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Mitreisende | |
Land: Bayern
Reisezeit: Frühsommer
Region/Kontinent: Nordeuropa
Man kannte die heitere Quelle, das heiser hüstelnde Plätschern
und die heiligen Biergärten, die sich daran aufreihen
und bei huldvollem Sonnenlicht betrachtet:
Kann von dieser bajuwarischen Lebensader Gefahr heraufdräuen?
Ja, sie kann.
Ich war an der Isar zuwege und hatte kein Vergnügen daran,
den gleichen Weg zurückzutrotten. Ich wollte rüber ans andere Ufer,
so tief kann das nicht sein, zur Not schwimmst du rüber.
Ich zog mich nackt aus, verschnürte Schuhe und Kleidung zu einem strammen Paket und schleuderte einen Probewurf,
um zu sehen, ob die Armkraft reichen würde, die zehn, vielleicht fünfzehn Meter zu überbrücken.
Es hätte der Weite nach wohl gereicht,
aber die Fliehkräfte rissen die Kleiderkugel auseinander und verstreuten Jacke und Hose längs.
Ich verbesserte und stopfte alles ins Hosenbein,
band den Gürtel zu einer Art Wurfhammer daran, tat wieder eine Probeschleuderung und verstand sofort,
warum die Hammerwerfer ihre Würfe im Drahtkäfig vollziehen.
Das Ding schoss schräg und steil und wäre bereits zur Probe im Wasser gelandet, hätte sich nicht ein Strauch erbarmt.
Also Wassertransport, händisch, am ausgestreckten Arm, damit Unterhose und Papiergeld nicht nass werden.
Ich setzte einen Probefuß, fand keinen Grund, also schwimmen.
Ich rein ins Wasser, Abstoß und kaum drinnen,
ging ich sofort unter und schwamm um mein Leben.
Noch bevor sich der Schrecken des Leibes bemächtigt,
erkennt das Gehirn den Fehler und weiß um die Unumkehrbarkeit.
Es ist geschehen und nichts, keine Macht der Welt macht es wieder ungeschehen.
Prompt ist man in einem Zwischenreich von Traum und Wirklichkeit zugleich Akteur und Beobachter seiner selbst und in einer raren Intensität,
die man sein Leben lang nicht mehr vergessen wird.
Es ist verdichtete Zeit, und es gibt sie, mag die Wissenschaft es leugnen oder nicht: Zeit hat Qualität.
Das Kleidergewicht und das Gewicht des hochgereckten Armes drückten mich augenblicklich unter Wasser.
Zudem fehlte mir die Kraft des zweiten Armes und trotz Fingertest war ich geschockt von der lähmenden Eiseskälte des Wassers
und völlig unterschätzt hatte ich die so sanft aussehende Strömung und ward auf der Stelle mitgerissen.
Ich bin kein schlechter Schwimmer und psychisch einigermaßen stabil.
Jetzt aber war ich in Panik und in den Zehntelsekunden, in denen die Körperchemie das Panische in gefühlloses Überlebenskalkül verwandelt, überfluten lächerliche Bilder das Bewusstsein.
Wirf das Bündel zum Teufel, schwimm mit der Stärke zweier Arme,
rette dein Leben und opfere belangloses Textil!
Zugleich sah ich mich nackt durch die Gegend laufen und irgendwelche Spaziergänger um Hilfe bitten und Erklärungen wie diese abgeben zu müssen
und ich oder es entschied blitzschnell: Nicht ohne meine Klamotten.
Es ist erstaunlich zu sehen, wie das Schamgefühl selbst in prekärer Lage über den Überlebenswillen triumphiert, ja, dass es sich überhaupt kundtut,
als riefe man sich zu: Zugrundegehen, aber gesittet!
Es sind Entscheidungen, jedoch keine bewussten;
sie drängen nicht aus dem Willen empor, sondern ein archaischer Hirnstamm oder ein gnädiger Schutzengel kümmern sich um einen.
Es wäre vermessen, weiter von einem handelnden ‚Ich’ zu sprechen.
Der Körper dreht sich zur Seite, der Kleiderarm senkt sich bis zum Handgelenk ins Wasser und mit eruptiven Beinstößen, und überkräftigen Armzügen,
einer Molluske nicht unähnlich, oder einem Kraken, erreiche ich das andere Ufer. Aber ich komme nicht hoch.
Die Strömung ist zu stark, das Gestrüpp zu dicht – glitschiger Modder überall – ich treibe dahin und zerschürfe mir Arm und Bein.
Endlich dämmert mir, dass ich das Kleiderbündel,
um dessen Trockenheit ich mich bisher rührend und erfolgreich bemüht hatte, durch einen kleinen Wurf loswerden könnte.
Aber ich finde kein Widerlager, keinen Hebel und erst als mir ein kurzes Festhalten an einem Zweig gelingt, landet das Bündel im Gras.
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Jetzt geht es ganz schnell. Mit beiden Händen ergreife ich einen überhängenden Ast, stemme mich gegen die Strömung und ziehe mich am Busch hoch.
Ich wische die Tropfen von der Haut; irgendwie ist sie klebrig,
ich muss unter Wasser geschwitzt haben oder tue es noch.
Von drüben werde ich angestarrt.
Offenbar hält man mich für einen Nudisten.
Langsam kleide ich mich an. Alles trocken geblieben.
Scheuer Stolz mischt sich in den jetzt erst aufblühenden Schrecken. Trotzdem klebt das Hemd auf der Haut.
Hast nicht ordentlich abgewischt, sage ich mir.
Hättest ein Handtuch mitnehmen sollen.
Reisezeit: Frühsommer
Region/Kontinent: Nordeuropa
Man kannte die heitere Quelle, das heiser hüstelnde Plätschern
und die heiligen Biergärten, die sich daran aufreihen
und bei huldvollem Sonnenlicht betrachtet:
Kann von dieser bajuwarischen Lebensader Gefahr heraufdräuen?
Ja, sie kann.
Ich war an der Isar zuwege und hatte kein Vergnügen daran,
den gleichen Weg zurückzutrotten. Ich wollte rüber ans andere Ufer,
so tief kann das nicht sein, zur Not schwimmst du rüber.
Ich zog mich nackt aus, verschnürte Schuhe und Kleidung zu einem strammen Paket und schleuderte einen Probewurf,
um zu sehen, ob die Armkraft reichen würde, die zehn, vielleicht fünfzehn Meter zu überbrücken.
Es hätte der Weite nach wohl gereicht,
aber die Fliehkräfte rissen die Kleiderkugel auseinander und verstreuten Jacke und Hose längs.
Ich verbesserte und stopfte alles ins Hosenbein,
band den Gürtel zu einer Art Wurfhammer daran, tat wieder eine Probeschleuderung und verstand sofort,
warum die Hammerwerfer ihre Würfe im Drahtkäfig vollziehen.
Das Ding schoss schräg und steil und wäre bereits zur Probe im Wasser gelandet, hätte sich nicht ein Strauch erbarmt.
Also Wassertransport, händisch, am ausgestreckten Arm, damit Unterhose und Papiergeld nicht nass werden.
Ich setzte einen Probefuß, fand keinen Grund, also schwimmen.
Ich rein ins Wasser, Abstoß und kaum drinnen,
ging ich sofort unter und schwamm um mein Leben.
Noch bevor sich der Schrecken des Leibes bemächtigt,
erkennt das Gehirn den Fehler und weiß um die Unumkehrbarkeit.
Es ist geschehen und nichts, keine Macht der Welt macht es wieder ungeschehen.
Prompt ist man in einem Zwischenreich von Traum und Wirklichkeit zugleich Akteur und Beobachter seiner selbst und in einer raren Intensität,
die man sein Leben lang nicht mehr vergessen wird.
Es ist verdichtete Zeit, und es gibt sie, mag die Wissenschaft es leugnen oder nicht: Zeit hat Qualität.
Das Kleidergewicht und das Gewicht des hochgereckten Armes drückten mich augenblicklich unter Wasser.
Zudem fehlte mir die Kraft des zweiten Armes und trotz Fingertest war ich geschockt von der lähmenden Eiseskälte des Wassers
und völlig unterschätzt hatte ich die so sanft aussehende Strömung und ward auf der Stelle mitgerissen.
Ich bin kein schlechter Schwimmer und psychisch einigermaßen stabil.
Jetzt aber war ich in Panik und in den Zehntelsekunden, in denen die Körperchemie das Panische in gefühlloses Überlebenskalkül verwandelt, überfluten lächerliche Bilder das Bewusstsein.
Wirf das Bündel zum Teufel, schwimm mit der Stärke zweier Arme,
rette dein Leben und opfere belangloses Textil!
Zugleich sah ich mich nackt durch die Gegend laufen und irgendwelche Spaziergänger um Hilfe bitten und Erklärungen wie diese abgeben zu müssen
und ich oder es entschied blitzschnell: Nicht ohne meine Klamotten.
Es ist erstaunlich zu sehen, wie das Schamgefühl selbst in prekärer Lage über den Überlebenswillen triumphiert, ja, dass es sich überhaupt kundtut,
als riefe man sich zu: Zugrundegehen, aber gesittet!
Es sind Entscheidungen, jedoch keine bewussten;
sie drängen nicht aus dem Willen empor, sondern ein archaischer Hirnstamm oder ein gnädiger Schutzengel kümmern sich um einen.
Es wäre vermessen, weiter von einem handelnden ‚Ich’ zu sprechen.
Der Körper dreht sich zur Seite, der Kleiderarm senkt sich bis zum Handgelenk ins Wasser und mit eruptiven Beinstößen, und überkräftigen Armzügen,
einer Molluske nicht unähnlich, oder einem Kraken, erreiche ich das andere Ufer. Aber ich komme nicht hoch.
Die Strömung ist zu stark, das Gestrüpp zu dicht – glitschiger Modder überall – ich treibe dahin und zerschürfe mir Arm und Bein.
Endlich dämmert mir, dass ich das Kleiderbündel,
um dessen Trockenheit ich mich bisher rührend und erfolgreich bemüht hatte, durch einen kleinen Wurf loswerden könnte.
Aber ich finde kein Widerlager, keinen Hebel und erst als mir ein kurzes Festhalten an einem Zweig gelingt, landet das Bündel im Gras.
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Jetzt geht es ganz schnell. Mit beiden Händen ergreife ich einen überhängenden Ast, stemme mich gegen die Strömung und ziehe mich am Busch hoch.
Ich wische die Tropfen von der Haut; irgendwie ist sie klebrig,
ich muss unter Wasser geschwitzt haben oder tue es noch.
Von drüben werde ich angestarrt.
Offenbar hält man mich für einen Nudisten.
Langsam kleide ich mich an. Alles trocken geblieben.
Scheuer Stolz mischt sich in den jetzt erst aufblühenden Schrecken. Trotzdem klebt das Hemd auf der Haut.
Hast nicht ordentlich abgewischt, sage ich mir.
Hättest ein Handtuch mitnehmen sollen.
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