[IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

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  • Borgman
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    • 22.05.2016
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    • Meine Reisen

    #41
    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

    Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
    Hah, das kenn ich, das mit dem Traumgefühl. Und auch das beständige Singen.
    Das mit dem Singen habe ich eigentlich falsch beschrieben, ich singe nicht nur, wenn ich gute Laune habe, sondern ganz oft auch ganz unbewusst, damit ich gute Laune bekomme, wenn ich ein bisschen angespannt oder müde bin. Wenn ich richtig mies drauf bin, singe ich nicht.

    Aber dann denke ich wieder: Herrgott, Du bist ganz allein. Was denkst Du den lieben langen Tag? Welche Gedanken werden bei Dir hochgespült in dieser kargen Sterneneinsamkeit?
    Ja, das wär's mal: Ein Reisebericht in Form eines Stream of Consciousness. Wenn ich irgendwann so gut schreiben kann wie Schnitzler oder Joyce, dann mache ich das

    Aber ernsthaft, Du hast da zwei völlig unterschiedliche Fragen gestellt, wenn sie denn nicht nur rhetorisch gemeint waren. Ich kann sie nur allgemein beantworten.
    Bewusst nachdenken kann ich nirgendwo besser als beim Alleinwandern, so wie sich nie bessere und fruchtbarere Gespräche entwickeln als beim Zu-Zweit-Wandern. Da finden sich oft kreative Lösungen für Probleme aller Art.
    Und was die Gedanken angeht, die aus dem Unbewussten hochgespült werden: Wenn man eine oder zwei oder mehr Wochen ganz alleine ist, muss man bereit sein, sich seinen Dämonen zu stellen. Am besten man kennt sie schon vorher.

    Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
    Danke Dir für für diesen sehr stimmungsvollen Bericht.

    Beeindruckende Fotos und er macht Hoffnung, in Island nicht immer nur Touristenchaos vorzufinden. Ich muss zugeben, wir haben Island bereits vor mehreren Jahren aufgrund diverser Reiseberichte aus der Liste gestrichen. Eine Route für Hornstrandir war schon ausgearbeitet, aber dann haben mich die Zustände abgeschreckt. Ich war wohl auch etwas genervt, weil mich diverse Leuten angesprochen habe, wann ich denn endlich mal als "Trekker" da hin fahre.
    Ja, ein Trekker ist für mich auch immer noch eine landwirtschaftliche Zugmaschine , das Wort wirst Du bei mir nicht finden.

    Freut mich jedenfalls, dass Dir der Bericht gefällt.

    Aber abseits der üblichen Wege scheint es ja durchaus noch lohnend. Naja, es gibt so viele Pläne und Ziele.
    Es ist wie überall, die Masse der (Wander-)Touristen tummelt sich an wenigen Orten und auf noch weniger Wanderrouten. Lasst Euch davon nicht abschrecken. Island ist schon einzigartig, aber man kann vermutlich auch überleben, ohne jemals dagewesen zu sein...

    Zwei Fragen: Hast Du Dich bei der Gletscherinfo verschrieben und meintest "keine" Spalten oder meint grün tatsächlich "nur kleine Spalten" ?
    "Kleine Spalten" war schon richtig, hier der Link:
    https://safetravel.is/crevasse-maps
    und die Karte vom Langjökull als pdf:
    https://safetravel.is/wp-content/upl...l-ens-2017.pdf

    Das Mittagessen sind Vollkornbutterkekse und Butter/Käse ?
    Kornmo-Kekse, die gibt es in Norwegen unter dem selben Namen. Sind nur ganz leicht süßlich, ich komm damit klar.
    Butter nicht, aber Käse gehört immer dazu, außer wenn mal eine ganz warme Zeit vorhergesagt ist. Dieser ist isländischer Gullostur (eine Art Gouda).

    Ansonsten finde ich auch den Rhythmus mit den vielen Pausen sehr sympathisch. Wir haben es ja in diesem Urlaub auch überwiegend ruhig angehen lassen. Wobei wir, wenn wir wirklich früh loswollen meist dann aufstehen, wenn Du schon unterwegs bist. Ich bin sonst auch Frühaufsteher, auf Tour kommt das irgendwie selten vor - und ich passe mich da meiner Frau an.
    Hat sich im Lauf der Jahre von selber so entwickelt. Wenn man früh aufbricht, kann man lange Pausen machen und trotzdem was schaffen. Meine Frau wandert ja leider nicht mehr so oft mit, aber wenn doch, dann passe ich mich auch an. Im Urlaub muss man sich nun wirklich keinen Wecker stellen oder seine Frau quälen.

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    • Sylvie
      Erfahren
      • 20.08.2015
      • 361
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      • Meine Reisen

      #42
      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

      Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
      Das mit dem Singen habe ich eigentlich falsch beschrieben, ich singe nicht nur, wenn ich gute Laune habe, sondern ganz oft auch ganz unbewusst, damit ich gute Laune bekomme, wenn ich ein bisschen angespannt oder müde bin. Wenn ich richtig mies drauf bin, singe ich nicht.
      Ich habe es aber trotzdem richtig verstanden. Du singst auch, um Dich zu ermuntern. Wenn Dich was langweilt oder Du müde oder ängstlich bist. Ebenso wenn Du gute Laune hast. Nicht aber, wenn es Dir ganz schlecht geht. Geht mir haargenauso. Ich bin eine Frust- und Lust-Vertonerin. :-)

      Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
      Aber ernsthaft, Du hast da zwei völlig unterschiedliche Fragen gestellt, wenn sie denn nicht nur rhetorisch gemeint waren. Ich kann sie nur allgemein beantworten.
      Bewusst nachdenken kann ich nirgendwo besser als beim Alleinwandern, so wie sich nie bessere und fruchtbarere Gespräche entwickeln als beim Zu-Zweit-Wandern. Da finden sich oft kreative Lösungen für Probleme aller Art.
      Und was die Gedanken angeht, die aus dem Unbewussten hochgespült werden: Wenn man eine oder zwei oder mehr Wochen ganz alleine ist, muss man bereit sein, sich seinen Dämonen zu stellen. Am besten man kennt sie schon vorher.
      Genauso waren die Fragen gemeint. Was denkst Du bewusst und was ist es, was hochkommt? Ich bewundere das Alleinwandern sehr. Gleichzeitig reizt es mich, das zu probieren. Neben der Angst, mich zu verlaufen, wäre dann auch die Angst da, mich innerlich zu verlaufen. Meinen Dämonen ganz ungefiltert in ihre schrecklichschönen Fratzen zu schauen und sie in ihrem Wesen, also mich in meinem Wesen, zu begreifen. Es ist ja nicht immer ganz toll, was man da erfährt. Aber genau darum geht es ja auch.

      Bin gespannt, wie es weitergeht.

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      • Fjellfex
        Fuchs
        • 02.09.2016
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        #43
        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

        Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
        Und was die Gedanken angeht, die aus dem Unbewussten hochgespült werden: Wenn man eine oder zwei oder mehr Wochen ganz alleine ist, muss man bereit sein, sich seinen Dämonen zu stellen. Am besten man kennt sie schon vorher.
        Hier gibt es womöglich individuelle Unterschiede. Ich hatte auch bei mehrwöchigen Solotouren nie etwas derartiges. Wenn schon mal "Dämonen" hochgekitzelt wurden, dann nicht durchs Alleinsein, sondern durch andere "liebe Mitmenschen".
        Und - wie Du sagst: Am besten man kennt sie schon vorher.

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        • Borgman
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          • 22.05.2016
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          #44
          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

          Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
          Hier gibt es womöglich individuelle Unterschiede. Ich hatte auch bei mehrwöchigen Solotouren nie etwas derartiges. Wenn schon mal "Dämonen" hochgekitzelt wurden, dann nicht durchs Alleinsein, sondern durch andere "liebe Mitmenschen".
          Und - wie Du sagst: Am besten man kennt sie schon vorher.
          Vielleicht hast Du einfach keine, Du Glücklicher! Oder Du hast sie schon viel früher bekämpft und vernichtend geschlagen

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          • Borgman
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            #45
            AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

            02. Juli: Abwettern

            Der Tag beginnt sehr still, nur das allerfeinste Nieseln ist gerade so eben wahrnehmbar. Kein Vogel, kein Insekt, nicht mal ein Windhauch, der über das Zelt streicht. Ich lausche für eine Weile der Stille. Der tiefe Ton des Blutkreislaufs, dann darüber das hohe Fiepen des Nervensystems. Wenn es absolut still ist, hört man seine eigene Lebendigkeit.

            Die Nacht habe ich wunderbar geschlafen und bin jetzt in sehr gemütlicher Stimmung. Gegen sieben beginne ich mit dem Kaffeekochen und schalte das Telefon ein. Meine Frau besteht darauf, dass ich wenigstens das allereinfachste Mobiltelefon dabeihabe, für den Notfall, und damit ich mich gelegentlich bei ihr melden kann. Prepaid-Karte, nur sie kennt die Nummer, 400 Stunden Akkulaufzeit. Anfangs wollte ich das nicht, hatte das Gefühl, ein Stückchen von meiner Freiheit aufzugeben. Aber dann stellte ich fest, dass es in Norwegen hinter dem ersten Berg meist sowieso kein Netz mehr gibt und war beruhigt. Dann muss ich mich auch nicht jeden Tag melden.

            Da es nun schon dabei ist und man in Island mit extremen Wetterlagen rechnen muss, auf die man gerne vorbereitet wäre, hat meine Frau versprochen, alle zwei Tage eine Wettervorhersage per SMS zu schicken. Heute soll es also den ganzen Tag regnen, morgen bis zum Nachmittag trocken sein. Da kann ich doch gleich beschließen, den Tag abzuwettern. Die Sicht ist sowieso bescheiden, hier das einzige Foto des Tages:



            Nach dem Frühstück verkrieche ich mich wieder im Schlafsack und kann sogar noch mal richtig lange schlafen. Gegen 14:00 Uhr bin ich ausgeschlafen und unternehmungslustig, denke sogar kurzzeitig daran, noch ein Stück zu laufen. Aber das Wetter ist äußerst ungemütlich geworden, der kräftige Wind scheint die Regenwolken vor dem Gletscher regelrecht auszuquetschen wie einen gigantischen Schwamm. Wieder einmal denke ich, dass auf der Nordwestseite des Langjökull davon wohl nicht mehr viel ankommt. Immerhin arbeitet sich das Thermometer bis auf 10°C hoch.

            Weil ich sonst nichts zu tun haben, sortiere ich meine restlichen Nahrungsmittel und bin sehr zufrieden mit dem, was noch übrig ist. Für morgen sind ganz unten im Snackbeutel ein paar Extras versteckt, denn das ist mein Geburtstag. Lecker! Natürlich läuft mir das Wasser im Mund zusammen, es spritzt geradezu aus den Speicheldrüsen, aber ich kann mich beherrschen. Morgen.


            03. Juli: Jarlhettur - Eystri-Hagafellsjökull - Einifell

            Wie nach dem letzten Ruhetag, konnte ich auch in dieser Nacht nicht gut schlafen. Kurz vor fünf schäle ich mich aus dem Schlafsack, werfe meine drei Haferkekse ein und packe zusammen. Mit 2°C ist es recht kühl, Mütze und Handschuhe kommen in die Jackentaschen. Noch vor sechs ist das nasse Zelt am Rucksack festgeschnallt, jetzt geht es endlich weiter. Zwischen den Wolken schimmern schon blaue Flecken hindurch, die zumindest Hoffnung machen. Zuerst gehe ich zum See 638m, der seltsamerweise keinen Namen abbekommen hat, ebenso wie alle Berge um ihn herum.


            See 638m


            Blick nach Nordosten

            Der Eindruck der Bilder täuscht nicht, es ist wirklich kalt. Nordwestlich um den teilweise zugefrorenen See herum sieht es am einfachsten aus, ich lege einen Zahn zu, um mich warmzulaufen. Wo kein Schnee liegt, ist anfangs Geröll, später dann viel weicher Sand, aber etwas weiter weg vom Ufer läuft es sich angenehm, man sinkt nicht allzu tief ein. Jetzt kommt schon gelegentlich die Sonne durch.


            Klick auf das Foto für größere Ansicht



            Als der See hinter mir liegt, komme ich in ein weites Schwemmland am Gletscherrand, das mich magisch anzieht. Auch hier ist der Sand meist fest genug, um darauf zu treten, was mich zu der irrigen Annahme verleitet, man könne vielleicht auch den westlichen See an der Gletscherseite umgehen. Ein erster klarer Bach lässt sich problemlos überqueren, nachdem ich vorsichtig getestet habe, ob der Sand mein Gewicht trägt.



            Einige Minuten später stoße ich auf den nächsten Bach, trübes Wasser, sieht auch nicht viel schwieriger aus. Schon beim Versuch, mich dem Gletscherbach zu nähern, versinke ich allerdings knöcheltief im Schlamm, schnell wieder zurück. Also anders herum, durch den matschigen Schnee.





            Bis zur Stóra-Jarlhetta geht es jetzt zwei Kilometer über Moränenhügel. Langsam nähere ich mich dem Jarlhettudalur, das auf der Karte im oberen Teil eng und tief eingeschnitten aussieht. Die Spannung steigt. Sollte ich da nicht hinunterkommen, dann wäre ein weiter Umweg nötig.


            Stóra-Jarlhetta


            der Taleinschnitt lässt sich noch nicht einsehen


            Jarlhettukvísl

            Ich quere den Gletscherbach trockenen Fußes über große Steine und stelle bald fest, dass ich mir umsonst Sorgen gemacht habe. Das Tal ist wirklich harmlos. Eigentlich wäre schon längst Zeit für die Frühstückspause, aber die Engstelle will ich auf jeden Fall noch passieren. Über eine Schneebrücke wechsele ich auf die Ostseite, da ist der Hang viel flacher, als die Höhenlinien auf der Karte anzeigen.






            Jarlhettudalur



            Als sich das Tal weitet, gibt es Moosflecken und ein paar Grasbüschel zwischen den Steinen. Und sofort finden sich auch wieder Fliegen und Kriebelmücken ein. Es ist deutlich wärmer geworden und fast windstill, also keine Chance, sie von mir fernzuhalten. Na, ich stelle für die Pause sowieso das Zelt zum Trocknen auf, drinnen hab ich meine Ruhe. Zeit für das Geburtstagsfrühstück! Moment, erst noch ein Foto vom Geschenketisch:



            Das KitKat muss zuerst dran glauben, nach neun Tagen ohne Schokolade gibt es kein Halten mehr. Hätte nicht gedacht, dass es noch in so gutem Zustand ist. Schokolade habe ich im Sommer sonst nie dabei, seit mir mal eine zu einem formlosen Klumpen geschmolzen ist, aber da war es auch deutlich wärmer. Über zu viel Hitze kann ich auf dieser Tour tatsächlich nicht klagen, und die Gefahr eines Sonnenbrands ist auch sehr gering. Die Sonne hat sich wieder hinter einer Wolkenschicht verschanzt.

            Während der Pause überlege ich mir, wie es weitergehen soll. Ich will unbedingt zum Eystri-Hagafellsjökull, alles andere hängt von den Schnee- und Wetterbedingungen ab. Also los, der Gletscher kommt bestimmt nicht zu mir. Zuerst muss ich ein drittes Mal über den Gletscherbach, danach genau nach Westen über die Hügelkette. Schon kommt der Hagavatn in Sicht und rechts davon ... Moment mal ... wo ist der Gletscher? Dass er geschrumpft sein musste, war mir klar, aber ich bin doch überrascht, wie weit er sich zurückgezogen hat. Bestimmt anderthalb Kilometer muss ich durch Sand und Moränenschutt laufen, um den Eisrand zu erreichen. Auf dem Weg dahin ist sogar ein schlammbrauner Gletscherfluss im Miniaturformat zu furten. Niedlich!


            Blick zurück zum Jarlhettudalur


            Hagavatn


            Miniatur-Gletscherfluss

            Am Eisrand dann die Suche nach einem festen Übergang, ohne Erfolg. Also probiere ich mein Glück an einer erhöhten Stelle, wo noch größere Steine liegen, aber auch die versinken unter meinem Gewicht im Schlamm. Ein paar beherzte Schritte, nicht zu lange Zögern, und ich stehe auf dem Eis. Für den Ausflug auf den Gletscher hätte ich mir zwar etwas Sonne gewünscht, aber zumindest ist der untere Teil schneefrei. Außer den Grödeln brauche ich jetzt Handschuhe und Mütze, dann kann es losgehen. Ein eiskalter Wind weht mir entgegen.

            Noch weiß ich nicht genau, was ich machen will. Ich könnte bis zum Hagafell über den Gletscher gehen und dann weiter zum Vestari-Hagafellsjökull, sieht nicht unmöglich aus. Wenn mir das nicht geheuer ist, könnte ich es auch bei einer Runde auf dem Eis belassen und zum Hagavatn zurückgehen. Das entscheide ich, wenn ich etwas höher gestiegen bin.













            Fremdartig und aufregend fühlt sich die erste halbe Stunde auf dem Eis an. Ich staune und mache viele Fotos. Leider gelingt es mir nicht, die sehr unterschiedliche Oberflächenstruktur abzubilden. Außer der rauen, mehrere Zentimeter tief ausgehöhlten Oberfläche, die man noch einigermaßen erkennen kann, gibt es auch Stellen mit ganz glattem, durchsichtigem Eis, wie sauber eingepasste Glasblöcke.

            Dann erreiche ich einen schuttbedeckten Felsriegel, der den unteren Teil des Gletschers abtrennt. Guter Aussichtsplatz für eine Verschnaufpause. Was mache ich jetzt? Der Gletscher sieht oberhalb des Riegels genügend eben aus und ist auch aper bis kurz vor dem Hagafell. Was mich von der Route über den Gletscher abhält, ist eher, dass ich nicht weiß, wie es auf dem Hagafell aussieht und wie sich das Wetter entwickelt. Eine stabile Wetterlage sieht anders aus. Ich beschließe also, dass es meine Abenteuerlust vollkommen befriedigt, noch ein Stück nach Westen zu gehen und dann zum Hagavatn zurückzukehren.



            Als ich vom Fels wieder auf das Eis komme und dabei auf ein scheinbar festes Sand-Steine-Gemisch trete, wird es unter meinen Füßen schlagartig flüssig und die Masse ergießt sich als kleine Schlammlawine hangabwärts. Wie gut, dass ich das Gewicht noch auf dem anderen Bein habe, so kann ich rasch einen großen Schritt nach hinten machen. Nach diesem Schreck nehme ich mir vor, in Zukunft noch vorsichtiger mit Sand zu sein.









            Ich gehe erst mal auf dem Eis nach Südwesten, entscheide dann aber, dass ich für den Übergang zur selben Stelle zurückkehre, an der ich den Gletscher betreten habe, alles andere ist noch viel unwegsamer. Schlamm lässt sich abwaschen. Das war ein schöner Geburtstagsspaziergang, sehr befriedigt erreiche ich die ersten Moospolster kurz vor dem Hagavatn. Das netteste Plätzchen, das man hier für die Mittagspause finden kann, bisschen nass vielleicht. Wie kommt eigentlich dieses selbst bei trübem Wetter irrsinnig leuchtende Grün zustande?



            Da es eine Dreiviertelstunde später zu nieseln beginnt, verkürze ich die Mittagspause. Wenn ich schon den sehr viel längeren Weg nach Westen gewählt habe, dann möchte ich heute wenigstens noch bis zur Brücke über den Fluss Far kommen. Dafür muss ich am Ufer des milchig-trüben Hagavatn entlang zum Nýifoss laufen, dem neuen Wasserfall, der erst 1939 entstanden ist, als ein Gletscherlauf den neuen Durchbruch geschaffen hatte. Hagavatn hat seitdem einen deutlich geringeren Wasserstand. Von der ersten Fallstufe donnert das Wasser eindrucksvoll in einen brodelnden Kessel. Um den eigentlichen Wasserfall zu sehen, muss man einem Pfad hinunter in die Ebene folgen.


            Hagavatn






            obere Fallstufe


            Blick zum Einifell


            Nýifoss

            Noch ist es einigermaßen trocken, nur ein paar Nieselschauer. Die nächste Attraktion ist nicht weit entfernt, ich muss nur ein Stück der Piste folgen, die am Wasserfall beginnt, und ein viertes Mal den Jarlhettukvísl furten, dann sehe ich sie. Bäume! Wunderschöne Birken an der Hütte, daneben Fichten. Was für ein paradiesischer Flecken Erde, wenn man tagelang hauptsächlich Schnee und Steine gesehen hat. Jetzt habe ich auch eine Vermutung, woher der Name Hagafell kommt, nämlich von diesem idyllischen Platz. Wenn "haga" mit dem norwegischen "hage" oder dem deutschen Hagen zusammenhängt, bedeutet es so was wie befriedeter Ort oder Garten.





            Fast bin ich versucht, neben der Hütte das Zelt aufzustellen, um den Blick auf die Bäume und die heimelige Stimmung, die sie verbreiten, noch länger auskosten zu können, die 2.000 Kr wäre es mir wert. Andererseits wüsste ich auch gern, in welchem Zustand die Brücke am Südrand des Einifell ist. Dort wird sich hoffentlich ebenfalls ein nettes Plätzchen finden. Wenn ich östlich um den Berg herum gehe, begleitet mich zumindest das saftige Grün noch für eine Weile.

            Den langen Tag spüre ich mittlerweile deutlich in den Beinen, außerdem regnet es jetzt stärker. Gäbe es doch nur ein winziges Bächlein, dann könnte ich auf einer der grünen Terrassen am Berghang bleiben. Doch die Hoffnung erfüllt sich nicht, also muss ich doch in der Nähe der Brücke zelten. Große Waschaktion, heute ist auch Haarewaschen (mit Kernseife) und Rasieren dran. Im Regen und ohne Windschutz kostet es einige Überwindung, mich wieder und wieder mit eiskaltem Gletscherwasser zu übergießen, aber sobald der Schmerz auf der Kopfhaut nachlässt, ist das saubere Gefühl einfach unbeschreiblich gut. Nächstes Mal doch lieber mit warmem Wasser.

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            • Sylvie
              Erfahren
              • 20.08.2015
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              #46
              AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

              Boahhh, was für eine Landschaft. Treibsand im ewigen Eis. Gräuliche Gräue allerorten. Und dann steht da plötzlich dieses Hütte inmitten von Grün. Das ist ja wie im Märchen. Und Hänsel und Gretel erreichten endlich ein wundersames Haus. Beef Jerky zum Geburtstag. Ist es nicht toll, dass man über so wenig so glücklich sein kann? Nachträglich alles Gute! Ich würde Dir ja wünschen, dass Du glücklich wieder heimgekommst, aber das bist Du ja schon.

              Lg Sylvie

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              • Borgman
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                #47
                AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                04. Juli: Einifell - Þórólfsfell - Langavatn

                Gestern habe ich zwar keine besonders weite Distanz zurückgelegt, war aber durch die paar Umwege und den Abstecher auf den Gletscher lange auf den Beinen. Nach Lust und Laune eben, genau so hatte ich mir das vorgestellt, so konnte sich ein abwechslungsreicher und sehr befriedigender Wandertag entwickeln. Während ich einschlief, porentief sauber und mit einem warmen Nudelessen im Bauch, wirbelten die vielen Eindrücke noch Walzer tanzend durch meinen Kopf.

                Das beruhigendste aller Geräusche grüßt mich am frühen Morgen: leichter Regen auf dem Zelt. Ein Geräusch, das mich immer sanft aus dem Schlaf in den Wachzustand gleiten lässt und nicht selten wieder zurück. Noch mal gemütlich auf die andere Seite drehen, alles hat Zeit. Heute steht nichts Weltbewegendes an. Hinüber zur Piste und dann nach Westen. Þórisdalur würde ich gerne noch sehen, bevor ich den Laugarvatn anpeile, dafür dürften die verbleibenden vier Tage ausreichen.



                Gegen acht steige ich die steile Böschung hinunter zur Brücke. Schon erstaunlich, dass es hier überhaupt eine Fußgängerbrücke gibt und dann noch eine so stabile. Eine viel benutzte Wanderroute oder auch nur ein Pfad ist jedenfalls nicht in der Nähe. Na, mir soll es recht sein, den Far haben wir, meine Frau und ich, vor vielen Jahren am Sandvatn gefurtet, das war kein Spaß. Hinter der Brücke geht es für knapp zwei Kilometer durch die sandige, steinübersäte Ebene und über einen Schafzaun, dann bis zur Piste F338 über ein üppig begrüntes Lavafeld, nass vom Regen.

                Die Piste ist schon von Weitem an der Stromtrasse zu erkennen. Riesige Masten bezeugen den Triumph des Menschen über die Natur, die sich gegen die Verschandelung nicht wehren kann. Aber das ist wieder zu menschlich gedacht, die Masten stören nur den Wanderer, der sich der Zivilisation für kurze Zeit entziehen will. Wenn er heimkommt, freut er sich über den Strom aus der Steckdose und ein gut gekühltes Bier in der Sommerhitze.



                Die Kriebelmücken beeinträchtigt die Stromtrasse jedenfalls nicht, sie freuen sich im Gegenteil auf die Mahlzeit ihres Lebens. Der unwiderstehliche Duft eines leckeren Wanderers zieht sie aus der ganzen Gegend an. Was gäbe ich jetzt für ein Kopfnetz, oder wenigstens Wind von vorne. Stattdessen wische ich mir die ganze Zeit mit der Hand übers Gesicht und die Ohren, für einen Beobachter müsste es so aussehen, als hätte ich einen nervösen Tic. Es nützt nichts, die Brille ist im Weg, zuerst beißen die Biester wie immer in die dünne Haut unter den Augen. Als ich die Brille abnehme, um sie zu vertreiben, krabbeln sie in die Ohren, ich könnte schreien.

                Für gut zehn Kilometer Luftlinie möchte ich jetzt bis zum Þórólfsfell der Piste folgen, also irgendwas zwischen 12 und 14 km als Nicht-Krähe. Auf der Piste läuft es sich zumindest kräftesparender als in dem weichen Sand. Zuerst windet sie sich 100 Höhenmeter aufwärts zum Mosaskarð, einer Bresche zwischen Fagradalsfjall und Mosaskarðsfjall.


                Mosaskarðsfjall

                Oben angekommen, schlängelt sich die Piste durch das sandige, spärlich bewachsene Lavafeld Lambahraun (Schäfchenlava). Bedeckt und still ist der Vormittag, eine schwebende, zeitlose Gleichförmigkeit, ab und zu etwas Nieselregen. Da dieser Abschnitt wenig mentale Fokussierung erfordert, schweifen meine Gedanken bald hierhin, bald dorthin und bleiben für eine Weile an diesem Namen hängen. Lambahraun.


                Ein kleines Lamm, allein in dieser harschen, wenig nahrhaften Umgebung, nimmt vor meinem inneren Auge Gestalt an. Ab und zu ein trockenes Grasbüschel, kein Wasser weit und breit. Mit matter Stimme blökt es nach seiner Mutter, seiner Schwester, keine Antwort. Aus welcher Richtung bin ich gekommen? Es ist ja noch so unerfahren, hat im Nebel die Orientierung verloren und bleibt jetzt einfach stehen, gelähmt vor Angst. Bald sind die Umrisse der Lavafelsen kaum noch erkennbar, eine kalte Septembernacht bricht herein.

                Unten im Tal, Meilen entfernt, hat der Bauer Ólafur in dieser Nacht einen Alptraum, aus dem er schweißnass erwacht. Was er geträumt hat, erzählt er nicht, sattelt nur beim ersten Licht sein kräftigstes Pferd und reitet nach Norden, Raureif im Bart. Drei Stunden sind die beiden schon unterwegs, als der Bauer plötzlich absteigt. Das Pferd zupft ein paar Grashalme, während Ólafur einen Felsen erklimmt, sich langsam dreht und die Augen dabei fest anspannt. Sehen kann er nichts, doch hört er das schwache Blöken ganz in der Nähe.

                Seit dieser wundersamen Rettung heißt das Lavafeld bei allen Bauern der Gegend nur noch Lambahraun. So ist es gewesen, ganz bestimmt.


                Ein erstaunter Blick auf die Uhr, ich bin tatsächlich schon zwei Stunden unterwegs. Zeit für die Frühstückspause. Ich habe zwar keine Lust, mein nasses Zelt im nassen Sand aufzustellen, aber das Wetter lädt auch nicht gerade dazu ein, mein Müsli im nassen Sand sitzend einzunehmen. Dann doch lieber Zelt. Eigentlich bin ich froh, dass es nicht warm und sonnig ist, denn ich habe nur 1 1/2 Liter Wasser mitgenommen, das muss bis zum Nachmittag reichen. Als ich nach zwei Stunden weitergehe, weht ein frischer Wind aus Nordwest, der immer mehr zulegt.


                Lambahraun


                Hlöðufell



                Nach weiteren ereignislosen Kilometern erreiche ich gegen Viertel vor zwei die Nothütte am Þórólfsfell. Man darf sie kostenlos benutzen, aber sie ist so dreckig und verwahrlost, dass man hier wirklich nur im Notfall übernachten möchte. In ihrem Windschatten mache ich eine kurze Pause, krame Mütze und Handschuhe heraus, bevor ich die Piste verlasse und pfadlos genau auf den höchsten sichtbaren Punkt des kleinen Schildvulkans Skersli zulaufe. Das wird noch mal richtig anstrengend, denn ich muss ein ziemlich unebenes Lavafeld durchqueren und habe dabei den scharfen Wind direkt von vorne. Eine gute Stunde später erreiche ich den breiten Geröllrücken Langalda.


                Langalda, dahinter Langafell und Skersli (in den Wolken)

                Das Wasser ist inzwischen aufgebraucht. Hinter diesem letzten Hindernis verbirgt sich nach der Karte ein See, und wenn ich Glück habe sogar irgendeine Art von Vegetation, auch wenn es hier noch nicht danach aussieht. Auf der Langalda bläst mir der Wind ungehindert entgegen, doch die Wolken schaffen es nicht über die Berge im Nordwesten, auf dieser Seite kommt sogar die Sonne durch. Jetzt kann ich das Tal und den See Langavatn überblicken. Wasser gibt es schon mal, und einen halbwegs ebenen Grasfleck kann ich auch erkennen. Wo es einen gibt, könnten sich noch mehr finden, also steige ich über ein steiles Schneefeld in das Tal hinunter und laufe über Sandflächen und steinige Hügel zum See.







                Ja, ich habe Glück. Etwa auf halber Länge des Sees gibt es größere ebene Flächen, die mit Gras und Zwergsträuchern bewachsen sind. Hier kann ich das Zelt bombenfest abspannen, muss nur aufpassen, dass im starken Wind nichts wegfliegt. Dabei ist das schon die Leeseite des Skersli, ich möchte nicht wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Heute gehe ich jedenfalls nicht weiter. Nachdem Wasser aus dem See geholt ist, was sich durch das aufgeweichte Ufer als schwierig erweist, stürze ich mich gierig auf das Mittagessen, die Uhr zeigt schon halb fünf.

                Von einem kleinen Spaziergang am späteren Nachmittag flüchte ich mich bald wieder ins schützende Zelt, es ist einfach zu ungemütlich. Aus der Apsis, mit einem heißen Kaffee in der Hand, kann ich die Landschaft genauso gut genießen. Die Sonne lässt den See in einer irren grünblauen Farbe aufleuchten, dahinter reihen sich Berge wie Perlen auf der Schnur, Kálfstindur, Þórólfsfell, Högnhöfði, Hlöðufell.



                Zwei Goldregenpfeifer leisten mir Gesellschaft. Ihre klagenden Rufe erzählen vom Leben im kargen Hochland, von der unbegreiflichen Weite, von Stürmen und tagelangem Regen, von der flüchtigen Wonne eines Sonnenstrahls, vom schwankenden Nahrungsangebot in der Brutzeit, und wie man als kleiner Vogel lernt, allen Unbilden mit optimistischem Gleichmut zu trotzen.


                Langavatn am Abend


                05. Juni: Der Windsack-Test

                Mein Soulo hat diese unruhige, windige Nacht gut überstanden, aber ich konnte nur wenig schlafen. Am Morgen hat es 3°C, anhaltend starker Wind aus Nordwest. Heute will ich auf keinen Fall mit vollem Gepäck gegen den Wind ankämpfen wie gestern, also muss der Abstecher zum Þórisdalur wohl ausfallen, sehr schade. Den ganzen Tag faulenzen oder schon den Rückweg antreten will ich aber auch nicht. Vielleicht kann ich einen Halbtagesausflug zum Pass nordwestlich des Skersli machen und von dort den Þórisjökull wenigstens sehen.

                Klingt bescheuert, weil sich genau dort die Wolken stauen, aber was besseres fällt mir nicht ein. Also packe ich nach dem Frühstück ein paar Sachen in den Leichtrucksack und gehe los. Zuerst nach Norden, dann in weitem Bogen nach Nordwesten den sanft ansteigenden Hang hinauf. Weniger sanft als vielmehr schneidend ist der Wind, der mit zunehmender Höhe immer schärfer wird. Bald geht es fast nur noch über Schnee, mit eingestreuten kleinen Geröllinseln. Immer mehr Wolken schieben sich über den Pass und die Berggipfel, verlieren dabei auch ein paar Regentropfen. Die dünnen Windstopper-Handschuhe, Fleecemütze und Kapuze reichen nicht, um die Auskühlung durch den Wind zu verhindern.


                Skersli


                Blick zum Hagafell


                Vestari Hagafellsjökull



                Mir ist die grandiose Sinnlosigkeit dieser Aktion durchaus bewusst. Vom Pass aus werde ich nichts anderes sehen können, als das Innere der Wolken und außerdem in die Richtung zurückgeblasen, aus der ich gekommen bin. Aber ich habe noch einen Plan B, der mindestens genauso gut ist: ich werde meinen neu erstandenen Windsack erstmals unter realistischen Bedingungen testen! Rab Group Shelter 2. Dann weiß ich zumindest schon, was man im Notfall alles falsch machen kann. Mit der verlockenden Aussicht auf eine windgeschützte Pause in der trockenen Tüte schaffe ich es, noch ein paar Höhenmeter gegen den Wind anzukämpfen und eine Geröllinsel anzusteuern.

                Prima, hier gibt es auch eine sandige Stelle, wo ich den Wanderstock 20 cm tief versenken kann. Dann gehe ich in die Hocke, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten und ziehe den Windsack aus der Hülle, der sofort wie wild zu flattern beginnt. Bevor der Wind ihn mir aus der Hand reißt, streife ich mir ein Ende über den Rücken und lasse mich auf den Hintern fallen. Nicht sehr elegant, aber effektiv. Jetzt muss ich ihn noch so drehen, dass eine der beiden Sitzflächen an die richtige Stelle kommt und der Stock in die dafür vorgesehene Ausstülpung auf der Oberseite. Den Stock etwas tiefer einstellen, damit die Seiten nicht mehr offen sind. Jetzt flattert der Sack zwar immer noch ganz ordentlich, aber es zieht nicht mehr rein.

                Soweit sehr befriedigend. Die Beine kann ich bequem ausstrecken und damit die windabgewandte Seite stabilisieren, zwischen die Füße kommt der Rucksack. Eine dünne Sitzunterlage habe ich auch dabei, sehr empfehlenswert, wenn man nicht zufällig auf trockener, weicher Krähenbeerenheide gelandet ist. Sofort wird es spürbar warm, und es bildet sich ein bisschen Kondenswasser. Klar, trotz Kälte habe ich beim Aufstieg mächtig geschwitzt. Ein trockener Pulli als Isolationsschicht zwischen der nassen Plane und dem Rücken wäre jetzt nett. Aber ich will ja auch nicht Stunden ausharren.




                Nach 20 Minuten ist es immer noch angenehm, wäre auch länger auszuhalten. Wie man allerdings zu zweit hier drin sitzen soll, ist mir schleierhaft, da müsste man irgendwie die Beine übereinander stapeln. Nachdem der Windsack wieder verstaut ist, laufe ich in einem größeren Bogen zurück, näher am Vestari Hagafellsjökull, der mittlerweile in der Sonne badet. Überhaupt hat man Richtung Südosten einen prachtvollen Blick von hier oben, der alleine schon die Mühe wert gewesen wäre.





                Nach insgesamt vier Stunden bin ich zurück am Zelt und habe sogar nicht weit entfernt einen nur wenige Meter langen Schmelzwasserbach entdeckt. Sonst versickert hier alles Wasser sofort im sandigen Boden, ohne auch nur eine Pfütze zu bilden. Perfekt, um Unterwäsche und Wandersocken zu waschen, letztere haben es dringend nötig. Da sich immer mehr die Sonne durchsetzt, werden sie hoffentlich schnell trocknen. Der Wind lässt etwas nach, bleibt aber kalt, 7°C am Nachmittag. Für heute möchte ich diesen herrlichen Platz noch auskosten, es reicht vollkommen, wenn ich morgen weitergehe.
                Zuletzt geändert von Borgman; 19.08.2018, 15:51. Grund: Fotos angepasst

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                  #48
                  AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                  Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
                  Nachträglich alles Gute! Ich würde Dir ja wünschen, dass Du glücklich wieder heimgekommst, aber das bist Du ja schon.
                  Herzlichen Dank, Sylvie! Und ebenfalls herzlichen Dank für Deine poetischen Kommentare! Dir als Waldbewohnerin muss diese Landschaft vermutlich sehr fremd erscheinen...

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                    #49
                    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                    06. Juli: Langavatn - Hlöðuvellir - Quellen der Brúará

                    Schon am frühen Morgen weckt mich die Sonne und wärmt das Zelt nach einer kühlen Nacht. Im Schatten zeigt das Thermometer noch -2°C. Die Schneeflecken der Langalda spiegeln sich friedlich im See, denn der Wind ist abgeflaut. Perfekte Bedingungen für eine obercoole Wanderung zum Þórisdalur. Eigentlich. Nur reicht dafür die Zeit jetzt nicht mehr, wenn ich am Ende noch ein bisschen Reserve haben möchte.

                    Zum ersten Mal hadere ich mit dem Lust-und-Laune-Prinzip, das mir bisher eine so entspannte und trotzdem abwechslungsreiche Tour beschert hat. Wenn ich an einem Tag die Zähne zusammengebissen und mich einfach durchgekämpft hätte, dann könnte ich heute noch ein spannendes Tal erkunden. Auch der Umweg über den Skersli für einen Blick zum Þórisjökull ist keine Option, denn ich rechne nicht damit, vor den Quellen der Brúará irgendwelches Wasser zu finden, und bis dahin ist es ein ganzer Tagesmarsch. Ärgerlich. Doch die beiden Goldregenpfeifer, die anscheinend nicht viel Schlaf brauchen, erinnern mich daran, dass man hier im Hochland nichts erzwingen kann, man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen und das beste draus machen. So verbanne ich denn Þórisdalur aus meinen Gedanken und breche gegen sechs Uhr auf.











                    Im Grunde laufe ich genauso zurück zum Þórólfsfell, wie ich vorgestern gekommen bin, aber es fühlt sich ganz anders an. Federnd, voller Energie, der Rucksack ist kaum zu spüren. Und dann das Licht! Obwohl ich jetzt eigentlich weiter und weiter laufen möchte, muss ich einfach versuchen, ein paar Fotos zu machen, den Zauber dieses sonnigen Morgens in der Lavawüste einzufangen und mit nach Hause zu nehmen.











                    Nach gefühlt einer Viertelstunde quere ich die Piste am Þórólfsfell und laufe weiter nach Süden, bis ich auf die Piste stoße, die westlich an diesem Berg entlang zum Hlöðufell führt. Eine hauchdünne Eisschicht spannt sich über eine Bodendelle, da muss gestern noch Wasser gewesen sein. Warum Eis? Ist es wirklich so kalt? Seltsam. Dann Hlöðufell, düstere, geheimnisvolle Burg, bizarre Felszinnen ragen in die Kuppel aus Nebel.



                    Hier mache ich erst mal Frühstückspause (in Wirklichkeit sind nämlich schon zwei Stunden vergangen), stelle das Zelt auf und hole mir für den Kaffee eine Portion dreckigen Schnee vom Berghang. Das war so eingeplant, dann reichen die anderthalb Liter Wasser, die ich mitgenommen habe, hoffentlich für den ganzen Tag. Es ist sowieso wieder bewölkt, und ein kühler Wind weht aus Süden. Ist schon ein seltsamer Zufall, dass nur an den zwei Tagen, an denen ich hauptsächlich nach West und Nordwest gegangen bin, der Wind aus Nordwesten kam und jetzt wieder von Süden. Oder sollte ich das persönlich nehmen?

                    Die auf der Karte eingezeichnete Nebenpiste, der ich jetzt östlich am Hlöðufell entlang folge, ist kaum mehr als eine selten benutze Fahrspur. Anfangs durch den Sand etwas mühsam, später dann, auf festerem Untergrund aus Schotter und kleinen Steinen, komme ich flott voran. Wie vermutet gibt es hier kein Wasser, obwohl die Landschaft immer grüner wird. Am Südende des Hlöðufell ragt ein niedriger Ausläufer einen guten halben Kilometer in die Ebene hinein wie ein Sporn: Rani. Die Fahrspur läuft drum herum, aber es sieht so aus, als könnte man ihn auch bequem übersteigen.


                    Nebenpiste am Hlöðufell



                    Auf dem Rücken vom Rani lasse ich den Rucksack stehen und schaue mich in Ruhe um. Das sieht interessant aus. Ein Teil besteht aus zusammengebackenen Steinen, die an machen Stellen bizarre Skulpturen bilden, etwa einen geflügelten Drachen. Ein anderer Teil des Sporns besteht anscheinend aus einer Art Sandstein, der in dieser Umgebung sehr fremd wirkt und an der Hangseite ebenfalls seltsame Formen herausgebildet hat. Wieder einmal wünsche ich mir, ich verstünde mehr von Geologie, und wieder einmal kann ich nur staunen.


                    Fabelwesen





                    Auf der anderen Seite komme ich über einen steinigen Hang hinunter in die weite, grasbewachsene Ebene Hlöðuvellir. Hier weidete sicher das Lamm mit seiner Mutter und Schwester, bevor es sich ins Lavafeld verirrte. Ich durchquere sie noch bis zum Pistenabzweig und schlage an einer saftig grünen Stelle mein Lager für die Mittagspause auf. Uff! Ich bin erschöpft, die Knie tun mir weh. Nach dem Essen schlafe ich eine ganze Stunde, komme danach auch nur schwer in die Gänge. Hoffentlich nur ein Durchhänger, denn ich muss noch ein ordentliches Stück laufen, bevor es wieder Wasser gibt. Mein Ziel für heute, und darauf freue ich mich jetzt schon, sind die Quellen der Brúará. Nie gehört? Ich auch nicht, in der Karte sind sie auch nicht verzeichnet, aber auf den Satellitenbildern klar zu erkennen. Ich bin sehr gespannt.

                    Bis dahin sind es aber noch einige Kilometer durch, oder besser am Rand der Wüste Rótasandur. Eine Piste ist hier nur noch an wenigen Stellen erkennbar, man geht einfach durch den Sand, nach Westen begrenzt von einem Hang aus chaotisch durcheinander gewürfelten Steinblöcken. Erinnert ein bisschen an ein verlassene Großbaustelle. Zwei Radfahrer, die mich eben noch flott und mit knappem Gruß überholt haben, schieben jetzt mühsam ihre schwer bepackten Räder durch den weichen Sand. Jetzt bin ich an der Reihe, sie flott zu überholen und erkundige mich nach ihrem Befinden. Sie wussten ja nicht, dass sie die ersten Menschen sind, denen ich seit Skálpanes begegnet bin (aber die zählen nicht, sie hatten alle mindestens eine Tonne Blech um sich herum, hoben bestenfalls träge die Hand zum Gruß) und die ersten Nicht-Autofahrer seit 12 Tagen. Die junge Frau ist noch ganz fröhlich und macht einen fitten Eindruck, aber ihr Partner scheint der Verzweiflung nahe, muss sich ganz schön zusammenreißen, um noch optimistisch zu wirken. Sie werden es schaffen, die beiden.

                    Auf der Karte ist hier ein Abzweig nach Südosten eingezeichnet, den es natürlich nicht gibt. Wo keine erkennbare Piste, da kein Abzweig. Es macht im Sand sowieso keinen Unterschied. Ich halte also direkt auf die Senke zwischen Högnhöfði und Rauðafell zu. Es nieselt. Von hier sieht es überhaupt nicht so aus, als gäbe es dort ein Tal, sondern eher wie eine sandgefüllte Wanne nach allen Seiten. Ob es die Quellen vielleicht gar nicht gibt? Habe ich das Satellitenbild richtig in Erinnerung? (Die Quellen hatte ich mehr durch Zufall entdeckt, als durch sorgfältige Planung...)

                    Nach einem Kilometer sehe ich etwas glitzern. Ja, da beginnt das Quellgebiet, mitten in der Wüste. Völlig unscheinbar sickert das Wasser aus dem Sand, gleich gibt es Moosflecken und verstreute Grashalme, es wird grüner. An immer mehr Quellen komme ich vorbei, das Wasser sammelt sich zu seichten, sandigen Bächen, es müssen hundert oder mehr sein, das ist nicht zu überblicken. Die kleinen Bäche vereinen sich zu größeren Bächen und fließen in einer steinigen Rinne zusammen. Der kleine, selbst bei diesem trüben Licht leuchtend blaue Fluss Brúará ist geboren, der sich nach einem Wasserfall in eine enge Schlucht stürzt.











                    Den ganzen Tag ohne Wasser, dann mehrere Kilometer durch Sand, und plötzlich entsteht vor meinen Augen dieses herrliche, klare, lebensspendende Flüsschen. Das ist ergreifend schön.







                    Die Schlucht will ich morgen erkunden, denn es sieht nach mehr Regen aus. Ich gehe ein Stück zurück und überquere vorsichtig die beiden größten Zuflüsse, um zur Westseite der Schlucht zu kommen. Weiter oben am Hang finde ich tatsächlich einen schönen, üppig bewachsenen Platz mit Blick ins Tal für die Nacht. Zum Waschen und Wasser holen muss ich noch mal zum Fluss hinunter, da beginnt auch schon strömender Regen.


                    07. Juli: Zwischen Rauðafell und Miðdalsfell

                    Komisch. Der Mensch besteht zu ungefähr 60% aus Wasser, und dann stellt er sich so an, wenn seine Umgebung auch mal zu 60% aus Wasser besteht. Nachdenklich und noch etwas müde betrachte ich den heißen Kaffee in meiner Blechtasse, während der Regen unermüdlich auf das Zelt prasselt. Vielleicht liegt es an der Temperatur ... wäre der Regen 37°C warm, statt (geschätzt) 3,7° ... hätte ich dann auch noch so einen Schweinehund, nach draußen zu gehen? ... unter der Dusche mache ich doch nicht so ein Theater ... ist doch auch nur Wasser ...

                    Was für ein Quark! Es wird Zeit, dass ich mich mal wieder mit einem vernünftigen Menschen unterhalte, nicht nur immer mit mir selber. Ich knalle mich noch mal auf die Matte und warte, dass mir jemand das Frühstück ans Bett bringt. Meine Gedanken schweifen noch mal zu den beiden Radfahrern, wie weit sind sie wohl gekommen? Haben sie auch ihr Zelt aufgestellt, als der Regen begann, oder sich weiter durchgekämpft?

                    Nachdem ich das Aufstehen lange genug hinausgezögert habe und in dieser Stunde niemand mit ein paar Croissants oder auch nur Kleinur und Skyr vorbeigekommen ist, ergebe ich mich mit einem Ruck der Realität. Ich muss mein Müsli selber anrühren und heute ein Stück laufen, egal wie warm oder kalt der Regen ist. Während ich packe, tröpfelt es nur noch. Vielleicht habe ich Glück und kann im Trockenen losgehen. Doch bevor das Zelt abgebaut ist, findet der Regen zu alter Form zurück. Kalt! Der Regen ist kalt, der Wind ist kalt, MIR ist kalt!

                    Ich denke an die tapferen Goldregenpfeifer und reiße mich zusammen. Am Flüsschen fülle ich Wasser auf, insgesamt 3,5 Liter kann ich bunkern, das reicht locker bis morgen Mittag am Laugarvatn. Ist doch verrückt: es regnet seit mehr als zwölf Stunden ununterbrochen, und ich schleppe Wasser durch die Gegend, weil ich sicher bin, dass ich nichts finden werde.



                    Also los, erst mal anderthalb Kilometer durch tief dunklen Sand, der so wunderbar ebenmäßig aussieht, dass ich mir wie ein Rabauke vorkomme, der die in sich ruhende Schönheit dieser Landschaft mit seinen groben Stiefeltritten stört. Geht leider nicht anders, ich will zur Piste.



                    Die Schlucht und das spannende Tal der Brúará muss ich hinter mir lassen, da drücken von Süden die Wolken hinein. Sicht gleich Null, viel zu gefährlich. Stattdessen laufe ich hinüber zu den spärlichen Markierungspfählen, die am Hang des Rauðafell in eine tatsächlich erkennbare Piste übergehen. Der Wind direkt von vorn, meine Hände werden selbst in den (angeblich wasserdichten) Überhandschuhen nicht warm. Sogar auf der Piste liegt noch Schnee, aber wie vermutet gibt es keinen Schmelzwasserbach, alles versickert sofort.


                    Rauðafell



                    Nach den zwei Stunden, die ich mir vorgenommen hatte, finde ich tatsächlich eine passable Stelle für das Zelt. Es regnet noch stundenlang weiter, bis gegen viertel nach sechs. Da kommt sogar für einen Moment die Sonne durch, und es ist absolut still. Sogar der einsame Goldregenpfeifer, der immer wie eine tickende Uhr im Hintergrund zu hören ist, macht eine Pause und lauscht der Stille. Mit beginnendem Nieselregen setzt er sein eintöniges Lied fort.

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                      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                      08. Juni: Laugarvatn

                      Kurz vor fünf bin ich wach und sehe dem Tag ohne besondere Erwartungen entgegen. Für den ganzen Tag ist Regen vorhergesagt, nur nicht so ergiebig wie gestern. Vier Wanderstunden rechne ich noch bis Laugarvatn, wo um 17:37 Uhr der Bus nach Selfoss abfahren soll. Eigentlich egal, wie ich die aufteile. Momentan nieselt es nur minimal, also kann ich genauso gut früh aufbrechen, wer weiß, was noch kommt. Gegen viertel nach sechs bin ich auf der Piste. Die Wolken drücken von Süden genau auf das Miðdalsfell, das ich zuerst überqueren muss, nach einem kurzen Aufstieg geht es mitten hinein in den Nebel.

                      Auf dem breiten, flachen Bergrücken bin ich dann doch dankbar für die Piste, da brauche ich mir wenigstens um die Orientierung keine Sorgen zu machen. Im Nebel sieht es hier oben wirklich trostlos aus, Steine, Schneefelder, kaum Vegetation, dazu der Nieselregen. Andererseits macht mir das Wetter den Abschied vom Hochland leicht. Bei strahlendem Sonnenschein wäre ich bestimmt etwas wehmütig, dass meine Wanderung schon bald zu Ende ist, aber unter diesen Bedingungen freue ich mich eher auf die Annehmlichkeiten, die mich erwarten. Als es dann endlich bergab geht, reißen die Wolken kurz auf, geben den Blick frei auf die grüne Ebene und die Seen Laugarvatn und Apavatn.



                      Etwa auf halbem Weg nach unten finde ich einen guten Platz für eine längere Pause und richte mich ein. Immer wieder gibt es Regenschauer, auch der Wind frischt deutlich auf, was für ein ungemütliches Wetter. Da habe ich nicht viel Lust, meine Zeit am Laugarvatn zu verbringen. Erst gegen zwei packe ich zusammen, laufe die Piste bis zum Ende hinunter und stelle fest, dass sie noch gesperrt ist. Also deshalb waren keine Autos unterwegs, ich hatte mich schon gefragt, ob es hier immer so ruhig ist.





                      Nach den vielen Tagen im Hochland erscheint mir die üppige Vegetation ungeheuer reich und verschwenderisch. Überall sprudeln klare Bäche, gesäumt von Blumen, Weidenbüschen und Birken, dazwischen saftige Pferdeweiden, es ist herrlich! Bei Sonnenschein hätte ich hier bestimmt viel zu viel fotografiert. Zur Zeit ist es relativ trocken, mit wenigen Nieselschauern, noch vier Kilometer bis Laugarvatn. Normalerweise wäre ich die Stunde einfach auf der Straße gelatscht, aber die 35 ist an diesem Sonntag überraschend stark befahren, das hatte ich nicht erwartet, vor zwei Wochen auf der Busfahrt nach Hveravellir sah er hier eher ruhig aus.

                      Zum Glück gibt es parallel zur Straße einen Reitweg, der sehr viel weniger frequentiert ist. Jedenfalls begegne ich wieder mal niemandem.





                      Der Rest ist schnell erzählt. Am Laugarvatn angekommen, stürme ich erst mal den Samkaup. Auch der ist gerammelt voll, kein Wunder bei den vielen Autofahrern, und kommt mir unerträglich heiß, stickig und laut vor. Nicht gerade ein Schock nach zwei Wochen Wildnis, aber doch so unangenehm, dass ich nur schnell ein paar Leckereien kaufe, einen Kaffee abgreife und mir dann ein ruhiges Plätzchen am See suche. Nahe der heißen Quelle gibt es eine Picknickbank. Besonders gemütlich ist es hier im Wind allerdings auch nicht. Ich bin ganz froh, dass ich das Eintauchen in die Zivilisation möglichst lange hinausgezögert habe, so dauert es nicht mehr lange, bis mein Bus nach Selfoss abfährt.




                      Mit der Busabfahrt möchte ich diesen Bericht auch beenden, danach ist wirklich nichts Aufregendes mehr passiert. Viel Regen, eine Nacht auf dem Campingplatz in Selfoss, dann noch ein Tag in Reykjavík. Genügend Zeit, um mein Tagebuch einmal ganz durchzulesen und alle einzelnen Erlebnisse zu einem großen Panorama zusammenwachsen zu lassen. Nach dem für meinen Geschmack etwas zu hektischen Anfang war das eine der entspanntesten Touren, die ich jemals gemacht habe.

                      Ohne das Korsett einer festgelegten Route konnte die Wanderung ihren eigenen Rhythmus entwickeln, und genau das hat sich gut angefühlt. Mach ich auf jeden Fall wieder so. Der Nachteil liegt auf der Hand: Man braucht mehr Reservetage und/oder genügend mögliche Ausstiegspunkte. Und natürlich braucht man eine gewisse Erfahrung. Gerade in Island oder anderen abgelegenen Gebieten im Norden sollte man die Schwierigkeiten einschätzen können, wenn man ohne einen ausgearbeiteten Plan unterwegs ist. Die isländischen Karten verraten nicht viel über die tatsächliche Gangbarkeit im Gelände.

                      Þórisdalur hätte ich gerne gesehen, das ist wahr, und statt der Piste wäre ich am Ende gerne der Brúará gefolgt. Man kann eben nicht für jede Laune das passende Wetter erwarten. Wenn ich das Panorama mit etwas Abstand betrachte, sehe ich viel verhangenes Grau, mehr Regen als Sonnenschein. Die Fotos zeigen wie immer nicht die ganze Wahrheit, wenn die Sonne mal durchkam, hab ich auf den Auslöser gedrückt. Trotzdem, mit dem Wetter kam ich gut klar, ich mag es wechselhaft, sofern ab und zu alles trocknen kann. Und was haben wir gelernt? Ab sofort ist bei jeder Sommertour ein Kopfnetz dabei!


                      Als ich mit diesem Bericht angefangen hatte, fiel mir bald auf, dass sich die freiere Gestaltung der Tour auch auf mein Schreiben auswirkte, es schlichen sich mehr Abschweifungen ein, manchmal hatte ich auch das Bedürfnis, eine Stimmung genauer zu beschreiben. Hoffentlich hat es Euch beim Lesen genauso viel Freude gemacht wie mir beim Schreiben. Ich danke jedenfalls für Euer Interesse!

                      Viele Grüße,
                      Bernd

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                        #51
                        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                        Hallo Bernd, ich habe deinen Reisebericht mit großem Interesse verfolgt. Die Stimmung hast du gut eingefangen. Ja in Island ist das Wetter immer ein Thema und bestimmt oft den Verlauf einer Route und den Rhythmus des Laufend aber dafür ist die Landschaft so spektakulär, das man einfach immer nur am Staunen ist. Um so schöner, wenn man sich Zeit lassen kann und nicht alles verplant ist.
                        Takk fyrir! Christine

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                          Fuchs
                          • 02.09.2016
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                          #52
                          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                          Danke für den Bericht! Sehr gute Photos, stimmungsvoller Text... da hast Du Dich mal wieder selbst übertroffen.

                          Und jetzt viel Spaß in Norwegen!

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                          • Dieter

                            Dauerbesucher
                            • 26.05.2002
                            • 532
                            • Privat

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                            #53
                            AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                            Hallo Bernd,

                            ich habe den Bericht mit Interesse verfolgt und bin im Geiste mitgewandert, kenne ja einige Ecken davon. Es ist schön zu lesen, dass man keinen "festen Plan" braucht, sondern Du zeigst, wie sich eine Tour von Tag zu Tag entwickeln kann. Das ist, wie wenn man auf einem Musikinstrument frei um ein Thema herum improvisiert. Das bedingt allerdings, dass man sein Instrument beherrscht. Also nichts für Anfänger und vor allem nicht, wenn man solo geht.

                            Über weite Strecken warst Du in Gegenden unterwegs, wo niemand so schnell vorbei kommt und eine Route konntest Du ja auch wohl nirgends hinterlegen. Wenn was schief geht, kann man da leicht verschütt gehen und muss man sich schon bewusst sein, dass man mit erhöhtem Risiko unterwegs ist. Ich habe den Eindruck manche Leser hier sehen diese "Freiheit" unter einem etwas zu romantischen Blickwinkel.

                            Auf jeden Fall Danke für den schönen Bericht!

                            Dieter

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                            • Borgman
                              Dauerbesucher
                              • 22.05.2016
                              • 724
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                              • Meine Reisen

                              #54
                              AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                              Zitat von Annichristine Beitrag anzeigen
                              Hallo Bernd, ich habe deinen Reisebericht mit großem Interesse verfolgt. Die Stimmung hast du gut eingefangen. Ja in Island ist das Wetter immer ein Thema und bestimmt oft den Verlauf einer Route und den Rhythmus des Laufend aber dafür ist die Landschaft so spektakulär, das man einfach immer nur am Staunen ist. Um so schöner, wenn man sich Zeit lassen kann und nicht alles verplant ist.
                              Takk fyrir! Christine
                              Danke, Christine, das sehe ich auch so. Die Landschaft im Hochland ist für uns Mitteleuropäer so fremdartig und für viele von uns so faszinierend, dass man immer wieder verweilen und einfach nur Staunen möchte.

                              Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                              Danke für den Bericht! Sehr gute Photos, stimmungsvoller Text... da hast Du Dich mal wieder selbst übertroffen.
                              Freut mich, dass es Dir eingeschworenem Norwegenfreund auch gefallen hat

                              Und jetzt viel Spaß in Norwegen!
                              Danke! Ich hab gestern den ganzen bisherigen Plan eingestampft, war mir zu viel Zivilisationsnähe . Lieber noch mal so ein freies Gefühl wie in Island, also: Indre Troms ist angesagt, da gibt es einfach mehr Möglichkeiten. Morgen früh geht's los.

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                              • Borgman
                                Dauerbesucher
                                • 22.05.2016
                                • 724
                                • Privat

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                                #55
                                AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                Zitat von Dieter Beitrag anzeigen
                                Hallo Bernd,

                                ich habe den Bericht mit Interesse verfolgt und bin im Geiste mitgewandert, kenne ja einige Ecken davon. Es ist schön zu lesen, dass man keinen "festen Plan" braucht, sondern Du zeigst, wie sich eine Tour von Tag zu Tag entwickeln kann. Das ist, wie wenn man auf einem Musikinstrument frei um ein Thema herum improvisiert. Das bedingt allerdings, dass man sein Instrument beherrscht. Also nichts für Anfänger und vor allem nicht, wenn man solo geht.

                                Über weite Strecken warst Du in Gegenden unterwegs, wo niemand so schnell vorbei kommt und eine Route konntest Du ja auch wohl nirgends hinterlegen. Wenn was schief geht, kann man da leicht verschütt gehen und muss man sich schon bewusst sein, dass man mit erhöhtem Risiko unterwegs ist. Ich habe den Eindruck manche Leser hier sehen diese "Freiheit" unter einem etwas zu romantischen Blickwinkel.

                                Auf jeden Fall Danke für den schönen Bericht!

                                Dieter
                                Hallo Dieter,

                                schön, dass Du reingeschaut hast. Deine Berichte waren auch für mich, wie für viele Andere, eine reiche Inspirationsquelle, ich hab sie alle verschlungen, wieder und wieder.

                                Danke auch, dass Du noch mal auf die Gefahren hinweist, das habe ich wohl nicht deutlich genug gesagt, halte es aber auch für wichtig. Man muss sich unbedingt seiner eigenen Fähigkeiten und seiner körperlichen Konstitution bewusst sein und diese klug einsetzen. Einen richtigen Plan konnte ich zwar nicht hinterlegen, aber meine Frau hatte eine Karte von der Gegend, in der ich schon die Stellen markiert hatte, die mich interessieren. Alle zwei Tage habe ich ihr meinen Standort und Richtung durchgegeben. Die Mobilabdeckung ist sehr gut am Langjökull, die Notrufnummer 112. Im Zweifel sollte man einen Notfallsender mitnehmen.

                                Dein Vergleich mit dem Musikinstrument könnte treffender nicht sein, genau das ist mein Hintergrund.

                                Viele Grüße,
                                Bernd

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                                • Fjellfex
                                  Fuchs
                                  • 02.09.2016
                                  • 1227
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                  Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                  Danke! Ich hab gestern den ganzen bisherigen Plan eingestampft, war mir zu viel Zivilisationsnähe . Lieber noch mal so ein freies Gefühl wie in Island, also: Indre Troms ist angesagt, da gibt es einfach mehr Möglichkeiten. Morgen früh geht's los.
                                  INDRE TROMS!!! Da freue ich mich ja noch mehr auf Deinen nächsten Bericht!
                                  Gell, zu viel Zivilisationsnähe is nix.
                                  Sowas sollte man nicht zur Rente aufschieben, sondern machen, solange man halbwegs im Saft steht.

                                  GOD TUR!

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                                  • evernorth
                                    Fuchs
                                    • 22.08.2010
                                    • 1824
                                    • Privat

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                                    #57
                                    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                    Hallo Bernd,

                                    vielen Dank für diesen wirklich vorzüglichen Reisebericht und die vielen mutigen, persönlichen Einblicke. Gerade letztere machen für mich einen Reisebericht zu etwas Besonderem.
                                    Du hast mit deinem Start sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit bewirkt, obwohl ich die Gegend eher als
                                    " sehr archaisch " empfunden habe und mir zuweilen das " Grün " etwas unterrepräsentiert erschien, aber das ist ja häufig unvermeidlich in Island, gehört einerseits dazu und ist andererseits für viele gerade " der Grund ", warum sie diese Landschaft so sehr lieben.
                                    Die besondere Wahl deiner Fotos hat dann genau diese, ( relativ ) wenigen, grünen Inseln und Oasen ausgezeichnet dargestellt und gebührend gefeiert. Das ist dir - aus meiner Sicht - wirklich sehr gelungen.
                                    Ich finde übrigens auch, daß du dich diesmal selbst übertroffen hast. Ich bin dir jedenfalls gerne und mit großem Interesse gefolgt.

                                    Wenn du wüsstest, was dein spezieller " Stil ", die Tour etwas entspannter und weniger " geplant " anzugehen, bei mir kurzfristig für Folgen hatte......na, du würdest dich wundern.
                                    Dazu demnächst mehr, wenn ich von meiner Island - Tour 2018 berichten werde.

                                    Viele Grüße,

                                    Tom
                                    My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                                    • Styg
                                      Gerne im Forum
                                      • 01.05.2014
                                      • 86
                                      • Privat

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                                      #58
                                      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                      Hallo Bernd,

                                      vielen Dank für den wirklich tollen Tourbericht! Gestern bin ich selbst aus Island zurückgekommen, durch das Lesen deines Berichts konnte ich den Alltag noch etwas von mir halten. Da ich in der Gegend des Tourberichts auch schon unterwegs war, war es ein Stück weit auch ein Wiedersehen mit bekannten Abschnitten. Das Entstehen der Route einfach aus dem Wandern heraus, mit sehr losen Zügeln, finde ich spannend, ich kann das sehr gut verstehen.

                                      Viele Dank und schöne Grüße

                                      Fabian

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                                      • Blahake

                                        Fuchs
                                        • 18.06.2014
                                        • 1425
                                        • Privat

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                                        #59
                                        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                        Auch von mir noch und dicken Dank für den schönen Bericht!!!

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                                        • Borgman
                                          Dauerbesucher
                                          • 22.05.2016
                                          • 724
                                          • Privat

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                                          #60
                                          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                          Zitat von evernorth Beitrag anzeigen
                                          Hallo Bernd,

                                          vielen Dank für diesen wirklich vorzüglichen Reisebericht und die vielen mutigen, persönlichen Einblicke. Gerade letztere machen für mich einen Reisebericht zu etwas Besonderem.
                                          Du hast mit deinem Start sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit bewirkt, obwohl ich die Gegend eher als
                                          " sehr archaisch " empfunden habe und mir zuweilen das " Grün " etwas unterrepräsentiert erschien, aber das ist ja häufig unvermeidlich in Island, gehört einerseits dazu und ist andererseits für viele gerade " der Grund ", warum sie diese Landschaft so sehr lieben.
                                          Die besondere Wahl deiner Fotos hat dann genau diese, ( relativ ) wenigen, grünen Inseln und Oasen ausgezeichnet dargestellt und gebührend gefeiert. Das ist dir - aus meiner Sicht - wirklich sehr gelungen.
                                          Ich finde übrigens auch, daß du dich diesmal selbst übertroffen hast. Ich bin dir jedenfalls gerne und mit großem Interesse gefolgt.

                                          Wenn du wüsstest, was dein spezieller " Stil ", die Tour etwas entspannter und weniger " geplant " anzugehen, bei mir kurzfristig für Folgen hatte......na, du würdest dich wundern.
                                          Dazu demnächst mehr, wenn ich von meiner Island - Tour 2018 berichten werde.

                                          Viele Grüße,

                                          Tom
                                          Hallo Tom,

                                          oh, das ist aber ein großes Lob aus Deiner Feder, herzlichen Dank dafür! Da fühle ich mich sehr geschmeichelt.

                                          Und auf Deinen Bericht bin ich natürlich, wie viele Andere hier, äußerst gespannt. Was das wohl mit meinem Ansatz zu tun hat? Wir werden es hoffentlich bald erfahren.

                                          Viele Grüße,
                                          Bernd

                                          Zitat von Styg Beitrag anzeigen
                                          Hallo Bernd,

                                          vielen Dank für den wirklich tollen Tourbericht! Gestern bin ich selbst aus Island zurückgekommen, durch das Lesen deines Berichts konnte ich den Alltag noch etwas von mir halten. Da ich in der Gegend des Tourberichts auch schon unterwegs war, war es ein Stück weit auch ein Wiedersehen mit bekannten Abschnitten. Das Entstehen der Route einfach aus dem Wandern heraus, mit sehr losen Zügeln, finde ich spannend, ich kann das sehr gut verstehen.

                                          Viele Dank und schöne Grüße

                                          Fabian
                                          Hallo Fabian,

                                          gern geschehen, und danke für das Kompliment. Deinen schönen Tourbericht vom Alten Kjalvegur habe ich vorher natürlich auch noch mal gelesen. Wirst Du uns dieses Jahr auch einen Bericht schreiben? Wenn Du irgendwann Zeit findest? Das wäre toll!

                                          Viele Grüße,
                                          Bernd

                                          Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
                                          Auch von mir noch und dicken Dank für den schönen Bericht!!!
                                          Dankeschön! Auch auf Deinen Bericht freue ich mich schon jetzt, in welcher Gegend ungefähr Du unterwegs warst, wissen wir ja schon. Da kommen ja noch einige spannende Lesestunden für verregnete Sonntagnachmittage auf uns zu, wie schön!

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