[ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Gwenny

    Fuchs
    • 13.07.2003
    • 1253
    • Privat

    • Meine Reisen

    [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    11 Tage Urlaub im März, aber wohin? Schottland oder Irland? Verlockend, aber wettertechnisch schwierig. Skandinavien? Für eine Solotour im Winter fehlt mir die Erfahrung – und ein Zelt. Also irgendwas weiter südlich… Korsika? Auch dafür ist es noch zu früh, lieber im Mai/Juni. Mallorca? Och nö…

    Dann bin ich über diesen Thread gestolpert und beschloss ein bisschen weiter nachzuforschen. Ja, warum eigentlich nicht Mallorca? Dass man dort gut wandern kann hatte ich schon häufiger gehört, außerdem war gerade Nebensaison. Was ich bei meinen Recherchen herausfand klang sehr verheißungsvoll, also buchte ich einen Flug, schickte eine Amazon-Buchbestellung ab und klickte mir eine Vokabelliste Spanisch im Internet zusammen. Ausrüstungstechnisch war alles im grünen Bereich, nur Verpflegung für 5 Tage musste ich noch besorgen (Nachkaufen vor Ort war eingeplant). Als letzten Akt vor der Fahrt zum Flughafen legte ich meine Uhr ab. 11 Tage zeitlos und solo unterwegs auf Mallorca – das klang nach einer willkommenen Abwechslung…

    Tag 1 (07.03.): Stuttgart - Port D’Andratx – La Trapa

    Tuifly legt sehr viel Wert darauf, seine Passagiere zu erziehen. In den Buchungsunterlagen entsteht zumindest der Eindruck, man müsse unbedingt mindestens zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein (wahrscheinlich, damit nicht irgendein Standby-Mensch den gar nicht so günstigen Platz wegschnappt?). Die Anreise zum Flughafen stellt sich als gar nicht so einfach heraus, schließlich gibt es sowas wie ein Nachtleben in der Landeshauptstadt Stuttgart offenbar nur von Freitag bis Sonntag – wochentags fahren keine Nachtbusse. Leider findet sich kein gnädiger Chauffeur, und eine Taxifahrt für 60 Euro aus meinem Dörfle ist mir dann doch etwas zu teuer. Um trotzdem entspannt in den Urlaub zu starten, habe ich mich zu einer Übernachtung auf dem Stuttgarter Flughafen durchgerungen. Ein kurzer Rundgang durch die Terminals offenbart, dass die meisten Leute schneller waren als ich. Da bereits alle Sitzbänke belegt sind positioniere ich mich mit meinem Schlafsack auf einer Werbeplattform mittig im Gang. Während in unregelmäßigen Abständen das System des Werbeterminals hoch- und wieder herunterfährt, zieht ein Mann mit seiner Putzmaschine seine Kreise. Meine Angst, trotz gestellten Weckers zu verschlafen, ist unbegründet…



    Leicht gerädert sitze ich um 6.00 Uhr im Flugzeug. Der Flug selbst ist erwartungsgemäß unspektakulär, aber nicht unerwähnt bleiben soll das lautstarke Geklatsche der Passagiere nach der Landung. Da ist er, der erste Strich auf meiner Klischeeliste…

    Problemlos finde ich den Bus der Linie 1 zum Plaza d’Espanya, ich kaufe erfolgreich eine Fahrkarte und steige am „El Corte Inglés“ aus. Wie ich aus dem Forum weiß, soll es hier Gaskartuschen geben. Um auch für die mittelmeerblauen Kartuschen gerüstet zu sein, habe ich mir extra noch kurz vor der Abreise einen Adapter besorgt. Nach kurzer allgemeiner Verwirrung und einer Suche über mehrere Stockwerke steht fest, dass keine Gaskartuschen vorhanden sind und ich mache mich auf den Weg zum „Es Refugi“. Um 10.00 Uhr öffnen sich dort die Pforten und wenige Minuten später halte ich überglücklich zwei 100g-Primuskartuschen und die neue Tramuntana Süd-Karte (1:25.000) in den Händen.
    Das Finden der Überlandbusse stellt sich als einfacher als gedacht heraus und zehn Minuten später sitze ich bereits im L 102 nach Port D’Andratx. Geschätzte 80% der Buspassagiere sind Deutsche, die entweder dort wohnen/Urlaub machen oder von Palma aus für einen Tag in den Norden fahren. Meine Sitznachbarn, die bereits seit vielen Jahren auf Mallorca leben und nun Freunde in dem kleinen Küstenstädtchen besuchen, verabschieden mich mit einem mitleidig-ehrfürchtigen „also wenn unsere Tochter solche Ideen hätte…“. Ich weiß nicht so recht, was die beiden meinen - so wahnsinnig mutig und gewagt finde ich meine geplante Tour nicht. Bei schönstem Sonnenschein stehe ich schließlich am Hafen und bin etwas unschlüssig, was ich nun tun soll. Einfach loslaufen? Ja, warum eigentlich nicht…





    Der KnowHow-Reiseführer scheint eine gute Investition zu sein, zumindest habe ich keine Probleme, den Anfang des GR221 zu finden. Zwar bin ich an einer Baustelle etwas unschlüssig, welche der Straßen mich in die richtige Richtung führen wird, aber mein Gefühl zieht mich in die richtige Richtung. Schnell lasse ich die Straße hinter mir und folge einem Pfad durch den Wald, der hin und wieder einen Fahrweg kreuzt. Am Coll des Vent mache ich im Schatten einer Aleppokiefer eine kurze Pause. So wirklich realisiert habe ich noch nicht, dass ich mich auf Mallorca befinde und sich vor mir tatsächlich das Mittelmeer ausbreitet. Auch die Temperaturen sind ungewohnt – T-Shirt-Wetter! Nach einem großen Schluck Wasser aus der Flasche fällt mir ein, dass ich in St. Elm unbedingt noch Wasser besorgen muss.





    Am Pas Vermell ist wieder Zeit für eine kurze Pause – schließlich will ich heute nur bis zum Trappisten-Kloster La Trapa laufen und möglichst erst nach dem Aufbruch der Tagestouristen dort ankommen. Ich bin wie berauscht vom Geruch der Macchie und der Vielfalt der Farben, die sich vor meinen Augen auftut. Zwar blüht momentan hauptsächlich der Dornginster, aber zusammen mit den verschiedenen Grüntönen der anderen Macchie-Sträucher und den Aleppokiefern, der teilweise rötlichen Färbung von Fels und Weg und dem Blau von Meer und Himmel entsteht ein überwältigendes Bild. Leider ist es ein wenig diesig, so dass Sa Dragonera, die Dracheninsel, ein wenig unscharf wirkt.



    Da die ersten Etappen des GR221 größtenteils nicht markiert sind, habe ich den Führer griffbereit in meiner Hosentasche. Erstaunlicherweise ist es damit überhaupt kein Problem, die richtigen abzweigenden Pfade zu finden. An einer Kreuzung treffe ich auf zwei etwas ratlose deutsche Mutter-Tochter-Teams, die bereits seit geraumer Zeit nach gelben und blauen Pfeilen suchen (Rother Wanderführer von 2010). Bunte Pfeile kann auch ich nicht finden, daher schlage ich vor, meiner Wegbeschreibung zu folgen, die sich aus simplen links-rechts-Anweisungen zusammensetzt. Es gelingt und ich tätschel glücklich das nicht unbeachtliche Mehrgewicht in meiner Hosentasche.







    Gemeinsam steigen wir nach St. Elm ab und die Anderen bekommen noch rechtzeitig den letzten Bus zurück nach Port D’Andratx. Ich muss derweil noch dringend Wasser kaufen, denn auf dem Südteil des GR221 gibt es so gut wie keine Quellen am Weg. Leider ist keiner der drei Supermärkte offen und ich bin zu schüchtern, um in einem Restaurant nach Wasser zu fragen. Noch habe ich ja mehr als einen Liter… Und wenn der nicht reicht, steige ich morgen einfach noch einmal nach St. Elm ab. Einstweilen bin ich mit dem Blick aufs Meer zufrieden.



    Etwas fußlahm verlasse ich St. Elm und bin froh, wieder unasphaltierten Boden unter den Füßen zu haben. Das Abendlicht sorgt für weichere Farben und ich kann mich nicht sattsehen an all den bunten Farbtönen. Da der Wind ziemlich stark ist und ich La Trapa in relativ exponierter Lage vermute, entscheide ich mich dafür, die Nacht etwas unterhalb in der Nähe der Cala en Basset zu verbringen. Es gibt einen Weg hinunter zu Bucht, von dieser dringt jedoch lautes Geschrei herauf, so dass ich einem der zahlreichen anderen Pfade folge und etwa 100 hm über dem Meer einen schönen ebenen Platz neben einer Ruine finde. Unter einer riesigen Aleppokiefer baue ich mein Zelt auf, laufe noch ein Stückchen einen Pfad entlang und genieße die Aussicht, bis die Schatten immer größer werden…







    …Fortsetzung folgt…
    Zuletzt geändert von Sandmanfive; 06.11.2011, 16:02. Grund: Reisecharakter eingestellt
    "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

  • Werner Hohn
    Freak
    Liebt das Forum
    • 05.08.2005
    • 10870
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

    Unverzeihlich, dass zwischen deinem letzten und jetzigen Reisebericht viereinhalb Jahre liegen.
    .

    Kommentar


    • Atze1407
      Fuchs
      • 02.07.2009
      • 2425
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

      Malle mal von einer anderen Seite, sehr schön.
      Wenn du den Charakter eines Menschen kennenlernen willst, gib ihm Macht.
      Abraham Lincoln

      Kommentar


      • Gast-Avatar

        #4
        AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

        Bei Mallorca denke ich zuerst an Strände voller Menschen. Dein Bericht zeigt, Mallorca hat viel mehr zu bieten. Sehr schön.

        Kommentar


        • entenpower
          Dauerbesucher
          • 24.07.2009
          • 519
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

          Das weckt Erinnerungen! Es gibt glaube ich keine Strecke die ich so häufig gegangen bin, wie das Stück von Sant Elm nach Sa Trappa. Lang ists her...

          Super schöner Bericht bisher!
          www.philipp-ennen.de

          Kommentar


          • Antracis
            Fuchs
            • 29.05.2010
            • 1280
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

            Schöner Bericht mit tollen Fotos.

            Da ich selbst gerade Blut am mediteranen Frühjehrstrekking geleckt habe und noch in Erinnerungen schwelge, harre ich ebenfalls gespannt der Fortsetzung.

            Kommentar


            • Yaphi
              Dauerbesucher
              • 12.07.2010
              • 519
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

              Sehr schön geschrieben, jetzt beginnt also das virtuelle Rennen über den Gr 221 ;)
              Ich bin zum Glück schon in Soller
              Aber der untere Teil des Gr sieht auch ganz nett aus.

              P.S: Bei Ryanair klatscht außerdem niemand mehr.

              Kommentar


              • mariodejaneiro
                Erfahren
                • 17.05.2009
                • 323
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                noch 2 wochen dann geht es für mich los..ich glaueb ich werde deinen reisebericht ausdrucken und als lektüre mitnehmen...der platz zum zelten sieht genial aus..ich glaueb da werd ich auch mein zelt aufschlagen schnelllll..schreib weiter

                Kommentar


                • Gwenny

                  Fuchs
                  • 13.07.2003
                  • 1253
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                  Danke

                  @Werner: Ich kann mal meine Festplatte durchforsten, da gibt es schon einiges. Besonders lesenswert wäre wohl der Bericht meiner ersten selbstorganisierten Tour (Karwendel) mit 16.

                  @chrischian: genau deshalb war ich anfangs auch sehr skeptisch...

                  @entenpower: warum so oft? Hast du etwa die ganzen Steine da hochgetragen?

                  @Antracis: war meine erste Tour in Mediterranien und es war definitiv nicht die letzte! Der Lykische Weg steht jetzt (dank deinem Reisebericht) auch auf meiner Liste...

                  @Yaphi:ich dachte, ich lasse euch ein bisschen Vorsprung. Ihr seid ja fast in Soller gestartet
                  Wenn ich lese, dass bei Ryanair inzwischen sogar am Klatschen gespart wird, bin ich froh, dass ich nicht auf Werner gehört habe. Bei Tuifly gab es außerdem Wurst- und Käsebrötchen...

                  @mariodejaneiro: na dann viel Spaß! Selbst wenn du den Platz nicht findest, es gibt viele schöne Möglichkeiten zum Zelten...
                  "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

                  Kommentar


                  • Gwenny

                    Fuchs
                    • 13.07.2003
                    • 1253
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                    Tag 2 (08.03.): La Trapa – Boal de des Serveres

                    Die einzige zeitliche Einschränkung, die ich mir auferlege, ist das Aufstehen. Punkt 7 Uhr soll der Wecker klingeln, schließlich weiß man nie, wer früh morgens durch die Wälder strolcht, eventuell ja vielleicht sogar der Eigentümer. Da mich hier so weit ab vom Weg aber niemand finden wird, bleibe ich noch ein wenig liegen und lausche dem Rauschen des Windes. Ich habe erstaunlich gut geschlafen. Selbst das Einschlafen war kein Problem gewesen, obwohl ich normalerweise eher zu den Menschen gehöre, die vor dem Licht ausmachen noch einmal unter das Bett schauen. Es ist irgendwie irrational, aber ich fühle mich sicher.

                    Als ich den Kopf aus dem Zelt stecke, streifen die ersten Sonnenstrahlen den gegenüberliegenden Hang. Beim Frühstück auf der Terrasse muss ich notgedrungen über das Wasserproblem nachdenken, denn in meiner Wasserflasche befinden sich nur noch etwa 750 ml (gestern Abend gab es kalte Küche). Zwar habe ich selten Durst auf Tour, aber der Tag wird lang werden – und so ein Tee am Abend, ein leckeres Nudelgericht… Ich ärgere mich über mich selbst, schließlich wusste ich, dass das Wasser in den ersten Tagen ein Problem sein wird. Warum bin ich bloß in Port D’Andratx am Supermarkt vorbeigelaufen, der Bus hatte mich doch direkt davor abgesetzt? Warum habe ich in St. Elm nicht nach Wasser gefragt? An eine Rückkehr dorthin denke ich nicht mehr – denn der Mensch wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben. Nun werde ich wohl bis Estellencs laufen müssen, obwohl ich eigentlich geplant hatte, einige Kilometer zuvor am Boal de ses Serveres zu übernachten.

                    Ein wolkenloser Himmel verspricht zumindest einen schönen Vormittag und mein Tatendrang ist plötzlich gigantisch. Mein Zelt macht mich glücklich, so stramm und trocken, wie es da steht. Staubtrocken. Als ich stolz über das Außenzelt streiche ist meine Hand leuchtend hellgrün. Nunmehr bin ich begeistert! Offensichtlich habe ich bei der Zeltwahl unbewusst den Blütezeitraum der Aleppokiefern mit einbezogen, zumindest stellt sich das MSR-Grün als perfekte Tarnfarbe für einen Mallorca-Urlaub im Frühling heraus.

                    Zurück auf dem GR, folge ich dem Weg weiter durch den Wald, der in höheren Lagen zunehmend in Macchie übergeht. Ein paar vereinzelte Wölkchen zeigen sich in der Ferne am Himmel und ich betrachte gerade versonnen die Szenerie, als es plötzlich dicht neben mir raschelt. Erschrocken springe ich zurück und lande fast in einem Busch, fast auf einem Ziegenbock. Da spaziert tatsächlich rund ein Dutzend bunter Ziegen im Dornginster herum und beäugt mich – und ich habe sie nicht gesehen. Leider ziehen sie sich scheu zurück, als ich mit der Kamera zum Angriff übergehe, der Nachwuchs muss in Sicherheit gebracht werden. Naja, das werden sicherlich nicht die letzten gewesen sein…





                    Ich folge weiter dem Pfad, und nach einer kurzen Kraxelei auf eine Erhebung kann ich bereits die Gebäude von La Trapa sehen. Seit 1980 wird die Anlage restauriert und irgendwann soll sie auch Wanderer beherbergen. Die Jahreszahl 2011 erscheint mir in dem Zusammenhang aber eher unrealistisch. An einer der Trockenmauern arbeiten drei Mallorquiner, die mir freundlich zuwinken, als ich mir die Klosterruine näher anschaue. Vom Dreschplatz aus hat man eine grandiose Sicht, Sa Dragonera scheint zum Greifen nah. Noch 500 ml.







                    Etwas unwillig reiße ich mich wieder los und kehre auf den Fahrweg zurück. In einer Spitzkehre weist ein unübersehbares Steinmännchen auf den abzweigenden Pfad hin, dem ich durch die Busch- und Dissgraslandschaft auf ein Plateau folge. Es ist verwirrend, wie die Entfernungen täuschen können. Von weitem betrachtet sieht der gegenüberliegende Hang aus wie mit Bäumen bewachsen und ich stelle mir vor, dass es zwei Stunden dauert, dorthin zu gelangen. Tatsächlich handelt es sich um kniehohes Gestrüpp - und ich bin bereits nach 20 Minuten dort.





                    Die Wolken am Himmel verdichten sich und auch der Wind nimmt langsam zu. Dieser kommt natürlich aus Osten, also von vorn, und das wird auch in den nächsten Tagen so bleiben. Bisher bin ich am heutigen Tag noch keiner Menschenseele begegnet (die drei Arbeiter ausgenommen), aber das soll sich nun ändern. Kurz vor dem Steinhaus Caseta de ses Basses kommt mir eine muntere Gruppe Wanderer entgegen, dem Dialekt nach Deutschschweizer, und etwas später eine Menge lautstarker Deutscher, die alles ganz toll finden und mich nach dem Weg nach s’Arracó fragen. Ich verweise auf den Wegweiser direkt vor ihren Augen. Die Schotterstraße hinab zum Coll de sa Gramola zieht sich etwas in die Länge und mir begegnen noch ein paar weitere Wanderer. Irgendwie bin ich ganz froh, dass sich all die Menschen auf dem verhältnismäßig kurzen Stück konzentrieren. Noch 250 ml. Was musste ich einem Freund versprechen, nachdem wir „127 hours“ geschaut hatten? Richtig, ein scharfes Messer und ausreichend Wasser mitzunehmen…

                    Der Coll de sa Gramola scheint ein beliebter Ausgangspunkt für Tagestouren zu sein, zumindest ist der dortige Parkplatz gut gefüllt. Leider ist gerade kein Mensch zu sehen, ansonsten wäre ich vielleicht hier zu Wasser gekommen. So ziemlich genau 1,6 km laufe ich entlang der Ma 10, dann biege ich rechts auf eine kleine bergauf führende Asphaltstraße ab. Hier sind im Führer drei Fincas erwähnt. Fincas. Menschen. Wasser! Gleich an der ersten Finca entdecke ich einen Gartenschlauch, der an einen Wasserhahn angeschlossen ist. Was für ein Glück! Auf ein lautes „Hola“ reagiert niemand und so schleiche ich an der Hauswand entlang und inspiziere den Wasserhahn. Leider lässt sich der Schlauch nicht entfernen, so dass ich den Hahn öffne und das Wasser ein Weilchen laufen lasse - wer weiß, wie lange der ca. 15 m lange Schlauch nicht mehr benutzt wurde? Offensichtlich schon länger nicht mehr, denn als das Wasser in die Flasche sprudelt, steigt mir ein stark chemisch-gummiartiger Geruch in die Nase. Wider besseres Wissen koste ich – bäh, das Wasser ist ungenießbar! Ein genauerer Blick offenbart kleine Ölschwaden und weiße Schleimbollen, die munter ihre Runden drehen. Prima, soeben habe ich mir mein gesamtes Restwasser versaut! Stocksauer leere ich die Flasche aus und betrachte die Schlieren, die an den Wänden zusammenlaufen. Jetzt wäre etwas Hochprozentiges zum Desinfizieren nicht schlecht…

                    Auf großes Pech folgt manchmal auch großes Glück. 20 m weiter finde ich an einem anderen Gebäude einen weiteren Wasserhahn, ohne Schlauch, aus dem sauberes, kaltes, klares, wohlschmeckendes Wasser kommt. Ich krame meinen 2l-Wassersack heraus, ärgere mich noch ein wenig über meine Leichtsinnigkeit und kann nun guten Gewissens den Rastplatz Boal de ses Serveres für die Übernachtung anvisieren. Aber es kommt noch besser: an der dritten Finca gibt es eine Box mit Orangen und Clementinen…





                    Der Pfad schlängelt sich hinauf auf einen Bergrücken, der aus zerklüftetem Kalkstein besteht. Welch Freude für einen Karstfan für mich! Der Wind bläst auf dem exponierten Bergrücken inzwischen so stark, dass ich froh über die Teleskopstöcke bin, mit deren Hilfe ich das Gleichgewicht halten kann. Ich mache einen kurzen Abstecher auf den Mola de s’Esclop, von dem es mich jedoch fast herunter bläst. Vierbeinig taste ich mich wieder hinunter, zum Verweilen ist es eindeutig zu windig und zu kalt.





                    Zum Boal de ses Serveres ist es nun nicht mehr weit und ich beschließe, statt die Serra des Pinotells nördlich auf dem GR221 zu umgehen, einem südlich verlaufenden Pfad zu folgen. Dieser ist ebenfalls durch Steinmännchen und Farbmarkierungen gekennzeichnet und laut Karte sollen beide Wege nach etwa 3 km wieder zusammentreffen. Theoretisch.

                    Ich wate durch hohes Dissgras und einige Ziegenfamilien einen Hang hinab. Zwischenzeitlich verliere ich den Pfad, aber das Wiederfinden ist kein Problem, den Steinmännchen sei Dank. Schließlich stehe ich neben einem Steinmännchen an einem Hang, schaue hinunter und sehe nur Gras. Eigentlich müsste dort der Pfad hinunterführen, um schließlich einiges weiter unten auf den GR 221 zu treffen. Etwas weiter östlich scheint es ebenfalls steil bergab zu gehen und ich wate weiter, in der Hoffnung auf etwas mehr Aussicht. Und tatsächlich, etwa 30 Meter unterhalb zieht ein Pfad einen weiten Bogen durch einen Taleinschnitt und ich muss mich nur entscheiden, ob ich ihm nach oben oder unten folge. Im Grunde möchte ich nach unten, aber der Pfad, der sich auf der anderen Seite den Hang wieder hochschlängelt, verspricht eine schöne Aussicht. Eventuell kann man von dort den Rastplatz sehen? Also quere ich zum Pfad hinüber, komme an einer Zisterne vorbei und erklimme den Aussichtspunkt, ohne jedoch viel erkennen zu können.

                    Aus absolut unerfindlichen Gründen beschließe ich, weiter dem Pfad zu folgen, stelle aber irgendwann fest, dass die Richtung nicht mehr stimmt und ich mich auf einem der Wege zum Puig de Galatzó befinden muss. Zumindest ragt dieser drohend vor mir empor und ich hatte heute eigentlich keine weitere Bergbesteigung vor. Eigentlich navigiere ich die meiste Zeit mit dem völlig ausreichenden Kartenatlas des Reiseführers, der griffbereit in meiner Hosentasche steckt – aber der ist mit seinen 1:75.000 diesmal wohl doch etwas ungenau. Nach einem Blick in die 1:25.000 Karte geht mir ein Licht auf, denn dort ist die Zisterne eingezeichnet - und diese ist an dem Pfad gelegen, den ich die ganze Zeit suche. Flotten Schrittes laufe ich den Pfad in die entgegengesetzte Richtung zurück und entdecke vielleicht 200 m von meinem ersten, grasigen Aussichtspunkt entfernt die Kreuzung - mit einem unübersehbaren Wegweiser. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreiche ich den Boal de ses Serveres. Ein windgeschütztes Plätzchen zu finden ist nicht einfach und an der Schutzhütte soll ich erst am nächsten Morgen vorbeikommen. Andererseits wäre es schon schön zu wissen, wie sich mein Hubba Bubba im Wind so anstellt…



                    Ich suche also die exponierteste Stelle und klebe das Zelt mit Steinen auf dem häringfeindlichen Boden fest. Später installiere ich noch die beiden Sturmleinen, der Vollständigkeit halber. Mein Kocher zaubert innerhalb kürzester Zeit heißes Wasser für den Elchtopf und einen leckeren Tee. Den Elcheintopf habe ich mir aufgrund der guten Kundenbewertungen geleistet, leider werde ich ziemlich enttäuscht. Eine kulinarische Offenbarung habe ich zwar nicht erwartet, aber bei dem Preis…? Um wirklich satt zu werden muss ich mich noch an Salami und Käse vergehen. Als Nachtisch gibt es eine Orange, Wahnsinn, wie lecker die sind! Lässig flattert das Außenzelt, während der Wind aus wechselnden Richtungen angreift. Brockenverhältnisse sind das hier nicht…

                    ...Fortsetzung folgt...
                    "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

                    Kommentar


                    • MatthiasK
                      Dauerbesucher
                      • 25.08.2009
                      • 923
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                      Super!
                      Ich will auch wieder auf den GR221 jetzt sofort.
                      3000 Kilometer zu Fuß durch die österreichischen Alpen

                      Kommentar


                      • fe
                        Gerne im Forum
                        • 06.06.2010
                        • 93
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                        Hola Bin gerade heute morgen in Palma gestartet um kurze zeit später wieder hier im grauen Norden zu landen.
                        Ich freue mich sehr über deinen Bericht und deine Bilder, vor allem weil wir den s'Esclop ausfallen lassen mussten (u.a. wegen des Wassers...).
                        Einen Reisebericht hatte ich auch vor zu schreiben, wobei ich mich schon fast etwas zu sehr dafür schäme, wenn ich hier sehe mit welcher Geschindigkeit und Präzision du deine Etappen gemeistert hast das sah bei uns gerade im Süden ganz anders aus
                        Naja, mal schauen, was meine Bilder sagen, wenn die fertig entwickelt sind.
                        Ansonsten an dich erstmal ein ganz dickes 'weiter so'

                        Kommentar


                        • Gismo834
                          Erfahren
                          • 25.01.2010
                          • 223
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                          Geil. Da möchte man direkt mit laufen.

                          Kommentar


                          • mariodejaneiro
                            Erfahren
                            • 17.05.2009
                            • 323
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                            hey..wann gehts endlich weiter ;) eine frage hab ich noch zudem ..wie siehts eigentlich mit waschgelegenheiten unterwegs aus...einfach ins meer?? oder gibt es irgendwelche bäche etc??
                            saludos de bonn
                            mario de janeiro

                            Kommentar


                            • Gwenny

                              Fuchs
                              • 13.07.2003
                              • 1253
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                              Zitat von fe Beitrag anzeigen
                              Einen Reisebericht hatte ich auch vor zu schreiben, wobei ich mich schon fast etwas zu sehr dafür schäme, wenn ich hier sehe mit welcher Geschindigkeit und Präzision du deine Etappen gemeistert hast das sah bei uns gerade im Süden ganz anders aus
                              Als ich später einen Tag mit einem Spanier unterwegs war, sah es bei uns auch ganz anders aus. Dadurch, dass wir ins Gespräch vertieft waren, haben wir uns weniger auf die Strecke und eventuelle Schilder konzentriert und sind etliche Male daran vorbei gelaufen. Allein hatte ich das Problem eher weniger

                              Zitat von mariodejaneiro Beitrag anzeigen
                              hey..wann gehts endlich weiter ;) eine frage hab ich noch zudem ..wie siehts eigentlich mit waschgelegenheiten unterwegs aus...einfach ins meer?? oder gibt es irgendwelche bäche etc??
                              saludos de bonn
                              mario de janeiro
                              Ich eile, aber ich habe auch noch andere Sachen zu tun
                              Einfach ins Meer zum Waschen ist einfacher gesagt als getan. Das Meer ist meist zwar in Sichtweite, der Weg verläuft aber in einer gewissen Höhe über dem Meer und du wirst höchstwahrscheinlich wenig Lust verspüren, dich durch die Macchia zum Meer zu wühlen. Es gibt aber auch einige Buchten, zu denen man hinunterkommt. Waschen... ja. Als ich genug Wasser hatte, gabs Katzenwäsche. Später war ich in zwei Hütten, da gab es dann Duschen

                              Den ersten wasserführenden Bach habe ich in Deia gesehen, wenn ich mich nicht irre.
                              "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

                              Kommentar


                              • Gwenny

                                Fuchs
                                • 13.07.2003
                                • 1253
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                Tag 3 (09.03.): Boal de ses Serveres – vor Esporles

                                Am nächsten Morgen ist vom Wind nur noch ein schwaches Lüftchen übrig. Da die Sonne noch nicht über die Berge geklettert ist und mir die Morgenkälte in die Knochen zieht, wickel ich mich in meine Softshelljacke, die ich hiermit zum drittbeliebtesten meiner mitgenommenen Ausrüstungsgegenstände erkläre. Nicht weit von meinem Zeltplatz entfernt finde ich die unverschlossene Schutzhütte, die auch vom Inneren her einen ganz netten Eindruck macht. Bei schlechtem Wetter hält man es dort bestimmt gut aus…



                                Ich passiere zwei Aussichtspunkte, bevor es auf steilen Köhlerpfaden in den Steineichenwald hineingeht. Die Orientierung erfolgt hierbei eher intuitiv, denn es gibt reichlich Möglichkeiten, irgendwo falsch abzubiegen. Plötzlich ist der Pfad vor mir gesperrt und ich bin fast geneigt, umzudrehen - andererseits stimmt die Richtung, und ich müsste sonst wieder bergauf laufen... Welchen Hintergrund die Sperrung hat, wird mir etwas später klar, als ich plötzlich einsetzenden Lärm von Motorsägen und ein lautes Knacken höre. Der unweigerliche Blick nach oben offenbart friedlich im Wind schwankende Baumkronen. Puh! Auf kurvenreichen Pfaden nähere ich mich der Lärmquelle in der Hoffnung, irgendwie unbemerkt daran vorbeihuschen zu können.

                                Natürlich misslingt das, aber die beiden Waldarbeiter grüßen mich sehr nett und fragen, ob ich den Weg über die Finca kenne, oder ob sie mir den Weg zeigen sollen. Einer der beiden hat gerade die Arme voll Geäst, so dass ich die beiden lieber weiter arbeiten lasse. Schließlich habe ich meine schlaue Karte dabei und was soll daran so schwierig sein, einem 3 m breiten Schotterweg zu folgen? Einer Schotterautobahn? Nur wenige Meter später stehe ich an einer Kreuzung. Jetzt bloß nicht unentschlossen wirken… Ich wähle den linken Weg, überquere eine gut einsehbare Ebene - und finde mich an einem steilen Abhang mit viel Gestrüpp und irgendwie schadenfrohen Ziegen wieder. Leicht geduckt schleiche ich mich wieder zurück und wähle den anderen Weg. Durch alte Olivenhaine geht es weiter, später auf einem schmalen, grasgesäumten Pfad entlang. Hinter mir schließe ich ein Tor, auf dem „Betreten verboten“ steht. Über eine spannende Brückenkonstruktion geht es weiter und wenig später stehe ich neben den ersten Häusern von Estellencs.





                                Im erstbesten Laden kaufe ich Wasser und ein leider ziemlich geschmacksneutrales Baguette, dem ein anständiges Bad im Mittelmeer fehlt. Da die Sonne so schön scheint, lasse ich mich auf einer Bank vor dem Laden nieder und ziehe die Mittagspause vor. Mich jagt ja niemand. 50% der Kunden des kleinen Ladens tragen Tagesrucksäcke von Deuter oder JW, eine DSLR um den Hals und Karohemden. Ich hänge mir auch meine DSLR um den Hals, um nicht aufzufallen und fotografiere rostiges Schrottgetier, das am Straßenrand herumsteht.







                                Kurz hinter Estellencs mache ich auf einer Wiese eine vorgezogene Kaffeepause, da die Sonne so schön scheint. Mich jagt ja niemand. Da ich keinen Kaffee dabei habe (war mir dann doch zu schwer), starre ich stattdessen auf die großen, saftigen Orangen, die 5 m von mir entfernt an den Bäumen hängen. Ohne Zaun dazwischen, wie verlockend! Aber ich kann mich nicht durchringen… kann nicht eine von denen in einem Bogen zu mir herüberfallen? Um mich abzulenken, fotografiere ich Hummeln und Blümchen, die sind schließlich auch ganz hübsch. Schweren Herzens reiße ich mich los und mache mich auf den Weg in Richtung Banyalbufar. Dabei passiere ich auch ein Schild mit dem Hinweis, dass der Weg nach 4,5 km aufgrund gerichtlicher Anordnung geschlossen ist. Aber was ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe…



                                Der weitere Pfad verläuft hangparallel und gibt immer wieder schöne Blicke auf die Küste frei. Insgesamt erscheint die Landschaft aber auf mich inzwischen nicht mehr so spektakulär wie an den ersten beiden Tagen. Vielleicht liegt es an der ferneren Küste und den nur noch sporadisch vorhandenen Aleppokiefern, oder dem kaum noch offen zutage tretenden Fels? Aber vielleicht habe ich mich auch einfach an den Frühling und die damit verbundene Farbenvielfalt gewöhnt. Laute Stimmen kommen näher und ich rette mich mit einem Sprung ins Gebüsch. Es dauert allerdings noch gute fünf Minuten, bis vier lautstark diskutierende Bayern an mir vorbeilaufen. Zwar verstehe ich nicht so recht, was mich zu dieser spontanen Handlung getrieben hat, allerdings kann ich nun nachvollziehen, warum Dissgras zu den Schneidegräsern gehört. Genervt krempel ich wieder die Hosenbeine herunter und wühle mich zurück auf den Weg.

                                Am Abzweig zur Font d’Obi und der Finca Planicia lasse ich meinen Rucksack liegen, um den Zugang zur Finca Es Rafal auszukundschaften. Nach etwa 10 Minuten erreiche ich den mehrfach verstärkten Zaun, der mit einer ansehnlichen Sammlung von Warn- und Verbotsschildern behangen ist. Das im Reiseführer beschriebene Loch im Zaun ist nicht erkennbar – aber selbst wenn, irgendwie verspüre ich wenig Lust, mich mit „los perros“ anzulegen, oder dem angeblich schießwütigen Besitzer. Leider habe ich die Kamera bei diesem Abstecher nicht dabei, so dass ich weder den imposanten Zaun noch die grandiose Aussicht auf das Meer entlang des Weges festhalten kann. Stattdessen kehre ich zum Abzweig zurück und wende mich in Richtung Planicia. Die Finca mit ihren Ländereien war ursprünglich für Wanderer gesperrt und wurde 2009 von der Verwaltung der Balearischen Inseln erworben. Somit gibt es nun eine Umgehung abseits der Ma 10 für die vom Besitzer von Es Rafal gesperrte Wegstrecke, die auch im Begleitheft zur neuen Tramuntana Süd 1:25.000 Karte ausführlich beschrieben ist.

                                Die Quelle Font de s’Obi führt momentan kein fließendes Wasser und das kleine, wassergefüllte Becken darunter wirkt wenig vertrauenserweckend. Erleichtert greife ich nach der Plastikflasche. In schattigen Bereichen ist der Weg teilweise von leuchtend grünem Moos überwachsen, das jegliche Geräusche dämpft. Einige Schafe begrüßen mich und zeigen mir den Weg zur Straße, die nach Planicia hinaufführt, von alten, knorrigen Olivenbäumen gesäumt.





                                Der Pfad ab Planicia macht einen noch recht neuen Eindruck. Quergelegte Steinreihen „versperren“ falsche Abzweige und Holzleitern erleichtern das Übersteigen von Mauern. Leider umgehe ich auf diesem Weg Banyalbufar, einen wohl ziemlich netten, kleinen Terrassendort an der Küste. Aber da ich mit meinen Prä- und Post-Mittagspausen genug Zeit verloren habe, will ich keinen Abstecher mehr nach Norden machen. An der Finca s’Arbocar stecken mir Bauarbeiter zwei Orangen zu und mir fällt ein weiteres Mal auf, wie freundlich hier die Menschen sind.





                                Etwas südlich vom Coll de Pi, einem Wegweiser nach noch etwa 40 min von Esporles entfernt, finde ich einen netten Platz für die Nacht. Während das Wasser zu kochen beginnt, entscheide ich, mein zweites Gaumenexperiment (Nudeln mit Pesto von Farmer‘s Snack) möglichst weit nach hinten zu verschieben.



                                Während ich im Schlafsack liege und dem pfeifenden Wind lausche, denke ich über all die fehlenden Menschen nach. Außerhalb Estellencs sind mir bis auf die vier Bayern und die Arbeiter keine Menschen begegnet. Wo sind all die Tagestouristen? Wo sind die GR 221-Wanderer? Auf die Idee, dass wir uns alle in dieselbe Richtung bewegen könnten, komme ich nicht. Irgendwo schreit eine Ziegenmama nach ihrem Kleinen.

                                ...Fortsetzung folgt...
                                "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

                                Kommentar


                                • zahl
                                  Dauerbesucher
                                  • 17.09.2006
                                  • 932
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                  Sehr schöner Bericht, ich lese hier gerne mit.
                                  "Es liegt da ganz einsam am Strand, ein kleiner, dunkler Fleck, ein Nichts ohne mich, und indem ich mich gegen das Boot setze, denke ich, auch ich wäre nichts ohne Boot." Dr. Hannes Lindemann, Allein über den Ozean, 1957

                                  Kommentar


                                  • Antracis
                                    Fuchs
                                    • 29.05.2010
                                    • 1280
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                    Ich auch. Und vier lautstarke Bayern sind allemal ein Grund für einen spontanen Sprung in die Deckung.

                                    Wie hast Du insgesamt die Probleme mit den Grundstücksbesitzern bzw. "gesicherten" Grundstücken empfunden ? Nervig ? Arg behindernd ? Insgesamt ist das nämlich so ein Punkt, der mich immer an den Malle-Berichten gestört hat nach dem Motto: Schöne Wege durch schöne Landschaft, wenn sie denn nicht ständig irgendwie gesperrt wären.

                                    Gruß
                                    Sascha

                                    Kommentar


                                    • Gwenny

                                      Fuchs
                                      • 13.07.2003
                                      • 1253
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                      Gut, dass ich das mit den Bayern nicht allein so sehe. Um hier nicht anzuecken schreibe ich jetzt einfach mal, dass es wohl eher an ihrem Verhalten und weniger an ihrem Dialekt lag

                                      Probleme mit Grundstücksbesitzern hatte ich nicht und die einzige Wegsperrung war die schon seit längerem bestehende bei „Es Rafal“, für die es aber inzwischen besagte markierte Umgehung gibt. Entlang der (Schotter)Straßen sind die meisten Grundstücke eingezäunt – zu den Wanderwegen hin sind sie es meist nicht. Ich bin zwei, dreimal vom Weg abgekommen und stand irgendwann an einem Zaun, meist konnte ich aber hinüberklettern. Bis auf eine Ausnahme waren sämtliche zu passierende Gatter offen/unverschlossen und Maut musste ich auch nicht zahlen, an den entsprechenden Stellen war gerade Dauerregen

                                      Wie du siehst, ich konnte nicht klagen. Aber in der Hauptsaison sieht es vielleicht etwas anders aus…?

                                      Hinweis: Bis es mit dem Bericht weiter geht könnten einige Tage vergehen. Meine Grafikkarte vom Notebook hat den Geist aufgegeben und schon das Verfassen von solch einem kurzen Beitrag ist bei einer Auflösung von 600x480 bei 16 (!) Farben ziemlich ätzend. Von Fotos rede ich besser nicht…

                                      Grüße
                                      Corina
                                      "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

                                      Kommentar


                                      • Gwenny

                                        Fuchs
                                        • 13.07.2003
                                        • 1253
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                        So, weiter geht's. Ich hoffe, die Fotos sind nicht allzu schlimm. Kann momentan nur mit einem alten Notebook mit Schrottdisplay arbeiten...

                                        Tag 4 (10.03.): vor Esporles – Pla des Pouet

                                        Es ist wichtig, Rituale zu haben. Also ignoriere ich das Weckerklingeln, wedel ein wenig mit der Hand draußen herum und stelle wie jeden Morgen fest, dass es noch zu früh und zu kalt zum Aufstehen ist. Etwas später stecke ich den Kopf zur Tür heraus: blauer Himmel. Nun kann ich mich dann doch überwinden, stehe auf, packe und nage noch ein wenig an einer Salami. Bin ich froh, dass ich kein Müsli mitgeschleppt habe!



                                        Was für ein sonniger Tag. Entlang des Weges restaurieren Arbeiter einen Teil der Trockenmauer, ein Knochenjob. Wenig später kommt mir eine wanderstockschwingende Gruppe Jugendlicher entgegen. Bei den 25 folgenden „Holas“ kann ich an meiner Aussprache und einem entspannten Gesichtsausdruck feilen. Ganz schön fordernd, so am frühen Morgen. Ich habe schon wieder unbändige Lust auf Orangen…





                                        Da ich tagsüber kaum hungrig bin, ernähre ich mich hauptsächlich von Orangen und Salami – hin und wieder darf auch ein Müsliriegel dran glauben. Da die Vorräte diesbezüglich langsam zur Neige gehen, stürme ich in Esporles einen Supermarkt und starte außerdem einen zweiten Versuch, ein essbares Baguette zu finden – mit Erfolg! Zwei Palmen schützen mich vor der unbarmherzigen Sonne, während ich zum Nachtisch ein mit rosa Zuckerguss überzogenes Kuchenetwas hinunterquäle. Sobald ich wieder gut rieche, muss ich unbedingt in ein Restaurant gehen.





                                        Ja, der Geruch. Mutter Natur produziert nicht immer nur liebliche Gerüche und ich bin froh, dass ich endlich die Pflanze gefunden habe, die nach alten Leuten riecht. Also bin doch nicht ich die Ursache dafür… Eine gefühlte Ewigkeit laufe ich eine Asphaltstraße entlang, auf der mir ein kleiner Bagger in gebührendem Abstand folgt. Bleibe ich stehen, bleibt auch er stehen. Ich bin etwas verwirrt, allerdings lenkt mich diese Tatsache erfolgreich davon ab, dass der Rucksack schwer an meinen Schultern hängt und die Asphaltstraße extreeeem nervt.





                                        Am Abzweig zum Coll de Bassetta stehe ich schließlich vor einem abgeschlossenen Tor. Tja, was nun? Mit einem etwas mulmigen Gefühl steige ich darüber, die bisherigen Gatter waren nie verschlossen. Wenig später komme ich an einer restaurierten Köhlerhütte und einem Kalkofen vorbei.



                                        Ein Pfad führt durch einen Steinwirrwarrwald den Hang hinauf und es gibt scheinbar mehrere Möglichkeiten, sich in eine Endlosschleife zu begeben, um für immer in diesem Wald gefangen zu sein. Ich folge jeweils dem Pfad mit den Farbmarkierungen, denn die Steinmännchen scheinen sich hier selbst zu vermehren. In der Beschreibung des Führers klang dieser Abschnitt nach etwa 5 Minuten – ich hingegen habe das Gefühl, dort stundenlang herumzulaufen. Schließlich erreiche ich einen etwas breiteren Karrenweg, der mich zu zwei Viehunterständen führt.





                                        Von Valdemossa trennt mich nun nur noch ein kleiner Hügel und natürlich muss ich für dessen Überwindung zunächst ins Tal hinuntersteigen. Der Aufstieg erfolgt zunächst zwischen zwei Zäunen und ich komme mir vor wie ein Tier im Streichelzoo. In den höheren Lagen wird der Pfad zunehmend felsiger und einige umgestürzte Bäume und herabgefallene Äste machen den Weg interessanter. So mag ich das!





                                        Vom Gipfel hat man eine grandiose Sicht auf Valdemossa und das Mittelmeer. Einige hundert Meter vom Ufer entfernt schaukeln zwei Motorboote auf dem Wasser, wahrscheinlich sind dort Taucher in Mallorcas Unterwasserwelt unterwegs. Zwei Orangen und geschätzte 1,5 Stunden später mache ich mich mit den Stöcken klappernd wieder auf den Weg, damit die Schafe, die durch den Wald streifen, sich nicht so erschrecken…



                                        Valdemossa stellt sich als nettes, wenn auch sehr touristisches Örtchen heraus, nur steht die Sonne leider schon so tief, dass ich kurz durch die Gassen schlendern kann. In einem kleinen Supermarkt fällt mir ein Eis und ein San Miguel in die Hände. Vor mir an der Kasse stehen vier Deutsche und diskutieren, was sie essen wollen, der Salat sei ja so teuer… Ich höre mir das eine Weile an und werfe schließlich genervt ein, dass sie das nächste Mal doch nach Mecklenburg-Vorpommern fahren sollen. Staunende Blicke, ich erwarte eine pampige Antwort, aber stattdessen: das ist ja eine gute Idee, da sind dann ja auch nicht so viele Touris – und überhaupt, warum immer nur Mallorca? Tja.

                                        Während ich auf einer Bank sitzend mein Eis verspeise, robbt ein Cockerspaniel auf dem Kopfsteinpflaster neben seinem Frauchen her und schaut beifallheischend zu mir herüber. Ein abstruses Bild, mit einer irritierten Frau – und einem grinsenden, schulterzuckenden Ehemann. Um der Erfüllung meiner guten Vorsätze etwas näher zu kommen, kaufe ich in einem anderen Laden noch einige Postkarten. Auf der Ladentheke entdecke ich eine Zeitung und erfahre von dem Erdbeben und Tsunami in Japan. Wen interessieren da noch Salatpreise…

                                        Zum Pla de Pouet, dem für diese Nacht geplanten Nächtigungsplatz, ist es nicht mehr weit. In meiner Vorstellung erwartet mich da oben eine Vielzahl an Nächtigungsmöglichkeiten, weiches Gras und eine plätschernde Quelle. Leider entpuppt sich der Pla als festgetrampelter großer Platz mit teilweise nur noch mäßig lebendigen Bäumen, die im Zwielicht des hereinbrechenden Abends einen ziemlich gespenstigen Eindruck auf mich machen. Ich fühle mich beobachtet und unwohl. Gollum, Gollum.





                                        Ein Blick in den Ziehbrunnen (plätschernde Quelle…) stellt mich vor ein weiteres Problem: ohne Wasserfilter erscheint mir das gräuliche, abgestandene Wasser nicht genießbar. Eigentlich hatte ich geplant, morgen über den Teix zu gehen, um herauszufinden, ob der Gipfel tatsächlich privat und gesperrt ist. So aber muss ich davon Abstand nehmen und nach Deia laufen, Fincas mit Wasserhähnen gibt es hier oben leider nicht.

                                        Zwar gibt es reichlich freie Flächen, aber es ist trotzdem nicht einfach, in diesem gruseligen Wald einen angenehmen Platz zum Schlafen zu finden. Schließlich lasse ich den Rucksack auf einem dieser moosigen Flecken fallen, der sich aber als sehr feucht herausstellt. Da aber gerade die Sonne in Sichtweite untergeht, möchte ich aber zunächst endlich einmal dieses Schauspiel zu genießen und lieber im Halbdunkeln weiter zu suchen. Um freie Sicht auf Sonne und Meer zu haben, beschließe ich mal eben schnell auf den westlichsten der Felsen zu klettern. Natürlich dauert dies länger als gedacht, da sich immer wieder neue Felsen zwischen mich und die Sonne schieben, aber schließlich habe ich es geschafft und schaue der Sonne beim Versinken im Mittelmeer zu, während sich auf den niedrigeren Felsen vor mir die Ziegen vermehren. Wie romantisch!



                                        Nach kurzem Herumgeirre finde ich tatsächlich meinen Rucksack wieder und nach kurzer Sucherei einen in jeder Hinsicht besseren Platz für das Zelt: trocken, eben und von einer Mauer umgeben. Schließlich ist der Wald voller wilder Ziegen. Während das Wasser kocht stelle ich das Zelt auf. Das kühlschrankkalte San Miguel harmoniert perfekt zu den Nudeln mit Mozzarella und Tomaten, ist aber geschmacklich steigerungsfähig. Wäre ich auf Korsika, würde ich jetzt ein leckeres Pietra trinken.

                                        Noch eine ganze Weile läuten die Glocken der Ziegen in weiterer und näherer Entfernung und ich bin froh über die schützende Mauer. Doch mit der absoluten Dunkelheit kommt die Totenstille…

                                        ...Fortsetzung folgt...
                                        "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

                                        Kommentar

                                        Lädt...
                                        X