[ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

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  • Yaphi
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    • 12.07.2010
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    • Meine Reisen

    #21
    AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

    Sehr schön und kurzweilig geschrieben
    Die Quelle mit dem grau-grünen Wasser haben wir auch passiert, war uns auch zu heiß das ganze.
    Ab hier kann ich deine Reise mit unserer vergleichen ;)

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    • Gwenny

      Fuchs
      • 13.07.2003
      • 1253
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      • Meine Reisen

      #22
      AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

      Fast, ich habe schließlich Deia zu Fuß gefunden, aber wie...
      "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

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      • Gwenny

        Fuchs
        • 13.07.2003
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        • Meine Reisen

        #23
        AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

        Tag 5 (11.03.): Pla des Pouet - Deià (Refugi Can Boi)

        Wider Erwarten bleibe ich nicht nur von Ungeheuern verschont, ich schlafe sogar erstaunlich gut. Von Vogelgezwitscher beizeiten geweckt, bin ich bereits um 8.15 Uhr unterwegs. Mein heutiger Plan lautet, zunächst nach Deià und anschließend entlang der Küste nach Port de Sóller zu laufen und evtl. im Refugi Muleta zu übernachten. Wenn ich dort nicht abgewiesen werde, denn ohne vorherige Reservierung fünf Tage zuvor scheint das des Öfteren vorzukommen.



        Am Ziehbrunnen werfe ich noch einmal einen prüfenden Blick auf das gräulich-grüne Wasser - es ist leider noch immer abgestanden und gräulich-grün - und nehme dann den Weg nach Osten, der laut Kartenatlas im Reiseführer über den Pla dels Aritges zum Puig des Caragoli führt. Nach erstaunlich kurzer Zeit bin ich bereits kurz unterhalb des Gipfels und teile per SMS aller Welt mit, dass ich gerade in schönstem Sonnenschein auf einem Berg sitze, Orangen und Salami esse (was sonst?) und dem demographischen Aufschwung der Ziegenpopulation beiwohne. Abseits des Weges im Wald riecht es wie im Raubtierhaus bei den Großkatzen, bei all den durchgeknallten Ziegenböcken tun mir die Geißen wirklich leid...



        Außerdem fordere ich noch möglichst positiv klingende Wettervorhersagen ein. Drei Leute, drei Meinungen – nur bei einer Sache müssen sie sich abgesprochen haben: morgen soll es ganztags ausgiebig regnen. Am vermeintlichen Puig des Caragoli erwartet mich eine in der Karte nicht einzeichnete Ruine, die auch nicht im Führer erwähnt wird – und der Gipfel befindet sich nicht rechts sondern links vom Weg. Auch der Betonpfeiler auf dem nächsten Gipfel ist nicht eingezeichnet. Noch ein Gipfel? Ach, Kleinigkeiten, welche Karte ist bei diesem Maßstab schon wirklich genau…









        Auf Augenhöhe naht mit imposanter Geschwindigkeit eine Wolkenfront und ich beschließe, möglichst schnell abzusteigen. Die beiden „kindsgroßen Steinmännchen“, die die Abzweigung nach Deià kennzeichnen, sollten ja nicht zu übersehen sein. Zwar entdecke ich nur ein Steinmännchen, und das ist auch nur kniehoch, aber was soll’s, die Beschreibung der gesamten Etappe erscheint mir ein wenig sonderbar. Da der Pfad aber markiert und gut erkennbar zu sein scheint, bin ich mir sicher, auf dem richtigen Weg zu sein.

        Zunächst über felsigen Schutt verlaufend schraubt sich der Pfad in die Tiefe. Das Gelände wird zunehmend steiler und wenn man die Füße nicht vorsichtig genug aufsetzt, läuft man Gefahr, auf der mächtiger werdenden Nadelschicht auszurutschen. Ein wenig überrascht es mich schon, dass diese „Schwierigkeiten“ nicht im Führer erwähnt wurden. Wirklich skeptisch werde ich jedoch erst, als ich an einem stark geneigten, ca. 20 m hohen Felsabsatz stehe. An einem Baum hat jemand ein altes Seil und eine Kette befestigt, die irgendwo in der Tiefe verschwinden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich hier jedes Jahr hunderte Menschen hinunter hangeln. Inzwischen haben die Wolken den Berg eingehüllt und die Steineichen werden von Windböen durchgeschüttelt.







        Das Seil knarzt nur leicht und der Knoten ist auch fest, so dass ich die Gedanken an eine alternative Abstiegsvariante fallen lasse. Mit einem beherzten Griff packe ich das klamme Seil und lasse mich langsam daran herunter, während die Füße auf dem schmierigen, feuchten Fels Halt suchen. Ohne Rucksack wäre das kein Problem, aber mit dem Mehrgewicht auf dem Rücken ist es nicht einfach, der Schwerkraft entlang des auch seitwärts geneigten Hanges zu trotzen. Bin ich erleichtert, als ich endlich wieder Nadeln unter den Füßen habe…

        Die Wolken steigen langsam wieder auf und mein Blick fällt aufs Meer. Aufs Meer? Wieso ist das so nah? Weit rechts von mit erblicke ich Na Foradada, eine Felsinsel, die sich eigentlich links von mir befinden müsste. Befürchtungen werden zur Gewissheit und mein erster Gedanke ist: oh Gott, wie peinlich! Mein Zweiter: wenigstens gibt es keine Zeugen. Mein Dritter: ein Geograph verläuft sich nicht, er erkundet! Froh über diesen erleuchtenden Einfall wandelt sich Frust in Lust und ich beschließe, den weitgehend unerforschten mallorquinischen Pfaden zu folgen, die auch in der 1:25.000er Karte nicht eingezeichnet sind (wie ich später am Abend herausfinden soll). Neben Steineichen in verschiedenen Größen und Formen gibt es allerdings nicht viel zu entdecken, und da ich den Plan nach Port de Sóller zu laufen noch nicht aufgegeben habe, wähle ich ab sofort nicht mehr die nach Nordosten sondern die ins Tal führenden Pfade. Nicht weit unterhalb von mir verläuft die Ma-10.



        Schnell habe ich die Straße erreicht, doch was ist das? Nennen wir es einfach einen etwa 1,5 m hohen Maschendrahtzaun, der zusätzlich noch mit zwei Lagen Stacheldraht gesichert ist. Selbstverständlich ist das in der Nähe liegende Tor abgeschlossen und ich verspüre wenig Muße, Kleidung und/oder Haut mit Lüftungslöchern auszustatten. Meine Stöcke erscheinen mir weniger für Stabhochsprung geeignet und das Angeln nach der umgekippten Mülltonne und anderem Gerümpel auf der anderen Zaunseite schlägt leider auch fehl. Wenigstens weiß ich nun, wo ich mich befinde: bei der Finca Son Gallard. Noch immer bin ich viel zu weit westlich unterwegs. Irgendwie ist heute nicht mein Tag.

        Einfach so aufgeben möchte ich natürlich auch nicht, also schleiche ich noch ein Weilchen am Zaun entlang - und springe bei jedem vorbeikommenden Auto ins Gebüsch. In einem früheren Leben muss ich ein Reh oder eine Katze gewesen sein. Oder eine Kriminelle. Schlussendlich gebe ich auf und ziehe mich wieder nach oben in den Wald zurück und quere mehr oder weniger pfadlos am Hang entlang in Richtung Deià. Laut Karte muss es dort irgendwo einen markierten Pfad geben, der schließlich in den GR 221 übergeht. Ja, Pfade finde ich viele und die meisten sind auch auf diese oder jene Weise markiert. Nur enden sie meist an Terrassenmauern oder im Gestrüpp.



        Irgendwann erreiche ich die angeblich am markierten Weg gelegenen Cases Noves Son Rullan. Jede Terrasse hat dort ihren eigenen Pfad und ich konzentriere mich lieber auf das im Führer erwähnte Gatter im Zaun, auf dessen anderer Seite mich tatsächlich der GR 221 erwarten soll. Die Vorfreude kommt leider etwas verfrüht, schließlich sind mallorquinische Besitztümer teilweise von immenser Ausdehnung. Zwar ist es nicht schwer den Zaun zu finden, für das erfolgreiche Finden des Gatters brauche ich jedoch ungefähr eine Stunde, da ich so ungeduldig bin, dass ich mehrfach die Richtung wechsle. Etwa 50 m nach der allerersten Umkehrstelle und gefühlte 1356 Terrassen später finde ich schließlich das Gatter und der GR hat mich wieder.





        So wirkliche Freude will allerdings nicht aufkommen, denn das Herumgeirre hat viel Zeit verschlungen und ich muss mich mit dem Gedanken anfreunden, in Deià zu übernachten. All das Herumgekraxel auf den Terrassen hat meine Knöchel und Knie in Mitleidenschaft gezogen, so dass ich ihnen heute keine weite Strecke mehr zumuten möchte. Der letzte Teil des Pfades schlängelt sich durch hohes Dissgras und Deià ist nicht mehr weit. Um einen würdevollen Auftritt bemüht erreiche ich schließlich das Refugi Can Boi.





        Bei meinem heutigen Glück habe ich eigentlich eine Absage erwartet, aber es ist tatsächlich noch ein Bett für mich frei. Überglücklich genieße ich die warme Dusche und nutze die Gelegenheit, einige Klamotten zu waschen. So wirklich neugeboren fühle ich mich zwar nicht, daher ist mir der Weg zur wohl sehr sehenswerten Bucht Cala Deià auch zu weit, aber das Örtchen möchte ich schon ein wenig erkunden.



        In einem kleinen Laden finde ich eine Trostschoki, Ersatz-Batterien für die Kamera (Notiz: das nächste Mal Ersatzakkus vor der Reise aufladen) und etwas Wasser. Deià ist wirklich nett. Besonders begeistert mich die Kirche mit ihrer tollen, unkitschigen Atmosphäre. Etwas unterhalb der Kirche treffe ich auf zwei Esel – wirklich wilde Exemplare sind mir bisher leider nicht über den Weg gelaufen.





        Als ich später mit den anderen Gästen im Refugi am Tisch sitze und die Karte studiere, fallen mir die Tomaten von den Augen. Die Wegkreuzung am Pla de Pouet im Kartenatlas (Hosentasche, griffbereit) stimmt nicht mit der Karte (Deckelfach, unerreichbar) überein. Somit bin ich nicht über den Pla des Aritges sondern über den Coll Estret des Son Gallard aufgestiegen und hätte demnach zum Puig des Caragoli nach rechts und nicht nach links abbiegen müssen. Ruine und Betonpfeiler befinden sich auf den westlich gelegenen zwei (!) Gipfeln Pouet und Veià. Und mein Abstiegspfad nach Deià existiert überhaupt nicht…

        Nun ja, ändern kann ich das Missgeschick nicht mehr, also überschlage ich den morgigen Marschplan: wenn ich gegen 8.30 Uhr starte bin ich gegen 18.00 Uhr am Refugi Tossal Verds, wo ich eine Übernachtung gebucht habe. Den vorhergesagten Dauerregen, Ostwind, lahme Beine und Pausen nicht mit eingerechnet. Zwar könnte ich einen Bus bis Sóller nehmen, aber der Erste fährt so früh, dass ich auf das verlockende Frühstück verzichten müsste. Und so ein bisschen Herausforderung muss auch mal sein…

        ...aber nicht mehr heute. Meine Füße bringen mich um.

        …Fortsetzung folgt…
        Zuletzt geändert von Gwenny; 27.04.2011, 21:19.
        "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

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        • entenpower
          Dauerbesucher
          • 24.07.2009
          • 519
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          #24
          AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

          Zitat von Gwenny Beitrag anzeigen
          Befürchtungen werden zur Gewissheit und mein erster Gedanke ist: oh Gott, wie peinlich! Mein Zweiter: wenigstens gibt es keine Zeugen. Mein Dritter: ein Geograph verläuft sich nicht, er erkundet!


          super geschrieben!
          www.philipp-ennen.de

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          • Mika Hautamaeki
            Alter Hase
            • 30.05.2007
            • 3979
            • Privat

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            #25
            AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

            Sehr schöner Bericht und super geschrieben. Danke!
            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
            A. v. Humboldt.

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            • Villeman
              Gerne im Forum
              • 08.04.2011
              • 70
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

              wirklich toller Bericht! Würde ich ihn doch nur nicht gelesen haben.......... warum muss man auch eine Abschlussprüfung am Ende des Studiums machen ......... ich will auch!

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              • Gwenny

                Fuchs
                • 13.07.2003
                • 1253
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                Zitat von entenpower Beitrag anzeigen


                super geschrieben!
                Naja, ich musste mir die Situation doch schönreden. Und sie hat zu einer Änderung meiner Signatur geführt

                @Villeman: Irgendwann ist die Prüfung geschafft...
                "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

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                • mariodejaneiro
                  Erfahren
                  • 17.05.2009
                  • 323
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                  oh mann wie schaff ich es denn , dass die bilder direkt gross unter dem Text zu sehen sind..versuche mich grad an meinen ersten Reisebericht..aber bislöang sind die Bilder nur in Miniatur zu sehen???:.....

                  Kommentar


                  • derSammy

                    Lebt im Forum
                    • 23.11.2007
                    • 7412
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                    Zitat von mariodejaneiro Beitrag anzeigen
                    oh mann wie schaff ich es denn , dass die bilder direkt gross unter dem Text zu sehen sind..versuche mich grad an meinen ersten Reisebericht..aber bislöang sind die Bilder nur in Miniatur zu sehen???:.....


                    So

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                    • smeagolvomloh
                      Fuchs
                      • 07.06.2008
                      • 1929
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                      Danke für den schön geschriebenen Bericht!

                      Die Insel ist so dermaßen schön, wenn man weiß, wo man hin soll und welche Örtlichkeiten man unbedingt meiden muss.
                      "Das Leben leicht tragen und tief genießen ist ja doch die Summe aller Weisheit."
                      Wilhelm von Humboldt, 1767-1835

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                      • der_Kai
                        Erfahren
                        • 02.04.2008
                        • 398
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                        #31
                        AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                        Schöne Lektüre für Berufsethik und Psychologie -Vorlesungen.
                        Was spricht der Mann da vorne ??!
                        Keine Ahnung - ich les' weiter .........

                        (beim ersten Tag las' ich etwas von "schüchtern" ?! Das hat mich verwirrt - wieder einmal ......)
                        "Dialog ist, wenn nicht jeder alles besser weiß"

                        2018 - Back on Track

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                        • Gwenny

                          Fuchs
                          • 13.07.2003
                          • 1253
                          • Privat

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                          #32
                          AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                          Ohje, das kleine Zicklein steckt noch im Maschendrahtzaun fest, ich sollte es demnächst mal retten und von meinen Heldentaten berichten! Nach dem Wochenende kommt die Fortsetzung...

                          OT: @kai: Leute, die sich nach einem Treffen an mich erinnern haben selten den Eindruck, ich wäre schüchtern
                          "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

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                          • Gwenny

                            Fuchs
                            • 13.07.2003
                            • 1253
                            • Privat

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                            #33
                            AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                            Tag 6 (12.03.): Deià (Refugi Can Boi) – Refugi Tossal Verds

                            Als Strafe für das gestrige Debakel ist das Wetter heute tatsächlich schlecht. Schwere, dunkle Wolken hängen über Deià und lauern nur darauf, dass ich das Refugi verlasse. Glücklicherweise hat gestern noch jemand seinen Weg vergeigt und ist nun mindestens genauso schuldig an der Suppe da draußen: Juan, ein Spanier, hatte sich ebenfalls an dem Stacheldrahtzaun bei Son Gallard versucht, war allerdings auf anderen Pfaden dorthin gelangt. Er ist auch auf dem GR 221 unterwegs und gestern von Banyalbufar bis Deià gelaufen - die strammen zehn Stunden stecken ihm noch ordentlich in den Knochen, so dass er sich nicht sicher ist, ob er mich bis Tossal Verds begleiten kann. Sein Begleiter musste in Esporles wegen Fußproblemen aufgeben und ich bin froh, jemanden gefunden zu haben, der mich wenigstens ein Stück begleiten möchte. Aus meiner Planung, um 8.30 Uhr aufzubrechen wird daher natürlich nichts - die ersten Tropfen fallen erst 45 min später, als wir die letzten Häuser hinter uns lassen.





                            Der Weg nach Sóller ist nicht sonderlich spektakulär. Wäre das Wetter ein wenig besser, könnten wir die Aussicht genießen, aber so ziehen wir die Kapuzen enger und konzentrieren uns auf den rutschig-nassen, gepflasterten Weg vor uns. Juan legt ein ordentliches Tempo vor und ich kann wider Erwarten folgen. Unsere unteren Extremitäten scheinen sich bei uns beiden ganz gut über Nacht erholt zu haben.

                            Die Finca Son Mico lockt mit frisch gepresstem Orangensaft, der in Anbetracht des großen Orangenangebotes zwar relativ teuer ist, aber wunderbar schmeckt. Die Besitzerin ist hocherfreut uns zu sehen und verstrickt Juan in ein längeres Gespräch, dem ich sogar einigermaßen folgen kann. Spanisch und Französisch sind sich tatsächlich sehr ähnlich - insbesondere da die Frau französische Wurzeln hat und mit entsprechendem Akzent spricht. Nur mühsam und nach Annahme zweier köstlicher Kuchenstücke können wir uns von der redseligen Frau losreißen.

                            Kurz vor Sóller werden wir dann zu Helden. Schon von weiten sehen wir etwas Weißes im Maschendrahtzaun auf- und abtanzen und denken zunächst, es handelt sich um einen verirrten Fetzen Stoff von einem der Fincas unterhalb des Weges. Als wir näherkommen, verwandelt sich der tanzende Stofffetzen in ein kleines, zappelndes Tierchen. Das Zicklein muss irgendwo durch ein Loch im Zaun hindurch geschlüpft sein und hängt nun mit dem Kopf in den Maschen fest und schreit erbärmlich. Auf der anderen Zaunseite läuft die verzweifelte Mutter auf und ab, die ihrem Kleinen so nah ist aber es doch nicht zu sich holen kann. Was für ein trauriger Anblick. Vorsichtig biegen wir den Draht weg von dem kleinen Tierchen und heben es über den Zaun. Mit großen Sprüngen springt es zur Mama und stillt hektisch seinen Hunger, während der kleine Schwanz sich schwindelerregend im Uhrzeigersinn dreht. Lächelnd machen wir uns wieder auf den Weg...



                            Auch wenn ich das Alleinsein in den letzten Tagen genossen habe bin ich doch froh, bei diesem Wetter nicht allein unterwegs zu sein. Juan ist ein netter und interessanter Gesprächspartner und wir sind die meiste Zeit so in die Unterhaltung vertieft, dass wir an einigen Markierungen vorbeilaufen und erst im Augenwinkel unser Irrtum erkennen. Wäre ich allein unterwegs, würde mir das nicht passieren – obwohl, nach dem gestrigen Tag bin ich mir da alles andere als sicher.



                            In Sóller legen wir eine kurze Pause ein, schließlich ist gerade Mittagszeit. Sóller scheint eine schöne Stadt zu sein, nur reicht die Zeit leider nicht für eine genauere Erkundung aus. Aber vielleicht verschlägt es mich nach der Durchwanderung des Torrent de Pareis noch einmal hierher? Ein Blick zum Himmel lässt mich erstmals an dieser Idee zweifeln. Zwar gibt es hin und wieder Regenpausen, aber die sind nur von kurzer Dauer. Die dunklen Wolken werden auch über dem Torrent und dessen Einzugsgebiet hängen, und selbst wenn nicht genug Regen fällt, damit er viel Wasser führt: allein durch eine tiefe Schlucht voller glitschiger Steine zu klettern muss nicht sein. Obwohl, wäre ich vor dem Handyzeitalter genauso risikoscheu gewesen?



                            Juan will mich mit einigen typisch mallorquinischen Spezialitäten bekannt machen und stürmt mit mir eine Konditorei, um Ensaïmadas und anderes Gebäck zu verinnerlichen. Das Schmalzgebäck begeistert mich wahrhaftig! Gegenüber der Konditorei befindet sich ein Eisenwarenladen und mir fällt ein, dass die Batterien meiner Kamera schon wieder fast leer sind, obwohl ich doch erst gestern Nachschub besorgt habe. Merkwürdig, ich habe seitdem doch nicht mehr als 10 Fotos gemacht!? Kurz vor der Siesta husche ich noch schnell in den Laden hinein und kaufe die teuersten Batterien, in der Hoffnung, dass sie diesmal länger halten. Später werde ich die gestern gekauften Batterien im Rucksack finden – ich hatte sie noch gar nicht ausgetauscht…

                            Juan drückt mir eine Tüte mit frischen, gnadenlos leckeren Datteln in die Hand. Meine Güte, für Datteln könnte ich sterben! (Von nun an soll ich an keinem Supermarkt mehr vorbeigehen können, ohne einige Zweige mit Datteln zu kaufen.) Und dann gesteht er mir, dass er stark am Überlegen ist, hier die Tour abzubrechen und nach Lluc zu trampen. Im Grunde möchte er die Tour natürlich durchziehen, aber seine Füße machen sich inzwischen arg bemerkbar und wir haben den Großteil der Strecke noch vor uns. Zwar ist er ein toller Reisebegleiter und ich fände es schade, wenn sich unsere Wege schon wieder trennen würden, aber natürlich ist seine Gesundheit wichtiger. Mit einem Blick auf die Uhr dringe ich auf eine Entscheidung und er beschließt, mich wenigstens noch bis Biniaraix zu begleiten.

                            Eine Stunde hinter meinem groben „Zeitplan“ liegend verlassen wir schließlich Sóller. Eigentlich ist es sehr einfach, nach Biniaraix zu gelangen. Theoretisch muss man von der Konditorei ausgehend einfach der Straße nach Osten folgen, aber natürlich verquatschen wir uns beim Laufen so, dass wir den Abzweig verpassen und nach längerem Bergaufgelaufe in einer Sackgasse landen. Über Umwege finden wir schließlich doch nach Biniaraix, und dort das alte Waschhaus, an dem der GR221 vorbeiführt. Juan verliert kein Wort über das Trampen nach Lluc – den Schweinehund hat er wahrscheinlich mit einer erschnorrten Zigarette verjagt. Oder aber ihm ist klar, dass von Biniaraix kaum Autos nach Lluc fahren…





                            Die nächsten Stunden bringen wir damit zu, den Barranc de Biniaraix hinaufzusteigen. Stetig führt der gepflasterte Weg bergan und führt immer tiefer in die von spektakulären Felswänden gesäumte Schlucht hinein. Trotz Nässe halten wir ein ordentliches Tempo - vielleicht jagt uns die Angst, das Abendessen oder das letzte heiße Duschwasser zu verpassen? Oder uns ist einfach nur saukalt. Hin und wieder zwingen wir uns, den Blick vom glitschigen Untergrund zu heben und auf die Umgebung zu richten. Man kann sich nur schwer vorstellen, mit wie viel Aufwand und Mühe das Anlegen der zahlreichen Terrassen verbunden gewesen sein muss. Bei schönem Wetter muss die heutige Etappe wahnsinnig beeindruckend sein…

                            Wenn wir gewusst hätten, dass unsere kleinen, gestrigen Umwege dermaßen grässliches Weltuntergangswetter heraufbeschwören… Natürlich kommt der Wind ständig von vorn und peitscht uns den kalten Regen ins Gesicht. Wäre es wärmer, würde ich meine Regenjacke ausziehen und von einer der Böen ins Meer hinunter wehen lassen, Mistding! Alles an mir trieft und tropft und ich stelle fest, dass Juan mit seinem Quechua-Sackponcho eine deutlich bessere Wahl getroffen hat.
                            In einer windgeschützten, etwas überhängenden Felsnische machen wir eine kurze Pause und stärken uns mit Sobrasada und Orangen. Und träumen von Kaminfeuer, Wein und leckerem Essen - und einer heißen Dusche…





                            Auf dem Coll de L’Ofre erwarten uns leider auch nur dicke, weiße Wolken. Die Sicht ist sogar dermaßen schlecht, dass wir den Cúber-Stausee erst sehen, als wir im Begriff sind, hineinzufallen. Mir kommt der Gedanke, tatsächlich ein Bad zu nehmen - Teile meines Rucksackinhaltes könnten am heutigen Tag sonst aus Versehen trocken bleiben. Wir trösten uns mit den allerletzten Datteln und dem Gedanken, dass es nun nicht mehr weit sein kann.



                            Hinter dem Staudamm biegen wir zum Tunnelweg ab, denn zum Einen ist diese Variante zum Refugi Tossal Verds deutlich kürzer als der GR 221 und zum Anderen kann ich an einem Weg mit solch einer spannenden Bezeichnung natürlich nicht einfach so vorbeigehen. Mit der Stirnlampe in der Jackentasche machen wir uns auf die Suche nach dem ersten Tunnel, müssen uns aber zunächst den stellenweise sehr steilen und schotterigen Pfad bergab trauen. Ja, an das gestrige Terrassensteigen erinnern sich meine Knie. Die ersten vier Tunnel sind schnell durchschritten und wir umgehen den Letzten auf einem sehr schmalen Pfad mit beeindruckendem Tiefblick entlang der Wasserleitung. Maut will bei dem Wetter natürlich keiner kassieren. Die letzten Höhenmeter zum Refugi ziehen sich ziemlich und in einem unvorsichtigen Moment rutsche ich aus und knalle mit Schienbein und Unterarm auf eine der Stufen. Der Kamera, die vor meiner Brust baumelt, ist zum Glück nichts passiert, aber es wird zwei, drei nette Veilchen geben.





                            Das Refugi macht einen sehr vollen Eindruck und wir sind skeptisch, ob da noch ein Plätzchen für Juan frei ist. Aber man kann bei dem Wetter doch niemanden vor die Tür setzen, oder? Eine gefühlte halbe Ewigkeit stehen wir in klitschnassen Klamotten im Gastraum herum und warten, bis einer der gestressten Betreiber endlich Zeit für uns hat. Ich geselle mich zu den nassen Schuhen, Klamotten und Rucksäcken anderer Wanderer ans Kaminfeuer und streiche diesen Punkt gedanklich von meiner Wunschliste. Juan darf bleiben und kann sogar noch ein Abendessen buchen.

                            Der Abend wird herrlich! Frisch und heiß geduscht lassen wir die endlich nicht mehr eingezwängten Beine baumeln und uns das Huhn mit Ofenkartoffeln auf der Zunge zergehen. Dazu gibt es sehr gut trinkbaren mallorquinischen Rotwein – und Whisky, denn neben uns haben zwei Engländer Platz genommen. Bob und Mark sind für ein verlängertes Wochenende nach Mallorca geflogen und ernähren sich ausschließlich von Armeerationen, die sie in der Küche des Refugi aufwärmen lassen. Geruch und Aussehen sind ganz annehmbar, aber satt kann man davon nicht werden. Vielleicht handelt es sich um die Diätlinie – und für den sportlichen Effekt sind die Gerichte nicht dehydriert?
                            Zwar verstehe ich zunächst recht wenig von dem, was sie sagen, aber mit zunehmendem Alkoholkonsum auf allen Seiten und etwas Gewöhnung kommt mir ihr verquollenes Englisch gar nicht mehr so verquollen vor und wir blubbern und blubbern…
                            Und der Nalgeneflaschenwhisky schmeckt.

                            Als die beiden sich zurückgezogen haben beginnt Juans Glanzstunde. Seit geraumer Zeit hocken zwei Jungen mit Flappe und Stöpseln im Ohr in einer Ecke und er schafft es auf rätselhafte Weise, dass sich die beiden zu diversen Leibesübungen aufraffen. Kurz darauf hat sich eine große Schar Kinder um ihn versammelt und die Meute tobt schreiend und lachend durch die Gänge. Wer kann am längsten auf einem Bein stehen, wer schafft den schönsten Handstand? Es dauert eine ganze Weile, bis Ruhe einkehrt. Wobei man bei der nächtlichen Schnarch-Dauerbeschallung andere Worte dafür wählen sollte.
                            "Umwege erweitern die Ortskenntnis." (Kurt Tucholsky)

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                            • Werner Hohn
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                              Liebt das Forum
                              • 05.08.2005
                              • 10870
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                              #34
                              AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                              Zitat von Gwenny Beitrag anzeigen
                              Dazu gibt es sehr gut trinkbaren mallorquinischen Rotwein – und Whisky, denn neben uns haben zwei Engländer Platz genommen.

                              ...

                              Zwar verstehe ich zunächst recht wenig von dem, was sie sagen, aber mit zunehmendem Alkoholkonsum auf allen Seiten und etwas Gewöhnung kommt mir ihr verquollenes Englisch gar nicht mehr so verquollen vor und wir blubbern und blubbern…
                              Und der Nalgeneflaschenwhisky schmeckt.
                              Und wenn sie nicht gestorben sind ...
                              .

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                              • Wafer

                                Lebt im Forum
                                • 06.03.2011
                                • 8798
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                                #35
                                AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                Halo Gwenny.

                                Sehr schöner Bericht! Kompliment! Er hört nur leider genau da auf, wo es mir bekannter wird. Ich war im Sommer auf Mallorca und hatte die Gelegenheit von Pollenca an den Cuber-Stausee zu wandern, in mehreren Etappen. Und war total begeister!
                                Wie ging es bei dir weiter? Kommt da noch eine Fortsetzung?
                                Dein Bericht hat mich wieder total motiviert da runter zu gehen und die Fortsetzung zu gehen. Mal sehen ... ich glaube ich hätte im März noch etwas Zeit übrig. Wenn meine Regierung ...

                                Gruß Wafer

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                                • Peter83
                                  Fuchs
                                  • 22.08.2010
                                  • 1115
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                                  #36
                                  AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                  Toller Bericht und sehr schöne Bilder - Danke.

                                  Grüsse,
                                  Peter
                                  "A man who is a man goes on till he can do no more and then goes twice as far."

                                  Norwegian saying

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                                  • barleybreeder
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                                    • 10.07.2005
                                    • 6479
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                                    #37
                                    AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                    Ich danke auch Gwenny, wir werden versuchen Mitte März ein Stück zu gehen. Flüge sind schon gebucht.

                                    Viele Grüße
                                    Sebastian
                                    Barleybreeders BLOG

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                                    • Harry
                                      Meister-Hobonaut

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                                      • 10.11.2003
                                      • 5000
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                                      #38
                                      AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                      Zitat von barleybreeder Beitrag anzeigen
                                      Ich danke auch Gwenny, wir werden versuchen Mitte März ein Stück zu gehen. Flüge sind schon gebucht.

                                      Viele Grüße
                                      Sebastian
                                      Wir sind dann auch dort.
                                      Kleines Forumstreffen in Lluc?
                                      Gruß Harry.
                                      Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen. (Johann Wolfgang von Goethe)

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                                      • Tims
                                        Erfahren
                                        • 12.01.2013
                                        • 156
                                        • Privat

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                                        #39
                                        AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                        Hallo,
                                        sorry das ich den alten Thread ausgrabe ;)
                                        Mit was für einen Schlafsack muss ich den ende März/anfang April Kalkulieren?
                                        Bzw wie kalt kann es den Nachts werden?

                                        Vielen herzlichen Dank.
                                        Gemeinsam blöd
                                        www.raus-hier.de

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                                        • barleybreeder
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                                          • 10.07.2005
                                          • 6479
                                          • Privat

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                                          #40
                                          AW: [ES] GR 221 - Serra Tramuntana (Ruta de Pedra en Sec)

                                          Wir hatten Mitte März 2012 am Cuber Stausee Temperaturen von knapp über 0°C. Ein dünnerer 3-Jahreszeiten Slafsacck sollte passen.

                                          Viele Grüße
                                          Sebastian
                                          Barleybreeders BLOG

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