[RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

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    #41
    AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

    Ja ich kenne Uli, seit über 20 Jahren und er hat mir damals die Karpaten näher gebracht. Viele Teilmassive sind wir gemeinsam gelaufen. Nächstes Jahr wollen wir wieder mal in die Südkarpaten, vorausgesetzt man ist noch fit genug

    Gruß
    Falk

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    • Gassan
      Gesperrt
      Fuchs
      • 23.03.2009
      • 1467
      • Privat

      • Meine Reisen

      #42
      AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

      Zitat von Schmetterling Beitrag anzeigen
      An dem Wochenende war auch ein ganzer Schwung Banker zur Teambuilding-Maßnahme oder so da...
      Oh ja... Rumänische Stadtmenschen sind viel schlimmer als deutsche, das ist der selbe Schlag, die auch auffem Bucegi mit der Drahtseilbahn hochfahren in Stöckelschuhen und Anzug und Krawatte da herumstolpern und nachher bei ihren Freunden behauptne sie haben dne Berg bezwungen

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      • Schmetterling

        Erfahren
        • 18.10.2009
        • 189
        • Privat

        • Meine Reisen

        #43
        AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

        So, jetzt gehts endlich weiter. Danke für eure Geduld.

        Als erstes schulde ich euch ja noch ein paar Bilder vom Tag zum Balea-See:




        Das Paradies naht!




        Blick auf die Serpentinen der Transfagarasch-Straße




        Noch ein letzter doofer Abstieg



        Die Cabana Balea - hier wollten wir eigentlich übernachten, nur leider war sie voll




        Selbsterklärend...

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        • Schmetterling

          Erfahren
          • 18.10.2009
          • 189
          • Privat

          • Meine Reisen

          #44
          AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

          14. Tag Balea-Lac – Capra-See (ca. 4 Std.)

          Nach einer sehr schönen Nacht in einem herrlich weichen Bett freuten wir uns so richtig auf ein ausgiebiges Frühstück, bei dem es anfangs etwas Irritationen gab: Der Manager hatte uns gestern erzählt, es sei im Preis nicht enthalten, unseren rumänischen Freunden wurde jedoch das Gegenteil erzählt. Da wir den Preis für das Zimmer sowieso für unverschämt hoch hielten, behaupteten wir an der Theke einfach selbstbewusst, dass uns das gestern so gesagt wurde. Das Personal schaute etwas irritiert, aber da wohl kein Verantwortlicher greifbar war, füllten wir uns einfach ganz schnell die Teller.
          Der Aufwand hatte sich gelohnt, das Frühstücksbuffet hatte es in sich: eine Riesentafel, voll mit Sachen, die man als Bergwanderer in den Karpaten als letztes vermuten würde: frische Tomaten und Gurken, Käse und Wurst, Rührei…und frittierte Speckwürfel! Das merkte Andreas aber erst würgend, als sich schon eine Handvoll davon in den Mund geschoben hatte. Er dachte, dass es Kartoffelecken wären...
          Mit gut gefüllten Bäuchen beschlossen wir, hier doch keinen Ruhetag zu machen, sondern noch einen halben Tag bis zum Capra-See zu laufen. Das Zimmer war teuer, winzig klein und hatte nur ein Mini-Fensterchen. Wenn es einen großen Balkon mit Liegestühlen und schöner Aussicht gehabt hätte, wären wir ja gerne noch geblieben, aber so… Außerdem ging uns nach Tagen der Einsamkeit dieser Ferienrummel hier oben mit lauter Popmusik-Beschallung gehörig auf den Keks. Wir freuten uns auf ein paar letzte nette Tage oben in den Bergen.
          Also brachen wir mittags wieder auf – ausnahmsweise mal bei strahlendem Sonnenschein. Das Wetter war also zu guter Letzt doch noch „nice“ geworden. Ach ja, und wie war das jetzt: Es gibt am Balea See nichts zu kaufen, richtig? Nun, wir stürzten uns ins Getümmel und mussten anschließend Folgendes in unseren Rucksäcken verstauen: ein Glas Honig, 3 verschiedene Sorten Käse, 1 Speckschwarte, 1 Laib Brot, 4 Salamis, 1 Glas frische Blaubeermarmelade, ein paar Äpfel sowie 1 Flasche Karpaten-Beeren-Likör. Auch Pemmikan in Gläsern hätte es gegeben. Und da Einkaufen bekanntlich hungrig macht verzehrten wir anschließend noch einen Mega-Hamburger an „Toni’s“ mobiler Burger-Bude und spülten das Ganze mit einem Schoko-Bananen-Crepe hinunter.
          Bevor es endgültig los ging holten wir uns bei der nahe gelegenen Salvamont-Hütte noch einen Wetterbericht für die nächsten Tage ab. Der Dialog mit dem Bergwart lief ungefähr so ab: Hallo! Wie wird das Wetter? – Nicht gut, aber auch nicht schlecht…Aha. Wie sieht’s denn mit Gewitter aus? – Na ja, kann schon passieren…Und Regen? – Naja, heute vielleicht, aber morgen wird’s dann wahrscheinlich „nice“! So so…
          Mit schweren Mägen und noch schwereren Rucksäcken schleppten wir uns erstmal wieder einige hundert Höhenmeter nach oben, um aus dem Baleatal herauszukommen. Diesmal auch mit Serpentinen. Während des Aufstiegs begleitete uns - neben zig feisten Tagestouristen - noch die herrliche Geräuschkulisse der zivilisierten Bergwelt: schwere Motorräder, die mit ihrem meist ungarischen Personal die Serpentinen der Transfagarasch-Strasse hinauf- und runterjagten. Dazu kam das Gekreische der rumänischen Jugend, die sich mit einem Flying-Fox in 10m Höhe quer über das Baleatal schwang. Der letzte Auswuchs der Zivilisation war dann nach einer Stunde Aufstieg eine Wanderin, die mit einem Elektroschocker herumfuchtelte, um die bereits wieder omni-präsenten Hirtenhunde von ihrem kleinen Stadt-Wauzi fernzuhalten.
          Nachdem wir wieder den Hauptkamm erreicht hatten führte der Weg erst einmal eine zeitlang eben über herrliche Matten genau nach Westen. Wir wurden uns bewusst, dass uns nur noch drei Nächte hier oben bevorstanden und wurden fast ein bisschen wehmütig. Wir beschlossen, die letzten Tage noch mal so richtig zu genießen und hofften, dass das Wetter uns ein bisschen dabei helfen würde. Die Grasmatte verschwand alsbald und machte einem Grat Platz, der uns etwas auf das Gekraxel vorbereitete, das uns in den nächsten Tagen blühen sollte. Vom höchsten Punkt unserer heutigen Etappe, sahen wir auch schon den Capra-See in der Sonne glitzern, unser heutiges Tagesziel. Dahinter erhob sich das sehr felsige Massiv des Negoiu, dem höchsten Gipfel in diesem Teil der Karpaten. Leider zogen just in dem Moment auch schon wieder die Wolken auf. Dies sollte der letzte Blick auf diese Berge gewesen sein. Mit dem Abstieg an den See mussten wir dann noch etwas warten: eine Horde der jugendlichen Hotpant- und Turnschuh-Fraktion arbeitete sich gerade schnaufend und irgendwie wenig begeistert die Flanke des Berges empor.
          Gegen 18 Uhr erreichten wir den Zeltplatz am Capra-See. Zu spät. Der große Campingplatz-Check-In war bereits über die Bühne gegangen und die Top-Lagen waren bereits überbaut. Überhaupt, so stellen wir uns das Everest-Basecamp vor: überall, wo es auf ein paar Quadratzentimetern annährend eben war, stand nun ein buntes Zelt. So viele Wanderer hatten wir in den letzten Tagen noch nie auf einem Haufen gesehen. Für uns blieb dann nur noch der Platz im Einzugsbereich der öffentlichen WC-Anlage – d. h. in der Nähe eines Steinfeldes. Das war uns genau so peinlich wie den armen Wanderern, die jetzt ja nicht mehr so ohne Weiteres… Das bringt uns auf ein weiteres Problem auf dieser Tour: die Erledigung gewisser Bedürfnisse an den abendlichen „Campingplätzen“. Erstens musste man mitunter endlose Wege zurück legen, um einen blickgeschützten und sicheren Platz zu finden. Ein paar andere Wanderer hatten keine Scheu noch bei Tageslicht dem Ruf der Natur nachzukommen. Einen hatten wir heute schon auf der Suche nach Wasser mit heruntergelassenen Hosen hinter einem großen Felsbrocken entdeckt. Wir warteten dann doch lieber auf den Schutz der Dunkelheit. Aber auch dann gestaltete sich die Suche nach, ähäm, einem unbesetzten losen Stein ganz schön langwierig. Besonders das Papier dauert wohl Jahre, bis es aufgelöst ist….
          Nachdem es heute mal keine Quelle in Reichweite gab, füllten wir unsere Source-Flaschen im See und konnten unser Gewicht nun auch endlich um ein paar Micropur-Pillen erleichtern.
          Wie schon in den nächsten Tagen wurde es abends glücklicherweise wieder klar und wir hatten einen wunderschönen Blick auf das Kartal vor uns. Überall herrschte geschäftiges Treiben, aber da es wirklich sehr kalt war, verschwand jeder so schnell wie möglich im Zelt. Auch wir kuschelten uns bald mit einer Flasche heißen Wassers in den Schlafsack.




          Kleine Auswahl des Shopping-Angebots




          Kleine Stärkung für die nächste Etappe



          Abschied vom Touri-Rummel




          Es geht wieder sanft über Grasmatten



          Endlich mal wieder kraxeln

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          • Schmetterling

            Erfahren
            • 18.10.2009
            • 189
            • Privat

            • Meine Reisen

            #45
            AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten





            Da leuchtet schon der Capra-See und dahinter wartet einiges an Kletterei



            Ganz schöner Betrieb



            Im Hintergrund die hiesige Biwakschachtel




            Mal wieder ein toller Ausblick...



            ...doch da lauert auch schon der Nebel

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            • Gast-Avatar

              #46
              AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

              Da ist ja am Bulea-See richtig was los. Mir scheint aber fast, Bergwanderer scheinen nicht mehr die rechte Zielgruppe dort zu sein. Auf unserer Tour stand noch die alte Hütte. Hab damals Brot und Bier dort geholt und zum Capara-See geschleppt, an dem ihr tags zuvor vorbeigelaufen seid. Der See des Folgetages unterhalb des Negoi ist der Caltzun-See.
              Bin nun noch auf die Negoi-Etappe gespannt


              Grüße
              Falk

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              • Schmetterling

                Erfahren
                • 18.10.2009
                • 189
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                Ich wünsche allen ein schönes und abenteuerreiches neues Jahr! Nachdem wir uns über Weihnachten eine computerfreie Zeit gegönnt haben, geht es hier auch endlich wieder weiter.
                Falk, vielen Dank für den Hinweis. Es ist natürlich der Caltun-See. Auf die Negoi-Etappe waren wir auch sehr gespannt... Hier ist sie:


                15. Tag Caltun-See – Refugio Scara (ca. 6,5 Std.)


                Die Nacht verlief ruhig und lautlos. Wie in den Nächten zuvor war wieder dicker Nebel aufgezogen, der alle Geräusche zu schlucken schien. Da uns heute eine schwere Etappe mit viel Kletterei bevorstand, brachen wir schon in der Morgendämmerung das Zelt ab und machten uns bei Sichtweiten von unter 10 m auf den Weg zur „Strunga Dracului“, der Drachenschlucht! Der Name war in der Tat gut gewählt: als wir nach einer knappen Stunde am Fuße der kamin-artigen Drachenschlucht standen, erschauderten wir vor den zackigen Felsen, die sich über unseren Köpfen nahezu senkrecht nach oben wanden. Das ganze Ausmaß des „Drachens“ war wegen des Nebels nicht zu erkennen, aber wir wussten, dass es nun einige Höhenmeter ziemlich gerade nach oben gehen würde.
                Dieser Kamin ist anscheinend die schwierigste Kletterpassage auf dem gesamten Karpatenkamm. Junge Rumänen hatten uns vor einigen Tagen gewarnt, dass wir die Schlucht auf keinen Fall bei schlechtem Wetter gehen sollten! …. In einem solchen Fall solle man dann lieber eine längere, aber einfachere Ausweichroute nehmen. Auf dem ganzen Herweg hatten wir dann gerätselt, ob Nebel „schlechtes Wetter“ ist. Wir beschlossen dann aber, uns wenigstens den Einstieg mal anzuschauen. Der sah zunächst recht gut aus: viele Griffe und Stahlseile zum Festhalten. Noch einmal sahen wir andächtig den Zacken hinterher, wie sie hoch über unseren Köpfen im Nebel verschwanden. Wir zögerten kurz…doch das Abenteuer lockte uns – und schließlich ist Hochklettern meist auch gut machbar.
                Es stellte sich dann bald heraus, dass die feuchten Felsen ein Klacks gegen das Problem unserer schweren Rucksäcke waren. Kletterpassagen mit 20 Kilo-Rucksäcken sind wirklich nicht einfach. Freundlicherweise hatte man vor vielen Jahren ein paar Ketten angebracht, an denen wir uns hin und wieder entlang hangeln konnten. Es gab immer auch super gute und viele Griffe im Fels, so dass man die Kette nicht wirklich braucht. Ich fand es einfacher, mich am Fels festzuhalten, als mich an der rutschigen Kette hochzuhieven. Dennoch kamen wir nicht umhin, einige Male die Rucksäcke abzusetzen und sie separat im Teamwork über die schwierigsten Passagen zu wuchten. Dabei mussten wir wiederholt auf allen Vieren über den rutschigen Stein kriechen und unsere Kleidung bekam dadurch auch endlich mal einen abenteuerlichen Look verpasst. Und auch unsere Rucksäcke haben heute noch etliche Schleifspuren von dieser Aktion. Da ich nicht wirklich groß bin, waren einige Tritte einfach zu riesig und einmal hatte ich mich so blöd verstiegen, dass Andi mich von oben am Rucksack hochziehen musste. Ich war dann doch froh, dass wir die einzigen hier waren…. Wir kamen langsam voran, es machte aber einen riesigen Spaß. Und wir konnten nicht so ganz verstehen, wieso so eine Panik verbreitet wird. Soo schlimm wars nicht. Aber da die Karpaten ansonsten technisch überhaupt nicht anspruchvoll sind, ist diese Strecke im Vergleich natürlich schon heikler.
                Zu guter Letzt fing es dann auch noch an richtig zu regnen, aber da wussten wir zum Glück schon, dass es nicht mehr weit sein könnte ..und zack war auch schon der schwierigste Teil der Karpaten vorbei: der Schlund öffnete sich und wir standen ganz unvermittelt auf einem Schotterfeld. Dann noch mal 20 Minuten entspanntes Gehen und wir standen auf dem Negoiu, dem zweithöchsten Berg Rumäniens, von dem man laut Uli eine herrliche Aussicht nach Siebenbürgern und auf den Karpatenkamm haben soll. Das stimmt wahrscheinlich auch. Leider konnten wir nur die herrliche Rundumaussicht auf den Nebel genießen.
                Beim Abstieg trafen wir auf eine slowakische Ausgabe der Hotpant- und Turnschuhfraktion. Sie sahen ganz und gar nicht glücklich aus und fragten uns mit hoffnungsvollen Blicken, ob wir ihnen etwas Wasser geben könnten. Auf der Hütte hätte man ihnen heute Morgen etwas von einer Quelle erzählt, die sich hier in der Nähe befinden sollte. Daraufhin hatten sie sich mit 2 1l-Flaschen (für 5 Personen!) auf den Weg gemacht. Der Nebel hatte dann sein Übriges dazu beigetragen, dass die Quelle verschollen blieb. Zum Glück hatte Andreas heute Morgen mehr Wasser als sonst in seinen Rucksack gepackt und so konnten wir uns etwas an dem herrlichen Wohltäter-Gefühl laben, als wir der Truppe ihre Flaschen füllten. Da es recht kalt war, hatten wir davon auch wenig getrunken und freuten uns überdies über den unerhofften Gewichtsverlust in unserem Gepäck.

                Nun folgte das sog. „Kirchendach“: ein felsiger Sattel, über den man den Nachbargipfel vom Negoiu erreicht. Auch hier waren wir vorgewarnt worden, dass es nun etwas kraxeliger zugehen würde. Trotzdem waren wir überrascht, als wir wenig später mit unseren Rucksäcken über diverse Felsplatten robben mussten. Zu allem Überfluss setzte auch wieder der Regen ein. Mit den Ponchos war die Angelegenheit dann noch wackeliger und an sich harmlose Passagen wurden nun zu waghalsigen Aktionen mit langem Suchen nach dem perfekten Fußtritt. Dieser Teil zog sich ewig hin und dank Regen und Kälte fielen mal wieder alle Pausen flach. Ich verlor so langsam wirklich alle Lust bei der stundenlangen Kraxelei über Blockhalden und auf rutschigen und schmierigen Pfaden und träumte mich an den Strand von Mallorca in ein All-inclusive-Hotel. Scheiß Idee, dieser Urlaub! Ein großer Dank geht hier an unseren virtuellen Reiseführer Uli, da wir aufgrund seiner Beschreibung die schlimmste Schluß-Passage des Kirchendachs umgehen konnten. Das war uns nur Recht, weil wir ungefähr auf der Mitte des Kirchendachs zwei Tschechen (mit Turnschuhen) trafen, die diese Passagen kurz zuvor hinter sich gebracht hatten. So hätten sie ihre Rucksäcke zum Teil separat abseilen müssen, weil einige Abschnitte so anspruchsvoll gewesen waren.
                Ulis „Schleichweg“ ersparte uns dies zum Glück und auf einem schmalen Trampelpfad ging es nun eine matschige Wiese senkrecht hinauf. Inzwischen waren wir beide völlig abgekämpft. Aber wie jedes Mal, wenn uns in den Karpaten die Lust zu verlassen drohte, hatte auch dieses Mal wieder der Berggott ein Einsehen: als wir das Kirchendach hinter uns gebracht hatten und den nächsten großen Gipfel erklommen hatten, ließ der Regen wie auf Kommando nach und die Wolken gaben die Sicht frei auf eine ziemlich geile Aussicht in das Flache siebenbürgische Land und auf Nebelfetzen-umwehte Nachbargipfel. Und vor allem auf den recht sanften weiteren Weg über Grasmatten. Wir hatten den schwierigsten Teil der Karpaten überstanden!
                Hier oben kam uns ein älteres Ehepaar entgegen: v.a. der Mann war bereits ziemlich K.O. und beklagte sich über Kälte und Müdigkeit. Unsere Nachfragen ergaben, dass sie den größten Teil der Tagesetappe noch vor sich hatten: sie wollten über das Kirchendach zum Negoiu und dann auch noch die Drachenschlucht hinunter. Da uns die beiden Leid taten, versuchten wir den Weg so rosig wie möglich zu beschreiben…
                Als „Dankeschön“ übernahmen wir von ihnen den nassen Hund, der ihnen anscheinend seit dem Morgen vom Refugio aus gefolgt war. Nachdem ich ihn mit ein paar Zipfeln meiner Gipfel-Feier-Wurst gefügig gemacht hatte, lief er mit uns über die Grasmatten bergab und ließ seine alten Herrchen allein über das Kirchendach krabbeln. Vielleicht, so dachten wir uns später, macht er die Tour ja auch jeden Tag so: mit einer Partei bis zum Kirchendach, und von dort mit der erstbesten Gegenpartei zurück. Und dazwischen solange nerven, bis irgendein Krümel abfällt.
                Der nun folgende Abschnitt war wieder geprägt von herrlichen Grasmatten und damit fest in der Hand der Schafe und ihrer Hirten. Das Ehepaar hatte uns gerade erzählt, dass die Hänge hier sanft genug ansteigen, dass der Bär des Nachts herauf kommt und sich hin und wieder ein Leckerbissen gönnt. Daher schied dieser erste Sattel zum Schlafen aus und wir machten uns auf zum zwei Stunden entfernten Refugium. Die Schafherden wurden wie gehabt durch eine Vorhut aus kläffenden und knurrenden Hunden angekündigt. Doch fühlten wir uns diesmal sicher, hatten wir doch nun unsere Privat-Bulldogge dabei, die uns wegen besagter Wurstzipfel ja noch einen Gefallen schuldig war. Naja, das Ende vom Lied war dann das, dass die Töle uns im Angesicht von 5 kläffenden Hirtenhunde anscheinend nicht mehr kennen wollte. Erst ein paar gezielte Pfiffe des Hirten brachten das Rudel von ihrer Mordlust ab und wir entrichteten dankbar das Schutzgeld in Form von Zigaretten an den Hirten. Die Judastat unseres vierbeinigen Begleiters aber vergaßen wir nicht und konnten ihn zum Glück bei der nächsten uns entgegen kommenden polnischen Truppe „entsorgen“.
                Das Refugio ließ zum Glück nicht mehr lange auf sich warten. Wir waren 6 Stunden fast ohne Pause gekraxelt, ziemlich nass und einfach nur noch müde. Das Refugio war recht enttäuschend – eine große Hundehütte aus Blech. Außen mit Seilen am Boden verankert (damit sie nicht wegfliegt?) und innen zusätzlich mit Tonnen von Müll beschwert. Wir machten uns erstmal einen Tee und überlegten, ob wir hier bleiben oder noch 3 Stunden weiter bis zum nächsten See laufen sollten. Obwohl die Stimmung überhaupt nicht heimelig war, entschlossen uns, zu bleiben. Warum sollten wir uns in den letzten Tagen noch hetzen. Wir suchten in der nun wieder dichten Nebel-Suppe nach einem freien Zeltplatz – die meisten waren auch hier bereits belegt. Aber es gab noch einen letzten freien Steinkreis den wir – nun schon geübt – von Konservendosen, Essensresten und anderen undefinierbarem Zeugs (bzw. wollten wir nicht genauer drüber nachdenken) säuberten. Das Hubba-Hubba-Zelt war schnell aufgespannt und wir wollten uns gerade vor der depressiven Nebelstimmung in den warmen Schlafsack flüchten – als plötzlich die Sonne „aufging“. Von einer Sekunde auf die andere hatte die Sonne den Wolken den Laufpass gegeben und deckte nun den Platz um das Refugio mit herrlich intensiver Höhenstrahlung ein. Keine zwei Minuten später waren bereits alle aus ihren Zelten hervor gekrochen und fingen nun damit an, jeden freien Flecken um das Refugio mit irgendeiner Art feuchter Kleidung zu belegen – alle wollten sie nun schnell ihre Sachen trocknen, bevor das Karpatenwetter erneut zuschlagen würde. Auch wir rissen uns buchstäblich die nassen Klamotten vom Leib und konnten nur zwei Stunden später alles wieder schön trocken einpacken. Außerdem nahmen wir das Kaiserwetter zum Anlass, quasi den „Sonntagsbraten“ aus unserem Proviant zu kochen: den Hirschtopf vom Globi mit einer Globi-Mousse au Chocolat zum Nachtisch!





                So langsam gewöhnen wir uns an den allmorgendlichen Nebelaufbruch...




                Der Einstieg in die Drachenschlucht



                Ein paar Eindrücke aus der Drachenschlucht:












                Geschafft, das ist das obere Ende




                Unser nächster höchster Berg, der Negoiu (2535 m)

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                • Schmetterling

                  Erfahren
                  • 18.10.2009
                  • 189
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten


                  Mühsam gehts übers Kirchendach



                  Wer hat bloß den Weg durch diese Spalte gelegt!



                  Wer kann bei diesem Blick schon widerstehen...



                  Aussicht nach Norden



                  Refugio Scara


                  Trauriger Anblick des Zeltplatzes...



                  ...der sich wie immer relativiert, sobald die Sonne rauskommt



                  Mal wieder allgemeine Trockenaktion



                  Wozu Wanderstöcke nicht alles gut sind...

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                  • Gassan
                    Gesperrt
                    Fuchs
                    • 23.03.2009
                    • 1467
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                    Ach ja die Strunga Dracului, Da hatten wir letzten Sommer auch unseren Spaß mit.

                    Allerdings mit der besonderen Schwierigkeit, dass wir auch noch den Hund der uns schon 5 Tage folgte, da irgendwie durchschleusen mussten

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                    • ProgHippie
                      Erfahren
                      • 07.01.2010
                      • 126
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                      fantastischer bericht, danke!

                      werde sonst auch mal was zum retezat schreiben...

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                      • Gast-Avatar

                        #51
                        AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                        Sehr, schön. Ja das mit dem Schleichweg erspart einem doch noch ein paar Unannehmlichkeiten. Wir entdeckten ihn damals leider erst vom Serbota-Gipfel. Und dort hockte genau so ein Hund, das war vor 16 Jahren!

                        Gruß
                        Falk

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                        • Asterixhuetchen

                          Fuchs
                          • 11.06.2009
                          • 1836
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                          Schöner Bericht, Danke!!
                          To the sea on the sea from the sea at the sea bordering the sea.

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                          • Schmetterling

                            Erfahren
                            • 18.10.2009
                            • 189
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #53
                            AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                            Danke für eure netten Rückmeldungen!

                            @ProgHippie: Ja, bitte schreib was drüber! Die osteuropäischen Ziele sind hier echt unterrepräsentiert.

                            So langsam neigt sich unsere Reise dem Ende:

                            16. Tag Refugio Scara – irgendein Sattel am Fuß des Tătaru (ca. 7 Std.)

                            Der übliche Nebel schlug erst in der Nacht wieder zu und so machten wir uns erneut bei Sichtweiten unter 10m an eine der letzten großen Etappen. Laut Beschreibung ließen wir diverse Gipfel links (im Nebel) liegen und machten, da es ja nichts zum Sehen gab, gutes Tempo. Auch der letzte Blick zurück auf die hohen Gipfel blieb uns leider verwehrt. Schade, wir hätten so gerne einen letzten Blick zurück geworfen, um Abschied zu nehmen! Zwar hat es durchaus was für sich, wenn man in so einer Nebelwatte vor sich hinstapft, die Luft riecht sehr intensiv und frisch, alle Geräusche werden ein bisschen gedämpft und man fühlt sich sonderbar behütet und die Freude, wenn man durch ein paar Nebelfetzen hindurch mal einen kurzen Blick auf das grüne Tal unter einem oder den grauen Berg über einem erhaschen kann ist natürlich doppelt so groß, als wenn man diese Aussicht die ganze Zeit über gehabt hätte.
                            Dennoch, Laufen im Nebel ist auf Dauer echt langweilig und die Tatsache, dass heute der letzte Tag in dieser Nebelsuppe sein würde, beflügelte unsere Schritte. Schon bald unterschritten wir die 2000 m-Grenze. Plötzlich kamen uns innerhalb von einer Stunde eine stattliche Anzahl an Wandergruppen entgegen – Rumänen, Slowaken, Tschechen, Ungarn. Alle waren frohen Mutes und die meisten wollten immerhin bis zur Plaul Foii wandern. Wir taten unsere Pflicht, stellten im Gespräch die Wanderung als so angenehm wie möglich dar und versprachen schönes Wetter ab dem nächsten Tag. Skeptische Blicke konnten wir aber ob der zahlreichen Hotpants, Turnschuhe und Plastiktüten auch dieses Mal nicht ganz verbergen. Vielleicht sind wir aber auch bloß westeuropäische Weicheier, denen immer noch der Schock ihres ersten Berggewitters in den Gliedern steckt. Jedenfalls beneideten wir sie nicht wirklich um die vor ihnen liegenden Etappen und um den Nebel.
                            Für uns ging es hingegen unaufhaltsam immer weiter bergab. Ich muss gestehen, dass ich mich über jeden Meter freute, den wir weiter nach unten kamen. Die letzten Tage hatten wir fast ständig gefroren und auch heute war es wieder so kalt, dass ich meine langen Unterhosen anziehen musste. Der Regen trug auch nicht gerade zur guten Laune bei. So stolperten wir weiter durch den dichten Nebel und stellten uns vor, was wir alles sehen würden, wenn wir was sehen könnten. Mittags gabs endlich mal wieder was Richtiges zu essen – ein Stückchen Käse und Wurst statt der ewigen Müsliriegel und Schokolade. Aber auch heute fiel die Pause wegen der Kälte sehr kurz aus. Immerhin ließ sich der Weg über die weiten Grasmatten sehr angenehm gehen und unsere Rucksäcke waren auch bedeutend leichter geworden.
                            Irgendwann durchbrachen wir endlich die untere Grenze der Nebeldecke, das Gras wurde höher und die Luft deutlich wärmer. Bei einer herrlichen Fernsicht hinaus auf Siebenbürgen schritten wir weit aus, überlegten uns kurz ob wir uns zur Feier des Tages aus den hier zahlreich wachsenden Düngerlingen (Pilze auf Kuhfladen mit z.T. interessanten Nebenwirkungen) am Abend ein Pilzeintopf kochen sollten, entschieden uns dann doch dagegen und liefen weiter mit herrlich froher Stimmung über saftig grüne Matten, die nun immer wieder von kniehohen Sträuchern durchsetzt waren! Was für eine Vegetationsvielfalt nach den vielen Tagen ohne Strauch und ohne Baum! Und erst diese Aussicht! Unsere Stimmung stieg sprunghaft an und wir schwebten förmlich. Auch unsere letzte Schafherde kreuzten wir mit Bravour.
                            Kurz vor Ende der Etappe kreuzte eine große und anmutige Herde aus Wildpferden unsere Bahn.
                            Heute hatten wir etwas Schwierigkeiten, den von Uli empfohlenen Zeltplatz zu finden und so musste Andi eine ganze Weile nach Wasser suchen. Das Nachtlager schlugen wir schließlich auf einer herrlichen Aussichts-Weide direkt an der Gebirgskante nach Norden auf von wo aus wir nach Sonnenuntergang am Horizont bereits die Lichter unseres ultimativen Ziels, Sibiu, aufleuchten sehen konnten. Wir wussten nicht, was überwog – Freude und Stolz darüber, es tatsächlich geschafft zu haben oder die Trauer, die letzte Nacht in der wunderbaren Einsamkeit vor uns zu haben. Wir genossen bei diversen Tees und Süßen Momenten (das Zeug muss schließlich weg!) ein letztes Mal die Aussicht, bevor uns die Kälte in die Schlafsäcke trieb.
                            Leider machte Andreas an diesem Abend doch noch meinen heimlichen Albtraum wahr und demolierte unser Hubba Hubba Zelt. Er hatte es in den letzten Tagen schon öfters auf eher tollpatschige Weise diversen Härtetests unterzogen, aber heute war es dann endlich so weit: gegen den stark blasenden Wind wollte er unbedingt eine dieser schicken Steinmauern um unser Zelt errichten; einer der Brocken kullerte dann von der Mauer herab und begrub eine Ecke des Zelts unter sich. Die Folge waren eine verbogene Stange und ein Riss im offenbar doch recht dünnen Stoff des Außenzelts. Naja. Die Stange konnten wir zum Glück leicht wieder gerade biegen und der Riss lässt sich ja vielleicht noch flicken.



                            Schnell nochmal die Aussicht nach Norden genießen, bevor uns wieder der Nebel verschluckt




                            Noch sind wir unter den Wolken



                            Der Avrig-See, den wir gestern nicht mehr erreicht haben




                            Suppe, Suppe, Suppe



                            Von hier soll man angeblich einen letzten Blick zurück auf die richtig hohen Gipfel haben...




                            Lecker Mittagessen vom Balea-See




                            Die habens alle noch vor sich



                            Langsam nähern wir uns der unteren Wolkengrenze



                            Herrlich, endlich wieder ungetrübte Aussicht!




                            Unsere letzte Schafherde




                            Der letzte schöne Zeltplatz - mal wieder mit toller Aussicht

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                            • Schmetterling

                              Erfahren
                              • 18.10.2009
                              • 189
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                              Der letzte Tag!

                              Aussichtsweide - Turnu Rosu (ca. 4 Std.)

                              Der Morgen brachte ein letztes Shake-Hands mit einer Schafherde, die auf ihrem Weg hinauf zur Bergweide neugierige Blicke ins Zelt warfen. Da wir heute nur eine kurze Strecke hatten, schliefen wir mal so richtig ausgiebig aus und ließen uns ewig Zeit mit dem Abbauen, jeden Moment auskostend. Die Sonne schien - aber nur bei uns! He, he! Der Karpatenkamm in unserem Rücken hatte wie üblich sein Wolkenmäntelchen angelegt und wir dachten an all die tapferen Wandersleute, die sich in diesem Augenblick durch die Suppe tasten würden und dass wir bis gestern selber eine dieser tapferen Wandersleute gewesen waren. Ein erster Anflug von Stolz überkam uns und beschwingt marschierten wir nun hinab Richtung Turnu Rosu, der Endstation unserer Wanderung. Beschwingt auch deswegen, weil uns ein starker und eiskalter Sturm fast umwehte. Die Karpaten wollten uns den Abschied wohl leicht machen…
                              Der erste richtige Baum, ein verkrüppeltes braunes Etwas, wurde von Andreas herzlich und ausgiebig umarmt. So schlimm war es also schon geworden mit dem Vegetations-Entzug! Wir schossen tausend Bilder vom Tal, hatten vergessen wie schön grüne Bäume sein können und wie herrlich es ist, auf lauschigen Wegen im Sonnenschein auszuschreiten. Schon bald gelangten wir an die Kante und der endgültige Abstieg begann. Schon bald tauchten wir ein in den Nadelwald und nahmen Abschied von der Aussicht und den Bergen. Ich hatte Angst davor gehabt, die ganzen Höhenmeter nach unten zu müssen, weil ich Absteigen einfach nur qualvoll finde. Aber der Weg zog sich sanft dahin, schon bald durch einen lauschigen Buchenwald führend. Es wurde warm, die Sonne lachte und wir haben das Dahinschreiten nie so sehr genossen! Es war einfach nur genial! Bald konnten wir auch zum ersten Mal seit Tagen die kurzen Hosen auspacken, die sich irgendwo in die hintersten Ecken der Rucksäcke verkrümelt hatten. Fröhlich gaben wir Tipps an diverse Wanderkollegen, die uns entgegen kamen und versprachen für oben gutes Wetter – man will sie ja nicht gleich beim ersten Anstieg demotivieren… Einer Gruppe aus Tschechen blickten wir ungläubig hinterher, da der eine tatsächlich eine Axt (sicher ein gutes Kilogramm schwer) hinten an seinen Rucksack gebunden hatte. Wir sagten ihm nicht, dass er nur noch die nächsten Stunden etwas zum Hacken finden und die nächsten 10 Tage das Beil mehr als einmal verfluchen würde. Vielleicht war’s aber auch gegen die Bären gedacht. Oder zum rasieren. Wer weiß das schon…
                              Schließlich erreichten wir tatsächlich so etwas wie den Fuß der Karpaten: nach einem letzten heftigen steilen Abstieg wurde es ganz plötzlich flach und eine breite Fahrstrasse führte nun die letzten 5 km nach Turnu Rosu, von wo aus wir den Zug nach Sibiu nehmen wollten. Die Sonne brannte mittlerweile ganz schön herunter und bei der Ansicht eines kleinen Baches flogen auch schon unsere Wanderschuhe und Socken in alle Richtungen davon und wir stellten uns bestimmt eine Viertel Stunde in den kühlen Bach und genossen einfach das angenehme Gefühl, dass es nun bald geschafft sein würde. Nebenbei wuschen wir uns so gut es ging, um die Katzenwäsche der letzten Tage etwas zu kompensieren. Und ganz nebenbei ging auch die Schwellung in unseren Füssen ein wenig zurück. Ich glaube mich zu erinnern, dass wir sogar die letzten Wurstzipfel vom Balea See im Wasser stehend verputzten.
                              Die Fahrstrasse brachte uns ziemlich schnell der Zivilisation näher. Diese kündigte sich zunächst in Form eines Klosters an, an dem wir andächtig inne hielten und unseren Madonnen-Amuletten sowie dem Heiligen Wem-Auch-Immer dankten, dass sie uns auf dieser doch nicht immer ganz ungefährlichen Wanderung beschützt hatten. Alles war gut gegangen.
                              Bald darauf schlenderten wir durch die romantisch verträumten Gassen von Turnu Rosu und bewunderten die abenteuerlichen Gefährte, die hier unterwegs waren. Wir hatten eigentlich vorgehabt, hier eine letzte Nacht zu verbringen, um nicht gleich dem Trubel einer großen Stadt ausgesetzt zu sein. Nach eine ausführlichen Besichtigung mussten wir allerdings feststellen, dass es hier nichtmal ansatzweise eine Unterkunft gab. So schlenderten wir notgedrungen zum Bahnhof, der – wie das gesamte Dorf – ziemlich ausgestorben war. Mit seinen riesigen Ausmaßen erinnerte er an längst vergangene Zeiten, als hier wohl noch regerer Verkehr geherrscht hat. Im verwaisten Warteraum stand ein mächtiger Kachelofe, der von den klirrend kalten Wintern erzählte. Nach einigem Suchen fanden wir so etwas wie einen Fahrplan und stellten fest, dass wir noch zwei Stunden Zeit hatten, bis der nächste Zug nach Sibiu fahren würde. Was nun kam, können sich viele von Euch denken: wir stürmten die einzige Kneipe am Ort und bescherten ihnen das Geschäft ihres Lebens: wir kauften mehr oder weniger ihren gesamten Vorrat an Chips, Cola und Bier auf und verputzten diesen im „Biergarten“ an der Dorfstrasse. Dabei betrachteten wir schweigend und zufrieden diese herrlich idyllische Landschaft mit ihren unglaublich freundlichen und entspannten Menschen und stellten fest: das Leben ist schön!
                              Zwei Stunden später saßen wir mit gefüllten Bäuchen im Zug und zuckelten gen Sibiu. So lange wie möglich genossen wir einen letzten Blick auf den Karpatenbogen, der natürlich dicht mit Wolken verhüllt war und gedachten all der Wanderer, die sich nun durch den Nebel kämpften. Nach einer zweistündigen Fahrt kamen wir in Sibiu an, suchten uns eine nette Pension, enterten das nächste Restaurant, fraßen uns einmal durch die Speisekarte, tranken eine Flasche rumänischen Weins, genossen ausgiebigst eine Wellness-Dusche mit Rundum-Wasserstrahlen und fielen glücklich in das weiche Bett!



                              Guten Morgen!




                              Da gehts heute runter




                              Der Blick zurück - Wolken!



                              Die letzten Meter auf dem Kamm



                              Pferde - eine schöne Abwechslung von den ganzen Schafen




                              Der erste Baum!



                              Der Wind war echt stark - man beachte das Handtuch

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                              • Schmetterling

                                Erfahren
                                • 18.10.2009
                                • 189
                                • Privat

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                                #55
                                AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten



                                Da vorne an der Kante ist endgültig Schluss mit dem Kammweg



                                Ist das nicht ein idyllischer Waldweg!




                                Herzlichen Dank an all unsere Schutzgeister!




                                Einmarsch nach Turnu Rosu




                                Disco Total - hier steppt am Wochenende der Bär




                                Der Bahnhof in Turnu Rosu



                                Auch die Wartehalle ist verwaist




                                Der letzte Blick zurück auf die Karpaten




                                Fondue und rumänischer Wein zum Abschied, das ham wir uns verdient!

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                                • peter-hoehle
                                  Lebt im Forum
                                  • 18.01.2008
                                  • 5175
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                                  @Schmetterling

                                  Ein sehr sehr schöner Bericht ,der bestimmt
                                  sehr viel Arbeit gemacht hat.Danke dafür.
                                  Der Bericht ist wert.mindestens

                                  Gruß Peter
                                  Wir reis(t)en um die Welt, und verleb(t)en unser Geld.
                                  Wer sich auf Patagonien einlässt, muss mit Allem rechnen, auch mit dem Schönsten.

                                  Kommentar


                                  • paddel
                                    Fuchs
                                    • 25.04.2007
                                    • 1865
                                    • Privat

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                                    #57
                                    AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                                    Vielen Dank für diesen absolut spitzenmäßigen Reisebericht!
                                    Froh schlägt das Herz im Reisekittel,
                                    vorausgesetzt man hat die Mittel.

                                    W.Busch

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                                    • Schmetterling

                                      Erfahren
                                      • 18.10.2009
                                      • 189
                                      • Privat

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                                      #58
                                      AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                                      Vielen Dank für die Blumen!

                                      Ja, es kostet viel Zeit, aber es macht auch viel Spaß, da man die Tour quasi noch einmal laufen darf.

                                      Hier gibts noch einen kleinen Nachschlag:


                                      Epilog und Fazit

                                      Da wir unsere ganzen Reservetage nicht benötigt hatten, hatten wir noch gemütliche drei Tage Zeit, die wir in Sibiu verbrachten. Wir nutzten die Zeit, uns die verlorene Pfunde mit dem sehr leckeren rumänischen Essen sowie in diversen Cafes wieder anzufuttern (was uns leider auch gut gelang...), alle Ecken dieser wirklich wunderschönen Stadt zu besichtigen, uns über die Geschichte von Siebenbürgen zu informieren und uns zum Abschied einen neuen Haarschnitt verpassen zu lassen (ist schließlich schön billig hier). Die Stadt ist - genauso wie Brasov - wirklich empfehlenswert. Sehr schön renoviert, aber mit noch genügend urigen Ecken. Einen Tag widmeten wir auch einem Besuch in Sighisoara, was ebenfalls sehr schön ist, wenn auch etwas überlaufen. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir einen weiteren weißen Fleck unserer Landkarte tilgen konnten. In diesen Tagen entstand auch der Wunsch, das nächste Mal mit dem Fahrrad zu kommen, um Land und Leute besser kennen zu lernen. Das mit dem wild campen dürfte hier ja kein Problem sein! Mal sehen, irgendwann...

                                      Und hier noch ein kleines Fazit:

                                      Ausrüstung: Da wir uns wirklich ewig vorbereitet hatten, hatten wir nichts wirklich Überflüssiges dabei. Bis auf die leidigen Ponchos kann fast alles genau so wieder mit auf Tour. Aber dass Ponchos und Berge nicht zusammen passen, wussten wir ja auch schon vorher. Unsere persönlichen Highlights waren die Stöcke (nie mehr ohne mit so viel Gepäck!), die Source-Wasserbeutel (super klein, wenn man sie nicht braucht und super praktisch, wenn man Wasser transportieren will), die Berghaferln (einfach universell einsetzbar), Gamaschen und das inzwischen heißgeliebte Hubba Hubba-Zelt (ein kleines leichtes Raumwunder).
                                      Verbesserungswürdig ist neben den Ponchos noch der Kocher. Der Primus Omnifuel ist doch etwas überdimensioniert. Nächstes Mal gibts nen kleinen Gaskocher. Die Globi-Blaubeersuppe war auch irgendwie bäh (pappsüß, oder vielleicht wars auch nicht kalt genug). Andi meinte noch, dass ein Leatherman wohl doch besser gewesen wäre als das Taschenmesser. Ich kann mich da jetzt an keine Situation erinnern, aber er sucht ja schon langen einen Grund, sich einen zu kaufen... Ach ja, die Schufrage für abends ist auch noch geklärt: Tevas sind viel zu schwer, Flip Flops irgendwie total scheiße, wenn man Socken anziehen will und die 3 Euro-Schaumschlappen aus dem Woolworth waren auch ziemlich lebensgefährlich... Also wenn hier noch jemand Tipps hat, immer her damit!

                                      Anspruch: Der Kammweg wurde in all den spärlichen Informationen immer als "sehr anstrengend", "sehr belastend für die Knie" beschrieben. Das stimmt schon, es war dann aber als nur halb so schlimm wie befürchtet. Der Weg ist technisch (bis auf eine Etappe) nicht anspruchsvoll und in dieser Hinsicht nicht mit den Alpen zu vergleichen. Die Schwierigkeit liegt eher darin, dass man Zelt und Essen mitnehmen muss (die Hütten sind meist unerreichbar weit unten), dass man viel Wasser schleppen muss (bei uns waren es immer 2-3 Liter) und dass es tatsächlich ständig hoch und runter geht. Dazu kommt auch das extrem unberechenbare Wetter mit seinen blitzartigen Umschwüngen. Dafür hat man bei schönem Wetter eine fantastische Sicht! Vielleicht liegt die obige Beschreibung auch daran, dass der Durchschnittswanderer den Haupt-Kammweg in 4-5 Tagen zurück legt. Wir haben uns neun Tage dafür Zeit gelassen und es nicht bereut. Soll ja schließlich Urlaub sein!
                                      Das Wasser war eigentlich nie ein Problem: an jeder "Campingstelle" gibt es irgendwo Wasser und oft hat jemand auf die Schutzhütte einen Pfeil in die entsprechende Richtung gepinselt. Etwas absteigen muss man allerdings meistens.

                                      Müll: Leider gibt es sehr viele Müllberge da oben. Immerhin sind es meist Müllberge, d. h. der Müll wird an einer zentralen Stelle aufgetürmt. Trotzdem sehen diese riesigen Haufen verrostender Konservendosen nicht schön aus. Überhaupt haben wir uns gefragt, warum die Leute Konservendosen mit da hoch schleppen. Dieses Gewicht! Aber wir sind optimistisch, dass mit steigenden Touristenzahlen sich da was tun wird. Dauert eben ein Weilchen. Ein "Müllproblem" anderer Art ist das Nichtvorhandensein von Klos. Das macht mir an sich nichts aus und es ist ja auch logisch. Aber führt dazu, dass an manchen gut besuchten Übernachtungsplätzen jeder einzelne lose Stein "besetzt" ist. Was man da tun könnte, weiß ich auch nicht. Zumindest das Papier könnte man ja verbrennen.

                                      So, jetzt aber genug gelästert! Alles in allem war es eine tolle Einstiegstour in unser künftiges Wanderleben. Mal sehen, was die Zeit noch alles bringt.

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                                        #59
                                        AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                                        Es hat mir Freude gemacht den Bericht zu lesen, vor allem war es mal eine super Rückmeldung auf Ulis Wanderführer, müsste man direkt dazupacken
                                        Zwar scheint sich einiges geändert zu haben, aber dann auch wieder doch nicht.
                                        Vielen Dank

                                        Falk

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                                        • Vegareve
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                                          #60
                                          AW: [RO] Auf rotem Band durch die Karpaten

                                          Toll, Berichte von Deutschen über meine Heimat zu lesen. Letzten Sommer war ich auch auf dem Negoiu. Balea See-Zone habe ich vermieden, nach allem was da gebaut wurde...

                                          Was ich (für euch) Schade finde ist, dass ihr, dem Plan nach, nicht den ganzen Kamm des Königststeins gemacht habt. Ist ja auch kein Weg mit 20 Kilo Gepäck zu machen, viel zu exponiert. Aber sehr schön, Königsstein ist mein lieblings Berg, man muss es nur in Ruhe und leichter erkunden.

                                          Was die Serpentinen betrifft: ich war viel mehr in die Karpaten als in die Alpen unterwegs, aber es kann schon was dran sein. Die Rumänen sind ja allgemein direktere Menschen, es ist tatsächlich so, dass man in Rum. schneller Höhenmeter gewinnt, weil der Weg nicht so viele Schleifen macht. Mir ist auch lieber so, in Südtirol haben wir mal 4 Stunden für 1200m Abstieg gebraucht.

                                          p.s. Für Karpatenliebhaber auch sehr zu empfehlen ist der Retezat Massiv (Nationalpark).
                                          Zuletzt geändert von Vegareve; 22.01.2010, 14:49.
                                          "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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