[SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

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  • Blubbi
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    • 17.01.2016
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    [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

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    Try To Come To Kvikkjokk Again

    Vorwort:
    Es ist soweit. Nach meiner ersten Tour auf dem Padjelantaleden 2016 habe ich im Sommer 2018 meine zweite Tour in die Tat umgesetzt. Ziel war auch diesmal wieder Lappland
    Dies ist also der zweite Reisebericht meines Lebens. Voller Vorfreude, dass diesmal alles (noch) besser klappt als bei meiner ersten Wanderung (https://www.outdoorseiten.net/forum/...adjelantaleden), plante ich genau wie vor dem Padjelantaleden wieder monatelang das kommende Vorhaben.
    Auch diesmal ging es hauptsächlich um die Verbesserung der Packliste. Ich tauschte hier und da Gegenstände aus, strich den einen oder anderen Ausrüstungsgegenstand komplett aus der Liste und beschäftigte mich stundenlang mit fast jedem Ausrüstungsgegenstand, der es geschafft hat, auf der neuen Packliste zu überleben. Herausgekommen ist durch diese lange Planung ein Basisgewicht von 9,6 kg (2016 waren es 14 kg) + 4 kg Essen (2016 waren es 7 kg) + 1 L Wasser. Mit einem Gesamt-Startgewicht von 14,6 kg (2016 waren es 23 kg) buchte ich also optimistisch alle Flüge
    Auch in diesem Bericht soll es wieder das Ziel sein, von meinen Erfahrungen, Erkenntnissen und Erlebnissen als Solowanderin zu berichten. Sowohl die psychischen Höhen und Tiefen als auch die physischen Höhen und Tiefen sollen vermittelt werden. Außerdem möchte ich mit diesem Bericht vergleichen, ob sich meine Hoffnungen erfüllt haben bzw. ob wirklich viele Dinge von mir verbessert werden konnten im Vergleich zur ersten Tour. Am Ende dieses Berichtes folgt also auf jeden Fall ein Gesamtfazit
    Geplant habe ich als Tourverlauf diesmal die Strecke von Abisko nach Saltoluokta und dann von Saltoluokta nach Kvikkjokk. Mein Traum bzw. großes Ziel dieser Wanderung ist es für mich, mit Kvikkjokk Frieden zu schließen, da ich dort 2016 ja ziemlich unzufrieden abgereist bin. Da ich mir aber auch diesmal unsicher bin, was mein Körper schaffen wird und ob ich mir mit diesem Ziel zuviel vorgenommen habe, habe ich als Variante B festgehalten, nur bis Saltoluokta zu wandern und je nachdem, wielange ich dafür gebraucht habe, von dort Tagestouren zu machen. Variante C beinhaltet, nur bis Alesjaure zu laufen und im Notfall von dort wieder zurückzulaufen, falls meinem Körper alles zuviel wird. Zeit habe ich mit 3 ½ Wochen ausreichend genug, um spontan zu entscheiden, je nachdem, wie es mir geht, um spontan Ruhetage einzulegen, wenn nötig oder wenn es mir irgendwo besonders gut gefällt. Angst habe ich diesmal sehr sehr viel weniger als 2016. Es ist diesmal eher eine unendlich große Vorfreude und zudem eine große Hoffnung, dass diesmal aufgrund weniger Gewicht alles (noch) viel besser und vor allem schmerzfreier wird als bei meiner ersten Tour.
    Ob dies wirklich so eintrifft und wie weit mich die Füße also diesmal tragen, werden die kommenden 3 ½ Wochen zeigen.


    Tag 1 (4.7.2018)
    Endlich ist es soweit. Um 2.38 Uhr wache ich auf und kann nicht mehr einschlafen vor Aufregung. Da ich aber sowieso geplant habe, um 3.45 Uhr loszufahren zum Flughafen, ist das schon in Ordnung. Mit nur vier Stunden Schlaf geht es also los Richtung Düsseldorf. Alles klappt wie am Schnürchen, so dass ich um 6.50 Uhr pünktlich im Flugzeug abhebe von Düsseldorf nach Stockholm. In Stockholm angekommen bekomme ich zeitlich angemessen mein Gepäck und fliege relativ pünktlich um 11.50 Uhr weiter nach Kiruna. Dort erwische ich entspannt den Mittags-Bus nach Abisko, so dass ich um ca. 16 Uhr in Abisko bei ca. 10 Grad eintreffe. Ich nehme die paar Meter zur Fjällstation auf mich, besorge mir dort Spiritus, nutze das Wlan, um ein paar mir wichtigen Leuten nochmal tschüß zu sagen, packe meinen Rucksack vom Flug-Modus in den Wander-Modus um und starte um ca. 17 Uhr mein Abenteuer.



    Es nieselt leicht, die Wolken hängen tief und die Temperatur dürfte meiner Meinung nach gerne 10 Grad höher liegen. Dennoch freue ich mich natürlich, endlich wieder in Lappland zu sein. Für heute habe ich mir nur 4 km vorgenommen, denn dann kommt der einzige Platz, an dem man sein Zelt im Abisko-Nationalpark aufstellen darf (Nissonjohka). Bis zum Ende des Abisko-Nationalparks bzw. bis zur Abiskojaure wäre es für mich am ersten Wandertag sowieso zu weit, von daher passen mir 4 km sehr gut, um wortwörtlich „reinzukommen“. Die Landschaft ist schon jetzt ein Traum, die Ausblicke auf den Canyon und in die Birkenwald-Landschaft hinein sind herrlich.





    Leicht wellig geht es voran, aber anstrengend sind die 4 km für mich erstaunlicherweise nicht. Vielleicht zahlt sich nun tatsächlich aus, dass ich diesmal ein paar Trainingskilometer mit ca. 7 Kilo Gewicht im Rucksack in den Wochen vor dieser Reise absolviert habe. Richtige Pausen brauche ich bis zum heutigen Tagesziel nicht, nur für Fotos und Blicke in die Landschaft halte ich oft kurz an. Mücken begegne ich an diesem Tag glücklicherweise gar nicht und da sich meine Beine und insgesamt mein Körper trotz der Anreise kraftvoll anfühlen, bin ich insgesamt unendlich glücklich. Menschen treffe ich heute weniger als gedacht während des Laufens, aber am Zeltplatz angekommen ändert sich das. Über das ganze Gelände verteilt stehen schon einige Zelte. Familien grillen, Pärchen kochen, Lagerfeuergeruch überall. Ich finde einen einigermaßen ebenen Platz für mein Zelt und bemerke beim Aufbauen leichte beidseitige Hüftschmerzen vom Rucksack.



    Um ca. 20 Uhr liege ich in meinem Zelt und kann es nicht fassen Heute Morgen noch bin ich im ollen Ruhrgebiet aus meinem Bett gestiegen und jetzt, nur ca. 18 Stunden später, befinde ich mich schon in der Pampa.
    So möge das Abenteuer beginnen.
    Zuletzt geändert von Blubbi; 18.01.2019, 16:31.

  • pekra62
    Dauerbesucher
    • 02.03.2012
    • 836
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    • Meine Reisen

    #2
    AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

    Hej Blubbi,

    das ist aber eine sehr erstaunliche Gewichtsreduktion, die du da geschafft hast. 13,6 kg Startgewicht mit Essen und Zelt - keine Ahnung, wie ich da hinkommen sollte.
    Und eine seeehr flexible Planung wenn man A und C vergleicht
    Deinen Bericht von 2016 hab ich noch nicht gelesen, aber dein hiesiges Vorwort macht neugierig.
    Nun bin ich aber erstmal gespannt, wie es dir dieses Jahr ergangen ist

    Peter

    P.s. Diese überaus schnelle Anreisemöglichkeit, morgens los und abends schon im Zelt, ist für mich auch mit ein Grund, dass ich immer wieder gern in dieser Gegend unterwegs bin.

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    • theslayer
      Dauerbesucher
      • 13.11.2013
      • 586
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      #3
      AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

      Hatte ja schon das Vergnügen deinen 2016er Bericht zu lesen, habe ihn gestern noch mal überflogen als ich auf den diesjährigen Bericht gestoßen bin.

      Vor-Fazit: Ich freu mich schon sehr, bin sehr gespannt was du erlebt hast.
      Und das mit dem Rucksackgewicht-verkleinern, das bringst du mir dann auch noch bei, ja?:
      Kungsleden 2014: 23kg, Kungsleden 2015: 26kg, Padjelantaleden 2017: 28kg, Sarek 2018: 32kg...
      Wenn es so weitergeht schleppe ich bei der 2035 Tour vermutlich das gesamte Körpergewicht hinten mit

      Vorfreude! Schnell weitermachen bitte

      Liebe Grüße,
      Daniel
      Auf meinem Blog Longing for the Horizon:
      Pamir Highway 2019 / Sarek 2018 / Padjelantaleden 2017 / 4500km Radtour Berlin-Nordkapp 2017 / Kungsleden 2015 / Kungsleden 2014 / Israel-Hike 2014 und viele kleinere Radtouren (Berlin - Kopenhagen / Prag - Berlin etc.)

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      • Heather
        Erfahren
        • 03.06.2013
        • 250
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        • Meine Reisen

        #4
        AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

        Ooooh! Sehr schoener Anfang, und ich bin gespannt wie es weiter geht!

        Wie Vorredner bemerkt haben bin auch ich beim Seminar "Gewichtreduzierung dank logischen Denkens ohne UL zu werden" dabei.

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        • Blubbi
          Erfahren
          • 17.01.2016
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          #5
          AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

          Wenn euch wirklich meine Gewichtsreduktion interessiert, kann ich gerne am Ende in oder nach meinem Fazit meine Packliste hier hinein kopieren und / oder Details aufschreiben, wie es zur Gewichtsreduktion kam bzw. was genau ich verändert und weggelassen habe

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          • Blubbi
            Erfahren
            • 17.01.2016
            • 431
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            • Meine Reisen

            #6
            AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

            Tag 2 (5.7.2018)
            Nach 7 Stunden Schlaf wache ich um 5 Uhr auf. Gestern Abend hat irgendwo in der Nähe jemand ziemlich laut geschnarcht, mein Rücken muss sich erst noch an mein mobiles Luxushotel gewöhnen und ab 5 Uhr haben zwei Vögel soviel Lärm gemacht, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Die ganze Nacht lang musste ich pinkeln, aber wie so oft beim Zelten war mir zu kalt und ich war zu faul, um aus dem Zelt zu kriechen. Ein Teufelskreis. Außerdem tut mein Rücken inzwischen in jeder Liegeposition weh, so dass ich es nicht mehr aushalte, liegen zu bleiben. Um 5.30 Uhr fange ich also an, alles zusammenzupacken und stelle mit Freude fest, dass die Sonne ganz leicht durch die Wolken hervorkommt. Das frühmorgendliche Gerödel dauert heute am ersten Tag besonders lange, aber das macht natürlich nichts, denn ich habe es ab heute ja nicht mehr eilig. Um 8.20 Uhr beginnt meine heutige Etappe. Heute Nacht war es nur ca. 2 Grad „warm“, geschlafen habe ich mit Mütze und mehreren Schichten übereinander. Aber nun, im Laufe des Morgens, erhöht sich die Temperatur bis zum Mittag nach und nach auf ca. 15 Grad. Mal ist es bewölkt, mal kommt die Sonne durch, ein leichter Wind weht. Das perfekte Wanderwetter, unfassbar schön. Als heutiges Tagesziel habe ich (gezwungenermaßen) die Abiskojaure in 11 km Entfernung auserkoren. Da ich aus 2016 weiß, dass meinem Körper die ersten Wandertage schwer fallen, möchte ich auf keinen Fall übertreiben. Mit diesem Ziel vor Augen schnecke ich also gemächlich durch den leicht welligen Birkenwald und durch erste kurze fjällähnliche Abschnitte. Die erste Brücke dieser Tour überquere ich diesmal gekonnter als noch vor zwei Jahren und diesmal sterbe ich sogar fast nicht vor Angst dabei



            Ab und zu werde ich von anderen Wanderern überholt und manchmal kommen mir welche entgegen, aber auch heute waren es viel weniger, als von mir aufgrund anderer Erfahrungsberichte im Internet erwartet. Unter einer „überlaufenen Wanderautobahn“ stelle ich mir auf jeden Fall etwas anderes vor. Das Wetter heute ist so perfekt, dass ich mir insgesamt drei richtige Pausen gönne, bei denen ich mich teilweise sogar zur Entspannung hinlege











            Auch heute sehe ich erstaunlicherweise wieder null Mücken und auch keine anderen nervenaufreibenden Insekten. Meine körperlichen Schmerzen halten sich bis jetzt auch in Grenzen. Ich merke zwar die Hüfte und die Schultern, aber lange nicht so stark, wie es 2016 der Fall war. Die Schmerzen sind wirklich gut zu ertragen und so genieße ich meinen ersten richtigen Wandertag dieser Reise in vollen Zügen.
            Obwohl ich mir alle Zeit der Welt lasse, bin ich schon um 13 Uhr an der Abiskojaure und stelle mein Zelt in einer ruhigen Ecke auf.



            Der nette Stugvard berichtet, dass es morgen tagsüber nur noch 10 – 12 Grad sein sollen und es evtl. regnen wird.
            Da ich dieses Mal, wie schon erwähnt, einige Sachen verbessern möchte, fange ich schon heute damit an, alles genauestens zu dokumentieren. Ich habe mir vorgenommen, jeden Abend Notizen zu machen zum Wetter, zur Tagesdistanz, zu eingenommenen Kalorien, zu besonderen Vorkommnissen, zu Schmerzen usw.
            Tatsächlich stellt sich bei diesem neuen Ritual schon heute heraus, dass, obwohl ich immer esse, sobald mir danach ist, ich heute insgesamt nur auf ca. 1400 Kalorien gekommen bin, was gerade mal meinen Grundbedarf deckt, aber aufgrund der höheren körperlichen Belastung natürlich viel zu wenig ist. Schon jetzt ist es also gut, dass ich diesmal alles dokumentiere, denn so nehme ich mir jetzt fest vor, ab morgen noch häufiger zu essen, auch wenn ich kein Verlangen danach habe.
            Mit meinem neuen Kleidungskonzept bin ich bis jetzt überaus zufrieden. Heute bin ich in einer kurzen Laufshort gewandert, obenrum ein Merino-T-Shirt + Windjacke. Morgens auf dem Kopf eine Mütze, die war aber ab vormittags nicht mehr nötig. Gestern hatte ich über diese Sachen noch eine Regenhose (ja, es ist eine Neue und nicht das Müllstück vom letzten Mal ) und meine Regenjacke drübergezogen, aber da war es auch viel unangenehmer vom Wetter her als heute.
            Rundum zufrieden schlafe ich auch heute wieder um ca. 22 Uhr ein, nachdem ich einen entspannten Nachmittag und Abend in Abiskojaure verbracht habe


            Tag 3 (6.7.2018)
            Um 5.30 Uhr ist die Nacht für mich zu Ende. Ich döse noch ein bisschen vor mich hin und genieße die Ruhe, aber um 6.10 Uhr treibt mich die Neugier auf den kommenden Tag dann doch raus aus dem Zelt. Da mir von meiner ersten Wanderung der zweite und dritte Tag von den Schmerzen her als besonders schlimm in Erinnerung geblieben sind, befürchte ich für heute Schlimmes und nehme mir kein festes Tagesziel vor. Ich lasse meinen Körper spontan entscheiden, wann für heute genug ist und rechne damit, irgendwo zwischen Abiskojaure und Alesjaure meine nächste Nacht zu verbringen. Da ich fast am Ende des Abisko-Nationalparks angekommen bin, ist es zum Glück ab der Nationalparkgrenze erlaubt, überall sein Zelt aufzustellen, wo es einem als angenehm erscheint Um 8.34 Uhr starte ich entspannt meine heutige Etappe bei bewölktem, aber trockenem Wetter. Hunger habe ich mal wieder keinen und so starte ich ohne Frühstück weiter Richtung Süden.
            Kurz, nachdem ich eigentlich die Nationalparkgrenze überschreitet haben müsste, komme ich an folgendes Hindernis:



            Anscheinend habe ich irgendwann eine Abzweigung zum Sommerweg verpasst, denn dies ist, wie unschwer zu erkennen ist, der Winterweg. Leider gibt es deshalb keine Brücke und dieses Gewässer ohne Brücke zu durchqueren, erscheint mir als zu gefährlich. Lustigerweise steht genau vor diesem Hindernis bereits ein anderer Mensch: Hartmut. Wir machen gegenseitig Fotos voneinander und überlegen dann, wie wir das Problem lösen. Laut seinem GPS in seinem Smartphone liegt die Brücke ca. 1 km weiter den Bachverlauf folgend aufwärts. Wir schlagen uns also zu zweit durch das Dickicht. Wir quetschen uns durch Gestrüpp, klettern über Bäume, wackeln über Geröll und springen über tiefe Matschpfützen bzw. Sumpf. Das erste Mal in dieser Tour bemerke ich einige Mücken, was in diesem Gestrüpp natürlich nicht verwundert. Ich gerate das erste Mal während dieser Tour ins Schwitzen, weil Hartmut, obwohl er sich bemüht, langsam vorwärts zu kommen, trotzdem schneller ist als ich. Irgendwann erreichen wir tatsächlich die ersehnte Brücke.



            Nach der Brücke gibt es einen Anstieg hoch ins Fjäll. Nach ca. der Hälfte trennen wir uns wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Hartmut schlägt vor, irgendwann einen Tee mittags zu kochen und dabei auf mich zu warten. Ich antworte, dass dies eine gute Idee ist, weiß aber in mir drin schon, dass es dazu nicht kommen wird, da er viel zu lange warten müsste. Da, wie vom Stugvard angekündigt, nur ca. 10 – 12 Grad mittags erreicht werden und ich schon gleich meine erste Pause brauche, wird das nichts werden.
            Hartmut macht sich also nun alleine weiter an den Aufstieg und schon bald verschwindet er aus meiner Sicht. Endlich kann ich wieder ohne „Gruppenzwang“ vorwärts schnecken und die Landschaft genießen. Die Pausen heute sind ziemlich kurz, weil es sich für mich sehr frisch anfühlt, sobald ich länger stehen bleibe, und so kommt es, dass ich nur eine richtige Pause von 20 Minuten mache und ansonsten kurze Pausen ausreichen (müssen). Immerhin esse ich immer wieder mal zwischendurch einen kleinen Snack, so dass ich abends feststellen werde, immerhin auf 1700 Kalorien gekommen zu sein. Das ist immer noch viel zu wenig, aber immerhin eine erste kleine Steigerung. Ich komme insgesamt wieder gut voran und erstaunlicherweise habe ich wieder nur ein bisschen Hüftschmerzen und mittelstarke Schulterschmerzen, aber wieder aushaltbar und nicht wirklich qualvoll. Darüber bin ich natürlich unendlich erfreut und so kommt es, dass ich auf einmal den Beginn des Alesjaure erblicke. Positiv überrascht, schon so weit gekommen zu sein, laufe ich weiter und genau, als ich den Bootsanleger erblicke, kommt das Boot angerauscht. Solch einen Zufall kann ich wortwörtlich nicht einfach links liegen lassen, und da ich von den kommenden 7 km nichts Gutes gehört habe, beeile ich mich und tatsächlich wartet das Boot, bis ich mein Geld rausgewühlt habe und nimmt mich noch mit.



            Hartmut ist nicht im Boot, dafür aber Petra. Petra ist supernett, möchte den ganzen nördlichen Kungsleden laufen und hat sich ihre gesamte Ausrüstung von ihrer Tochter ausgeliehen.
            Außerdem ist im Boot eine deutsche junge Frau mit kurzen Haaren, mit welcher ich zwar während der Bootsfahrt nicht spreche, die aber in meinem Bericht immer wieder auftauchen wird, da wir uns noch öfters begegnen werden.
            In Alesjaure angekommen gehen Petra und ich erstmal shoppen (Fanta und ein paar Snacks) und suchen danach um ca. 16.30 Uhr gemeinsam einen Zeltplatz hinter der Brücke und tauschen uns noch ein bisschen aus. Die meisten guten Plätze sind bereits belegt und so kommt es, dass mein ausgewählter Platz zu dem schlecht abgespanntesten Zelt meines bisherigen Trekkinglebens führt. Es hängt durch und ich schaffe es einfach nicht, es vernünftig abzuspannen.



            Beim Zeltaufbau treffen Petra und ich Hartmut wieder, welcher extrem erstaunt ist, dass ich es heute bis hierhin geschafft habe. Er verkündet mir seine Hochachtung, welche ich in Anbetracht meiner langsamen Geschwindigkeit sogar nachvollziehen kann
            Da Petra und ich nicht wissen, ob wir uns am nächsten Morgen nochmal wiedersehen, verabschieden wir uns beim Ins-Zelt-Gehen vorsichtshalber voneinander. Außer evtl. morgen früh werden wir uns wahrscheinlich nie mehr wiedersehen, da Petra morgen schon den Tjäktjapass überqueren möchte und dahinter einen Zeltplatz suchen möchte. Ich dagegen kann wie so oft nicht einschätzen, wie weit mich meine Füße tragen werden, aber ich gehe tendenziell eher davon aus, dass ich vor dem Tjäktjapass übernachten werde, damit ich diesen in morgendlicher Frische in Angriff nehmen kann.
            An meinem dritten Wandertag bin ich heute für mich stolze 15 km gelaufen, und das ganze ohne Qualen. Ich kann dieses Glück gar nicht fassen.
            Heute habe ich mehr Leute beim Wandern getroffen wie in den ersten zwei Tagen. Überholt haben mich insgesamt ca. 20 Menschen und entgegen kamen mir ca. 15. Trotzdem ergibt das für mich nicht das Gefühl, auf einem völlig überlaufenen Wanderweg unterwegs zu sein. Natürlich hat man die Natur nicht immer für sich komplett alleine auf dem Kungsleden, aber trotzdem bin ich oft genug alleine, ohne Menschen zu sehen
            Ab nach dem Aufstieg mit Hartmut ins Fjäll habe ich übrigens wieder keine Mücken mehr gesehen.
            Diese ersten drei Tage liefen bisher noch besser, als wie ich es mir vorher erhofft hatte. Heute hat es zwar von 12 bis 14 Uhr genieselt und manchmal leicht geregnet, aber insgesamt kann ich mich bisher weder über das Wetter, noch über zu starke Schmerzen, noch über sonstwas beschweren. Die Temperatur heute war zwar nicht traumhaft, aber da ich natürlich genug warme Sache für solche Fälle eingeplant habe, schadet dies meiner guten innerlichen Laune nicht. Die Option „Variante C“ habe ich seit gerade aus meinem Kopf verbannt, da bis jetzt alles perfekt abgelaufen ist. Morgen geht es weiter Richtung Tjäktjapass, einen Ruhetag braucht mein Körper (noch) nicht. Einfach nur glücklich falle ich früh abends wieder in meinen Schlafsack, da es mir zu kalt ist, um mich lange ohne Bewegung draußen aufzuhalten. Ich entspanne im Zelt, dokumentiere meinen Wandertag, esse den Inhalt einer leckeren gekochten Nudeltüte Quattro Formaggi und schlafe um ca. 21.30 Uhr rundum zufrieden ein
            Zuletzt geändert von Blubbi; 04.01.2019, 23:17.

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            • vobo

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              #7
              AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

              Zitat von Blubbi Beitrag anzeigen
              Um 8.34 Uhr starte ich entspannt meine heutige Etappe ...
              Ja, Du hast es wieder getan. Wunderbar, Traditionen soll man hochhalten. Ein sehr schön beginnender Bericht, freue mich dass es Dir offenbar erstmal gut ergangen ist und bin gespannt auf Weiteres.

              OT:
              Zitat von theslayer Beitrag anzeigen
              ..
              Und das mit dem Rucksackgewicht-verkleinern, das bringst du mir dann auch noch bei, ja?:
              Kungsleden 2014: 23kg, Kungsleden 2015: 26kg, Padjelantaleden 2017: 28kg, Sarek 2018: 32kg...
              Wenn es so weitergeht schleppe ich bei der 2035 Tour vermutlich das gesamte Körpergewicht hinten mit
              Daniel, wenn Du so weitermachst wird Dein Körpergewicht mit Deinem Rucksackgewicht steigen

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              • Blubbi
                Erfahren
                • 17.01.2016
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                #8
                AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                Zitat von vobo Beitrag anzeigen
                Ja, Du hast es wieder getan. Wunderbar, Traditionen soll man hochhalten. Ein sehr schön beginnender Bericht, freue mich dass es Dir offenbar erstmal gut ergangen ist und bin gespannt auf Weiteres.
                Hi vobo,
                tatsächlich hatte ich beim Schreiben meines Berichtes mehrmals an dich und deinen damaligen Kommentar gedacht
                Aber wie du schon geschrieben hast: Traditionen müssen fortgeführt werden

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                • Nordwinkel
                  Gerne im Forum
                  • 11.12.2018
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                  #9
                  AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                  Ich kenne zwar den vorhergehenden Bericht nicht, werd das gleich mal nachholen, finde aber deine Art des Wanderns sehr bemerkenswert. Das wirkt alles sehr gemütlich und entspannt, gut so. Ich bin gespannt wie es weiter geht.

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                  • Heather
                    Erfahren
                    • 03.06.2013
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                    #10
                    AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                    Zitat von Blubbi Beitrag anzeigen
                    Wenn euch wirklich meine Gewichtsreduktion interessiert, kann ich gerne am Ende in oder nach meinem Fazit meine Packliste hier hinein kopieren und / oder Details aufschreiben, wie es zur Gewichtsreduktion kam bzw. was genau ich verändert und weggelassen habe
                    OT: Bitte, bitte! Ich moechte nicht den UL Pfad gehen, aber bin sehr daran interessiert wie du das Gewicht nach unten geschraubt hast.

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                    • Leitwolf
                      Fuchs
                      • 02.03.2010
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                      #11
                      AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                      Habe deinen ersten bericht damals gelesen zufälligheute nochmal und jetzt zufälig hier rein gestolpert... bin schon sehr gespannt. Grade diese persöhnliche art, mit pannen, wie man auf umstände reagiert und persöhnliche warnehmung finde ich in berichten immer schön. Und dies gemütlihe gefällt mir auch gut.
                      Wir sind blinde Passagiere unter einem Sternenzelt.Wir sind Koenige und Bettler auf der Suche nach uns selbst. Sind die Herrscher des Planeten, bis sie auseinander fällt.
                      Und nur zu Nur zu Gast auf dieser Welt.

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                      • Blubbi
                        Erfahren
                        • 17.01.2016
                        • 431
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                        #12
                        AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                        Tag 4 (7.7.2018)
                        Die Nacht heute war sehr unruhig, laut und windig. Das Zelt stand suboptimal, der Wind hat sich nachts gedreht und so war der Wind ziemlich laut seitlich am Zeltrütteln. Mal wieder kann ich ab 5.30 Uhr nicht mehr schlafen, und das, obwohl ich auch schon von 1.30 Uhr bis 3 Uhr wach war. Trotz ungemütlichem Wetter fange ich also um 6.20 Uhr bei Nieselregen mit dem morgendlichen Rödeln an, frühstücke einen Clif-Bar-Riegel, verabschiede mich von Petra, welche kurz vor mir in ihre Etappe startet, und verabschiede mich von Hartmut und packe das leider nasse Zelt zusammen. Hartmut möchte einen Abstecher auf den Kebnekaise machen und versucht mich zu überreden, mitzukommen. Ich verneine natürlich, aber wir gehen davon aus, dass er mich in ein paar Tagen überholen wird und wir uns wiedersehen werden, da ich trotz meiner langsamen Geschwindigkeit normalerweise vor ihm in Singi sein müsste. Dass dem nicht so ist, haben wir nicht für möglich gehalten, aber Fakt ist, dass ich Hartmut seit dem heutigen Morgen nie mehr wieder gesehen habe. Ob er doch vor mir in Singi war, was aber eigentlich nicht sein kann, ob er doch nicht den Kebnekaise bestiegen hat, ob er seine Tour abgebrochen hat (er hatte wohl eine sehr feuchte Nacht in Alesjaure in seinem einwandigen UL-Zelt mit Wasser im Zelt, war aber gestern Abend noch unendlich stolz auf sein Zelt, da es so leicht ist) oder ob er einen Unfall hatte, werde ich leider wahrscheinlich nie erfahren
                        Genau, als ich loswandere, hört es auf zu regnen, so dass ich bei wieder ca. 10 – 12 Grad gut und trocken vorwärts komme.
                        Kurz, nachdem ich gerade losgewandert bin, kommt mir die junge Frau mit den kurzen Haaren entgegen, welche gestern mit im Boot saß. Ich wundere mich, warum sie in die falsche Richtung läuft, sage aber nichts. Erst einige Tage später erfahre ich von ihr selbst, dass sie an diesem Tag heute etwas in ihrem Zimmer in Alesjaure vergessen hatte und deshalb noch mal zurückgelaufen ist (sie wandert von Hütte zu Hütte ohne Zelt, was ich in dem Moment aber noch nicht wusste). Im weiteren Verlauf meiner heutigen Etappe sehe ich das erste Mal ein paar Lemminge, sehe viele recht frische Rentierspuren (aber leider ohne Rentiere) und beobachte fliegende Möwen in der Luft. Immer mehr Altschneefelder rücken in meine Nähe und überall gibt es viele schöne Wasserfälle mit Schmelzwasser an den Berghängen.



                        Der Weg ist wie bis jetzt an jedem Tag wellig, aber durchaus gut zu meistern von meinem Körper. Auch heute ist es mir für eine richtig lange Pause zu kalt, aber dafür genieße ich viele kurze Foto-, Beobachtungs- und Snackpausen. Die junge kurzhaarige Frau überholt mich später wieder (diesmal ist sie in die richtige Richtung unterwegs) und wir kommen das erste Mal ganz kurz ins Gespräch, da sie genau wie ich viele Fotopausen macht.
                        Trotz einiger Snacks zwischendurch muss ich meine Kalorienzufuhr allerdings weiterhin noch steigern. Ich weiß nicht, warum, aber ich hatte 2016 und nun auch wieder nie wirklich Hunger während der Tour. Jeder Snack, jede Kalorie, alles schiebe ich nur in mich rein, um keine Mangelerscheinungen zu bekommen bzw. um meinem Körper etwas Gutes zu tun. Das Wort Hiker-Hunger würde ich gerne mal benutzen, aber davon bin ich - wortwörtlich - meilenweit entfernt.
                        Mücken gibt es heute wunderbarerweise wieder gar keine zu sehen und die Hüft- und Schulterschmerzen werden immerhin nicht stärker, sondern gleichbleibend oder vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen weniger werdend im Vergleich zu gestern
                        Irgendwann finde ich ca. 1-2 km vor der Tjäktjahütte einen wunderbaren Zeltplatz an einem Bach. Es ist definitiv für mich der bisher Schönste in dieser Tour. Auch wenn es immer noch bewölkt ist, ist die Landschaft wunderbar. Den Tjäktjapass möchte ich heute ja sowieso nicht mehr überqueren und überhaupt bin ich mit meiner Tagesleistung von 11 oder 12 Kilometern so zufrieden, dass sofort feststeht, dass ich hier bleibe
                        Obwohl das Zelt ja noch von der letzten Nacht nass ist, ist es innerhalb von 30 Minuten komplett getrocknet, so dass ich jetzt alles entspannt in mein trockenes Luxushotel einräumen kann. Endlich habe ich die Landschaft um mich herum für mich ganz alleine, keine anderen Zelte, Hütten oder Wanderer sind sichtbar. Auch wenn ich traurig bin, dass ich Petra nie mehr wiedersehen werde, so ist dies heute trotzdem mein bisher glücklichster und schönster Nachmittag und Abend dieser Tour. Die Freiheit, die Ruhe, die frische Luft…all das ist es, worauf ich mich 2 Jahre lang so sehr gefreut hatte und nun endlich wieder der Fall ist!!! Sorgen mache ich mir allerdings um die Passüberquerung. Werde ich sie schaffen? Werde ich den Weg finden? Oder werde ich, wie ich in manchen Reiseberichten gelesen habe, durch Nebel irren, weil das nächste Steinmännchen zu weit weg ist? Voller Aufregung und Respekt, aber zugleich auch voll glücklicher innerer Zufriedenheit schlafe ich um ca. 21 Uhr ein.


                        Tag 5 (8.7.2018)
                        Am nächsten Tag wird mein Glück noch getoppt: Als ich aus dem Zelt krieche, erblicke ich einen blauen Himmel, der mir große Hoffnung macht, dass das Projekt Tjäktjapassüberquerung gut gelingen könnte.
                        Eine unfassbar schöne Landschaft lässt mein Herz gefühlt höher schlagen und meine große Angst, mich bei der Passüberquerung im Nebel zu verirren, wird beiseite geschoben.





                        Dazu kommt, dass die letzte Nacht mit viel Abstand die bisher beste Nacht dieser Tour war. Ich war nur ganz kurz drei mal wach, bin aber immer wieder sofort eingeschlafen und habe bis 6 Uhr geschlafen. Das wunderbare Wetter nutze ich aus, um in aller Ruhe am Bach die Haare zu waschen und das übliche Morgengerödel in aller Ruhe und mit viel Sorgfalt durchzuziehen. Um 9.40 Uhr geht es dann los Richtung Tjäktjapass. Bald schon kommt die Tjäktjahütte in Sicht, ich lasse sie aber rechts liegen.



                        Erstens habe ich alles, was ich brauche, zweitens gibt es auf der Hütte sowieso nichts zu kaufen und drittens genieße ich die menschenleere Landschaft sehr. Durch unendlich viel Geröll, Steine, Altschneefelder und Holzbohlen schnecke ich weiter vorwärts.



                        Noch immer mache ich mir insgeheim Sorgen, ob die Überquerung körperlich zu anstrengend sein wird für mich, aber je näher ich dem Gipfel komme, desto klarer wird mir, dass alle Sorgen absolut unnötig waren. Sowohl mein Körper als auch das Wetter sind voll auf meiner Seite. Natürlich ist der Anstieg anstrengender als die bisherigen Etappen und man muss sich bei jedem einzelnen Schritt sehr konzentrieren, aber das bin ich noch gewohnt vom Padjelantaleden und schockt mich nicht mehr. Und so kommt es, dass ich auf einmal ziemlich fit die Notschutzhütte auf dem Pass erblicke.



                        Ich platze fast vor Zufriedenheit, denn nun steht fest, dass ich es problemlos schaffen werde. Unendlich langsam, aber Schritt für Schritt und von Steinmännchen zu Steinmännchen, gelange ich immer höher.



                        Zum Ende hin wird es steil und mich überholt eine junge Frau aus der Schweiz, die schon den kompletten PCT gelaufen ist und gefühlt mindestens dreimal so schnell hochhüpft wie ich. Oben angekommen kann ich mein Glück, meine Zufriedenheit, die tolle Landschaft und überhaupt das bis hierhin von mir Geschaffte immer noch nicht fassen. Ich mache eine Pause, bis es mir zu kalt wird, mache viele Fotos, trage mich um 12.50 Uhr mehr oder weniger aus Spaß ins „Gipfelbuch“ ein, feiere eine kurze innerliche Party und schiebe einen Snack in mich hinein.



                        Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich glücklich bin? Ich kann es gar nicht oft genug wiederholen
                        Der blaue Himmel verschwindet so langsam und es ziehen immer mehr Wolken auf. Der Wind ist schön, aber frisch, und so mache ich mich auf, weiter Richtung Sälka-Hütten. Mein momentaner Plan ist es, dort nochmal eine längere Pause einzulegen, ein paar Nahrungsmittel zu shoppen und dann hinter Sälka einen schönen Zeltplatz ohne andere Menschen in Sichtweite zu suchen. Der Abstieg sorgt für Knieschmerzen, aber ansonsten ist er sehr gut für mich machbar. Nur die ca. letzten 1 – 2 km ziehen sich etwas für mich in die Länge und so bin ich froh, als ich um ca. 17 Uhr die Hütten erreiche. In Sälka treffe ich die junge Frau mit den kurzen Haaren wieder. Sie hätte mich auf der Tjäktjahütte gestern Abend vermisst. Ich erkläre ihr, dass ich nicht vorhabe in den Hütten zu schlafen, sondern schon ca. 1 -2 km vor der Hütte gezeltet hatte. In Sälka hängt ein sehr liebevoll gemalter Wetterbericht und ich erfahre, dass es heute als Tageshöchsttemperatur nur 10 Grad waren und nachts sogar wieder nur 2. Mit Freude stelle ich aber fest, dass ab morgen die Temperaturen jeden Tag ansteigen sollen. Die Hitzewelle, die auch in Deutschland spürbar war/ist, soll nun bald auch hier ankommen. Jeden Tag soll es ab jetzt wärmer werden und Regen ist erstmal gar nicht mehr angekündigt.



                        Eine schönere Nachricht kann man mir nicht überbringen und so mache ich mich nach einer 20-minütigen Pause auf, einen netten Zeltplatz zu suchen, welchen ich um ca. 18.30 Uhr ca. 2 km hinter Sälka auch finde. Der Platz war ein Tipp der Stugvard-Frau in Sälka. Ich befinde mich vor einer Brücke auf einem Hügel, die Landschaft drumherum ist schön. Unten an der Brücke gibt es Wasser und ich erblicke ein anderes Zelt, aber da ich dieses von meinem Zeltplatz von oben aus nicht sehe, stört es mich nicht.
                        Heute bin ich insgesamt ca. 16 km gelaufen. Wie so oft kann ich es nicht fassen, ich bin so stolz auf meinen Körper.
                        Heute habe ich meine Kalorienzufuhr ein kleines bißchen steigern können und ich habe es geschafft, nach jeder Wanderstunde einen Snack reinzuschieben und etwas zu trinken. Immerhin kam ich heute mit dieser Taktik auf ca. 2000 Kalorien. Ich nehme mir vor, diese Taktik mit der stündlichen Nahrungszufuhr beizubehalten.
                        Meine Hüft- und Schulterschmerzen sind mir heute weniger aufgefallen im Vergleich zu den ersten Tagen. Nur meine Füße taten heute ab Sälka unter der Sohle weh, vielleicht von dem vielen Geröll? Auf jeden Fall muss ich mal wieder festhalten, dass mein Körper die Belastungen diesmal viel viel besser wegsteckt als am Padjelantaleden. Ich hoffe über alles, dass dies auch so bleibt und schlafe um ca. 22 Uhr erschöpft ein
                        Zuletzt geändert von Blubbi; 16.03.2019, 14:09.

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                        • seadog
                          Neu im Forum
                          • 19.09.2012
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                          #13
                          AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                          Sehr sehr schön geschrieben! Vielen Dank!

                          Kommentar


                          • Blubbi
                            Erfahren
                            • 17.01.2016
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                            AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                            Tag 6 (9.7.2018)
                            Erst um 10 Uhr starte ich heute zur nächsten Etappe. Als ich um kurz nach 6 Uhr aufgewacht bin, war das Zelt außen noch nass, aber bis ich es zusammengepackt habe, ist es schon wieder getrocknet. Heute Morgen fühle ich mich ziemlich schlapp und das bleibt auch auf den ersten 2 – 3 km so, aber danach geht es mit meinem Körper wieder aufwärts und er wird nach und kraftvoller.
                            Mit dem neuen Kleidungskonzept bin ich immer noch sehr zufrieden. Standard ist Merino-Unterwäsche + eine kurze leichte Laufshort und ein Merino-T-Shirt. Je nach Wind, Wetter, Temperatur, Regen, Sonne usw. ziehe ich dann die Regenhose, eine Windjacke, Handschuhe, Mütze, Kapuze der Windjacke und/oder Regenjacke drüber. Damit habe ich für alle Temperaturen von ca. 40 Grad bis schätzungsweise ca. 0 Grad alles für tagsüber abgedeckt und habe mich bis jetzt immer wohl gefühlt.
                            Ich frage mich, ob die Wettervorhersage in Sälka falsch war, da es heute Morgen bis mittags bewölkt ist, aber ab mittags wird es immer wärmer und die meisten Wolken verziehen sich. So möge die Hitzewelle kommen.
                            Ich laufe also bei bewölktem Wetter los.



                            Heute geht es generell immer weiter abwärts. Sanft wandere ich das Tal hinunter ohne größere Schwierigkeiten, mache viele kleine Pausen, viele Fotos und genieße mal wieder die Freiheit.



                            Um 15.30 Uhr erreiche ich Singi und treffe dort mal wieder die kurzhaarige Deutsche. Sie läuft bis Kvikkjokk und hat alle Hüttenübernachtungen von zuhause aus online gebucht. Ich bin froh, dass ich flexibler unterwegs bin und immer spontan enscheiden kann, wann und wo ich übernachte und gehe erstmal davon aus, dass ich sie irgendwann nicht mehr sehen werde, da ich in Saltoluokta auf jeden Fall einen kompletten Pausentag einlegen möchte, sofern ich meine Pläne nicht noch ändere.
                            Ich laufe also noch ca. 2 km weiter und finde dort um ca. 15.30 Uhr nach ca. 12 Tageskilometern einen wunderschönen Zeltplatz. Herrliche Landschaft, frisches Wasser, blauer Himmel, kein Regen, frischer Wind, was will man bzw. ich mehr? Die Antwort lautet: Nichts. Es ist einfach nicht zu toppen, besser geht es nicht.





                            Ein netter Typ kommt an meinem Zelt vorbei, der schon 25 Tage lang unterwegs ist und in Hemavan losgelaufen ist. Ich mache für ihn mit seinem Smartphone ein paar Fotos von ihm mit der wunderbaren Kulisse im Hintergrund, er macht welche von mir für mich, wir tauschen uns ein bißchen aus und verabschieden uns dann wieder voneinander, denn er will noch ein paar Kilometer weiterlaufen in Richtung Norden. Heute bemerke ich ein paar Mücken am Zelt, aber es sind nicht viele und sie sind nicht wirklich nervig. Blasen habe ich übrigens bis jetzt noch gar keine, auch das freut mich sehr. Heute allerdings tun mir wieder die Fußsohlen weh und meine kleinen Zehen außen sind ein bißchen rot und dick. Aber solange es schmerztechnisch nicht so ausatet wie 2016, ist für mich alles in Ordnung.
                            Nachmittags ist es mir zum ersten Mal in dieser Tour zu heiß im Zelt. Sofort erinnere ich mich, dass dies 2016 auch oft der Fall war. Aber lieber warte ich bei blauem Himmel draußen, bis sich die Sauna abends abkühlt, als in Nässe und Kälte zu wandern
                            Bei meinem Nachmittags-Aufenthalt draußen und abends beim Zähneputzen kommen immer mehr Moskitos zum Vorschein und so nehme ich mir vor, morgen früh auf jeden Fall Deet zu benutzen. Abends kühlt es sich dann aber genau wie 2016 schnell ab, so dass ich mich ins Zelt legen kann.


                            Tag 7 (10.7.2018)
                            Die letzte Nacht war ok, aber nicht besonders gut. Ich war mehrmals kurz wach, weil der Zeltplatz unerwarteterweise leicht schief war und ich davon Nackenschmerzen bekommen habe…aber immerhin bin ich immer wieder eingeschlafen, so dass ich bis 6 Uhr geschlafen habe. Um 8.36 Uhr mache ich mich auf, weiter Richtung Süden, bei schönem Sonnenschein und morgendlichen schönen ca. 12 – 15 Grad.





                            Der heutige Wandertag stellt sich als durchwachsen dar. Morgens laufe ich zwar in guter körperlicher Verfassung los, aber ca. 3 km vor Kaitumjaure gerate ich ein großes Tief. Mein Körper fühlt sich total schlapp an, hat keine Lust mehr weiter zu arbeiten. Ich schleppe mich trotzdem bis Kaitumjaure und mache dort eine Pause mit möglichst vielen Kalorien und Erholung. Die nette Stugvard-Frau begrüßt mich mit einer kostenlosen Limonade, sieht mir meinen erschöpften Zustand an und versucht mich zu trösten, indem sie sagt, dass es zu warm zum Wandern sei. Ich gönne mir eine Dose Köttbullar, welche ich vor Ort in meinem Topf erhitze, aber trotzdem bleibt mein Körper in seinem Tief stecken. Ich erwerbe ein paar neue Snacks für morgen und übermorgen und entspanne mich. Mittags hat sich die Temperatur inzwischen auf ca. 17 Grad (einen Wetterbericht gibt es in Kaitumjaure leider nicht) gesteigert bei blauem Himmel und recht viel Wind, einfach wunderbar.



                            Trotzdem suche ich mir ca. 2 km nach Kaitumjaure einen Zeltplatz, denn mein Körper hat (leider) wirklich heute keine Lust mehr. Die Zeltplatzsuche gestaltet sich diesmal als schwierig, überall sind große Steine und Geröll. Um ca. 16.30 Uhr schlage ich aber dennoch mein Lager auf und versuche, meinen Körper möglichst gut zu regenerieren. Im Zelt ist es noch zu heiß, um sich hineinzulegen, aber ich lege mich direkt neben das Zelt in den Mini-Schatten vom Zelt und entspanne mich dort.





                            Heute habe ich sehr viel weniger Menschen getroffen als in den letzten Tagen. Als wirklich überfüllt habe ich den Weg bis jetzt ja zum Glück nie empfunden, aber dennoch merke auch ich, dass anscheinend viele Wanderer zum Kebnekaise bzw. nach Nikkaluokta abgebogen sind, um dort ihre Tour zu beenden. Auch heute habe ich wieder die Kurzhaarige getroffen. Sie geht aber heute bis Teusejaure und überspringt Kaitumjaure. Meine Fußschmerzen unter den Fußsohlen waren heute noch stärker als bisher, aber dafür sind die Schulter- und Hüftschmerzen endlich fast komplett weg. Zumindest diese Körperteile haben sich wohl endgültig an das Rucksackgewicht gewöhnt Heute habe ich mit 2200 Kalorien einen neuen Rekord geschafft. Dennoch bleibt es für mich ein Rätsel, wieso ich nie wirklich Hunger hier habe. Zuhause ist es ein Leichtes für mich, täglich 3000 Kalorien zu essen bei sehr viel weniger Belastung und hier muss ich um jede Kalorie kämpfen (, obwohl genug Essen zur Verfügung steht). Alles außer meinem körperlichen Tief ist bestens, aber einschlafen kann ich heute trotzdem erst um ca. 0.30 Uhr, auch weil der Wind heute sehr laut am Zelt rüttelt.


                            Tag 8 (11.7.2018)
                            Neuer Tag, neues Glück? Die Nacht war echt laut wegen dem starkem Wind, aber immerhin habe ich bis 6.30 Uhr geschlafen. Zum ersten Mal habe ich nachts den Schlafsack teilweise offen gelassen, weil es so warm war und ich zum ersten Mal auf dieser Tour nachts ein bißchen geschwitzt habe. Um 8.21 Uhr starte ich mit einem immer noch schlappen Körper meine heutige Etappe. Eine Stunde lang schnecke ich schlapp vor mich hin und befürchte schon einen schlechten Tag, aber dann, nach einer Stunde, wird mein Körper fit. Endlich bin ich wieder energievoll und kann die Wanderung in vollen Zügen genießen! Morgens hat es ein paar wenige Tropfen geregnet, aber ab ca. 12 Uhr ist mal wieder blauer Himmel zu sehen. Auf dem Weg Richtung Teusejaure mache ich eine Mittagspause auf meiner Isomatte in der Sonne und erlebe etwas besonders Schönes: Ein Greifvogel fliegt über mich hinweg und scheint mich zu beobachten. Bei einer weiteren Pause etwas später ist er tatsächlich wieder da! Er fliegt so tief, dass ich sein Flügelschlagen hören kann! Da im Moment fast kein Wind weht, ist es sehr leise ringsherum. Ein unfassbar schönes Gefühl, so nah an einem echten wildlebenden Tier zu sein. Heute treffe ich immer wieder mal ein Ehepaar, welches ich gestern bei einem netten Plausch in Kaitumjaure kennengelernt habe. Der Abstieg nach Teusejaure herunter ist ziemlich anstrengend für meine Knie, aber ansonsten hat bis hierher heute mal wieder alles gut geklappt. In Teusejaure treffe ich zufällig das Ehepaar wieder, welches gerade das zweite Boot von der gegenüberliegenden Seite holt. Da die beiden also sowieso ein drittes Mal rüberrudern möchten bzw. müssen, weil das Motorboot erst um 17 Uhr fährt, schließe ich mich nach einer kurzen kostenlosen Limonade an der Hütte und einem supernetten Plausch mit der Stugvard-Frau und ihrem Besuch den beiden an. Eine passendere zeitliche Ankunft hätte ich wirklich nicht haben können in Teusejaure. Wir erleben zusammen eine herrliche perfekte Überfahrt. Der Mann rudert, und wir beiden Frauen genießen die wunderbare Landschaft bei wenig Wind und fast blauem Himmel:





                            Drüben angekommen laden die beiden mich zu gekochtem Wasser ein, was bedeutet, dass ich nichts machen muss, um meine Chicken-Curry-Adventure-Tüte genießen zu können. Die beiden kochen sich sowieso etwas dort zu Mittag und haben also einfach etwas mehr Wasser für mich mitgekocht, sehr nett. So genießen wir also zusammen eine längere Pause und machen uns dann getrennt voneinander an den anstrengenden Aufstieg auf die nun kommende Hochebene. Da es inzwischen sehr heiß ist in der Sonne und immer noch fast kein Wind weht, ist der Anstieg wirklich anstrengend. Und ein neues Problem zeigt sich: So langsam wird mein Wasser knapp. Natürlich hatte ich unten in Teusejaure mein Wasser aufgefüllt, aber der Anstieg war echt anstrengend und da ich damit gerechnet hatte, oben recht zügig neues Wasser zu finden, habe ich beim Aufstieg nicht wirklich gespart. Leider war dem aber nicht so, denn oben angekommen finde ich mehrere ausgetrocknete Bäche vor, aber kein Wasser. Ab jetzt spare ich also wirklich und schwitze in der Hitze vor mich hin ohne Wasser. Auch das Ehepaar, welches ich immer wieder mal treffe, hat fast kein Wasser mehr und so hoffen wir gemeinsam, dass wir bald einen Bach finden, der nicht ausgetrocknet ist. Irgendwann komme ich an ein Schild mit der Aufschrift „Bro“, welches nach rechts zeigt. Brücke ist natürlich erstmal etwas Gutes, da sich dort hoffentlich Wasser befindet, aber gerade aufgrund des momentanen Wassermangels möchte ich auf keinen Fall einen Fehler machen und unnötig mehr Kilometer laufen als notwendig. Deswegen warte ich spontan auf das Ehepaar und berate mich mit ihnen zusammen. Wir beschließen, den Umweg zur Brücke zu sparen, welcher laut ihrer Karte ca. 1 - 2 km betragen würde, und gehen weiter geradeaus. Wir hoffen, dass der Fluss, welchen wir dann ohne Brücke furten müssen, so wenig Wasser führt, dass dies ohne Gefahr klappt. Da es insgesamt in den letzten Wochen nur sehr wenig hier geregnet hat, ist die Chance groß. Wir schleppen uns also durstig zum Fluss, mit dem Plan, erstmal zu trinken und unsere Flaschen aufzufüllen. Im Notfall gehen wir halt wieder zurück und laufen doch zur Brücke, falls der Fluss zuviel Wasser führt, aber erstmal ist für uns am wichtigsten, Trinkwasser zu besorgen. Da auch die Beiden mit Zelt unterwegs sind, sind wir sowieso flexibel und nicht in Eile. Irgendwann erreiche ich als Erste endlich den Fluss und stelle erleichtert fest, dass er nicht ausgetrocknet ist. Ich genieße das frische Wasser und beginne damit, eine passende Stelle zum Furten zu suchen. Auch das Ehepaar erreicht nun den Fluss und so beginne ich entspannt mit dem Versuch, das Wasser in Crocs zu durchqueren. Die Durchquerung gestaltet sich tatsächlich als etwas heikel. Immer wieder muss ich umdrehen, etwas zurückgehen, um dann wieder an einer neuen Stelle weiter vorwärts zu kommen. Die Abstände der Steine sind zu groß, um von Stein zu Stein zu balancieren und das Wasser ist teilweise etwas reißend, aber zum Glück nie wirklich tief. Irgendwann komme ich drüben an, ziehe meine Schuhe wieder an, schließe den Rucksack wieder und warte auf das Ehepaar, welches an einer anderen Stelle furtet. Auch sie brauchen ziemlich lange, aber irgendwann kommen auch sie gesund drüben an und ich begrüße sie mit den Worten „Present for you“ und überreiche jedem einen Schneeball, welche ich gerade frisch aus einem Altschneefeld besorgt habe.



                            Eigentlich habe ich den Schnee nur aus Spaß mitgebracht, weil man das Schneefeld von ihrer Furtstelle aus nicht sehen konnte, aber die Frau beißt lustigerweise direkt in den Schneeball rein, um sich abzukühlen. Wie auch immer, wir sind alle froh, dass wir gesund drüben sind und so trennen wir uns wieder. Die beiden haben sich vorgenommen, genau wie ich am Ende der Hochebene einen Zeltplatz zu suchen und dann morgen früh den Abstieg nach Vakkotavare auf sich zu nehmen. Ihre Tour ist dort beendet, sie wollen morgen früh den Bus Richtung Heimat nehmen (sie wohnen in Schweden). Ich dagegen werde zwar auch den Bus nehmen, wenn bis dahin alles gut klappt, aber ich werde in Kebnats aussteigen und dann mit dem Schiff nach Saltoluokta fahren, denn seit der Flussüberquerung steht für mich mehr oder weniger fest: Ich werde es bis Vakkotavare schaffen. Meinem Körper geht es meistens gut und überhaupt bin ich so glücklich insgesamt, dass ich mein Ziel, bis nach Kvikkjokk zu gelangen, weiter verfolgen werde. Mir wird gerade richtig bewusst, was ich in den letzten Tagen schon alles geschafft habe und wie viel besser alles geklappt hat, als wie ich es mir erträumt hatte.
                            Die letzte Stunde meiner heutigen Etappe wird dann aber doch nochmal zäh, mein Körper hat wohl genug geleistet für heute und wird wieder schlapp. Aber das ist nach diesem langen heißen Tag ok so, er hat sehr gut durchgehalten. Immerhin habe ich heute ca. 7 + 13 km erwandert, absolute Höchstleistung für diese bisherige Tour (und ich glaube, für mein ganzes bisheriges Leben?!?).
                            Um 17.30 Uhr finde ich einen superguten Zeltplatz in traumhafter Landschaft, welcher sich kurz vor dem finalen Abstieg nach Vakkotavare befindet (ca. 3 km vor Vakkotavare) und somit noch oberhalb der Baumgrenze befindet ( = hoffentlich wenige Moskitos).



                            Im Zelt ist es mal wieder zu heiß und erst um 21.30 Uhr schließt die Sauna für heute, so dass ich dann endlich hineinkriechen kann. Menschen habe ich heute außer dem Ehepaar fast gar keine gesehen. Auch an meinem Zeltplatz sehe ich nirgendwo Menschen und so genieße ich mal wieder einen Nachmittag und Abend in völliger Ruhe. Zum ersten Mal stelle ich heute mal meinen Smartphone-Wecker auf 6 Uhr. Da ich ja sowieso nie viel länger schlafe, weil es ab dann zu heiß wird im Zelt, ist mein Plan, dass ich so dann entspannt den Bus um 11.05 Uhr erreiche. Dann kann ich einen schönen entspannten Nachmittag und Abend in Saltoluokta verbringen und muss nicht in Vakkotavare mehrere Stunden auf den nächsten Bus warten.


                            Tag 9 (12.7.2018)
                            Die letzte Nacht war leider unerwarteterweise die schlechteste Nacht meiner bisherigen Tour. Geschlafen habe ich nur von 1 bis 6 Uhr, weil sich so viele Insekten zwischen Innen- und Außenzelt zu einer Party getroffen haben, dass es viel zu laut war. Ohropax wollte ich aber nicht rein tun, da ich dann den Wecker nicht gehört hätte. Um ca. 0 Uhr war dann zwar die Party beendet, dafür setzte aber Wind und Regen ein, was dann auch wieder laut war. Dennoch bin ich aber glücklich und voller Vorfreude, gleich das erste große Zwischenziel zu erreichen und so packe ich alles um 6 Uhr zusammen, um dann schon um 7.21 Uhr Richtung Zivilisation zu laufen. Morgens sind zwar noch ein paar Wolken am Himmel zu sehen, aber es ist superwarm und ab mittags ist der Himmel mal wieder blau und, wie ich später in Saltoluokta erfahre, es herrschen 24 Grad. Beim Etappenstart fühle ich mich ein bißchen schlapp, aber je mehr ich laufe, desto fitter werde ich. Kurz nach meinem Start laufe ich am Ehepaar vorbei, welches außer Sichtweite von mir auch einen guten Zeltplatz gefunden hat und welches gerade alles zusammenpackt. Wir halten einen kurzen Morgenplausch und ab dann geht es für mich hinunter. Der Abstieg klappt super. Ich bin zwar wie so oft extrem langsam unterwegs, aber ich habe fast keine Schmerzen, weder an den Schultern noch an der Hüfte noch unter den Füßen. Es ist ziemlich heiß in der Sonne, aber es gibt immer wieder genug frisches Wasser und so genieße ich die letzten 2 km bis zu meinem großen Zwischenziel sehr.



                            Schon um 8.54 Uhr treffe ich in Vakkotavare ein.
                            Ich verabschiede mich an dieser Stelle feierlich von Option „Variante B“. Bis hierher hat insgesamt alles supergut geklappt. Natürlich gab es bis hierhin gute und schlechte Zeiten, aber die guten haben ganz klar überwogen und so steht für mich jetzt fest: Ich werde mein Ziel weiter verfolgen.
                            Try to come to Kvikkjokk again
                            Überglücklich stelle ich meinen Rucksack ab, kaufe mir eine Fanta beim Stugvard, mache ein paar Fotos und quatsche mit der Kurzhaarigen, welche hier übernachtet hat und auch gleich den Bus nimmt. Ziemlich hässlich anzusehen und ungewohnt nach den ruhigen Tagen sind für mich die Wohnwagen auf dem Parkplatz gegenüber und Strommasten. Auch das Ehepaar trudelt kurz nach mir ein und so machen ich Zielfotos für sie und sie für mich und steigen dann zusammen in den Bus, welcher sehr pünktlich angefahren kommt. Im Bus erlebe ich einen kurzen Schock-Moment: Meine Kreditkarte funktioniert nicht im Gerät, die Karten der anderen Wanderer aber schon. Ziemlich verwundert, weil meine Karte bis jetzt immer überall auf dieser Tour funktionierte, biete ich dem Busfahrer an, bar zu bezahlen, aber das möchte er nicht. Und so wird aus dem Schock-Moment ein Glücks-Moment, denn ich darf umsonst mitfahren
                            Die 30-minütige Pause bei Stora Sjöfället verbringen wir zu viert (das Ehepaar, die Kurzhaarige und ich) und wir gönnen uns Sandwich-Eis. Während der Buspause erfahre ich, dass die Kurzhaarige, welche ja eine reine Hüttentour ohne Zelt macht, einen 17-Kilo-schweren Rucksack durch die Gegend trägt. Es ist ihre erste Tour dieser Art und ich fühle mich kurzzeitig als Profi, weil mein Rucksack viel weniger wiegt trotz Zelt und allem, was man noch als Zelter braucht.
                            Auf der weiteren Fahrt kurz vor Kebnats verabschiede ich mich im Bus vom Ehepaar. Gerade, als ich zur Bustür gehen will, ruft mir das Ehepaar zu, dass mein Smartphone noch zum Laden an der Decke des Busses hängt…oh mein Gott…ich hätte es echt im Bus vergessen, wenn sie es nicht bemerkt hätten. Ein großer Fehler, der nicht passieren darf, aber glücklicherweise ist ja nochmal alles gut gegangen. Das Typischste daran ist, dass, kurz bevor der Bus in Vakkotavare angefahren kam, eine junge Japanerin ihren Fotoapparat gesucht hat und bei dieser Suche einen Kugelschreiber im Schlitz der Holzbohlen für immer verloren hat. Ich habe innerlich die ganze Zeit gedacht, wie sie nur so unorganisiert sein kann, so kurz vor Weiterreise nicht alle ihre Sachen zusammen zu haben…und jetzt, nur wenig später, passiert mir genau das gleiche….ich schäme mich vor mir selbst, winke dem Ehepaar ein letztes Mal zu und steige aus. Außer mir sind in Kebnats nur die Japanerin und die Kurzhaarige ausgestiegen. Zu dritt laufen wir also zum Schiffsanleger. Das Schiff wartet schon auf uns und fährt direkt ab, als wir alle drinnen sind. Gezahlt wird während der Fahrt und diesmal funktioniert meine Kreditkarte wie gewohnt.



                            In Saltoluokta trennen wir uns. Die Kurzhaarige hat wie immer ein Bett reserviert, macht nur heute Pause und wandert morgen weiter. Ich dagegen mache morgen einen kompletten Pausentag hier in Saltoluokta. Ich freue mich darauf, mehrmals im Restaurant zu essen, viele Kalorien zu mir zu nehmen, und einfach mal die Beine zu entspannen.
                            Beim Wiegen meines Rucksackes fühle ich mich nochmal kurzzeitig als Profi in Anbetracht dessen, dass die Kurzhaarige als Hütten-Wanderin 17 Kilo dabei hat



                            Um 13.45 Uhr steht mein mobiler Luxustempel. Ausgewählt habe ich einen Platz sehr weit unten, fast direkt am Strand. Um mich herum alles voller Birkenbäume, andere Zelte sind nicht in Sichtweite, sehr schön.





                            Der einzige negative Punkt ist, dass überall in Saltoluokta große Ameisen herumkrabbeln. Wenn ich nicht sehr gut aufpasse, beißen sie sich sofort in den Fuß rein, was kurzzeitig echt schmerzhaft ist.
                            Ich gönne mir schon wieder ein Sandwich-Eis und melde mich für das Dinner an. Beim Dinner gibt es keine freie Platzwahl und so lerne ich eine nette Holländerin kennen, die gerade den Padjelantaleden gelaufen ist und vor 2 Jahren den Kungsleden, also genau andersherum wie ich.
                            Nach meinen Schätzungen komme ich heute auf ca. 3100 Kalorien, mal wieder eine Steigerung. Beim Dinner steht heute Verschiedenes auf dem Speiseplan, welches man nach einer Einweisung in schwedischer Sprache genießen kann, von der ich leider aber überhaupt nichts verstanden habe. Die Vorspeise besteht aus verschiedenen Salaten und Rentierfleisch auf Brot mit einer leckeren Creme. Allein dafür hat sich das Dinner schon gelohnt, es ist soooooo lecker. Als Hauptspeise gibt es frischen Fisch (ohne Gräten ) und baked potatoes und Broccoli und Blumenkohl. Auch das ist unendlich lecker. Als krönenden Abschluss gibt es dann noch eine Art Grillkäse mit Karamellsoße und Moltebeeren als Dessert.
                            Nach dem Dinner buche ich direkt einen Platz für das All-You-Can-Eat-Buffett für den nächsten Morgen.
                            Erschöpft, vollgefressen, aber überglücklich und stolz auf mich selbst, es hierhin geschafft zu haben, verziehe ich mich ins Zelt und schlafe um ca. 22.15 Uhr ein


                            Tag 10 (13.7.2018)
                            Die Nacht war perfekt. Um 5.28 Uhr wache ich bei fast blauem Himmel auf und bin nachts nur einmal ganz kurz aufgewacht um 3.28 Uhr, aber sofort wieder eingeschlafen. Ich gammel im Zelt rum, entspanne, und schlürfe irgendwann den Hügel hinauf zum Frühstücks-Buffett. Dort bin ich verabredet mit der kurzhaarigen Deutschen. Ich stopfe ich mich voll, bis nichts mehr reinpasst. Käse, Brot, Eier, Milch, Salamischeiben…alles muss rein Für umgerechnet ca. 10 Euro ist das Buffett wirklich ein gutes und leckeres Schnäppchen (im Gegensatz zum Dinner, welches recht teuer ist). Die Kurzhaarige verabschiedet sich irgendwann während des Frühstücks, sie läuft nun los nach Sitojaure. Wir verabschieden uns (fälschlicherweise) für immer, da ich ja heute hier bleibe und erst morgen weiterlaufe. Außerdem habe ich einen Tag für den Skierffe eingeplant. Sie hingegen hatte vor ihrer Anreise noch nie etwas vom Skierffe gehört und weiß noch nicht, ob sie dieses Abenteuer auf sich nehmen möchte, evtl. will sie versuchen, ihre letzten Hütten dafür umzubuchen. Mal wieder bin ich unendlich froh, mit meinem Zelt völlig frei zu sein, so dass ich mich mit solchen Buchungsproblemen nicht beschäftigen muss.
                            Als die Kurzhaarige weg ist, setzen sich 5 Herren gemischten Alters zu mir an den Tisch, welche alle ein blaues STF-T-Shirt tragen. Sie waren 5 Tage lang unterwegs und haben an verschiedenen Orten Einiges repariert, z.B. Türen in Alesjaure. Heute ist ihr Abschiedsfrühstück, gleich geht es für sie nach hause.
                            Ich hingegen habe alle Zeit der Welt und stopfe mich weiter voll. Danach schlürfe ich den Hügel wieder hinunter zu meinem Zelt und schaffe es, da es im Schatten steht, nochmal 2 Stunden zu schlafen. Irgendwann vormittags buche ich dann für heute Abend wieder einen Platz beim Dinner und einen Platz für morgen früh nochmal für das Frühstückbuffett. Außerdem brauche ich Nachschub an Lebensmitteln und decke mich im Mini-Shop mit neuen Snacks, Adventure Food-Tüten und Kakaosticks ein. Danach entspanne ich mich im Aufenthaltsraum, lade mein Smartphone auf und nutze das Wlan, um ein paar Ich-habe-es-bis-hierhin-geschafft-und-lebe-noch-Grüße zu verschicken.
                            Bei 19 Grad und nur wenigen Wolken lässt sich der Tag gut ertragen, es gibt wirklich Schlimmeres



                            Nachmittags gönne ich mir mal wieder ein Sandwich-Eis und treffe einen UL-Typ, der in 11 Tagen von Hemavan bis Saltoluokta gelaufen ist. Sein Baseweight beträgt nur 5 Kilo, was ich aufgrund der unterschiedlichen Wetterverhältnisse hier ganz schön krass finde.
                            Auch das heutige Dinner stellt sich wieder als wunderbar heraus. Die Erklärungs-Ansprache vorher verstehe ich auch heute wieder nicht, aber da alle Menschen, die der schwedischen Sprache mächtig sind, immer wieder lachen, scheint sie sehr kreativ und lustig zu sein. Die Vorspeise ähnelt der von gestern, aber diesmal liegt auf dem Brot jeweils frischer Lachs statt Rentier. Als Hauptspeise gibt es heute Rentier mit baked potatoes und das Dessert ist heute dieser leckere Kuchen:



                            Beim Dinner sitzt heute eine Frau gegenüber von mir am Tisch, welche in Schweden wohnt, 3 afghanische geflüchtete Jungs aufgenommen hat, von welchen einer nach einem Jahr nach Frankreich weiter flüchten musste, weil er in Schweden keine weitere Aufenthaltsgenehmigung bekommen hat und sonst zurück nach Afghanistan gemusst hätte. Dort hätte ihn aber sein Vater wahrscheinlich getötet, und so musste er seine neue gefundene Familie verlassen und alleine als 16 jähriger junger Mensch weiter flüchten nach Frankreich. Die Geschichte geht mir ziemlich nah, es muss unendlich schlimm sein für die Frau, welche die Teenager nach einem Jahr natürlich ins Herz geschlossen hat und ihre neue Ersatzmama geworden ist. Sie hat in den letzten 5 Tagen mit einer Gruppe für alleinstehende ältere Leute Tagestouren unternommen.
                            Außerdem lerne ich eine junge Kanadierin kenne, welche ich ab heute noch öfters wieder sehen werde bis Kvikkjokk.
                            Schmerzen habe ich heute überhaupt keine außer meinen üblichen LWS-Beschwerden, die aber nichts mit der Wanderung zu tun haben.
                            Leider erfahre ich abends nach dem Dinner noch eine ziemlich traurige Nachricht: Der Bootsführer in Aktse ist spontan gestorben. Das wiederum heißt den Gerüchten zufolge, dass das Boot allerfrühestens erst Mittwoch wieder fährt. Mein bisheriger Plan war eigentlich, es eher zu nutzen. Naja, da hilft wohl nur abwarten, wie sich das weiter entwickelt, ob so schnell ein Ersatz gefunden wird oder nicht. Falls das Boot nicht fährt, wenn ich es brauche, warte ich entweder, oder laufe im Notfall wieder zurück nach Saltoluokta. Zum Glück bin ich ja spontan und frei mit meinem Zelt, so dass sich schon irgendwie ein Plan ergeben wird. Mehr traurig macht mich der spontane Tod, auch wenn ich den Bootsführer nicht kannte.
                            Über Kalorien mache ich mir heute keine Sorgen, meine ungefähren Schätzungen kommen auf ca. 3300 Kalorien
                            Um ca. 23 Uhr schlafe ich ein und bin gespannt, was die zweite Hälfte meiner Tour mit sich bringen wird, wie weit ich es schaffen werde und ob alles weiterhin so gut klappt wie bisher.
                            Unendlich großen Respekt habe ich vor dem Skierffe, welchen ich eigentlich gerne besteigen würde. Aber da ich ja schon Angst auf Hängebrücken habe, graut es mir schon davor, seit ich das erste Mal Fotos von der steilen Wand gesehen habe. Dennoch reizt mich natürlich der traumhafte Ausblick und so hilft wohl trotz meiner riesigen Angst nur abwarten und Tee bzw. Wasser aus Bächen trinken
                            Zuletzt geändert von Blubbi; 13.01.2019, 13:45.

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                            • Blahake

                              Fuchs
                              • 18.06.2014
                              • 1432
                              • Privat

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                              #15
                              AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                              Das macht viel Freude, mit Dir "mitzuschnecken" und nachzuempfinden, wie glücklich Du dabei bist. Wenn man dann auf den Bildern noch die Landschaft wiedererkennt, in der man selbst schon so ähnlich empfunden hat - großartig! Vielen Dank !!!

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                              • DerNeueHeiko
                                Alter Hase
                                • 07.03.2014
                                • 3128
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                                #16
                                AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                                Da kann ich mich nur anschließen Freue mich schon, deinen weiteren Weg mitzulaufen (und hoffentlich gut in Kvikkjokk anzukommen ;) )

                                MfG,
                                Heiko

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                                • pekra62
                                  Dauerbesucher
                                  • 02.03.2012
                                  • 836
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                                  Auf jeden Fall muss ich mal wieder festhalten, dass mein Körper die Belastungen diesmal viel viel besser wegsteckt als am Padjelantaleden.
                                  Ich hab ja den Gedanken, dass der Körper eine Art "Memory-Effekt" hat - was er einmal geschafft hat, schafft er wieder, aber besser oder einfacher (allerdings braucht er nach einem Jahr Pause min 1-2 Tage, um sich einzustellen). Keine Tour war so schwierig, wie meine erste, obwohl bei den Nachfolgenden der Rucksack teils schwerer und die Route schwieriger war

                                  Immer noch schön, "mit dir zu wandern" bzw zu schnecken . Tolle Wortschöpfung. Bin neugierig auf Fortsetzung

                                  Peter

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                                  • Pfiffie
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                                    • 10.10.2017
                                    • 2024
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                                    "Freiheit bedeutet, dass man nicht alles so machen muss wie andere"

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                                    • Blubbi
                                      Erfahren
                                      • 17.01.2016
                                      • 431
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                                      Danke für all eure netten Kommentare
                                      In ein paar Tagen folgt die Fortsetzung.
                                      Macht euch schonmal auf meine aufregendsten Tage dieser Tour gefasst

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                                      • Blubbi
                                        Erfahren
                                        • 17.01.2016
                                        • 431
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                                        #20
                                        AW: [SE] Try To Come To Kvikkjokk Again

                                        Tag 11 (14.7.2018)
                                        Die Nacht war wieder sehr gut. Ich packe alles gemütlich zusammen und schnecke ein letztes mal den Hügel zur Haupthütte hoch. Oben angekommen genieße ich das wunderbare Buffett und verabschiede mich danach von der Frau mit den afghanischen Jungen, vom 5-Kilo-UL-Typ und von ein paar anderen Leuten, die ich gestern kennengelernt hatte. Danach kaufe ich mir 4 neue Batterien für den Fotoapparat und um 9.14 Uhr starte ich mit meiner Etappe. Der Aufstieg ist für mich eine kleine Qual, da ich überraschenderweise total schlapp bin, anstatt wie gehofft gestärkt nach dem Ruhetag gestern. Steil ist der Aufstieg aber nie und so schnecke ich wie gewohnt langsam Schritt für Schritt weiter nach oben. Ein Tagesziel habe ich für heute eigentlich nicht. Je nachdem, wie weit mich meine Füße tragen möchten, habe ich vor, irgendwo zwischen Saltoluokta und Sitojaure meinen Luxustempel zu errichten.
                                        Beim Aufstieg hat man eine tolle Aussicht zurück:



                                        Oben angekommen schaffe ich es das erste Mal auf dieser Tour, mich zu verlaufen. Ich merke es gar nicht, aber anscheinend habe ich eine Abzweigung verpasst und drifte immer weiter nach rechts ab anstatt nach links. Vor mir sehe ich in der Ferne einen Berg, an dem ich laut meiner Erinnerung an eine Karte links vorbei muss. Mein Trampelpfad allerdings führt mich immer weiter nach rechts. Ich mache mein Smartphone an und hoffe auf neue Erkenntnisse, aber auch dies bringt mich nicht wirklich weiter. Muss ich den ganzen Weg zurücklaufen? Oder macht mein Weg nur eine große langgezogene Kurve und führt mich doch irgendwann wieder nach links? Ich laufe immer weiter, sehe manchmal in der Ferne Schilder von einem Winterweg. Ist dies der Winterweg des Kungsleden? Oder gibt es noch einen anderen Winterweg, der nach Osten führt? Fragen über Fragen. Ich laufe also immer weiter nach Osten, immer an einem Fluss entlang. Mich wundert außerdem, dass ich schon lange keinen Menschen mehr gesehen habe. Irgendwann sehe ich eine verlassene Kote und meine, dort einen Menschen sitzen zu sehen. Ich laufe dorthin, finde einen seltsamen alten Mann mit Tagesrucksack vor und versuche ihm mein Problem zu schildern. Er versteht allerdings mein Englisch nicht wirklich und ich sein Schwedisch nicht. Er wühlt eine Karte hervor und zeigt mir dann, dass ich falsch bin. Tatsächlich ist dieser Weg ein anderer, der immer weiter nach Osten führt. Entweder muss ich den ganzen Weg zurücklaufen oder querfeldein nach Westen, bis ich auf den Kungsleden stoße. Der Mann scheint nicht gut zu finden, dass ich hier herumirre. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich mich in keinerlei Gefahr befinde, da ich erstens den Weg zurückfinden würde, ich zweitens mein Zelt dabei habe und drittens viel Zeit habe, um viele Kilometer umsonst zu laufen, falls es wirklich dazu gekommen wäre. Er aber findet, dass es gar nicht geht, keine Papierkarte dabei zu haben. Ich erkläre ihm, dass ich Karten auf meinem Smartphone habe, aber den Trampelpfad, auf dem ich gerade bin, nicht finden konnte auf der Karte, aber auch das versteht er nicht. Wie auch immer, ich bedanke mich bei ihm für die Auskunft und entscheide mich für Querfeldein. Ich laufe gefühlt ewig lange kleine Hügel hoch und runter, springe über Mulden, stolpere über Gestrüpp und bin immer noch schlapp. Jeder Schritt wird zur Qual. Nach einer gefühlten Ewigkeit treffe ich endlich wieder auf den Kungsleden. Auch wenn ich immer wusste, wo ich mich grob befinde und in welche Richtung ich muss, so bin ich dennoch froh, den Umweg überstanden zu haben. Ca. 2 Kilometer Umweg habe ich nun sinnlos verloren, aber das macht natürlich nichts, Zeit habe ich genug. Ärgern tu ich mich trotzdem über mich selbst, denn den Weg zu verlieren darf natürlich nicht passieren, außer wenn es mit Absicht geschieht. Ab mittags geht es meinem Körper aber endlich wieder etwas besser, die Schlappheit wird weniger und zumindest ein bißchen Energie kehrt zurück in meinen Körper. Ab jetzt ist der Weg wieder eindeutig gekennzeichnet und ich laufe über die Hochebene.



                                        Ich verstehe immer noch nicht, wie ich heute Vormittag einen Abzweig verpassen konnte. Es ist superwarm mal wieder den ganzen Tag lang in der Sonne und so habe ich keine Lust, schon mein Zelt aufzustellen, da ich sowieso nicht hinein gehen könnte (Saunazeit). Also laufe ich immer weiter, bis der Abstieg nach Sitojaure beginnt und irgendwann finde ich mich tatsächlich in Sitojaure ein und bin viel weiter gelaufen heute als eigentlich angedacht.



                                        Der Wandertag heute war vom Körperlichen her auf jeden Fall der Schlimmste dieser bisherigen Tour, obwohl ich immer wieder kurze Pausen gemacht habe und mich sogar 2 mal zur Entspannung zwischendurch auf die Isomatte gelegt hatte. Schultern, Hüfte, Füße, alles tat weh. Es ist mir ein Rätsel, wie das sein kann, denn normalerweise dachte ich, dass ich mich nun eingelaufen habe in der ersten Tourhälfte, aber dem scheint nicht so zu sein. Naja. Ich hoffe über alles, dass ich morgen weniger Schmerzen habe.
                                        In Sitojaure werde ich von der netten Hüttenfrau mit einer kostenlosen Limo begrüßt. Sie erklärt mir alles, was ich für diese Übernachtung wissen muss, vom Badeplatz bis zum Abfalleimer. Ich baue mein Zelt auf der dafür vorgesehen kleinen Wiese auf, die Kanadierin ist heute meine Nachbarin.



                                        Zum Kochen bin ich heute zu erschöpft, ich gehe deshalb in den Aufenthaltsraum und esse dort nur Müsli mit Milchpulver und Wasser. In der Hütte treffe ich ein junges Pärchen aus der Schweiz wieder, welches ich gestern schon in Saltoluokta kennengelernt hatte. Sie machen eine Hüttentour und – Achtung Vorschau – mit ihnen werde ich in meinen letzten Tagen noch etwas sehr Besonderes erleben
                                        Abends in Sitojaure gibt es einige Mücken, welche ein bißchen nerven. Auch in der Hütte nerven einige davon und da mir sowieso alles weh tut vom für mich harten Wandertag, schleppe ich mich nach meinem Müsli zum Zelt, welches inzwischen zum Glück komplett im Schatten steht.
                                        Im Zelt falle ich erschöpft in meinen Schlafsack. 19 Kilometer + ca. 2 km Umweg querfeldein waren kein Ponyhof für meinen Körper. Ich bin froh, es hierhin geschafft zu haben und hoffe, dass morgen für meinen Körper ein besserer Tag wird. Da ich morgen früh das Boot nehmen möchte, stelle ich zum zweiten Mal auf dieser Tour meinen Wecker im Smartphone.


                                        Tag 12 (15.7.2018)
                                        Um 6 Uhr weckt mich pünktlich mein Handy und so packe ich alles gemütlich zusammen und bringe meine Sachen schon mal zur Hütte, damit ich auf keinen Fall das Boot verpasse. Die Nacht war super, nur zweimal bin ich ganz kurz aufgewacht, aber sofort wieder eingeschlafen. Erstaunlicherweise haben mich heute Nacht keine Insekten im Vorzelt gestört, dies hatte ich hier in Sitojaure – auch nach dem gestrigen Abend - anders erwartet. Umso besser, frisch ausgeschlafen startet also meine neue Etappe. Mein Körper schafft es immer wieder mich zu überraschen und so bin ich heute topfit, den ganzen Tag lang. Keine Schlappheit, keine Schmerzen außer LWS, nichts, alles bestens.
                                        Als ich zum Motorboot laufe, winkt mir der Hütten-Stugvard nett hinterher, um tschüß zu sagen. Ich winke zurück und schon bringt mich das Motorboot schnell zur anderen Seite.



                                        Mein momentaner Plan ist es für heute, nach dem Aufstieg aus dem Birkenwald bis zum Ende der nun kommenden Hochebene zu laufen, also kurz vor dem Abstieg nach Aktse runter. Dort möchte ich zelten, dann morgen mit einem leichten Rucksack einen Tagesausflug in die Nähe oder auf den Skierffe machen und das Zelt stehen lassen, und dann übermorgen runter nach Aktse laufen und, wenn denn das Motorboot fährt, rüberfahren. Soweit zur Theorie. Kaum ist das Motorboot weg, werde ich zum ersten Mal auf dieser Tour von Insekten tyrannisiert. Zuerst führt mich der Weg ca. 1 – 2 km durch den Birkenwald, bevor der Anstieg ins Fjäll beginnt. Währenddessen nerven mich durchgehend so viele Moskitos, Fliegen, Bremsen usw., dass ich zum ersten Mal mein Moskitonetz nutze. Für Pausen sind die Insekten heute zu nervig, aber da ich körperlich heute echt fit bin, macht das nichts und so schnecke ich durch den Birkenwald und dann langsam immer weiter nach oben. Der Anstieg zieht sich, aber erst ganz am Ende wird es richtig steil. Auch dieses steile Endstück meistert mein Körper aber gut, und so lege ich mich glücklich und zufrieden neben meinen Rucksack auf meine Isomatte und gönne mir eine lange Pause bei einer Landschaft und einem Fernblick, der nicht in Worte zu fassen ist.





                                        Außerdem gönne ich mir einen Riegel, den ich mir in Saltoluokta gekauft hatte und der für einen Riegel selbst für Kungsleden-Verhältnisse ziemlich teuer war. Sehr schnell stellt sich allerdings heraus, dass das Wort „gönnen“ bezogen auf den Riegel die absolut falsche Wortwahl ist. Der Riegel ist der ekligste Riegel, den ich jemals in meinem ganzen Leben gegessen habe. Ich kann nicht verstehen, wie das sein kann, drehe das Papier um und lese das Wort „sugarfree“. Alles klar, das erklärt einiges. Dennoch bin ich enttäuscht von dem Ding, esse es aber natürlich trotzdem auf, denn auf einer Tour, wo man alles kilometerweise hoch- und runterschleppt, schmeiße ich generell nichts weg.



                                        Nach der wunderbar entspannenden Pause geht es ein kleines Stück flach entlang auf der Hochebene, aber schon nach kurzer Zeit beginnt ganz langsam und sanft der Abstieg Richtung Aktse. Kurz, bevor der richtige steile Abstieg beginnt, entdecke ich das Schild Richtung Skierffe.
                                        Bis jetzt habe ich es erst einmal erwähnt, aber jetzt ist es nochmal soweit: Ich habe Angst vor dem Skierffe. Schon die Bilder zuhause im Internet haben in mir Angst ausgelöst. Die fast senkrechte Wand, so ganz ohne Absperrungen und ziemlich hoch, ist überhaupt nichts für mich Schisshase, die sogar Angst hat beim Überqueren von Brücken. Und jetzt, wo ich ihn zum ersten Mal live sehe, ist meine Angst noch viel größer. Eigentlich mache ich den Ausflug morgen nur, weil im Internet alle davon schwärmen. Ich hingegen schwärme nicht davon, sondern habe jetzt schon Angst, denn ich weiß ganz genau, dass dies nichts ist für einen Höhenangst-Schisshasen wie mich. Trotzdem möchte ich es versuchen und laufen, soweit es mein Gehirn zulässt. Ich möchte versuchen mich zu überwinden und tue das nur, um mir selbst etwas zu beweisen.
                                        Zur anderen Seite hin sehe ich schon einige Zelte, und so mache ich mich ebenfalls auf die Suche nach einem Zeltplatz für die nächsten zwei Nächte, gerade noch knapp über der Baumgrenze.
                                        Schon von hier aus hat man einen fantastischen Ausblick über den Beginn des Rapadalen-Deltas, auf den Skierffe und überhaupt über die Landschaft.





                                        Als mein Zelt steht und ich mich gerade einrichte, kommt die Kanadierin vorbei. Es ist bereits 13 Uhr, aber sie hat sich überlegt, dass sie heute noch zum Skierffe laufen möchte. Sie fragt mich, ob ich mit möchte, aber da ich gehört habe, dass dieser Ausflug kein leichtes Unterfangen ist, verneine ich auf jeden Fall. Mein Körper würde das mit Sicherheit nicht gut finden und außerdem habe ich keine Lust, erst spät abends am Zelt zu sein. Dazu kommt, dass ich dann morgen nichts zu tun hätte, weil das Boot ja vermutlich sowieso noch nicht fährt. Die Kanadierin stellt also ihren Rucksack bei mir ab und geht mit fast gar keinem Gepäck los Richtung Skierffe. Ich richte mich weiter in meinem mobilen Tempel ein und entspanne mich. Immer, wenn sich Wolken vor die Sonne schieben, kann man wunderbar im Zelt liegen, aber sobald die Wolken weg sind, ist es in der Sauna nicht auszuhalten. Gerade, als ich in einen Nachmittags-Schlaf verfalle, höre ich die Kanadierin. Sie ist schon wieder zurück, war doch nicht auf dem Skierffe, sondern ist nur bis zum nächsten Hügel gelaufen. Von da aus sei die Aussicht so gut gewesen, dass sich der Ausflug trotzdem gelohnt hätte. Sie hat unterwegs gemerkt, dass der Weg viel schwieriger, sumpfiger und anstrengender ist, als wie sie es gedacht hatte, und hat deshalb das Ganze abgebrochen. Morgen muss sie aber weiter, sie hat nicht mehr viele Tage Zeit, um bis nach Kvikkjokk zu kommen. Falls das Boot morgen nicht fährt, hat sie im Notfall vor zu rudern (, was bedeuten würde, dass sie im schlechtesten Fall 3 mal 4 km rudern müsste). Ich sage der Kanadierin, dass sie die deutsche Kurzhaarige von mir grüßen soll, denn die beiden werden sich in Aktse wahrscheinlich wiedersehen.
                                        Hier, oberhalb von Aktse, sehe ich zum Glück nur sehr wenige Moskitos und so würde ich jetzt normalerweise einen schönen Nachmittag und Abend verbringen, wenn nicht mein Respekt vor morgen so groß wäre. Ich weiß, dass ich nichts machen werde, was für mein Gehirn zu krass wäre, aber dennoch hoffe ich insgeheim, dass ich mich überwinden kann und es ganz bis nach oben schaffe. Der Bericht der Kanadierin über den schwierigen Weg macht die Angelegenheit natürlich nicht gerade leichter für mich, aber ich schaffe es trotzdem, nach einer leckeren Funghi-Nudeltüte um ca. 23 Uhr einzuschlafen.

                                        Tag 13 (16.7.2018)
                                        Um 5.45 Uhr klappen meine Augen auf und an Schlaf ist vor Aufregung nicht mehr zu denken. Ich packe mein Tagesgepäck zusammen und laufe bei blauem Himmel schon um 6.32 Uhr los Richtung Skierffe. So früh ist anscheinend noch Niemand außer mir unterwegs und so genieße ich trotz Respekt und Angst die Ruhe.
                                        Ohne Schmerzen und körperlich fit laufe ich, wie von der Kanadierin angekündigt, durch sehr matschige Stellen, versinke teilweise bis zum Knöchel, bleibe sogar einmal stecken und mein Trekkingstock versinkt zu 1/3 im Matsch, kämpfe mich durch Gestrüpp, kann einen schönen Ausblick auf die Hütte und Wiese von Aktse genießen und rücke meinem Angstgegner immer näher.



                                        Doch bis dahin zieht sich der Weg noch gewaltig in die Länge. Es wird immer heißer und heißer. Heute sollen es 25 Grad werden, aber in der Sonne ist es ja bekannterweise noch viel heißer. Irgendwo scheuche ich im Gestrüpp ausversehen eine Rebhuhn-Mutter mit ihren Kindern auf. Leider sind sie zu schnell für ein Foto. Ansonsten sind hier im Gestrüpp viele nervige Fliegen unterwegs, aber immerhin keine Moskitos.
                                        Der Weg ist wunderschön und so viele schöne Eindrücke um mich herum kann mein Gehirn gar nicht mehr aufnehmen. Gut, dass ich meinen Fotoapparat dafür dabei habe.







                                        Gestrüpp und Matsch haben irgendwann ein Ende und werden abgelöst durch Geröll und Steine. Steine, Steine und noch mehr Steine.



                                        Da man bei jedem einzelnen Schritt aufpassen muss, nicht umzuknicken, ein Weg nicht zu erkennen ist und die Hitze auf mich niederprallt, gestaltet sich das Unterfangen als anstrengend. Jeder Schritt muss gut überlegt sein und der Weg zieht sich nicht nur wie ein Kaugummi, sondern wie gefühlt tausend Kaugummis.
                                        Trotzdem komme ich in dem ganzen Geröll dem Angstgegner immer näher, bis irgendwann der finale Aufstieg zu erkennen ist. Mein Herz fängt vor Angst an zu pochen, aber ich will jetzt nicht aufgeben. Ich schnecke weiter, Stein für Stein, immer höher. Bei jedem Schritt hoffe ich, nicht noch höher zu müssen, aber gefühlt geht es erstmal viel zu lange weiter nach oben. Und irgendwann ist es tatsächlich zu sehen: Das Ende. Höher geht es nicht. Anstatt zu pochen, rutscht mir mein Herz vor Angst gefühlt in die Hose. Ich nehme die letzten Meter auf mich und bin zum Glück immer noch komplett alleine. Ich habe soviel Angst, dass ich mich auf keinen Fall traue, in Richtung Kante zu laufen. Ich halte mich an einem größeren Felsen fest, stelle meinen Rucksack ab und setze mich hin. Immer noch halte ich mich am Felsen fest. Den atemberaubenden Ausblick, auf den viele Wanderer hinfiebern, möchte ich gerade gar nicht sehen. Mir ist leicht schwindelig vor Höhenangst und ich muss mich erstmal an diese überwältigende Angelegenheit gewöhnen. Ich bleibe ziemlich lange sitzen, esse und trinke etwas und mein Puls und mein Gehirn beruhigen sich langsam. Ich traue mich, aufzustehen, aber näher an die Kante möchte ich immer noch nicht. Irgendwann kommen vier deutsche Jungs aus Oldenburg oben an. Sie haben zusammen neulich Abitur gemacht und machen nun als Abschluss zusammen eine 8-tägige Wanderung. Einer von ihnen hat genauso Höhenangst wie ich und setzt sich, genau wie ich vorhin, direkt hin. Die anderen drei stiefeln mutig zur Kante und machen direkt gegenseitig Fotos voneinander. Ich nehme all meinen Mut zusammen und krieche auf dem Boden weiter Richtung Kante bis zum nächsten Felsen. Ja, ihr habt richtig gelesen - ich krieche! Zwischen mir und der Kante sind bestimmt immer noch 5 – 8 Meter Platz, aber immerhin kann ich es nun sehen. Das Delta, die umliegenden Berge, alles. Der Blick ist wirklich der Wahnsinn. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals eine so gute Aussicht gesehen zu haben und überwinde mich mit zittrigen Händen, Fotos zu machen.







                                        Immer noch befinde ich mich auf dem Boden hinter einem Felsen, aber dieser ist niedrig genug, um drüber zu schauen. Je länger ich auf dem Gipfel bleibe, desto mehr gewöhne ich mich an die Lage. Irgendwann stehe ich sogar hinter diesem Felsen auf. Die Jungs wollen unbedingt Fotos von mir machen mit meinem Fotoapparat. Nun gut, ein Foto wäre ja nicht schlecht, muss ich eingestehen, und so krieche ich noch weiter Richtung Kante. Ich setze mich auf einen großen Stein, ca. 3 Meter von der Kante entfernt, tue für einen kurzen Moment so, als wenn mir das alles nichts ausmacht, um ein schönes Foto zu haben, und krieche sofort wieder weg, sobald das Foto gelungen ist. Ich krieche zurück zu meinem Rucksack und habe zumindest hier hinten jetzt nicht mehr ganz so viel Angst. Irgendwann verabschieden sich die Jungs, sie hoffen heute Nachmittag mit dem Motorboot rüberzufahren. Keiner weiß, ob inzwischen Ersatz gefunden wurde, aber im Notfall wollen sie wohl rudern.
                                        Ich entspanne noch etwas auf meiner Isomatte, aber mit Blick in eine andere Richtung, damit mein Herz nicht noch weiter herunterrutscht und laufe irgendwann tatsächlich ein bißchen auf dem Skierffe herum, aber natürlich gaaaaaanz weit weg von der Kante



                                        Auch ich mache mich dann aber irgendwann an den Abstieg. Den ersten Abstiegsteil bin ich immer noch voll Aufregung und Angst, aber je tiefer ich komme, desto ruhiger werde ich innerlich wieder. Und irgendwann sehe ich es endlich ein: Ich habe es geschafft. Ich habe mich überwunden, war ganz oben, und habe es überlebt. Ich kann es nicht fassen, bin unendlich stolz auf mich. Für viele mag das nichts Besonderes sein, aber für mich schon:
                                        I’ve Done It – Skierffe 2018



                                        Kurz, nachdem mir dies klar wurde, begann nun der anstrengendste Teil dieses Tages. Mein Körper wurde immer schlapper und die letzten 2/3 des Rückweges zurück zum Zelt wurden zur Qual. Jeder Schritt war anstrengend, die Mittagshitze knallte herab und ich wünschte mir nur noch herbei, am Zelt zu sein. Dass so ein „kleiner Ausflug zum Skierffe“ so dermaßen anstrengend sein kann, hatte ich zwar befürchtet, aber anders erhofft. Auf diesem letzten Tagesabschnitt bin ich so schlapp, dass ich mich noch zweimal hinlege für längere Pausen.
                                        Meine Fußsohlen und Knie schmerzten inzwischen, aber es hilft nichts, weiter geht’s.
                                        Erst um ca. 16 Uhr erreiche ich völlig erschöpft mein Zelt.
                                        Dort angekommen trudeln zwei deutsche Frauen aus Bremen ein, meine Zeltnachbarn für die nächste Nacht. Sie wollen morgen den Skierffe besteigen. Wir verbringen zusammen einen netten Abend, essen zusammen draußen und tauschen uns aus. Deet sei Dank + Moskitonetz am Kopf bin ich die einzige in der Runde, die nicht von Moskitos angegriffen wird. Die beiden möchten solche Chemiekeulen nicht benutzen und lassen sich lieber nerven von den Plagegeistern. Die Zwei sind am gleichen Tag wie ich in Abisko gestartet. Gesehen haben wir uns seitdem aber noch nie. Beim Kochen schmore ich ausversehen meinen Göffel an bei dem Versuch, den Deckel auf den Spirituskocher zu bekommen. Da dies die erste technische Panne dieser Tour ist, nehme ich es gelassen, auch mit einem verschmorrten und verbogenen Göffel lässt sich essen Außerdem habe ich heute zum ersten Mal vergessen, den Absorber aus der Adventure-Food-Tüte zu nehmen. Ich habe keine Ahnung, ob dies schlimm ist, aber da er noch unversehrt aussah, habe ich den Inhalt der Tüte natürlich trotzdem gegessen. Heute habe ich es insgesamt auf ca. 2900 Kalorien geschafft – geht doch
                                        Am Skierffe musste übrigens heute Jemand aufgrund eines Sonnenstichs heruntergebracht werden. Er war nach mir oben, nur ein paar Stunden später, hatte wohl nicht genug Trinken dabei und musste dann von seinen Freunden, die zum Glück in der Nähe waren, abgeholt und mehr oder weniger hinunter getragen werden.
                                        Irgendwann, als abends die Sonne hinter einem Berg verschwindet, krabbel ich in mein Zelt und schlafe voller neuer Eindrücke, voller Erschöpfung und voller Zufriedenheit ein.


                                        Tag 14 (17.7.2018)
                                        Bei blauem Himmel und jetzt schon ca. 25 Grad krieche ich um 5.30 Uhr aus meinem Zelt. Eine Stunde später beginne ich mit dem Abstieg nach Aktse. Bei diesem ersten Abschnitt des neuen Tages schwirren überall Insekten rum. Da Aktse unterhalb der Baumgrenze liegt, scheinen sich die Viecher hier pudelwohl zu fühlen. Sobald man stehen bleibt, umzingeln sie einen und so bleibt mir nichts anderes übrig, als immer weiter hinab zu laufen. Schon bevor der Shop in Aktse öffnet, erreiche ich das Zwischenziel, frühstücke ein bißchen Müsli und entspanne mich. Ich erfahre, dass tatsächlich schon ein Ersatz-Bootsführer angekommen ist und dass das Boot heute wie geplant fährt. Als der Shop öffnet, decke ich mich mit Lebensmitteln für die nächsten Tage ein, denn ich habe fast nichts mehr zum Essen in meinem Rucksack. Danach laufe ich entspannt zum Bootsableger und warte dort zusammen mit vielen Insekten, bis das Boot mich hinüberbringt. Auf dem Weg zum Bootsableger sehe ich fast durchgehend den gestern bestiegenen Skierffe von unten:



                                        Von unten sieht die fast senkrechte Kante für mich noch furchteinflößender aus wie von oberhalb der Baumgrenze. Ich kann immer noch nicht wirklich fassen, dass ich wirklich gestern da oben stand, aber die Fotos, die gestern entstanden sind, scheinen keine Fata Morgana zu sein.
                                        Die nun folgende Bootsfahrt und die dabei zu sehende Aussicht sind nicht in Worte zu fassen. Ich versuche es gar nicht erst. Aber selbst auf den Fotos meiner günstigen Digitalkamera ist zu sehen, wie wunderbar sich die Umgebung im Wasser spiegelt und wie fantastisch weit man in die Ferne sehen kann und wie toll man den Skierffe von hier unten aus betrachten kann.



                                        Außer mir sind im Boot noch zwei deutsche sehr junge Frauen. Eine von Ihnen möchte 2019 den kompletten PCT laufen und sieht die jetzige Tour als Training dafür an. Drüben angekommen geht es erstmal ca. 4 km durch Wald.





                                        Es ist weiterhin sehr heiß, alles ist voller fliegender nerviger Insekten und, obwohl ich immer soviel esse und trinke, wie irgendwie in mich hineinpasst, ist heute einer der Tage, an denen ich megaschlapp bin. Mein Körper scheint die Hitze langsam satt zu sein, aber es hilft alles nichts, ich schnecke weiter und weiter und weiter. Nach dem ca. 4 km langen Waldstück beginnt der Anstieg, um auf die nächste Hochebene zu kommen. Ich quäle mich Meter für Meter durch die Hitze, schwitze vor mich hin, und finde es selbst im Schatten inzwischen zu heiß. Irgendwann kommt mir ein älterer Däne entgegen. Wir bemitleiden uns gegenseitig wegen der Hitze und aus Spaß verkündet er mir, dass ich gleich an einem Hot-Dog-Stand vorbeikomme, an dem es auch Eis zu kaufen gibt. Doch auch der lustigste kurze Smalltalk hat irgendwann ein Ende und so schwitze ich mich weiter, Schritt für Schritt nach oben. Als ich die Baumgrenze überschreite, bin ich mir nicht sicher, ob ich mich freuen soll oder nicht. Die Insekten sind auf einmal fast alle weg, aber dafür gibt es ab jetzt keinen Schatten mehr. Normalerweise trinke ich in meinem Alltagsleben durchschnittlich immer zu wenig, aber bei dieser Hitze kam selbst ich gestern schon auf 3,5 Liter und heute werde ich auf 4 Liter kommen. Meine Kraftlosigkeit will heute kein Ende nehmen, und so bin ich froh, als ich endlich auf der Hochebene stehe. Doch was nun? Ich bin schlapp und kraftlos, aber hier zu bleiben hat keinen Sinn. Es gibt nirgendwo Schatten, in meiner mobilen Sauna würde ich es nicht eine Sekunde aushalten und außerdem ist der Tag (13 Uhr) noch viel zu früh, um ihn zu beenden.



                                        Also schnecke ich nach einer Pause bei herrlicher Sicht weiter.
                                        Ich schwitze mich über die Hochebene und bin ein bißchen genervt davon, dass heute meine Hüfte und meine Fußsohlen wehtun.
                                        Die guten Aussichten nehmen kein Ende:



                                        Wunderbarerweise habe ich immer noch keine einzige Blase an meinen Füßen entdeckt, was ich darauf schiebe, dass ich erstens diesmal mit 2-lagigen-Wrightsocks unterwegs bin, zweitens konsequent jeden Tag entweder morgens und/oder abends meine Füße mit Hirschtalgcreme einschmiere und drittens neue Schuhe habe, da die alten mir zu klein bzw. zu eng waren für meine Zehen.
                                        Jede Hochebene hat mal ein Ende und so bin ich mir erneut unsicher, ob ich mich auf den nächsten Abstieg freuen soll oder nicht. Was ist besser – Schatten oder insektenfreie Zone? Ich entscheide mich für Schatten und laufe hinunter in der Hoffnung, bei der Schutzhütte Rittak einen netten schattigen Platz für mein Zelt zu finden. Doch falsch gehofft – die Schutzhütte liegt quasi in einem schwülen Dschungel…überall hohe Gebüsche, große farnähnliche Gewächse und alles überwuchert. Sowas ist überhaupt nicht mein Ding und so schnecke ich durch leicht hügeliges Dschungelgelände noch weiter. Wie kann man nur so schlapp sein trotz genug Essen und Trinken? Irgendwann gelange ich wieder in offenes Gelände, in dem ich mich direkt wieder viel wohler fühle als im zurückgelassenen Dschungel.
                                        An einer Brücke, die laut Trailtalk allgemein als guter Zeltplatz bekannt ist, beschließe auch ich, hier meinen Wandertag zu beenden. Auch die beiden jungen Frauen haben hier ihr Lager eingerichtet, und so laufe ich nur noch ein paar Meter weiter auf einen Hügel hinauf, um dort außer Sichtweite zur Ruhe zu kommen. Im Fluss kann man sich herrlich abkühlen. Überhaupt hat die Hitze ein Gutes: Man kann an jedem Bach oder Fluss entweder sich selbst oder seine Wäsche waschen und innerhalb sehr kurzer Zeit ist alles wieder trocken und warm.
                                        Immer noch ist Saunazeit und so mache ich es mir zuerst am Fluss, und später im Zeltschatten, welcher gefühlt nur ein paar Zentimeter breit ist, bequem.
                                        Mit den heutigen ca. 2 + 11 km bin ich total zufrieden, da ich mich trotz Schlappheit und Hitze mit vielen Pausen hierher geschwitzt habe. Heute habe ich es geschafft, auf ca. 3000 Kalorien zu kommen. So langsam gewöhnt sich mein Körper an Unmengen von Snacks, auch wenn ich trotzdem nie wirklich Hunger habe. In der letzten Stunde des Wanderns heute habe ich zum ersten Mal auf dieser Tour leichte Kopfschmerzen verspürt. Aber nach einer Bla-Band-Tüte aus Aktse, welche im Gegensatz zu Knorr-Nudeltüten eher eine Suppe als ein Nudelgericht darstellt, sind diese zum Glück wieder verschwunden.
                                        Erst als die Sonne endlich hinter einem Hügel verschwindet, ist es in der Sauna auszuhalten. Um 22.30 Uhr verschwinde ich ins Land der Träume und hoffe kurz vorher, dass ich morgen nicht so schlapp sein werde wie heute. Wie weit ich morgen komme, entscheide ich mal wieder spontan, denn mit meinem Körper, der immer wieder gut für neue Überraschungen ist, habe ich aufgegeben zu planen
                                        Festzuhalten ist an dieser Stelle aber, dass ich insgesamt, bezogen auf die ganze bisherige Tour, viel schneller und viel weiter gelaufen bin, als vermutet. Von daher habe ich theoretisch 8 Tage Zeit, um von hier nach Kvikkjokk zu gelangen


                                        Tag 15 (18.7.2018)
                                        Wie so oft in den letzten Tagen halte ich es schon morgens nicht mehr in der Sauna aus und verlasse um 5.30 Uhr das Zelt. Die letzte Nacht war super entspannt für mich, aber da nun die Sauna öffnet, ist die Nacht für mich beendet. Schon jetzt ist es wieder unfassbar heiß in der Sonne und so bleibt mir nichts anderes übrig, als gemütlich zusammenzupacken, denn zum Rumliegen ist es auch außerhalb des Zeltes zu warm. Außerdem musste ich seit gestern anfangen, mit Sonnencreme zu sparen. In meiner 50-ml-Packung ist fast nichts mehr drin und in den letzten Tagen meine ich, das eine oder andere Mal errrötete Arme und Beine an mir erspäht zu haben. Aber da diese am nächsten Morgen jeweils wieder normal blass waren, habe ich mir darüber keine großen Gedanken gemacht. Dennoch möchte ich keinen Hitzschlag und keine Verbrennung riskieren und so schmiere ich mich zumindest mit einer dünnen Schicht wieder ein.
                                        Heute werde ich, wenn nicht neue Pläne dazwischen kommen, die letzte Hochebene vor Kvikkjokk überschreiten und ab dann nur noch im Wald unterwegs sein. Ich mag zwar generell viel lieber Hochebenen als Wald, aber in Anbetracht der ausgehenden Sonnencreme ist es vielleicht für meine Gesundheit sinnvoll, bald nicht mehr durchgehend komplett der knallenden Sonne ausgesetzt zu sein.
                                        Schon um 7.02 Uhr starte ich meine Etappe. Ca. 4 km schnecke ich mit vielen kurzen Pausen auf der Hochebene vorwärts und genieße trotz Hitze die Luft, die Einsamkeit, die Aussichten und überhaupt alles. Ich überwinde die wahrscheinlich letzten kleinen Geröllfelder meiner Tour und genieße die baumlose Landschaft.





                                        Irgendwann sehe ich vor mir den beginnenden Abstieg und den vor mir liegenden Wald. Mir wird bewusst, dass ich mich langsam dem Ende meines Abenteuers nähere und dass dies die letzte Gelegenheit sein wird, eine insektenfreie Pause zu genießen. Ich lege mich auf meine Isomatte, baue mir durch meinen Rucksack ein paar Zentimeter Schatten für meinen Kopf und bin glücklich. Irgendwo dahinten, hinter weiteren Hügeln und vielen Bäumen, muss Kvikkjokk liegen.



                                        Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und so lasse ich es mir auf meiner Isomatte gut gehen und versuche in meinem Gehirn zusammenzufassen, wie weit ich es schon bis hierher geschafft habe. Doch wie so oft hat auch die schönste Pause irgendwann ein Ende und so mache ich nach einem letzten Fjällfoto die ersten Schritte Richtung Schatten.
                                        Bis hierhin habe ich mich auch heute wieder sehr schlapp gefühlt, aber ab Beginn des Abstieges ändert sich das zum Glück und so schwitze ich mich mit neuer Energie hinunter in den Wald. Selbst im Wald und Schatten angekommen ist es beim Laufen sehr heiß. Fliegende Insekten sind seid der Baumgrenze meine Begleiter, aber immerhin sind es diesmal nicht ganz so viele Mücken wie in der Umgebung von Aktse. Nerviger sind heute die Bremsen und Fliegen, die einen nicht in Ruhe lassen. Im Wald ist es außer der Hitze und den Insekten aber sehr angenehm zu laufen. Immer wieder hat man schöne Aussichten, der Weg ist angenehm wellig, nie zu steil und abwechslungsreich.













                                        Um 12.40 Uhr erreiche ich Parte und werde dort direkt von der überall auf dem Kungsleden bekannten Inga in Empfang genommen.



                                        Ich bin der erste Gast heute und so quatscht sie mit mir über alle möglichen Themen. Unter anderem beschwert sie sich bei mir über Wanderer, die ihren Müll bei ihr lassen wollen, aber nicht bereit sind, die Mitgliedschaft im STF zu bezahlen. Außerdem will sie unbedingt, dass ich im See schwimmen gehe, weil dieser durch die Hitze inzwischen schon angenehme 20 Grad Wassertemperatur hat. Sie berichtet mir, dass es heute 29 Grad im Schatten sind und gestern sogar 31. Ab jetzt verstehe ich meinen Körper. Natürlich war mir bewusst, dass es ziemlich warm ist und war, aber dass es 31 Grad in Lappland im Schatten ist/war, war mir nicht klar. Ich entschuldige mich innerlich bei meinem Körper, dass ich manchmal über ihn gejammert habe und bin dafür jetzt noch stolzer, soviel in den letzten Tagen geschafft zu haben. Inga hört gar nicht mehr auf zu reden, aber da ich es wie so oft nicht eilig habe, stört mich das natürlich nicht. Im Gegenteil – ich muss sowieso erstmal überlegen, was ich mit dem restlichen Tag anstellen soll. Hierbleiben? Weiterlaufen? Ich komme spontan zu keiner Entscheidung und so lege ich mich erstmal wieder auf meine Isomatte, stopfe mich mit Snacks voll, trinke möglichst viel, und gehe zumindest mit den Beinen in den See zur Abkühlung. Auf Schwimmen habe ich trotz angenehmer Wassertemperatur aber keine Lust, ein Fußbad reicht mir aus. Nach einer langen Pause fällt die Entscheidung: Ich bleibe nicht hier, sondern möchte noch ein bißchen weiterlaufen. Laut Trailtalk soll es ca. 6 km vor Kvikkjokk, also ca. 9 km von hier entfernt, nette Zeltplätze an einem Bach geben. Da dies ungefähr die Mitte zu sein scheint zwischen Parte und Kvikkjokk, packe ich also alles zusammen, verabschiede mich von Inga, bedanke mich für ihre Gastfreundlichkeit und freunde mich mit meinem neuen Plan an. Wenn ich dort wirklich übernachte, wird es morgen ein super entspannter Tag mit nur 7 km, dann könnte ich nachmittags lecker in Kvikkjokk essen und in aller Ruhe dort ankommen. Und da mir heute noch der gesamte Nachmittag zur Verfügung steht und ich bis jetzt überhaupt keine Schmerzen habe und kraftvoll bin, steht dem Plan nichts im Wege. Genau, als ich Parte verlasse und wieder zurück zum Kungsleden laufe, kommen mir die vier deutschen Jungs entgegen, mit welchen ich auf dem Skierffe das Fotoshooting gemacht hatte. Wir erzählen uns, wie unsere Zwischenzeit verlaufen ist und trennen uns dann wieder, da sie nun hier genau wie ich eine Pause machen möchten.
                                        Also laufe ich weiter durch den leicht hügeligen Wald, mache immer wieder viele Fotos an schönen Stellen und mache immer wieder kurze Pausen und lege mich dabei manchmal wie inzwischen gewohnt auf meine Isomatte.







                                        Heute treffe ich immer wieder auf ein israelisches Pärchen. Auch sie machen aufgrund der Hitze viele Pausen und so überhole mal ich sie und mal sie mich. Sie sind schon am 1.7. in Abisko gestartet und wollen ihre Tour erst in Hemavan beenden.
                                        Ca. 7 km vor Kvikkjokk lege ich mich mal wieder hin. Ich genieße den Gedanken, nur noch 1 km vor mir zu haben, denn seit ca. 3 km tun meine Füße untendrunter weh. Ansonsten ist aber immer noch alles bestens, und so esse ich entspannt eine Packung Kex. Plötzlich kommt das schweizer Pärchen, welches ich abends in Sitojaure in der Hütte kennengelernt hatte, vorbei. Wir sind gerade mitten im Trailtalk, als sie sagt: „Was ist das denn da für ein großes Tier?“ Ich bleibe auf meiner Isomatte liegen, denke an nichts Besonderes und gehe davon aus, dass von einem Insekt die Rede ist. Er starrt hinter mich seitlich in den Wald hinein und ergänzt dann: „Es ist größer als ein Bär.“ Ich richte mich auf, so dass ich nun sitze, drehe mich um und gucke in diese Augen:





                                        Mein Puls steigt innerhalb von einer Sekunde gefühlt von 0 auf 300. Der Elch steht nur ca. 10 - 15 Meter von uns entfernt und glotzt uns an. Wir glotzen zurück. Ich: „Das ist ein Elch“. Schnell habe ich meinen Fotoapparat zur Hand und schieße die beiden Fotos. Die beiden scheinen mir nicht wirklich zu glauben, dass dies ein Elch ist und ich sage, dass ich denke, dass es eine Elchfrau ist und dass es sein könnte, dass sie ein Baby dabei hat. In diesem Dickicht, wo sie gerade steht, kann man nicht erkennen, ob sie alleine ist. Uns irritiert, dass sie nicht einfach wegläuft und so erkläre ich den Beiden, dass es nicht lustig ist, wenn eine Elchmama Angst um ihr Baby bekommt. Und so werfe ich mir den Rucksack über, schnappe mir meine Isomatte, Kex, Wasserflasche und Fotoapparat und mache mich vom Acker. Mein Puls rast und wir laufen zu dritt los. Immer wieder drehen wir uns um, um zu gucken, ob er uns hinterherläuft, aber nichts tut sich. Er steht einfach da und glotzt. Als wir aus seiner Sichtweite weg sind, laufen wir, so schnell wir können, weiter. Natürlich rennen wir nicht, um den Elch nicht noch mehr zu verschrecken, als er es eh vielleicht schon ist, aber wir nehmen die Beine in die Hand. Der Weg ist voller großer Steine und es ist ein nicht einfaches Unternehmen, diese so schnell zu umlaufen, ohne umzuknicken. Einen Kilometer lang hasten wir den Weg entlang, ich immer noch mit meinen Einzelteilen in der Hand. Erst nach einem Kilometer bleiben wir stehen und ich packe meine Einzelteile wieder zurück in den Wandermodus. Auch meinen Rucksack kann ich nun wieder vernünftig aufsetzen und den Hüft- und Brustgurt schließen. Voller Adrenalin sind meine Fußsohlen-Schmerzen verschwunden. Wir beschließen, dass wir uns ab jetzt wieder in Sicherheit fühlen können und trennen uns, da die beiden generell schneller unterwegs sind wie ich. Ich laufe also wieder alleine weiter und komme sehr bald an die Stelle, wo ich eigentlich die Nacht verbringen wollte. Ich bin aber immer noch sehr aufgewühlt und kann mir von daher jetzt gerade nicht mehr vorstellen, hier zu bleiben. Also fülle ich nur meine Wasserflasche auf und laufe weiter. Es ist jetzt ca. 16 Uhr und ich fasse spontan einen neuen Plan: Die letzten 6 km kann ich jetzt auch noch laufen. Und so laufe ich immer weiter und weiter und weiter und habe nur noch ein Ziel vor Augen: Kvikkjokk. Nach Pausen ist mir nicht mehr, obwohl meine Fußsohlen wieder anfangen wehzutun, als mein Puls wieder im Normalbereich landet. Nur kurz halte ich manchmal an für letzte Fotos, aber ansonsten ziehe ich den spontanen Endspurt, der überhaupt nicht eingeplant war, durch. Inzwischen sind zu den Fußschmerzen auch noch Schulterschmerzen gekommen, aber das wundert mich kein bißchen in Anbetracht meiner bisher gelaufenen Kilometer heute. Die Schmerzen werden auf den letzten Kilometern immer stärker, aber um 19.59 Uhr ist es soweit: Ich erreiche Kvikkjokk und durchschreite das Kungsleden-Tor.



                                        Ich habe es geschafft. Ich kann es nicht glauben. Ich bin in 15 Tagen von Abisko nach Kvikkjokk gelaufen, trotz Ruhetag in Saltoluokta und Tagesausflug auf den Skierffe. Mir läuft vor Stolz und Glück und Zufriedenheit ein Schauer über den Rücken, genau wie damals, als ich das Ziel vom Padjelantaleden erreicht hatte. Heute bin ich 9 + 16 Kilometer gelaufen. Ich kann es wirklich nicht fassen und bin völlig überfordert mit der Situation.
                                        Da ich aber ja schon damals in Kvikkjokk war, baue ich diesmal direkt mein Zelt auf der Zeltwiese auf und gehe erst dann in die Station, um mich anzumelden. Ich bezahle die Servicefee erstmal nur für einen Tag, da ich derzeit überhaupt nicht weiß, wie und wo ich meine letzten Tage noch verbringen werde. Zum Duschen bin ich derzeit nicht in der Lage. Zu aufgeregt, glücklich, erschöpft, schmerzvoll, kaputt, durcheinander, zufrieden, stolz und zugleich wehmütig bin ich. Schon jetzt bedauere ich, dass dieses Abenteuer zu Ende ist. Es ist vollbracht. Ende aus, Micky Maus.
                                        Nach meiner Anmeldung biege ich deshalb um ca. 20.30 Uhr direkt um die Ecke ins Restaurant. Dort treffe ich unfassbarerweise die kurzhaarige Deutsche und die Kanadierin wieder. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich die beiden (unbeabsichtigt) einhole und nochmal wiedersehe. Bei ihnen am Tisch ist kein Platz frei und so wähle ich einen anderen Tisch. Sofort stehen die beiden auf und setzen sich zu mir. Und so kommt es, dass ich an meinem 15.Tag mit meinen Trailfreundinnen im Restaurant in Kvikkjokk sitze und Elch esse. Wir erzählen uns, wie unsere letzten Tage verlaufen sind und freuen uns über dieses unerwartete Wiedersehen. Ich genieße das unendlich leckere Abendessen, welches man sich hier aus einer Karte aussucht (kein Buffet). Bei mir ist es heute die Elchfrikadelle geworden:



                                        Im ganzen Restaurant ist unser gesehene Elch das Hauptthema des Abends und so zeige ich allen Interessierten die zwei entstandenen Fotos. Das schweizer Pärchen hat sich auch schon im Restaurant eingefunden. Auch Björn, der Bootsführer, der mich damals vom Padjelantaleden abgeholt hatte, ist im Restaurant und so bestätigt er sofort, dass dies ein Elch ist. Endlich glaubt mir das schweizer Pärchen
                                        Auch die vier deutschen Jungs und das israelische Pärchen trudeln irgendwann ein und so wird es ein total netter Abend voller bekannter Trailgesichter, an dem viel erzählt und gelacht wird. Auch Björn hat gute Laune und erzählt seine erlebten Elchgeschichten und zeigt Fotos auf seinem Smartphone.
                                        Um ca. 22.30 Uhr schleppe ich mich zu meinem Luxustempel und falle in den Schlafsack. In meinem Kopf herrscht immer noch ein großes Chaos, zu erlebnisreich war dieser Tag. Heute Morgen wusste ich noch nicht mal, ob ich es bis Parte schaffe, und nun liege ich in Kvikkjokk und kann es nicht fassen. Über das Thema Nahrungszufuhr muss ich mir ab jetzt übrigens keine Gedanken mehr machen. Heute kam ich durch das Dinner auf ca. 2500 Kalorien und getrunken habe ich insgesamt auch wieder ca. 4 Liter.
                                        Für morgen früh habe ich mir auf 6.30 Uhr den Wecker gestellt. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie ich meine nächsten Tage gestalten soll, aber morgen früh bin ich mit der Kanadierin und der Kurzhaarigen zum Frühstücks-Buffett verabredet
                                        Um 23 Uhr schlafe ich unendlich erschöpft und aufgewühlt ein.
                                        Zuletzt geändert von Blubbi; 12.03.2019, 16:10.

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