Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Bericht)

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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
    • 4750
    • Privat

    • Meine Reisen

    #41
    AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

    "Harsche Kritik" kann ich hier gar nicht erkennen.

    Wir machen eigentlich nach jeder Tour eine Manöverkritik. Hat die Ausrüstung gepasst? Was wäre gut zu haben gewesen aber nicht dabei? Was war überflüssig? Was hätte man anders machen sollen?

    Unser Wüstenabenteuer, das ich vorhin angedeutet habe, wurde ausgelöst dadurch, dass wir praktisch kein Wasser mitgenommen haben für eine Etappe in der zentralen Sahara im Juli, der bei ausdauernd gebuddelt und geschoben werden musste. Viel dümmer geht also nicht. Kam dadurch, dass wir eine völlig unstrukturierte Gruppe waren, bei der jeder machte, was ihm gerade einfiel und sich dabei sicher war, dass das, was er nicht machte, wohl schon jemand anderes übernehmen würde. Wir konnten also irgendwann nicht mehr weiter. Und hielten an einer Stelle, wo einige verfallene Nissenhütten immerhin etwas Schatten boten und wo wir das dritte Fahrzeug, dass nun alles Wasser transportierte irgendwann erwarteten. Leider hatte das eine Panne, so dass es erst zwei Tage später kam. Kompliziert wurde das ganze noch dadurch, dass wir einen Kranken dabei hatten, der nicht mehr besonders belastbar war.

    Seitdem teilen wir die Verantwortlichkeiten. Nicht militärisch genau. Aber die wirklich überlebenswichtigen Dinge liegen jetzt jeweils in der Verantwortung eines einzelnen. Kleine Ursache - große Wirkung.

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    • Vegareve
      Freak

      Liebt das Forum
      • 19.08.2009
      • 14389
      • Privat

      • Meine Reisen

      #42
      AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

      Zitat von Juergen Beitrag anzeigen
      Sollte ich irgendetwas falsch darstellen, bitte korrigiert mich.
      DU warst gar nicht dabei, also kannst Du nichts darstellen.

      Ich erinnere daran, dieser Faden ist für allgemeine Diskussionen gedacht, nicht um evernorth auseinander zu nehmen.



      Bezüglich "Knopf", ich war selten ausserhalb der Alpen unterwegs, für mich war es jetzt in Pamir, zum Beispiel, ein erheblicher Unterschied in den Nerven und der Herangehensweise, als daheim. Eben weil der "Knopf" fehlte = die Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Das macht mindestes einen Viertel des Nervenkitzels und der Schwierigkeit einer Expedition aus, aus meiner Sicht.

      In Europa haben wir alle doch "Knöpfe" .
      "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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      • Waldhexe
        Alter Hase
        • 16.11.2009
        • 2891
        • Privat

        • Meine Reisen

        #43
        AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

        Zitat von Vegareve Beitrag anzeigen
        DU warst gar nicht dabei, also kannst Du nichts darstellen.

        Ich erinnere daran, dieser Faden ist für allgemeine Diskussionen gedacht, nicht um evernorth auseinander zu nehmen.

        Darstellen kann er sehr wohl was und fragt ausdrücklich, ob das zutrifft.
        OT: Ich finde, Moderatoren sollten ihren Ton weniger schnippisch halten.

        Was ist Diskussion, was ist für alle hilfreiche Fehleranalyse und was ist Auseinandernehmen?
        Im Prinzip haben sich alle bei Evernoth bedankt und zugegeben, selbst schon Fehler gemacht zu haben.
        Ich bin gespannt, wie er selbst es sieht.

        Gruß,

        Claudia

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        • Juergen
          Fuchs
          • 17.01.2011
          • 2221
          • Privat

          • Meine Reisen

          #44
          AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

          @Vegareve: Du hast gerade einen Beitrag von Waldhexe gestrichen. War das Absicht oder ein Versehen?

          Darf ich Dich zitieren:

          "Hier gehts lang für Notszenarien und Verhaltensweisen aufgrund dieses Berichtes."

          Ich denke, dass sich alles was ich schreibe in diesem von Dir gesteckten Rahmen und
          im Rahmen der hier im Forum ausdrücklich garantierten Meinungsäußerungsfreiheit bewegt.

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          • Vegareve
            Freak

            Liebt das Forum
            • 19.08.2009
            • 14389
            • Privat

            • Meine Reisen

            #45
            AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

            OT:
            Zitat von Juergen Beitrag anzeigen
            @Vegareve: Du hast gerade einen Beitrag von Waldhexe gestrichen. War das Absicht oder ein Versehen?
            Das war nicht ich.

            Hätte evernorth sich eine akribische Fernanalyse gewünscht, hätte er nicht die Auslagerung der Diskussion veranlasst.


            Ich denke aber, dass wir alle aus solchen Geschichten was zu lernen haben und können allgemein was gewinnen. Der Ton macht die Musik .
            "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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            • ranunkelruebe

              Fuchs
              • 16.09.2008
              • 2211
              • Privat

              • Meine Reisen

              #46
              AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

              Ich kann ja mal, zur allgemeinen Erbauung, eine Tour schildern, die meine "haarigste" war.

              Neuseeland, einmal rund um einen Vulkan, 4-6 Tage. (ich hatte 5 geplant)
              Alleine, ohne Spot oder Handy, eher wenig begangener aber markierter Trail, mit guten Hütten.
              Flüsse furten, keine Brücken.
              Wettervorhersage war für die ersten Tage gut, danach wahrscheinlich Regen.

              Tag 1
              bei gutem Wetter ist das ein Spaziergang, keine Flüsse zu furten, alles easy. Unterwegs treffe ich 2 Menschen auf Tagestouren. Die Sonne brezelt, ich laufe in Rock und T-Shirt und schwitze.
              Ich bin früh an der Hütte und gehe in einem Fluss nebenan schwimmen.
              Übernachtung in der Hütte, die auch Teil eines Great Walks ist, also dementsprechend voll.

              Tag 2,
              super Wetter, sobald ich die Hütte verlasse und auf meine Route einbiege treffe ich den ganzen Tag niemand mehr.
              Ausser einem harmlosen der Unkonzentrierthiet geschuldeten Sturz (träumen beim Laufen auf einem schottrigen Vulkanhang ohne Weg sollte man halt nicht) passiert nichts.
              Ich lege alle paar Stunden Sonnencreme nach und schwitze.
              Die Hütte ist leer. Laut Hüttenbuch war auch seit ein paar Tagen niemand mehr da.
              Recht spät abends kommt noch eine Gruppe aus 3 Frauen dazu.

              Tag 3
              morgens noch super Wetter, zieht es sich gegen Mittag immer mehr zu.
              Ich bin früh unterwegs, so dass die Hütte schon in Sicht ist, als es nachmittags anfängt zu nieseln.
              Die letzten Meter gehen eine relativ steile "Steinwand" runter, gehen kann man da nicht mehr, man muss sich schon festhalten und "klettern"
              Als ich in der Hütte bin, fängt es in Strömen an zu regnen.
              Die 3 Frauen sowie ein weiterer Wanderer der sich an der Mountain Road hat absetzen lassen um seine Wanderung zu beginnen, müssen die Steinwand im Regen runter. Ziemlich unangenehm da rutschig und endet mit einem blutig aufgeschlagenen Knie und verschrammten Händen bei einer Person.

              Die Hütte liegt direkt neben einem Fluss, der am nächsten Tag gefurtet werden muss.
              Alternativ kann man über eine auf dem Hüttenufer gelegene nahe "Mountain Road" aussteigen und zur Zivilisation zurück kommen.

              Es regnet die ganze Nacht, der Fluss steigt und steigt.

              Tag 4:
              Als ich am nächten Morgen den Waserstand sehe, treffe ich die Entscheidung, abzubrechen, und über die Mountain Road raus zu gehen. Ich habe keine Erfahrung mit dem Furten von Flüssen, und heute müsstes nicht nur dieser Fluss sondern noch mehrere weitere gefurtet werden.

              Die Steinwand ist inzwischen von mehreren kleinen Wasserfällen durchzogen, heute würde ich da nicht runterklettern wollen.

              Zu Allem Überfluss stelle ich fest, dass ich aus unerfindlichen Gründen keine Regenhose dabei habe, nur Gamaschen. Ich improvisiere mir eine aus Mülltüten und Gaffatape.

              Eine der 3 Frauen ist eine Outdoor Instructor, und läd mich ein, mich ihnen anzuschliessen, als sie von meinem Abbruchplänen hört. Der Mann fragt ob er sich auch anschliessen kann.

              Sie sucht lange nach einer geeigneten Stelle zum Furten, probiert mehrere aus und legt sich dann fest.
              Dann gibt es eine Einweisung und wir starten.

              Der Fluss ist sehr sehr stark, das Wasser geht mir bis zur Hüfte und einmal halten mich nur die untergehakten Mitgeher davon ab, fröhlich den Fluss runter zu treiben.
              Alleine hätte ich das unter keinen Umständen geschafft.
              Meine "Regenhose" übersteht die Fluten nicht unbeschadet, es bleiben nur Fetzen zurück, ich flicke mit reichlich Gaffa.

              Der Mann trennt sich von der Gruppe, er sagt er könne nicht gut in Gruppen gehen und möchte sein Tempo gehen. Er lässt uns vor gehen.

              Weiter geht es, wir furten immer mal wieder kleine und größere Bächlein, aber nichts kompliziertes. Es regnet non-stop. Es ist windig. Die Ebene, auf der wir laufen, bietet keinen Windschutz, die höchste Vegetation ist nur unterschenkelhoch.
              Mir ist kalt, in Bewegung geht es gerade so. Meine Hände sind kalt, ich habe keine Handschuhe.

              Unser Trinkwasser ist kalt. Ich zwinge mich trotzdem, reichlich zu rinken, da ich weiß dass ich dehydriert nicht gut Leistung bringe.
              Kurze Mittagspause in's Gestrüpp gehockt, wir geben uns gegenseitig Windschutz. Da ich nicht so gerne viel Süßes mag, hab ich Knäckebrot, Käse, Nüsse dabei. Neidisch schaue ich die Schokolade der Anderen an, so ein schneller Energiekick würde mir bei dem Wetter gut tun. Mir ist kalt.

              Auch in der Pause schliesst der Mann nicht zu uns auf. Wir wandern weiter, machen uns dann aber doch zuviele Sorgen um ihn. 2 der Frauen gehen zurück, ich gehe mit der 3. langsam weiter. Es regnet. Es windet.

              Wir kommen an einen grossen breiten Fluss, suchen erfolglos nach einer möglichen Furtstelle. Wandern flussauf und flussab, finden nichts. Warten auf die anderen. Mir ist KALT. Richtig KALT.
              Und da denke ich: Wenn wir es nicht schaffen, diesen Fluss zu queren, dann werden wir uns retten lassen müssen.
              Denn der "erste" Fluss des Tages wird durch den ganzen Tag Regen inzwischen noch reißender sein, dafurch unquerbar und er schneidet uns den Weg zur Hütte und zur Mountain Road ab.

              Stehenbleiben geht nicht weil zu kalt, also wandern wir ebenfalls wieder den Weg zurück, den anderen entgegen. Nach einiger Zeit treffen wir sie. Der Mann sieht sehr verfroren aus, hat keine Mütze dabei. Sagt aber, alles sei ok.

              Miss Outddor Instructor findet eine gute Furtstelle, wir queren den Fluss. Schlussendlich war es gar nicht so schwer, kein Vergleich zu dem Fluss heute morgen. Mir fehlte einfach nur die nötige Erfahrung um eine geeignete Stelle zu finden.

              Der Mann möchte wieder sein Tempo gehen. Wir gehen vor. Es regnet. Es windet. Es ist kalt. Ich bin erschöpft, nass und friere.
              Und dann sehen wir unter uns die Hütte. Aus dem Kamin steigt deutlich sicht- und riechbar Rauch!!!

              Als wir die Hüttentür öffnen, schlägt uns saunartiges Klima entgegen.
              Die Erstis der nahegelegenen Uni haben Outdoor Week und haben sich in der Hütte einquartiert. Sie heizen bereits seit Stunden, und die ganze Hütte hängt voller nasser Regensachen und sonstigen Klamotten.

              Ich bin sooooo glücklich!
              Wärme! Kein Regen mehr! Essen kochen!
              Meine Hände fangen vor Erschöpfung und Erleichterung an zu zittern, ich stolpere über eine kleine Holzstufe und hätte mich reflexartig auf dem glühend heissen Holzofen abgestützt, hätte einer der Anwesenden nicht beherzt zugegriffen.

              Wir sprechen ein Männer-Betretungsverbot für einen der Schlafräume aus, und ziehen uns alle erstmal komplett aus. Selbst die Unterhosen sind nass!
              Dann rein in trockenen Sachen, nasse Sachen aufhängen über dem Ofen, und erstmal Tee kochen.

              Als auch nach weit über einer Stunde der Mann nicht auftaucht, zieht Miss Outdoor Instructor sich die immer noch klatschnassen Sachen wieder an, wirbt 2 kräftige junge Erstsemester an sie zu begleiten und macht sich auf den Weg.
              Sie kommen nach einer ziemlich langen Weile als es schon dämmert wieder. Der Mann war gestürzt, hatte sich am Bein verletzt und war daher sehr sehr langsam untwerwegs. Dazu Unterkühlung. Das hätte auch weniger glimpflich enden können.
              Wir geben ihm erstmal heissen Tee und Schokolade, jemand verarztet seine Wunde. Und dann stellt er fest, dass seine Sachen nicht wasserdicht genug gepackt waren, und seine Wechselsachen sowie sein Schlafsack tropfnass sind!
              Alle spenden was sie an trockenen Klamotten übrig haben, er sitzt den Rest des Abends in zu kleiner Leggings und Fleecejacke am Ofen.
              Wir kochen, essen, quatschen, und gehen früh schlafen.

              Der Schlafsack des Mannes trocknet natürlich nicht schnell genug, daher bekommt er einen Schlafplatz möglichst nah am Ofen. Gefroren wird er trotzdem haben.

              Tag 5.
              Es regnet immer noch, wenn auch nicht mehr so stark.
              Der Weg ist nicht kompliziert, wir müssen nur kleine Bächlein furten, alles easy.
              Der Mann legt nich einen Ruhetag auf der Hütte mit den Erstis ein und plant am nächsten Tag mit ihnen zusammen weiter zu gehen.
              Wir erreichen das Ende des Wanderweges. Es regnet natürlich immer noch.

              Auch wenn mein Leben bei dieser Tour nie ernsthaft bedroht war, war das für mich tatsächlich eine ziemlich lehrreiche (Grenz-?)erfahrung.
              Alleine wäre ich niemals bei den Bedingungen weiter gegangen. In der Gruppe habe ich mich getraut, insbesondere weil jemand Erfahrenes dabei war, die auch den Weg gut kannte.
              Wie "sinnvoll" es ist, die Verantwortung an jemanden ab zu geben, den man erst seit 2 Tagen flüchtig kennt, kann man natürlich diskutieren. Outdoor Instructor hin oder her.

              Meine Fehler:
              - Keine Regenhose! WTF???
              - Ich habe die mögliche Temperatur im neuseeländischen Sommer unterschätzt
              - und daher zu wenig Isolatiosnschichten mitgehabt. Noch eine Fleecejacke hätte mich an Tag 4 deutlich weniger frieren lassen.
              - und keine Handschuhe!
              - keine schnell verfügbare Energie. Schokolade oder süße Riegel geben mehr schnellen Kick als Nüsse und Käsebrot

              Was ich gelernt habe:
              - Neuseeländisches Wetter kann sehr schnell umschlagen
              - Nass und Wind ist sehr sehr kalt
              - Kälte führt schnell zu Erschöpfung
              - lieber mehr Isolation mitnehmen. Ich brauche was Warmes für tags, dass dann auch nass werden kann und ZUSÄTZLICH was Warmes für's Camp/abends, was trocken bleibt. Multiuse funktioniert in dieser Hinsicht nur, wenn es trocken bleibt oder zumindest keine hohen Flüsse zu furten sind
              - Schoki mitnehmen für Notfälle
              - mein Verpackungskonzept funktionert. Obwohl mein Rucksack kurz komplett im Fluss untergetaucht war, sind alle relevanten Dinge komplett trocken geblieben.
              - in einer Kette kann man Flüsse furten die alleine undurchquerbar sind.
              - eine Thermoskanne morgens mit heißem Tee gefüllt wäre echt nett gewesen. Oder meinetwegen "nur" eine Nalgene mit Neoprenhülle, dann ist der Tee mittags vielleicht zumindest noch lauwarm und man muss nicht nur kaltes Wasser trinken.

              Was ich nicht gelernt habe:
              - Handschuhe mitnehmen. Rainer Duesmann kann das von der WHW-Tour leidvoll bestätigen

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              • Sarekmaniac
                Freak

                Liebt das Forum
                • 19.11.2008
                • 10958
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                Zitat von wonderrenter Beitrag anzeigen
                kann man beides expressis verbis hier im werbeteil eines shops nachlesen:
                https://www.bergfreunde.de/basislage...uf-solotouren/

                die dortigen sicherheitsempfehlungen nr 1 bis 9 sind die allgemeinen regeln fürs rausgehen (plus spot) aber doch völlig unzureichend für jede zivilisationsferne tour und erst recht für eine "königsdisziplin".
                Als diese Sicherheitsempfehlungen in Norwegen 1967 zum erstenmal so formuliert wurden, war die Landschaft auf die sie gemünzt waren, deutlich zivilisationsferner als heute (im Sinne von Erschließbarkeit, Erreichbarkeit im Notfall), das nur so nebenbei.

                Auch für zivilisationsferne Touren (was verstehst Du darunter?) sind sie IMO voll gültig, der etwas spezifische Punkt 9 ("im Schnee eingraben" etc.) wird seit 2016 auch allgemeiner formuliert: "Schone deine Kräfte und suche Schutz wenn es notwendig ist". Ich wüsste nicht was man, auch bei einer Solotour im arktischen Kanada oder dergleichen mehr tun könnte, als diese Punkte zu beherzigen. Wenn dir das "unzureichend" vorkommt, liegt das vielleicht daran, dass auf zivilisationsfernen Touren nur unzureichender Schutz möglich ist. Da hilft auch kein Notsender. Die verbleibenden Risiken muss man sich bewusst machen, und dann nimmt man sie entweder in Kauf, oder man lässt die Tour bleiben.

                Zitat von wonderrenter Beitrag anzeigen
                gibts ne knopfstatistik? ich würde vermuten, er ist genau für überforderungsgefahren / blockade; blinddarm und beinbruch kommen zu selten vor. man kalkuliert nicht damit, aber man verlässt sich drauf und hat tatsächlich ein mehr an "sicherheit" unabhängig von sich selbst.
                "Er ist genau für" will jetzt bei Dir was heißen: Der wird in solchen Situationen vornehmlich ausgelöst, oder: Der ist für solche Situationen vornehmlich gedacht? Mit deiner Vermutung bezüglich der hauptsächlichen Auslösegründe könntest Du recht haben (eine Statistik habe ich nicht), dass beispielsweise COSPAS-SARSAT von sich sagen würde: "Wir sind ein internationales, aus staatlichen Mitteln getragenes Ortungs- und Rettungssystem zum Abfedern von Überforderungsgefahren bei Individualtouristen", würde ich doch arg bezweifeln. Das ist in erster Linie ein Rettungsleitsystem für Schiffs- und Flugzeugunglücke, die PLBs sind eine recht neue Erscheinung.
                Eshche odin zhitel' Ekaterinburga zabralsja na stolb, chtoby dokazat' odnoklassnice svoju bespoleznost'.
                (@neural_meduza)

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                • wilbert
                  Alter Hase
                  • 23.06.2011
                  • 2975
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                  Ich kann ja mal, zur allgemeinen Erbauung, eine Tour schildern, die meine "haarigste" war.
                  Eine gute Geschichte um zu zeigen wie eine kompetente Person das Ruder nochmals rumreissen kann, so dass es gar nicht erst zum Notfall kommt.
                  Besonders gefällt mir, dass es in eurem speziellen Fall eine Frau war.

                  VG. -Wilbert-
                  www.wilbert-weigend.de

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                  • Waldhexe
                    Alter Hase
                    • 16.11.2009
                    • 2891
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                    Wobei die klügere Entscheidung vielleicht doch gewesen wäre, die Tour abzubrechen wie geplant? Ich denke, viel hätte da nicht mehr dazukommen dürfen.
                    Vielen Dank jedenfalls!

                    Gruß,

                    Claudia

                    Kommentar


                    • Enja
                      Alter Hase
                      • 18.08.2006
                      • 4750
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                      Zivilisationsfern heißt für mich, dass es kein System gibt, dass in kurzer Zeit eine Rettung bewerkstelligen kann. Manchmal frage ich mich, ob es das überhaupt noch gibt.

                      Tatsächlich gab es in den 70ern diverse Möglichkeiten, in der Sahara ums Leben zu kommen. "In einem Sandsturm von einer Schlange gebissen". Und Ähnliches. "Verirrt" war eine häufige Todesursache. Später kam die Phase mit den Entführungen. Da hilft dann auch kein Knopf mehr.

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                      • wilbert
                        Alter Hase
                        • 23.06.2011
                        • 2975
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                        Ich stehe der vermehrten Nutzung einer PLB, (Personal Locator Beacon) recht ambivalent gegenüber. Daher unterteile ich das mal in einen pragmatischen und einen gesellschaftlichen Bereich.

                        Pragmatisch bin ich sehr froh über die Möglichkeit, „weit ab der Zivilisation“ noch eine Rettung organisieren lassen zu können.
                        Vor dem Hintergrund eines Seenotfalls, finde ich eine frühe Benachrichtigung der Rettungskräfte besonders wichtig. Habe ich die Parameter nicht mehr in der Hand um meine Situation noch selbstständig zu meistern, ist auf See eine zu späte Meldung meist fatal. Warte ich zu lange, können sich die Probleme überschlagen und richtig tragisch wird es, wenn ich zwar geortet werden kann, jedoch eine Rettung zum gegebenen Zeitpunkt nicht möglich ist.

                        Der gesellschaftliche Teil der Nutzung einer PLB beunruhigt mich eher.
                        Beim lesen von verschiedenen Reiseberichten gewinne ich zunehmend den Eindruck, dass eine „Rettung" recht früh in die Planung mit einbezogen wird, ohne dass alle (subjektiv vielleicht extrem unangenehmen) Wege ernsthaft ausgeschöpft wurden.
                        Auch befürchte ich, dass den sogenannten „skills“ heute zu wenig Bedeutung beigemessen wird.
                        Relativ früh wird eine interessante, exponierte Unternehmung angestrebt, ohne dass vorher kleinere „unspektakuläre“ Erfahrungen gesammelt werden konnten. Das gepaart mit einem erhöhten „Darstellungsbewusstsein“ in den sozialen Medien, kann zum „einplanen“ des eingekauften Sicherheitsknopfs verführen.

                        VG. -Wilbert-
                        www.wilbert-weigend.de

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                        • Waldhexe
                          Alter Hase
                          • 16.11.2009
                          • 2891
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                          #52
                          AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                          @Enja:
                          Mobilfunkabdeckung hat man in den meisten Fjällgebieten nicht, die Rettung dauert also so lange wie die Wegzeit zur nächsten Hütte mit Nottelefon plus Zeit bis Rettung organisiert ist und deren Wegzeit - unter Umständen also 1-2 Tage, im Sarek auch länger. Wer alleine abseits der Wege oder außerhalb der Hauptsaison unterwegs ist und kein Spot o.ä. dabei hat, wird eben erst nach Ende des Urlaubs gesucht...
                          Ich habe am Padjelantaleden an zwei Hütten Suchplakate gesehen, beides mal junge Sologänger, die spurlos verschwunden sind.

                          Spot oder PLB funktioniert meines Wissens überall, da kommt es eher drauf an, ob es eine Rettungsorganisation gibt und ob der Hubschrauber fliegen kann. Bei sehr schlechtem Wetter kann es noch mal viele Stunden dauern.

                          Gruß,

                          Claudia

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                          • Sarekmaniac
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                            • 19.11.2008
                            • 10958
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                            #53
                            AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                            Zitat von Waldhexe Beitrag anzeigen
                            @Enja:
                            Mobilfunkabdeckung hat man in den meisten Fjällgebieten nicht, die Rettung dauert also so lange wie die Wegzeit zur nächsten Hütte mit Nottelefon plus Zeit bis Rettung organisiert ist und deren Wegzeit -
                            Ergänzung: Norwegische Hütten haben keine Nottelefone.
                            Eshche odin zhitel' Ekaterinburga zabralsja na stolb, chtoby dokazat' odnoklassnice svoju bespoleznost'.
                            (@neural_meduza)

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                            • Waldhexe
                              Alter Hase
                              • 16.11.2009
                              • 2891
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                              #54
                              AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                              @Wilbert:
                              Das sehe ich auch so und habe auch schon wiederholt gelesen, dass Leute bei kleineren Unannehmlichkeiten oder Verlaufen, also eher frustrierenden denn gefährlichen Situationen den Knopf gedrückt haben oder es zumindest ernsthaft in Erwägung zogen.

                              In den Alpen ist es nach veröffentlichten Statistiken der Bergwacht wohl auch so, dass mittlerweile Blockaden ein Hauptgrund für Rettung ist, früher war das wohl relativ selten.

                              Ich vermute die Ursache wie Du in den Medien, die mehr über Touren berichten und alles recht harmlos erscheinen lassen, in mangelndem Respekt vor dem Berg und fehlender Bereitschaft, zunächst kleine Brötchen zu backen oder einen Kurs zu machen.
                              Allgemein scheint die Kompetenz abzunehmen, so dass in Blockadefällen auch keiner in der Gruppe in der Lage ist, den Blockierten durch klare und sichere Ansprache aus seiner Lage zu führen. Ältere erfahrene Bergwanderer könnten das früher und ich habe das auch schon mindestens zweimal gebraucht, so dass es erst gar nicht zu einer Blockade kam.

                              Gruß,

                              Claudia

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                              • Waldhexe
                                Alter Hase
                                • 16.11.2009
                                • 2891
                                • Privat

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                                #55
                                AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                Zitat von Sarekmaniac Beitrag anzeigen
                                Ergänzung: Norwegische Hütten haben keine Nottelefone.
                                Oops, ist mir gar nicht aufgefallen, bin überwiegend in Schweden unterwegs und habe in N nicht drauf geachtet! Fehler!

                                Gruß,

                                Claudia

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                                • Zwimon

                                  Dauerbesucher
                                  • 04.08.2008
                                  • 543
                                  • Privat

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                                  #56
                                  AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                  Zur Notfallvorsorge auf Solotouren (inkl. Pro & Contra PLB/SPOT usw.) gab es mal diesen längeren Faden. Daraus entstammt auch der ursprüngliche Beitrag, der nun von Bergfreunde (diente mir da als Grundlage) verlinkt wurde. Damals wurde ich gebeten dazu etwas zu schreiben, nachdem der User "Fjellstorm" in Norwegen verschwunden ist (bis heute) und ich gleichzeitig dort in der Ecke unterwegs war
                                  NPL 2013 - It's not the fart that kills you, it's the smell! - Petter Solberg

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                                  • Gast180628
                                    GELÖSCHT
                                    Dauerbesucher
                                    • 08.10.2012
                                    • 510
                                    • Privat

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                                    #57
                                    AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                    @zwimon: ooops:

                                    @sarekmaniac: natürlich sind die grundregeln ok, aber für touren wie die threadanlassgebende viel zu kurz. da stehen dann zwar allgemeine hinweise, aber was man sich darunter vorzustellen hat (mitzudenken hat), kann man nur aus erfahrung wissen, mit weniger erfahrung nur ahnen, als anfänger nicht mal das, während der spot ganz greifbar und einfach zu kriegen ist.
                                    ob das in der rettungstatsächlichkeit statistisch so bedeutsam ist wie das phone in den alpen, keine ahnung, aber man kann eine änderung im koordinatensystem von zivilisationsferne, kommunikation, kopf usw. feststellen.

                                    edit: sehr subjektive gegenthese: es gibt auch "neuere" geräte, die zu objektiver sicherheit beitragen, weil man sich dann gefährdungen nicht mehr aussetzt. ich kann nicht skifahren, wills auch nicht lernen, weil mir geschwindigkeit nicht so wichtig ist und die musik davor/danach zu schrecklich. wir waren bis 2012 so gut 10 jahre ziemlich jeden winter 1 oder 2 wochen mit schneeschuhen in den alpen unterwegs und da auch, vorsichtig und lawinenbelesen, im bereich 2500 - 3000, schaufel dabei aber kein lvs-set. nachdem ein regelmässiger urlaubsfotoanseher/erzählzuhörer von uns, als ihm der ausrüstungsmangel bekannt wurde, völlig entsetzt reagierte und ich hier im forum was dazulernte, haben wir lvs-sets angeschafft. damit in den wintern geübt und viele lawinenvideos angeguckt und unfallberichte gelesen - mit dem ergebnis, dass wir seitdem nur noch einmal in höhere alpine lagen gegangen sind. es ist schon klar, dass es auch am wetter liegt und auch in tieferen lagen lawinengefahr herrschen kann. aber: hier haben die neuen ausrüstungsgegenstände (geräte) zu einer intensiven bewusstmachung von gefahren geführt. (für wirkliche kenntnis - erfahrung sind wir zu weit weg von den bergen und zu selten da).

                                    (für den sommer und jenseits von gletschern ist das anders, da sind wir leichter und risikofreudiger geworden, vorsichtig natürlich:-) )
                                    Zuletzt geändert von Gast180628; 15.03.2018, 09:53.

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                                    • Galadriel
                                      Dauerbesucher
                                      • 03.03.2015
                                      • 913
                                      • Privat

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                                      #58
                                      AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                      Wenn ich mir das so durchlese, dann denke ich, dass es zwei Ebenen gibt:

                                      1. Die innere Haltung: Also ist man ein Mensch der eher risikobereit ist oder defensiv agiert. Das heißt, entscheidet man sich bei in einer kritischen Situation für das Risiko, also Weiterlaufen oder für den Rückzug. Da denke ich, dass es einen Unterschied macht, ob es die Möglichkeit gibt, einen Knopf zu verwenden. Denn der führt dann evtl. auch bei weniger risikobereiten Menschen zur Entscheidung weiterzulaufen.

                                      2. Planung und Ausrüstung: Also ist man planerisch und technisch optimal gerüstet. Wobei hier natürlich auch die Haltung eine Rolle spielt. Jeder kennt doch die Entscheidung ob man alles nötige Geraffel mitnimmt oder auf dies oder das verzichtet und so evtl. ein Risiko eingeht.
                                      In diesem Zusammenhang fand ich die Analyse von Jürgen in Post 37 ganz interessant und hat mich in bezug auf meine eigenen Haltung zum Nachdenken gebracht.
                                      Wandern & Flanieren
                                      Neues entdecken durch Langsamkeit

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                                      • Ljungdalen
                                        Alter Hase
                                        • 28.08.2017
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                                        #59
                                        AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                        Zitat von Galadriel Beitrag anzeigen
                                        In diesem Zusammenhang fand ich die Analyse von Jürgen in Post 37 ganz interessant
                                        OMG, ich glaube, mit Juergen würde ich nie auf Tour gehen.

                                        Meine "haarigste" Situation (schöner Begriff oben von ranunkelruebe) war, als ich auf einer Solo-Dolomiten-Tour "ein bisschen abgestürzt" bin (zwei Wirbel, Brustbein und Handgelenk gebrochen). Nicht auf nem Klettersteig, sondern an einer "leichten" Stelle, allerdings off-track.

                                        Hab dann mit Handy Hilfe gerufen. Gutes altes "unsmartes" Nokia, Akku noch *ein* Balken.

                                        Wäre da kein Empfang gewesen oder so, tja. So genau wusste eigentlich niemand, wo ich bin. Schlimmstenfalls wäre ich halt tot gewesen. Dazu hab ich ein entspanntes Verhältnis, empfehle ich jedem.

                                        Ganz genau so würde ich's natürlich nicht mehr machen, aber pffff... Spaß muss sein...

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                                        • qwertzui
                                          Alter Hase
                                          • 17.07.2013
                                          • 2891
                                          • Privat

                                          • Meine Reisen

                                          #60
                                          AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                          Ich gehe davon aus, dass jeder hier im Forum in gewisser Hinsicht riskante Entscheidungen trifft ... Das ist in Ordnung, man sieht die Gefahren, analysiert, trifft Maßnahmen, um den Gefahren entgegen zu steuern, neudeutsch nennt man das Risikomanagement ... In diesen Bereich fällt meiner Ansicht nach ein Spot oder PlB. Das andere Konzept bei Solotouren wurde auch schon genannt: wenns blöd läuft, bin ich halt tot.

                                          Ganz anders sind meiner Ansicht nach die Handyhilferufer in den Alpen zu sehen. Da Handyempfang in den Alpen nur unzuverlässig zu haben ist, taugt ein Handy nicht als Notfallkonzept. Leute, die sich retten lassen, weil sie sich nicht vor und zurück trauen, haben meiner Ansicht nach, mangels Erfahrung im Vorfeld kein Risiko gesehen, dieses auch nicht bewusst in Kauf genommen, sondern sind einfach mal so rein gestolpert.

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