Machen wir uns nichts vor:
Die Chemiefaserproduzenten haben,
bei sogenannter Funktionskleidung wohl gegen 100%,
den Textilmarkt fest im Griff.
Man darf auch nicht der Illusion anhängen,
daß Haut, wo irgendwo 100% Baumwolle daraufsteht,
auch nur im Entferntesten damit in Berührung kommt.
In der Regel ist Baumwolle, gleich ob Bio-, Öko- oder konventionell verseuchte Faser
mit allerlei Kunstharzen imprägniert, vollgelagert, ummantelt, durchdrungen,
die für optimales Einsprungverhalten, Formbeständigkeit, Farbechtheit, Waschglanz und Bügelglätte und für zeitgemäßen Anti-Pilling, -Strupping, -Knitter-Schutz sorgen.
In den späten 80er Jahren gab es ein kurzes, modisches Aufblühen,
als sogar Karl Lagerfeld für Chanel ein Lodenjäckchen kreierte;
ansonsten bleibt gewalkte Wolle im Reservat von Tracht und Jagd.
Zu Unrecht.
Ich habe mir diese Jacke etwa 1996 genäht, ganz in Loden gedoppelt, mit Ärmel und Schmutzkragen aus starker Seide, im Blousonstil mit hohem Kragen, Knopfleiste und Taillenschnürzug.
Die Jacke wurde gut zwölf Jahre lang nahezu täglich getragen,
sogar im Hochsommer und bei sämtlichen Autdoar-Aktivitäten, sämtlichen Arbeitseinsätzen und natürlich bei allen Alltagsverrichtungen,
also praktisch immer,
bis es zu einem gewaltigen familiär-modischen Zwist kam,
der mich veranlaßte, mich funktionierender Funktionsbekleidung zuzuwenden.
Würde man ein Auktionshaus mit dem Verkauf beauftragen, so hieße es:
‚Lodenjacke mit geringen Gebrauchsspuren und für das Alter hervorragendem Zustand: Nur eine Taschenleiste links leicht eingerissen, Flor an Bündchen und Kragen bis Gewebebild abgewetzt, drei Knopflöcher ausgefranst, zwei Knöpfe fehlen, Seidenfutter am Kragen stellenweise mit Offennaht, ansonsten tadelloses Aussehen und voll funktionsfähig.’
Halten wir fest: Loden ist haltbar.
Und: Loden ist schmiegsam, weich, warm, lautlos und überaus klimatisierend.
Eine echte Ganzjahresjacke, winddicht, schneefest, hydrophob, robust, kleidsam, anspruchslos und Buntwäsche waschbar bei 60 Grad.
Nachdem mein Lieblingskleidungsstück also gewaltsam aus meinem Wirkungsbereich entfernt worden war, ich keine Lust mehr auf Nähen hatte, versorgte ich mich in kurzen Abständen mit fünf, jedesmal fast funktionierenden Funktionsjacken, zumeist nordischer Herkunft und fast allesamt aus irgendeinem 100% Polydingsbumms.
Das erste:
Diese Dinger sind leicht. Sauleicht. Es gibt gar kein Tragegefühl, weil man das Tragen nicht fühlt.
Und: Die Dinger sind schick! Todschick!
Ich konnte mich vom Spiegel nicht losreißen und erwägte schon Selbstauslöseraufnahmen zu machen und mich an die Wand zu hängen, so gefiel ich mir darin. Ich gehe damit sogar ins Büro; hätte ich mit Lodenjacke niemals getan.
Und: Sie sind laut. Sie knirschen, knarzen, scheppern.
Kommen wir zum heiklen Punkt:
‚Schwitzen’ ist ja der erklärte Todfeind der Bekleidungsindustrie und mit Non-Anti-Counter-Schwitz-Strategien werden diese Funktionsjacken allesamt legitimiert und verkauft.
Nun ist Schwitzen eine Körper- und keine Jackenfunktion.
Man schwitzt bei Anstrengung auch in Loden.
Ich will kein Urteil abgeben. Es sind Geh- und Stehjacken.
Wir haben hier einen Hügel.
Den muß man rauf und drüben wieder runter.
Mit dem Fahrrad schnauft man hoch, erhitzt, erfeuchtet und wieder unten ist man vom Fahrtwind völlig ausgekühlt.
Aber ich behaupte mal:
Keine meiner Funktionsjacken packt solche punktuellen Mühen so moderat, elegant und komfortabel wie Loden.
Es ist vielleicht möglich, bei Dauerbelastung, stundenlangem, gleichmäßigem Bergwandern etwa, eine einigermaßen konstante Verdampfung zuzulassen,
aber solch spontaner Kraftaufwand,
schnell mal drei Stockwerke hoch,
eine Steigung mal eben rasant genommen,
hurtig im Spurt zum Bahnhof,
also Alltagssituationen kurzfristigen sich ins Zeug legens,
da läuft einem bei allen Funktionsjacken inwendig der Schweiß runter und das Hemd klebt auf der Haut.
Sowas packen Funktionsjacken nicht.
Wolle ist anders.
Man schwitzt auch in Wolle.
Wolle nimmt Feuchtigkeit anders auf.
Man ist nicht klatschnaß, es ist eher: Man dampft.
Loden ist Wolle mit Regendach und Windschild.
Ich habe gesucht: Es gibt am Markt keine Lodenjacke, die mir gefallen würde.
Ich müßte mir wieder selber eine nähen.
Den Schnitt habe ich noch, das Tuch nicht mehr.
Ich bin mit meinen Funktionsjacken nicht unzufrieden.
Sie sind eingeschränkt funktionsfähig, aber das ist Loden letztlich auch,
nur angenehmer und die Toleranzweite scheint mir größer zu sein.
Mit der Lodenjacke sah man mich schon von weitem kommen.
Jetzt trage ich, was alle tragen und tauche in der Menge unerkannt unter.
Ich bin modisch unkenntlich geworden, unscheinbar, ja unsichtbar.
Das gefällt mir.
Ich würde mir wünschen, daß Loden wieder Fuß faßt am Markt,
denn Loden hat einen Taug.
Daß Hersteller moderne, funktionelle Jacken auch in Loden schneidern.
Über kurz oder lang wird das der Ölpreis von alleine erledigen.
Die Chemiefaserproduzenten haben,
bei sogenannter Funktionskleidung wohl gegen 100%,
den Textilmarkt fest im Griff.
Man darf auch nicht der Illusion anhängen,
daß Haut, wo irgendwo 100% Baumwolle daraufsteht,
auch nur im Entferntesten damit in Berührung kommt.
In der Regel ist Baumwolle, gleich ob Bio-, Öko- oder konventionell verseuchte Faser
mit allerlei Kunstharzen imprägniert, vollgelagert, ummantelt, durchdrungen,
die für optimales Einsprungverhalten, Formbeständigkeit, Farbechtheit, Waschglanz und Bügelglätte und für zeitgemäßen Anti-Pilling, -Strupping, -Knitter-Schutz sorgen.
In den späten 80er Jahren gab es ein kurzes, modisches Aufblühen,
als sogar Karl Lagerfeld für Chanel ein Lodenjäckchen kreierte;
ansonsten bleibt gewalkte Wolle im Reservat von Tracht und Jagd.
Zu Unrecht.
Ich habe mir diese Jacke etwa 1996 genäht, ganz in Loden gedoppelt, mit Ärmel und Schmutzkragen aus starker Seide, im Blousonstil mit hohem Kragen, Knopfleiste und Taillenschnürzug.
Die Jacke wurde gut zwölf Jahre lang nahezu täglich getragen,
sogar im Hochsommer und bei sämtlichen Autdoar-Aktivitäten, sämtlichen Arbeitseinsätzen und natürlich bei allen Alltagsverrichtungen,
also praktisch immer,
bis es zu einem gewaltigen familiär-modischen Zwist kam,
der mich veranlaßte, mich funktionierender Funktionsbekleidung zuzuwenden.
Würde man ein Auktionshaus mit dem Verkauf beauftragen, so hieße es:
‚Lodenjacke mit geringen Gebrauchsspuren und für das Alter hervorragendem Zustand: Nur eine Taschenleiste links leicht eingerissen, Flor an Bündchen und Kragen bis Gewebebild abgewetzt, drei Knopflöcher ausgefranst, zwei Knöpfe fehlen, Seidenfutter am Kragen stellenweise mit Offennaht, ansonsten tadelloses Aussehen und voll funktionsfähig.’
Halten wir fest: Loden ist haltbar.
Und: Loden ist schmiegsam, weich, warm, lautlos und überaus klimatisierend.
Eine echte Ganzjahresjacke, winddicht, schneefest, hydrophob, robust, kleidsam, anspruchslos und Buntwäsche waschbar bei 60 Grad.
Nachdem mein Lieblingskleidungsstück also gewaltsam aus meinem Wirkungsbereich entfernt worden war, ich keine Lust mehr auf Nähen hatte, versorgte ich mich in kurzen Abständen mit fünf, jedesmal fast funktionierenden Funktionsjacken, zumeist nordischer Herkunft und fast allesamt aus irgendeinem 100% Polydingsbumms.
Das erste:
Diese Dinger sind leicht. Sauleicht. Es gibt gar kein Tragegefühl, weil man das Tragen nicht fühlt.
Und: Die Dinger sind schick! Todschick!
Ich konnte mich vom Spiegel nicht losreißen und erwägte schon Selbstauslöseraufnahmen zu machen und mich an die Wand zu hängen, so gefiel ich mir darin. Ich gehe damit sogar ins Büro; hätte ich mit Lodenjacke niemals getan.
Und: Sie sind laut. Sie knirschen, knarzen, scheppern.
Kommen wir zum heiklen Punkt:
‚Schwitzen’ ist ja der erklärte Todfeind der Bekleidungsindustrie und mit Non-Anti-Counter-Schwitz-Strategien werden diese Funktionsjacken allesamt legitimiert und verkauft.
Nun ist Schwitzen eine Körper- und keine Jackenfunktion.
Man schwitzt bei Anstrengung auch in Loden.
Ich will kein Urteil abgeben. Es sind Geh- und Stehjacken.
Wir haben hier einen Hügel.
Den muß man rauf und drüben wieder runter.
Mit dem Fahrrad schnauft man hoch, erhitzt, erfeuchtet und wieder unten ist man vom Fahrtwind völlig ausgekühlt.
Aber ich behaupte mal:
Keine meiner Funktionsjacken packt solche punktuellen Mühen so moderat, elegant und komfortabel wie Loden.
Es ist vielleicht möglich, bei Dauerbelastung, stundenlangem, gleichmäßigem Bergwandern etwa, eine einigermaßen konstante Verdampfung zuzulassen,
aber solch spontaner Kraftaufwand,
schnell mal drei Stockwerke hoch,
eine Steigung mal eben rasant genommen,
hurtig im Spurt zum Bahnhof,
also Alltagssituationen kurzfristigen sich ins Zeug legens,
da läuft einem bei allen Funktionsjacken inwendig der Schweiß runter und das Hemd klebt auf der Haut.
Sowas packen Funktionsjacken nicht.
Wolle ist anders.
Man schwitzt auch in Wolle.
Wolle nimmt Feuchtigkeit anders auf.
Man ist nicht klatschnaß, es ist eher: Man dampft.
Loden ist Wolle mit Regendach und Windschild.
Ich habe gesucht: Es gibt am Markt keine Lodenjacke, die mir gefallen würde.
Ich müßte mir wieder selber eine nähen.
Den Schnitt habe ich noch, das Tuch nicht mehr.
Ich bin mit meinen Funktionsjacken nicht unzufrieden.
Sie sind eingeschränkt funktionsfähig, aber das ist Loden letztlich auch,
nur angenehmer und die Toleranzweite scheint mir größer zu sein.
Mit der Lodenjacke sah man mich schon von weitem kommen.
Jetzt trage ich, was alle tragen und tauche in der Menge unerkannt unter.
Ich bin modisch unkenntlich geworden, unscheinbar, ja unsichtbar.
Das gefällt mir.
Ich würde mir wünschen, daß Loden wieder Fuß faßt am Markt,
denn Loden hat einen Taug.
Daß Hersteller moderne, funktionelle Jacken auch in Loden schneidern.
Über kurz oder lang wird das der Ölpreis von alleine erledigen.
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