[IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

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  • Sylvie
    Erfahren
    • 20.08.2015
    • 361
    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
    Danke! Eine so bildhafte Sprache, wie sie Dir anscheinend mühelos aus der Feder fließt, ist mir allerdings nicht gegeben. Wenn es nicht allzu trocken klingt, bin ich schon froh.
    Ich zitiere Dich jetzt mal:
    Was habe ich hier bloß verloren, eingehüllt in mehrere Lagen Stoff, Leder und Gummi um die Füße, damit meine blasse, weiche Haut um Himmels willen nicht in Berührung kommt mit Steinen, Wind und Regen? Was suche ich hier? Der einsetzende Regen vertreibt dann auch die nachdenkliche Stimmung, schnell ist das Zelt aufgebaut und der Rucksack hineingeworfen. Mein Schneckenhaus aus Stoff.

    Das ist anrührend und wunderschön. Sehr authentisch. Es ruft Gefühle (oder Reaktionen) hervor und darauf kommt es an. Gottes Tierpark ist groß, jeder findet seine eigenen Worte und Ausdrucksmöglichkeiten, es wäre ziemlich langweilig, wenn jeder gleich schreiben würde. So wie Du schreibst, ist es genau richtig. Anrührend, authentisch, zauberhaft. Fertig.

    Hier schenke ich Dir mal ein Thorn: ... Þ ... . Der Buchstabe war auch im Altenglischen gebräuchlich und wird heute "Th" geschrieben. Þúfur entstehen nicht auf Geröll, sondern durch häufiges Einfrieren und Auftauen von nassem, feinkörnigem Boden mit Pflanzenbewuchs. Wie sie genau entstehen, weiß ich auch nicht, aber in den Rinnen sammelt sich Wasser, und die Erhebungen sind trocken. Ich schätze, wenn das Wasser gefriert und sich dabei ausdehnt, drückt es die Höcker immer weiter nach oben, weil der Sand ja nachgeben kann.
    Orrrr... ich habe doll gelacht. So viel Schweiß in meinen Augen... ich konnte den Buchstaben einfach nicht richtig lesen. Nein... Spaß beiseite, ich kannte den Buchstaben nicht und da er mir einem b am ähnlichsten schien, hab ich das Zeug einfach Bufur genannt. Es heißt also Thufur? Ich finde Bufur klingt viel besser, wenn da keine Steine drunter sind, es klingt so schön weich und fluffig.

    Heute Abend lese ich weiter. Freu mich jetzt schon drauf.

    Liebe Grüße
    Sylvie

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    • Borgman
      Dauerbesucher
      • 22.05.2016
      • 724
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      • Meine Reisen

      #22
      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

      Zitat von bourne Beitrag anzeigen
      Sehr schön, endlich wieder ein Island-Bericht hier im Forum. Danke!
      ... und danke für Dein Interesse! Eure Island-Tour vom vergangenen Jahr war natürlich viel strukturierter. Nach dem ersten Verweis gleich am Anfang habe ich den Bericht auf Deiner Lustwandler-Seite gelesen, dort sind die Bilder tatsächlich noch eindrucksvoller.

      Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
      Gottes Tierpark ist groß, ...
      ... und ein kurzsichtiges Huhn wird auch irgendwann satt. Ich fühle mich trotzdem gebauchpinselt von Deiner Lobeshymne! (Nur nicht den Tag vor dem Abendbrot bejubeln, ich hab noch viele Körnchen aufzupicken.)

      Es heißt also Thufur? Ich finde Bufur klingt viel besser, wenn da keine Steine drunter sind, es klingt so schön weich und fluffig.
      Ja, da hast Du recht.
      Thúfur klingt eher wie das Fluchen des Wanderers, wenn er sie überqueren muss

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      • Akelei
        Erfahren
        • 09.04.2013
        • 341
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

        Vielen Dank für deinen Schreibstil. Macht Spaß, den Bericht zu lesen.
        Habe gleich mal unser Photobuch von vor fünf Jahren rausgeholt und meinem Mann gezeigt, dass man da doch gar nicht ohne Weg und Plan laufen kann - aber es klingt herrlich verlockend, wenn man so weit gehen darf, wie man will, egal, ob man sein Tagesziel erreicht hat oder schon dran vorbei ist. Mache ich auch mal.
        ¤´¨)
        (¸.·´¨) RETTET DIE ERDE! Sie ist der einzige Planet mit Schokolade!
        ¨ ¸* ¸·*¨)
        (¸.·` ¤

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        • Dogmann
          Fuchs
          • 27.09.2015
          • 1022
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

          Toller Bericht, Island, gefällt mir sehr, obwohl ich da ( wegen der Hunde ) , nie hin kommen werde!
          Wirklich schön.
          Und die Tagesetappen ohne festes ziel, so mache ich es immer.
          Gerade deshalb ist ein grosses Zeitfenster von nutzen.
          Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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          • Staubteufelchen
            Gerne im Forum
            • 27.12.2012
            • 71
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

            Lieber Borgman,

            vielen Dank für diese ersten Teile deines Tourberichts!
            Ich ziehe die nicht ganz so glatten, den "alles so schön bunt hier" Berichten vor.
            Der Wechsel, aus dem unter Optimierungsdruck stehenden Alltagsleben in den Tourmodus.
            Der ehrgeizige Plan und der gestresste Körper mit abgespanntem Geist, die erst zusammen finden müssen, um ein gelungenes Ganzes zu ergeben.
            Die Ruhe die es braucht, um geniessen zu können, die Augenblicke zu erkennen, die ein Verweilen wert sind, gewürzt mit den Unvorhersehbarkeiten und der Herausforderung an kreatives Problemlösungsvermögen, die Kontakte nach Phasen der Einsamkeit mit der Gelegenheit sich zu öffnen.
            Ich bin gespannt, welche Zutaten im Verlauf deiner Reise zusammenkommen.

            Ermutigende Grüße,
            Andreas

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            • Borgman
              Dauerbesucher
              • 22.05.2016
              • 724
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

              Zitat von Akelei Beitrag anzeigen
              Vielen Dank für deinen Schreibstil. Macht Spaß, den Bericht zu lesen.
              Habe gleich mal unser Photobuch von vor fünf Jahren rausgeholt und meinem Mann gezeigt, dass man da doch gar nicht ohne Weg und Plan laufen kann - aber es klingt herrlich verlockend, wenn man so weit gehen darf, wie man will, egal, ob man sein Tagesziel erreicht hat oder schon dran vorbei ist. Mache ich auch mal.
              Dann seid Ihr auch in der Gegend gewandert? Die habe ich gerade deshalb ausgesucht, weil sie nach einem Blick auf die Karte viele und abwechslungsreiche Möglichkeiten zu bieten schien. Freut mich jedenfalls, wenn ich Dich mit meinem Bericht inspiriern kann. Ich hätte schon viel früher mehr unverplante Zeit in meine Touren einbauen sollen, denke ich jetzt.

              Zitat von Dogmann Beitrag anzeigen
              Toller Bericht, Island, gefällt mir sehr, obwohl ich da ( wegen der Hunde ) , nie hin kommen werde!
              Wirklich schön.
              Und die Tagesetappen ohne festes ziel, so mache ich es immer.
              Gerade deshalb ist ein grosses Zeitfenster von nutzen.
              Ja, schade, mit Hunden geht Island natürlich nicht. Schön, dass Du trotzdem mitliest!

              Zitat von Staubteufelchen Beitrag anzeigen
              Lieber Borgman,

              vielen Dank für diese ersten Teile deines Tourberichts!
              Ich ziehe die nicht ganz so glatten, den "alles so schön bunt hier" Berichten vor.
              Der Wechsel, aus dem unter Optimierungsdruck stehenden Alltagsleben in den Tourmodus.
              Der ehrgeizige Plan und der gestresste Körper mit abgespanntem Geist, die erst zusammen finden müssen, um ein gelungenes Ganzes zu ergeben.
              Die Ruhe die es braucht, um geniessen zu können, die Augenblicke zu erkennen, die ein Verweilen wert sind, gewürzt mit den Unvorhersehbarkeiten und der Herausforderung an kreatives Problemlösungsvermögen, die Kontakte nach Phasen der Einsamkeit mit der Gelegenheit sich zu öffnen.
              Ich bin gespannt, welche Zutaten im Verlauf deiner Reise zusammenkommen.

              Ermutigende Grüße,
              Andreas
              Das hast Du sehr treffend ausgedrückt, Andreas. Früher bin ich auch meistens mit zu großem Erwartungsdruck und Plänen für den perfekten Wanderurlaub gestartet (siehe oben) und brauchte mehrere Touren, die ganz und gar nicht so klappen wollten wie geplant, bis ich endlich kapiert habe, dass es auch wesentlich entspannter geht. Besser spät als nie...

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              • Akelei
                Erfahren
                • 09.04.2013
                • 341
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                Dann seid Ihr auch in der Gegend gewandert?
                In der "Gegend" Island, ja.
                Wir waren bei Kerlingarfjöll.
                ¤´¨)
                (¸.·´¨) RETTET DIE ERDE! Sie ist der einzige Planet mit Schokolade!
                ¨ ¸* ¸·*¨)
                (¸.·` ¤

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                • Dogmann
                  Fuchs
                  • 27.09.2015
                  • 1022
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                  Ja, Island hat mich schon immer irgendwie begeistert!
                  Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

                  Kommentar


                  • Fjellfex
                    Fuchs
                    • 02.09.2016
                    • 1227
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen

                    @ Fjellfex: Du hättest den Flug noch mal umbuchen können, aber bei meinem langsamen Schreibtempo ist es so herum wahrscheinlich besser. Wenn Du zurück kommst, habe ich bestimmt noch nicht mal die Hälfte geschafft
                    Falls Du das noch liest: Viel Spaß in Møre og Romsdal!
                    Da habe ich ja wirklich nicht so arg viel verpasst...

                    Danke; Møre og Romsdal war sehr schön.

                    Am schönsten ist ja, selber auf Tour zu sein; am zweitschönsten: neue Touren zu planen... oder Berichte à la Borgman zu lesen.

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                    • littlefoot
                      Gerne im Forum
                      • 08.08.2006
                      • 57
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                      Hach, einfach schön!

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                      • Borgman
                        Dauerbesucher
                        • 22.05.2016
                        • 724
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #31
                        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                        Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                        Da habe ich ja wirklich nicht so arg viel verpasst...
                        Nein, aber heute geht es weiter, muss nur noch die Bilder hochladen. Bei der Hitze fällt mir das Denken schwer, und ich brauche jedesmal eine ganze Weile, bis ich mich wieder in die Stimmung auf der Tour einfühlen kann. Nur Tagebuch abschreiben reicht nicht.

                        Zitat von littlefoot Beitrag anzeigen
                        Hach, einfach schön!
                        Danke!

                        Kommentar


                        • Borgman
                          Dauerbesucher
                          • 22.05.2016
                          • 724
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                          • Meine Reisen

                          #32
                          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                          28. Juni: Leiðarjökull - Innri-Fróðárdalur - Hrútfellsvatn

                          Früh gegen viertel nach drei werde ich von der Sonne geweckt. Das hat man in Island auch nicht alle Tage, also sollte ich das schöne Wetter für einen frühen Aufbruch nutzen. Besonders viel geschlafen hab ich nicht, es war einfach zu ungewohnt, bei Sonnenschein einzuschlafen. Die Gedanken an den vergangenen Tag gingen nahtlos über in die Gedanken an den kommenden Tag. Bei guter Sicht hätte ich für heute eine spannende Option. Leiðarjökull heißt ganz klar Wegegletscher, was nicht bedeutet, dass es dort tatsächlich einen Weg gibt, aber bestimmt sind die Menschen in früheren Zeiten über diesen Gletscher von irgendwo nach irgendwo anders gelaufen.

                          Mehr als den Namen weiß ich zwar nicht über den Gletscher, aber der klingt verlockend. Und auf der Spaltenkarte von safetravel.is ist er zum Großteil grün markiert, das heißt kleine Spalten. Klar, verlassen darf man sich darauf nicht, ein gewisses Risiko besteht immer. Um vier bin ich wach genug zum Kaffeekochen, trödele dann doch ein bisschen und habe gegen halb sechs das Zelt abgebaut.





                          Im satten, warmen Licht der tief stehenden Sonne gehe ich zuerst am Hang des Fagrahlið entlang zum Gletschervorland. Mal sehen, an welcher Stelle ich überhaupt auf den Gletscher komme. Ein Gewirr von wassergesättigten, ockergelben Schutthügeln, sehr unübersichtlich. Mehrmals sinken die Stiefel im Schlamm ein, und ich muss eine andere Stelle probieren. Nur auf Steine treten ist auch keine Lösung, selbst größere Steine versinken unter meinem Gewicht. Wo möglich, gehe ich auf den Schneefeldern, was allerdings einige Umwege bedeutet. So früh am Morgen ist zumindest der Schnee noch einigermaßen fest.


                          Hengibjörg


                          Gletschervorland

                          Weiter oben entdecke ich überrascht, dass unter dem Schutt Eis ist, den Übergang hatte ich gar nicht
                          bemerkt. Deshalb gibt es hier auch keinen Schlamm mehr, was das Vorankommen erheblich vereinfacht. Jetzt wird es spannend! Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, denn der Schneerand des Gletschers ist noch ein Stück entfernt.





                          Cool, eine Eishöhle! Ich bin begeistert. An dieser Stelle ist die Abbruchkante zu steil, aber vielleicht komme ich von der anderen Seite hinein. Mit mulmigem Gefühl laufe ich vorsichtig über die Eisdecke der Höhle und staune noch mehr. Hier ist ja ein riesiges Tor im Eis, und daneben noch eine Höhle!









                          Ich lasse den Rucksack fallen und staune erst mal nur. Von den Kanten tropft Wasser, immer wieder verlieren Steine durch das Abtauen ihren Halt und purzeln eine Etage tiefer. Vor allem die Geräusche sind es, reflektiert und verstärkt durch die parallelen Eiswände, die mich so beeindrucken, die Phantasie anregen. Hier ist doch bestimmt früher ein Fluss aus dem Gletscher gerauscht. Wie lange mag das her sein? Wann wird das Tor ganz verschwunden sein? Es scheint sich vor meinen Augen, oder besser: vor meinen Ohren aufzulösen, so als müsste ich nur eine halbe Stunde warten.

                          Nach einer Weile kann ich mich dann doch von dem faszinierenden Ort losreißen, schließlich will ich heute auf den Leiðarjökull, der noch vollständig mit Schnee bedeckt ist. Die letzten kleinen Geröllhügel sind schnell überwunden, und schon stehe ich ohne weitere Umstände auf der schier endlosen, moderat ansteigenden Schneefläche. Das ist nicht der erste schneebedeckte Gletscher, den ich überquere, aber es ist immer ein seltsames Gefühl, nicht zu wissen, wie das Eis beschaffen ist. Hohlräume, Spalten würde ich nicht sehen, und wenn die Schneedecke darüber zu dünn ist, könnte ich einbrechen.

                          Doch die Sorge steht erst einmal hintenan, der Schnee ist hier deutlich weicher als im Vorland, wahrscheinlich, weil er nicht von Hügeln beschattet wird, und das macht den Anstieg ziemlich kraftraubend. Solange ich mich keuchend und schwitzend nach oben kämpfe, denke ich nicht darüber nach, was unter dem Schnee ist. Dafür wird die Aussicht mit jedem Höhenmeter besser, wie ich bei den zahlreichen Verschnaufpausen feststelle. Bald kommt der Tafelvulkan Hrútfell in Sicht, zwischen diesem und Innra-Sandfell hat man sogar unerwartet einen herrlichen Blick auf die Kerlingarfjöll.




                          Hier noch ein Ausschnitt aus demselben Bild. (Ein Zoomobjektiv ist wieder nicht mitgekommen, ich habe nur mein 23mm/f2 auf der Fuji X-T2)

                          Bislang sah das Wetter noch optimal für einen Tag auf dem Gletscher aus, gute Sicht, wenig Wind, aber von Süden ziehen jetzt immer mehr Wolken auf, und der Wind bläst mir schon spürbar entgegen, das gefällt mir gar nicht. Mal abwarten, wie sich das entwickelt, jetzt ist auf jeden Fall erst mal Zeit für die Frühstückspause. Danach sehen wir weiter.



                          Zugegeben, es wäre nicht unbedingt nötig, das Zelt in fast jeder Pause aufzustellen. Andererseits habe ich alle Zeit der Welt. So kann ich mich nach Müsli und Kaffee einfach eine halbe Stunde aufs Ohr knallen und den kalten Wind draußen lassen. Oder aus der Apsis heraus in die Landschaft gucken. Still ist es hier im Schnee, ich fühle mich ganz weit weg von allem. Als es dann weitergeht, trägt auch die gleichförmige Bewegung ihren Teil dazu bei, dass die Seele zur Ruhe kommen kann. So ein schneebedeckter Gletscher hat etwas sehr meditatives.





                          Wenn der meditative Aspekt nicht wäre, dann würde ich hier verrückt werden. Schritt um Schritt um Schritt, hunderte Stiefelabdrücke in einer Reihe hinter mir, aber vor mir tut sich gar nichts. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, voranzukommen. Als ob ich auf der Stelle treten und der Schnee wie ein Laufband nach hinten weggleiten würde. Hyrningur und Fjallkirkja im Süden, belagert von Wolken, sind schon lange in Sicht, rücken aber nicht näher.


                          Fjallkirkja (die Bergkirche) und Hyrningur

                          Trotzdem sollte ich mir allmählich überlegen, auf welcher Route ich zum Innri-Fróðárdalur hinunterkomme, entweder zur Fjallkirkja und über deren Osthang, oder direkt durch die Senke zwischen Svíri und Hnikill, zwei niedrigere Berge am Gletscherrand. Beide Varianten sehen auf der Karte machbar aus, vom Hang der Fjallkirkja hätte ich die bessere Aussicht, wenn ... ja, wenn sie nicht von Wolken eingehüllt wäre. Momentan sieht man sie gar nicht, die Wolken liegen auf dem Gletscher auf.

                          Also doch Svíri? Ich kann mich nicht entscheiden, Fluch der spontanen Routenplanung. Fjallkirkja fände ich schon sehr attraktiv. Für eine Weile laufe ich unentschlossen weiter. Nein, die Wolken verdichten sich, da braut sich was zusammen. Kürzester Weg vom Gletscher: Svíri. Ab jetzt halte ich mich nach Sicht leicht südöstlich. Als der Hang sich neigt, kommen die Berge im Süden in Sicht, Sólkatla (Sonnenvulkan), ganz klar ... und dahinter? Das muss Bláfell sein. Seltsam, wie wenig man hier die Entfernungen schätzen kann.



                          Langsam nähert sich der Gletscherrand, die Spannung steigt. Wie wird das Gelände in dem Tal beschaffen sein, das ich gleich erreiche? Werde ich eine komfortable Abstiegsroute finden? Ich bin so mit dem Kommenden beschäftigt, dass ich das Naheliegende nicht bemerke. Der Schneerand bildet eine kaum wahrnehmbare Senke, in der das Wasser steht, eine dicke Schicht Schneematsch, darunter Eis. Als die umgangen ist, prüfe ich vorsichtig die Schutthügel. Auch die sind wassergesättigt, ich sinke sofort ein. Ich arbeite mich voran, nutze wieder die Schneereste, die besseren Halt geben als der Schutt. Breche am Rand in einen Bach ein und lande auf dem Rücken wie ein hilfloser Käfer. Zu allem Überfluss beginnt es zu regnen.

                          Also zwischen Matsch und Schneematsch die Regenhose anziehen und die Regenhülle über den Rucksack stülpen. Ich fluche und lache gleichzeitig. Als ich endlich durch all den Matsch und am Ende über ein großes, mit schwarzer Asche verziertes Schneefeld die Schlucht zwischen Svíri und Hnikill erreicht habe, muss ich mich entscheiden, wo ich den Abstieg probiere: über den Svíri-Hang oder durch die Schlucht.







                          Mittlerweile bräuchte ich dringend eine Pause, aber nicht hier. Ins Tal hinunter will ich es noch schaffen, so lange kann das nicht dauern. Ohne weiter nachzudenken folge ich dem Bach in die Schlucht. Anfangs sieht das noch gut aus, doch bald stehe ich vor einem unüberwindbaren Abbruch. Also wieder hoch. Vielleicht geht es über den Hang des Hnikill, den ich von hier noch nicht einsehen kann. Er besteht aus mehreren steilen, schuttbedeckten Rippen. Mit etwas Glück käme ich von einer zur nächsten. Sehr vorsichtig steige ich die erste hinunter, und als ich schon aufgeben will, entdecke ich doch einen möglichen Übergang. Wenn nur der verdammte lose Schutt mein Gewicht an einer kleinen Kletterstufe hält. Tut er, zum Glück! Die zweite Rippe endet ebenfalls am Abgrund, also weiter zur dritten, diesmal geht es ohne Herzklopfen und feuchte Hände. Dahinter ein kurzes ebenes Stück zum Aufatmen - und der nächste Abbruch. Das Tal noch weit unten. So geht das nicht. Ich quere nach Osten, wieder ein Stück hoch und versuche es am Hang. Wenn man wenigstens von oben was sehen könnte. Da ist eine steile, schneegefüllte Rinne, sieht nicht so gut aus. Oder doch? Von Nahem bin ich mir sicher, das ist zu schaffen, zur Not rutsche ich auf dem Hosenboden hinunter und lasse den Rucksack purzeln.

                          Unten angekommen, kann ich einen Juchzer der Erleichterung nicht unterdrücken. Das war gar nicht so schwierig, nur verdammt unübersichtlich. Jetzt bin ich also im Innri-Fróðárdalur. Ich hatte mir schon überlegt, was der Name bedeuten könnte und dachte an das norwegische "frodig" (fruchtbar, üppig) und das englische "froth" (Schaum). Wenn ich mich hier so umschaue, kann von fruchtbar wirklich keine Rede sein. Ein trostloses, graubraunes Schwemmland, zur Hälfte schneebedeckt. Also doch eher das innere Schaumtal? Schäumte hier einst ein stolzer Gletscherfluss zu Tal? Ich entdecke ein trostloses, graubraunes Rinnsal, das gerade ausreichen dürfte, um all den Sand schön nass zu halten. Ah, der Bach heißt also Fróðá.


                          Innri-Fróðárdalur

                          Ich schäume nicht gerade über vor Begeisterung, der andauernde Nieselregen tut das Seinige dazu.
                          Zu Mittagspause auf dem durchweichten Sand habe ich auch keine Lust und gehe noch weiter bis zum Hrútfell. Hier ist es auch nicht besser, nur steiniger. Man sinkt trotzdem an vielen Stellen in den Matsch ein. Stelle das Zelt da auf, wo man nicht einsinkt und hole Wasser. Wasche mir am Bach
                          den gröbsten Matsch von den Stiefeln, aber zurück am Zelt sehen sie genauso aus wie vorher. Es ist zwecklos. Die Uhr zeigt halb drei, das war ein langer, anstrengender Vormittag.


                          Hrútfell

                          Nach Mittagessen, Kaffee und einer Stunde auf der Matte hat sich meine Laune erheblich verbessert. Jedenfalls will ich heute noch so lange weiterlaufen, bis ich einen richtig guten Platz finde. Nur raus aus dem Matsch! Zum Glück dauert das gar nicht so lange, bald erreiche ich ein stark verwittertes Lavafeld und kann aufatmen. Hier läuft es sich wunderbar. Schöne Frostmuster auf dem Boden, zwischendurch auch mal Geröll und verstreute große Felsbrocken.


                          Frostmuster



                          An der Abbruchkante zum Hrútfellsvatn ist es auch noch sehr steinig, aber in der Ferne schimmert schon eine verheißungsvolle grüne Stelle. Ich lege einen Zahn zu, das sieht richtig gut aus. Mehrere kleine Quellbäche sorgen für eine vergleichsweise üppige Vegetation, die gerade aus dem Winterschlaf erwacht ist. Ein Traum! Frodig!


                          Hrútfellsvatn



                          Ein guter Platz für das Zelt ist schnell gefunden, jetzt muss ich mich nur noch im Bach waschen, bei 8°C Lufttemperatur etwas erfrischender als notwendig, dann kann ich mich gemütlich einrichten. Der Wind hat deutlich zugelegt und bringt noch ein paar kurze Regenschauer. Was für ein Tag!
                          Zuletzt geändert von Borgman; 03.08.2018, 13:42.

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                          • Sylvie
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                            #33
                            AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                            Du warst gefangen in den braunen Landen. Durch Schlamm und Schutt hast Du Dich durchgekämpft. Bis es wieder licht und hell und grün wurde. So eine Tour ist immer auch ne Reise durch unsere eigenen Landschaften, die unsere Seele in uns formt und auch bewohnt.
                            Fein!
                            LG Sylvie

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                              #34
                              AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                              Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
                              Du warst gefangen in den braunen Landen. Durch Schlamm und Schutt hast Du Dich durchgekämpft. Bis es wieder licht und hell und grün wurde. So eine Tour ist immer auch ne Reise durch unsere eigenen Landschaften, die unsere Seele in uns formt und auch bewohnt.
                              Darüber muss ich nachdenken. Vielleicht wecken bestimmte Landschaften deshalb so unterschieldliche und manchmal so starke Gefühle. Weil wir auf etwas ansprechen, das wir in uns tragen.

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                                #35
                                AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                Darüber muss ich nachdenken. Vielleicht wecken bestimmte Landschaften deshalb so unterschieldliche und manchmal so starke Gefühle. Weil wir auf etwas ansprechen, das wir in uns tragen.
                                Ja. Landschaften sind manchmal wie wir sind und manchmal wie wir gerne sein möchten (und manchmal auch, wie wir überhaupt nicht sind oder sein möchten - da gehen wir aber meistens nicht hin). Wir reagieren entweder im Erkennen oder in der Sehnsucht auf sie. Wobei unsere inneren Landschaften auch nicht einseitig sind, es gibt ihrer viele, Wüsten wie Oasen, trockene, wie liebliche, karge Felsen, tobende Meere und wir durchschreiten sie alle, je nach Lebenslage, sind wir mal hier und mal dort zu Hause. Wir wollen uns gerne im Außen wiederfinden, einen Teil von uns zumindest, einen Teil unserer inneren Seelenlandschaften, deshalb machen wir diese Touren. Ist zumindest meine Phantasie davon.

                                LG Sylvie

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                                • Borgman
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                                  #36
                                  AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                  29. Juni: Hrútfellsvatn - Þverbrekknamúli - irgendwo vor Hvítárnes

                                  Anhaltender Regen am frühen Morgen. Darauf bin ich vorbereitet, denn meine Frau hat mir netterweise schon eine aktuelle Wettervorhersage per SMS geschickt. Heute und morgen soll es kaum mal eine trockene Stunde geben. Da breche ich lieber etwas später auf und gehe mit nur einer Pause. Statt Haferkeksen gibt es also gleich das richtige Frühstück. Da es gegen neun allerdings nur noch nieselt, packe ich gleich zusammen und stapfe eine halbe Stunde später schon durch den nassen Schutt.

                                  Heute darf es ruhig mal eine ganz einfache Strecke sein. Ich folge also dem breiten, hügeligen Tal zwischen Hrútfell und Baldheiði nach Osten und schwenke dann nach Nordosten in ein steiniges Tal, das zur Ebene hinunterführt.



                                  In der Ebene ist gleich ein Bach zu überqueren, kein Problem, nur das Gelände am Bach steht leider auch unter Wasser. Da meine Stiefel innen erstaunlicherweise immer noch halbwegs trocken sind, nehme ich lieber einen Umweg in Kauf. Bis zur Hütte geht es jetzt über ein verwittertes Lavafeld, das aber nicht so schön eben ist wie das von gestern. Besonders dort, wo dicke Moospolster auf dem Gestein wachsen, wird es mühsam.

                                  Kurz vor der Hütte fließt noch ein Bach, gerade so tief, dass ich es trockenen Fußes hindurch schaffe. Dahinter beginnt der ausgeschilderte Pfad zur Brücke über den Fúlakvísl, die ich nach insgesamt eineinhalb Stunden erreiche. Der Fluss zwängt sich hier druckvoll und eindrucksvoll durch eine schmale Felsrinne.



                                  Es regnet, dann eine trockene halbe Stunde, dann wieder Regen, immer im Wechsel. An diesem trüben Tag kann ich gut stur geradeaus der sechsspurigen Pferdeautobahn folgen. Sand, Gras mit Blumen, wenig Abwechslung. Ich singe vor mich hin und habe bei dem Wetter nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Unsere Tochter behauptete kürzlich, ich würde ständig singen oder summen oder komische Geräusche machen. Seitdem ist mir das auch öfter aufgefallen. Mache ich aber nur, wenn ich gute Laune habe. Manchmal starren mich Menschen an oder schauen verlegen weg. Apropos Menschen, warum treffe ich hier eigentlich überhaupt keine Wanderer oder wenigstens Reiter? Ich dachte, das sei ein beliebter Wanderweg.

                                  Als der Weg sich wieder dem Fúlakvísl nähert, wird es Zeit für die verdiente Mittagspause. Hier ist ja ein genialer Platz am Fluss!





                                  Ich habe Glück und kann das Zelt trocken abbauen, doch der nächste Regen lässt nicht lange auf sich warten. Nach weiteren zwei ereignislosen Stunden auf und neben dem Reitweg sollte laut Karte eigentlich ein kleiner Bach kreuzen, an dem sich vielleicht ein Platz für die Nacht finden ließe. Bis Hvítárnes will ich heute nicht laufen, da kommt man mit dem Auto hin. Uncool. Natürlich ist mir schon aufgefallen, dass die Karte nicht allzu genau ist, aber noch vertraue ich darauf, dass es den Bach gibt und halte Ausschau. Steige links vom Weg auf einen Hügel, weit und breit kein Wasser, nur grasbewachsene Vegetationsinseln im Sandmeer.

                                  Irgendwie kommt mir das komisch vor, der Reitweg führt immer mehr nach Süden statt nach Südwesten, was er eigentlich sollte. Vielleicht habe ich einen Abzweig verpasst, und dieser Weg geht gar nicht nach Hvítárnes, sondern nach Árbúðir oder sonstwo hin. Also verlasse ich ihn und korrigiere den Kurs auf West. Da müsste ich irgendwann auf den Gletscherfluss stoßen. Es beginnt wieder zu regnen, die Sicht ist schlecht. Nach einer Weile bin ich leicht genervt und habe keine Lust mehr. Die nächste Grasinsel ist meine, da stelle ich das Zelt auf und suche ohne Rucksack nach Wasser.

                                  Wie sich herausstellt, bin ich weit vom Kurs abgekommen. Bei der Wassersuche finde ich nach etwa einem Kilometer den Wanderpfad, gleich dahinter ein trüber Nebenarm des Fúlakvísl. Klares Wasser wäre mir lieber gewesen, aber man kann nicht immer alles haben. Hauptsache ich finde in der Regensuppe zurück zum Zelt. Das fehlte noch, wenn ich hier die halbe Nacht herumirre, sieht ja alles gleich aus. Entweder mein Orientierungssinn ist doch ganz brauchbar oder ich habe einfach Glück, jedenfalls ist die Sorge unbegründet. Heute nur eine Katzenwäsche.


                                  30. Juni: Abwettern, später am Tag bis zur Brücke über die Svartá

                                  Das ist die Sorte Regen, die nicht so bald nachlässt. Stunde um Stunde pladdert es gleichbleibend kräftig auf meine kleine Welt, soweit ich sie überblicken kann. Das Zelt, meine private Grasinsel und drumherum nur noch von Steinen durchsetzter Sand, der sich von den Wassermengen völlig unbeeindruckt zeigt. Nirgends eine Pfütze oder ein Rinnsal, alles versickert sofort. Um nicht so bald nochmal eine halbe Stunde zum Wasser und zurück gehen zu müssen, beobachte ich, wo das meiste Wasser am Zelt herunterfließt und stelle meinen Topf darunter. So ernte ich nach wenigen Stunden 300ml Wasser, genug für einen Kaffee. Im Platypus ist auch noch was, es wird reichen.



                                  Keine Ahnung, warum ich mein Mittagessen fotografiert habe. So sieht es jeden Tag aus, viel Abwechslung brauch ich nicht. Aus Mangel an Bildern von diesem verregneten Samstag nehm ichs mit rein. Nach dem Essen lässt der Regen deutlich nach, also ziehe ich meine nassen Regensachen an, packe das triefende Zelt zusammen und bin gegen 15:30 Uhr bereit zum Aufbruch. Statt den Umweg zum Pfad zu machen, kann ich auch direkt nach Süd-Südwest laufen, denke ich. Die Piste dürfte ja nicht zu verfehlen sein.

                                  Vielleicht hätte ich doch den Kompass benutzen sollen (ja, die Missweisung hab ich vorher rausgesucht), denn nach einer Weile sehe ich ein Haus, und das ist eindeutig nicht Hvítárnes. Bin also doch in der Nähe von Árbúðir gelandet, das hätte ich gestern schon einfacher haben können. Um meinem Orientierungssinn ist es offenbar doch nicht so gut bestellt. Egal, jetzt muss ich nur noch der Piste folgen, das sollte sogar ich hinkriegen. Vielleicht bin ich auch einfach nur zu entspannt, es ist angenehm, heute noch ein bisschen ohne Druck zu laufen, den Tag hatte ich sowieso schon abgeschrieben. Langsam heben sich die Wolken und geben den Blick auf die Berge frei. Außerdem ist es deutlich wärmer geworden.



                                  Abzweig Hvítárnes, hier wäre ich auch herausgekommen, wenn ich die richtige Richtung eingeschlagen hätte. Im Hintergrund sieht man Bláfell (Blauberg), rechts davon, deutlich niedriger, Geldingafell. Da will ich morgen hin, für heute reicht mir ein Platz an der Svartá (schwarzer Fluss). Ich bin schon froh, dass ich von der langweiligen Strecke bis zur Brücke über die Hvítá (weißer Fluss) schon ein Stück geschafft habe. Eine sinnvolle Alternative zur Piste gibt es nicht. Gegen halb sechs erreiche ich die Brücke über die Svartá, und da gibt es wie erhofft genügend gute Zeltmöglichkeiten. Auch viele Fliegen, aber es ist trotzdem schön. Das Wasser der Svartá ist natürlich nicht schwarz, sondern frisch und klar, nur eben ohne Gletschertrübung. Perfekt für eine größere Waschaktion. Bis gegen sieben hat es ohne eine Minute Unterbrechung geregnet. Kaum zu glauben, dass für morgen richtig schönes Wetter angesagt ist. Am Abend noch mehr Regen.

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                                    #37
                                    AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                    @ Sylvie- du bist ein Poet- hoffentlich meine ich das Richtige- einmalig.
                                    Nein ehrlich du drückst dich sagenhaft aus

                                    @Borgman- sagenhafte Fotos die Lust auf mehr machen!
                                    Dazu der Stil in dem du das rüber bringst, man muss einfach dran bleiben.
                                    Karges Mahl, mir würde es auch reichen.
                                    Zuletzt geändert von Dogmann; 06.08.2018, 14:54. Grund: Nachtrag
                                    Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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                                    • Borgman
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                                      #38
                                      AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                      01. Juli: Svartá - Skálpanes - Innsta-Jarlhetta

                                      Das war die erste Nacht dieser Tour, in der ich wirklich grottenschlecht geschlafen habe. Gegen zwei Uhr bin ich nach vielleicht drei Stunden unruhigem Schlaf aufgewacht, und nach dem Austreten gab es nur noch ein bisschen Hin- und Herwälzen auf der Matte. Vielleicht hat der faule Tag gestern meinen Rhythmus etwas durcheinandergebracht, ich weiß es nicht. Am sehr frühen Morgen ist es schon so hell wie gestern Mittag im Regen, daran könnte es auch liegen. Eine Art vorzeitiges Wecksignal.

                                      Ein bisschen groggy setze ich um fünf Wasser für das übliche Heißgetränk auf und werfe einen Blick nach draußen. Der Himmel ist noch größtenteils bedeckt, sieht aber freundlich aus. Da sollte ich mal schnell den Schlafmangel aus den Gliedern schütteln und den Tag nutzen, wer weiß, wie sich das Wetter entwickelt. Gegen halb sieben habe ich mein ganzes Geraffel zusammengepackt und bin unterwegs auf der Piste nach Süden.


                                      Blick zurück zum Hvítárvatn



                                      So früh am Sonntag ist zwar noch kein Auto unterwegs, aber allein bin ich trotzdem nicht. Schon nach kurzer Zeit finden sich gesellige Fliegen und Kriebelmücken ein, die sich vor allem für Augen, Ohren und Nase interessieren. Klar, es ist fast windstill und für die Uhrzeit ziemlich warm. Fliegenwetter. Zu dumm, dass ich mein Kopfnetz nicht mitgenommen habe, vor acht Jahren brauchte ich es nur ein einziges Mal, da befand ich es für unnötig. Falls das jetzt jemand liest, der zum ersten Mal nach Island will: Nimm ein Kopfnetz mit! Unbedingt!! Die Viecher rauben Dir sonst den letzten Nerv!!!

                                      Umschwirrt wie ein Dunghaufen, wild mit den Armen rudernd und mit bereits angeschwollenem rechen Auge erreiche ich die Straße 35, kurze Zeit später überschreite ich die Brücke über die Hvitá.


                                      Straße 35, Bláfell


                                      Hvítá



                                      Etwa 1 1/2 km hinter der Brücke biege ich ab auf eine aufgegebene und auch nicht mehr befahrbare Piste, die bald darauf den Bach Skálpá furtet. Ein Stück oberhalb davon mache ich Frühstückspause. Nach den nervigen Kriebelmückenattacken bin ich froh, dass es hier eiskaltes Wasser zum Waschen gibt, das bringt zumindest vorübergehend Erleichterung. Obwohl es in der Sonne schon warm ist, ziehe ich mir die Jacke über, Kapuze über den Kopf und drehe das Gesicht gegen den leichten Windhauch, die Biester fliegen einen ja nur von der Leeseite an. Leider weht zu wenig Wind, um sie ganz zu vertreiben.




                                      Skálpá

                                      Danach geht es weiter den sanft ansteigenden Hang hoch und nördlich am Geldingafell vorbei, in dem einfachen Gelände komme ich gut voran. Hier gibt es die ersten Schneefelder, aber immer noch zu wenig Wind und zu viele Insekten. Von Südwesten schieben sich jetzt immer mehr Wolken vor die Sonne. Schade, das war es wohl mit der sommerlichen Stimmung, zum Glück ziehen die Wolken wenigstens hoch genug, die Sicht bleibt hervorragend.


                                      Geldingafell, Bláfell

                                      Anderthalb Stunden nach der Frühstückspause erreiche ich die breit ausgebaute Straße 336, Skálpanesvegur, der ich noch eine weitere Stunde bis zur Hütte nahe des Kraters folge. War es vorher noch sehr mild, so weht hier plötzlich ein eiskalter Wind. Passend zur Landschaft, die immer mehr an Spätwinter erinnert. Statt Steinebene mit Schneefeldern ist das hier eine riesige Schneelandschaft mit eingestreuten Steininseln.

                                      Die erste Schneeraupe und eine Reihe Scooter. Ich weiß schon, warum die Straße so gut ausgebaut ist, und bald sehe ich es mit eigenen Augen. Hierher werden die Touristen mit Superjeeps (unnötigerweise, sieht aber brachialer aus) und geländegängigen Bussen gekarrt, damit sie eine Runde mit dem Scooter über den Gletscher brettern können. Unvergessliches Abenteuer in unberührter Wildnis. Yeah.







                                      Mit so viel Verkehr hatte ich dann doch nicht gerechnet. Hier fühle ich mich fehl am Platze, als störender Fremdkörper. Wie gut, dass mein Ziel schon in Sicht kommt: Jarlhettur! Eine Reihe unregelmäßig geformter Berge am Rand des Langjökull. Auf die freue ich mich richtig.


                                      Jarlhettur


                                      Skálpanes, Krater

                                      Aber zuerst gehe ich wie ein guter Tourist die Straße bis zum bitteren Ende und werfe einen Blick auf den Krater. Nicht sehr eindrucksvoll, Hügel, Schnee, Schmelzwassertümpel. Nachdem ich die Naturwunder des Skálpanes also bis zur Neige ausgekostet habe, laufe ich ab der Hütte weglos bergab nach Südwesten.

                                      Eigentlich wäre schon längst Zeit für die Mittagspause, meine Beine verlangen dringend nach Ruhe, aber gerade ist wieder ein Bus voll Touristen angekommen, bald knattern die Scooter. Ich will lieber noch etwas Abstand zu dem Trubel gewinnen und dann gemütlich das Zelt aufschlagen. Nur wo? Der Schnee ist nass und weich, die Steininseln nass und hart. Gelegentlich Felsplatten, aber nichts Ebenes. Also doch auf dem Schnee? Nicht nötig, da vorne gibt es einen größeren Moosfleck, perfekt!

                                      Inzwischen weht ein warmer Südwestwind, das Thermometer zeigt erstaunliche 18°C, dazu gelegentlich Nieselregen. Seltsames Wetter heute, es fühlt sich ganz irreal an, wie ein Traum, bei dem man im Traum weiß, dass es ein Traum ist und zwischendurch den kalten Hauch der Wirklichkeit spürt. Sobald der Wind nur ein bisschen dreht, wird es nämlich sofort frisch.

                                      Gegen halb vier, nach zwei Stunden Pause, bin ich genügend ausgeruht, um weiter durch den nassen Schnee zu stapfen. Mit abnehmender Höhe sacke ich an den Rändern der Steininseln öfter ein, der Schnee wird weniger, und ich treffe auf die ersten durchweichten Schuttflächen. Kein sehr angenehmes Gelände. Besser geht es sich dort, wo grobes Geröll liegt. Zum Glück halten die Stiefel weitgehend dicht, in der Pause habe ich die Gehfalten noch mal mit Snoseal behandelt.



                                      Die höheren Gipfel der Jarlhettur sind schon von Wolken eingehüllt, das sieht eindeutig nach mehr Regen aus. Der kann ruhig noch etwas warten. In der kargen, steinigen Ebene laufe ich am Rand der äußeren Bergkette entlang. Die wenigen verstreuten Pflanzen verstärken eher noch den abweisenden Charakter der Landschaft, als dass sie ihn abmildern würden. Schroffe Felswände ragen wolkenverhangen aus sanft gerundeten Schutthügeln. Faszinierend, aber auch ein bisschen bedrohlich.







                                      Unterhalb der Schneefelder sinkt man ohne Widerstand in den aufgeweichten Schutt ein, da halte ich mich lieber an die felsigen Inseln zur Ebene hin. Hier werde ich irgendwo übernachten müssen. Ebene Plätze gibt es genug, alle steinig oder sandig. Ein schönes Moosfleckchen wie heute Mittag findet sich weit und breit nicht. Drei Singschwäne ziehen hupend vorüber und lassen mich umso einsamer zurück.







                                      Etwa an der Stelle, wo sich nach Westen der Übergang zu einem größeren See öffnet, entdecke ich eine Fläche mit kieselgroßen, porösen Steinen, die nicht zu stark nachgeben. Das sollte passen, was besseres werde ich nicht finden. Als das Zelt steht, schleppe ich noch größere Steine heran, um die Sturmleinen sicher abzuspannen und flache Steine für die Apsis. Darauf steht nicht nur der Kocher sicherer, es klebt auch nicht an allem Sand, das in der Apsis lagert. Jetzt muss ich nur noch Wasser finden, was ebenfalls erfreulich schnell geht, ein Schmelzwassertümpel reicht.



                                      Gegen 19:00 Uhr setzt mit auffrischendem Wind leichter Regen ein, die Luft kühlt auf 9°C ab. Als ich später das Tagebuch aufschlage, die Eindrücke des Tages vorbeiziehen lasse, damit sie sich setzen und ihren Platz finden, schleicht sich wieder dieses unwirkliche Gefühl ein, als ob ich einen Traum beschreiben müsste.

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                                      • Sylvie
                                        Erfahren
                                        • 20.08.2015
                                        • 361
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #39
                                        AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                        Hah, das kenn ich, das mit dem Traumgefühl. Und auch das beständige Singen. Aber dann denke ich wieder: Herrgott, Du bist ganz allein. Was denkst Du den lieben langen Tag? Welche Gedanken werden bei Dir hochgespült in dieser kargen Sterneneinsamkeit?

                                        LG
                                        Sylvie

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                                        • Antracis
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                                          • 29.05.2010
                                          • 1280
                                          • Privat

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                                          #40
                                          AW: [IS] Áfram og áfram - immer der Nase nach am Langjökull

                                          Danke Dir für für diesen sehr stimmungsvollen Bericht.

                                          Beeindruckende Fotos und er macht Hoffnung, in Island nicht immer nur Touristenchaos vorzufinden. Ich muss zugeben, wir haben Island bereits vor mehreren Jahren aufgrund diverser Reiseberichte aus der Liste gestrichen. Eine Route für Hornstrandir war schon ausgearbeitet, aber dann haben mich die Zustände abgeschreckt. Ich war wohl auch etwas genervt, weil mich diverse Leuten angesprochen habe, wann ich denn endlich mal als "Trekker" da hin fahre.

                                          Aber abseits der üblichen Wege scheint es ja durchaus noch lohnend. Naja, es gibt so viele Pläne und Ziele.


                                          Zwei Fragen: Hast Du Dich bei der Gletscherinfo verschrieben und meintest "keine" Spalten oder meint grün tatsächlich "nur kleine Spalten" ?

                                          Das Mittagessen sind Vollkornbutterkekse und Butter/Käse ?

                                          Ansonsten finde ich auch den Rhythmus mit den vielen Pausen sehr sympathisch. Wir haben es ja in diesem Urlaub auch überwiegend ruhig angehen lassen. Wobei wir, wenn wir wirklich früh loswollen meist dann aufstehen, wenn Du schon unterwegs bist. Ich bin sonst auch Frühaufsteher, auf Tour kommt das irgendwie selten vor - und ich passe mich da meiner Frau an.

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