[IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

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  • Borgman
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    • 22.05.2016
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    [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

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    Mitreisende
    [Áfram Ísland! Wer während der Fußball-WM in Island war, konnte sich der ansteckenden Begeisterung der Isländer für ihre Nationalmannschaft wohl kaum entziehen. Schon am Flughafen wurden wir ankommenden Touristen damit begrüßt, in der Stadt war der Ruf auf T-Shirts, Plakaten und in Schaufenstern allgegenwärtig. Er ist mit so viel fröhlicher Energie aufgeladen, dass ich nicht anders konnte, als den Titel daran anklingen zu lassen. Áfram og áfram, weiter und weiter, könnte das Motto jedes Wanderers sein.]


    Eine Wanderung ohne festen Plan von Hveravellir zum Laugarvatn

    Reisezeit: 23. Juni bis 10. Juli 2018


    Vorbemerkung

    "Aah, Island!" sagt mein Nachbar "Schön! Insel aus Feuer und Eis! Gletscher, Wasserfälle, dazwischen leuchtendes Moos und ein paar glücklich lächelnde Schafe! Mir wär das ja zu kalt, aber sehen möchte ich das schon mal, die Geysire und Vulkane."

    Na, das Klischee ist natürlich bekannt, und Du findest das auch alles auf Island. Am besten machst Du eine Bustour - "Golden Circle an einem Vormittag" oder "Islands geheimste Naturwunder". Was auch immer, es gibt dutzende. Nur wirst Du das in diesem Reisebericht nicht finden, tut mir leid.

    Oder vielmehr wirst Du in diesem Bericht auch davon etwas finden, wenn Du geduldig suchst, nur vielleicht nicht in der adretten, reiseführertauglichen Form, die Du bestimmt erwartest. Ich gebe Dir mal einen Vorgeschmack, dann kannst Du selber entscheiden, ob Du das hier wirklich lesen willst:


    Der Gletscher...




    ...der Wasserfall...




    ...das leuchtende Moos...




    ...und von mir aus auch das glücklich lächelnde Schaf (OK, Schafe hab ich nicht wirklich gesehen, aber das hier kommt dem wohl recht nahe).




    Nein, so ganz wie aus dem Reiseführer wird dies hier nicht, das vorab als Warnung an alle, die sich vor allem an spektakulären Bildern satt sehen wollen. Grau, nass, sandig und dreckig war meine Tour am Langjökull zu großen Teilen, und genau so soll auch der Bericht aussehen. Klingt zu negativ? Keineswegs, ich liebe Wind und Wetter, wenn ich denn alle paar Tage meine Sachen getrocknet bekomme, und ich liebe karge, steinige Landschaft und die wunderschönen, mir immer besonders kostbar und tapfer erscheinenden Vegetationsflecken inmitten der kargen und steinigen Landschaft.




    Áfram!


    Jetzt noch kurz ein Wort zur Routenplanung, die in Wirklichkeit keine ist. Im Gegensatz zu früheren Wandertouren habe ich diesmal darauf verzichtet. Keine Route ausgearbeitet, keine Kilometer ausgemessen, nur das Gebiet und den Startpunkt festgelegt. Die Idee kam mir im vergangenen Jahr auf Seiland, als alles nicht so geklappt hat wie geplant. Da habe ich mich gefragt, wie es wohl wäre, nicht dem Ideal einer Tour hinterherzuhecheln, sondern sie aus dem Moment heraus entstehen zu lassen. Um den Langjökull herum gibt es so viele interessante Ecken, da ist es doch eigentlich egal, welche davon ich besuche und welche nicht. Und so bin ich diesmal nach Lust und Laune und Wetterlage meiner beständig schwankenden Neigung gefolgt.

    Wie sich das bewährt hat? Ihr werdet es sehen...

  • Blahake

    Fuchs
    • 18.06.2014
    • 1425
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    • Meine Reisen

    #2
    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

    Das fängt schon mal großartig an! Und die Taktikänderung nach der Seiland-Erfahrung klingt sehr weise, ich wette, das ist aufgegangen
    Bin gespannt, wie es weitergeht!

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    • Annichristine
      Gerne im Forum
      • 16.05.2017
      • 88
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

      Von Island kann ich gar nicht genug bekommen. Freue mich schon auf den Bericht. Vor allem von den eher nicht so ausgetretenen Pfaden.

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      • Leitwolf
        Fuchs
        • 02.03.2010
        • 2089
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        #4
        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

        Wir sind blinde Passagiere unter einem Sternenzelt.Wir sind Koenige und Bettler auf der Suche nach uns selbst. Sind die Herrscher des Planeten, bis sie auseinander fällt.
        Und nur zu Nur zu Gast auf dieser Welt.

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        • Fjellfex
          Fuchs
          • 02.09.2016
          • 1227
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          #5
          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

          áfram!

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          • jiba
            Erfahren
            • 09.03.2018
            • 163
            • Privat

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            #6
            AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

            Yay, das fängt spannend an! Ist abonniert!

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            • littlefoot
              Gerne im Forum
              • 08.08.2006
              • 57
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              #7
              AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

              Ja, dann nehme ich mir mal ein schönes kühles Getränk und eine Tüte Chips, mache es mir gemütlich und warte gespannt auf die Dinge, die da kommen.

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              • Borgman
                Dauerbesucher
                • 22.05.2016
                • 724
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                #8
                AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                Danke an Alle für Euer Interesse und die anspornenden Kommentare!

                Bin schon wieder fleißig am Schreiben, es geht bald weiter.

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                • evernorth
                  Fuchs
                  • 22.08.2010
                  • 1824
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                  Ich bin gespannt, wo du dich wieder rumgetrieben hast ( und der Junge hat sich auch wieder dreckig gemacht...tzzz.... ).
                  My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                  • Borgman
                    Dauerbesucher
                    • 22.05.2016
                    • 724
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                    23. Juni: Anreise und Einleitung

                    "Nach Island, das ist ja interessant" sagt der nette Mann, mit dem ich in der Warteschlange vor dem Gepäckschalter ins Gespräch komme "gibt es da keinen Direktflug von Hannover? Ja, sehen möchte ich das auch mal, die Geysire und so. Aber zum Wandern wäre mir das bestimmt zu kalt. Letztes Jahr waren wir in Kroatien, das war schön. Da sollten Sie auch mal hin." Anscheinend stellen sich die Leute vor, dass in Island alle paar Meter ein kochender Wasserstrahl aus dem Boden schießt. Und wenn ich ihm jetzt sage, dass es in Reykjavik heute auch nicht kälter ist als momentan in Hannover, nämlich 10°C? Nein, ich lasse mir lieber was von Kroatien erzählen, da will meine Frau im Oktober mit mir hin. Ob mir das im Herbst noch zu warm sein wird?

                    Wie sich herausstellt fliegt er Business Class in die USA, geschäftlich, bleibt aber noch eine Weile in der Schlange für "Euro Traveller", um mir die Vorteile des Radisson Blu Hotels in Split zu vermitteln. "10 Tage mit Frühstück und Blick aufs Meer, wir hatten selten so eine herrliche Aussicht. Kostet zwar ein paar Euro mehr, aber das war es wert." Da kann ich natürlich nicht mithalten, habe ich doch in Reykjavik das billigste verfügbare Einzelzimmer im Stadtzentrum gebucht, in einem der vielen kleinen Gästehäuser. Und sogar das ist für mich ungewöhnlich, normalerweise schlafe ich immer schon die erste Nacht im Zelt. Nur will ich nicht auf den wuseligen Campingplatz, der keine Nachtruhe kennt.

                    Heathrow Terminal 5 - in meinen Augen einer der schlechtesten Orte um in Urlaubsstimmung zu kommen. Ich fühle mich beengt hier und werde unruhig. Kaufe mir ein Mittagessen und mache einen vorläufigen Plan für den Abend. Wenn alles klappt, landen wir um 17:30 Uhr in Keflafik, dann könnte ich gegen 19:00 Uhr in Reykjavik sein und ich hätte noch genügend Zeit zum Einkaufen. Da haben die meisten Supermärkte in der Innenstadt schon zu, nur der Krónan Nóatún hat bis 21:00 Uhr geöffnet, zum Glück nicht weit von meinem Gästehaus. Spiritus bekomme ich hoffentlich schon an der Tankstelle am BSÍ. Klingt entspannt.

                    Nur klingt das nicht mehr lange entspannt. Wir haben erst mal keine Starterlaubnis, dürfen die Anschnallgurte wieder lösen und unsere elektronischen Geräte benutzen. Jetzt bin ich wieder mal der Einzige, der nicht auf seinem Schlaufon daddelt. In frühestens 45 Minuten, lautet die Durchsage. Noch ein Plan, den ich in die Tonne treten kann. Als es dann doch irgendwann losgeht und die Flugbegleiter ihre überteuerten Getränke anbieten, kaufe ich mir ein Bier für £4,45. Damit gelingt es mir innerhalb kürzester Zeit, in eine meditativ-gleichgültige Stimmung zu kommen. Ein Hoch auf legale Drogen!

                    Erst als wir mit einer halben Stunde Verspätung in Keflavik landen dämmert mir, dass das jetzt für längere Zeit mein letztes Bier war, das auch tatsächlich ein bisschen Alkohol und Geschmack enthält. Bei meinem letzten Island-Besuch vor acht Jahren fand ich Egils Leichtbier im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternd. Damals wie heute dauert es eine halbe Ewigkeit, bis mein Rucksack mit Schmackes aus der Katzenklappe herausgepfeffert wird. Jetzt noch durch die ... Einreisekontrolle? Gab es die damals auch schon? Ich weiß es nicht. Hoffentlich erreiche ich wenigstens einen fast vollen Flybus, der bald abfährt. Auch hier Fehlanzeige, aber er füllt sich recht flott.

                    Am BSÍ sind wir kurz nach halb Acht, das geht doch noch. Wenn ich jetzt die Beine in die Hand nehme, schaffe ich den Einkauf locker bis der Krónan schließt. Zuerst zur N1-Tanke. Toll, da gibt es alles, Reinbenzin und verschiedene Sorten Gaskartuschen, aber auch auf Nachfrage des netten Mitarbeiters bei seinem Chef keinen Spiritus. Erst mal egal, das ist ein Problem für später. Ich schwinge die Hufe und schaffe es in 20 Minuten zum REK Inn, wo ich nur den großen Rucksack abwerfe und den Leichtrucksack durchsortiere. Gut in der Zeit, zum Krónan ist es nur ein Katzensprung. Da dies meine letzte Einkaufsmöglichkeit für zwei Wochen ist, will ich in Ruhe aussuchen was und wie viel ich brauche. Erstaunlich voll der Laden, vor allem jugendliche Kundschaft. Oh, es gibt Egils Pilsner, volle Dröhnung mit 2,25 Umdrehungen, das wär's doch jetzt!

                    Hebe ich mir für später auf, Spiritus ist jetzt wichtiger. An der Ecke Borgartún und Kringlumýrarbraut ist die nächste Tankstelle, wenn es da keinen gibt laufe ich zum Campingplatz. Uff, nicht nötig, hier stehen die hübschen roten Flaschen in Reih und Glied, ein herzerfreuender Anblick. Ich nehme zwei und bestelle noch einen Milchkaffee. Um die Ecke gibt es eine einladende Picknickbank, nur leicht regenfeucht, da kann ich die gelben Plastiktüten kurz abstellen und ganz entspannt eine rauchen.

                    Schön, das hat doch alles prima geklappt. Nur noch bei einem Geldautomaten etwas Bargeld holen, falls ich mal an einer Hütte nächtigen will. 3.000 Kr müssten reichen, ansonsten kann man in Island ausnahmslos alles mit Kreditkarte bezahlen. Kurz nach 22:00 Uhr komme ich leicht verschwitzt wieder zum REK Inn, gerade als Andri, der Besitzer dieses noblen Etablissements mit drei Zimmern, ebenfalls vorbeischaut. Er ist richtig nett und fragt, was ich in Island alles machen will. Eigentlich hätte ich erwartet, dass er zwei Wochen Wandern ohne festgelegten Plan einigermaßen absonderlich findet, aber es stellt sich heraus, dass er einen Freund in Norwegen hat und mit dem Begriff des Friluftsliv und dessen Bedeutung vertraut ist.

                    Ob ich zum ersten Mal in Island sei, fragt er. Nein, das ist jetzt mein vierter Besuch auf der Insel, zuletzt bin ich vor acht Jahren vom Abzweig Kerlingarfjöll an der 35 in drei Wochen bis zum Mývatn gelaufen. Eine großartige Tour voller unvergesslicher Erlebnisse, ich gerate ins Schwärmen, was Andri sichtlich freut. Diesmal soll es kleiner und entspannter werden. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über dies und das, dann gibt er mir noch einen kleinen Rabatt auf den Übernachtungspreis und verabschiedet sich. Obwohl es schon spät ist, brauche ich nach der heißen Dusche und einem sparsamen Abendbrot noch einen Spaziergang. Es wird ja sowieso nicht dunkel, die Uhrzeit verliert ihre Bedeutung.




                    24. Juni: Busfahrt nach Hveravellir und Aufbruch in die Wildnis

                    Um 6:00 Uhr klingelt der Wecker, denn ich muss noch alle Nahrungsmittel fachgerecht einpacken, was erfahrungsgemäß nur mit einigen Versuchen und Irrtümern gelingt. Dabei stellt sich heraus, dass ich eine Packung Kornmo zu viel gekauft habe. Na, besser als zu wenig, bei der Menge kommt es darauf auch nicht an. Doch der neue Xenith 88 hat das perfekte Format, es rutscht alles wie von selbst auf seinen Platz. Viel schneller als erwartet bin ich abmarschbereit und laufe durch den Nieselregen zum BSÍ, die Zeit reicht sogar noch für einen Kaffee von der Tanke und ein Muffin.



                    Nachdem ich gestern so viel mit den Besorgungen beschäftigt war, freue ich mich jetzt richtig auf die Tour. Termine und vorgegebene Zeiten spielen für zwei Wochen keine Rolle mehr, es breitet sich ein wohliges Gefühl von Freiheit aus, diesmal sogar ungetrübt von Gedanken, ob ich diese oder
                    jene Schlüsselstelle schaffe und alles wie geplant klappt. Dafür sollte ich mir auf der Fahrt durch die eintönigen, moosbewachsenen Lavafelder nach Selfoss langsam mal überlegen, ob ich von Hveravellir aus östlich oder westlich um den Langjökull herumgehe. Eigentlich finde ich nach der Karte die Ostseite interessanter, nur sieht das Wetter in dieser Gegend nicht sehr günstig aus, von Süd bis Südwest soll viel Regen aufziehen, der sich dann am Gletscher staut. Im Norden wird davon bestimmt nicht mehr viel ankommen.

                    Andererseits ist die Wettervorhersage in Island bekanntermaßen noch unzuverlässiger als anderswo auf der Welt, da fällt mir sofort Antracis' würfelnder Odin ein und ich muss Schmunzeln. Nein, nach so schlampigen Göttern richte ich nicht meine Tour aus, die Entscheidung wird auf den Nachmittag verschoben, wir sind sowieso bald am Geysir. Knappe halbe Stunde Pause für alle, die noch ein Foto vom Strokkur im Nieselregen brauchen, yeah, oder mal aufs Klo müssen. Dann die paar Kilometer zum Gullfoss, jetzt schon bei stärkerem Regen. Auf das Spektakel verzichte ich heute mal, kaufe mir lieber einen Kaffee und lasse die Touristenströme an mir vorbeiziehen.



                    Danach geht es eine ganze Weile auf der Hochlandstraße 35 weiter, mit guter Sicht auf die Berge, so dass ich mir schon mal einen Eindruck von der Schneelage verschaffen kann. Etwas mehr als 2010 könnte es schon sein, das war auch Ende Juni, sieht aber nicht problematisch aus. Anders als damals fahren wir heute die F347 bis ganz nach Ásgarður in den Kerlingarfjöll. Einige steigen hier aus um ein paar Tage zu wandern. Beinahe beneide ich sie, denn dieses Gebirge fand ich absolut faszinierend. Ein anderes Mal. Das Wetter hat sich gebessert, und so vertrete ich mir auch die Beine und mache ein paar Fotos.


                    Jökulfall, Hofsjökull


                    Ásgarður



                    Sobald wir wieder auf der 35 sind, dauert es nicht mehr lange bis Hveravellir, wo wir um 14:20 Uhr fast pünktlich ankommen. Der Rucksack kann erst mal noch stehen bleiben, bis ich mir das Geothermalgebiet in Ruhe angeschaut habe.







                    Das heiße Bad muss allerdings ausfallen, jetzt will ich endlich losgehen. Die Entscheidung ob nach Nordwest oder Südwest ist inzwischen auch gefallen, ohne dass ich groß nachgedacht hätte. Ich halte mich Richtung Hundavötn, also Nordwestlich, und schaue mal, wie das Gelände dort aussieht. Auf jeden Fall heißt das erst mal ein Stück auf der Piste F735, die nach einem halben Kilometer gesperrt ist. Der Untergrund ist tatsächlich an manchen Stellen so stark aufgeweicht, dass ich selbst zu Fuß schauen muss, wo ich hintreten kann ohne zu tief einzusinken. Dank Dieters Bericht von 1997, den ich gut in Erinnerung habe, weiß ich ungefähr, was mich auf der Strecke erwartet.

                    Zuerst kommt der Schafzaun, leicht zu überwinden, dann geht es pfadlos über Sand mit ein paar eingestreuten Steinen und kriechenden Weiden zum Bach Þegjandi, der ebenfalls leicht zu überwinden ist. Ich genieße es, durch die weite Ebene nur nach Sicht draufloszulaufen, ohne genau wissen zu müssen wo ich herauskomme. Ein schönes, freies Gefühl. Das trockene Wetter hat sich gehalten, es ist bedeckt und nicht kalt, vielleicht 12°C.



                    Bald stoße ich auf den Bach, der aus der Oddnýjargil kommt und, gesäumt von Schneefeldern, deutlich mehr Wasser führt. Wie sich herausstellt, wird er auch von einigen kräftig sprudelnden Quellen gespeist. Auf dem zweiten Foto sieht man eine davon.





                    Diesen Bach werde ich auch queren müssen, denn ich will zumindest noch den Rand der Ebene Tjarnadalir erreichen, wo sich die Hvannavallagil in den Berghang einschneidet. Selbst an der breitesten Stelle scheint das Wasser für die Stiefel noch zu tief zu sein, aber ich habe keine Lust, die Sandalen anzuziehen und probiere es trotzdem mit schnellen, langen Schritten. War ja klar, in den rechten Stiefel läuft dabei etwas Wasser. Ist mir jetzt egal, das trocknet auch wieder.

                    Von hier bis zum rettenden Berghang muss ich allerdings sowieso ein extrem nasses Feuchtgebiet durchqueren, das die Wasserdichtigkeit meiner Schuhe auf eine harte Probe stellt. Etwa einen Kilometer wate ich durch knöcheltiefes Wasser. Auf dieser Tour sind meine alten Hanwag Alaska am Start, die bequemsten Stiefel, die ich je hatte. Da die Membran schon lange nicht mehr dicht ist, habe ich das Leder vor der Tour großzügig mit Wilmas Kängsko Smorning getränkt (jawohl, das ist Fett und kein Wachs). Und, ich bin selber überrascht, es dringt nur minimal Feuchtigkeit ein.



                    Als das Gelände endlich trockener wird und ansteigt, kommt die Nässe plötzlich von oben, es beginnt zu regnen und der Wind frischt deutlich auf. Da entdecke ich auch schon einen passablen Platz um das Zelt aufzubauen. Schön, das fügt sich doch heute ganz wunderbar, den nehme ich. Nach wenigen Minuten steht das Zelt, schnell noch Wasser holen, dann kann ich mich einbunkern, bevor es richtig losgeht. Im trockenen Zelt zu sitzen, dem Regen zu lauschen, dem anschwellenden Ruf des Regenbrachvogels, begleitet vom monotonen Klagen des Goldregenpfeifers, das ist reinste Glückseligkeit. Bald kommt das gemütliche Rauschen des Spirituskochers dazu. Ich bin in Island und fühle mich sauwohl!

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                    • Fjellfex
                      Fuchs
                      • 02.09.2016
                      • 1227
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                      #11
                      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                      Zäfix! Gerade jetzt, wo der spannende Bericht hier losgeht, "muß" ich zu meinem Flieger Richtung Norwegen....

                      Sowas nennt man wohl schlechtes Timing...

                      Na ja, habe dann weningstens einen Grund, wieder zurückzukommen.

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                      • Borgman
                        Dauerbesucher
                        • 22.05.2016
                        • 724
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                        #12
                        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                        @ evernorth: Na, mit dem Schlamm im Gletschervorland kennst Du Dich ja bestens aus ... zu viel Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild (ich denke da an Schühchen und Beinkleid) sollte man jedenfalls nicht haben, wenn man da herumspaziert

                        @ Fjellfex: Du hättest den Flug noch mal umbuchen können, aber bei meinem langsamen Schreibtempo ist es so herum wahrscheinlich besser. Wenn Du zurück kommst, habe ich bestimmt noch nicht mal die Hälfte geschafft
                        Falls Du das noch liest: Viel Spaß in Møre og Romsdal!

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                        • evernorth
                          Fuchs
                          • 22.08.2010
                          • 1824
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                          #13
                          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                          Da kann ich dir nur vollumfänglich zustimmen.
                          Ich darf auch bald wieder im Matsch spielen.
                          Am Freitag geht es bei mir wieder los,
                          auf die Insel.
                          „Schühchen und Beinkleid“ werden dann wieder auf eine besondere Probe
                          gestellt. ......und meine Geduld, die will ich hier nicht unterschlagen.


                          Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                          @ evernorth: Na, mit dem Schlamm im Gletschervorland kennst Du Dich ja bestens aus ... zu viel Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild (ich denke da an Schühchen und Beinkleid) sollte man jedenfalls nicht haben, wenn man da herumspaziert
                          My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                          • Borgman
                            Dauerbesucher
                            • 22.05.2016
                            • 724
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                            Zitat von evernorth Beitrag anzeigen
                            Am Freitag geht es bei mir wieder los,
                            auf die Insel.
                            da wünsche ich dir eine gute Reise und drück dir die Daumen für die Tour! Bin schon sehr gespannt, was du diesmal alles erlebst und berichtest.

                            (...und wir dürfen hier weiter in der Backofenhitze schmoren, bis wir aussehen wie getrocknete Feigen )

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                            • Borgman
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                              • 22.05.2016
                              • 724
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                              #15
                              AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                              25. Juni: Dauðsmannskvísl

                              Kurz vor dem Einschlafen stolperte gestern noch ein Gedanke durch mein wegdämmerndes Hirn, der mich nach einer Schrecksekunde laut auflachen ließ: "Im Waschbeutel ist keine Seife!" Beim Zähneputzen war mir das nicht bewusst aufgefallen, doch jetzt sah ich sie, unauffällig blassgrün und doch so kostbar auf der Duschablage im REK Inn vor meinem inneren Auge. Ein nicht ganz halb volles Fläschchen Sea to Summit Body Wash, ich werde es schmerzlich vermissen. Natürlich kommt man auch mal ein paar Tage ohne Seife aus, aber zwei Wochen? Ich muss doch mal zwischendurch die Haare waschen, und was ist mit der Unterwäsche und den Socken? Nur kurz durchs Wasser ziehen ist keine Lösung. Trotz dieser aus hygienischer Sicht trüben Aussichten, konnte ich hervorragend schlafen, bis gegen 3:00 Uhr früh.

                              Sturmböen knallen auf das Zelt, schütteln es gründlich durch. Vielleicht hört es sich auch nur so an wie Sturmböen, weil das Außenzelt im Regen schlaff geworden ist und jetzt gerne mal nachgespannt werden könnte. Der Wind fegt jedenfalls über die Ebene, und mein Soulo ist hier das Einzige, was sich nicht wegduckt, also bekommt es seine Kraft zu spüren. Doch die Leinen haben sicheren Halt, es besteht kein Anlass zur Eile. Erst eine Stunde später kann ich mich aufraffen und wanke nach draußen. Oh, das Wasser steht ja deutlich höher in den Wiesen, gut dass ich da heute nicht mehr durch muss.

                              Zurück im Zelt bin ich durchgefroren und setze Wasser für einen sehr frühen Kaffee auf. Die Flamme wird so hin- und hergeweht, da brauche ich sogar in der Apsis einen Windschutz aus Stiefeln und Sandalen. An der Luvseite sind die Sachen im Innenzelt etwas nass geworden, vielleicht Kondenswasser, oder das Außenzelt hat doch nicht ganz dicht gehalten. Egal, das trocknet auch wieder. Nach dem Kaffee kann ich noch mal richtig einschlafen.



                              Frühstück gegen Zehn, da hat der Regen schon aufgehört, die Sonne kommt durch, und der Wind bläst jetzt stetig, ohne die wütenden Böen. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich überhaupt keine Lust zum Losgehen, am liebsten möchte ich schlafen. Um mich doch noch zu motivieren, nehme ich mir vor, es ruhig angehen zu lassen. Zuckerbrot statt Peitsche.



                              Als endlich das wild flatternde Zelt gebändigt und am Rucksack festgeschnallt ist, gehe ich erst mal ein Stück den Hang hinauf zur Hvannavallagil. Normalerweise bekomme ich beim Laufen immer gute Laune, aber heute komme ich irgendwie nicht in die Gänge, fühle mich ausgelaugt. Und dann auch noch das: Þúfur, gleich zu Beginn, also Buckelwiesen. Das steigert meine Laune auch nicht gerade. In der Schlucht liegt wie erwartet noch viel Schnee, der immerhin die Überquerung des Baches erleichtert.


                              Þúfur


                              Hvannavallakvísl

                              So ganz vertrauenerweckend sieht die Schneebrücke nicht aus, aber sie hält. Auf der anderen Seite geht es kurz die steile Böschung hoch, danach wieder über Þúfur bis zum flachen Übergang nach Norden. Schon unter normalen Umständen nicht das angenehmste Gelände, aber heute ist bei mir eindeutig der Wurm drin. Bis zum Dauðsmannskvísl (Leichenbach) will ich es noch schaffen, dort irgendwo das Zelt aufbauen und abwarten, ob ich mich nach einer Pause besser fühle. Immer wieder muss ich kurz stehenbleiben und verschnaufen, für die restlichen zwei Kilometer brauche ich eine weitere Stunde. Regenschauer, anhaltend kräftiger Wind, normales Islandwetter.



                              In der Nähe des trüben Gletscherbachs finde ich einen etwas hubbeligen, aber trockenen Platz mit Blick auf die schier endlose Ebene. Die Weite wirkt fast ein bisschen einschüchternd, so winzig und unbedeutend komme ich mir her vor. Was habe ich hier bloß verloren, eingehüllt in mehrere Lagen Stoff, Leder und Gummi um die Füße, damit meine blasse, weiche Haut um Himmels willen nicht in Berührung kommt mit Steinen, Wind und Regen? Was suche ich hier? Der einsetzende Regen vertreibt dann auch die nachdenkliche Stimmung, schnell ist das Zelt aufgebaut und der Rucksack hineingeworfen. Mein Schneckenhaus aus Stoff.

                              Als die Matte aufgeblasen ist, will ich mich eigentlich nur kurz ausstrecken vor dem Mittagessen, schlafe aber sofort ein. Was ich hier suche? Momentan nur Erholung. Die vergangenen Wochen und Monate waren anstrengend. Vielleicht habe ich einen kleinen Entlastungs-Infekt, der nicht so recht ausbricht, oder ich brauche diesmal einfach etwas länger zum Akklimatisieren. Was auch immer, heute gehe ich jedenfalls nicht weiter. Richte mich ein, hole trübes Wasser aus dem Bach und schlafe noch eine Runde. 4°C am Nachmittag, keine Wetteränderung.


                              26. Juni: Nach Süden!

                              Trotz des faulen Nachmittags habe ich wieder hervorragend geschlafen. Mäßiger Wind heute früh, leichter Frost. Während das Wasser für den ersten Kaffee des Tages langsam heiß wird und der Kocher seine gemütliche Wärme verbreitet, kommen mir erste Zweifel an meiner Entscheidung, zur Westseite des Langjökull zu gehen. Dazu trägt sicher meine momentane Dauermüdigkeit ihren Teil bei. Irgendwie traue ich mir diese sehr abgeschiedene Route nicht zu, dagegen wird die Ostseite immer attraktiver, da gibt es Hütten, und ich treffe vielleicht auch mal Menschen. Eine Hütte, na klar! Da kann ich bestimmt etwas Seife besorgen.


                              Am Dauðsmannskvísl

                              Nach dem Frühkaffee und einer weiteren Runde Schlaf steht die Entscheidung fest, ich gehe wieder zurück und dann weiter nach Süden. Das fühlt sich richtig an. Nur hat der Wind wieder deutlich zugelegt und treibt Schneegriesel vor sich her. Den Aufbruch verschiebe ich lieber noch eine Weile, denn ich müsste jetzt genau gegen den Wind laufen. Bin ich eigentlich schon so verweichlicht, dass mich das abschreckt? Vielleicht ja, aber ich muss mir auch nichts beweisen, das soll immer noch eine Tour nach Lust und Laune werden.

                              So viel geschlafen wie in diesen zwei Tagen habe ich schon seit Monaten nicht, langsam merke ich, wie gut mir das getan hat, meine Kraft und Unternehmungslust erwacht. Um 18:00 Uhr habe ich mein Geraffel zusammengepackt und lasse den Leichenbach hinter mir. Das war ein seltsamer Tourstart, man könnte auch Fehlstart sagen, aber wahrscheinlich brauchte ich genau so etwas, um zu mir selber zu kommen. Zurück gehe ich etwas höher, meist über Schneefelder, damit ich oberhalb der Hvannavallagil bleibe.


                              Blick zurück


                              In Marschrichtung ziehen schon wieder dicke Wolken auf

                              Die ersten Nieselschauer künden von mehr Regen, da suche ich mir lieber bald einen Platz, was zwischen Þúfur und aufgeweichtem Schutthang gar nicht so einfach ist. Eine ganz ebene Stelle ist nicht zu finden, aber ich will auch nicht lange hier bleiben. Morgen wird ein guter Tag, ganz sicher!

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                              • st3vie
                                Gerne im Forum
                                • 30.12.2016
                                • 53
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                Vielversprechender Bericht bisher! Ich bin gespannt wie es weiter geht, da es ja aufgrund deines Vorhabens recht unvorhersehbar ist.

                                Island steht auch schon lange auf meiner Liste.

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                                • Sylvie
                                  Erfahren
                                  • 20.08.2015
                                  • 361
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                  So schön geschrieben, Bernd!!!

                                  Bufur, hab ich noch nie gehört. Und in der Form auch noch nicht gesehen. Da sind Steine drunter oder? Wahrscheinlich so ähnlich wie die übermoosten Geröllhalden in Finnland, nur dass dort die Steine kantiger waren und nicht so groß. Da zu laufen, war extrem unangenehm, wie dumm muss sich das erst auf Bufur laufen? Waren die Bufur-Felder groß? Wie lange hat das gedauert, da durchzuwaten?

                                  Das mit der Müdigkeit anfangs hatten wir dieses Jahr auch. Vielleicht ist es so, wenn man vorher viel Stress hatte. Mich hat das auch gewundert - aber dann kehrte es sich ja um ins Gegenteil und ich war nur noch wach. Liegt das an den langen Tagen? Ich bin gespannt, wie es bei Dir weitergeht.

                                  Ich freu mich auf's Weiterlesen.
                                  Sylvie

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                                  • Borgman
                                    Dauerbesucher
                                    • 22.05.2016
                                    • 724
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                    Zitat von st3vie Beitrag anzeigen
                                    Vielversprechender Bericht bisher! Ich bin gespannt wie es weiter geht, da es ja aufgrund deines Vorhabens recht unvorhersehbar ist.
                                    Danke, ich arbeite auch schon fleißig an der Fortsetzung.

                                    Island steht auch schon lange auf meiner Liste.
                                    Manche würden jetzt sagen: Es gehört ganz oben auf die Liste!

                                    Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
                                    So schön geschrieben, Bernd!!!
                                    Danke! Eine so bildhafte Sprache, wie sie Dir anscheinend mühelos aus der Feder fließt, ist mir allerdings nicht gegeben. Wenn es nicht allzu trocken klingt, bin ich schon froh.

                                    Bufur, hab ich noch nie gehört. Und in der Form auch noch nicht gesehen. Da sind Steine drunter oder? Wahrscheinlich so ähnlich wie die übermoosten Geröllhalden in Finnland, nur dass dort die Steine kantiger waren und nicht so groß. Da zu laufen, war extrem unangenehm, wie dumm muss sich das erst auf Bufur laufen? Waren die Bufur-Felder groß? Wie lange hat das gedauert, da durchzuwaten?
                                    Hier schenke ich Dir mal ein Thorn: ... Þ ... . Der Buchstabe war auch im Altenglischen gebräuchlich und wird heute "Th" geschrieben. Þúfur entstehen nicht auf Geröll, sondern durch häufiges Einfrieren und Auftauen von nassem, feinkörnigem Boden mit Pflanzenbewuchs. Wie sie genau entstehen, weiß ich auch nicht, aber in den Rinnen sammelt sich Wasser, und die Erhebungen sind trocken. Ich schätze, wenn das Wasser gefriert und sich dabei ausdehnt, drückt es die Höcker immer weiter nach oben, weil der Sand ja nachgeben kann.

                                    Mit moosbewachsenem Geröll kann man das nicht vergleichen, auf Þúfur hat man immer guten Halt. Wenn die Höcker nicht in zu großem Abstand stehen, kann man manchmal von einem zum nächsten treten. Aber meist muss man immer abwechselnd in die Rinnen und auf die Höcker steigen. Gutes
                                    Wadentraining

                                    Über Größe und Dauer kann ich keine genaue Auskunft geben, jedenfalls waren es nicht mehrere Kilometer. An dem Tag war ich einfach nicht gut zuwege.

                                    Das mit der Müdigkeit anfangs hatten wir dieses Jahr auch. Vielleicht ist es so, wenn man vorher viel Stress hatte. Mich hat das auch gewundert - aber dann kehrte es sich ja um ins Gegenteil und ich war nur noch wach. Liegt das an den langen Tagen?
                                    Das Phänomen kenne ich auch, bei Mitternachtssonne in Nordnorwegen reichen mir vier Stunden Schlaf, danach bin ich wieder fit. Bin aber sowieso ein Wenigschläfer. So wie diesmal in Island war es vorher noch nie.

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                                    • Borgman
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                                      • 22.05.2016
                                      • 724
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                      27. Juni: Miðdalir - Þjófadalir - Jökulkrókur

                                      Der etwas unebene Boden hat meinen Schlaf überhaupt nicht beeinträchtigt, gegen fünf Uhr bin ich ausgeschlafen und putzmunter. Da kann ich schön früh aufbrechen, so wie ich es liebe. Nach dem Frühkaffee mit drei Haferkeksen, die sich als Starter bewährt haben, packe ich zusammen und breche kurz vor halb sieben auf. Mit 0°C ist es recht frisch, der leichte Südwind schiebt die tief hängenden Wolken am Hang des Háfjells entlang.

                                      Eigentlich wollte ich die Höhe halten und direkt nach Süden gehen, nur ist der Nebel so dicht, dass ich lieber früher absteige und am Rand der Ebene Tjarnadalir entlanglaufe. Wegen der großen Schneefelder sind die sandigen Moränenhügel an vielen Stellen mit Wasser gesättigt, aber so langsam bekomme ich ein Gefühl dafür, wo ich aufpassen muss, um nicht zu oft einzusinken. Ganz vermeiden lässt es sich hier allerdings nicht. Das Feuchtgebiet umgehe ich noch am Hang, danach kann ich in der grasbewachsenen Ebene laufen, was viel angenehmer ist. Milde Formen von Þúfur, Kiesflächen und zu querende Bäche sorgen für Abwechslung.


                                      Oddnýjargil

                                      Bevor ich auf die Piste treffe, die hier irgendwo vom Stélbrattur herunterkommen müsste, ist es schon Zeit für die Frühstückspause. Ein paar Nieselschauer ziehen noch durch, dazwischen zeigt sich schon die Sonne. Ohne den starken Wind wirkt die Luft ganz mild, obwohl es nicht mehr als 3-4°C haben kann. Sehr zufrieden und gut gelaunt stelle ich an einem kleinen Bach das Zelt zum Trocknen auf. Zwei Stunden Pause nach zwei Stunden Wandern ist für mich der ideale Rhythmus.


                                      Wie man sieht, frischt der Wind langsam auf

                                      So lange Pause brauche ich hier allerdings nicht, ich habe Lust zum Laufen und möchte die nicht so spannende Strecke bis zur Hütte Þjófadalir bald hinter mich bringen. An einem Schafzaun treffe ich auf den alten Reitweg, der hier eine Reihe tief ausgetretener Furchen im Grasland ist. Wenn schon an der Ostseite des Langjökull, wollte ich eigentlich nicht den alten Kjalvegur benutzen, aber da ich ja jetzt zur Hütte will um Seife zu schnorren, bietet er sich natürlich an.


                                      Litla-Oddnýargil

                                      Für ein paar flott zurückgelegte Kilometer geht es jetzt im Sóleyjardalur an den weiß gefleckten Moränenrücken entlang, die ein bisschen an gestrandete Orcas erinnern. Dann nur noch über einen niedrigen Pass, und schon öffnet sich der Blick auf das geschützte Þjófadalir. Wenn im späteren Sommer das Gras grün ist, muss das ein wirklich lieblicher Anblick sein. Beherrscht wird das Tal vom Berg Rauðkollur, dem Rotkopf.


                                      Rauðkollur


                                      Þjófadalir. Was von hier aussieht wie eine Treckerspur, ist der Reitweg.





                                      Schön ist es hier, wenn ich in der Hütte Seife gefunden habe, möchte ich noch eine Weile in der Sonne sitzen und die Landschaft genießen. Die Hütte ist einfach eingerichtet, neben vier Schlafplätzen gibt es einen Gaskocher und Kochgeschirr. Nach längerer Suche finde ich ein jahrealtes und noch unbenutztes Stück Kernseife, schon bräunlich verfärbt. Aber Kernseife wird nicht schlecht (anders als das unappetitlich aussehende und eindeutig ranzige Spülmittel, das ich niemals benutzt hätte), und so schneide ich mir davon ab, was ich brauche. In die Kasse werfe ich 1.000 Kr, das geht dann hoffentlich in Ordnung und schließt auch noch die Benutzung des Gaskochers ein. Jetzt fische ich mir noch einen Müsliriegel aus den Tiefen des Rucksacks und setze mich auf die Stufen vor der Hütte. Das zauberhafte Tal, schönes Wetter, Seife und ein dampfender Kaffee machen mich rundum zufrieden.

                                      Andererseits möchte ich vor der Mittagspause noch über den Pass zwischen Rauðkollur und Þverfell (auch diesen Namen kann man sich leicht aus dem (Neu-)Norwegischen herleiten, das ich leidlich verstehe, es bedeutet Querberg, Tverrfjell, er versperrt den Talausgang). Also gehe ich nicht wieder zurück zum Reitweg, sondern halte genau auf den Hang zu, der aus losem Schutt besteht. Mit dem immer noch schweren Rucksack ist jeder Höhenmeter anstrengend, zum Glück sind es nicht so viele. Von oben habe ich dann endlich mal einen Blick zum Langjökull, man sieht allerdings nur eine Schneekante des Leiðarjökull zwischen Fagrahlíð und Innra-Sandfell.


                                      Blick zurück, der Berg im Hintergrund ist Kjalfell


                                      Der erste Blick zum Langjökull. Links Innra-Sandfell, rechts von der Mitte Fagrahlíð.


                                      Fagrahlíð

                                      Mein Ziel für heute ist Jökulkrókur, der Gletscherwinkel, aber die Wiesen im Tal sind einfach zu einladend für eine Mittagspause, außerdem meldet sich mein leerer Magen und verlangt nach Nahrung. Nach dem Essen ist noch ein Schläfchen drin, der Gletscherwinkel läuft schon nicht weg, und das Wetter scheint sich auch zu halten, bewölkt und trocken.

                                      Anschließend gehe ich auf Schafpfaden oberhalb des rauschenden Gletscherflusses Fúlakvísl durch die Engstelle und lande in einer anderen Welt. Eine graue Ebene aus Geröll, nach Norden begrenzt von düsteren Steilhängen. In starkem Kontrast zum lieblichen Þjófadalir wirkt dieses Tal rau und abweisend.








                                      Jökulkrókur

                                      Fúlakvísl stürzt donnernd von einer Felswand ins Tal und fließt kurz oberhalb der Engstelle mit einem Gletscherbach aus dem Leiðarjökull zusammen. Daneben durchziehen moosgesäumte Quellbäche das Tal, Farbtupfer zwischen kargen Geröllflächen. Ich bin fasziniert und lasse den Rucksack in der Nähe einer markanten Steinwarte stehen, um den Wasserfall aus der Nähe zu betrachten.


                                      Quellbach




                                      Jökulkrókur

                                      Am grünen Nordhang des Fagrahlíð möchte ich übernachten, alles andere sieht mir zu steinig oder zu nass aus. Um da hinzukommen, muss ich nur die beiden Gletscherbäche furten, das sieht machbar aus. Fúlakvísl zuerst, eine gute Stelle ist schnell gefunden. Also Stiefel aus, Neoprensocken und Sandalen an, Hosenbeine über den Knien fixiert, Stöcke ausgefahren und rein ins trübe Wasser. Furten nach DIN, fast zu einfach, der Grund ist steinig, das Wasser nicht mehr als knietief.



                                      Den zweiten Bach möchte ich etwas weiter westlich furten, hinter einem Schutthügel, wo er breiter ist. Die Sandalen lasse ich gleich an, dann geht es schneller. Auch von diesem ein Foto:



                                      Jetzt muss ich nur noch den recht steilen Schneerand der Terrassenstufe überwinden, um auf die moosbewachsene ebene Fläche zu kommen. Das ist ziemlich blöd mit Sandalen, aber deshalb wechsele ich nicht noch kurz vor dem Ziel die Schuhe. Hier ist es eigentlich egal, wo ich zelte, alles einigermaßen eben, ein bisschen hubbelig und mit großartigem Panoramablick. Nur ein Bach sollte in der Nähe sein, schließlich steht heute noch die große Waschaktion an. Mit Seife! Als das Zelt steht, setze ich gleich einen Topf Wasser auf, zum Haarewaschen ist mir das Schmelzwasser zu kalt. Das herrlich saubere Gefühl kann ich gar nicht beschreiben. Als ich mich im Wind trocknen lasse, kommt sogar die Sonne durch und wärmt das Zelt bis zum späten Abend. Ein richtig gelungener Tag.

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                                        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                        Sehr schön, endlich wieder ein Island-Bericht hier im Forum. Danke!
                                        Trekkingblog: lustwandler.at

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