Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Am vorletzten Tag haben wir das Paradies gefunden. Eine kleine Felseninsel im Torneälven, mitten auf der schwedisch-finnischen Grenze, mit gerade genug ebener Fläche um ein Zelt aufzustellen, einem kleinen Sandstrand für die Boote, und ansonsten schroffen Felsen, an denen man ein wenig klettern kann. Dazu rauscht der Fluss und es geht ein leichter Südwind, der die Mücken vertreibt und uns Abkühlung verschafft, denn heute erreichen wir für Lappland erstaunliche 28°C, und auch nachts wird es wegen der ewig scheinenden Mitternachtssonne nicht wirklich kalt. Der perfekte Ausklang für eine wunderschöne Reise durch die schwedische Wildnis. Aber vielleicht sollte ich doch von vorn anfangen:
Vorbereitung
Nachdem wir mit unserem Adventure X2 Packraft schon zahlreiche kleine und auch eine größere Tour in Portugal unternommen hatten, wollten wir in diesem Sommer endlich eine lange Reise durch die Wildnis und mit richtigem Wildwasser durchführen. Zuerst hatte ich an Kanada gedacht, die komplizierte Logistik und hohen Kosten für die Anreise brachten uns aber schnell dazu, unsere Pläne nach Skandinavien zu verlegen. Auf dem nördlichen Kungsleden hatten wir schon eine Wintertour unternommen, die Anreise nach Kiruna per Nachtzug war attraktiv, und so studierte ich die Flüsse in der Umgebung auf Karten, im DKV-Kanuführer und im Internet. Ich kam dann schnell auf den Lainioälven: Maximales Wildwasser der Stufe 2+ macht ihn sehr anfängertauglich, die Erreichbarkeit mit dem Bus von Kiruna ist einfach, und die Lage versprach echte Wildnis und Einsamkeit, aber trotzdem mehrere Ausstiegsmöglichkeiten. Ansonsten fand ich nur spärliche Informationen zum Flussverlauf, was meinen Entdeckergeist noch verstärkte.
Wir planten etwa 12 Tage für die Tour, gerade wegen des vielen Gepäcks wollten wir die Packrafts als Einer fahren: So hatte ich endlich einen Grund mir ein zweites Packraft, das Alligator 2S Pro zu kaufen. Dankeschön nochmal an Libertist für die nette Beratung!) Um unser Setup auszuprobieren, unternahmen wir noch eine Wochenendtour auf der Eger in Tschechien. Ansonsten waren wir mit unserer Ausrüstung gut vertraut, nur einen Satellitenmessenger lieh ich mir noch hier im Forum wegen der erwarteten schlechten Netzabdeckung – die dann doch besser war als gedacht, ich habe das Gerät nur einmal zum Abruf von Wetterdaten verwendet. Aber trotzdem fühlt man sich damit natürlich sicherer. (Vielen Dank an Wolfgang für die Möglichkeit des Verleihs!) Den wesentlichen Anteil an der Vorbereitung hatte dann aber Jannika, die Essen für 12 Tage vorbereitete, darunter viele selbstgedörrte Gerichte, die wirklich großartig schmeckten und für ausreichend Abwechslung sorgten!
Anreise & Tag 1
Auch wenn wir vorher lange darüber diskutieren und verschiedene Bahnverbindungen suchen, erweist sich der Flug von Berlin nach Stockholm letztlich leider doch als bei Weitem einfachste Anreise. In Stockholm verbringen wir eine Nacht und nehmen wir uns einen Tag Zeit, um die ausgesprochen schöne Stadt zu erkunden. Im ostasiatischen Museum gibt es eine sehenswerte Fotoausstellung zu koreanischen Taucherinnen, und wir können letzte Besorgungen wie Gaskartuschen machen. Abends besteigen wir den Nachtzug nach Kiruna. In unserem 6er Schlafabteil lernen wir ein schwedisches Paar aus Kiruna kennen, das gerade von einer Deutschlandreise zurückkommt und uns noch einige Tipps für unsere Tour gibt. Am nächsten Morgen kommen wir ausgeschlafen in Kiruna an. Die Nachtzugfahrt ist wirklich die bequemste Art der Anreise. In Kiruna warten wir noch zwei Stunden im Cafe auf den Bus, der uns nach weiteren zwei Stunden Fahrt am frühen Nachmittag endlich an unser Ziel bringt: Die Brücke über den Lainioälven bei Nedre Soppero.
Auf dem kleinen Sandstrand blasen wir unsere Boote auf, und machen dabei gleich Begegnung mit den zahlreichen Mücken, die sich auch für den Rest der Reise sofort auf uns stürzen werden, sobald wir Land betreten. Wir beilen uns, loszupaddeln, und auf dem Wasser lassen die Biester uns zum Glück in Ruhe. Der Fluss ist hinter der Brücke zunächst seeartig verbreitert, das Wasser ruhig, und ich ärgere mich schon, dass er mir vielleicht doch zu langweilig ist: Aber nach kurzer Strecke beginnen die ersten kleinen Wildwasserabschnitte, in einer Kurve wird es dann sogar ziemlich wild, ich freue mich, genau das gefunden zu haben, wonach ich suchte. Nur ist man an diesen Stellen natürlich so aufs Paddeln fokussiert, dass man keine Fotos machen kann.
Nach einigen Stunden finden wir eine kleine Insel die ideal für unseren ersten Zeltplatz ist. Wir baden noch kurz im eiskalten Fluss und ziehen uns ins Zelt zurück, um nicht von den Mücken aufgefressen zu werden. Man gewöhnt sich zum Glück schnell an deren ständige Präsenz, sodass sie uns in den nächsten Tagen kaum noch stört.
Tag 2 & 3
Wir frühstücken Porridge mit Zimt und Zucker und freuen uns auf den anstehenden Paddeltag. Der Lainio fließt zügig, immer wieder gibt es kleine Abschnitte mit WWI-II, sodass wir zügig vorankommen. Dazu ist dieser Abschnitt wirklich einsam, sodass wir bei schönstem Sonnenschein die lappländische Wildnis genießen können. Was für eine traumhafte Gegend! Effektiv paddeln wir am Tag vielleicht 5-6 Stunden und legen etwa 15 km Luftlinie zurück, was sich für die folgenden Tage als guter Schnitt herausstellen wird. Wenn wir nachmittags zu erschöpft sind, finden wir schnell einen schönen Platz fürs Zelt am Ufer.
Tag 4
Der vierte Tag hat sich für mich auf vielen Touren als der anstrengendste erwiesen: Stürzt man sich anfangs voller Motivation ins Abenteuer, ist dies meist der Tag, an dem man erschöpft ist und durchhängt. Anschließend hat man sich dann ans unterwegs sein gewöhnt und ist wieder leistungsfähiger.
Auch diesmal ist es nicht anders: Dazu kommt noch das Wetter, der Himmel ist bewölkt und trüb, die Temperatur steigt nicht über 9° C. Häufig nieselt es, was sich dann plötzlich zu einem heftigen Platzregen verstärkt, sodass wir völlig durchnässt werden. Auch der Fluss macht es einem nicht leicht, auf langen Selstrecken ohne Strömung kommen wir kaum voran. Immerhin erreichen wir mittags die Ortschaft Lainio und können uns unter einer kleinen Pagode trockene Sachen anziehen und mit eingedörrtem Chili con Carne, das jetzt unglaublich gut schmeckt, stärken.
Wen man so in Lainio trifft
Aber auch danach können wir uns kaum motivieren legen insgesamt kaum die Hälfte der Strecke des vorherigen Tages zurück. Abends wärmen wir uns am Lagerfeuer und versuchen unsere Sachen am Feuer zu trocknen, wobei es mir gelingt, ein paar meiner Socken zu schmelzen…
Wir fühlen uns bei Stockbrot wie im Pfadfinderlager.
Tag 5
Für die Strapazen des vorherigen Tages werden wir heute voll entschädigt: Hier beginnt die schönste Strecke des Flusses, der sich durch an den Ufern hoch aufragende Felsen zieht. Auf dem Wasser folgen die Wildwasserabschnitte in kurzen Abständen. Auch wenn es noch manchmal regnet, haben wir wieder richtig Spaß und paddeln bis in den Abend.
Abends waschen unsere Kleidung im Fluss, dabei treffen wir einen Angler, den ersten Menschen, den wir seit Tagen sehen. Wir bauen unser Zelt auf einem kleinen Hügel auf und wärmen uns mit einem Rumgrog auf. Trotz des langen Tages kann ich nicht schlafen. Da ich hier nach Tagen wieder Handyempfang habe, lese ich online Nachrichten: AKK wird Verteidigungsministerin, gut, dass ich seit einigen Wochen kein Soldat mehr bin…
Mitternachtssonne
Tag 6 & 7
Der Lainio setzt sich ähnlich fort, aber langsam beginnen mich die vielen Stücke mit Wildwasser I & II zu langweilen und ich wünsche mir eine größere Herausforderung. Gut, dass wir am 7. Tag die Stelle erreichen, an welcher der Lainioälven in den Torneälven mündet. Ich habe mir vorher einige Seiten aus dem DKV-Kanuführer abfotografiert und sehe, dass sich etwa 10 km stromaufwärts im Torneälven der Torneforsen befindet, der Wildwasser Stufe IV+ haben soll. Wir verstecken den Großteil unserer Ausrüstung an der Mündungsstelle und laufen mit einem Rucksack mit beiden Packrafts und etwas Wechselkleidung zum Torneforsen. Die hohen Schwälle flößen uns erstmal Respekt ein, aber wir bereuen es nicht, dass wir uns in die Fluten stürzen. Der Torneforsen ist in der Mitte durch eine Insel und zahlreiche große Steine geteilt, sodass es nicht einfach ist, zwischen beiden Teilen zu wechseln. Die schwierigsten Stellen befinden sich zunächst links, dann hinter der Insel rechts. Mehrfach werden mir ordentliche Wellen auf den Bug gespült, aber dank Spritzdecke bleibt das meiste Wasser draußen. Ich durchfahre die Stromschnelle drei Mal, um alle Routen auszuprobieren, werde ziemlich nass, bin aber überglücklich.
Tag 8 & 9
Nachdem der Torneforsen am vorherigen Tag die größte sportliche Herausforderung der Tour darstellte, ist der weitere Verlauf des Torneälven, auf welchem wir nun fahren, ziemlich unspektakulär, wegen des starken Südwindes kommen wir auch kaum voran. Dazu ist das Flussufer hier zunehmend mit Ferienhäusern bebaut, sodass auch die Waldeinsamkeit ein vorläufiges Ende hat. Am 8. Tag erreichen wir mit Pajala aber die erste größere Ortschaft. Jannikas Vater freut sich sehr über das Foto welches wir ihm schicken, da eines seiner Lieblingsbücher, „Populärmusik aus Vittula“, hier spielt. Und tatsächlich möchte man in dieser verschlafenen Kleinstadt nicht aufwachsen, höchstens für die tolle Gegend drumherum. Trotzdem ist es immer ein komisches Gefühl, nach einer Woche die man draußen war, in eine Stadt zu kommen, und plötzlich den Überfluss im Supermarkt zu sehen. Da wir eigentlich noch genug Vorräte haben, kaufen wir nur etwas frisches Brot, Käse und Schokolade.
Weiter geht es bis zum Kengisforsen kurz hinter Pajala, an dem wir unser Zelt aufschlagen. Der Kengisforsen verdient tatsächlich den Namen Wasserfall. Die Kraft des Wassers hier ist unglaublich. Für uns ist eine Durchfahrt hier völlig unmöglich, aber ich frage mich trotzdem, ob man es mit viel Erfahrung nicht doch wagen könnte.
Tag 10 & 11
Am nächsten Morgen umtragen wir den Kengisforsen. Kurz darauf wartet auch schon das nächste Highlight auf uns, an der Mündung des Munioälven zieht sich eine schöne lange WWIII Strecke. Damit haben wir aber auch alle unsere Ziele erreicht, der Fluss wird anschließend wieder sehr ruhig. Als wir gegen Mittag die schon oben beschriebene Insel nicht weit hinter dem Dorf Lappea entdecken, fällt uns die Entscheidung leicht, hier zu bleiben und nochmal richtig die Einsamkeit zu spüren. Der Aufbau des Zeltes auf der felsigen Insel ist nicht ganz einfach, gelingt aber mit vielen Abspannleinen. Wir genießen die Sonne, Jannika liest den Namen der Rose zu Ende und ich bouldere etwas an den Felsen.
Der nächste Tag macht uns etwas wehmütig, wissend, dass es der letzte auf dieser traumhaften Tour sein wird. Der Fluss fließt langsam vor sich hin, ich habe gar keine richtige Lust zu paddeln, aber Jannika motiviert mich doch, heute nochmal richtig Strecke zu machen. Da es an der Straße am Fluss mehrere Bushaltestellen nach Pajala gibt, und wir den ganzen nächsten Tag für die Rückreise haben, sind wir relativ flexibel. Als wir Abends unser Zelt aufschlagen, kommt Jorge vorbeispaziert, der in der Nähe ein Ferienhaus hat, und mit dem ich noch ein wenig plaudere.
Tag 12: Abreise
Morgens steht Jorge überraschend vor unserem Zelt um uns zum Frühstück einzuladen. Seine Frau serviert uns Spiegeleier und frischen Kaffee, wir erzählen ausgiebig von der Reise. Auch können wir bei den beiden nach fast zwei Wochen zum ersten Mal wieder warm duschen. Als wäre das noch nicht genug der Gastfreundschaft, fährt Jorge uns noch nach Pajala und drückt uns zum Abschied zwei Dosen Bier für die Heimreise in die Hand. Von Pajala sind wir in zwei Stunden in Kiruna, im Nachtzug haben wir diesmal ein 2er-Abteil, in dem wir mit Jorges Bier auf unsere gelungene Tour anstoßen.
Fazit
Auch im Rückblick war es eine großartige Reise, mir fällt tatsächlich nichts ein, was ich anders machen würde. Nur manchmal war der Lainioälven mir doch etwas zu langsam und sportlich zu wenig anspruchsvoll, auch hätte ich nach Studium der Karten die Gegend für noch abgelegener gehalten. Der Fluss war auf jeden Fall perfekt für den Einstieg und wir konnten viele Erfahrungen machen. Wir wollen das nächste Mal wieder eine ähnliche Tour unternehmen, aber mit mehr WWIII-IV Abschnitten. Empfehlungen nehme ich gerne an!
Diese Insekten waren mir sympathisch...
Kommentar