AW: [SCO] Ostern in Wester Ross - von Gruinard Bay nach Strathcarron
05. April: Aussichtsplatz hinter Annat - Loch Coire Fionnaraich
Beim Aufwachen Regen. Ergiebiger Regen, den der Wind mit Schmackes auf mein Zelt klatscht. Dabei hatte ich mich gestern beim Einschlafen schon darauf gefreut, von der Sonne geweckt zu werden. Hatte der Wanderer sich geirrt? War vielleicht sein Wunsch Vater des Gedankens? Aber nein, wir sind in Schottland. Das Wetter macht, was es will, schert sich einen feuchten Kehricht um die Vorhersage und hat seine ungestüme Freude am Schabernack.
Zum Glück habe ich mehr als reichlich Zeit und muss nicht so bald in den Regen hinaus. Nur die enttäuschte Erwartung nagt an meiner guten Laune. Erst mal frühstücken und abwarten, ob das Wetter sich beruhigt. Was dann gar nicht so lange dauert, schon vor 10:00 Uhr lockern die Wolken auf, die Sonne kommt durch, und kurze Zeit später bin ich abmarschbereit. Sonne von vorne, den Wind von hinten, so kann man es aushalten ...
Tag 9 by Borgman, auf Flickr
Der Pfad steigt sanft und gleichmäßig an, ein angenehmer Start in den Tag. Bald tun sich neue Ausblicke auf, nach Osten zum Strath nam Poll Dubha und dann zum Maol Chean-dearg im Süden, einem ordentlichen Klops von Berg. Laut Walkhighlands bedeutet sein Name "Bald Red Head", also roter Kahlkopf, aber so früh im Jahr ist er noch ein weißer Kahlkopf. Ob er bei Sommerhitze rot wird? Jedenfalls herrscht er unbestritten über das Tal.
Strath nam Poll Dubha by Borgman, auf Flickr
Maol Chean-dearg by Borgman, auf Flickr
Ich genieße diesen Vormittag besonders, weil das Gelände so abwechslungsreich ist und immer wieder interessante Blicke bereit hält. Zum Beispiel die glatt geschliffenen Felsplatten mit hunderten von Steinen aller Größen, die so aussehen als träfen sie sich hier zu ihrer jährlichen Versammlung. Aber wahrscheinlich denken Steine nicht in Jahren, sondern in Jahrtausenden.
Steinversammlung by Borgman, auf Flickr
Maol Chean-dearg by Borgman, auf Flickr
Der Kahlkopf spiegelt sich hier im Bach aus dem Lochan Domhain, das im nächsten Bild noch mal im Blick zurück zu sehen ist, mit dem Corbett Beinn na h-Eaglaise. Danach führt der Pfad weiter zum wunderschönen Loch an Eoin.
Lochan Domhain by Borgman, auf Flickr
Maol Chean-dearg by Borgman, auf Flickr
An diesem herrlichen See würde ich gerne eine längere Pause machen, das Zelt zum Trocknen aufbauen und es dann als Windschutz benutzen. Nur liegt hier so viel Schnee, dass ich erst nach längerer Suche einen geeigneten Platz auf einem Hügel finde. Hier möchte ich ein bisschen Zeit verbringen, die Landschaft und rasch wechselnden Lichtstimmungen in mich aufsaugen.
Loch an Eoin by Borgman, auf Flickr
Loch an Eoin by Borgman, auf Flickr
Erst am Nachmittag, nach einem überraschenden Schneeschauer, mache ich mich auf den Weg über den Pass Bealach na Lice und hinunter ins Coire Fionnaraich. Wieder ändert sich die Landschaft. Im Vergleich zum Tal vor dem Pass, das noch ein echter Höhepunkt meiner Tour war, sieht es hier doch eher einheitlich graubraun und langweilig aus. Eher nach Kilometerfressen als nach Verweilen. Allerdings will ich heute gar nicht mehr bis Coulags laufen, morgen ist auch noch ein Tag.
Während ich also gemächlich in der Sonne talabwärts gehe, halte ich schon mal Ausschau nach geeigneten Zeltmöglichkeiten. Viel Sand und feinen Kies gibt es hier, das sieht vielversprechend aus. Und am Loch Fionnaraich entdecke ich dann auch den perfekten Platz für die letzte Nacht in der Wildnis, besser kann es nicht mehr werden. Da es nicht spät ist, drehe ich noch eine Runde um den See. Zwei Mountainbiker keuchen talaufwärts.
Loch Coire Fionnaraich by Borgman, auf Flickr
Loch Coire Fionnaraich by Borgman, auf Flickr
Später zieht sich der Himmel wieder zu, aber auch der Wind flaut ab. So ohne Wind fühlen sich 5°C schon frühlingshaft mild an, es wird ein ungewohnt stiller Abend.
06. April: Loch Coire Fionnaraich - Strathcarron
Der Tag beginnt genau wie gestern, nur prasselt heute der Regen zur Abwechslung mal aus Osten genau auf den Zelteingang. Das wäre auch zu schön gewesen, wenn sich das Wetter gehalten hätte. Wieder warte ich ab und frühstücke spät. Mir ist es eigentlich egal, wann ich losgehe, ich nehme sowieso erst morgen den frühen Zug nach Inverness und will in der Nähe von Strathcarron übernachten. Wie gestern hört der Regen nach dem Frühstück auf, jedenfalls so lange, bis ich zusammengepackt habe.
Die letzten Kilometer talabwärts bis Coulags bringe ich einigermaßen lustlos hinter mich, mit Mütze und Handschuhen gegen den kalten Wind von vorn. Auch die Bothy sieht nicht sehr einladend aus, passt sie doch genau in das trübe, graubraune Bild, das mir von diesem Tal in Erinnerung bleibt.
Bothy Coire Fionnaraich by Borgman, auf Flickr
An den Häusern von Coulags vorbei führt ein Pfad zur Straße, auf der ich bis zur nächsten Brücke nach Westen laufe. Jetzt folge ich nur noch dem Weg zum River Carron und läute die Mittagspause ein. Es beginnt wieder zu regnen, aber ich habe ja ein Zelt dabei. Sollte es sich einregnen, könnte ich sogar hierbleiben, zum Bahnhof läuft man von hier bestimmt nicht länger als eine Dreiviertelstunde. Aber dagegen sprechen zwei Dinge: erstens hat man hier kein stabiles Mobilnetz, ich würde gerne meine Frau anrufen, und zweitens soll es in Strathcarron ein Hotel geben, wo man bestimmt ein Bier bekommt. Das wäre jetzt genau das Richtige!
Und so packe ich, als der Regen nachlässt, doch noch mal zusammen und gehe auf dem zugegebenermaßen schönen Weg am Fluss nach Strathcarron. Dabei treffe ich sogar eine fröhliche Wandergruppe. Mir fällt wieder angenehm auf, wie nett, aufgeschlossen und höflich hier die Menschen sind. In Strathcarron kann ich zwar mit meiner Frau telefonieren, aber das Hotel hat leider geschlossen. Sehr schade, dann bleibt hier nichts mehr zu tun, als den Rückweg anzutreten. Diesmal nicht auf dem Weg, sondern direkt am Flussufer. Falls sich doch noch ein besserer Platz findet. Aber es ist überall entweder zu nass oder zu uneben, dann soll es also der Platz von der Mittagspause sein. Im Regen dann die übliche große Waschaktion vor der Reise, es ist sogar noch genügend Spiritus übrig, um dafür einen Topf heißes Wasser zu machen.
Strathcarron by Borgman, auf Flickr
Morgen fährt um 6:58 Uhr mein Zug nach Inverness, wo ich reichlich Zeit haben werde um ein paar Sachen einzukaufen und etwas zu essen, bis ich zum Flughafen muss. Klar freue ich mich auf zu Hause, aber ein bisschen Wehmut ist auch immer dabei. Das Geräusch des Regens auf dem Zelt werde ich vermissen, das gemütliche Rauschen des Kochers, den Wind im Gesicht, die Tage ohne Termine und Zeitdruck.
Für diese Tour hatte ich absichtlich eine relativ kurze Strecke ausgesucht und nicht mal die Kilometer ausgemessen. Das war mir früher immer wichtig, abends stolz die gelaufene Distanz aufzuschreiben, möglichst viel zu schaffen. Bis mir die Kilometerleistung irgendwann herzlich egal wurde, ich bin einfach nur gerne draußen. Besonders, wenn die Landschaft so abwechslungsreich ist wie hier in Wester Ross. Alles in allem eine sehr befriedigende Wandertour mit großartigen Eindrücken. Ich war bestimmt nicht zum letzten Mal in Schottland.
05. April: Aussichtsplatz hinter Annat - Loch Coire Fionnaraich
Beim Aufwachen Regen. Ergiebiger Regen, den der Wind mit Schmackes auf mein Zelt klatscht. Dabei hatte ich mich gestern beim Einschlafen schon darauf gefreut, von der Sonne geweckt zu werden. Hatte der Wanderer sich geirrt? War vielleicht sein Wunsch Vater des Gedankens? Aber nein, wir sind in Schottland. Das Wetter macht, was es will, schert sich einen feuchten Kehricht um die Vorhersage und hat seine ungestüme Freude am Schabernack.
Zum Glück habe ich mehr als reichlich Zeit und muss nicht so bald in den Regen hinaus. Nur die enttäuschte Erwartung nagt an meiner guten Laune. Erst mal frühstücken und abwarten, ob das Wetter sich beruhigt. Was dann gar nicht so lange dauert, schon vor 10:00 Uhr lockern die Wolken auf, die Sonne kommt durch, und kurze Zeit später bin ich abmarschbereit. Sonne von vorne, den Wind von hinten, so kann man es aushalten ...
Tag 9 by Borgman, auf Flickr
Der Pfad steigt sanft und gleichmäßig an, ein angenehmer Start in den Tag. Bald tun sich neue Ausblicke auf, nach Osten zum Strath nam Poll Dubha und dann zum Maol Chean-dearg im Süden, einem ordentlichen Klops von Berg. Laut Walkhighlands bedeutet sein Name "Bald Red Head", also roter Kahlkopf, aber so früh im Jahr ist er noch ein weißer Kahlkopf. Ob er bei Sommerhitze rot wird? Jedenfalls herrscht er unbestritten über das Tal.
Strath nam Poll Dubha by Borgman, auf Flickr
Maol Chean-dearg by Borgman, auf Flickr
Ich genieße diesen Vormittag besonders, weil das Gelände so abwechslungsreich ist und immer wieder interessante Blicke bereit hält. Zum Beispiel die glatt geschliffenen Felsplatten mit hunderten von Steinen aller Größen, die so aussehen als träfen sie sich hier zu ihrer jährlichen Versammlung. Aber wahrscheinlich denken Steine nicht in Jahren, sondern in Jahrtausenden.
Steinversammlung by Borgman, auf Flickr
Maol Chean-dearg by Borgman, auf Flickr
Der Kahlkopf spiegelt sich hier im Bach aus dem Lochan Domhain, das im nächsten Bild noch mal im Blick zurück zu sehen ist, mit dem Corbett Beinn na h-Eaglaise. Danach führt der Pfad weiter zum wunderschönen Loch an Eoin.
Lochan Domhain by Borgman, auf Flickr
Maol Chean-dearg by Borgman, auf Flickr
An diesem herrlichen See würde ich gerne eine längere Pause machen, das Zelt zum Trocknen aufbauen und es dann als Windschutz benutzen. Nur liegt hier so viel Schnee, dass ich erst nach längerer Suche einen geeigneten Platz auf einem Hügel finde. Hier möchte ich ein bisschen Zeit verbringen, die Landschaft und rasch wechselnden Lichtstimmungen in mich aufsaugen.
Loch an Eoin by Borgman, auf Flickr
Loch an Eoin by Borgman, auf Flickr
Erst am Nachmittag, nach einem überraschenden Schneeschauer, mache ich mich auf den Weg über den Pass Bealach na Lice und hinunter ins Coire Fionnaraich. Wieder ändert sich die Landschaft. Im Vergleich zum Tal vor dem Pass, das noch ein echter Höhepunkt meiner Tour war, sieht es hier doch eher einheitlich graubraun und langweilig aus. Eher nach Kilometerfressen als nach Verweilen. Allerdings will ich heute gar nicht mehr bis Coulags laufen, morgen ist auch noch ein Tag.
Während ich also gemächlich in der Sonne talabwärts gehe, halte ich schon mal Ausschau nach geeigneten Zeltmöglichkeiten. Viel Sand und feinen Kies gibt es hier, das sieht vielversprechend aus. Und am Loch Fionnaraich entdecke ich dann auch den perfekten Platz für die letzte Nacht in der Wildnis, besser kann es nicht mehr werden. Da es nicht spät ist, drehe ich noch eine Runde um den See. Zwei Mountainbiker keuchen talaufwärts.
Loch Coire Fionnaraich by Borgman, auf Flickr
Loch Coire Fionnaraich by Borgman, auf Flickr
Später zieht sich der Himmel wieder zu, aber auch der Wind flaut ab. So ohne Wind fühlen sich 5°C schon frühlingshaft mild an, es wird ein ungewohnt stiller Abend.
06. April: Loch Coire Fionnaraich - Strathcarron
Der Tag beginnt genau wie gestern, nur prasselt heute der Regen zur Abwechslung mal aus Osten genau auf den Zelteingang. Das wäre auch zu schön gewesen, wenn sich das Wetter gehalten hätte. Wieder warte ich ab und frühstücke spät. Mir ist es eigentlich egal, wann ich losgehe, ich nehme sowieso erst morgen den frühen Zug nach Inverness und will in der Nähe von Strathcarron übernachten. Wie gestern hört der Regen nach dem Frühstück auf, jedenfalls so lange, bis ich zusammengepackt habe.
Die letzten Kilometer talabwärts bis Coulags bringe ich einigermaßen lustlos hinter mich, mit Mütze und Handschuhen gegen den kalten Wind von vorn. Auch die Bothy sieht nicht sehr einladend aus, passt sie doch genau in das trübe, graubraune Bild, das mir von diesem Tal in Erinnerung bleibt.
Bothy Coire Fionnaraich by Borgman, auf Flickr
An den Häusern von Coulags vorbei führt ein Pfad zur Straße, auf der ich bis zur nächsten Brücke nach Westen laufe. Jetzt folge ich nur noch dem Weg zum River Carron und läute die Mittagspause ein. Es beginnt wieder zu regnen, aber ich habe ja ein Zelt dabei. Sollte es sich einregnen, könnte ich sogar hierbleiben, zum Bahnhof läuft man von hier bestimmt nicht länger als eine Dreiviertelstunde. Aber dagegen sprechen zwei Dinge: erstens hat man hier kein stabiles Mobilnetz, ich würde gerne meine Frau anrufen, und zweitens soll es in Strathcarron ein Hotel geben, wo man bestimmt ein Bier bekommt. Das wäre jetzt genau das Richtige!
Und so packe ich, als der Regen nachlässt, doch noch mal zusammen und gehe auf dem zugegebenermaßen schönen Weg am Fluss nach Strathcarron. Dabei treffe ich sogar eine fröhliche Wandergruppe. Mir fällt wieder angenehm auf, wie nett, aufgeschlossen und höflich hier die Menschen sind. In Strathcarron kann ich zwar mit meiner Frau telefonieren, aber das Hotel hat leider geschlossen. Sehr schade, dann bleibt hier nichts mehr zu tun, als den Rückweg anzutreten. Diesmal nicht auf dem Weg, sondern direkt am Flussufer. Falls sich doch noch ein besserer Platz findet. Aber es ist überall entweder zu nass oder zu uneben, dann soll es also der Platz von der Mittagspause sein. Im Regen dann die übliche große Waschaktion vor der Reise, es ist sogar noch genügend Spiritus übrig, um dafür einen Topf heißes Wasser zu machen.
Strathcarron by Borgman, auf Flickr
Morgen fährt um 6:58 Uhr mein Zug nach Inverness, wo ich reichlich Zeit haben werde um ein paar Sachen einzukaufen und etwas zu essen, bis ich zum Flughafen muss. Klar freue ich mich auf zu Hause, aber ein bisschen Wehmut ist auch immer dabei. Das Geräusch des Regens auf dem Zelt werde ich vermissen, das gemütliche Rauschen des Kochers, den Wind im Gesicht, die Tage ohne Termine und Zeitdruck.
Für diese Tour hatte ich absichtlich eine relativ kurze Strecke ausgesucht und nicht mal die Kilometer ausgemessen. Das war mir früher immer wichtig, abends stolz die gelaufene Distanz aufzuschreiben, möglichst viel zu schaffen. Bis mir die Kilometerleistung irgendwann herzlich egal wurde, ich bin einfach nur gerne draußen. Besonders, wenn die Landschaft so abwechslungsreich ist wie hier in Wester Ross. Alles in allem eine sehr befriedigende Wandertour mit großartigen Eindrücken. Ich war bestimmt nicht zum letzten Mal in Schottland.
Kommentar