AW: [FI] Lappland im Sommer: Action in der Wetterkiste
5. Juni: Karapulju – Luirojärvi
Karapulju. Mein Traum von Finnland.
Karapulju liegt so niedrig und feucht, dass man nicht mal bis aufs Klohäuschen kommt, ohne sich nasse Füße zu holen. Ich mache den Fehler und will schnell in Crocs rüber – schon sind sie nass. Nach dem Frühstück steck ich sie zurück in den Schlafsack, um sie irgendwie wieder warm zu kriegen, aber vergeblich. Heute nur eine kurze Tour. Wir warten die ersten 15 Schauer ab, ehe wir losgehen. Es ist ja völlig egal, wann wir losgehen, es ist immer hell, wir fallen hier oben komplett aus der Zeit. Also können wir ebenso gut starten, wenn die Sonne mal scheint. So für zwei Minuten.
Bye bye Karapulju. Zum Abschied scheint sogar die Sonne.
Der Weg ist einfach heute. Finnisch-lieblichst, wenig Steine, kaum Steigungen. Ich laufe ohne Stöcke und verstecke meine Hände lieber unter den Ärmeln von zwei Pullovern und zwei Jacken. Handschuhe haben wir zu Hause gelassen. Wir waren geblendet und euphorisiert von den Wetteraussichten, die uns das Netz letzte Woche versprach. Strafe der Technik. Hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt, uns vorher zu erkundigen, hätten wir bestimmt prophylaktisch Handschuhe eingepackt – so wie sonst auch immer übrigens. Für Hanni haben wir in Kiilopää noch ein paar hässliche babyblaue Fäustlinge erstanden. Für 22 Euro. Wir fanden den Preis so unverschämt, dass wir uns selbst keine kauften. Der Nachwuchs wurde versorgt, das muss reichen. Es ist aber nicht unaushaltbar ohne Handschuhe, nur maximal ein bisschen unangenehm.
Hier auf dem Bild sieht es vom Wetter her ganz nett aus. Aber es fühlte sich nicht so an.
Es ist polarfuchsmäßig kalt. Das Wetter bringt uns heute, wie auch an den Tagen zuvor, an die Grenzen unserer Gutmütigkeit. Und guten Mut brauchen wir, sonst sind wir verloren im Jammertal. Obwohl…eigentlich ist die Stimmung erstaunlich gut bei diesen miesen Bedingungen. Wir rennen halt nur ein bisschen schneller durch Finnisch-Lieblich, immer dem grausamen Nordwind entgegen, immer wieder heimgesucht von Regen, Hagel und Schnee. Was für ein Wetter!
Aufbruch in finsteres Wetter.
Aber immerhin, es gibt keine Mücken. Man kann eben nimmermehr alles haben. Wir nutzen die raren Sonnenpausen, um selbst zu pausieren, dann hasten wir weiter durch Grausam-finnisch-lieblich und gucken nicht viel nach links und nach rechts. Eine Auerhenne, die gleich am Wegesrand brütet, fliegt zeternd aus ihrem Nest – wir sind genauso erschrocken wie sie. Ein Blick in ihr Wohnzimmer gibt uns Hoffnung: fünf Eier, der Sommer wird kommen!
Feines Gelege am Wege.
Erstaunlich schnell kommen wir an.
Der Luirojoki, der in den Luirojärvi fließt.
Am Luirojärvi erwartungsgemäß viele Leute, die alte Hütte ist schon besetzt, vor der großen neuen Hütte hängen wie immer einige Rucksäcke, aber hey, immerhin können wir saunieren, und das so ziemlich sofort. Ein sehr netter Finnenpapa, der hier mit seinen drei Kindern durch den Park wandert, ist gerade fertig im Saunahaus und also nutzen Stef und ich die Gunst der Stunde und übernehmen das Ruder auf dem Dampfschiff. Sauber und frisch sind wir wieder versöhnt mit der Unbill des Tages. Wir arrangieren das alte Schlafregiment: Hanni und ich übernachten in der Hütte, Stefan im Zelt.
Während wir sitzen und essen, füllt sich das Haus. Die beiden Damen von Tuiskukuru trudeln ein. Sie haben blonde geflochtene Zöpfe, alle beide, sind sie vielleicht Geschwister? Ich ärger mich heute noch, dass ich das nicht gefragt habe. Es würde meine romantische Vorstellung von Schwestern befeuern. Aber egal, nehmen wir an, sie wären es. Eine von ihnen ist Lehrerin, die andere schminkt und frisiert im Theater. Beide nutzen die Sommerferien, die ab dem 1. Juni begannen, um sich hier im Park zu erfrischen. Na der Plan ging gut auf, nur dass es nicht unbedingt ne Sommerfrische ist. Die Lehrerin unterrichtet Mathematik und Nadelarbeit. Wir finden, das passt gut zusammen. In Finnland, erzählt uns die Lehrerin, werden noch wichtige Fertigkeiten vermittelt: Handarbeit, Holzbearbeitung, Kochen und Ernährungslehre. Die Fächer sind bis zur achten Klasse alle im Lehrplan, danach können die Schüler wählen, welche dieser Fähigkeiten sie weiter vertiefen wollen. Ich persönlich finde das sehr vernünftig. Vor allem Kochen und Ernährungslehre sollte man dringend auch in deutschen Schulen lehren, und zwar durchgängig, nicht nur in der Grundschule. Wir diskutieren eine Weile das finnische Bildungssystem, ehe wir neue Gäste begrüßen. Ein deutsches Pärchen gesellt sich zu uns. Sie sind seit sechs Wochen im Auto unterwegs und wollten mal eine Wandertour einschieben. Nach der Stippvisite im Park wollen sie weiter ans Nordkap fahren.
Erwähnte ich die Steckdose schon? Es gibt eine Steckdose in der Hütte. Keine Ahnung, welche Witzkuller sie einst dort anbrachte. Sie ist natürlich ein Fake und es ist immer wieder erhellend zu beobachten, wie manche Leute drauf reinfallen und gleich erst mal ihre Handys anstöpseln. Das Gelächter ist jedes Mal groß. Die Steckdose hat demnach eine wichtige Funktion: sie dient den Besuchern als Eisbrecher. Aber wer weiß? Vielleicht ist hier irgendwann mehr geplant? Wir wollen uns das gar nicht vorstellen und machen uns lieber bettfertig.
Der Finnenpapa hat sich schon längst schlafen gelegt. Seine drei Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, vielleicht 6, 9 und 12 Jahre alt, liegen neben ihm wie die Orgelpfeifen. Auch sie haben Schlafbefehl bekommen, aber wer will schon schlafen? Es ist ja noch hell und das Hüttenleben ist spannend. Aber Schlafbefehl ist Schlafbefehl. Also liegen sie brav neben Papi und seufzen und verdrehen die Augen. Sobald der Alte kräftig schnarcht, stehen sie auf und rennen nach draußen. Herrlich. In Finnland hört man noch auf seine Eltern, zumindest solange sie wach sind. Das alles ist mir sehr sympathisch.
5. Juni: Karapulju – Luirojärvi
Karapulju. Mein Traum von Finnland.
Karapulju liegt so niedrig und feucht, dass man nicht mal bis aufs Klohäuschen kommt, ohne sich nasse Füße zu holen. Ich mache den Fehler und will schnell in Crocs rüber – schon sind sie nass. Nach dem Frühstück steck ich sie zurück in den Schlafsack, um sie irgendwie wieder warm zu kriegen, aber vergeblich. Heute nur eine kurze Tour. Wir warten die ersten 15 Schauer ab, ehe wir losgehen. Es ist ja völlig egal, wann wir losgehen, es ist immer hell, wir fallen hier oben komplett aus der Zeit. Also können wir ebenso gut starten, wenn die Sonne mal scheint. So für zwei Minuten.
Bye bye Karapulju. Zum Abschied scheint sogar die Sonne.
Der Weg ist einfach heute. Finnisch-lieblichst, wenig Steine, kaum Steigungen. Ich laufe ohne Stöcke und verstecke meine Hände lieber unter den Ärmeln von zwei Pullovern und zwei Jacken. Handschuhe haben wir zu Hause gelassen. Wir waren geblendet und euphorisiert von den Wetteraussichten, die uns das Netz letzte Woche versprach. Strafe der Technik. Hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt, uns vorher zu erkundigen, hätten wir bestimmt prophylaktisch Handschuhe eingepackt – so wie sonst auch immer übrigens. Für Hanni haben wir in Kiilopää noch ein paar hässliche babyblaue Fäustlinge erstanden. Für 22 Euro. Wir fanden den Preis so unverschämt, dass wir uns selbst keine kauften. Der Nachwuchs wurde versorgt, das muss reichen. Es ist aber nicht unaushaltbar ohne Handschuhe, nur maximal ein bisschen unangenehm.
Hier auf dem Bild sieht es vom Wetter her ganz nett aus. Aber es fühlte sich nicht so an.
Es ist polarfuchsmäßig kalt. Das Wetter bringt uns heute, wie auch an den Tagen zuvor, an die Grenzen unserer Gutmütigkeit. Und guten Mut brauchen wir, sonst sind wir verloren im Jammertal. Obwohl…eigentlich ist die Stimmung erstaunlich gut bei diesen miesen Bedingungen. Wir rennen halt nur ein bisschen schneller durch Finnisch-Lieblich, immer dem grausamen Nordwind entgegen, immer wieder heimgesucht von Regen, Hagel und Schnee. Was für ein Wetter!
Aufbruch in finsteres Wetter.
Aber immerhin, es gibt keine Mücken. Man kann eben nimmermehr alles haben. Wir nutzen die raren Sonnenpausen, um selbst zu pausieren, dann hasten wir weiter durch Grausam-finnisch-lieblich und gucken nicht viel nach links und nach rechts. Eine Auerhenne, die gleich am Wegesrand brütet, fliegt zeternd aus ihrem Nest – wir sind genauso erschrocken wie sie. Ein Blick in ihr Wohnzimmer gibt uns Hoffnung: fünf Eier, der Sommer wird kommen!
Feines Gelege am Wege.
Erstaunlich schnell kommen wir an.
Der Luirojoki, der in den Luirojärvi fließt.
Am Luirojärvi erwartungsgemäß viele Leute, die alte Hütte ist schon besetzt, vor der großen neuen Hütte hängen wie immer einige Rucksäcke, aber hey, immerhin können wir saunieren, und das so ziemlich sofort. Ein sehr netter Finnenpapa, der hier mit seinen drei Kindern durch den Park wandert, ist gerade fertig im Saunahaus und also nutzen Stef und ich die Gunst der Stunde und übernehmen das Ruder auf dem Dampfschiff. Sauber und frisch sind wir wieder versöhnt mit der Unbill des Tages. Wir arrangieren das alte Schlafregiment: Hanni und ich übernachten in der Hütte, Stefan im Zelt.
Während wir sitzen und essen, füllt sich das Haus. Die beiden Damen von Tuiskukuru trudeln ein. Sie haben blonde geflochtene Zöpfe, alle beide, sind sie vielleicht Geschwister? Ich ärger mich heute noch, dass ich das nicht gefragt habe. Es würde meine romantische Vorstellung von Schwestern befeuern. Aber egal, nehmen wir an, sie wären es. Eine von ihnen ist Lehrerin, die andere schminkt und frisiert im Theater. Beide nutzen die Sommerferien, die ab dem 1. Juni begannen, um sich hier im Park zu erfrischen. Na der Plan ging gut auf, nur dass es nicht unbedingt ne Sommerfrische ist. Die Lehrerin unterrichtet Mathematik und Nadelarbeit. Wir finden, das passt gut zusammen. In Finnland, erzählt uns die Lehrerin, werden noch wichtige Fertigkeiten vermittelt: Handarbeit, Holzbearbeitung, Kochen und Ernährungslehre. Die Fächer sind bis zur achten Klasse alle im Lehrplan, danach können die Schüler wählen, welche dieser Fähigkeiten sie weiter vertiefen wollen. Ich persönlich finde das sehr vernünftig. Vor allem Kochen und Ernährungslehre sollte man dringend auch in deutschen Schulen lehren, und zwar durchgängig, nicht nur in der Grundschule. Wir diskutieren eine Weile das finnische Bildungssystem, ehe wir neue Gäste begrüßen. Ein deutsches Pärchen gesellt sich zu uns. Sie sind seit sechs Wochen im Auto unterwegs und wollten mal eine Wandertour einschieben. Nach der Stippvisite im Park wollen sie weiter ans Nordkap fahren.
Erwähnte ich die Steckdose schon? Es gibt eine Steckdose in der Hütte. Keine Ahnung, welche Witzkuller sie einst dort anbrachte. Sie ist natürlich ein Fake und es ist immer wieder erhellend zu beobachten, wie manche Leute drauf reinfallen und gleich erst mal ihre Handys anstöpseln. Das Gelächter ist jedes Mal groß. Die Steckdose hat demnach eine wichtige Funktion: sie dient den Besuchern als Eisbrecher. Aber wer weiß? Vielleicht ist hier irgendwann mehr geplant? Wir wollen uns das gar nicht vorstellen und machen uns lieber bettfertig.
Der Finnenpapa hat sich schon längst schlafen gelegt. Seine drei Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, vielleicht 6, 9 und 12 Jahre alt, liegen neben ihm wie die Orgelpfeifen. Auch sie haben Schlafbefehl bekommen, aber wer will schon schlafen? Es ist ja noch hell und das Hüttenleben ist spannend. Aber Schlafbefehl ist Schlafbefehl. Also liegen sie brav neben Papi und seufzen und verdrehen die Augen. Sobald der Alte kräftig schnarcht, stehen sie auf und rennen nach draußen. Herrlich. In Finnland hört man noch auf seine Eltern, zumindest solange sie wach sind. Das alles ist mir sehr sympathisch.
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