderweg unterscheidet. Versuchen wir das doch mal. Ich beziehe das mal auf den CF, der sicher der "typischste" Jakobsweg ist.

          Es gibt extrem viel Wegweisung. Da muss man nicht suchen. Der Weg ist geradezu ausgemalt mit gelber Farbe. Die Infrastruktur ist ausgezeichnet. Überall gibt es preiswerte, aber taugliche Unterkünfte. Da muss man nicht suchen. Nicht viel ausgeben. Kein Zelt mitschleppen. Man ist Teil einer Art Völkerwanderung (Pilger schätzen intensive Gespräche mit all den anderen dort, das Gemeinschaftserlebnis). Und die anderen dort sind zum kleinsten Teil geübte Wanderer. Man muss also als absoluter Anfänger nicht erröten. Viele stehen vom Sofa auf, fahren nach SJPdP und wandern gleich mal 28 km über die Pyrenäen. Ich finde das sehr faszinierend. Ich habe zwar noch nirgendwo so viele dermaßen erschöpfte Menschen gesehen wie in Roncesvalles - aber sie schaffen es. Jeder auf seine Weise.

          Mir war das zuerst sehr fremd. Es gefiel mir nicht einmal wirklich. Aber Tag um Tag wuchs die Faszination. Wir haben uns allerdings auch drauf eingelassen. Auf diese vielen Menschen. Ich träume jetzt noch manchmal davon.

          Der Umstieg auf einen "normalen" Fernwanderweg ist wahrscheinlich nicht sehr naheliegend. Deshalb wird dann immer weiter gepilgert.

          "Fernwanderer", die auf einen Pilgerweg umsteigen, sind häufig enttäuscht. Teilweise auch abgestoßen. Uns persönlich hielt dort unser starkes, auch beruflich bedingtes, kunsthistorisches Interesse sowieso bei der Stange. Vermutlich sind wir dadurch sowieso nicht die typischen Fernwanderer. Wir sind zwar gerne draußen. Am liebsten für lange Zeit am Stück. Aber nur "grün" darf die Tour auch nicht sein.

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          • IloveScotland
            Gerne im Forum
            • 11.10.2011
            • 84
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

            Wandern oder pilgern ?

            Ich bin im Laufe der Jahre etliche Weitwanderwege gelaufen, vor allem in Grossbritannien:

            Southern Upland Way, Dales Way, Reivers Way, Macmillan Way, Macmillan Way West, Abbey Trail, Two Moors Way, den West Coast Trail in Kanada, da kommt schon was zusammen.

            Und dann bin ich in 2010 das erste Mal ein Stück Pilgerweg gelaufen: in Frankreich auf der Via Podiensis von le Puy nach Conques. Von GB war ich es gewöhnt, dass ich kaum einem anderen Wanderer begegne. Hier nun gab es Pilger satt. Da musste ich mich erst mal umgewöhnen und habe mich dann darauf eingelassen und sehr schöne Begegnungen mit anderen Pilgern gehabt, die ich als friedlich, freundlich und offen kennengelernt habe. Es bildet sich eine Gemeinschaft, wie ich sie nur dort auf dem Pilgerweg erlebt habe. Im darauffolgenden Jahr bin ich dann von Conques nach Moissac gelaufen, da waren erheblich weniger Leute unterwegs, die Gemeinschaft war wieder genauso schön wie im Jahr davor.

            Natürlich kann ich als Christ sagen, egal, wo ich bin, ich bin immer mit Gott unterwegs, aber es ist doch noch mal anders. Als wenn die Seelen der ganzen anderen Pilger, die sich im Laufe der Jahrhunderte in Richtung Santiago auf den Weg gemacht haben, mit einem wären. Der Weg bewegt Menschen, die ja oft Suchende sind, innerlich, egal ob Christ oder nicht. Ich habe nur einmal Wanderer auf der Via Podiensis getroffen, die keine Pilger waren.

            Im nächsten Jahr werde ich wieder ein Stück Jakobsweg gehen, dieses Mal in Polen, geplant ist von Posen nach Görlitz. Dort werde ich mit Sicherheit viel weniger Pilgern begegnen, aber es wird trotzdem anders sein als ein Weitwanderweg, da bin ich mir sicher.

            Also in meinem Fall mache ich beides, aber es sind s.o. für mich zwei verschiedene Paar Schuhe.

            Kommentar


            • Bleausard
              Erfahren
              • 24.04.2008
              • 146
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

              Ja, die Frage, auf die es letztlich hinausläuft, nämlich was ist der Unterschied zwischen Pilgern und Wandern, die hab ich mir auch schon oft gestellt. Eine richtige Antwort darauf habe ich noch nicht gefunden. Verwundert hat es mich dann aber doch sehr, als ich vor zwei Jahren von der Via de la Plata kommend in Santiago saß und mir vorkam wie bei Deutschland sucht den Superpilger

              Na ja. Ich bin ja auch mit Leib und Seele Pilgerer und war zuletzt auf dem Olavsweg unterwegs, den ich als Weitwanderer mit Sicherheit abgebrochen hätte. Das war mir dann doch zu belebt. Also nicht wegen der Pilgerer, sondern das Drumherum. Vielleicht macht das den Unterschied. Für mich jedenfalls. Auf den Weitwanderwegen genieße ich eher das Naturerlebnis. Das draußen in der Natur sein. Wärend ich beim Pilgern auch das draussen sein und das nicht zu beschreibende "Mehr" genieße.

              Fakt ist - um auf deine Frage zurückzukommen. Ich "komme" vom Weitwandern, habe das Pilgern für mich entdeckt und genieße beides nun, jedes auf seine Weise sehr.

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              • changes

                Dauerbesucher
                • 01.08.2009
                • 981
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                Ich bin dieses Jahr ü 700 km Pilgerweg in D gelaufen. Mein erstes mal "Wandern"

                Eigentlich bin ich eher der Fahrradmensch und hatte bislang alles über 10km mit dem Rad zurückgelegt.

                Es ging mir um das "Pilgern" an sich, doch ich habe unterwegs für mich erkannt, Laufen macht Spaß.
                Ob es nun Kurzstrecken sind oder Fernwege werden ... keine Ahnung. Was die Streckenführung angeht laufen inzwischen ja sowieso "Wanderweg" und "Pilgerweg" teilweise auf den selben Wegen. (Hat sich in D als sehr vorteilhaft herausgestellt wegen schlechter Pilgerwegkennzeichnung).

                Ich habe vor den Pilgerweg als solchen fortzusetzen, werde aber auch nun "Wandern". Das, mit sich selbst alleine zu sein Gefühl hat man denk ich bei beiden Möglichkeiten/Alternativen.

                Dunja
                Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

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                • Werner Hohn
                  Freak
                  Liebt das Forum
                  • 05.08.2005
                  • 10870
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                  Da tut sich ja doch was.

                  Das mit der Stille auf Fernwanderwegen, was man als mehr oder weniger allein sein lesen kann, war ein ganz wesentliches Argument beider Gruppen auf dem Camino Francés für eben diesen Weg. Denn die gab es dort nicht. Beide wollten Unterhaltung, wollten Menschen um sich herum. Nicht unbedingt auf dem Weg, aber abends in der Unterkunft. Die Ex-Weitwanderer waren es satt, dauernd alleine durch die Pampa zu ziehen, sich abends in ein einsames Bett oder kalten Schlafsack zu verkriechen, mit der Hoffnung schnell einzuschlafen. Alleine vor mich hingrübeln mache ich das ganze Jahr vor dem Fernseher, meinte ein Schweizer, der sein Land kreuz und quer durchwandert hatte.

                  Die, die auf dem Camino ihre ersten Erfahrungen im Weitwandern/Pilgern machten, kannten eh nichts anderes. Obwohl viele darunter waren, die etwas weniger Andrang auf dem Weg für gut befunden hätten, konnte sich niemand vorstellen, alleine der Ruhe wegen auf einen Weitwanderweg zu wechseln. Der ein oder andere vielleicht auf einen weniger überlaufenen Pilgerweg, aber so ganz ohne Menschen (damit sind nicht die Einwohner gemient), was auf Dauer oft den Abend schwer werden lässt, wollten beide Gruppen nicht (mehr).

                  Langjährige Wanderer (komisch: langjährige Wandererinnen trifft man selten) war die abendliche Gesellschaft angeblich so viel wert, dass sie die Unzulänglichkeiten der Route in Kauf genommen hatten - und es auch wieder tun wollten.

                  Und genau diese abendliche Gesellschaft hält mich davon ab, vorerst wieder auf einen Pilgerweg zu gehen, auch wenn es Wanderwege sind. Meine Frau und ich sind 2005 über den GR 65 (Via Gebennensis) in Le-Puy-en-Velay gelandet. Damals waren wir alleine unterwegs. Wir hatten uns vorgenommen den GR 65 weiter bis Spanien zu gehen. In den letzten Jahren ist dort neben den franz. Wanderern ein so starkes Pilgeraufkommen, dass ich das immer wieder nach hinten schiebe. Dabei ist die Strecke ab Le-Puy ein der schönsten durch Frankreich (angeblich). Für mich war es eine Wohltat, direkt nach dem Camino Francés, auf einsamen Routen durch Portugal, Belgien oder Holland zu wandern. Aber mach das mal jemanden begreiflich.

                  OT: Es sind interessante Routen dabei, die hier viel zu kurz kommen. Da würde schon ein winziger kleiner Reisebericht lohnen, oder ein langer, wenn es sein muss, sogar ohne Fotos.

                  Werner
                  Zuletzt geändert von Werner Hohn; 11.11.2012, 19:05.
                  .

                  Kommentar


                  • Thomasi
                    Erfahren
                    • 27.04.2009
                    • 204
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                    Pilgern hat mit Wandern nichts zu tun.
                    Das eine ist ein Bußgang, das andere ist ein Genußgang.
                    Die einen gehen, um irgendwo anzukommen, die anderen, um unterwegs zu sein.
                    Die einen wollen am Ziel etwas loswerden, nämlich ihre Sünden, die anderen wollen am Ziel etwas bekommen,
                    nämlich ein Erleben.
                    Das eine ist Läuterung über den Schmerz, das andere Erhebung über die Sinne.
                    Da der Körper als Träger der Erfahrung jedoch in beiden Fällen der gleiche ist,
                    kommt es zu Überschneidungen,
                    Blasen am Fuß etwa erleidet die eine wie die andere Gruppe.

                    Pilgern ist ein Schmerzensgang.
                    Da gibt es Leute, die rückwärts gehen, oder gar am Boden längs dahinrobben.
                    Ich selber habe in Fatima Pilger gesehen,
                    die zumindest die letzten 400 Meter auf ihren Knien dahingeschruppt sind
                    und darunter alte Frauen in erbarmungswürdiger Anstrengung in zentimeterweisem Fortgang.
                    Als ich nach Stunden Fatima verließ, war die Greisin noch nicht mal bei den Voraltären angelangt.

                    Der Kommerz als katholone Daseinsüberzuckerung,
                    man braucht nur den Programmkatalog des Bayerischen Pilgerbüros durchzulesen,
                    hat sich nun sowohl über die einen, die Pilger, wie über die anderen, die Wanderer gestülpt,
                    und beide untrennbar vermanscht,
                    was man schon am inflationärem Ausweis von Jakobswegen beobachten kann,
                    den die Fremdenverkehrsämter in Flut betreiben,
                    in dem sie einfach jedem Wanderweg ein Muschelwapperl draufpappen.

                    Tatsächlich aber geht der Pilger in Not und der Wanderer in Überdruß und gäbe es einen passenden anderen Sport,
                    könnte er beliebig wechseln, der Pilger aber nicht.
                    Denn dem Pilger ist der Weg Hoffnung, dem Wanderer aber Unterhaltung.

                    Manchmal geht der Pilger aus Dank.
                    Aus Dank wegen überstandener Krankheit, endlicher Genesung etwa,
                    und die Votivtafeln in Altötting und anderen Gnadenorten unterscheiden sich diametral von Eintragungen in ein Gipfelbuch.
                    Meist aber geht der Pilger in Bedrängnis,
                    weil ihm der Gedanke an Buße, also ein Tauschgeschäft mit Gott oder wem auch immer,
                    nicht loslässt.
                    Wer mit Pilgern spricht, und zwar nicht in der gemütlichen Runde der Auberges und Hostels,
                    sondern im Davor und Danach, bekommt die eigentlichen Geschichten zu hören:
                    Scheidung, Tod, Krankheit, Zerwürfnis, Sinnlosigkeit, Einsamkeit, Trennung und Isolation.

                    Das bekommt man auf Berghütten etwa nie zu hören,
                    weil Berghütten vergemeinschaftet sind und wenn die Rede mal auf alpine Unglücke kommt,
                    dann so, wie sie einem in den Nachrichten vorgequatscht werden, entpersonalisiert und distanziert.

                    Pilgern nützt den Gang als Vehikel, das ist wahr,
                    nützt zwei Beine,
                    wiewohl ich auch einbeinige Pilger getroffen habe und welche ganz ohne Beine,
                    aber nur weil ein Wanderer auch zweier solcher sein eigen nennt,
                    ist er kein Pilger, wiewohl der äußere Anschein keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen vermuten läßt,
                    die einen gehen, die anderen auch.

                    Man braucht nur mal in einem Pilgerforum zu lesen: http://pilgerforum.de/forum/index.php
                    um zu erkennen,
                    dass die Gehvoraussetzungen, Intention und Motivation beim Pilgern doch anders gelagert sind.

                    Während sich auf den outdoorseiten z.B. die Mehrzahl der Beiträge um Ausrüstung dreht,
                    ist dies dort eher nachrangig, wenn auch nicht vernachlässigbar,
                    schließlich geht man 800 km und damit mehr,
                    als die meisten Wanderer.

                    Historisch gesehen ist Wandern jung, Pilgern aber uralt.
                    Von Petrarca heißt es,
                    er wäre der erste Wanderer gewesen,
                    aber im Grunde ist es eine Erfindung der deutschen Romantiker
                    und in der Tat ist Wandern so deutsch,
                    dass die besten Schuhe hierfür immer noch deutsche Marken sind, wenn auch in Fernost gefertigt.

                    Natürlich wandern Pilger auch,
                    aber das ist dann kein Pilgern, kann es nicht sein.
                    Natürlich pilgern Wanderer auch,
                    aber dann ist es kein Wandern, kann es nicht sein.

                    Es ist im Grunde wie Alkohol.
                    Das eine ist Komasaufen, das andere Liturgie.
                    Beides Alkohol,
                    aber man darf sich nicht täuschen lassen.
                    Pilgern schärft die Sinne,
                    alles andere vernebelt.
                    Alte Weisheit: Schmerz reinigt.

                    Kommentar


                    • Werner Hohn
                      Freak
                      Liebt das Forum
                      • 05.08.2005
                      • 10870
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                      OT: Ganz nett, aber am Thema vorbei. Okay, das klingt in einigen anderen Beiträgen ebenfalls durch. Davon abgesehen, wenn die Pilger auf spanischen Wegen sich nach deiner Messlatte richten müssten, wären die Wege so gut wie leer. Wenn man sich in dem von dir verlinkten Forum etwas genauer umsieht, zum Beispiel in der "Schnatterecke", könnte man meinen, dort wie hier sind ganz normale Menschen unterwegs.
                      Zuletzt geändert von Werner Hohn; 11.11.2012, 23:19.
                      .

                      Kommentar


                      • Jack68
                        Erfahren
                        • 30.03.2012
                        • 401
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                        Wir waren auf dem Pilgerweg "Berlin - Bad Wilsnack" unterwegs. Als Wanderer sind wir gegangen...manchmal hat man uns als Wanderer gesehen, manchmal als Pilger. Die Menschen haben uns nicht nach unserer Vorstellung gefragt...sondern nach ihrer Vorstellung behandelt.
                        So war für uns nie klar, ob wir als Pilger wanderten oder als Wanderer pilgerten...wir sind zu uns gekommen...das war unser Ziel...es war eine Woche 1 Mio. Farben "Grün" und ökolärm im Wald! Wunder-Bar!
                        ...

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                          #13
                          AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                          Zitat von Thomasi Beitrag anzeigen

                          Historisch gesehen ist Wandern jung, Pilgern aber uralt.
                          Von Petrarca heißt es,
                          er wäre der erste Wanderer gewesen,
                          aber im Grunde ist es eine Erfindung der deutschen Romantiker
                          und in der Tat ist Wandern so deutsch,
                          dass die besten Schuhe hierfür immer noch deutsche Marken sind, wenn auch in Fernost gefertigt.

                          Natürlich wandern Pilger auch,
                          aber das ist dann kein Pilgern, kann es nicht sein.
                          Natürlich pilgern Wanderer auch,
                          aber dann ist es kein Wandern, kann es nicht sein.
                          Wandern ist eine Form des Gehens über lange (mehrstündige) Strecken in der Natur. Früher eine häufige Art des Reisens .....(Wikipedia)
                          Wandern und die "Fußläufige" Art der Fortbewegung sind wohl älter als das Rad (auch schon in der Bibel erwähnt), wie kann es also eine Erfindung der Deutschen in der "Romantik" sein?
                          Wieso meint der Mensch an sich, etwas erfunden zu haben was gar nicht erfunden werden brauchte, da es immer genutzt wurde ......... Wandern zu den tierreichen Jagdgebieten ..... etc.

                          Und Pilgern.... hm das kam dann irgendwann später ...... Duden: (als Pilger) eine Wallfahrt machen -> aus verschiedenen religiösen Motiven (z. B. Buße, Suche nach Heilung) unternommene Fahrt, Wanderung zu einem Wallfahrtsort, einer heiligen Stätte

                          Der Duden sagt über "die Wanderung": längerer Weg durch die Natur, der zu Fuß zurückgelegt wird

                          Also ist laut Duden, mindestens das Pilgern ebenfalls Wandern, da ich beim Pilgern einen längeren Weg durch die Natur zu Fuß zurücklege.

                          Oder etwa nicht??? (na ok es gibt ja auch die Radpilger aber die meine ich grad nicht)



                          Dunja

                          OT: @Thomasi, ich vermisse bei dir den Hinweis, daß viel Aussage in deinem Text aus dem Wikipediaartikel entliehen ist. So hätte ich mir das suchen sparen können....
                          Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                          Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

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                          • PWD
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                            • 27.07.2013
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                            #14
                            AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                            Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                            OT: Ganz nett, aber am Thema vorbei. ...
                            Dann versteh ich aber auch nicht ganz den Titel "Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg" oder umgekehrt: vom Weitwanderweg auf dem Pilgerweg? - oder ist damit der Akkusativ gemeint wie weiter unten im Text "Gibt es Pilger, die vom Camino auf den Weitwanderweg gewechselt sind, ..."?

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                            • Werner Hohn
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                              • 05.08.2005
                              • 10870
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                              #15
                              AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                              Moin PWD,

                              OT: ist der Titel tatsächlich anders zu verstehen? Für mich ist der klar, doch als Verfasser hat man oft Scheuklappen. Keine Ahnung. Der sollte einfach nur aussagekräftig sein und so kurz, dass er in der Übersicht ungekürzt angezeigt wird. Klarer wird das doch in dem von dir zitierten Satz:

                              Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                              Dann mal hier, wo es weltlicher zugeht, die Frage: Gibt es Pilger, die vom Camino auf den Weitwanderweg gewechselt sind, vielleicht, weil sie auf dem Camino gemerkt haben, dass das Zu-Fuß-Unterwegs-Sein ihr eigentlicher Beweggrund ist?
                              Fett nachträglich von mir

                              Unbedingt möchte ich hier eine Diskussion über was ist Pilgern, was ist Wandern, gar, was ist richtiges Pilgern oder ähnliche Themen außen vor halten. Einmal ist das Forum hier nach meiner Meinung der falsche Platz dafür (wenig Pilger); und dann laufen solche Erörterungen nach meiner Erfahrung schnell aus dem Ruder, gleiten ins Persönliche ab. Nach 8 Jahren mitlesen, teils aktivem Mitmachen in diversen Pilgerforen, wäre ich wirklich froh, wenn man diese Themen aus diesem Thread raushalten könnte. Wer will, kann ganz einfach ein neues Thema aufmachen.

                              Dass das nicht ganz gelingen wird, war abzusehen. Einiges ist in den Beiträgen schon genannt worden, oder klingt durch. Wenn ich das richtig einordne, sind das persönliche Erfahrungen und Erlebnisse.
                              .

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                              • Enja
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                                • 18.08.2006
                                • 4750
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                                #16
                                AW: Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg

                                Wer mit Pilgern spricht, und zwar nicht in der gemütlichen Runde der Auberges und Hostels,
                                sondern im Davor und Danach, bekommt die eigentlichen Geschichten zu hören:
                                Scheidung, Tod, Krankheit, Zerwürfnis, Sinnlosigkeit, Einsamkeit, Trennung und Isolation.
                                Das kann ich so nicht bestätigen. Diese "eigentlichen" Geschichten haben wir auch auf dem CF gehört. Ob nun in gemütlicher Runde oder in ungemütlicher (was wäre das?). Wenn man mal ein paar Jahrzehnte hinter sich hat, dann bleiben diese Erfahrungen nicht aus. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass das "unter Pilgern" mehr thematisiert wird als unter Wanderern. Obwohl sich mit denen natürlich ähnliche Gespräche ergeben. Auf dem Jakobsweg gehen alle in dieselbe Richtung und haben das gleiche Ziel, den gleichen Weg hinter sich. Das macht vielleicht Gespräche leichter. Man teilt häufiger längere Wegstrecken mit anderen, die man immer wieder trifft. Auf nicht-Pilgerwegen sind solche Begegnungen eher selten. Man übernachtet mal zusammen. Man sieht sich vielleicht noch mal wieder.

                                Junge Leute, die unbeschwert den Jakobsweg von Party zu Party laufen, gibt es daneben auch. Wie auf allen mir bekannten Wegen.

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                                • volx-wolf

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                                  • 14.07.2008
                                  • 5576
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg


                                  Post als Moderator

                                  Auf Wunsch des TO den Threadtitel angepasst.
                                  Statt "Vom Pilgerweg auf dem Weitwanderweg " heißt es nun "Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg"
                                  …vielleicht hilft es bei der Diskussion Missverständnisse zu vermeiden


                                  Bei Nachfragen bitte eine PN an den Moderator senden.  Dein Team der

                                  Moralische Kultur hat ihren höchsten Stand erreicht, wenn wir erkennen,
                                  daß wir unsere Gedanken kontrollieren können. (C.R. Darwin)

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                                  • lina
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                                    #18
                                    AW: Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg

                                    *Thread ausbuddel* ... ... ja, hier passt es.

                                    Neue Formen des Pilgerns und Weitwanderns: Nachdem ich eben las, dass ein "atheistischer Pilgerweg" als "neuer Fernwanderweg" gesehen werden kann: Es gibt offensichtlich einen neuen Ansatz des gesellschaftsbetrachtenden Reisens = in passendem Denk-Tempo unterwegs sein, gerne von Ost nach West oder von West nach Ost, und das Ganze dokumentieren (per Text oder/und Bild), bevorzugt mit gesellschaftlich relevanten Themen als Aufhänger.

                                    2010 waren die ersten(?) unterwegs: Zwei Teams wandern auf dem Wanderweg der deutschen Einheit einander entgegen beim sog. "Einheitswandern". Strecke: Aachen–Görlitz

                                    Inzwischen werden es mehr, die einen solchen Ansatz interessant finden, die Fortbewegungsgeschwindigkeit bewusst zu drosseln und näher hinzuschauen. Erstaunliche Gemeinsamkeit: ein Zeitraum von 50 Tagen.

                                    Z.B. vor kurzem der Journalist Henning Sußebach, der seine Reise und die Auswirkungen derer auf seine journalistische Arbeit per Buch/Text dokumentierte, unterwegs auf den 93% unversiegelter Fläche Deutschlands von der Ostseeküste bis zur Zugspitze: https://kress.de/mail/news/detail/be...raenderte.html und http://www.rp-online.de/panorama/deu...-aid-1.6766664[/QUOTE]

                                    und aktuell der Fotograf Andreas Teichmann, der seinen Weg von Aachen nach Zittau mit seiner digitalen Mittelformatkamera und einem Weitwinkelobjektiv fotografisch dokumentiert. Er plant seine Ankunft zeitgleich zur Bundestagswahl. Dokumentiert wird das Ganze auf einer Webseite und bei instagram.

                                    Die Anregung, wird berichtet, kam vom Denkweg (= der atheistische Pilgerweg), selbe Strecke: Aachen–Zittau, Westen–Osten, A–Z, ... . Hier geht es um Ökologie. Mit einer ähnlichen Thematik befasst sich der Whatsalp.

                                    Und es gibt bestimmt noch mehr.

                                    Spannend ....


                                    Nachdem ich ein bisschen in vorletzterem schmökerte: Die Ausnahme bleibt Henning Sußebach.

                                    Bei den anderen Berichtenden wird meistens das Wetter dokumentiert, die Reaktion des Körpers auf die ungewohnte Anstrengung (Blasen, Schmerzen), die Ausrüstung (Wasserresistenz der Technik (iphone abgesoffen, Navigationsmöglichkeit erst einmal weg) und der Bekleidung)), Essen, Durst (zu wenig Wasservorräte) ... dabei: kein Zelt ... Den Zeitdruck durch die 50 Tage finde ich schade, das lenkt IMO zu sehr ab. Die Fotos befassen sich mit denen auf "Denkwege" aufgeführten "Erkenntnisorte" (Landschaft, Veränderung der Landschaft durch den Menschen, einzelne Begegnungen, wenig Text).
                                    Zuletzt geändert von lina; 12.09.2017, 22:39.

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                                    • Galadriel
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                                      #19
                                      AW: Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg

                                      ... ja diese Ansätze finde ich auch sehr spannend. Eigentlich wollte ich den Bericht unserer letzten Reise entsprechend mit Erfahrungen und einer thematischen Verzahnung ergänzen, habe es aber nicht hinbekommen.....
                                      Wandern & Flanieren
                                      Neues entdecken durch Langsamkeit

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                                        #20
                                        AW: Vom Pilgerweg auf den Weitwanderweg

                                        Pilgern oder Weitwandern ist im Prinzip egal

                                        "Gehen ist gerade das Tempo, für das der Mensch gemacht ist. Seine Mechanik und sein Stoffwechsel sind wie geschaffen dafür, immer weiterzugehen. Wer rennt, wird irgendwann von der Ermüdung seiner Muskeln gestoppt. Gehen hingegen können Menschen praktisch beliebig lange. Und wenn das Ambiente stimmt, wird es auch nicht langweilig. Sinne und Gehirn nehmen die wechselnde Szenerie beim Gehen auf, ohne davon überwältigt zu werden..."


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                                        Thomas

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