[GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

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    • 23.02.2019
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    • Meine Reisen

    [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus


    Morgendlicher Blick vom Latpari-Pass auf den Hauptkamm des Kaukasus (Gipfel v.l.n.r: Tetnuldi 4858m, Gistola 4860m, Glavnaya Jangi 5074m, Shkhara 5193m).


    Zahlen, Daten, Fakten
    • Reisezeit: 14.09.19 (Start Mazeri) – 23.09.19 (Ankunft Chvelpi)
    • Bewegungstage: 7
    • Ruhetage: 3
    • Streckenlänge an den Bewegungstagen: ca. 87km
    • Positive Höhenmeter an den Bewegungstagen: ca. 6600m
    • Anzahl Personen: 2
    • Startgewicht Rucksäcke: 27kg/16kg



    Einleitung

    2015. Es war sein Geburtstag. Nennen wir die gefeierte Person Tom. An diesem Tag erzählte Tom ausgiebig von seinem vergangenen Auslandssemester in Russland. Neben dem allgemeinen Land schwärmte er auch von den Erfahrungen, die er mit der dortigen Küche gesammelt hatte. Auf die Frage, was ihm am besten gemundet habe, antwortete er „georgisch“. Der Abend und die Gespräche nahmen ihren Lauf und so wurde zu späterer Stunde die Frage nach den diesjährigen Urlaubsplänen gestellt. Tom sagte, er wolle nach Georgien reisen. „Georgien?“ - das Wissen in unserem Freundeskreis über dieses Land war sehr beschränkt, weswegen beinahe unisono die Frage konkretisiert wurde - „Warum dorthin?“. „Weil mir in Russland Georgisch am besten geschmeckt hat.“ antwortete Tom wie selbstverständlich. Somit war die Sache für Tom beschlossen, er reiste 2015 nach Georgien und wurde von der dortigen Küche – seiner Aussage nach – maßlos enttäuscht (Diese Einschätzung können wir absolut nicht teilen, hierzu später jedoch mehr.).

    Tom hatte neben der Kritik über die Küche jedoch auch Bilder und Erfahrungen mitgebracht, die uns interessiert aufhorchen ließen: Er sprach von unglaublich netten und hilfsbereiten Menschen, wenig Touristen und einer abgeschiedenen Bergwelt.
    Und so begann bereits 2016 der Gedanke in mir zu keimen irgendwann nach Georgien zu reisen. 2018 wurde schließlich aus dem Gedanken ein ausgewachsener Plan und meine Freundin und ich buchten für September 2019 Flüge von Dortmund nach Kutaissi.
    Wir planten in Swanetien zu wandern, da uns diese Region am meisten interessierte. In Swantien existiert eine der populärsten Mehrtageswanderungen Georgiens, welche in vier Tagen von Mestia nach Ushguli führt und mit spektakulären Aussichten aufwarten soll. Diese wollten wir uns nicht entgehen lassen, weswegen wir unsere Tour um diesen Weg planten. Um jedoch nicht Gefahr zu laufen später an der Perlenschnur zu wandern, modifizierten wir die Wanderung von Mestia nach Ushguli. Dies war für uns in der Planung problemlos möglich, da wir entgegen der meisten Wanderer auf diesem Weg mit dem Zelt unterwegs sein wollten.
    Die Verlängerung der Tour über Ushguli hinaus hatte ebenfalls mehrere Gründe: Einerseits erhofften wir uns vom Svanti-Kamm (Svaneti Range) aus tolle Blicke auf den Hauptkamm des Kaukasus und andererseits rechneten wir mit einer kürzeren Rückreise nach Kutaissi.

    Die tatsächliche Route findet sich nachstehend:

    Gewanderte Route von Mazeri nach Chvelpi. Z sind unsere Zeltplätze, H sind „Hotel“übernachtungen (Kartengrundlage: opentopomap.org) - klick für größere Ansicht.

    Da wir 2019 bereits in der Hardangervidda waren und dort über 9 Tage sehr viel Regen abbekommen haben, verständigten wir uns darauf, in Mestia und Ushguli in Unterkünften zu übernachten. Für den Fall, dass wir Probleme bekommen sollten z.B. aufgrund der doch recht vielen Höhenmeter, planten wir 2 Reservetage ein. Sofern wir sie nicht brauchen sollten, wollten wir einen in Ushguli nutzen, um den Ort und die Umgebung zu entdecken. Sollten alle Randbedingungen passen, würden wir mit dem anderen Reservetag am zweiten Tag ab dem Guli-Pass nicht direkt nach Mestia absteigen, sondern weiter über den Kamm zum Quellsee des Pushkueri aufsteigen, dort übernachten und dann weiter über den Kamm zu den Koruldi Seen und abschließend nach Mestia absteigen. Diese Option hat mich wegen der Ausblicke auf die Ushba sehr gereizt.

    Da wir gerne möglichst unabhängig unterwegs sind, hatten wir Essen für neun Tage dabei. Hätten wir in Ushguli keinen Pausentag einlegen können, hätten wir dort für die letzten zwei Tage Brot kaufen müssen.

  • NF
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    • 23.02.2019
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    • Meine Reisen

    #2
    AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

    Anreise nach Mazeri (13.09 – 14.09)

    Der Flug verlief problemlos, auch wenn wir in Dortmund zwei Stunden lang in einem hoffnungslos überfüllten Abflugbereich auf unseren Abflug warten mussten.

    Aus Deutschland hatten wir bereits ein Hotel in Kutaissi für die erste Nacht inkl. eines Flughafentransfers gebucht. In Kutaissi wurden wir von 28°C, strahlendem Sonnenschein und unserem Fahrer empfangen. Nachdem das Gas gekauft war, verließen wir den kleinen Flughafen und liefen in Richtung des Autos, einem Kia Picanto. Unser Fahrer sprach gut Englisch – was insbesondere in Swanetien die absolute Ausnahme war. Noch auf dem Weg zum Auto bot er uns an, uns am nächsten Tag nach Mazeri zu unserem Startpunkt zu fahren. Über den Preis verhandelten wir auf der Fahrt zum Hotel, wobei sein Argument für einen höheren Preis war, dass er für die Fahrt in die Berge einen sprithungrigen Geländewagen bräuchte. Eine Fahrt mit dem Kia Picanto wäre undenkbar. Vor diesem Hintergrund einigten wir uns schließlich auf einen Preis und vereinbarten die für georgische Verhältnisse scheinbar unmenschlich frühe Abfahrzeit von 7:30 Uhr.

    Dass die Uhren in Georgien etwas anders ticken merkten wir schließlich im Hotel, als uns gesagt wurde, dass es erst ab 8:30 (oder war es sogar 9:00) Frühstück gibt. „Naja, Pech gehabt“ dachten wir. Wir mussten ohnehin noch in die Stadt, um uns eine SIM-Karte und Bargeld zu holen. Auf dem Weg hätten wir auch etwas Essen für ein Frühstück holen können. Noch bevor wir im Hotel geduscht hatten rief jedoch der Rezeptionist an und fragte, ob es für uns ok wäre, wenn wir um 7 Uhr frühstücken. „Klar!“, wir waren von diesem Entgegenkommen sichtlich überrascht und natürlich auch dankbar, da sich hiermit die Organisation des eigenen Frühstücks erledigt hatte.

    Ohnehin war der Rezeptionist sehr nett und das Hotel - für das, was wir erwartet hatten - sehr gut! Deshalb buchten wir direkt zwei weitere Nächte am Ende unseres Urlaubs und vereinbarten, dass wir unsere Seesäcke (in denen wir unsere Rücksäcke während des Fluges transportiert hatten) im Hotel lagern dürfen. Dies war selbstredend überhaupt kein Problem.

    Kurzfristig entschied ich mich, meine Daunenjacke im Seesack im Hotel zu lassen, da ich mit diesen hohen Temperaturen nicht gerechnet hatte. Von der Vorbereitung wussten wir, dass die Wasserversorgung bei den zu überschreitenden Pässen teilweise schwierig sein würde. Da ich annahm, dass unser Wasserbedarf bei diesen hohen Temperaturen ungleich höher ausfallen dürfte als bspw. bei unserer Sarek-Tour 2018 war es mir lieber Wasser als eine Daunenjacke den Berg hoch zu tragen. Diese Entscheidung sollte ich noch bibbernd bereuen. Meine Freundin entschied sich übrigens ihre Daunenjacke mitzutragen…



    Blick aus unserem Hotelzimmer in Kutaissi.


    Nachdem wir unsere Erledigungen in Kutaissi schnell hinter uns gebracht hatten und wir in einem Schnellrestaurant zu Abend gegessen haben, gingen wir schlafen. Die Wahl des Schnellrestaurants als Stätte des Abendessens wurde nicht aufgrund der Meinung meines Freundes Tom, sondern vielmehr aufgrund der Vorsicht, dass wir nicht die Nacht vor der Tour auf der Toilette verbringen wollten, gefällt.

    Die Nacht war unruhig: Es hatte nur unwesentlich abgekühlt und es schien als wäre ganz Kutaissi auf den Beinen. Wir wurden mehrmals von quietschenden Reifen, heulenden Motoren und grölenden Menschen geweckt. Die Spannung vor der anstehenden Tour tat ihr übriges, dass die Nacht nicht sonderlich erholsam war.

    Nach unserem extra für uns angerichteten Frühstück wurden wir von unserem Fahrer abgeholt. Der für unsere sechsstündige Fahrt benötigte Geländewagen entpuppte sich als ein Opel Zafira älteren Baujahrs.

    Nach den ersten zwei Stunden Fahrt hielten wir in Zugdidi, der letzten Stadt vor den Bergen. Unser Fahrer, mit dem wir uns sehr gut verstanden, lud uns zum Frühstück ein. Eigentlich wollten wir nicht essen, schließlich hatten wir zwei Stunden zuvor schon gefrühstückt, allerdings ließ ich mich schließlich doch überreden. Meine Freundin lehnte mehrmals dankend ab. Sie hatte die zügige Fahrweise unseres Fahrers in den letzten zwei Stunden auf gerader Straße erlebt und blickte leicht pessimistisch auf die noch bevorstehenden vier Stunden in den Bergen… Er bestellte für uns und wir bekamen alle drei eine ordentliche Portion. Rückblickend muss es sich hierbei um Elardschi gehandelt haben: Es war ein sehr fester Mais/Käsebrei, wobei der Käse definitiv die Überhand hatte. Die zu einer dicken runden Scheibe geformte Masse wurde mit Messer und Gabel gegessen.

    Während ich – überwältigt von diesem mächtigen Gericht – bereits nach circa einem Drittel mit meinem Körper kämpfte, erzählte uns unserer Fahrer, dass das Frühstück (für ihn) die wichtigste Mahlzeit des Tages wäre. Ich hatte nicht einmal die Hälfte gegessen, da hatte unserer Fahrer seinen Teller bereits geleert. Meine Freundin probierte aus Höflichkeit ein kleines Stück, den Rest aß unserer Fahrer ohne ein Zeichen von sich anbahnender Sättigung hinterher. Er hatte das Essen vor mir beendet – und ich kann viel essen! Grob überschlägig denken wir, dass pro Portion mindestens 300g Käse enthalten war. Dies würde bedeuten, dass unserer Fahrer zum Frühstück entspannte 600g Käse gegessen hat.

    Die weitere Fahrt war, wie meine Freundin bereits befürchtet hatte, sehr kurvig und aufgrund der „sportlichen“ Fahrweise der Georgier und ihrer (vermeintlichen) Fähigkeit zum Multitasking beim Autofahren teilweise sehr Nervenzehrend. So hatten wir nur wenig Gelegenheit die Schönheit des Tales des Enguri zu genießen.
    Wir machten einen kurzen Zwischenstopp am Stausee des Enguri und erreichten um circa 14 Uhr Mazeri, wo es immer noch weit über 25°C heiß war, bei klar blauem Himmel.


    Der Stausee des Enguri.

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    • chri1
      Dauerbesucher
      • 08.11.2005
      • 532

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

      Sehr schön, ein Georgienbericht!
      Wir waren kurz nach euch da und ich bin immer noch begeistert. Mehr will ich aber nicht vorwegnehmen.

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      • Wafer

        Lebt im Forum
        • 06.03.2011
        • 8634
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        #4
        AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

        Hallo NF.

        Ein sehr vielversprechender Anfang! Ich freue mich auf die Fortsetzung! Von den Bergen im Kaukasus habe ich schon einiges gehört aber leider noch nichts gesehen. Bin gespannt wie ein Flitzebogen!

        Gruß Wafer

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        • NF
          Erfahren
          • 23.02.2019
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          #5
          AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

          Danke für eure Rückmeldung!

          Es geht gleich weiter.

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          • NF
            Erfahren
            • 23.02.2019
            • 200
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            • Meine Reisen

            #6
            AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

            Mazeri bis unterhalb des Guli-Passes (14.09)

            Nachdem wir uns gebührend von unserem Fahrer verabschiedet hatten standen wir nun allein am Startpunkt unserer Tour. Bei 25°C, sengender Sonne und voller Adrenalin. Dank intensiver Vorbereitung (wir hatten auf unseren beiden Handys die Tracks anhand von Kartenmetarial als gpx-Dateien hinterlegt und diese zusätzlich auf unser Inreach geladen) fiel die Orientierung leicht: Wir verließen Mazeri über einen staubigen Feldweg und bogen in das Flussbett des Gulichala ein. Dieser führte reichlich Wasser und wird von den Gletschern an der Südseite der Ushba gespeist.

            Am letzten Haus des Ortes wurden wir von aggressiv bellenden Hunden begrüßt, welche aber zum Glück durch einen stabilen Zaun von uns getrennt waren.



            Der Feldweg über den wir Mazeri verlassen haben. Im Hintergrund die Ushba.


            Das eingewachsene Flussbett des Gulichala. Im Hintergrund der Kamm den wir am nächsten Tag überqueren mussten. Der rechte Gipfel ist der Guli.


            Etwa einen Kilometer hinter dem letzten Haus begegnete uns auf einer stark abschüssigen Wiese ein Ochsenkarren voller Heu. Spätestens jetzt waren wir in Georgien angekommen.

            Unser Plan für den heutigen Tag war mindestens 700 Höhenmeter zu machen, damit wir am folgenden Tag - sofern wir uns für die Kammroute zum Quellsee des Pushkueri entscheiden sollten - schaffbare 1100 Höhenmeter machen müssten. Laut der Satellitenbilder und des verfügbaren Kartenmaterials sollte es einen kleinen Bach am Hang des Guli-Kammes geben, an dem wir zelten wollten. Bis dorthin musste unser Wasser reichen.

            Zunächst wurde das Tal des Gulichala immer tiefer und unser Weg, welcher mittlerweile ein angenehm begehbarer Pfad geworden war, entfernte sich immer weiter. Zwar hatten wir beim Verlassen des Autos die Wasserreserven unseres Körpers nochmal intensiv gefüllt, doch die mittlerweile überwundenen 400 Höhenmeter zehrten kräftig an diesen. Ohnehin glich unsere Wanderung eher einem Intervalltraining, in dem die nicht beschatteten Bereiche schnellstmöglich durchlaufen wurden und an den wenigen Schattenquelle dafür umso intensiver pausiert wurde.

            An den Ruinen der Gul Siedlung ergriffen wir die letzte Chance, stellten die Rücksäcke im Schatten eines Baumes ab und kletterten zum Fluss hinab, um unsere Wasservorräte aufzufüllen.



            Auffüllen der Wasservorräte auf Höhe der Ruine der Gul Siedlung.


            Die Ruinen der Gul Siedlung.


            Wir stiegen weiter auf und wurden mit atemberaubenden Blicken sowohl auf die Ushba als auch auf den gegenüberliegenden Svanti-Kamm mit seinem höchsten Gipfel der Leila (4009m) belohnt.



            Die Laila (4009m). Der höchste Gipfel des Svaneti Kammes, welcher Ober- und Niederswanetien trennt.


            Blick auf die Usba auf Höhe der Guli Hütten.


            Mittlerweile wurde es immer später, die Kräfte schwanden und wir beschlossen auf einer Höhe von ca. 2700m den in der Karte verzeichneten Wasserlauf zu suchen und nach einem geeigneten Zeltplatz Ausschau zu halten.



            Laut meiner Karte namenloser Gipfel unterhalb des Guli mit einer Höhe von 2764m. Im Hintergrund der Svaneti-Kamm mit seinen vergletscherten Gipfeln.


            Blick auf die Ushba auf Höhe der Stelle, wo wir nach einem geeigneten Zeltplatz suchten.


            Die Suche gestaltete sich jedoch sehr schwierig: Zwar war der eingezeichnete Wasserlauf schnell gefunden, allerdings war ein ebener Zeltplatz auch nach über einstündiger Suche nirgends zu finden. Auch die Tatsachen, dass der Wasserlauf nur ein Rinnsal war und es immer später wurde, trugen nicht zur Entspannung bei. Schließlich bauten wir unser Zelt auf einer auf den ersten Blick gar nicht so unbrauchbaren Stelle auf.



            Unser Zeltplatz am 14.09. mit Blick auf den Mazeri (4012m) und die (noch) wolkenverhangene Ushba.


            Die Stelle war leider ein gutes Stück von dem Rinnsal entfernt, sodass durch das Wasserholen und Filtern einige Zeit verstrich und wir von der kurzen Dämmerung überrascht wurden. Wir entschieden uns an diesem Abend nicht zu kochen, um hierfür nicht noch weiteres Wasser holen zu müssen.

            Von den Aufregungen der Autofahrt, der Zeltplatz- und Wasserlaufsuche und der Anstrengungen des Anstieges strapaziert, riefen wir über unser Inreach den Wetterbericht für die nächsten drei Tage ab. Auch diese Aussicht konnte unsere Körper nicht zu einem letzten Endorphinschub bringen: Aus den Piktogrammen war Bewölkung mit leichtem Regen abzulesen. Aus diesem Grund entschieden wir die Kammroute zum Quellsee des Pushkueri auszulassen und stattdessen am nächsten Tag über den Guli-Pass auf direktem Wege nach Mestia abzusteigen.

            Unmittelbar nach Sonnenuntergang lichteten sich die Wolken an der Ushba und das erste Mal sahen wir sie in ihrer vollen Pracht:



            Blick auf die nahezu wolkenfreie Ushba von unserem Zeltplatz unterhalb des Guli-Passes.


            Die Nacht war schrecklich: Wie auf dem obigen Bild erkennbar ist, haben wir das Zelt (warum auch immer) diagonal schräg zum Hang aufgebaut. So rutschten wir immer seitlich von unseren Isomatten. Rein längs schräg zum Hang ist nie ein Problem: Wir legen unsere Rucksäcke in die Apside am Fußende und verhindern so ein Wegrutschen in diese Richtung. Seitlich allerdings keine Chance. Das letzte Mal haben wir diesen Fehler im Sarek am Ufer des Laitaure gemacht und uns geschworen nie wieder unser Zelt so aufzubauen…
            Aufgrund des sehr unruhigen Schlafes war ich nachts mehrmals draußen, um den Vollmond zu bestaunen, der die Ushba in ein magisches Licht tauchte:



            Nächtlicher Blick auf die vom Vollmond angestrahlte Ushba.

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            • geige284
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              • 11.10.2014
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              #7
              AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

              Toller Start, ich bleibe gespannt dabei!
              Georgien und speziell die Kaukasus-Region steht schon eine Weile bei mir auf der Liste

              Ich hoffe, dass das bald mal Wirklichkeit wird!

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              • NF
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                #8
                AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                Zitat von geige284 Beitrag anzeigen
                Toller Start, ich bleibe gespannt dabei!
                Danke, ein bisschen musst du leider noch auf die Fortsetzung warten. Ich halte mich ran.

                Zitat von geige284 Beitrag anzeigen
                Georgien und speziell die Kaukasus-Region steht schon eine Weile bei mir auf der Liste

                Ich hoffe, dass das bald mal Wirklichkeit wird!
                Georgien ist ein wirklich tolles Land. Sowohl von den Leuten, als auch von der Landschaft.

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                • NF
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                  #9
                  AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                  unterhalb des Guli-Passes bis Mestia (15.09)

                  Am nächsten Morgen wurden wir wie immer früh wach, holten Wasser und frühstückten. Noch war das Wetter gut. Nur über dem Svaneti-Kamm sammelten sich ein paar dunklere Wolken.



                  Der morgendliche Blick aus unserem Zelt.


                  Nach dem Frühstück brachen wir schnell auf. Wir hofften, dass das gute Wetter bis zum Pass halten würde. Die verbliebenen 300 Höhenmeter waren steil und mühsam zu gehen: Einen echten Weg gab es nicht mehr, nur noch vereinzelte Tierpfade.



                  Noch ist der Himmel blau und die Ushba fast vollständig zu sehen.


                  Beim Aufstieg wurden die Wolken immer zahlreicher. Am Guli-Pass konnten wir in einem glücklichen Moment noch einen kurzen Blick auf die Ushba genießen, anschließend war sie bis zum Ende des Tages von dichten Wolken verdeckt.

                  Ihr habt wahrscheinlich gemerkt, dass der bisherige Bericht sehr Ushba-lastig ist. Seit dem Beginn der Planung dieser Tour bin ich von diesem Berg fasziniert und diese Faszination hat die Tour überdauert.



                  Blick vom Guli Pass (2961m) auf die Ushba. Der Himmel ist mittlerweile bedeckt.


                  Trotz der Wolken am Guli-Pass war die Aussicht sehr schön. In Richtung Westen konnten wir sehr weit in das Enguri-Tal sehen, über welches wir tags zuvor nach Mazeri gefahren sind.



                  Blick zurück nach Mazeri (Richtung Westen). Von Norden drängen tiefhängende Wolken rein.


                  Trotz allem trauerte ich immer noch der Kammroute zum Quellsee des Pushkueri nach: „War es wirklich richtig sich gegen diese Route zu entscheiden, auf die ich mich im Vorfeld sehr gefreut hatte?“ Hier am Guli-Pass waren wir am Scheideweg: entweder hinab nach Mestia oder hinauf zum Kamm. Plötzlich stellte ich innerlich die getroffene Entscheidung wieder in Frage, obwohl ich wusste, dass sie unter den gegebenen Randbedingungen die richtige war.

                  Über die Kammroute haben wir im Vorfeld nur äußerst wenige Informationen gefunden: In einem russischen Forum gab es ein paar Beiträge diesbezüglich, wobei jedoch nur äußerst wenige Bilder existierten und sich alle Routen von der von uns geplanten unterschieden.



                  Diese Richtung hätten wir für die Kammroute zum Quellsee des Pushkueri einschlagen müssen.


                  Nachdem die getroffene Entscheidung innerlich wehmütig gefestigt wurde, haben wir uns der vor uns liegenden Strecke zugewandt. Zwischenzeitlich öffneten sich die Wolken nach Osten und wir konnten die Bergspitzen der Gistola, des Katintayu und des Tetnuldi sehen. Alle diese Berge sollten unsere Tour in den folgenden Tagen prägen.



                  Blick Richtung Osten. Mestia liegt rechts unten hinter dem Kamm verborgen. Im Hintergrund sieht man die Gipfel der Gistola, des Katintayu und des Tetnuldi (v.l.n.r) und die zur Erschließung des Skigebietes gebaute Schotterpiste.


                  Am Abend zuvor hatten wir beschlossen, dass wir am Pass unsere Handys aus dem Offline-Modus wecken würden, um eine Unterkunft in Mestia zu buchen. Zu unserer großen Überraschung hatten wir besten 4G Empfang und buchten eine Unterkunft. Nach der Pause am Pass begannen wir mit dem Abstieg von 1600 Höhenmetern nach Mestia. Für die ersten circa 400 Höhenmeter war der Weg steil, anschließend war es einfaches Bergwandern bis zur Schotterpiste zu den Koruldi Seen.



                  Blick nach Süden auf Höhe der Querung des Pushkueri Baches.


                  Bei der Querung des Pushkueri Baches kamen abermals kurzzeitig wehmütige Zweifel auf, ob nicht die Kammroute die bessere Wahl gewesen wäre, schließlich hatte es noch keinen Tropfen geregnet und es war mittlerweile Nachmittag. Doch für die Kammroute war es jetzt zu spät.



                  Blick zurück zum Guli-Pass. Der rechts verlaufende Kamm wäre unsere alternative Route gewesen.


                  Ab der Schotterpiste begannen wir die nächsten Tage zu planen: Der Wetterbericht auf unserem Handy sagte für den nächsten Tag vormittags Sonne voraus. Die Tage danach sollten jedoch stark verregnet sein. So beschlossen wir am nächsten Tag so früh wie nur möglich aufzubrechen, um die Sonne zu nutzen. Entgegen der Standard-Route von Mestia nach Ushguli wollten wir nicht im Tal wandern, sondern uns über den Hausberg von Mestia - den Zuruldi-Rücken - dem Tetnuldi nähern. Hierzu müssten wir direkt am nächsten Morgen 1200 Meter aufsteigen.
                  Mit den Höhenmetern der letzten beiden Tage in den Beinen war die Aussicht auf die auf den Zuruldi-Rücken führende Hatsvali Seilbahn sehr verlockend…



                  Bergstation der Hatsvali Seilbahn.


                  Blick nach Norden zur russischen Grenze.


                  Wir kürzten die Fahrstraße durch steile Waldwege ab und erreichten am frühen Abend Mestia. Der heutige Tag und insbesondere die letzten steilen 800 Höhenmeter durch den Wald waren sehr anstrengend.



                  Links im Bild: der Dalrakora (3430m). Dahinter die Gletscher des Hauptkaukasuskammes.


                  Aussicht auf Mestia. Links im Bild die Ausläufer des Zuruldi-Rückens, welchen wir am nächsten Tag bestiegen. Im Hintergrund der Svaneti-Kamm.


                  Die berühmten Wehrtürme Swanetiens.


                  In unserer Unterkunft wurden wir herzlich von unserer Gastmutter empfangen. Unser Zimmer war sehr schön und hatte sogar eine Waschmaschine.

                  Bevor wir zum Abendessen in den Ort gingen, warfen wir noch einen Blick auf die Karten und den Wetterbericht: Nach unserem ursprünglichen Plan wollten wir auf dem Zuruldi-Rücken zelten. Dort lagen laut Satellitenbilder zwei kleine Teiche. Nach den Erfahrungen des beinahe ausgetrockneten Bachlaufes am Guli-Pass wollten wir uns hierauf aber nicht verlassen: Unterhalb des Rückens sollte ein kleiner Bachlauf in Richtung Tsvirmi existieren, welchen wir jedoch ebenfalls als unsicher einstuften. Bis dahin waren es circa 17 Kilometer mit 1400 Höhenmetern. Die nächste sichere Wasserquelle lag erst am Hang des Tetnuldi und war weitere 10km mit zusätzlichen 900 Höhenmetern entfernt. Im schlimmsten Fall lagen dementsprechend knapp 27 Kilometer mit 2300 Höhenmetern am nächsten Tag vor uns.

                  Entmutigt von dieser Aussicht zogen wir wieder die Seilbahn in Erwägung. Nachdem man uns mitteilte, dass diese erst um 10 Uhr öffnet und nur bis zur Mittelstation fährt, hatte sich diese Option für uns erledigt.

                  Der Abend in Mestia war sehr schön. Das Essen war vorzüglich, die Menschen sehr hilfsbereit und überall großartige Musik! Hätten wir geahnt, was uns übermorgen erwarten sollte, so wären wir wahrscheinlich in Mestia geblieben.
                  Zuletzt geändert von NF; 06.05.2020, 07:23.

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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                    Mestia bis unterhalb des Ldzhira (16.09)

                    Am nächsten Morgen brachen wir vor Sonnenaufgang auf. Aufgrund der Wetteraussichten und der Wasserversorgung sahen wir uns mit dem Tagesziel unterhalb des Tetnuldi konfrontiert, was über den Zuruldi-Rücken knapp 27km mit 2300 Höhenmeter bedeutet hätte. Einmal zuvor haben wir eine Tagesetappe von 30km in Angriff genommen. Das war vor 3 Jahren in Island und dort waren es maximal 600 Höhenmeter. Nach dieser Tour haben wir uns geschworen: Nie wieder! Aus diesem Grunde haben wir am Abend zuvor einen Fahrer organisiert, welcher uns die ersten 5 Kilometer und 450 Höhenmeter bis nach Heshkili mitnahm. Der Weg bis dorthin wäre auf einer Schotterpiste verlaufen, was wir uns hiermit erspart haben.

                    So starteten wir die heutige Etappe ausgeschlafen und gut erholt um 6:30 Uhr in Heshkili. Blieben noch circa 22 Kilometer und 1850 Höhenmeter bis zu unserem Ziel.

                    Doch erstmal versuchten wir schnellstmöglich den weiteren Aufstieg bis zur Bergstation der Hatsvali Seilbahn hinter uns zu bringen. Der Himmel war klar und der Blick durch die Bäume versprach grandiose Aussichten.



                    Das erste Sonnenlicht strahlt die Laila (4009m) an (Blick nach SW).


                    Das Tal des Enguri im Westen.


                    Bis zur Bergstation waren es circa 4km mit 500 Höhenmetern. Wir kamen sehr gut voran: Der Weg war gut und das Wetter stimmte uns zuversichtlich.



                    Von der Nacht gefrorene Wiese mit händisch aufgetürmten Heuhaufen.


                    Nach weniger als 1,5h kamen wir an der Bergstation an. Die Rundumsicht war grandios: Im Norden die Ushba, im Westen das Enguri-Tal mit der Laila, im Süden der weitere Svaneti-Kamm und im Westen im Dunst die 5000er des Hauptkammes.



                    Die Ushba. Den Guli-Pass auf der linken Seite haben wir tags zuvor überschritten. Der unmittelbar vor der Ushba liegende Grat, welcher den Guli-Rücken mit dem rechten Rücken (Tskhakzasari) verbindet, wäre die Kammroute zum Quellsee des Pushkueri gewesen.


                    Detailansicht der Ushba und der Pushkueri Kammroute.


                    Wir pausierten kurz an der Bergstation, welche – obwohl nicht in Betrieb – leider stark vermüllt war. Wir waren heute wahrscheinlich die ersten Menschen hier oben, weswegen wir die Aufmerksamkeit eines kleinen Hundes erregten. Dieser versprach sich wohl etwas Essbares von uns.

                    Wir ließen uns von ihm nicht beirren und setzten unseren Weg zum Mentashi Sendemast fort, welcher am höchsten Punkt des Zuruldi-Rückens lag. Bis dorthin waren es circa 3km mit weiteren 200m Anstieg. Doch hier auf dem Kamm ging es sich fast wie von allein: die Sonne schien, die Aussicht war grandios und der Weg über die Wiesen machte Spaß.



                    Der Tetnuldi und die 5000er des Hauptkammes im Dunst. Markante Gipfel v.l.n.r: Lialver (4355m), Gistola (4860m), Tetnuldi (4858m), Glavnaya Jangi (5076m), Shkhara (5193m), Ailama (4547m), Black Neznakomka (4484m).


                    Blick zurück in Richtung des Svaneti-Kammes. Rechts im Bild: die Laila (4009m), links der Gvadarashi (3752m).


                    Unser Weg zu den Sendemasten.


                    Wir folgten einem bewachsenen Feldweg bis zu den Sendemasten. Und obwohl wir alles versuchten, ihn loszuwerden, folgte uns der Hund von der Bergstation der Hatsvali Seilbahn unbeirrt weiter.



                    Unser Begleiter. Stets mit Sicherheitsabstand. Wir haben ihn liebevoll Gollum genannt.


                    Das dichte Tal des Enguri. Im Hintergrund der Svaneti-Kamm (Blick nach SW). Wir befanden uns circa 1000m oberhalb des Talgrundes.


                    Selbst als wir hinter den Sendemasten den Weg verloren und 80m steil durch den Wald hinabklettern mussten, ließ sich Gollum nicht beirren. Er folgte.

                    Infolge des Kletterns durch den Wald hatten wir circa eine halbe Stunde verloren. Mittlerweile war es Vormittag und vor uns lag noch einiges an Strecke.



                    Kurz hinter den Sendemasten konnte man den weiteren Weg gut überblicken. Rechts im Bild: der Tetnuldi.


                    Auf dem Zuruldi-Rücken taten sich immer wieder Gegenanstiege auf, weswegen die Beine langsam aber sicher schwerer wurden.



                    Blick zurück: Rechts die mittlerweile Wolkenverhangene Ushba. Links der Grat, welcher zum Sendemast führt.


                    Die in der Karte zunächst als Zeltstelle auserkorenen Teiche waren in Wirklichkeit nicht mal diesen Namen wert: Es waren zwei kleine, beinahe ausgetrocknete Sümpfe. Wir waren froh, dass wir uns hierauf nicht verlassen haben.
                    Nichtsdestotrotz brauchten wir mittlerweile etwas Wasser. Am Abend zuvor hatten wir in der Karte einen kleinen Wasserlauf oberhalb des Ortes Tsvirmi gesehen, welchen wir nun ansteuerten. Die Quelle des Wassers war leicht verbaut. Der Grund erschloss sich uns nicht. Vielleicht sollte dort ein Brunnen gebaut werden?
                    Wir machten intensiv Pause, filterten Wasser und füllten unsere Vorräte auf. Gollum tat es uns (ungefiltert) gleich.



                    Quelle des Wasserlaufes oberhalb von Tsvirmi, wo wir unsere Wasservorräte auffüllten.


                    Mittlerweile war später Mittag und es zogen weitere Wolken auf. Hierbleiben wollten wir nicht. Der Wetterbericht sagte für den kommenden Tag 45l/m² Regen voraus. Wir wollten heute so weit es ging kommen, um am nächsten Tag abzuwettern. Die nächste passable Stelle hierzu erschien uns der sichere Wasserlauf am Hang des Tetnuldi. Also nahmen wir die weiteren 10km mit 900 Höhenmeter in Angriff.

                    Nach dem Abstieg zum Ugviri-Pass, über welchen die Straße nach Ushguli verläuft, sollte unser Weg bis zur Mittelstation der neuen Seilbahnen des Skigebietes Tetnuldi in Form einer Baustraße folgen. In der Vorstellung kein schöner Weg und in Realität mit Gepäck und schon einigen Kilometern in den Beinen auch nicht.

                    Selten begegneten uns ein paar größere LKW, welche Baumaterial nach oben brachten. Ansonsten war es ruhig. Zwischenzeitlich haderten wir mit dem Gedanken uns von den Fahrzeugen mitnehmen zu lassen. Aber nachdem wir bereits am Morgen abgekürzt hatten, kam dies nicht in Frage.
                    Zu Beginn genossen wir noch die Aussicht in das Tal-Ende des Mestia-Tales. Später waren wir nur noch mit Gehen beschäftigt.



                    Blick nach Chvabiani, Tsaldashi und Zhabeshi – das Tal-Ende des Mestia-Tales.


                    Mittlerweile war der Himmel dunkel bewölkt. Die Wolken hingen aber hoch.



                    Der Himmel wird dunkler. Das Tal-Ende.


                    An der Talstation der neuen Seilbahn wurde intensiv gearbeitet. Gollum, welcher uns bis hierhin gefolgt war, sah die Menschen und rannte auf diese zu, als hätte er alte Freunde wiedererkannt. Hier trennten sich unsere Wege.
                    Während wir zuvor auf der Schotterstraße einen Fuß vor den anderen setzten, waren wir zu dem Schluss gekommen, dass uns Gollum wohl bis zu unserem Zeltplatz folgen würde. Der nächste Regentag wäre für ihn dort aber alles andere als angenehm geworden. Wahrscheinlich wusste er zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als wir, weswegen er für sich den Ausstieg an der Talstation wählte.

                    Kurz hinter der Talstation vereinigte sich die Schotterpiste mit dem aus dem Tal kommenden offiziellen Wanderweg von Mestia nach Ushguli. Bereits nach einem Kilometer zweigte dieser Weg allerdings nach Adishi ab. Wir stiegen weiter auf.



                    Der Weg auf der Schotterpiste, die Mittelstation der Seilbahn fest im Blick.


                    Ein letzter Blick zurück, bevor wir uns nach Süd-Osten wandten: Die Ushba ist von dunklen Wolken verhüllt.


                    An der Mittelstation (Höhe circa 2700m) bogen wir nach Süd-Osten auf den oberen Weg nach Adishi ab. Die Freude die Schotterpiste hinter uns zu lassen kämpfte gegen die Ermüdung an – und verlor. Wir wollten nur noch einen brauchbaren Platz für unser Zelt finden und schlafen.

                    Circa 1,5km hinter dem Abzweig erreichten wir den Bach, an welchem wir zelten und abwettern wollten. Da die verschiedenen Wettermodelle (da wir Internet hatten, konnten wir die Multimodellvorhersage von Kachelmann Wetter nutzen) mittlerweile von Regenmengen von 50-60l/m² für den Folgetag sprachen, suchten wir nach einem Zeltplatz, welcher nicht zu nah am Hang und leicht erhöht gelegen war, um nicht weggespült zu werden. Nach circa 30min fanden wir einen unter diesen Kriterien brauchbaren Platz, bauten das Zelt auf, kochten und gingen müde ins Bett.

                    Wie kritisch die Wahl unseres Zeltplatzes gewesen sein sollte, zeigte sich erst am nächsten Nachmittag…



                    Unser Zeltplatz am Fuße des Ldzhira. Hier wollten wir abwettern.

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                    • Freedom33333
                      Dauerbesucher
                      • 09.09.2017
                      • 898
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                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                      Toller Bericht aus einer mir völlig unbekannten Gegend, vielen Dank! Das mit dem ersten schrägen Zeltplatz kann ich sehr gut nachvollziehen, ich war auch schon öfters mal etwas unpräzise bei der Zeltplatzsuche und das mit dem Schrägen ist in der Tat echt lästig. Nur hat man dann ja abends, wenn man einmal liegt, wenig Lust, nochmal umzubauen. Wobei der erste Zeltplatz schon so ziemlich schräg aussieht, also quasi "vertikal".

                      Ein für mich neues Element ist, dass die Wassersuche dort so schwierig ist. Ist das generell in höheren Lagen so (auch in den Alpen etc.) oder spezifisch für dieses Gebirge? Wie viel Wasserkapazität hattet ihr dann denn jeweils die ihr aufgefüllt habt?

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                      • chri1
                        Dauerbesucher
                        • 08.11.2005
                        • 532

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                        Wir waren ja auch um die Zeit in der Gegend unterwegs. Je nach Zeltplatz muss natürlich vorgesorgt werden, aber das ist ähnlich wie in den Alpen (Blick in die Karte nach Wasserlauf - wir hatten da keine negativen Überraschungen). Im Herbst kann es immer mal trockener sein, obwohl das ja in der Besuchswoche vom vorliegenden Bericht nicht der Fall gewesen zu sein scheint.

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                        • NF
                          Erfahren
                          • 23.02.2019
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                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                          Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                          Toller Bericht aus einer mir völlig unbekannten Gegend, vielen Dank!
                          Danke für das Lob, sehr gern!


                          Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                          Das mit dem ersten schrägen Zeltplatz kann ich sehr gut nachvollziehen, ich war auch schon öfters mal etwas unpräzise bei der Zeltplatzsuche und das mit dem Schrägen ist in der Tat echt lästig. Nur hat man dann ja abends, wenn man einmal liegt, wenig Lust, nochmal umzubauen. Wobei der erste Zeltplatz schon so ziemlich schräg aussieht, also quasi "vertikal".

                          Wie oben geschrieben, war der Platz wirklich unglücklich gewählt, wobei es in dem Hang keine bessere Stelle gegeben hätte. Unten im Tal hätte man gut zelten können (dort wäre die Wasserversorgung auch gesichert), oder oben am Guli-Pass. Dort hätte es aber kein Wasser gegeben. Nächstes Mal bei einem solch schrägen Zeltplatz bauen wird das Zelt aber definitiv nicht diagonal schräg auf sondern nur in Kopf-Fuß-Richtung.



                          Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                          Ein für mich neues Element ist, dass die Wassersuche dort so schwierig ist. Ist das generell in höheren Lagen so (auch in den Alpen etc.) oder spezifisch für dieses Gebirge? Wie viel Wasserkapazität hattet ihr dann denn jeweils die ihr aufgefüllt habt?
                          Die Antwort von chri1 trifft es.

                          Im Herbst können aufgrund fehlender Schneeschmelze einige Bachläufe ausgetrocknet sein. Dies trifft aber auf viele Regionen zu. Gletscher gespeiste Wasserläufe sind da eher unproblematisch.
                          Bei der Planung unserer Tour und der potentiellen Schlafplätze hatten wir das berücksichtigt. Auch das Rinnsal der ersten Nacht reicht, etwas mehr Wasser ist natürlich komfortabler.
                          Bei der zuletzt beschriebenen Überschreitung des Zuruldirückens gab es keine Möglichkeit das Wasser nachzufüllen. Erst an der beschriebenen Quelle kurz vor dem Ugviri-Pass.
                          Da wir in so einer Situation lieber auf Nummer sicher gehen wollen, hatten wir für die Überschreitung unsere Trink-Wasserreserven vollständig gefüllt (5l). An der Quelle haben wir circa 4l gefiltert, wovon wir 2l vor Ort getrunken haben und für den weiteren Weg noch 2l mitgetragen haben.
                          3l müsste auch ungefähr die Menge gewesen sein, die wir am ersten Tag zum Aufstieg in Richtung Guli-Pass mithatten.

                          Im weiteren Verlauf hatten wir immer so circa 3-5l mit. Nur einmal haben wir 9l Wasser einen Berg hochgeschleppt, weil wir geplant hatten auf dem Berg zu zelten (wo es kein Wasser gegeben hätte).


                          Zum Vergleich: Im Sarek hatten wir maximal 1l Wasser dabei. In der Hardangervidda teilweise noch weniger.



                          Zitat von chri1 Beitrag anzeigen
                          Im Herbst kann es immer mal trockener sein, obwohl das ja in der Besuchswoche vom vorliegenden Bericht nicht der Fall gewesen zu sein scheint.
                          Ich versuche schnellstmöglich weiterzuschreiben, damit wir uns über eure Erlebnisse am 17.09. (und danach) austauschen können!


                          Viele Grüße
                          Flo

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                          • NF
                            Erfahren
                            • 23.02.2019
                            • 200
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                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                            Abwettern unterhalb des Ldzhira (17.09)


                            In der Nacht regnete es kräftig durch. Pünktlich zum Frühstück (circa 9 Uhr) ergab sich jedoch eine einstündige Regenpause, die ich zum Fotografieren nutze:



                            Dunkle Wolken im Süden.


                            In Ansätzen zu erkennen: Die kleine Erhebung, auf der unser Zelt stand (links). Rechts daneben, der Einschnitt des von uns genutzten Wasserlaufes.


                            Blick nach Westen: Rechts der Zuruldi-Rücken, über den wir am Vortag gelaufen sind. Auf der markantesten der Erhebungen stehen die Mentashi Sendemasten.


                            400 Höhenmeter tiefer verläuft der Weg nach Adishi (laut Karte müsste er am oberen Waldrand liegen).


                            Im Norden unseres Zeltplatzes lag u.A. der Gipfel des Ldzhira (3469m).


                            Kurze Zeit später waren die Gipfel wieder in den Wolken.


                            Nach dieser einstündigen Unterbrechung zogen wir uns in unser Zelt zurück, lasen und studierten die Wettermodelle von kachelmannwetter: Die Vorhersage war unverändert. Über den verbleibenden Tag war Dauerregen mit einem kumulierten Niederschlag von 40l/m² angesagt. Da unser Zelt und unser Platz die Nacht bereits sehr gut überstanden hatten, machten wir uns (noch) keine Sorgen.

                            Gegen Mittag war trotz Regen erkennbar, dass die Ausläufer der Berge hinter uns mit Schnee gesäumt waren. Geschätzte 200 Höhenmeter über uns blieb der Schnee liegen. So kalt kam es uns gar nicht vor. Wo kam plötzlich diese Kaltfront her? Einen Tag zuvor waren wir noch im Pullover unterwegs gewesen.

                            Der anschließende Blick auf die Wettermodelle zeigte dann das wahre Ausmaß des Problems: Im Modell Europa HD wurde ab 15 Uhr potenziell Gewitter vorhergesagt. Auch wenn alle anderen sieben Modelle (noch kein) Gewitter prognostizierten, reichte diese Nachricht zusammen mit dem Temperatursturz aus, um uns stark zu beunruhigen: Wir hatten unseren Zeltplatz extra etwas „exponierter“ gewählt, um den Regenmassen bestmöglich begegnen zu können, nicht, um ein Gewitter abzuwettern.
                            Es vergingen keine 20 Minuten, in denen wir damit beschäftigt waren, zu überlegen was wir unternehmen könnten, da hörten wir in der Ferne bereits das erste Grollen. Viele Optionen bleiben uns nicht: Wir erarbeiteten im Detail zwei Varianten:
                            1. Anziehen der vollen Regenmontur und 50m in den Einschnitt des Wasserlaufes neben unserem Zelt absteigen. Da mittlerweile mehr Wettermodelle von Gewitter sprachen und diese bis zum Abend andauern sollte, würde dies eine langwierige, nasse und kalte Angelegenheit werden.
                            2. Wir bleiben im Zelt, versuchen um uns den Ansatz eines Faraday’schen Käfigs zu bauen und kauern uns bestmöglich isoliert in die Zeltmitte. Diese Option wäre trocken, warm, aber ungemütlich.


                            Wir entschieden uns für die 2. Option. Welche der beiden Optionen aus der Ferne betrachtet die sichere gewesen wäre, kann ich abschließend nicht beurteilen. Vieles ist an dieser Stelle Stochastik, wobei als Eingangsgrößen genaue Wetterdaten, Geländegeometrie, Beschaffenheit des Geländes und weitere Faktoren eingehen würden, die wir weder vor Ort im Detail fassen konnten noch zum jetzigen Zeitpunkt nachträglich bewerten können.

                            Ausschlaggebend für unsere Auswahl war folgender Punkt: Wir befanden uns auf einer Höhe von circa 2700m. Der nächstentfernte Gipfel war 3200m hoch und circa 1km entfernt. Wir hofften, dass wir von diesem exponierteren Ziel zumindest leicht beschattet werden würden.

                            Das Gestänge unseres Zeltes bestand aus Aluminium, sollte dementsprechend elektrisch gut leitend sein. Das einzige, was wir in unserer Situation ändern konnten, war der Übergang des Gestänges in den Boden: Wir fuhren unsere (Alu-)Trekkingstöcke auf die maximale Länge aus, steckten diese circa 20cm in den mittlerweile weichen Boden und banden die Stöcke fest an das Gestänge. So hofften wir, die über uns Insassen im Zelt abgebaute Spannung im Falle eines Blitzeinschlages, reduzieren zu können. Unseren Wiederstand gegenüber dem Boden versuchten wir dadurch zu erhöhen, dass wir uns auf unsere voll aufgeblasenen Isomatten in unsere Schlafsäcke setzten. Hierbei saßen wir in der höchsten Stelle des Zeltes.
                            So harrten wir circa zwei Stunden aus und hörten wie die Blitze direkt neben uns in die Berge einschlugen und unser Innenzelt in sonnenhelles Licht tauchten.
                            Nachdem es schien, dass sich das Gewitter entfernte, befragten wir erneut den Wetterbericht und mussten feststellen, dass der Spuk noch weitergehen sollte. Auf der (groben) Karte von wetteronline konnte man große Gewitterzellen sehen, die von Westen auf uns zukommen sollten und uns circa um 20 Uhr erreichen würden. Mittlerweile waren unsere Nerven stark strapaziert. Wir aktualisierten minütlich die Karte und hofften, dass die Gewitter abziehen würden. Der Blick aus dem Zelt bestätigte jedoch die Vorhersage: Aus Westen zogen schwarze Wolken auf und es donnerte bereits weit entfernt. Wir stellten uns auf das nächste Gewitter ein, doch nach 30 Minuten hörten wir keine Donner mehr und auch die Karte zeigte, dass die Gewitterzelle an uns vorbeiziehen würde.

                            Vor lauter Anspannung hatten wir keinen Hunger. Es dämmerte mittlerweile und wir waren sehr müde. Auch der Regen hatte aufgehört. So fielen wir in einen unruhigen Schlaf, jederzeit bereit vom nächsten Gewitter geweckt zu werden.
                            Am nächsten Morgen wurden wir vor Sonnenaufgang wach: Die Wolken waren weg aber unser Zelt war von einem 5mm dicken Eispanzer überzogen. In der Nacht war das auf dem Zelt befindliche Wasser gefroren. So mussten wir mit dem Aufbruch bis zur Sonne warten. In diesem Zustand war der Zeltabbau sinnlos. Doch der wolkenlose Himmel und die im Tal wabernde geschlossene Wolkendecke weckte die Vorfreude auf den nächsten Tag und ließ die Zeit bis zum Sonnenaufgang schnell vergehen.



                            Die Berge des Svanti-Kammes sind vom Neuschnee des Vortages gezuckert.


                            Detailansicht der Laila. Das Tal liegt im Nebel.


                            Die zur Erdung eingesetzten Trekkingstöcke an unserem von Eis überzogenen Zelt. Im Hintergrund der Neuschnee des Vortages.

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                            • chri1
                              Dauerbesucher
                              • 08.11.2005
                              • 532

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                              Sehr schöner Zeltplatz, das mit dem Faraday-Käfig und Zelt scheint mir eher ungenügend zu sein. Aber wir haben auch schon beide Strategien gleichzeitig angewandt (ich bin im Zelt geblieben), war gar nicht so weit entfernt - im Kaçkar.

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                                #16
                                AW: [GE] von Mazeri nach Chvelpi – 87km im Kaukasus

                                Sorry für die späte Rückmeldung.
                                Dass das kein guter Faradayscher Käfig ist, war uns klar. Wir dachten in der Situation jedoch, dass das besser als nichts ist.

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