[NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

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  • Corton
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    • 03.12.2002
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    • Meine Reisen

    #21
    AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

    Wow, tolle Bilder! Und auch ein sehr schickes Zelt! Ich nehm an, Ihr wart mit dem Kaitum zufrieden. (?) Ist das die 2er Version?

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    • zahl
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      • 17.09.2006
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      • Meine Reisen

      #22
      AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

      @flaubosch
      selten so einen faszinierenden bericht über eine tour gelesen. du hast mich berührt. gruß, zahl.


      OT: @corton
      nicht nur bilder anschauen. lesen. dann wüsstest du auch, dass die reißverschlüsse an beiden eingängen kaputt gingen.
      "Es liegt da ganz einsam am Strand, ein kleiner, dunkler Fleck, ein Nichts ohne mich, und indem ich mich gegen das Boot setze, denke ich, auch ich wäre nichts ohne Boot." Dr. Hannes Lindemann, Allein über den Ozean, 1957

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      • Issoleie
        Erfahren
        • 29.10.2005
        • 324
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        • Meine Reisen

        #23
        AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

        Danke für die netten Kommentare.
        Corton, dein unermüdliches Interesse am Kaitum habe ich ja im andern Thread vielleicht etwas stillen können, oder weiter schüren
        So, ein bisschen gibt es noch vom Bericht.



        29.7.

        Akzeptieren, wenn die Dinge nicht wie gedacht ablaufen und nicht fest an einer Vorstellung halten, kostet einiges an Überwindung der eigenen Eitelkeit, in der man sich sehr an das Ideal selbst entworfener Vorstellungen verlieren kann. Das wird nur zur Schwierigkeit, sobald etwas unangenehmer als erwartet wird, sobald das Reale dem Idealen hinterherhinkt und nicht es überflügelt. Ein gelassener Umgang mit der Situation und sich ist da gefragt, da helfen keine Beschwerden und kein Selbstmitleid. Der Gründe kann man da noch so viele suchen, das wird ja nichts ändern. Das Tatsächliche, was einem also gegeben, wird nur wieder schöner, wenn man es als neue Vorstellung übernimmt und dem vorigen Wunsche nicht nachtrauert. Da lässt man sich also darauf ein, hat alles doch seine eigene glänzende Seite.

        Nein wirklich, so wenig geheuer ist mir jenes, dass ich es immer wieder erwähnen muss, wenngleich ich solche Zeiten in der Region ja auch kenne. Doch auch heute ist der Himmel wolkenlos, alle sind sie wieder verschwunden, die gestern Abend noch zahlreich über die Landschaft zogen. Darauf hatte ich für die gemeinsamen Tage auch so gehofft und also ist es am besten. Früh werde ich da immer wach, doch tue ich hier und dort noch allerlei, da die beiden noch im Zelte. Ja, der Rhythmus ist schon ein anderer zusammen.

        Also geht es dann los, hinauf zu dem Pfad, dem schmalen, der die Seen teilt, viel begangen ist er und berühmt. Wir kommen schräg darauf zu, schon sieht man zahlreich die anderen Wanderer. Ein gutes Stück sind wir schon gegangen, schneller war auch das Tempo, als ich es erwartet, da lohnt schon der Aufstieg: Unter uns zieht sich in hellem Blau der See, der lange, durch die Berglandschaft, steil fallen die Hänge zu ihm hinab. Da ist die lange Pause schön und dann geht es wieder gemächlicher weiter. Für mich aber nicht ewig, denn also schon weiter wir fort sind, wird erst der Verlust des Messers bemerkt und ich also im Laufschritt zurück, die anderen gehen weiter. Es ist zwar nicht meines, doch habe ich Lust, ein wenig mehr Anstrengung zu haben und finde auch rechten Gefallen daran, so über die Hänge zu rennen, vorbei an all den Menschen. So dauert es kürzer auch, da bin ich wieder zurück und gemeinsam geht es nun weiter, das Messer ist ebenfalls mit dabei.

        Wirklich, es ist verständlich, dass so viele den Pfad hier gehen, die Aussicht ist doch herrlich, sind wir ja auch in der schöneren Richtung unterwegs. Besonders freut es mich auch für meine beiden Gefährten; auch ich genieße zwar sehr solche Momente, habe die aber oft und kenne das Gefühl, für die aber ist es jetzt noch ganz einmalig. Das lassen wir uns auch von den etlichen Leuten nicht verargen, weiter geht es, nun steil hinab erst, und immer neu und reich sind die Perspektiven auf die ungewöhnliche Stelle. Ja, es lohnt der Mühe hier, auch wenn meine Schwester zu kämpfen hat, je länger der Tag wird, zum Schluss geht es doch nur mühsam und schleppend voran.

        Doch irgendwann ist jedes Ziel erreich, da weiß man, was geschafft wurde und in Erinnerung bleibt dann das Wunderbare. Nach einem Bad fühlt man sich auch gleich anders und so kann ruhig und nett der Abend die Runde machen, da wird sich noch angenehm unterhalten. Es ist der letzte Abend zu dritt, morgen schlage ich wieder allein mein Zelt auf. Früher als die Tage zuvor gehen wir zu Bett, ich liege noch lange, schreibe und lasse die Gedanken ziehen.

        > Bessvatnet – Memurubu
        12km; 785m hoch; 1150m runter

        Impressionen des Tages:


        Besseggen,...



        Eine Richtung ist steiler, dafür wohl aber auch schöner




        Allein ist man da sich selten,...



        ...es sei denn, man sucht sich kleine abgelegene Orte



        Alles einmal anders sehen



        30.7.

        Abschied ist so vieles. Da geht etwas von einem, oder man selbst zieht fort. Abschied ist immer auch mit einem ganz melancholischen Gefühl verbunden, das kann bis zur Trauer werden. Etwas ist dann nicht mehr und vielleicht wird man es vermissen, jedenfalls ist der Moment des Abschieds ein Verlust. Man nennte es nicht ebenso, Abschied, wäre es nicht der Verlust von etwas Schönem, Lieben. Zwar ist das schon vorher bekannt und man ist vorbereitet, innerlich, auf diesen Moment oder auch die Phase, doch wird es dadurch nicht immer leichter, das geht manchmal nicht. Ruhiger wird es dadurch, gefasster ist man, aber Verlust bleibt es ja. Abschied gibt jedoch gleichfalls auch die Möglichkeit, Neuem zu begegnen, wieder für anderes bereit zu sein. Da gibt es wohl eine Zeit des Übergangs, des Sich-Sammelns, um das Vergangene loslassen zu können. Dann aber kann es frisch weitergehen, sicher auch neuen Abschieden entgegen.

        Wir versuchen, den Tag früh zu beginnen, denn ich will heute noch weiter. Der Himmel ist klar und mit entspanntem Schritt folgen wir dem Seeufer, kommen langsam wieder dem Auto näher, das die beiden weiter bringen wird und in dem mein Essennachschub. Vor uns quellen bald die Wolken auf, ziehen sich dunkel zusammen. Blitze durchziehen immer wieder den Himmel und Donner schmettert zwischen den Berghängen, während auf uns weiter die Sonne scheint. Mir aber wird es ganz anders, recht unwohl innerlich. So sehr wurde ich durch den Besuch aus dem bisherigen Verlauf der Reise genommen, da fällt es mir schwer, mir den Neueinstieg vorzustellen. Die vielen Tage liegen noch vor mir, schwer wird der Rucksack wieder sein und das Wetter will meinen Mut auf die Probe stellen. Es schwirrt erneut der Gedanke der Rückkehr durch meinen Kopf, stark zwar, doch bin ich gefestigt, er ist mir bekannt. Ich kann damit umgehen und weiß in mir ganz sicher, was zu tun ist.

        Nun, zurück geht es jedenfalls, doch anders heute einmal wieder, auf gleichem Weg und erneut auch im Laufschritt. Schon wieder wurde etwas zurückgelassen, das hat viel Wert, besonders auch ideellen, und wird bestimmt nicht aufgegeben. Die erste Suche bleibt erfolglos, also komme auch ich noch einmal mit und wirklich werden wir fündig, da ist die Freude groß. Allein, viel Zeit ist schon verstrichen, ich wollte schon deutlich weiter sein. Das hilft nicht, es wird nicht mehr anders gehen.

        Wir belohnen uns für alles Zurückliegende der letzten zwei Tage mit einem Eis, das schmeckt so und gibt dieses Gefühl, sich etwas Gutes zu tun. Schnell geht es noch bis zum Auto, wo der Rucksack wieder voll wird, groß und schwer. Doch kann ich noch ein gutes Stück auf der Straße mitfahren, eingezwängt, doch sehr froh, machen die beiden doch noch einen Umweg und nehmen mir so viel Mühe ab. Ja, dort stehen wir also, es biegt mein Weg ab zu den Bergen, jeden führt es nun zu andern Dingen, die warten. Also fallen die letzten Worte, das ist schon recht seltsam. Dann gehe ich, wieder allein, winke noch einmal aus der Weite.

        Mich drängt es vorwärts und schon wird mir auch das Gemüt wieder leichter. Die schweren Wolken zeigen sich freundlicher, der Weg ist besser zu finden, als ich vermutet. Ich spüre die Kraft in den Beinen, da ist auch der Rucksack nicht so drückend, wie erwartet, auch wenn erneut das halbe Körpergewicht auf mit lastet. Jedoch komme ich gut voran, gehe wieder in meinem Rhythmus, meiner Weise, und das ist wahrhaft befreiend und leichter. Ja, mir wird es wirklich ganz lebendig in der Brust, da wird alle Sorge fortgespült, auch wenn es wieder der Umstellung auf die neue, doch bekannte Situation bedarf; ich weiß nicht, wie lange ich dafür brauchen werde.

        Es ist schon die Abendzeit herein gezogen und ich hoffe, bald den Lagerplatz zu erreichen, auch wenn ich unsicher bin, wo der sein soll. Doch findet sich einer, der ist mir lieb und weiter muss es heute nicht gehen. Ich will ankommen, mich sicher fühlen und baue also das Zelt auf. Gerade ist das Essen gekocht, als leichter Regen niederfällt, also setze ich mich hinein. Zwar hört es bald schon auf zu tröpfeln, doch ist es mir innen auch gemütlich. Da gibt es auch so viel noch zu beschauen und sortieren, was Neues ich da nun wieder habe und der Tag wird alt, neigt sich dem Ende. Ich brauche es wieder ein bisschen ruhiger, da muss sich einiges in der Seele setzen. Dafür habe ich ja jetzt wieder Zeit, Zeit für mich, mit mir – viel Zeit.

        > Memurubu – Gjendesheim
        10km; 290m hoch; 290m runter

        > Gjendesheim – Svarthamabue (Leirungsdalen)
        6km; 225m hoch; 100m runter

        Impressionen des Tages::


        Das Nordufer des Gjende ist reich an blühender Vegetation

        31.7.

        Wie gut es doch ist, sich so einiges anzueignen. Das kann ganz verschiedenes sein, so lange es nur verinnerlich wird. Das mag auch nur ein Gefühl sein oder ein Moment. Dieses ist dann Teil der Seele, schlummert tief in einem und wird nicht vergessen. Wenn dann die Zeit gekommen, – man muss es gar nicht bemerken – erwacht es wieder und man kann wohl auch staunen, wie bekannt einem das ist und wie leicht es fällt. Schnell fühlt man sich dann, als wäre es nie fort gewesen, als hätte man es die ganze Zeit über gehabt. Sei es auch etwas Belastendes, dann weiß man immerhin bestens, wie damit umgehen. So wird man innerlich reicher und kann ruhiger erwarten, was da kommt. Jedoch, es kann wohl auch die Intensität mindern, da sind die Erlebnisse weniger frisch und packend, es ist ja alles schon gewesen, vertraut nun. Bei mir ist das so weit aber nicht und jedenfalls findet man schneller wieder auf Pfade, die schon einmal betreten, weiß man doch, wie sie aussehen.

        Wolkenverhangen ist der Himmel am Morgen, doch stehen sie hoch und sind dünn. Lange überlege ich nicht, sondern packe an, was zuvor geplant. Das Zelt bleibt stehen und ich breche leicht bepackt in der Frühe zu einer Bergtour auf. Es gibt keinen Weg, dem ich folgen könnte, den muss ich mir selber suchen und mache das auch in bester Weise. Es ist wunderbar, frei die Schritte zu wählen, geht es doch durch angenehmes Gelände Die Beine tragen gut und schon steigt vor mir der Gipfel in die Höhe. Den will ich hinauf, das hatte ich mir vorgenommen. Schnell bin ich auch oben, gerade Mittag ist es. Der Aufstieg war leicht und hat sich gelohnt, denn schön sieht man von hier oben besonders den vor zwei Tagen gelaufenen Weg, im Hintergrund weit die schneebedeckten Berge, neben mir auch sich mehrfach teilende Flüsse, die in einem See münden, grün ist das Delta.

        Dort oben sitze ich nun und genieße die Ruhe, die habe ich schon wieder in mir gefunden und so froh bin ich darum. Mochte ich auch kurz am Vortag in ein kleines Loch gefallen sein, gestolpert eher nur, schnell habe ich mich wieder aufgerichtet und stehe wieder, wie ich vor der Unterbrechung getan. Darum ist es mir auch sehr lieb, dass ich für einige Tage etwas anderes hatte, nur fürchtete ich ja, das Bisherige zu verlieren. Nun ist es aber noch immer da, hatte nur Pause.

        Da der Tag noch so jung und das Wetter aufgeklart ist, beschließe ich, noch weiter zu gehen. Über die Kämme gelangt man zur nächsten Spitze, die höher noch ist. Doch auch die soll nur Zwischenstation sein, es wartet der nächste Gipfel. Zu dem ist steil der Aufstieg, da muss man schon auf den Füßen zu stehen und die Arme zu nutzen wissen. Gut komme ich aber oben an und habe fantastische Aussicht, imposant stürzen die Felswände in die Tiefe. Hier bleibe ich lange und hatte ich zuvor noch erwartet, niemandem zu begegnen, steht auf einmal hinter mir ein Wanderer, mit dem ich mich kurz noch unterhalte, bevor er weiter zieht und ich wieder allein bin. Ich bleibe noch; ja, heute genieße ich wirklich die Stille, noch mehr als sonst vielleicht, wenn ich laufe.

        Doch soll es mir für jetzt genug sein, ich brauche nicht noch einen weiteren Gipfel, strebe nach keinen Leistungen und habe doch schon alles gefunden, was ich hier suchte. Entspannt geht es zurück, weiter in selbst bestimmter Richtung. Da machen die Schneefelder sich gut, gibt es nicht nur eine große Rentierherde zu sehen, sondern ist der Abstieg auch leichter. Am Nachmittag erreiche ich das Zelt, als schon dicke Wolken über den Bergen stehen. Eine ganze Weile sitze ich noch draußen, während der Wind stärker wird und Donner zu mir herüber kracht. Regen setzt ein, jedoch kein starker, und über mir bleibt es auch ruhig.

        Den Abend über bleibe ich im Zelt, unstabil ist jetzt das Wetter und angenehm verbringe ich die Zeit. Sehr zufrieden bin ich da, wie sich alles bisher entwickelt. Zwar weiß ich nicht, ob ich noch so viel der Ruhe bedarf, wie ich sie noch vor mir liegen habe, doch schaue ich dem Kommenden zuversichtlich entgegen.

        > Bukkehamaren 1910m
        Kvassryggen 2071m
        Hogdebrotet 2226m
        13km; 1230m hoch

        Impressionen des Tages:


        Der Grat, der (v.r.n.l.) Bukkehamaren, Kvassryggen und Hogdebrotet verbindet


        Auf dem Hogdebrotet; im Hintergrund Besshoe und Besseggen



        Ausläufer des Hogdebrotet



        Bequemer kann ein Abstieg nicht sein



        Stengelloses Baumkraut, immer ein Farbtupfer in felsigen Gegenden



        Beruhigend, bei herannahendem Donner eine verfallene Hütte neben sich stehen zu haben
        Zuletzt geändert von Issoleie; 26.11.2010, 10:48. Grund: neuer Bilderupload

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          #24
          AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

          Abschied ist so vieles. Da geht etwas von einem, oder man selbst zieht fort. Abschied ist immer auch mit einem ganz melancholischen Gefühl verbunden, das kann bis zur Trauer werden. Etwas ist dann nicht mehr und vielleicht wird man es vermissen, jedenfalls ist der Moment des Abschieds ein Verlust. Man nennte es nicht ebenso, Abschied, wäre es nicht der Verlust von etwas Schönem, Lieben. Zwar ist das schon vorher bekannt und man ist vorbereitet, innerlich, auf diesen Moment oder auch die Phase, doch wird es dadurch nicht immer leichter, das geht manchmal nicht. Ruhiger wird es dadurch, gefasster ist man, aber Verlust bleibt es ja. Abschied gibt jedoch gleichfalls auch die Möglichkeit, Neuem zu begegnen, wieder für anderes bereit zu sein. Da gibt es wohl eine Zeit des Übergangs, des Sich-Sammelns, um das Vergangene loslassen zu können. Dann aber kann es frisch weitergehen, sicher auch neuen Abschieden entgegen.
          Du solltest Schriftsteller werden, Dein Bericht ist wunderbar!

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          • Issoleie
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            • 29.10.2005
            • 324
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            • Meine Reisen

            #25
            AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

            1.8.

            Ein Monat ist um. Einen Monat bin ich nun schon auf Reise und die hat mich weit geführt. Ich habe langsam den Bezug zu dem anderen Leben verloren, dem in der Stadt, unter Menschen und mit lauter Dingen um einen herum. Ich weiß nicht mehr, wie das dort ist, die ganzen Gewohnheiten, auch die vielen schlechte. Ich bin jetzt ganz fern davon und bin darum sehr froh im Herzen. Plötzlich kommt mir die verbleibende Zeit hier nur noch so kurz vor – das hat sich schnell gewandelt –, dann bin ich schon wieder fort. Fort sage ich und bin es ja recht eigentlich gerade. Jetzt habe ich das andere, Besondere. Den Bruch, den ich erhoffte, habe ich, will ihn doch so gerne auch mit hinüber nehmen und das normale Leben, etwas konservieren. Ein Monat Auszeit, da fällt so einiges ab. Das muss ich mir wohl hier als solches bewahren, immer wieder diese Ruhepause haben zu können, die Unterbrechung vom Gewohnten, das wird auch andere Male noch wichtig sein, wird es immer bleiben. Ich weiß wohl, ich brauche die Stadt und das Leben dort, das hat manches zu bieten, das gibt es hier wahrlich nicht. Hier aber soll es mir immer besonders sein, da will ich mich gar nicht richtig dran gewöhnen. Mir ist es vertraut, das ist gut so, ich finde schnell hier her. Ein Monat auf Reise, fast merke ich jetzt erst, wie wichtig das schon war.

            Die Nacht habe ich unruhig verbracht, Träume zogen ihre Bahnen, immer wieder lag ich im Halbschlaf. Weiter geht es also heute, zurück zu den Hütten und Menschen. Mehr noch als zuvor spüre ich den Rucksack, denn ich ziehe nicht in großer Aufbruchstimmung los, habe auch einen weiteren Weg vor mir als zuvor, da ich das Tal betreten. Das zeigt bald seine volle Schönheit, ist mir wohl das liebste der ganzen Region. Hier sind nicht viele Wanderer, man ist doch ganz für sich und um einen wirkt es sehr ursprünglich. Die Hänge sind grün und oft ziehen sich sanft die Wiesen am Flussufer entlang. Das Wasser rauscht, fließt dann wieder gemächlich und breit neben den Pfaden. Im Hintergrund ragen die hohen Berge auf, gewaltig, doch freundlich sehen sie aus, fallen die Felswände auch zu beiden Seiten ab. Ja, es bereitet wahre Freude, hier entlang zu gehen.

            Am Ende führt der Weg noch einmal hinauf, da wird die Gegend schroffer. Doch bin ich nur hoch, um gleich wieder steil zu viel begangenen Pfaden zu kommen. Der Pfad hinunter ist gefährlicher und der Rucksack drückt. Da habe ich es dann geschafft, ein anderes Tal zeigt sein Gesicht und ich komme wieder gut voran. Hier treffe ich auch andere Wanderer, doch scheint mir die Stimmung oft kühl und abweisend zu sein. Die viel begangenen Strecken, oder die Zeiten, wo mehr Menschen man trifft, das sind doch immer die, wo selten nur ein freundliches Wort gewechselt wird, da meidet man einander.

            Ich muss noch einmal hinab, steiler fast noch als zuvor heute schon. Das wird die letzte Anstrengung sein, doch ist sie auch wirklich sehr fordernd, besonders mit dem enormen Gewicht auf dem Rücken. Vorsichtig ist jeder Schritt, aber ich kann den Sturz nicht verhindern, falle jedoch zum Glück nur im Sand und komme, mühsam zwar, wieder auf die Beine. Dann sind bald die bekannten Hütten erreicht. Ich hatte einen anderen Zeltplatz geplant, jedoch ist es mir an vertrauter Stelle dann doch am schönsten.

            Genau wie eine Woche zuvor steht das Zelt, das hat hier schon etwas Persönliches. Wie angenehm es auch ist, im See zu schwimmen, dem lang gestreckten, und sich nicht nur im Fluss zu waschen. Noch eine Weile sitze ich draußen, dann ziehen dick die Wolken heran. Wieder grollt der Donner, dann setzt Regen ein, der lange währt. Die Tropfen prasseln auf das Zelt – so angenehm ist das Geräusch – und ich schlummere für einige Minuten ein. Der Abend gehört dann aber wieder den bekannten schönen Dingen, nachdem ich mit schweren Gliedern erwacht. Da wird noch gegessen, geschrieben und länger auch noch gedacht an so allerlei, während es weiter immer wieder angenehm auf das Zelt klackert.

            > Svarthamarbue (Leirungsdalen) – Gjendebu
            16km; 565m hoch; 785m runter

            Impressionen des Tages:

            <a href="http://picasaweb.google.com/Marks.Florian/SoloJotunheimenRondaneDovrefjell2008/photo#5239342022578477074"><img src="http://lh6.ggpht.com/Marks.Florian/SLXhz3CRGBI/AAAAAAAAC4Q/l46i--PudiI/s800/_DSC1789.JPG" /></a>
            Leirungsdalen, Munken Mugna im Hintergrund



            Svartdalsbandet mit Blick in das Svartdalen nach Norden



            Gjende: Die Abende werden dunkler; tief hängen die Tage die Wolken



            2.8.

            Noch bin ich nicht am Ende der Reise; nein, dass bin ich wirklich nicht. Geradezu muss ich aber aufpassen, mich manchmal daran erinnern, dass ich hier nicht bloß der Wanderung wegen bin, auf keiner reinen Tour. Es ist kein schlechtes Zeichen, dass ich diesem Gefühl auch sehr nahe bin. Ich kann loslassen und mich auf den Weg besinnen, das einfache Leben in seiner reinsten Weise hier spüren, dieses besondere Wanderleben. Doch will ich dieses Mal ja mehr, stärker die Auseinandersetzung, die ruhige, mit mir suchen. Das habe ich auch schon wahrlich viel getan, doch ist es noch unabgeschlossen. Da ist noch ein Letztes zu beschließen, kann noch weiter gehen, als bisher schon. Mitunter ist das auch anstrengend, ist kein selbstverständlicher Prozess hier. Es würde vielmehr leichter fallen, alles beiseite zu schieben, natürlich nicht alle Gedanken, doch diese Suche in mir. Ich kann nicht erwarten, in Eile jede Antwort auf die gestellten Fragen zu finden und es mag wohl richtig sein und gut, wie weit ich bisher gekommen. Vollendet soll die Reise auf natürliche Weise werden, so natürlich, wie auch die Suche ist. Nichts ist da, was beschleunigt werden könnte, nicht erzwungen. Schon stand ich ja davor, alles aufzugeben, weil ich mich nicht stark genug fühlte, das Schwere, Ungewisse fürchtete. Jetzt bin ich noch immer hier mit mir und all den Gedanken, beides soll auch bis zum Schluss ganz da sein.

            Regentropfen fallen leise auf das Zelt, ich hatte es so erwartet. Nicht unlieb ist mir die Pause, die mir das gibt. Kommt sie nun etwas früher oder später, jetzt auch nehme ich sie gern. Zwar habe ich gar nichts zu tun, doch soll mir auch das nicht schlecht bekommen. Diese verflossenen Tage braucht man doch manchmal ebenso wie die schaffensreichen, die Zeit zeitigt ja ohnehin alles. Der Platz hier isst mir angenehm, da bleibe ich gerne auch länger und etwas findet sich ja immer.

            In aller Ruhe lasse ich den Morgen dahin ziehen, es ist nicht der Tag für große Aktivitäten und Pläne. Zu den Hütten geht es einmal dann, dort sitze ich für eine Weile. Ja, recht doll treibt es lange in mir herum, so vieles bewegt da ein Buch in meinem Gemüte. Wirklich, das wird mir so lange, lange noch in Gedanken bleiben, vielleicht mein ganzes Leben. Kaum ein Wort verstehe ich da, bin ja des Norwegischen nicht mächtig, doch spricht es auf ganz andere Weise auch zu mir. Schon bin ich wieder im Zelt, da denke ich daran, das die Tage noch einmal anzuschauen, auch wenn ich das Bewegendste – für mich – nicht weiter ergründen muss denn nur in mir.

            Immer wieder kommt es nass vom Himmel und ich bin doch ein wenig betrübt, die letzten Tage so selten noch lange draußen gesessen haben zu können, um den Blick gehen zu lassen und die Gedanken ziehen, oder einfach nur der Natur zuzuhören. Wirklich, ich darf nicht klagen, das Wetter war mir bisher wohl gesinnt, doch hatte ich mich daran schon gewöhnt und es war mir lieb so das so schön zu haben.

            Ausgeruht bin ich aber wahrlich. Das Zelt ist groß und bequem, besonders allein, der Schlafsack ist warum und reichlich das Essen. Ja, ich würde gerne Gipfel besteigen, hoffe sehr, das auch in den nächsten Tagen machen zu können, da sollen noch einige kommen. Hier ist nicht die Gegend, weite Strecken zu wandern, da machten mir Wolken und Regen weniger aus, doch bange ich ein wenig um die Aussichten, die ich mir hier erhoffe auf den hohen Punkten. Ich fühle mich gut, das zählt am meisten, der Rest wird sich schon noch zeigen, hat er es bisher doch auch immer.

            Impressionen des Tages:


            Ruhetag ist Essenstag: Mmmmmmhh.



            Ein weiterer Abend am Gjende in ruhig trübem Wetter



            3.8.

            Wie wichtig es doch ist, sich etwas vorzunehmen. Hat man Aufgaben noch vor sich, auf die man sich auch freuen kann, wird der Geist rege, es wartet alles in einem, gespannt, bald etwas anzupacken. Hat man die nicht, fehlt einem der Plan, wohin man noch will, in solche Trägheit kann man da leicht fallen. Nicht zum Fürchten sollte das vor einem Liegende sein, sonst wird man noch vor allem Mut verlassen und getraut sich gar nicht, voranzuschreiten, zu beginnen. Kennt man aber die einzelnen kleinen Punkte, da lässt sich wohl leichter hinter jeden ein Häkchen zu machen und bald sieht man, was schon alles hinter einem liegt.

            Wirklich, für hohe Berge ist heute nicht das Wetter, hängen doch tief die Wolken auf den Gipfeln. Zwar ist es trocken, doch alles andere als stabil. So recht will mich die Lust nicht packen, im Zelt ist es jedoch nun langsam ebenso wenig angenehm, ich muss wieder etwas tun. Eine Möglichkeit habe ich mir ja offen gelassen. Die ist zwar weniger spektakulär, reizvoll aber sicher auch und das Richtige für diesen Tag: Der Hausberg soll bestiegen werden, ; nicht hoch, aber trotzdem mit schöner Aussicht und heute als einer der wenigen Gipfel noch unterhalb der Wolkendecke.

            Ich lasse mir Zeit, denn für den aufstieg werde ich kaum lange brauchen, eher einen Ausflug mag ich es nennen. Früher Mittag ist es, als ich dann aufbreche. Wie erwartet bin ich auch schnell am Ziel, blicke über den lang gestreckten See, in der anderen Richtung über die weiten Flächen, darauf viele Wasser verteilt sind, in den Tälern strömen die Flüsse. Leichter Nieselregen setzt ein und der Wind frischt auf, doch bleibe ich noch eine Weile oben sitzen. So freundlich ist das Wetter aber nicht, dass ich sehr lange noch unterwegs sein möchte. Ich gehe einen alternativen Abstieg hinunter, wähle mir selbst den Weg, wie es mir am schönsten erscheint. Den verkürze ich aber, kenne ja auch schon den restlichen Teil, der dann wieder auf markierten Pfaden führt.

            Am frühen Nachmittag erreiche ich die Hütten, wo ich mich auch eine Weile setze. Wieder dann am Zelt, will ich so recht da nicht hinein und weil es gerade länger trocken ist, setze ich mich ans Wasser, endlich einmal. So einiges geht mir durch den Kopf, eine Idee aber drängt sich immer stärker in den Vordergrund. Noch einmal soll der restliche Weg umgeplant werden, da habe ich etwas vor, das mich vor Herausforderungen stellt, noch mehr verlangt und auch geben kann; so habe ich es gern. Also geht es später noch einmal zu den Hütten, dort liegt ja dieses Buch noch, das ist mir jetzt von Nutzen, gebrauche ich doch jetzt es auch nach seiner Bedeutung und habe ich dabei gerade keine anderen Gedanken. Ja, das sieht nach etwas Gutem aus, was da am Ende herauskommt, ich freue mich darauf. Mag nur auch das Wetter freundlich werden, es sollen doch Gipfel bestiegen werden.

            In Ruhe vergeht noch der weitere Abend, während es lange auf das Zelt heruntertropft; man weiß nie, wann es wieder beginnt. Noch bin ich mir unsicher, was der morgige Tag bringen wird, vielleicht geht es weiter.

            > Gjendetunga 1516m
            9km; 545m hoch



            Gjendetunga



            Gipfel Gjendetunga mit Blick nach Osten



            Ausgetretene, viel begangene Wege um Gjendebu



            Eine Anmerkung außerhalb des Berichtes will ich noch machen. Dieses Buch, was mir so auf viele Weise bedeutungsvoll wurde, ist von Julia aus dem Forum und ihrem Mann Morten geschrieben. Einige kennen es vielleicht schon, ich nicht, Julia macht ja auch keine eigene Werbung. Deshalb mache ich das hiermit, denn dieses Buch ist es wert, beworben zu werden. Ich kann es tatsächlich jedem ans Herz legen, der besonders Jotunheimen liebt und seine Berge. "Norges Fjelltopper over 2000 Meter", sie alle werden mit Aufstiegsmöglichkeiten beschrieben, wunderschöne Bilder und Wissenswertes darum gibt es natürlich außerdem. Ich kann sagen, dass es der beste Führer für Reisen in die Natur ist, den ich bisher gesehen habe, was noch nicht sehr vieles bedeuten mag, aber ganz und gar ehrlich gemeint ist und sich wohl auch so schnell nicht ändert. Wer Freude daran hat, auf Gipfel zu steigen, das vorwiegend ohne Kletterausrüstung, dem wird dieses Buch mehr als nützlich sein und ein wahrer Schatz werden, da wurde sehr viel geschaffen. Das also am Rande als persönliche Empfehlung und mit bestem Gruß, ich wollte es sagen. Es hätte auch einen eigenen Thread verdient, aber ich habe so im Gefühl, dass es den in naher Zukunft durchaus noch geben kann, ich hab es ja einigen schon während der Reise in die Hände gegeben, Deutsche kennen es wohl kaum.
            Zuletzt geändert von Issoleie; 26.11.2010, 10:52. Grund: neuer Bilderupload

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            • Issoleie
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              #26
              AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

              4.8.

              Im Wandel bleibt ja alles stets und doch auch das Gleiche. Es fließt vom Einen ins andere; dort gibt es eine Verzweigung, hier eine Biegung. So reich und von Vielfalt ist das uns Umgebende, was gibt das nicht für Möglichkeiten, gibt aber auch Hindernisse und Veränderungen, auf die zu reagieren ist. Wer will da von einem klaren Weg sprechen, den kann es ja gar nicht geben. Wohl kann man sich an Prinzipien orientieren, die eigene Weise haben, wie im Flusse man schwimmt – das soll auch gut sein –, doch kann man nicht erwarten, einem gemessenen Kurse immer zu folgen. Freude kann man daran finden, oder es wird zur Last, ändern kann man es aber sicher nicht, damit muss man sich arrangieren.

              Es geht wieder los, weiter ziehe ich, baue das Lager ab. Den Gipfel, den ich mir vorgenommen hatte, werde ich nicht mehr besteigen, das Wetter verwehrt es. Ich komme erst später von den Hütten fort, bei denen noch eine Pause eingelegt wird, bevor dann die Wanderung richtig beginnt. Das tut mir auch gut, wenngleich auch häufig Regen leicht niederfällt, die Wolken auch schwer auf den Bergen liegen. Der Weg führt ja heute durch das Tal, mich soll das also nicht sehr stören.

              Wollte ich eigentlich gemütlicher vor mich hin gehen, langsamen Schritts, komme ich doch bald wieder in Schwung und bin gewohnt flott unterwegs. Auch wenn mir das so recht nicht gefallen will, ist dies also mein Rhythmus, den kann man schwer nur verändern und sollte es vielleicht auch besser nicht versuchen. Wenigstens kommt man so ins Gespräch, werden doch viele überholt. Mit den ersten laufe ich auch ein Stück gemeinsam, es sind ja Landsleute und von denen habe ich bisher noch keine getroffen. Noch einmal sehe ich heute gar welche und wieder fallen angenehme Worte.

              In mir ist aber nicht viel Ruhe, kaum gibt es Pausen. Ich muss zu den Hütten, Näheres über die nächsten Tage erfahren, vielleicht einmal mehr die ganze Tour auf den Kopf stellen, die bisherige Planung vollständig verwerfen. Das Wetter macht mir weiter zu schaffen und tatsächlich erfahre ich, angekommen, nichts Gutes. Soweit man vorhersagen kann, wird es nämlich damit nicht besser, da ist die Enttäuschung groß, ganz unwohl ist mir. Noch ein wenig gehe ich dann schließlich weiter, kenne ja in der Umgebung noch den besten Zeltplatz, denn hier werde ich ja ohnehin erst einmal bleiben, wie auch immer alles noch wird. Nicht viel später sitze ich wieder in den Hütten, habe so eine Möglichkeit im Kopf. Denn die beiden Deutschen, die zuletzt ich getroffen, wollen ja mit dem Auto noch zu einem andern Ort, wo es sich gut wandern lässt und auch besser im Regen, da könnte ich vielleicht mit. Hier will ich kaum bleiben, die Täler kenne ich doch und Gipfel sind mir bei diesem Wetter wenig reizvoll. Doch es scheint, ich habe kein Glück, der beiden Weg führt leider vorerst nicht in die von mir erhoffte Richtung. Da bleibe ich nun also hier, es wird sich zeigen, was das mir noch bringt.

              Die Tage werde ich schon noch irgendwie nutzen, wohl ist der ein oder andere Berg auch noch möglich. Ganz glücklich bin ich gerade aber nicht damit, so schnell gehen sie dahin, die schönen Pläne, auf die ich mich so gefreut hatte. Jedenfalls bleibe ich für länger jetzt wohl an diesem Ort hier, wie auch immer das alles noch wird. Die Feder habe ich ja noch, um sie in die Hand zu nehmen, Seiten gibt es noch genügend. Ich bin nicht verzagt, so viel hat mir bisher die Reise schon gegeben, so viel gelehrt und innerlich bin ich ganz fest.

              > Gjendebu – Leirvassbu
              20km; 680m hoch; 280m runter

              Impressionen des Tages:


              Gjende; Nieselregen hüllt die Landschaft ein



              Hellerfossen



              5.8.

              Ein herrliches Gefühl, wenn Dinge vorangehen, etwas geschieht. So voll wird es dann einem, so reich von all den Eindrücken. Da mag man etwas schaffen, auf etwas stoßen oder sich einfach nur ganz lebendig fühlen. Alles kommt dann zusammen, eines auf´s andre, es wird immer mehr und mehr. Ein regelrechtes Hochgefühl bekommt man, das will nicht mehr enden und steigert sich noch mit allem, was dazu gewonnen wird, es ist wie ein Rausch. So freundlich begegnet einem dann auch die Welt, durch die man kraftvoll und lachend lustwandelt. Mutig, von Zufall zu sprechen, sein Glück kann man selbst ja beeinflussen, so viel dazu beitragen, dass es zu einem findet. Glück oder Zufall, mit solch einem Gemüte ist es doch eins.

              Blaue Flecken sind in der Wolkendecke zu sehen. Das Wetter ist nicht gut, reicht aber allemal, um etwas anzupacken. Die Sachen für die Gipfelbesteigung sind schnell gepackt, dann geht es auch schon los. Kalt sind die Tage, der Wind bläst scharf ins Gesicht, doch macht das Wandern rechte Freude. Den Berg, der am See vor dem Zelt spitz aufragt, den habe ich schnell bestiegen, gerade ist es erst Mittag. Ganz allein bin ich dort oben, obwohl es doch ein gerne bestiegener Gipfel ist. Ich kann entspannen, Zeit für mich haben, alles aufnehmen, was an einem höchsten Punkt zu einem kommt. Der Wind hat abgeflaut und richtig gemütlich ist es mir auf der kleinen Fläche, ich überlege, noch länger hier zu bleiben, um erst später zum Zelt zurückzukehren.

              Doch treibt es mich vorwärts. Zwar ist der fernere Gipfel wolkenumnebelt, doch macht mir das gerade nichts. Dahin will ich, zwei weitere hohe Höhen besteigen. Auf geht es also mit gutem Schritt. Kurz habe ich noch ein Treffen, ein mir so ganz liebes, – wirklich was einem da manchmal geschieht – das führe ich aber am Nachmittag fort. Dann geht es auch wieder weiter. Steil ragen die Spitzen vor mir auf und habe ich die eine nun geschafft, treffe ich unerwartet noch einen anderen Wanderer, den habe ich schon am Morgen gesehen. Bis zum letzten Gipfel geht es dann gemeinsam voran. Und schon wieder solch beeindruckende Aussicht dort, davon ist wohl schwerlich genug zu bekommen. Ja, wie gut fühle ich mich, das heute alles gemacht zu haben, musste ich doch gestern noch bangen, irgend etwas mir zu suchen, womit ich gerne die Zeit dahin ziehen lasse. So etwas nun, da lacht mein ganzes Gemüt.

              Zu angenehmer Stunde bin ich wieder beim Zelt und frisch dann auch bei den Hütten. Die erhoffte und verabredete Begegnung finde ich dort wieder. Wie es so geht, treffe ich die Mutter, gleichfalls auch Schwiegermutter, der Autoren des schon genannten Buches. Mit nettem Gespräch ist das verbunden und ich weiß gar nicht, was mit immer geschieht, wie alles so kommt. Da sitze ich eine Weile nun im Warmen, am Abend erst gehe ich zurück zum Zelt, voll die Brust mit den schönen Dingen dieses Tages.

              Da aber verweile ich erneut nicht lange, sitze nur kurz noch auf den Steinen, genieße die Mahlzeit, dann breche ich noch einmal auf. Wieder sind es die Hütten, zu denen ich gehe, da gibt es am späten Abend noch Bilder von den umliegenden Bergen zu sehen. Alle werde ich von denen ja nicht besteigen, den blauen Bilderbuchhimmel habe ich auch nicht und ohnehin sind gute Fotografien noch immer einen Blick wert. Also sitze ich wieder im Warmen, umgeben von allerlei Menschen. Überall sind da Stimmen, viel ist los und ich fühle mich doch recht fehl. Da ist jeder wohl gekleidet und gut frisiert, auf den Tischen stehen leere Weinflaschen und Tassen, darin wohl warme Getränke waren, eine Schale mit Erdnüssen, manche haben ein Eis in der Hand. Die Präsentation beginnt und je länger sie dauert, desto unlustiger wird mir. Das geht hier nicht darum, Schönes zu zeigen, ist eher touristisch, wenn überhaupt, angelegt. Zwar wird in Norwegisch erzählt, doch scheinen auch die meisten andern wenig Gefallen an dem Ganzen zu finden und ich bin froh, dann bald wieder fort zu sein, noch eine Weile im Schlafsack zu liegen. So geht ein schöner Tag gedämpft zu ende, wird aber keinesfalls verdorben. Hier gibt es immer etwas, das mag als nächstes gerne kommen.

              > Kyrkja 2032m
              Langvasshoe 2030m
              Visbretinden 2234m
              15km; 1440m hoch

              Impressionen des Tages:


              Von Kyrkja aus Blick in das Visdalen



              Kyrkja und Tverrbottindane/Tverbytthornet



              Wandergefährte auf dem Visbretinden



              6.8.

              Bewegung tut gut, da gibt es nichts. Mag sie sportlich motiviert sein oder zur Erholung, Bewegung um irgendwo hin zu gelangen oder einfach nur draußen zu sein. Ist sie auf einen bestimmten Teil des Körpers begrenzt, ist es schnelle oder langsame Bewegung, dauert sie oder währt sie nur kurz. Das ist alles ganz gleich – Bewegung tut gut. Auf viele Weise wird man das spüren. Der Körper wird aktiviert und mag er auch erst Ermüdung zeigen, bald sind die Glieder ganz frisch und voller Kraft fühlt man sich. Doch auch der Geist wird dabei so wach, lebendig ist es in einem und auch so ausgeglichen ruhig und frei, da beschwert einem nichts mehr das Herz. Noch viel häufiger sollte man das nutzen, was man alles dadurch erhält. Jeder noch seinem Maße, das ist ja verständlich, doch Nichts ist wohl schwerlich nur irgendein Maß. Auf also, in Gedanken sollte man das immer behalten.

              Ganz gemächlich wollte ich den Morgen verstreichen lassen, als ich dann aber Sonnenstrahlen auf das Zelt fallen spüren, der Himmel sich locker zeigt, breche ich doch schon am Vormittag auf. Ein weiterer Gipfel wartet, der sollte nicht schwer zu besteigen sein. Nicht lange und es fällt Nieselregen auf mich herab, hart geht der Wind. Vom höchsten Punkt, der noch lange vor mir liegt, sehe ich nichts mehr, der ist von dichten Wolken verhüllt. Doch ist für später ja das Wetter besser angekündigt und ohnehin will ich da hoch, das sehe ich heute eher sportlich. Ich habe schlicht keine Freude daran, diesen Tag im Zelt zu verbringen, will etwas tun.

              Der Aufstieg ist beschwerlich. Ich suche mir selbst den Weg, doch nirgends findet man hier einen sicheren Tritt, denn nass und rutschig ist das Geröll. Einmal dann am Ende noch steil und mit etwas Klettern, dann steh ich oben. Da ist nichts zu sehen, die Wolken sind dicht. Ich habe einzig das gute Gefühl der Gipfelbesteigung, mehr ist da nicht. Doch meint das Wetter es gut mit mir und ich bin auch geduldig. Bald nach dem Regen reißt der Himmel etwas auf und man kann die Umgebung sehen, wenn auch nicht weit. Das soll mir reichen, ich bin zufrieden und mache mich auf den Weg hinab.

              Schon bin ich wieder fast im Tal, als gänzlich auch die Sonne hervorkommt und da ist es mir so lieb, dazusitzen und zu rasten, lange in der Gegend umherzuschauen, ist das Tal hier doch eines meiner liebsten. Recht froh im Herzen und mit aller Ruhe gehe ich langsam zurück zum Zelt, setze mich heute auch nicht mehr für eine Weile in die Hütten. Kaum bin ich da, beginnt der Regen, schon habe ich ihn ja kommen sehen. Im munteren Wechsel geht der Tag auf diese Weise dahin, mal sitze ich draußen, mal muss ich dann wieder hinein, es wird hier nie langweilig. Auf den Steinen am See verbringe ich den Abend. Auch wenn es kalt ist, genieße ich das doch sehr und meine Brust ist voll Freude, die Seele so ruhig.

              > Stetind 2020m
              13km; 770m hoch

              Impressionen des Tages:


              Nicht immer gibt es weite Aussichten vom Gipfel, oder schöne darauf



              Gravdalen



              Gravdalstjornene; im Hintergrund (v.l.n.r.) Tverrbottindane, Kykja, Visbretinden



              Lager am Leirvatnet mit der markanten "Kirche" immer im Blick



              Am Abend freundliches Posieren und am frühen Morgen leuten sie einen wach



              Einmal noch die Kyrja, einfach zu schön
              Zuletzt geändert von Issoleie; 26.11.2010, 10:57. Grund: neuer Bilderupload

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              • Issoleie
                Erfahren
                • 29.10.2005
                • 324
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                7.8.

                Zeit soll man sich für seine Pläne nehmen, davon auch nicht zu knapp. Nie weiß man doch, was hindernd noch dazwischen kommt, was die Planung vereitelt. Da ist man nicht in Bedrängnis, muss nicht klagen und trauern. Ruhig kann man bleiben und sich schon freuen, gespannt sein, das vor einem Liegende bald anzupacken, es kann ja später getan werden, wenn die Umstände passend.

                Ich wache auf und bleibe noch lange liegen. Die heutige Wanderung ist erst für den späten Nachmittag hinein in den Abend geplant, da soll das Wetter gut sein und ich freue mich schon auf das schöne Licht. Voller Tatendrang ist es aber schon in mir, es ist diese sich aufbauende Spannung vor einem erwarteten Ereignis, leichte Ungeduld, kaum will man warten. Im Zelt ist es mir noch gemütlich, da also bleibe ich und schreibe so allerlei, lasse die Gedanken ziehen. Draußen bedecken zwar die Wolken dicht den Himmel, doch bleibt es trocken. Es wäre die richtige Zeit, loszugehen, doch soll es ja klarer noch werden. Nun, wenigstens setze ich mich auf die Steine, da ist es schon früher Nachmittag. Ja, es ist doch etwas ganz anderes, direkt die Landschaft vor sich zu haben, den Wind zu spüren, den kühlen Boden. Eins sein, sich ganz der Natur geben und ganz die Natur in einem spüren, dabei so ruhig sein, so frei.

                Langsam gehe ich zu den Hütten, um dort noch kurz zu sitzen und dann aufzubrechen. Leichter Nieselregen tropft gegen das Fenster, ich nehme das lieb gewonnene Buch zur Hand. Aus der Kürze wird eine Weile, wird ein halber Tag. Es will nicht aufhören zu regnen, immer ärger wird es, lasten die Wolken jetzt doch schwer auf den Hängen, haben sich dort fest gezogen. Ach, wie ungern ich doch jetzt hier bleibe, hoffe ja lange noch, den Himmel sich aufklaren zu sehen. Nein, das wird heute nichts mehr und ich bleibe sitzen. Erst lese ich lange, die fremde Sprache entschlüsselt sich, zwar mühsam, doch tut sie es, verständig wird da einiges. Wohl aber bleibt man in einer Hütte nicht für sich, anders ist es als beim Zelt. Also plaudere ich so nett mit zwei Frauen in der Muttersprache, das tut ja auch manchmal gut. Es ist schon Abend, als ich noch mit einem Tschechen in Kontakt komme, doch will ich nun langsam wieder zurück zu der mir vertrauten Behausung, auch endlich die Mahlzeit einnehmen. Der neue Bekannte geht mit mir, stellt auch sein Zelt in der Nähe auf. Mir aber ist jetzt Zeit für mich die liebste und es beginnt auch wieder zu regnen, da gehe ich hinein.

                Wahrhaftig sind der Tage nun nicht mehr viele. Ich weiß kaum, wie die verbleibende Zeit gescheit nutzen. Wie ich es mache, wird es verkehrt, wird es auch so richtig und wunderschön zugleich. Mein Herz wird die Richtung schon weisen, das ist gewiss. Bisher erging es mir doch auch so gut, habe ich wohl in einer Weise immer richtig entschieden. Sicher, vieles hätte anders auch kommen mögen, vielleicht wäre es nicht schlechter gewesen. Doch kann ich ja kaum mehr wünschen, als ich bis hierhin erhalten. So viele Menschen habe ich getroffen, die mir lieb waren, und ich hoffe, von einigen noch einmal zu hören, wenn auch nur kurz. So viel habe ich auch gesehen und werde es in mir bewahren. So viele Gedanken gab es, an die ich mich noch erinnern werde. Von allem gab es so viel, doch in angenehmster Weise, das reichte gewisslich, zu teilen. Mir ist es aber sehr lieb, dass ich so reich innerlich bin, so reiches die Reise gegeben und dass ich es habe und auch in anderer Weise andere was davon haben mögen. Wahrlich, mehr kann ich nicht wünschen.



                8.8.

                Wirklich fühlt sich das nicht wie ein besonderer Tag an, als ich aufwache und es lange regnet. Doch ist ja das Wetter einmal mehr besser erwartet, wenn die Mittagszeit vorüber und so liege ich noch eine Weile, habe ich doch kaum gestern einschlafen können. War es der Mangel an Bewegung, ich weiß es nicht, alles ging mir da durch den Kopf, die Gedanken schweiften zu dem normalen Leben, zu dem, was mich in der kommenden Zeit erwartet, was ja viel Neues ist, und auch zu weit entfernten Möglichkeiten. Was es da nicht alles gab, das mich so beschäftigt hat, mir war es ganz unruhig. Jetzt liege ich also noch und weiß nicht recht, was anfangen.

                Also packe ich die Sachen und gehe zu den Hütten. Doch auch da sitze ich nun ohne wirkliche Idee. Die geplante lange Wanderung ist schwer möglich, zu wechselhaft ist für heute die aktuelle Wettervorhersage, die gestern noch ganz anders klang. Also soll es erst am Nachmittag zu einer kleineren Runde losgehen. Mir aber ist aller Tatendrang verloren gegangen, so vollkommen ohne Motivation sitze ich auf dem Sofa, tue mir selbst auch ein wenig leid. Immer schlimme soll das Wetter die nächsten Tage werden und auch gerade den heutigen Tag habe ich mir ja schön gewünscht. Draußen geht hart der Regen gegen das Fenster, dann scheint wieder warm die Sonne herein und die Zeit vergeht. Nein, so soll es nicht bleiben, so werde ich heute nimmer mehr fröhlich.

                Ich kaufe mir ein Eis, fühle mich schon mehr nach Geburtstag. Irgend etwas muss es da ja geben, was speziell ist. Dann aber soll es auch losgehen, ich will länger nicht warten und hoffe, bei gutem Wetter auf dem Gipfel zu stehen. Anfangs aber geht es im Regen voran, mir ist das gerade sehr gleichgültig; es geht voran, das zählt. Der Weg macht Spaß, für den ersten Gipfel suche ich mir die steilsten Felsen, habe rechte Lust, ein wenig zu klettern. Ja, die Sonne ist hervorgekommen, mir geht es wieder gut. Ganz und gar geht es mir gut, wie mein Gemüt da lacht. Ich genieße die Pause, während die Sonne warm mein Gesicht bescheint. Dann geht es noch einmal weiter, hinunter und hinauf, es wartet ja der höhere Gipfel. Da bin ich schnell und ebenso schön ist es, hier zu sitzen.

                Über das Schneefeld, das große, geht es bequem hinab in einer Runde. Noch habe ich des Weges vor mir, als erneut kräftiger Regen hinab fällt. Wieder macht mir das die Wanderung nicht schlecht. Viel zu wunderbar und voll ist es doch in der Brust. Ich pflücke eine Blume, mir hier die liebste, Issoleien, und es ist mir ein anderes Sein. Ja, wie fühle ich mich da neu geboren, wie verändert sich da etwas tief in mir, da kommt nun alles gerade zusammen. So schön, so schön! Nun ist mir der Tag doch noch ein besonderer geworden und es passt der Verlauf ja so sehr zu mir. Blühe! ja, das ward mir gegeben, so bin ich genannt, ach was meint das nicht alles für mich.

                Das Bad ist der beste Abschluss dieser kurzen heutigen Reise, des Weges. Doch kann ich draußen nicht bleiben, erneut regnet es länger. Der Abend ist schon hereingebrochen, als ich einmal mehr zu den Hütten gehe. Das soll aber nicht dauern, mir ist es dort auch nicht sehr angenehm, solches Treiben herrscht da. Doch setze ich mich lächelnd auf ein Sofa und esse noch einmal ein Eis, das gönne ich mir. Wieder draußen, kann ich noch die Nachrichten von mir lieben Menschen empfangen. Ist man schon allein, ist das doch etwas sehr Schönes, gerade heute. Zurück geht es, da setze ich mich auf die Steine. Erst spät gibt es Abendessen, reichlich mehr dazu, ich lasse es mir wahrhaft gut gehen. Das beendet in angenehmer Weise noch den Tag, bevor ich noch liege und die Gedanken ziehen lasse, so glücklich.

                > Hogvagltindane 2066m
                Rundtour über Vestre H. 1967m
                14km; 920m hoch

                Impressionen des Tages:


                Das Wetter gibt sich alle Mühe, spannend zu sein; im Hintergrund Tverbottindane und Kyrkja



                Midtre Hogvagltindane (wie folgendes)






                Heute gibt es alles und es wird immer schöner



                9.8.

                Ich sich ganz sicher sei, die eigene Kraft in der Brust spüren, wirkliches Vertrauen in die eigene Stärke haben, wie gut wird dann das meiste gelingen. Von innen heraus lachend kann man den Dingen begegnen und braucht nicht zurückschrecken, nicht verzagen. Wie wird man da Ruhe ausstrahlen, von der noch andere profitieren können. Noch mehr gewinnt man selbst aber mit jedem weiteren Schritt an Mut und Sicherheit, da können auch größere Aufgaben noch folgen, dafür ist man dann bereit. Allein Erfahrung macht schon vieles aus. Erfahrung, Aufgaben zu meistern, Erfahrung aber auch mit einem selbst. Ja, gut ist es, sich ganz zu kennen, zu wissen, wie man reagiert, zu wissen, wie man sich fühlt und zu wissen, was man vermag. So Großes und Schönes kann man dann also beginnen und erleben und frohen Gemütes immer vorangehen.

                Mein Rhythmus ist ein sehr anderer geworden, hat sich vielleicht auch nur der Wetterlage angepasst, vielleicht braucht der Körper nach über einem Monat auf Reise auch langsam mehr Schlaf. Jedenfalls werde ich wieder später munter, doch ist ja noch Zeit genug. Noch ist der Himmel verhangen, tief ziehen die Wolken über die Hänge und bedecken die Gipfel. Eine Weile bleibe ich noch liegen und gehe dann in gewohnter Weise zu den Hütten. Allein der Wetterbericht ist es jedes Mal wert, auch in dem Buch zu lesen. Ansonsten bin ich hier doch immer sehr unruhig, ist es ja auch eher das Warten auf den Beginn der Wanderung, was mich hält. Sehr spät will ich heute aber nicht los und breche also kurz nach der Mittagsstunde auf.

                Wie fast alle Gipfel, besteige ich auch heute pfadlos die Höhen. Langsam gewöhne ich mich an dieses unbekannte Gefühl, was gerade allein leicht zu Unsicherheit wird, werde routinierter. Mir geht es gut, ich fühle mich kräftig und bereit. Steil geht es aufwärts, die Steine der Blockfelder sind oft wackelig oder rutschig. Dann bin ich aber oben und treffe auch einen mir schon von gestern bekannten Wanderer mit seinem Kollegen, das sind immer nette Begegnungen. Wir klettern noch kurz zusammen über die heikelste Passage zum Hauptgipfel, dann führt mich mein Weg wieder alleine weiter, die beiden kommen ja von dort, wo ich noch hin will.

                Das geht auch noch fort, immer folge ich dem Grat, bis der vierte der höchsten Punkte erreicht. Leicht ist es mir gefallen und es ist erst später Nachmittag. Ich überlege also nicht lange und tue, was ich mir vorgenommen hatte. Es geht also noch nicht zu dem Lager zurück, sondern hin zum letzten Gipfel führt mein Weg. Da kann ich auch viel klettern, mach das vielleicht wieder einmal mehr als notwendig, doch habe ich so rechte Freude und bin auch so froh, am Ende oben zu stehen, liegt doch einiges hinter mir und rundet der letzte, der siebente 2000-Meter-Punkt, die heutige Wanderung doch so wunderbar ab, allein schon wegen der Zahl. Die soll auch zu mir nun passen, denn fühlt sich meine Seele so vollständig an, da hat sich ja vieles getan. Mir wird es hier auch fast immer lieber, doch gibt es ja einiges auch wieder, wenn ich zurückkehre.

                Erst einmal geht es jetzt aber nur bis zum Zelt, das ist die letzten Tage ur richtigen festen Behausung geworden und so lieb ist mir es jedes Mal, dort wieder anzukommen. Diese wenigen Dinge, die es da gibt, alle auch so nützlich. Der warme Schlafsack dazu, der macht es noch so gemütlich. Leicht, doch stark, das Dach und immer die frische Luft, der Blick hinaus auch. Ankommen und als ersten in den See springen, den kühlen und erfrischenden, wann kann man das sonst schon. Ankommen und auf den Steinen sitzen, während die Sonne scheint und der Wind bläst. Der Blick geht die Runde und neben einem plätschert leise und sanft, doch lebendig, der Bach, manchmal hört man die Glocken der Schafe. Ankommen und wissen, was Schönes gerade erst hinter einem liegt und noch so voll das ganze Herz macht, wissen. Was man geschafft hat, wenn die Glieder noch etwas schwer sind. Ankommen ganz und gar und die Seele ist so ruhig und alles fühlt sich gut an.

                Lauter kleine angenehme Dinge kann man dann noch tun, oder man tut auch nichts, das wird hier ja auch zu etwas. Am späten Abend dann das warme Essen, wie gut das ist und wie es belohnt. Vielleicht noch ein Stück Schokolade oder mehr, man lässt es sich schon ordentlich hier gehen, da kann keiner meckern. Dann liegt man und denkt so alles und die Nacht bricht an, langsam wird es dunkler. Der kleine Bach plätschert weiter, vielleicht fallen auch klopfend Regentropfen auf das Zelt. Man schließt die Augen, ein weiterer schöner Tag geht zu Ende und man schläft ein.

                > Tverbottindane: Vestre 2113m + P. 2110m
                Store 2161m
                Midtre 2151m und 2106m
                Sore 1646m und 1971m
                Tverrbytthornet 2102m + P. 2035m
                13km; 1550m hoch

                Impressionen des Tages:


                Kletterpartie in der Höhe, Abrutschen wenig ratsam, zum Glück bin ich selbst auch gut rüber; Passage zum Hauptgipfel des Vestre Tverrbottinden



                Band zum Store Tverbottinden



                Kennt man ja langsam, einfach ein Blickfang



                Grat zum Tverrbytthornet



                Leirvassbu vor Stehoe und Stetinden



                Leirvatnet, im Hintergrund Midtre Hogvagltindane
                Zuletzt geändert von Issoleie; 26.11.2010, 11:02. Grund: neuer Bilderupload

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                • Issoleie
                  Erfahren
                  • 29.10.2005
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                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                  10.8.

                  Wie ganz ist man körperlich, fühlt sich so sehr, wenn Schmerz einen trifft. Das Bewusstsein ist dann voll auf einen selbst gerichtet, da ist nur Ich. Manche sagen, der Schmerz ist die intensivste Empfindung und durch ihn lernen wir das erste Mal das eigene Selbst kennen. Alles gibt sich dem hin, alles wird Schmerz. Das mag im großen Maßstab gelten, doch trifft es nicht immer. Die heile Seele kann stark bleiben, wenig beeindruckt vom äußeren Einwirken. Mag man da erwidern, dann sei es Schmerz nicht, sage ich doch, ich fühle ja beides.

                  Der Morgen ist verregnet, ich lasse mir wieder einmal Zeit. Die Mittagsstunde rückt schon langsam näher, da breche ich auf. Es geht fort von hier zu anderen Orten, nachdem ich so lange geblieben und mir die Zeit eine schöne habe sein lassen. Ja, hier war es mir lieb und wird es auch bleiben und sicher werde auch wieder ich hier sein. Der letzte Teil der Reise beginnt, noch weiß ich nicht, wie die Pläne umgesetzt werden können, es hängt alles vom Wetter ab. Die folgenden Wege kenne ich, doch sollen die mich dieses Mal nur zu ein paar weiteren Gipfeln führen, ein paar sollen zum Ende noch kommen. Erzwungen muss jetzt aber nichts mehr werden, vielleicht klingt ja auch alles sehr ruhig ab.

                  Kaum bin ich erst losgegangen, stürze ich bitterlich. Schmerz lass nach! unseliger Freund der Verzweiflung. Die Wunde ist genau auf dem Knie, das wurde schwer erwischt. Der Stoß war gewaltig, auf eine Steinkante bin ich gefallen. Ich kann mich nicht aufrichten, bleibe liegen. So kraftlos ist mir auf einmal, auch leichte Übelkeit spüre ich aufkommen. Zum Glück fällt kein Regen, ich übereile nichts, sammle mich langsam. Das Knie schmerzt fürchterlich. Ich will es nicht sehen, doch streife ich die Hose hoch. Tief sieht die Wunde nicht aus, nicht sehr, das Schlimmste wird wohl die Prellung bleiben. Bald komme ich wieder auf die Beine, ich kann also noch stehen, auch alles bewegen. Nur dieser Schmerz. Ich spüre etwas Feuchtes, muss mich nun erst einmal verarzten. Ich habe alles dabei und als es getan ist, fühle ich mich langsam besser. Das Knie wird warm, Adrenalin fließt durch meinen Körper. Es kann weitergehen.

                  Der Rucksack sitzt wieder auf den Schultern, da kommen zwei Wanderer an, die gehen in meine Richtung. Ein Paar aus Norwegen, wir unterhalten uns, ich schildere meine Lage. Zwar hatte ich es nicht geplant, doch gehen wir gemeinsam weiter, das ist mir gerade auch sehr lieb und wohl vernünftig. Nicht lange und ich glaube schon, wieder schneller gehen zu können, bleibe aber noch bei den beiden, mit denen das Gespräch so nett ist. Der Weg ist nicht schwierig, es geht gemächlich durch das Tal, doch spüre ich langsam deutlich die Verletzung, nachdem die körpereigenen Schmerzlinderer nachlassen und das Knie auch länger belastet wird. Nein, schneller kann ich heute wirklich nicht laufen, das ist ja aber auch gar nicht nötig.
                  Also geht es zusammen mit den beiden weiter. Wie gut das jetzt ist und wie es mich auch auf andere Gedanken bringt, ablenkt. Will man es, kommt man leicht in Kontakt, der ist oft angenehm und stets wird mir hier freundlich begegnet, offener auch manches Mal, als man es erwarten kann. Allerlei Themen gibt es doch immer, trifft man auf Unbekannte und viel wird auch nun geredet.

                  Nachmittag ist es, als wir die große Anlage erreichen und ich bin froh, nicht weiter zu müssen. Die beiden bleiben und wir verabschieden uns auf freundlichste Weise, im Falle, dass wir uns nicht noch einmal begegnen. Ich aber gehe noch ein wenig weiter, am Ufer des Flusses, der kräftig durch das Tal strömt, schlage ich mein Zelt auf, als leichter Regen vom Himmel fällt. Es tut gut, auszuruhen, mehr brauche ich jetzt nicht. Ich bin müde und weiß nicht, wie es weitergehen kann. Mein Knie aber spüre ich gerade nicht, liegen also kann ich, das mag wohl noch hilfreich für die nächsten Tage sein. Doch wie es mich immer so treibt, überlege ich schon, früh zu schlafen und zeitig aufzuwachen, da soll das Wetter dann recht schön sein und der höchste Berg Nordeuropas ragt doch neben meinem Zelt auf. Ich will ja also sehen, wie arg es um mein Knie steht.

                  > Leirvassbu – Spiterstulen
                  14km; 140m hoch; 435m runter

                  Impressionen des Tages:


                  Visdalen Richtung Spiterstulen



                  11.8.

                  Meine Gedanken, die ruhigen, haben ein Ende gefunden. Nichts ist da mehr nach innen gerichtet, ich frage nicht mehr nach mit selbst, suche nicht mehr. Alles ist fort. Unklar springe ich vom einen zum andern, kaum etwas ist davon wirklich bedeutungsvoll. Es sind diese Umstände, die mir so viel wegnehmen. Es ist diese letzte Woche. Sieben Tage und man ist ganz im Rhythmus der Reise, der Kopf wird frei, alles fühlt sich leicht an. Dann kann es wahrlich kaum besser sein. Dann kommen die letzten sieben Tage und einem wird klar, dass die Reise ein Ende haben wird wie jede Reise und das Gefühl vergehen wird, das Leben in der Natur, das natürlich Leben, geht ebenfalls vorüber. Was gibt es nicht alles, an das man da denken kann, was einen bald erwartet. Freudig schaut man dem auch entgegen, zugleich aber weint die Seele. Wie ganz verhasst mir dieses gerade ist. Ich warte, warte. Wo ist es hin dieses schöne Gefühl, wie wurde es gestohlen. Vielleicht dort ganz tief in mir – suche! – ja, da mag es sein. Gewöhnen muss ich mich jetzt schnell daran, wie sie sich anfühlt diese letzte Phase. Ich bin hier nicht allein, um die ganz ungenutzt geschehen zu lassen und dann unfertig fort zu gehen.

                  Die Nacht war schrecklich. Ich habe unruhig geschlafen und als ich einmal hinaus musste, wollte ich schier verzweifeln, so hat das Knie geschmerzt. Einen Berg besteigen! von wegen. Der Morgen ist regnerisch und mir ist schon klar, dass es heute nirgends hingeht. Ich weiß nicht einmal, wo es überhaupt noch hingehen kann und also liege ich, liege. Die Zeit vergeht, das tut sie ja fast immer und mir ist das gerade sehr recht. Ich kann den Gedanken keine Richtung geben, liege, liege. Dabei bin ich nicht einmal krank, nur verletzt, doch ich liege nur, liege. Mir fehlt es an Motivation, an Möglichkeiten. So trostlos wird es mir, während ohne Unterbrechung der Regen fällt und scharf der Wind gegen das Zelt drückt.

                  Ein dumpfes Ploppen mischt sich zwischen die bekannten Geräusche, als hätte ein Vogel meine Behausung übersehen, und wäre dagegen geflogen und sie wackelt ja auch. Nichts ist zu sehen, ich bereite mein Brot für die nächsten Tage vor. Gerade ist der Kocher angeworfen, da ist mir doch etwas seltsam. Stangenbruch! jetzt kenne ich also auch dieses Geräusch. Ein Ersatzsegment habe ich, gerade pausiert der Regen, es geht alles schnell und ohne Probleme. Das Zelt steht wieder gewohnt stabil, ich liege.

                  Für eine Weile geht es dann zu den Hütten, später Nachmittag ist es schon. Die beiden von gestern Bekannten finde ich hier nicht, vermute ihr Zelt aber nicht weit entfernt. Da ist mir zu bleiben jedoch nun sehr unlieb, das hat hier alles, nur keinen Charme. Die Wunde verarzte ich noch neu, Sorgen erregend sieht sie nicht aus. Dann gehe ich zurück und da gibt es dann viel zum Denken. Mein Vater fragt nach Abbruch der Tour, er würde es organisieren und übernehmen. Ach, was komme ich in Versuchung, es ginge mir damit gerade wohl besser. Ich finde keine Antwort und bin mir unsicher, was beide Varianten mir geben. Wären die Kosten nicht hoch, ich ginge jetzt wohl. Ich schreibe noch einmal nach Hause, um mehr Informationen zu erhalten, alles besser überdenken zu können. Die Nachricht ist verschickt, da weiß ich ja fast schon wie ich mich entscheiden werde. Der Tag wird alt, ich bereite mein Abendessen schon zu, als das Mobiltelefon klingelt. Ich spreche mit meinem Vater, der hilft mir viel, sähe es auch gerne, wenn ich gleich käme.

                  Doch ich werde bleiben, das wird mir mit jeder verstreichenden Minute richtiger so. Vielleicht werde ich hier nichts weiter mehr tun, als im Zelt zu liegen, wirre Gedanken dahin ziehen zu lassen und abzuwarten. Das soll mir gleich sein, ich breche jedenfalls die Reise nicht vorzeitig ab, das habe ich schon zuvor nicht getan und sicher ist auch jetzt der Zeitpunkt dafür nicht gekommen. Irgendwie geht es weiter, geht ja immer alles weiter. Ich habe schon so viel Überraschendes hier erlebt und kann nicht sagen, was noch alles geschieht: Wie oft war ich nicht schon an diesem Punkt.

                  Impressionen des Tages:


                  Das Zeltleben muss man es manches Mal schon sehr gemütlich haben, um es darin lange aushalten zu können...



                  ...nicht immer ist es ja draußen auch schön...



                  ...richtig heimisch wird es da.


                  12.8.

                  „Jetzt erst recht!“ und dabei leise lächeln. Wer freut sich nicht heimlich daran, noch einmal etwas anzupacken, als alles schon beendet schien, alle Möglichkeiten fort waren oder vertan. „Jetzt erst recht!“ sagt der Aufgegebene, sagt der hoffnungslos Verlorene.

                  Ich hatte mir etwas vorgenommen mit dieser Reise und daran habe ich mich festgebissen. Ich habe sie nicht abgebrochen, weil ich ja immer wusste, dass sie eines richtiges Endes bedarf, eines, bei dem man erhobenen Hauptes sagen kann: „Das war es, das war richtig“. Dazu gibt es diesen Trotz in mir, der macht es schwer, etwas aufzugeben. Ich kann mich auch einmal durchkämpfen, das ist dann halt so, doch bin ich dann immerhin wo angelangt. Ein Abbruch machte mich nachgiebig, der nächste folgte dann sicher. Ich befinde mich in keiner Notlage, es spricht nicht gegen jedwede Vernunft, hier zu bleiben. Dann gibt es auch noch mehr als das: Es ist der Ehrgeiz, der vorantreibende. Den brauche ich auch, dann geht es mit besser, ich weiß, wohin. Herausforderung, Abenteuer, voll Sehnsucht schaue ich euch entgegen, voll Mut und Willen. „Jetzt erst recht!“, sage ich da und lächele leise mit funkelnden Augen.

                  Das soll heute noch ein Glanzstück werden und ich würde es nicht versuchen, ohne an das Gelingen zu glauben. Danach mag Ende sein, vielleicht kann ich kaum mehr laufen, doch ist es das wert. Da oben war ich schon einmal, ich kenne den Weg. Zu Nordeuropas höchstem Punkt will ich hinauf, das sollte ich schaffen können. Alleine deswegen soll es mir recht sein, nicht abgereist zu sein, mehr will ich gar nicht mehr, vermag es auch nicht. Danach kann alles ruhig ausklingen, jetzt aber soll es noch einmal tosen.

                  Der Tag ist weitestgehend trocken erwartet, doch hängen die Wolken dicht und liegen am Morgen auf Häuptern der umliegenden Bergriesen, verschlagen ruht noch die Landschaft. Ich gehe trotzdem früher los, als es in der letzten Zeit zur Gewohnheit geworden, weiß ja nicht, wie lange ich brauche. Also hinauf, das Knie ist frisch verbunden. Der Schmerz aber ist schon am Anfang deutlich zu spüren. Ich beuge kaum das Bein, da muss das eine zusätzlich leisten, was das andere nicht schafft. Wirklich, ich muss mich in guter Verfassung befinden, so geht es voran, viele bleiben gar hinter mir zurück. Ein großer Schritt, auf die Stücke gestützt, ein kleiner folgt, nur nachgezogen. So lässt es sich aushalten, wenngleich auch nicht völlig schmerzlos und wenn auch das eine Bein viel zu arbeiten hatten. Weiter, weiter, es treibt mich voran, kaum will ich rasten.

                  Schon sehe ich die kleine Hütte, noch entfernt zwar in den Wolken, doch ist es ja fast geschafft. Ein paarwenige Schritte, die fallen jetzt auch nicht mehr schwer, dann stehe ich also da. Nach zwei Jahren ist wieder das Dach Norwegens erreicht und so gut ist dieses Gefühl, heute zwar ganz anders als damals, doch so gut. Gewohnt viele Menschen stehen herum, das soll mich jetzt nicht sehr stören. Hier ist nichts zu sehen, ich stehe in den Wolken, doch bin ich auch nicht der Aussicht wegen hier, darum ist auch das mir kein Ärger. Ich habe es geschafft, das zählt am meisten. Viel Zeit lasse ich mir, ich will nicht gleich wieder hinunter. Fast eine Stunde verbringe ich auf dem Gipfel, bin sogar für kurz dort allein. Ich habe es erwartet: Der Himmel klart auf, in höhere Regionen steigen die Wolken. Zwar kenne ich es anders, doch ist die Sicht mir für jetzt genug, da hat auch das Auge noch was und nicht nur das Herz.

                  Dann aber hinunter, ich weiß ja noch nicht, wie das geht. Viel schlimmer ist es nicht, tut zwar etwas mehr weh und sieht wohl alles andere als elegant aus, doch komme ich wieder gut voran. Einiges ist auch schon geschafft, als das Knie sich sogar langsam an die Bewegungen gewöhnt, doch ist der Körper nun schon müde von der Belastung. Schon vor zwei Jahren bin ich in keiner guten Verfassung den Berg hinunter und mir ist es von daher bekannt, den letzten Teil weniger genießen zu können. Immerhin, es ist getan. Wohl wenige Gipfel hätte ich so besteigen können, dieser ist glücklicherweise ein sehr leichter. Ich bin mir nicht im Klaren, ob der Körper so viel geschafft hat oder der Wille, aber wie es auch immer ist, bin ich froh im Gemüte über die bewältigte Herausforderung.

                  Wahrlich, mir geht es ganz und gar gut, habe ich ja bisher die Entscheidungen so getroffen, dass man wohl sagen kann, es war das Richtige, war schön und hat viel gegeben. Mir werden heute auch die Gedanken klarer, die Seele ist ruhiger und der Kopf wieder freier. So kann ich mit gutem Mute den letzten Tagen entgegenblicken, auch die sollen mir jetzt noch die richtigen werden. Schon weiß ich, wie ich alles hier vermissen werde.

                  > Galdhopiggen 2469m
                  Keilhaustopp 2355m
                  Svellnose 2272m
                  10km; 1500m hoch

                  Impressionen des Tages:


                  Visdalen Richtung S



                  Galdhopiggen Top von Svellnose aus



                  Beweisfoto, das gab es vor zwei Jahren nicht



                  Sogar dort ist es manchmal ruhig



                  Visdalen mit dem markanten Blickfang Styggehoe
                  Zuletzt geändert von Issoleie; 26.11.2010, 11:05. Grund: neuer Bilderupload

                  Kommentar


                  • Issoleie
                    Erfahren
                    • 29.10.2005
                    • 324
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                    Zum Abschluss noch ein letztes Mal ein größerer Schwung.



                    13.8.

                    Wie wichtig Motivation doch ist, so vieles ist damit zu schaffen. Dazu wird es nicht zur reinen Arbeit, was man zu tun hat, das wird dann mit viel Freude gemacht. Ein motivierendes Moment sollte man sich immer suchen, das kann für jeden ja etwas anderes sein. Je enger es mit der Tätigkeit verbunden, desto leichter fällt dann die Aufgabe, unmittelbar ist die seelische Belohnung damit doch verbunden. Der Kopf soll sich nicht anstrengen müssen, um gedanklich das eine mit dem anderen zu verbinden, da fehlt das Gefühl und auf das kommt es hierbei an. Nicht geht alles nur leichter von der Hand, wohl schafft man auch manches, was vorher kaum möglich, so vieles spielt dann mit rein.
                    Regen fällt am Morgen auf das Zelt. Ich habe keine Lust, aufzustehen, habe keine Lust, zu wandern. Der Körper fühlt sich erschöpft an, nicht minder das Gemüt. Mir ist es langsam genug, besonders unter den Bedingungen. Mein Knie schmerzt noch immer und wird wohl bis zum Ende auch nicht mehr damit aufhören. Viel ist ja nicht mehr, doch haben die letzten Tage nur noch wenig an sich, was mich sehr reizt, was zu schaffen große Freude bereitet. Ich beende keinen Weg, der noch zu vervollständigen ist, wie das bei der letzten Tour der Fall war, bin in meinen Möglichkeiten limitiert. Mir fehlt auch die Sonne und das Gefühl, wenn sie einem warm auf die Haut scheint, mir fehlt es, ruhig vor dem Zelt sitzen zu können und der Natur zuzuhören. Es geht für mich nur noch darum, die Reise schön zu beenden, doch muss ich dafür nicht mehr laufen. Mir geht es nicht schlecht, nur ist es langsam genug.
                    Ich beginne den Wandertag spät, doch ist die Strecke ja auch nicht sehr lang. Am Aufstieg spüre ich, dass viel Kraft gerade nicht in mir steckt, der Körper bereitet sich auf Erholung vor, in mir ist es nicht auf Anstrengung eingestellt. Das steile erste Stück ist bald geschafft, dann geht es über Steine und oft muss ich mich zur Vorsicht ermahnen. Der Weg zieht dahin, ereignislos und ohne große Abwechslung. Nur ein Mal spreche ich länger mit einem Landsmann, er ist in meinem Alter. Dann geht es weiter, der letzte Teil wartet, ist aber nicht mehr schwierig. Von weitem sieht man schon die Häuser, die groß im Tal liegen, da will ich sicher nicht bleiben.
                    Ich bin froh, anzukommen und das Lager aufzuschlagen. Die gewohnte Erfrischung und ich setze mich noch eine Weile vor das Zelt, mehr wegen des ruhigen und freien Gefühls, denn sehr angenehm ist es draußen gerade nicht. Immerhin ist es trocken, doch lange kann ich nicht auf den Steinen bleiben, so kalt ist es. Der Schlafsack ist mir lieb, ich dämmere vor mich hin, bin heute müder als sonst und schlafe auch früh am Abend ein.

                    > Spiterstulen – Glitterheim
                    15km; 600m hoch; 325m runter

                    Impressionen des Tages:


                    In der Nebellandschaft gibt es immer wieder auch Farbe



                    Für manche das Symbol für Skandinavien schlechthin: "Wollgras"...



                    ...man kann verstehen, warum



                    Hotell im Fjell



                    14.8.

                    Das Schreiben ist ganz zur Gewohnheit geworden, zum festen Bestandteil des Alltags, des Lebens hier. Ich nehme jeden Tag wieder die Feder zu hand und schreibe meine Zeilen. Meist ist der Abend schon heran gebrochen. Ich sitze auf Steinen und Blicke auf einen See, liege im Zelt im warmen Schlafsack, einen Arm aufgestützt, seitlich das Buch. Die Sonne scheint noch für eine Weile über die Hänge, warm ist ihr Licht, oder der Himmel ist wolkenverhangen und ein kalter Wind bläst, wahrscheinlich regnet es auch. Jeden Abend nehme ich wieder die Feder zur Hand. Ich warte auf die Zeit, das Abendessen zuzubereiten oder es ist auch schon genossen, dann liegt wohl noch der letzte Rest der Tagesration vor mir, ein Riegel, einige Stücken Schokolade. Jeden Tag nehme ich wieder die Feder zur Hand. Auch wenn ich noch keine Idee habe, was zu schreiben ist und womit anfangen. Manchmal will ich gar nicht beginnen, manchmal kommt so rechte Freude auf. Jeden Tag ein paar Zeilen, jeden Tag geschieht etwas und der Seiten sind schon viele.
                    Wie gewohnt wache ich in den frühesten Morgenstunden auf, wie gewohnt drehe ich mich noch einmal um und schlafe weiter. Der Nieselregen hat aufgehört, da beschließe ich, aufzubrechen, heute geht es einmal wieder zeitiger los. Es ist ein befreiendes Gefühl, im Trockenen das Lager abbauen zu können und schnell bin ich fertig. Der Wanderung schaue ich mit Zuversicht entgegen, Freude wäre wohl zu viel gesagt, doch geht es mir gut damit. Die letzte längere Strecke mit Rucksack wartet auf mich, die ist immer auch besonders. Voran also, der Weg wird ja ein schöner.
                    Ich bi n gemütlicher als gewöhnlich unterwegs, das liegt nicht allein am Knie. Teilweise schlendere ich fast vor mich hin, ich will den Wandertag genießen. Noch bin ich nicht weit, da überhole ich zwei gestern schon gesehene Deutsche und nach meiner Frühstückspause gehen wir auch ein Stück gemeinsam und plaudern nett miteinander, bis die Wege sich trennen. Den See, der blau unter mir liegt, kenne ich schon, doch geht es dieses Mal an einem anderen Teil von ihm entlang, er liegt ja weit gekrümmt zwischen den Bergen. Dem Ufer folge ich lange und, wie es sich als Rhythmus während der ganzen Tage ergeben, auch ohne Pause. Die nächste ist erst am frühen Nachmittag, da fängt es gerade an zu regnen. Das hört auch nicht mehr auf, doch ist der letzte Abschnitt schneller geschafft, als ich vermutet und bald schlage ich mein Lager auf.
                    Der Regen dauert fort und fort, erfrischt wird sich trotzdem, die Zeit vertrieben. Wie die Tage zuvor schon bin ich schrecklich müde, ich könnte eine ganze Zeit wohl durchschlafen. Selbst Hunger will ich so recht nicht haben. Ich bestehe nur noch ganz aus Wandern und Ruhen, letzteres gerade wohl mehr. Ein Tag bleibt, der soll noch einmal fordern und alles recht anständig beschließen, danach kann ich mich erholen. Es ist heute nicht mehr viel zu tun, ein später Nachmittag wird zum Abend, während ich da liege und ein paar Gedanken durch den Kopf ziehen. Wirklich, das Ende ist abzusehen, die Heimat ist schon nahe. Ich möchte nicht sagen zu nahe, noch habe ich hier beides in gutem Maße. Doch fürchte ich ja fast, wieder zurückzukehren, so lange habe ich jetzt schon etwas so anderes. Ja, ich denke viel an das Kommende und es macht ja auch Freude, von hier alles zu beschauen und ganz verschiedenem entgegenzublicken. Wäre ich nur nicht so müde, manch anderes könnt ich da wohl noch bedenken.

                    > Glitterheim – Bessvatnet
                    18km; 570m hoch; 570m runter

                    Impressionen des Tages:


                    Russvassbue



                    Nicht nur in der Ferne gibt es Besonderes



                    15.8.

                    Nur zu warten, bringt nie etwas Gutes. Untätig zu bleiben, während man hofft, dass bald etwas geschieht oder auch genau das gewünschte Ereignis eintritt, gibt wohl wenig, was Anlass zur Freude ist. Manches Mal, man ahnt es nicht, verhindert schlicht das bloße Abwarten, leer ja, selbst die Erfüllung des erwarteten Gegenstandes und man weiß kaum, wie lange noch hoffen und ausharren. Wie viel macht man sich damit kaputt, wie viel verliert man an Schönem, was es wer ist, zu tun. Dieses Phänomen mit der Zeit wird dann so offenbar, die verging doch ganz sicher schon einmal schneller. Ist man aber geschäftig und lässt es sich gut gehen, wie plötzlich ist das dann da, worauf man gewartet und recht eigentlich ja eben nicht gewartet, man hatte ja anderes. Und mag es auch nicht eintreffen, so ist doch immerhin angenehm die Zeit vergangen, das hätte sie ja ohnehin getan. Dann kann man sich freuen, was nicht alles geschehen und weniger schwer fällt es, das nicht Erhaltene zu vergessen oder aufzuschieben.
                    Ich kann nicht sagen, wo der See endet und der Himmel beginnt, noch die umgebenden Hänge ausmachen, die doch sicher irgendwo in diesem Wolkengewaber sein müssen. Die Luft ist von feinen Tropfen durchzogen, alles hier ist nass. Ich bleibe liegen, immer wieder fällt Nieselregen auf das Zelt. Ich hatte ja eingeplant, einen Tag schlechtes Wetter noch vorübergehen zu lassen, doch hätte ich gern den Gipfel, den letzten, heute bestiegen und jetzt weiß ich nicht einmal, ob es überhaupt noch möglich ist, so grausig sieht es da draußen aus.
                    Ich will mir die Zeit jedoch keine schlechte, untätige werden lassen, dafür sollen die letzten Tage nicht sein. Die Feder liegt heute lange in meiner Hand, einige Ideen, die lange schon in mir gären, sollen nun fest gehalten werden, anderes kommt dazu.
                    Die ganzen vergangenen Tage ziehen durch meine Gedanken, an jeden einzelnen vermag ich mich noch genau zu erinnern. Das Leben in der Natur bleibt mir immer fest bewahrt, noch die letzten Jahre wüsste ich gut zu rekapitulieren. Ja, hier sammelt man einzig, sammelt Eindrücke, lebt für die ewig dauernden Momente, des Augenblickes Ewigkeit. Darum ist es mir hier so lieb und besonders, hier kann ich das in reiner Weise, da ist keine Ablenkung, keine Hast. Gefühl und das Bild in der Seele, wenn alles eins wird, das bleibt und wird nicht mehr genommen. Kehrt man dann zurück, ist noch alles voll in einem und erst langsam gewöhnt man sich wieder an das andere Erleben, seltsam fühlt es sich an. Schließt man aber die Augen, sind da noch immer all die schönen reichen Momente, Jahre später sind sie noch dort.
                    Noch immer weiß ich nicht, wie die letzten Tage, zwei sind es ja nur noch, aussehen werden. So sehr ändert sich hier alle s immer fort und ist nicht vorher zu sagen. Soll es ungewiss bleiben, ich bin mir sicher, es wird mir schön sein. Ich verabschiede mich allmählich von Plänen und Ansprüchen, die ich noch stellte. Trauere ich dem Verpassten nicht nach, wie klar und viel ruhiger wird dann das Gemüt. Ich brauche Platz in mir, einen großen Raum, um alles hier vorübergehen zu lassen und abzuschließen, voll und reich und schön.

                    Impressionen des Tages:


                    Bessvatnet in den Wolken



                    16.8.

                    Wenn es nicht vieles gibt oder nicht mehr, muss man sich das Wenige gut werden lassen. Anders als „mit wenigem begnügen“ soll es sein. Jedes einzelne Kleine wird zu einem kostbaren Besonderen. Ja, ganz kann man sich doch darin begeben, wird es von anderen Dingen nicht überschattet oder will man zu etwas neuem gleich weiter. Ganz reich wird dann dieses wenige, ist darauf die Aufmerksamkeit einzig gerichtet. Weniges verbleibt noch, meint auch zusätzlich weiteres. Es meint: Etwas nähert sich dem Ende; es meint: Genieße den Rest. Nach jenem Wenigen also hört etwas auf zu sein und diese spezielle Phase erlaubt auch einen neuen Umgang mit den paar Dingen, die noch verbleiben. Jedes gewinnt da an Wer für sich, ohne einen anderen Zweck, ohne etwas Folgendem. Schlafen mag da zum Schlafen um seiner selbst Willen werden und nicht zu Erholung für Kommendes. Essen zum Essen und nicht zur Stärkung. Etwas geht also mit wenigem zu Ende, weniges also verbleibt noch. Nun ist es doch schade, schon ganz die nahenden Dinge nach den jetzigen zu überdenken und dabei alles hier fast zu vergessen. Belohnt wird der sicherlich, der es schafft, noch den Rest voll zu genießen, rein und undurchdrungen.
                    Der heutige Morgen sieht wenig besser aus als vorige, der Gipfel, nicht weit liegt er ja entfernt, ist von dichten Wolken umschlossen. Ich habe keine Lust, bis in den frühen Nachmittag zu warten und schauen, ob das Wetter nicht freundlicher wird, das habe ich zuvor lange genug, bin nicht mehr hoch motiviert, die Höhe zu besteigen. Ich stelle mich auf Ruhe ein, körperliche besonders. Mir ist es zu anstrengend, einer eventuellen und eher unwahrscheinlichen Möglichkeit ständig entgegenzublicken, da finde ich keinen Frieden mit. Ein Ort ist mir ja bekannt, den mag ich lieber, dahin soll es gehen, da will ich am Ende bleiben, wie ich es kenne.
                    Der Weg hinab fühlt sich ungewohnt an, als hätte ich das Laufen verlernt. Holprig sind die Schritte, der Körper wird durchgerüttelt. Auch der Rucksack liegt gar seltsam am Rücken, ganz leicht. Für mehr Bewegung habe ich ihn lockerer gestellt, doch vermisse ich da ja ganz das Gefühlt, das so bekannte und in seiner Weise auch immer irgendwie liebe: eine steife Last, fest auf den Hüften, eng liegt sie an. Habe ich den letzten Tag nicht viel gesehen, tut es jetzt gut, bald wieder den Blick über Täler, Hänge und Bergspitzen gleiten zu lassen. Der Weg ist nur ein Stück. Kaum habe ich begonnen, liegt er auch schon vor mir, der See, der lang gestreckte, liebe. Ich bleibe nicht bei dem vielen Trubel, den Autos und Booten und Häusern. Wieder einmal gehe ich zum Steinstrand, hier habe ich auch vor zwei Jahren die Tour ruhig ausklingen lassen.
                    Da bin ich, der Tag ist noch jung. Eine Weile liege ich im Zelt, während immer wieder leichte kurze Schauer fallen. Dann kommt die Sonne hervor, Sonne! und wie schön es ist, sie auf der Haut zu spüren. Wie warm sie auf mich scheint, als ich ganz leicht bekleidet am Wasser liege und das Gefühl genieße; wie lange konnte ich das nicht. Ewig bleibt sie nicht, der Himmel ist ja noch immer mit Wolken durchzogen. Später Nachmittag ist es und ich will nicht hinein, bliebe noch auf den Steinen sitzen, doch wird es immer kälter, der Wind frischt auch auf. Also hinein in den Schlafsack, der muss ja nicht immer im Zelt sein, draußen macht er sich ebenfalls gut. Bis in den Abend bleibe ich am See, auch das fühlt sich wieder einmal gut an und ist so ruhig. So war es ja oft, so soll auch alles hier langsam zu Ende gehen: ruhig und mit weitem und freiem Gefühl in der Brust.

                    > Bessvatnet – Hamnsanden
                    6km; 30m hoch; 410m runter

                    Impressionen des Tages:


                    Abendstimmungen am Hamnsanden...



                    ...sind jedes Mal ähnlich schön, sind jedes Mal für sich besonders



                    17.8.

                    Schöne Dinge brauchen den richtigen Zeitpunkt. Dann können sie sich voll entfalten. Erst dann werden sie, wie man es vielleicht seit langem schon gehofft oder sich in Gedanken mit so viel Freude vorgestellt hat. Der richtige Zeitpunkt kann nie genau vorhergesagt werden. zwar ist eine ungefähre Planung möglich, doch weiß man erst zu dem bestimmten Moment, wie der sich anfühlt, ob richtig oder nicht. Ist es aber so weit und passt eines zum andern, geht alles auf und man lacht und freut sich am vollkommen Schönen und kann es besser nicht wünschen. Manch einer mag so weit gehen, in aller Konsequenz gar das Erleben ganz fallen zu lassen, wenn die nicht recht zusammenfinden wollen, die beiden Teile. Wer will es verurteilen und könnte anders reden, als dass da einer auf der Suche nach Besonderem ist, nach perfekten Momenten. Andernfalls geht so vieles verloren und wird dann nicht wiedergeholt werden können. Wie wird man sich da später noch grämen und leise Vorwürfe machen und daran denken, was nicht hätte sein können, hätte man gewartet.
                    Die Nacht ist klar und kalt. Als ich hinausgehe, bricht der früheste Morgen gerade an und Nebelschleier liegen auf dem See, das Gras ist von Tau beperlt und glitzert weiß. Noch einmal bin ich draußen, jetzt sind ein paar wenige Stunden schon vergangen und die Sonne steigt vorsichtig über die Berge, ich leichtem Blau zieht sich der Himmel über mir. Ich lege mich erneut hin, doch kann ich nicht mehr schlafen, mir geht es durch und durch. Alles in mir ist voll Erwartung und so frisch, eine angenehme Spannung. Ja, so soll es werden und so ist es richtig, was gibt es nicht immer hier neues.
                    Gerade ist der Morgen stattlich geworden, die Sonne beginnt, warm über die Landschaft zu scheinen, da geht es los, ich breche auf. Der Abschluss soll heute vollzogen werden, es fehlt noch die Vervollkommnung der Reise. Der letzte Gipfel wartet. Hinauf über die Hänge, noch muss ich ja hin gelangen. Wie fliegt der Schritt, kraftvoll geht es voran, weiter, weiter. Am See entlang, am glatten, da stand vor kurzem ja noch mein Zelt, vergeblich hatte ich abgewartet. Jetzt soll es gelingen, heute stimmt alles daran. Ich stehe am Fuße des Berges, inzwischen sind tief die Wolken herangezogen, tief stehen sie, verhangen ist das Haupt des Alten da vor mir. Weiter geht es, hoch über die Steine, der Weg ist nicht steil. Wie gut ich mich fühle, selbst das Knie behindert nicht mehr die gewohnten Schritte, auch wenn ich es häufiger spüre. Am Ende, schon ist der Gipfel zu erahnen, werde ich langsamer, wie viel geht da durch meinen Kopf und erfasst das Gemüt.
                    Dann stehe ich oben. Laut schallt es aus meiner Brust durch die Landschaft, drei Mal muss es hinaus, so voll ist mir. Vollendung, kostbare Veredlung des Schönen. Wahrlich, alles fühlt sich so richtig an und wunderbar, was hätte es mehr geben können. Unzählbar ist das Erlebte, so reich habe ich erfahren. Alles kommt hier und jetzt zusammen, heute wird es ein Ganzes. Acht Nachrichten habe ich am 8.8.2008 erhalten, wie gut hört sich das doch an. Die Drei und Sieben, was sind es nicht für besondere Zahlen, die haben auch alles auf der Reise geformt. Sieben mal sieben Tage ist es in allem, sieben Wochen genau. Die dritte Tour war es dieses Mal, das passt wohl. Ich befinde mich auch dem einundzwanzigsten Punkt über der besonderen 2000-Meter-Marke, da fällt das Rechnen jetzt auch nicht schwer. Mein Alter ist auch dasselbe geworden. 8.8. und sieben, war wirklich alles nur Zufall, mir wird ganz anders zumute.
                    Lange bin ich oben allein, das soll mir lieb sein. Doch geht es schließlich wieder zurück, ich will ja auch am Zelt noch ein wenig Zeit verbringen, scheint doch immer mal die Sonne zwischen den Wolken hervor und passt es ja auch in meine Gewohnheiten. Später Nachmittag ist es, als ich ankomme und lange noch am Sandstrand sitzen bleibe. Noch einmal springe ich in den See. Unter der Oberfläche gleite ich, von lauten kleinen Stichen wird die Haut im kalten Wasser bedeckt, für einen Augenblick bleibt die Zeit stehen. Wie sehr werde ich dieses Gefühl vermissen. Wie sehr genieße ich jetzt also noch auch diesen Tag. Der Abend wird erneut kalt und gemütlich liege ich noch im Schlafsack.
                    Wie lacht meine Seele, denke ich an alles Zurückliegende, kaum kann ich es fassen, so groß ist alles und wie ganz und gar reich fühle ich mich im Innern. Ja, ich habe heute etwas vervollkommnet, das mag ich kaum begreifen und schöner hätte es nicht sein können. Ich habe etwas abgeschlossen und ewig wird es mir bleiben. Immer weitere Reisen werden kommen, werden anders sein. Vielleicht sind sie dann nicht weniger schön, doch bleibt mir diese eine besonders, wohl eine von vielen besonderen. Zum richtigen Zeitpunkt, vollständig, findet sie jetzt ihr Ende.

                    > Besshoe 2258m
                    22km; 1375m hoch

                    Impressionen des Tages:


                    In der Nacht wird es feucht und kühl am Gjende



                    Weg Richtung Bessegen und Bessvatnet mit Blick über den Gjende



                    Der Gipfel der Besshoe



                    ...ein letztes Mal ganz oben



                    18.8.

                    Abgesang:


                    Ein letzter schöner Morgen, dann ist es vorbei...


                    ...und darauf...



                    ...und darauf...



                    ...kann man sich wieder eine ganze Zeit lang freuen
                    Zuletzt geändert von Issoleie; 26.11.2010, 11:13. Grund: neuer Bilderupload

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                    • Julia
                      Fuchs
                      • 08.01.2004
                      • 1384

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                      Hallo Florian,
                      nun muss ich Dir endlich auch hier zu Deiner tollen Tour gratulieren und mich für den aussergewöhnlich feinen Bericht bedanken. Es war immer sehr spannend, zu raten wo Du gerade unterwegs warst, und abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen hab ich auch immer richtig getippt . Ich habe das Lesen und die Bilder sehr genossen und auch so ein paar Fotolokationen gefunden, die wir für die neuen "Fjelltopper over 2000 meter" mal ausprobieren müssen .

                      Ich beneide Dich um die Zeit, die Du hattest. Wenn man mit so etwas buchmässig arbeitet, werden es meist nur rasche Touren, d.h. Tagestouren (zum Teil sehr lange) und sehr wenige Übernachtungstouren. So einfach einen ganzen Monat in Jotunheimen zu verbringen, sich einfach treiben zu lassen und zu sehen, was der Tag bringt, das würde ich gern einmal erleben. Andererseits hat man auf "Diensttouren" immer ein abgestecktes, konkretes Ziel, sei es ein Ort oder ein Fotomotiv. Sich auf einer Langtour immer neu zu motivieren, stelle ich mir als eine grosse Herausforderung vor, von der ich nicht wüsste, ob ich ihr gewachsen wäre.

                      Zu der Jotunheimen-Serie muss ich eigentlich noch anmerken, dass da der Band 1 (Bygdin, Gjende & Besseggen) auf den meisten (eigentlich allen) der von Dir besuchten Hütten in der Bibliothek auch zu finden hätte sein müssen...

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                      • RSous
                        Erfahren
                        • 28.11.2006
                        • 189
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                        • Meine Reisen

                        #31
                        AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                        Wow! Danke fürs teilen!
                        Es ist mehr wert, jederzeit die Achtung der Menschen zu haben, als gelegentlich ihre Bewunderung. Jean-Jaques Rosseau

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                        • Issoleie
                          Erfahren
                          • 29.10.2005
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                          #32
                          AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                          Entschuldigung an alle, die den Bericht in der Zwischenzeit mal lesen wollte und denen leere Links zu den Fotos zugemutet wurden. Ich habe alle wieder erneuert und der Text wird wieder bildreich begleitet.

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                            #33
                            AW: [NO] Worin suchen wir? - Immer in uns. / Der etwas andere Reisebericht

                            Danke für die Info. Ein guter Anlass, den gesamten Bericht wieder einmal zu lesen.

                            Für mich einer der besten hier im Forum.

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