[RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

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  • EbsEls
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    • 23.07.2011
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    • Meine Reisen

    [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Ich wurde gebeten, mal aus alten Zeiten Reisegeschichten aus Rumänien zu erzählen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu weit aushole. Ich werde also nicht berichten von den Planungen über Karten von Süd-Ost-Europa nach der Entlassung aus der NVA, den Reisen danach und dem Virus, der mich befiel. Ich werde einiges überspringen und davon erzählen, wie ich Gert (Alibotusch ließ er sich dann später nennen) von den Vorteilen einer Radtour in Rumänien vorschwärmte. Wir schreiben das Jahr 1986 und im Tagebuch einer harten Retezat-Wanderung im Frühsommer '86 steht:
    Resümee: Rumänien – dieses Jahr nicht wieder, aber die Abenteuer in diesem Land sind eben unvergesslich.
    Was nun folgt sind weitestgehend originale Tagebucheinträge von damals. Ich habe heute nur versucht die Grammatik zu redigieren und ggf. zum Verständnis Notwendiges zu ergänzen (kursiv).


    Saalfeld, 23. Sep. 1986
    Nun sind es nur noch wenige Tage bis zur Abfahrt, ich stecke mitten in den Vorbereitungen, bin wieder voller guter Vorsätze und der Akku ist voll aufgeladen. Ich hoffe, dass er nicht so schnell wieder ausbrennt und ich die Lust verliere bei den schlechten Versorgungsbedingungen. Es geht über drei Wochen mit dem Radl nach Rumänien, und die werden wir, Gert und ich (vielleicht noch ein Dritter) auch brauchen.
    Der Routenplan in Stichpunkten: Mit dem Zug nach Mateszalka (UVR) – Satu Mare – Baia Mare – Baia Spie – Cavnic – Sapinta - Viseu de Sus – Borsa – Prislop-Pass (1416m) – Tal der Goldenen Bistritz – Klöster der Moldau – Solca (Brauerei) – Ceahlau – Bicaz-Klamm – Georgheni - Sovata – Sighisoara.
    Für mein Fahrrad mit dem DDR-Marketingnamen „TopFit & Sicher“ von Diamant wurde es eine Tour über drei Jahre und mit mindestens zwei unterschiedlichen Pedaleros. Für mich wurde es eine bis heute herausragende Tour, der Akku lief zu keinem Zeitpunkt leer.


    28. Sep. 1986, Sonntag
    In Dresden gaben wir unsere Fahrräder als Reisegepäck am Sonnabend abend auf und dann noch auf ein paar Bier in die »Freundschaft« nach Leuben gefahren. Wir sind zu dritt. Gert, Wolfgang und ich. Dann ging's los. Die Sommerzeitstunde standen wir im Hauptbahnhof Dresden ab, da hatte der Zoll viel Zeit zum filzen gehabt. Wir konnten die Zöllnerin mit unseren vom Bier lockeren Zungen in ein nettes Gespräch ziehen, hatten so nichts auszustehen. Auch als mir aus Versehen mein zweites Zollerklärungsformular aus dem Portemonnaie fiel, ließ sie es mir mit einem Lächeln wieder wegstecken.
    Das war damals wichtig: So war es möglich, noch ein paar zusätzliche Forint in Budapest zu tauschen, um ein paar Westplatten kaufen zu können. Der Umtauschbetrag pro beantragtem Reisetag an Mark der DDR in Ostsorten war begrenzt und bei Forint besonders knapp.
    Soweit so gut. Dann ging es aber anders herum, nur noch Pech. In Budapest stellte sich, als wir unsere Räder auslösen wollten, heraus, dass unsere Räder, abgeschrieben von unseren Fahrkarten, nach Debrecen adressiert waren. Sie werden erst am Montag früh in Debrecen ankommen. Wir sind schon am Abend mit dem Hajdu Express gefahren und haben am Stadtrand geboft. Wir sind einfach nach dem Abendbrotessen im Bahnhofsetterem mit der nächsten Straßenbahn bis zur Endstation an den Stadtrand gefahren. Wolfgang und Gert haben keinen "Gesamtrucksack", sie mussten die einzelnen Radtaschen so mit sich rumschleppen.

    29. Sep. 1986, Debrecen
    Am Morgen dann mit dem Bus zum Bahnhof rein gefahren, Frühstück aus dem ABC-Laden. Gegen 9 Uhr entdeckten wir unsere Radeln an der Expressgutannahme. Die schickten uns aber erst einmal zum Zoll und das Drama nahm seinen Lauf.
    Am Ende waren die Räder um 500 Ft wertvoller. Der Bahnhofszollmensch, in seiner Amtsstube nur Minutenweise anzutreffen, schickt uns zu einem Amt in die Stadt und die forderten dann diesen Tribut. Erster Eindruck: Die wollen uns bescheißen. Aber ich denke, die haben schon nach ihren Gesetzen gehandelt. In Budapest auf dem Bahnhofszollamt hätten wir die Räder als Reisegepäck ohne Aufschlag bekommen. Hier, nach Debrecen weitergeleitet, galten sie als importiert. Nach vielen Hin&Her, der Bahnhofszollmensch war gar nicht mehr anzutreffen, kam Einer aus dem Stadtamt freundlicherweise mit zum Bahnhof zum Auslösen. Aber das ist wohl auch für das Geld zu verlangen. Endlich rückten sie unsere Räder heraus.

    Wir haben dann die geplante Bahnfahrt abgeblasen und sofort Richtung Mateszalka auf unsere Rösser gestiegen. Nach ein paar Bier in einer Kneipe am Straßenrand in mitten von Obstplantagen sind wir nach einigen Kilometern dann im Puzstawald zum Bofen gekommen.


    30. Sep. 1986, in der Nähe von Satu Mare
    Früh zum Sonnenaufgang auf die Rösser gesetzt und losgeradelt, kaum Steigeungen aber eben auch nicht mal bergab. Erster touristischer Höhepunkt: Nyirbator, Sitz derer von Batory. Von der ersten Privatkapelle waren nur noch die Grundmauern zu sehen, doch nach dem Sieg Stefan Batorys über die Türken wurde eine größere Kapelle gebaut, so groß wie eine Kirche. Nach der Heirat mit einer kalvinistisch reformierten Frau wurde es eine reformierte Kirche und damit auch eine Kirche für das Volk. Erst dann war auch ein Glockenturm notwendig, der die Gläubigen zum Gottesdienst holt. Der begann sonst immer in der Privatkapelle, wenn die Familie vollständig versammelt war. Der Küster, der uns das alles über die Geschichte der Kapelle erzählt ha, sah uns ganz bedauernd und ungläubig an, als er erfuhr, dass wir nach Rumänien wollten.

    Weiter auf ebenen Straßen via Mateszalka an die Grenze, der Autoverkehr nahm kontinuierlich ab. An der Grenzkontrolle: Während unserem freundlichen Gespräch ernteten wir Hochachtung für unsere Legende, mit den Rädern nach Bulgarien fahren zu wollen. Der Soldat tastete meinen Zeltsack ab. Mit flehendem Blick sprach er zu seinem vorgesetzten Offizier: „Salami!“ Der winkte mich aber durch. Doch als ich dummerweise nach einigen Dutzend Metern meinen Fotoapparat zückte, um ein Bild meiner Freunde zu schießen, war ich meinen Film los. Ein kleiner Muschkote sprang aus dem Gebüsch und führte mich wieder dem Offizier vor. Der wollte gleich den ganzen Apparat, war aber dann mit dem Film zufrieden.
    Dann weiter nach Szathmar/Satu Mare - eine außergewöhnlich schöne und ordentliche Stadt für rumänische Verhältnisse. Dann noch 20 Kilometer auf einsamer Landstraße zwischen Feldern nach einem Wäldchen zum Bofen gesucht.

    1. Okt. 1986, Baia Sprie
    Bis Baia Mare mit nur einer Scheibe Brot im Magen gekämpft, ich kann aber sowieso nicht viel Essen am frühen Morgen.
    In Baia Mare besuchten wir zwei Etablissements: Eine Freiterasse eines Caffees (?), dort gab es Limo, Plätzchen und gogosi, das sind so eine Art Pfannkuchen aus Maismehl. Dann noch in einer berarie auf ein Fassbier, das war aber ganz mies. Jetzt essen wir in Baia Sprie in einer Kneipe. Wir essen draußen zu Mittag - Wurst mit Reis & Kartoffeln, Tomaten und scharfe Paprika, Brot. Fürstlich! Jetzt geht's nach Cavnic.

    In Cavnic in einer berarie - Bier und Mineralien. Gert hat gleich einige Steine von der Theke weg getauscht, er will sie weiter bis Oberwischau schleppen und dann nach Schässburg schicken.
    Cavnic war damals ein Bergbauzentrum für Nichteisenmetalle. Wer mal nach Freiberg / Sa. in die Mineralienausstellung, Abteilung Europa kommt: Cavnic ist prominent vertreten.
    Die Sonne geht schon hinter den Bergen unter, es wird also nur noch kurz hinter das Dorf gehen. Gert ist noch einmal zu seinem Steinefreund unterwegs. Wolfgang und ich sitzen beim Bier und überlegen, ob wir uns auch ein paar Steine besorgen. Ein kleines, aber feines Stückchen würde ich schon mit meinem Radl weiterschleppen. Aber eigentlich haben wir nix zum Tauschen, zum Beispiel Kaffee.

    Bei Rona de Sus, 2. Okt. 1986
    Gestern abends noch bis auf den Pass im Tibles-Gebirge hoch, wobei ich immer wieder Gert auf gute Bofstellen hinwies. Aber nein, es sollte eine mit Wasserstelle sein. Als es dann endlich bergab ging, bezogen wir die erste Beste, ohne Wasser.
    Es hätte ja im Dunklen ein Stein auf der Straße liegen können. Das Biwak dort oben war für mich sehr kalt im Zelt. Mein Schlafsack ist eben doch nicht so die Wucht. Von diesem ersten 1000-Meter-Paß gibt es jetzt die erste große Abfahrt. Diese führte uns direkt in die typische Maramures-Landschaft des Mara-Tals.
    In der Maramures scheint alle aus Holz zu sein: Große geschnitzte Holztore, schmücken die Straßenfronten der Gehöfte, Schindel gedeckte (leider immer weniger an zu treffend) Holzhäuser bestimmen das Bild der Dörfer und Streusiedlungen, aus Holz gezimmerte Kirchen mit schlanken Türmen zeigen den Mittelpunkt der ausgedehnten Dörfer an.
    In diesen Ortschaften haben wir uns lange aufgehalten, die Holzkirchen besucht und mit einigen Bäuerlein gesprochen. Leider waren wir wochentags hier und konnten so nicht die farbenfrohen Volkstrachten bewundern.

    Im Land des Holzes ...

    ... treten wir in eine Welt aus dem Geschichtsbuch

    Eine der vielen Holzkirchen wurde gerade von zwei Handwerkern restauriert. In der Nähe dieser Kirche wurden wir von einer Bäuerin zum Essen eingeladen. Das Dicke von der Büffelmilch, Speck, Zwiebeln, Weintrauben und 60%igen Zuica.

    Er sägt die Bretter zurecht ...

    ... die dann oben am Turm angenagelt werden
    Plötzlich mitten im Dorf Budesti endete der Asphaltbelag, doch die weitere Strecke ging einigermaßen. Die hohe Geschwindigkeit in den Serpentinen der Abfahrt vom Pasul Neteda oben im Tibles-Gebirge hatten mich zwei Speichen gekostet, die Hulperstrecke hier nur eine.
    Gert wollte noch ein besonderes Holzschnitzerdorf (Valea Stejarului) besuchen, dazu mussten wir durch einen Fluss bei Vadu Izei fahren. Gert: „Eine kleine Einlage!“ Bis auf eine Flussinsel konnte ich ohne Absteigen rollern, aber durch das von vielen Blutegeln verseuchte Wasser wollte ich nicht waten.

    Dabei hat es bei mir ausgehakt, ich bin allein umgekehrt und nach Sighetul Marmatiei gefahren. Dort wurde mir klar, was das für ein Unsinn ist. Man hätte wenigstens erst einmal sich verständigen müssen und einen Treffpunkt vereinbaren sollen.
    Ich bin dann noch bis Einbruch der Dunkelheit Richtung Wischau über Oberrohnen hinaus gefahren und habe dann an einem loc de odihna geboft. Vorher in Sighetul mit ape minarale und piine versorgt. Ich denke, dass wir uns in in Oberwischau wieder treffen werden, das ist von hier aus nur noch 40 km.

    loc de odihna - ein Rastplatz
    Dort eine Flasche Bier getrunken, entspricht einem Liter. Im nächsten Laden gab's gogosi cu brincu und Knoblauch. Davon Durst bekommen und zurück zur Quelle des Bieres, davon wieder Appetit, also zurück zum gogosi-Stand, zwei Wiederholungen … oh jeh, ich muss ja noch auf's Rad!
    Ankunft in Oberwischau. Ich bin jetzt der Meinung, dass ich von uns Dreien der Erste hier bin, ich habe alle markanten Plätze sprich Kneipen abgesucht. Jetzt sitze ich im Restaurant „Minerul“ beim Bier. Vorher habe ich mich um die Kirche herumgedrückt, in der Hoffnung Leute deutscher Zunge zu finden und sie nach Fleischers, Gerts Bekannten hier am Ort, zu fragen. So würden sich sicher alle Fragen klären, es ist jetzt 15 Uhr.
    Meine Suche nach einer Familie mit Namen Fleischer hatte doppelten Erfolg: Eine Adresse in der Zipserei, einem Viertel der aus Zips in der Slowakei vom hiesigen Bergbau herbei gerufenen Deutschen, und in einem Neubaublock, ein Professor des örtlichen Gymnasiums. Mir wurde gesagt, der Professor wäre gerade mit seinem Kind auf einem Spaziergang, also wollte ich in einem kleinem Park vor dem Block warten. Da fuhren die Kumpels vorbei – wir feierten großes Wiedersehen beim Bier, von mir selbstverständlich ausgegeben.
    Die Adresse in der Zipserei wäre die Richtige gewesen. Es folgte eine herzliche Aufnahme in der Familie Fleischer. Zuica, Bohnepüree mit gebratener Fleischwurst, wieder Schnaps (Goldkrone) und Plaudern, wie Maria immer sagte. Dann konnten wir mal wieder in einem richtigen Bett schlafen.

    Valea Vinului, 4. Okt. 1986
    Heute mit der „Koffiemiehl“, mit der Vasertalbahn gefahren, einer alten Forstbahn. Zur Zeit pausieren wir gerade während des Spaziergangs zurück nach Oberwischau. Wir sind nicht richtig weit genug reingefahren in das Maramures-Gebirge. Wenn man hinter die Toroiaga will, muss man sehr früh aufstehen und um 5 Uhr am Bahnhof erscheinen, um mit dem Bähnle mitzukommen. Wolfgang klagt über seine Knie – ist schon das Ende der Tour in Sicht? Meine Batterien sind noch schön aufgeladen.

    Die Koffiemiehl

    Vmax = 25 km/h
    Am Abend konnten wir noch ganz neue Menschen werden – es war gerade im Wohnblock der Tochter von Fleischers der Tag des warmen Wassers und wir konnten baden. Warmes Wasser gibt es in den Blocks immer abwechselnd Sonnabends und Donnerstags. Das kostet die Bewohner nur die geringe Miete, also kommen alle Familienmitglieder und deren Gäste zum Badetag zusammen. Hinterher saßen wir noch zum Plaudern zusammen, es gab Schnaps. Ich habe niemals soviel wie hier getrunken und vertragen.

    Bei Familie Fleischer in Oberwischau, 5. Okt. 1986
    Schön lange geschlafen und dann zum Familienausflug nach Valea Vinului aufgebrochen. Es wurde alles Notwendige zum Grillen mitgenommen: Ein rumänisches tragbares Patentrost, ein frisch geschlachteter Hase, ein Liter Schnaps, ein Liter Wein, viel Knoblauch.



    Der Weg führte durch herrliche Herbstlandschaft über einen Bergrücken hinweg. An einem Mineralbrunnen, leicht schwefelhaltig, haben wir dann gerastet und gegrillt. Es war ein ganz tolles Erlebnis, nicht so für „Lord“, dem Hund von Fleischers. Der musste ob des reichlich mit Knoblauch gewürzten Fleisches kotzen. Rückwärts schauten wir noch bei den Schwiegereltern der Tochter von Fleischers rein, die Mutter hatte Geburtstag. An einem Tisch hier im Norden Rumäniens saßen dann zwei Zipserinnen, ein Siebenbürgener Sachse, ein Russe, drei DDR-Deutsche und ein „Halbrusse“ (so jedenfalls nannten Fleischer ihren Schwiegersohn) zusammen. Das war eine typische Runde dieser Gegend. Es hätten noch Huzulen und Ungarn dazu zählen können. Wir packen unsere Taschen für die Weiterfahrt über den Prislop-Pass hinüber in die Bukowina. Es waren drei sehr schöne Tage hier in Oberwischau bei Fleischers. Wir gehörten zur Familie, aber ich freue mich wieder auf mein Rad wie am ersten Tag.
    Zuletzt geändert von EbsEls; 10.02.2019, 10:40. Grund: Erläuterung zu Cacnic, ein Bild ergänzt
    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
    Eberhard Elsner

  • volx-wolf

    Lebt im Forum
    • 14.07.2008
    • 5576
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

    Wunderbar! Grandios!
    Freue mich sehr auf die Fortsetzungen!
    Dringend erbeten!

    Moralische Kultur hat ihren höchsten Stand erreicht, wenn wir erkennen,
    daß wir unsere Gedanken kontrollieren können. (C.R. Darwin)

    Kommentar


    • emdoubleu
      Dauerbesucher
      • 25.07.2011
      • 521
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

      Hi,

      bitte unbedingt fortsetzen, derartige Reiseberichte lese ich unheimlich gern!

      Vielen Dank vorab für das Einstellen!
      Gruß
      Markus

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      • Atze1407
        Fuchs
        • 02.07.2009
        • 2425
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

        Ach ja, die gute alte Zeit.

        Bitte weiter.
        Wenn du den Charakter eines Menschen kennenlernen willst, gib ihm Macht.
        Abraham Lincoln

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        • Gast-Avatar

          #5
          AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

          Einfach nur Super!

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          • smeagolvomloh
            Fuchs
            • 07.06.2008
            • 1929
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

            Sehr schön! Reiseberichte aus der Vergangenheit finde ich immer wieder klasse. Bitte weitermachen.
            "Das Leben leicht tragen und tief genießen ist ja doch die Summe aller Weisheit."
            Wilhelm von Humboldt, 1767-1835

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            • Abt
              Lebt im Forum
              • 26.04.2010
              • 5726
              • Unternehmen

              • Meine Reisen

              #7
              AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

              Sehr schön
              Paar bilder später hier

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              • Randonneur
                Alter Hase
                • 27.02.2007
                • 3373

                • Meine Reisen

                #8
                AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                Toll.

                OT: Da fuehlt man sich gleich ein gutes Vierteljahrhundert juenger.
                Je suis Charlie

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                • simurgh
                  Fuchs
                  • 02.11.2011
                  • 1846
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                  Gaaanz großes Kino. Danke und bitte schnell weiterschreiben. Wohl dem, der in dieser Zeit diszipliniert Tagebuch geschrieben hat. Ich habe das leider nie getan und so habe ich von meiner 86'er Siebenbürgen-Wanderreise leider nur noch paar verblichene Dias und paar Erinnerungen an herzliche Begegnungen.

                  Sehr gut kann ich mich aber noch an die Währungseinheit und das begehrte Tauschmittel "Rondo" erinnern - 50gr zu 3,50 Mark! Für diese winzige Packung Kaffee mußte man damals ca. eine Stunde arbeiten und bekam dafür bis zum Zehnfachen an Lei, wenn ich mich richtig erinnere, auf dem Schwarzmarkt. Das half damals sehr beim Wirtschaften...
                  >> Ich suchte Berge und fand Menschen <<

                  Kommentar


                  • Gast-Avatar

                    #10
                    AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                    Sehr schön, so war das damals. Diese Art des Reisens vermisse ich heute sehr

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                    • Wafer

                      Lebt im Forum
                      • 06.03.2011
                      • 8834
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                      Hallo.

                      Das liest sich ja gaz spannend! Ich freue mich auf eine Fortsetzung!

                      Gruß Wafer

                      Kommentar


                      • Zz
                        Fuchs
                        • 14.01.2010
                        • 1533
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                        Sonnigen Tag EbsEls!
                        Danke für Deine Tagebucheinträge und die tollen Bilder, was für schöne warme Farben. Die Maramures mag ich besonders und am liebsten mit der Bahn hoch in den Wald, in die Berge. Die Abfahrtszeit am Morgen war auch 1990 noch die gleiche, ich fand gerade in meinen spärlichen Aufzeichnungen: "10.7. 4.30 Uhr aufstehen und doch zu spät, die erste Bahn fährt pünktlich um 5.00 Uhr ab.Die Nächste soll um 7.00 Uhr kommen, wir müssen warten."
                        Wir durften dann doch etwas früher mit der "Draisine" reisen, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
                        Freue mich schon auf weiter Bilder und Tagebucheinträge, danke Z.
                        "The Best Laks, Is Relax."
                        Atli K. (Lakselv)

                        Kommentar


                        • Abt
                          Lebt im Forum
                          • 26.04.2010
                          • 5726
                          • Unternehmen

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten



                          ....na,warten wir mal auf Ebsels beim Fürsten...


                          kurz vor dem Prislop-Pass



                          Prislop-Pass 1986
                          Zuletzt geändert von Abt; 14.02.2012, 09:47.

                          Kommentar


                          • EbsEls
                            Erfahren
                            • 23.07.2011
                            • 434
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                            Nun endlich weiter im Text ...

                            6. Okt. 1986, passul Mestecanis
                            Jetzt sitzen wir beim Bier auf unserem zweiten 1000-m-Pass des Tages nach knapp 100 km Tour über die Waldkarpaten.
                            Heute früh nach einer kleinen Durchsicht der Räder, ich musste mal wieder eine Speiche nachziehen, sind wir zur Bank in Oberwischau zum Einlösen der Reiseschecks gegangen. Das ist im Landesinneren ein ziemliches Problem. Fleischers sind mitgekommen und vor der Bank dann der herzliche Abschied von unseren freundlichen Gastgebern.

                            Vor uns lag ein ständiger Anstieg, wobei Gert ein scharfes Tempo anschlug, so dass ich abreißen lassen musste. Ich muss mich erst wieder richtig einrollen. Bei sagenhaftem Wetter ging es dann hoch auf den Prislop-Pass, eine herrliche Aussicht dort oben zu Gipfeln des Rodna und des wilden Maramures- Gebirges. Vom Gasthof auf dem Pass wurden uns in Oberwischau wahre rumänische Wunder versprochen. Der „Fürst“ hat den einzigsten Privatbetrieb weit&breit und das Angebot sei durch gute Beziehungen gut ausgestattet. Unsere Freunde berichteten mit leuchtenden Augen von Pilsner Bier und ungarischer Salami. Reinfall: Uns wurde nur eine dünne Suppe serviert, und bei unserer Salami lief Denen das Wasser im Munde zusammen. Dann eine herrliche Abfahrt in das Tal der Goldenen Bistritz (Bistrita Aurie) durch sehr schöne Dörfer. Im „komm mit“ schreiben sie: „Wo die Häuser Hemden tragen!“ Vor dem Hochschieben auf den Mestecanis stärkten wir uns in einer kleinen Dorfkneipe in Ciocanesti noch mit vier Flaschen Bier, was hier im Norden vier Litern entspricht.


                            7. Okt. 1986, Sucevita
                            Während der heutigen großen Bergetappe ging es über zwei Tausender-Pässe. Das Fahrrad in Summe ungefähr 1000 Höhenmeter hoch geschoben. Nach dem guten Frühstück, wir hatten uns Bier von gestern aufgehoben, erst einmal eine Abfahrt hinunter in die Moldau.
                            Vor der Auffahrt zum nächsten Pass Tre Movile konnten wir eine erste Kirche im moldauischen Stil im Dorf Sadova besuchen. Während der Auffahrt bzw. dem Hinaufschieben habe ich die Konusse an meinem Rad nachstellen müssen. Kurz danach liefen uns drei Hirsche in ca. 15 m Entfernung über die Straße, zuerst zwei Kühe, sie äugten eine ganze Zeit zu uns herüber, dann kam der Hirsch majestätisch über die Straße geschritten, alle ohne jede Hast oder Angst. Ich finde, dass das auch ein Ausdruck für die Verkehrsverhältnisse auf rumänischen Straßen ist. Bei solch einem Hinaufschieben von ein bis zwei Stunden Dauer begegnen einem keine zehn Autos, und bei der Abfahrt kann man die gesamte Straßenbreite zum Ansteuern der Kurven nutzen.

                            In Vatra Moldovita das erste Kloster, sehr schön restauriert. Dort wird auch der »Goldene Apfel« aufbewahrt. Das ist ein Preis der internationalen Vereinigung der Reiseschriftsteller für die gute Erhaltung aller Moldauklöster als Kulturdenkmal.

                            Der Ciumarna-Pass über die Obcina Mare belohnte uns mit einer schönen langen Abfahrt mit vielen weit geschwungenen Serpentinen hinunter zum nächsten Kloster Sucevita. Dieses Kloster ist größer und auch schöner als das in Vatra Moldovita. Für Fotos ist es aber schon zu dunkel, wir werden Das morgen nachholen. Zum Feiertag sind wir dann in ein Hotel, der Chef versprach uns das Hotelzimmer zum Preis der Campinghütte, die er nicht mehr belegen wollte. Im Restaurant haben wir heute eine Rechnung über 176 Lei gemacht, das Feiertagsessen bestand aus Schweinekotelett mit Pommes frites und Wein. Beim Knobeln um den Platz auf dem Fußboden habe ich schon wieder verloren. Es ist kein richtiges Knobeln, eben nur mit Streichhölzern.

                            8. Okt. 1986, bei Voronet
                            Nach unserem teuren Quartier, wir haben tatsächlich nur den Hüttenpreis bezahlt, sind wir noch einmal zum Fototermin zum Kloster zurück. Vom Hügel präsentiert sich eine tolle Anlage.



                            In Marginea, Zentrum der Schwarzen Keramik, kauften wir uns auch ein paar "Scherbeln", mal sehen, wie wir die nach Hause bringen.

                            In diesem Ort ging dann auch der Regen los, der uns scheinbar nicht verlassen wird. In Solca war die berarie der Brauerei zwar geschlossen, aber in einem Gasthof gab es das Solca-Bier auch, plus einem guten Essen. In Solca soll das beste Bier Rumäniens gebraut werden, ich hatte deshalb eigentlich mehr erwartet. Hier haben Wolfgang und ich auf Gert gewartet, der noch einen kleinen Abstecher nach Arbore gemacht hat. Im Regen sind wir dann bis in die Nähe des Voronet-Klosters durchgefahren. Eigentlich wollten wir noch ein Salzbergwerk mit einer Kirche untertage besuchen. Der Nieselregen verdarb uns aber die Suche.

                            Für das Abendbrot bin ich noch einmal ohne Gepäck in das Dorf Gura Humora hineingefahren, komisches Fahrgefühl nach all den Tagen Fahrt mit Gepäck. Gert hat auf Grund seines Reisebudgets jetzt das Ruder auf Sparen gerissen, wir werden wieder im Zelt übernachten. Hoffentlich wird es nicht allzu kalt, mein Schlafsack ist nicht mehr das Wahre. Zuvor aber noch ein ordentliches Abendbrot mit Brot, Zwiebeln, Wurst, Bier und Brandy OVID „tip metaxa“.

                            9. Okt. 1986, Rarau
                            Diese Eintragung erfolgt auf sage und schreibe 1536 m Höhe, so jedenfalls das Schild über dem Eingang des Berghotels hier auf dem Rarau.
                            Bis hier her aber reichlich strapaziöses Schieben und auch die Abfahrt verspricht bei den Straßenverhältnissen auch nicht die reine Freude zu werden. Früh hat es noch stark geregnet und Zweifel um die Fortsetzung unserer mittlerweile zur Supertour ausgewachsenen Fahrt wurden wach. Doch nach dem Besuch des Klosters Voronet
                            (Sixtina des Ostens) sind wir doch auf unsere Radeln gehupft und bergauf über beschissene Betonplatten weiter gefahren. In Voronet beindrucken die schönsten Wandmalereien an der Klosterkapelle, sonst war es aber ein wenig enttäuschend, denn dieses Kloster ist nicht mehr "in Betrieb", wie in Sucevita oder Vatra Moldovita.

                            Bei Cimpulung Moldovanesc sind wir dann nach einer Reparatur von Wolfgangs Tretlager in einer finsteren Höhlenwerkstatt nach rechts zum Rarau abgebogen, um diesen Höhenrekord zu erklimmen. Der Defekt an Wolfgangs Tretlager schien unsere Tourpläne mal wieder platzen zu lassen. Das auf die Tretwelle aufgebördelte Kettenblatt hatte keine kraftschlüssige Verbindung mehr. Einige mächtige Schweißraupen schafften in der Feldschmiede Kraftschluss für die Ewigkeit.

                            In der Karte wir ein Weg über den Rarau als Abkürzung in das Bistritz-Tal angeboten, sonst hätten wir wieder über den Mestecanis fahren müssen. Der Rekord wird gerade mit Bucegi-Bier begossen, ein Bier, das von verschiedenen Brauereien in ziemlich gleicher Qualität in weiten Teilen Rumäniens angeboten wird, sozusagen als Spitzenbier á la Werni o.ä. Überall gucken hier im Rarau-Gebirge aus dem Wald Kalkfelsen heraus, das ist hier sicher auch eine interessante Wandergegend.
                            Diesen Höhenrekord musste ich aber sehr teuer bezahlen, bei der schon erwähnten und befürchteten Abfahrt kam mir ein Hund in die Quere. Dieser verfolgte mich, ich ließ die Bremse los. Für die nächste Kurve war meine Flucht- geschwindigkeit zu groß, und ich bin über die Lenkstange geflogen und kopfüber zwischen Matsch und Steinen gelandet. Am Fahrrad war der hintere Gepäckträger abgerissen, leicht reparabel, aber der Rücktritt war ausgeglüht. Nach vorläufiger Reparatur vor Ort musste ich dann bergab schieben! In der hereinbrechenden Dunkelheit erreichte ich dann meine mir entgegenkommenden Kumpels und wir fuhren zu unserem heutigen Etappenziel, die Zugreni-Hütte.


                            10. Okt. 1986, Freitag Stausee Bicaz
                            Als wir von unserem Zeltplatz an der cabana Zugreni aufbrachen, war ich der Meinung, dass heute nichts weiter passieren dürfte. Die Straße sollte entlang der Bistrita immer leicht bergab verlaufen, man musste aber andauernd trampeln. Es begann wieder das Knie von Wolfgang zu muckern. Gert und ich radelten mit unseren ständigen Fotohalten für Wolfgang zu ungleichmäßig, so fuhr er nach einiger Zeit weiter, als ich noch einmal meinen Rücktritt betreuen musste.

                            Bis jetzt, es ist schon abends, haben wir Wolfgang noch nicht wiedergefunden. Es ging anfangs durch eine Klamm und das tiefe Tal der Bistritz. Am Bicaz-Stausee wurde es dann schwer, Huckel hoch, Huckel runter. Ich glaube fest, dass Wolfgang vor uns ist und ich möchte ihn bis Bicaz eigentlich einholen, aber mit Gert ist heute nicht viel los. Wir trennten uns dann auch noch, weil ich wenigstens an einem Camping-Platz hoffte, dort Wolfgang zu finden. Ich mietete mich in eine Hütte ein. Heute kann mir keiner das Bett streitig machen.

                            11. Okt. 1986, Lacu Rosu
                            Am Zeltplatz wartete ich lange auf Gert, der am Straßenrand gecampt hatte. Nach einigen hundert Metern fanden wir an einem Stock in einer Tüte einer Beutelsuppe eine Nachricht von Wolfgang: "8.30 Uhr aufgebrochen. Richtung Lacu Rosu." Er hatte hier ohne Zelt biwakiert, die Nächte sind jetzt schon ganz schön kalt.
                            Während der Auflösung der Frühnebel einmalige Bilder des Stausees und des Ceahlau. Über Staumauer nach Bicaz. Dort neben der Dreckschleuder Zementwerk ein kleines Sahnetörtchen zum Frühstück (dazu Bier, was sonst?) gegessen. Weiter ging es nach Wolfgangs Botschaft in der Tüte bei guter Laune und neuer Hoffnung nach Lacu Rosu. Ein Supererlebnis ist die Bicaz- Klamm, unbeschreiblich, ich hoffe, die Bilder zeigen einen ungefähren Eindruck.



























                            In Lacu Rosu haben wir Wolfgang nicht getroffen, Gert ist aufgebracht. Ich glaube, bei Wolfgang läuft es einigermaßen und er ist uns voraus. Wir sollten jetzt alles versuchen, ihn einzuholen, zumindest keine Verzettelungen bei der Suche (Gert!). Immer wenn wir eine längere Rast einlegen, habe ich das Gefühl, er ist kurz vor uns. Wie beispielsweise gestern am Campingplatz. Seine Biwakstelle lag keine zwei Kilometer hinter meinem Campingplatz, den er wohl übersehen hatte. Glaubt Wolfgang, wir sind an seiner Bofstelle vorbei gefahren und rast nun hinter uns her? Das wird auf jeden Fall Komplikationen bringen, denn ab Gheorgheni wollen wir über eine andere Route sofort in das Tal der Großen Kokel fahren.
                            Hinter Lacu Rosu haben wir wieder eine Botschaft von Wolfgang gefunden, angebunden mit ein paar alten Armeesocken an ein Verkehrsschild. Die Botschaft hieß: "Aufgebrochen gegen 13 Uhr, Richtung Gheorgheni." Als wir diese fanden, hatte er schon wieder zwei Stunden Vorsprung. Wir sind deswegen bis Gheorgheni hinter ihm her gehetzt, aber auch dort war er nicht zu finden.

                            Wir verfuhren uns dann noch etwas, so dass der Schlafplatz nicht den Geschmack von Gert fand. Er beabsichtigte, schon vor Gheorgheni zu bofen, doch ich wollte dort noch wenigstens nach Wolfgang sehen, doch nichts. Es wurde dann eine kalte Nacht, anfangs sogar ohne Zelt, so dass ich dann gegen 1 Uhr mein Zelt aufbaute. Erstens zwecks Erwärmung durch Bewegung und zweitens für die folgenden Stunden, denn als ich dann noch einen Schluck aus meiner Radflasche nehmen wollte, war alles zu einem Eisblock gefroren.
                            Zuletzt geändert von EbsEls; 10.02.2019, 10:48.
                            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                            Eberhard Elsner

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                              • 26.04.2010
                              • 5726
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                              #15
                              AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten




                              Hargitha 86, Kältepol Rumäniens.
                              "...Nachts hörte ich irgendwas Klappern. Das war Ebs sein Gebiss.
                              ....Irgendwie haben wir die Nacht überlebt.....
                              Zuletzt geändert von Abt; 12.02.2012, 23:22.

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                              • squirrel
                                Gerne im Forum
                                • 25.04.2010
                                • 83
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                                #16
                                AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                                Danke EbsEls, dass du dein Reisetagebuch hier mit uns teilst!
                                ... auch weil ich einen Teil eurer Route, etwa zwischen den Moldauklöstern und Sighișoara, letztes Jahr in umgekehrter Richtung gefahren bin, und daher einige Erlebnisse gut nachvollziehen kann (der Bericht entsteht gerade im Nachbarthread, bin auch kurz vor der Ankunft in Gheorgheni).
                                Respekt, mit welch (relativ zu heute) einfachem Material und einfacher Kommunikationstechnik ihr diese Route gefahren seid!

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                                • EbsEls
                                  Erfahren
                                  • 23.07.2011
                                  • 434
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                                  ... also weiter im Text.

                                  12. Okt. 1986, Odorheiu Secuiesc
                                  Kurz nach dem Sonnenaufgang aus dem bereiften Zelt gekrochen, davor lag noch. Gert in seinem ebenfalls völlig bereiften Daunenschlafsack von Alex Albust.
                                  Das war damals das Nonplusultra bei den Schlafsäcken. Dazu hat Gert irgendwo einige Pfund Daunen aufgetrieben, bei Herrn Albust in Erdmannsdorf abgegeben und nach einiger Zeit für einen Monatslohn so ein Schätzchen gekauft.
                                  Ein Mann, auf dessen Wiese wir geboft haben, lud uns dann zum Frühstück ein. Wir sind mittlerweile in ein rein ungarisches Gebiet gekommen. Im Unterschied zu den deutschen Siedlungsgebieten sind hier alle Schilder zweisprachig, die Ungarn sind mit über einer Million Einwohnern die größte Minderheit in Rumänien. Der Mann konnte sich nur schwer mit Gert in rumänisch verständigen. Dadurch - langsam und mit Händen und Füßen - habe auch ich fast alles verstanden und konnte sogar ein paar Worte mitreden. Auch hier ging es vor allen Dingen gegen die Kommunisten. Mit dem Ceaușescu ist eben kaum jemand einverstanden, besonders wenig die Minderheiten.
                                  Nach einigen Schnäpsen und herrlichem Johannisbeerwein ging es dann bei brennender Sonne auf die Räder in einer ermüdenden Fahrt über den Sicas-Paß. Damit verließen wir das Hochbecken von Gheorgheni, den Kältepol Rumäniens. Nach meinem Eindruck hat es zumindest bei diesem herbstlichen Hochdruckwetter Ähnlichkeit mit den Hochbecken Asiens, Kontinentalklima. Bei besseren Straßenverhältnissen wären wir wenigstens von der Abfahrt belohnt wurden, aber die Belohnung war die Umleitung wegen des Baus eines Hochwasserschutzbeckens für das Kokeltal über eine Schotterstraße. Bis Odorheiu Sec. dann Gegenwind, eine Durststrecke. Dort fanden wir keine passende berarie. Aber jetzt sitzen wir im nächsten Dorf in der Dorfkneipe zwischen tollen Trachtenpaaren und Bier. Sehr weit soll es nicht mehr gehen. Ich sauge gerade das Bild dieses ruhigen Sonntagnachmittags im schrägen Gegenlicht der untergehenden Sonne ein. Die Ruhe kann aber auch trügen, zwei Besoffene werden gerade aus der Kneipe geprügelt.

                                  13. Okt. 1986, Sighisoara
                                  Wir sind wirklich nicht mehr weit gefahren. Sechs Bier in meinem Rucksack wurden noch bis auf die Deichkrone der Kokel kurz hinter dem Dorf gefahren. Dort war dann das jetzt übliche Kältebiwak mit gefrorenem Zelt in der Früh. Nach dem Abtrocknen der Zelte ging es auf die letzten vierzig Kilometer bis Schässburg. Wir sind durch das landschaftlich unspektakuläre Gebiet mit nahezu vollständig ungarisch stämmiger Bevölkerung schön gemütlich geradelt.



























                                  Ich schreibe diese Zeilen in der berarie in Draculas Geburtshaus. Ich war gerade zur Abfahrt des Pannonia auf dem Bahnhof, um eventuell Wolfgang zu entdecken, aber nichts. Ich bin ganz gespannt, wie diese Sache ausgeht. Wir sind gleich zu Gerts Bekanntem, einem "reiselustigen Rentner" (Zeitungszitat aus der „Neuen Zeit“, der Tageszeitung der deutschen Minderheit, sah ich auf seinem Tisch). Dort wird uns gleich eine »Ciorba« und Rührei gereicht, die typische Gastfreundschaft, dazu seine einzigste Flasche Bier. Er wollte extra für uns einige Flaschen kaufen, doch waren sie schon ausverkauft, als er kam - Erntedankfest am Wochenende. Ich denke, ich werde heute Abend bestimmt noch einige Eintragungen machen können, denn jetzt werden wir noch einen kleinen Spaziergang durch die Altstadt von Schässburg, dem Burgberg machen. Leider sind meine Filme aufgebraucht, der an der Grenze requirierte Film fehlt mir jetzt. Vielleicht kann ich mir noch einen kaufen.

                                  Auf dem Spaziergang haben wir auch noch einige andere wichtige Sachen erledigt, wir waren noch einmal am Bahnhof wegen Wolfgang, der immer noch nicht aufgetaucht ist, und die Quartierfrage wurde gelöst. Wir werden heute hoch oben an der Bergkirche, in der Friedhofskapelle schlafen, und auch unsere Räder können wir über den Winter bei der Küsterfamilie einstellen. Dann zum Abendessen ins Dracula-Haus. Leider wird abends nicht mehr das gute Bier ausgeschenkt, das ich vorhin gezapft bekam, Gert hatte meinen Optimismus schon gedämpft. Essen mit Wein. Nachher werden wir uns noch einen Diavortrag beim Herrn Moca, Octavian, dem reiselustigen Rentner, ansehen, bestimmt wird das interessant, erinnert mich das Ganze doch an Gustav Ginzl. Dann zum Nachtquartier hoch oben über der Stadt in der Friedhofskapelle der Bergkirche. Ich habe vor dem Podest geschlafen, auf dem der Sarg zu stehen hat.

                                  14. Okt. 1986, Biertan
                                  Für dieses Jahr der letzte Tag in Rumänien. Der Wolfgang, mittlerweile Odysseus genannt, bleibt weiter verschwunden...
                                  Wir sind heute noch zu einer kleinen Kirchenburgfahrt aufgebrochen. Unsere Sachen liegen noch in der Kapelle, die Fahrräder also entlastet, sind wir Richtung Birthälm aufgebrochen. Unterwegs habe ich auch die Kirchenburg identifizieren können (Scharosch), die ich 1983 auf der Fahrt nach Bulgarien vom Zug aus fotografierte. Die große Kirchenburg in Birthälm war sehr schön, wird gerade restauriert, fast fertig.

                                  Ein kleines Männchen hat uns herumgeführt und uns alles gezeigt, besonders die Sakristeitür mit dem berühmten Schloss. Diese war vor knapp hundert Jahren wahrscheinlich das letzte Exponat aus Rumänien bei einer Weltausstellung.

                                  Dabei hat er uns auch wieder die Sorgen der Sachsen hier in Rumänien erläutert, alle haben Ausreiseanträge, auch die beiden mit der Restaurierung beschäftigten Handwerker. Es muss schon ein hartes Leben sein, besonders in den Dörfern, wo es faktisch alles nur noch auf Marken gibt. Außer Schnaps! Wir werden nachher über Scharosch nach Schässburg zurückfahren. Dort steht dann noch das Verstauen der Räder in der Kirche, das Packen und Baden bzw. Duschen im städtischen Bad auf dem Plan. Dann werden wir noch bis zur Zugabfahrt im Dracul die restlichen Lei versaufen.

                                  La revedere, auf Wiedersehen im Frühling.

                                  Nachbemerkungen
                                  Wolfgang ist in Georgheni in die gleiche falsche Richtung gefahren wie wir, nur er hat seinen Irrtum nie bemerkt. Ja, er glaubte Sighisoara/Schässburg erreicht zu haben, aber er war in Tirgu Mures im Zoo gelandet.
                                  Die Räder waren in der Sakristei der Bergkirche in Schässburg für die Fortsetzung deponiert. Leider konnte ich wegen eines Missgeschicks nicht teilnehmen. Alibotusch wird die Geschichte weiter erzählen, bleibt aufmerksam...
                                  Zuletzt geändert von EbsEls; 13.02.2012, 18:36.
                                  Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                  Eberhard Elsner

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                                    Alter Hase
                                    • 07.02.2007
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                                    #18
                                    AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                                    Tolle Farben, tolle Bilder, schön geschrieben. Vielen Dank!
                                    „Barfuß am Leben ist auch was wert.“ - Kasperl

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                                      • 14.07.2008
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                                      #19
                                      AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                                      Sehr schön!

                                      Danke für's schreiben, Dia scannen und einstellen!!!

                                      Moralische Kultur hat ihren höchsten Stand erreicht, wenn wir erkennen,
                                      daß wir unsere Gedanken kontrollieren können. (C.R. Darwin)

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                                        #20
                                        AW: [RO] Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten

                                        Hat Spaß gemacht zu lesen.

                                        Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen
                                        Wolfgang ist in Georgheni in die gleiche falsche Richtung gefahren wie wir, nur er hat seinen Irrtum nie bemerkt. Ja, er glaubte Sighisoara/Schässburg erreicht zu haben, aber er war in Tirgu Mures im Zoo gelandet.
                                        Heute würde man sich einfach über Handy wiederfinden. Unsere Gruppe wurde 1989 im Retezat auseinandergerissen. Meine Teilgruppe wurde leider im falschen Aufstiegstal abgesetzt(war wohl kürzer), was wir erst nicht mitbekommen hatten. Während wir oben im Gebirge warteten, suchten die anderen uns unten.

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