Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Bericht)

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  • danobaja
    Alter Hase
    • 27.02.2016
    • 3287
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    • Meine Reisen

    #21
    AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

    Zitat von Lobo Beitrag anzeigen
    Wenn es noch kein GPS gab, dann hattest du vermutlich auch kein Internet, sprich du hättest gar nicht mitbekommen wenn irgend ein "Touri" in der Wüste oder in Island verloren geht.
    das hat man sehr wohl mitbekommen. wer in einem bereich interessiert und engagiert war , den haben die buschtrommeln bestens versorgt. man wusste genau wer wo unterwegs war mit welchem auto in der wüste, wohin.

    bei uns bergsteigern war das genauso. ich wusste schon dass der dacher michel gestorben war (1994) bevor es in der zeitung stand. es gab eine welt vor twitter und fb, und sie hat funktioniert. nur war sie nicht so laut, dass es die ganze welt sofort erfahren hat.


    Lobo, könnteste du diese diskussion vielleicht aus auslagern? wir müllen den reisebericht (mit einer durchaus interessanten diskussion!) voll, das finde ich sehr schade!
    danobaja
    __________________
    resist much, obey little!

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    • Torres
      Freak

      Liebt das Forum
      • 16.08.2008
      • 30593
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      • Meine Reisen

      #22
      AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

      Es war sogar noch eindringlicher, man hat ja keine Unglücksreizüberflutung gehabt, wie heute, wenn jemand nicht mehr wiederkam, hat einen das ganz anders beschäftigt, heute liest man ja fast jeden Tag von einem Unglück, vieles nehme ich nur noch wahr, wenn es Bekannte oder Prominente trifft. Früher waren die Details Tagesgespräch und wurden mündlich nach Hörensagen weitergegeben, auch ie Szene der Individualreisenden war klein, man hat noch lange nachgefragt, um valide Details zu erhalten, und zumindest ich habe mich von einigen Sachen dadurch abhalten lassen und bekomme das bis heute nicht aus dem Kopf. Bei mir würde ein Knopf da nichts ändern.
      Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass Menschen, die mit Knopf/Telefon aufwachsen, damit anders umgehen. War in den Emiraten schon eine neue Erfahrung, das Smartphone nicht nutzen zu können (keine Prepaid Karte gekauft), man musste echt fragen, suchen, try and error machen, und ich hab mal wieder gemerkt, wie oft ich mich mittlerweile auf das Smartphone verlasse (gilt fürs GPS auch, dass ich das nicht mithatte, hab ich bereut).
      Oha.
      (Norddeutsche Panikattacke)

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      • Enja
        Alter Hase
        • 18.08.2006
        • 4749
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

        Danke Danobaja. Genauso war es. Wir haben damals mal zu sechst einen Kardinalfehler begangen. Eine Riesendummheit sozusagen. Mit den Folgen mussten wir zurechtkommen. Glücklicherweise gab es Plan B. Die Story wurde zur "Lagerfeuergeschichte". Noch jahrelang konnte man die in den verschiedensten Dimensionen immer wieder hören. Freundlicherweise wurde weniger die Dummheit thematisiert als die tatkräftige Rettung.

        Damals waren weniger Menschen unterwegs. Und man wusste ganz genau, wer da noch auf Tour war.

        Heutzutage mit dem Rad auf dem Donau-Radweg war es auch nicht anders. Jenseits von Budapest sprach sich das rum. Und bis zum Delta hatten wir dann auch alle getroffen, von denen wir gehört hatten.

        Ein großer Teil dessen, was man damals unterwegs leisten musste, war die Navigation. Ohne GPS. Mit wesentlich weniger erkennbaren Wegen. Und auch ohne verlässliche Karte. Dadurch kam man langsamer voran. Und musste sich die Gegend sehr viel genauer angucken. Ich erinnere mich noch gerne an all die Zeit, die ich mit dem Fernrohr auf dem Autodach verbracht habe. Auf der Suche nach dem nächsten Wegzeichen.

        Man wurde zwar registriert, wenn man in die Wüste aufbrach. Und auch kontrolliert, ob man alles Nötige dabei hatte, aber niemand glaubte so wirklich an Rettungsmaßnahmen. Und als dann jemand verloren ging, stellte sich das als begründet heraus. Da wurde nicht gesucht. Da musste man wohl Promi sein. Die von uns vermissten tauchten glücklicherweise zwei Wochen später von selber wieder auf. Da wir wussten, wieviel Wasser sie dabei hatten, hätte das eigentlich nicht mehr gereicht. Aber sie waren von einem anderen Trüppchen aufgegabelt wurden. Solotouren machte damals nur der Nehberg.

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        • LihofDirk
          Freak

          Liebt das Forum
          • 15.02.2011
          • 13729
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          • Meine Reisen

          #24
          AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

          Zitat von Torres Beitrag anzeigen
          ... War in den Emiraten schon eine neue Erfahrung, das Smartphone nicht nutzen zu können (keine Prepaid Karte gekauft), man musste echt fragen, suchen, try and error machen, und ich hab mal wieder gemerkt, wie oft ich mich mittlerweile auf das Smartphone verlasse (gilt fürs GPS auch, dass ich das nicht mithatte, hab ich bereut).
          OT: Das GPS vom Smartphone funktioniert auch im Modus ohne Daten. Wenn dann noch ein öffentlicher Hotspot genutzt werden kann, eine Offline Karte (zur Not auch Google Maps) zu laden ist man eigentlich auch off-line bestens versorgt. Abgesehen davon, dass der Flugmodus auch viel Strom spart.

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          • Enja
            Alter Hase
            • 18.08.2006
            • 4749
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            #25
            AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

            Off-line-Karte und wenn vorhanden, kostenloses W-lan nutzen. Mache ich immer so. Sim-Karte kaufen, lohnt sich meiner Meinung nach nur, wenn man deutlich länger irgendwo bleibt. Tatsächlich gehöre ich aber auch zu den wenigen, die immer noch old-school-navigieren. Also analog.

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            • blackteah
              Dauerbesucher
              • 22.05.2010
              • 777
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              #26
              AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

              OT: Wäre der Knopf nicht gewesen, hätte evernorth sich in seinen Schlafsack gelegt, wäre wohl zu den nunataks gegangen und eine ziemlich ungemütliche Nacht mit Unterkühlung hinter sich gebracht. Am nächsten Morgen hätte er sich wohl irgendwie durchgeschlagen und wäre wohl völlig entkräftet und wer weiß was noch in der Zivilisation angekommen. Da hätte er bestimmt noch einige Lagerfeuergeschichten zu erzählen gehabt.

              Am besten die Geräte ganz abschaffen, weil wie uncool ist das denn, wenn man eine Dummheit begeht und sich dann retten lässt. Früher ging das schließlich auch nicht.



              Ehrlich, die Richtung in die das geht verstehe ich überhaupt nicht. Ein Notfallgerät sollte nicht dazu führen, waghalsige Touren zu unternehmen, aber wenn man nur Touren unternimmt, wo man es nicht braucht, dann ist die Existenz davon überflüssig.
              Also das Risiko so gering wie möglich halten bei der Planung und Durchführung (dass evernorth da nicht richtig gehandelt hat, wusste er schon vorm Erstellen des Berichts und wir nun auch alle).
              Z.B. wenn man sich allein ein Bein bricht, dann wars das halt früher. Mit so einem Gerät ist man zumindest abgesichert, dass Hilfe kommt (Auch zu zweit kann der Zweite nur die Rettung rufen).

              Ich kann mich Pielinen nur anschließen, sollte ich nochmal nen Fehler machen werde ich das nicht mehr hier veröffentlichen, egal ob andere davon vielleicht noch was mitnehmen können. Wenn dann die ganzen unfehlbaren Leute daherkommen und sich über dich auslassen.

              Ich navigiere auch analog, aber da hat man davor auch ne Route auf der Karte, der man folgt. Zumindest mache ich das immer so und laufe nicht einfach irgendwo irgendwie los und schau dann, was auf mich zukommt. Ein GPS sagt einem ja nur, wo man grade ist. Die Karte ist ja die gleiche, egal ob auf einem Gerät oder auf Papier.

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              • Enja
                Alter Hase
                • 18.08.2006
                • 4749
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                #27
                AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                Naja, die Tracks werden doch heute meist aufwändig zu Hause vorbereitet. Kann man bei Bernie lesen. Wie man dann schon vorher mittels Google Earth ganz genau weiß, wie es wo aussieht. Und deshalb vielleicht auch mehr tolle Ecken findet.

                Das ist doch nicht besser oder schlechter als früher. Aber anders.

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                • Gast180628
                  GELÖSCHT
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                  • 08.10.2012
                  • 510
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                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                  "Dadurch kam man langsamer voran. Und musste sich die Gegend sehr viel genauer angucken."
                  das sind qualitäten / anforderungen, die mir unabhängig von knopf/gps wichtig sind und die doch auch objektiv unabhängig von gps und knopf sind.
                  wenn ich mit gps weiss, wo der einstieg in den abstieg ist, dann lauf ich halt direkt zu dem punkt (und guck mir das ab da trotzdem sehr genau an, kann ja bullshit sein oder sich was verändert haben). trotzdem muss ich nicht heute furten, wenn mir zuviel wasser im fluss ist, könnte aber (wollen). und hüfttief im schlamm einer sanderlandschaft und am gletscherrand würde mir schrecken verursachen, vermeiden. würde mir wohl auch kein knopf dabei helfen, wenn das richtig schiefgeht (allgemein klar).

                  "Solotouren machte damals nur der Nehberg."
                  das ist wohl ein objektivierbarer unterschied. (ich nehm an du sprichst von mitte bis ende der 70er). in der vermassung hat sich der komische gedanke "königsdisziplin" durchgesetzt und der knopf hat im marktgeschehen einige zentralität dabei. kann man beides expressis verbis hier im werbeteil eines shops nachlesen:
                  https://www.bergfreunde.de/basislage...uf-solotouren/

                  die dortigen sicherheitsempfehlungen nr 1 bis 9 sind die allgemeinen regeln fürs rausgehen (plus spot) aber doch völlig unzureichend für jede zivilisationsferne tour und erst recht für eine "königsdisziplin".

                  dass "dauernd leute dabei sterben" halte ich für nicht objektivierbar. gibts ne knopfstatistik? ich würde vermuten, er ist genau für überforderungsgefahren / blockade; blinddarm und beinbruch kommen zu selten vor. man kalkuliert nicht damit, aber man verlässt sich drauf und hat tatsächlich ein mehr an "sicherheit" unabhängig von sich selbst. ich lese gerade "das grosse spiel" von celine minard dazu, überfordert mich, aber klare quintessenz: nicht-solo ist lebendiger. ist aber auch wieder ein anderes thema als knopf.
                  Zuletzt geändert von Gast180628; 14.03.2018, 10:31.

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                  • ranunkelruebe

                    Fuchs
                    • 16.09.2008
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                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                    Ich weiss nicht, wie es evernorth geht (vielleicht äüßert er sich nochmal?) aber ich finde nicht, dass er hier "zerissen" wird.
                    Und ich fände es schade, wenn in Zukunft Leute ihre "Fehler" oder "dummen Entscheidungen" hier nicht mehr posten würden, aus Angst vor Gegenwind oder blöden Kommentaren.

                    Mir persönlich würde ein Fazit von Evernorth gefallen, was genau er daraus mitnimmt, bzw. was ER denkt, wo er Fehler begangen hat / Fehlentscheidungen getroffen hat, und ob er für die Zukunft irgendetwas anders macht, damit zumindest DIESE fehler nicht nochmal passieren.

                    Ich finde es auch fatal, nur noch "unfehlbaren" Menschen zu zu gestehen, die Handlunegn anderer zu kritisieren oder kritisch zu beleuchten, denn dann kommen wir doch niemals weiter. (erster Stein und so)

                    Ich bin kein erfahrener Wanderer, ich war noch nie in Island, noch nie auf einem Gletscher, ich habe Solotouren bis jetzt nur auf vorgegebenen Routen mit Hütten gemacht.
                    Trotzdem kann ich aus der Besprechung dieser Tour was lernen.
                    Und trotzdem nehme ich mir das Recht raus, nachzufragen bei Sachen, die ich fragwürdig finde bzw. die ich einfach komplett anders gelernt habe.
                    Wenn mir dann jemand Erfahrenes antwortet und sagt: "bei Gletschertouren ist es Gang und Gäbe bei Sturm auf den Gletscher zu gehen und dort abzuwettern, viel sicherer als an der Gletscherkante weil dort xy Gefahren lauern" dann ist das lehrreich.

                    Hier wirkt es für mich so als seien mehrere Sachen zusammengekommen:
                    - körperliche Erschöpfung
                    - willkürliches Ziel, den GPS-Track zu erreichen bevor eine Pause eingelegt wird
                    - ignorieren des deutlich sichtbar aufziehenden Sturms
                    - nicht ausreichende Ausrüstung
                    - nicht ausreichende Vorbereitung oder Wissen (Handschuhe nicht erreichbar, etc)

                    Aber wie gesagt, siehe oben, ich hab keine Ahnung, und fände es sehr lehrreich, wenn einer mit Ahnung mal seine Sicht der Dinge dar stellt.

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                    • blackteah
                      Dauerbesucher
                      • 22.05.2010
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                      #30
                      AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                      Zitat von ranunkelruebe Beitrag anzeigen

                      Hier wirkt es für mich so als seien mehrere Sachen zusammengekommen:
                      - körperliche Erschöpfung
                      - willkürliches Ziel, den GPS-Track zu erreichen bevor eine Pause eingelegt wird
                      - ignorieren des deutlich sichtbar aufziehenden Sturms
                      - nicht ausreichende Ausrüstung
                      - nicht ausreichende Vorbereitung oder Wissen (Handschuhe nicht erreichbar, etc)
                      Ich kenne mich mit Gletschern auch nicht aus, aber ich finde, die Liste trifft es schon ganz gut

                      Ich würde nur Ausrüstung rausnehmen, weil ihm das in der Situation nichts gebracht hätte. Wenn man auf die Idee mit dem Schlafsack nicht kommt, weil man sich so klein und ausgeliefert fühlt, dann wird man wohl auch nicht an den Bivisack denken...

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                      • ranunkelruebe

                        Fuchs
                        • 16.09.2008
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                        #31
                        AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                        Zitat von blackteah Beitrag anzeigen
                        Wenn man auf die Idee mit dem Schlafsack nicht kommt, weil man sich so klein und ausgeliefert fühlt, dann wird man wohl auch nicht an den Bivisack denken...
                        Weiss nicht. beim Schlafsack ist mann ja innerlich darauf gepolt, den NUR im Zelt zu nutzen, und niemals nie den Elementen aus zu setzen.
                        der Biwaksack wäre ja sozusgaen bestandteile der Ausrüstung für eien NOTsituation, insofern würde er einem vielleicht eher in den Sinn kommen. Weil er ja sozusagen genau für dieses Situation angeschafft wurde.

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                        • danobaja
                          Alter Hase
                          • 27.02.2016
                          • 3287
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                          #32
                          AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                          Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                          Danke Danobaja. Genauso war es. Wir haben damals mal zu sechst einen Kardinalfehler begangen. Eine Riesendummheit sozusagen. Mit den Folgen mussten wir zurechtkommen. Glücklicherweise gab es Plan B. Die Story wurde zur "Lagerfeuergeschichte". Noch jahrelang konnte man die in den verschiedensten Dimensionen immer wieder hören. Freundlicherweise wurde weniger die Dummheit thematisiert als die tatkräftige Rettung.

                          ....
                          ach ihr wart das?!

                          im ernst, ihr wart nicht die einzigen. das war immer so toll wenn man sich als bergsteiger zu den wüstenfahrern gesellen durfte wenn wieder ein trupp heimgeflogen kam. die geschichten waren einzigartig, sprühten vor leben und ideenreichtum. ich hab da so viel gelernt, dinge auf die ich nie selbst gekommen wär und die man auch nicht aus einem buch hätte lernen können. naja, ich musste in den bergen auch nicht ne verlorene hinterachse wieder fahrtüchtig bekommen. aber mir hats gezeigt was man mit spanngurt und wagenheber und keilen alles machen kann.

                          die frage "was ist wenn einer stirbt" wurde weder gestellt, noch gedacht. da hätte man sich drum gekümmert wenn es soweit gewesen wäre. heute wird alles im vorfeld durchgekaut bis zum erbrechen. keine inspiration mehr, kein grenzgängertum, kein aufbruch ins ungewisse. abenteuer mit versicherung. das ist die mentalität der heutigen zeit.

                          und dann kommt ein ueli steck, und anstatt sich inspirieren zu lassen von seiner genialität, seiner intensität, seinem können sitzen alle da und warten dass ihm was passiert. um dann mit dem finger zu zeigen war doch klar.... da hat man ja drauf warten können. marco polo wärs nicht anders ergangen, dschingis khan oder alexander dem grossen auch nicht. liste beliebig verlängerbar.

                          aber der mann hat wirklich gelebt. die ganzen couch-kartoffeln, die mit dem finger zeigen, die sind es die mir leid tun. nicht der ueli. der hat genau das vom leben bekommen was er (sich) verdient hat. und er hat gelebt, sein ding gemacht mit jeder faser seines körpers. der war erfüllt als er gegangen ist. natürlich wär er wohl lieber etwas später abgetreten (es hätt ja noch einiges zu tun gegeben für ihn, so bergtechnisch), aber ich bin sicher er hat nichts bereut.

                          alex honold, so einer beeindruckt mich. aber nicht nur der.

                          klar, das ist nicht für jedermann. es gibt ja auch jede menge zwischendrin, und jeder hat seine eigene grenze (in jedem bereich). ich bewundere leute, die ihre grenzen austesten. alex honold ist schon ein ganz extremer der über die medien auf der welt bekannt ist. aber es gibt genug leute, die das im kleinen angemessenen stil für sich vor der eigenen haustüre machen. jeder von denen hat meinen vollen respekt! auch der mensch, der darum kämpft beim anblick einer spinne nicht immer auf den küchenstuhl zu springen voller panik.

                          ich mach das auch laufend. wenn ich radle, und bei ner alpenüberquerung, nachdem ich das rad 6 stunden getragen hab, dann auf der abfahrt vollgas fahre, dann suche ich meine grenze. mein partner ist nach der ersten kurve verschwunden, ich seh ihn erst wieder als er mir nach 2 stunden entgegenkommt, weil er denkt mich hats iwo runtergeschmettert. wenn der meine grenze sieht, dann lacht er lauthals und ich mit. er kann fahren, ich bin eine niete. wenn bei mir das bild unscharf wird von den schlägen bergab auf dem waldweg, dann bin ich schon ein wenig über meine grenze hinaus. da wirds für ihn erst lustig, spannend, intuitiv. dann lebt er.

                          aber ich suche meine grenze, er erkennt das an. und das sind die momente in denen ich lebe. wirklich lebe. nicht wenn ich in der werkstatt bin und geile möbel baue. da kann ich abschalten, drin aufgehen, mich vergessen. aber das ist nicht das leben für mich. leben ist für mich wenn ich (als drogen affiner mensch) auf adrenalin bin.

                          genauso wie ich mit ner kleinen unaufmerksamkeit mir die schmuckschatulle versaue beim letzten zinken, genauso ist es bei einer solo- oder grenztour. alles was zählt ist die aufmerksamkeit. dann ist kein platz mehr für all das unwichtige im leben. dann bin ich selbst unwichtig und genau dann geht es mir am besten. dann ist kein platz irgendwas zu bereuen. dann tut man. dann lebt man. dann wird man eins mit dem drumrum. dann ist man so gross wie das ganze universum.

                          und das ist egal obs (lebens-)gefährlich ist. über die grenze gehen ist was zählt. und für mich gehört auch dazu mit den folgen meines handelns zu leben. wenn ich ins auto steige, dann kann ich sterben. wenn ich ins bett gehe genauso. das sieht keiner. ich bin mir dessen bewusst, und deshalb muss ich niemandem die schuld zuweisen wenn was passiert und deshalb würd ichs auch nicht bedauern. das wird komplett verdrängt und es fehlt einfach bei 90% der leute 90% der zeit an intensität. auf dem sofa sitzen und schauen wie bruce willis 500 terroristen abknallt und selbst mit 5 messern im rücken und 10 kugeln im bauch immer noch läuft und kämpft ist für mich nicht genug.

                          wer das nicht haben will, prima. sein ding. kann ich nicht so gut verstehen, aber akzeptieren kann ich das sehr wohl. auch wenn jemand seine grenze sucht und den knopf dabei hat. aber ich würds nicht wollen. ich würde die erfahrung vorziehen 3 tage lang mit gebrochenem bein zurückzukriechen. wär neu für mich. wenn ich s schaffe, dann hab ich was dazu gelernt das mir (und für mich) wichtig ist. ich hätte kein problem damit mir beim verbluten zuzusehen bis ich tot bin. da hab ich irgendwo nen fehler gemacht, jetzt "zahl" ich dafür. aber ich bekommme auch eine neue erfahrung geschenkt. ok, meine letzte, aber das ist nicht wichtig.

                          wer den knopf braucht, soll ihn mitnehmen und benutzen. in meinen augen nimmt er sich einen grossen teil seiner grenzerfahrung. wenn das jemand anders sieht, dann sollte er unbedingt den knopf einpacken. denn, wenn was ihm passiert, dann geht er mit leid und selbstvorfwürfen, und nicht erfüllt. und das ist nicht der sinn des lebens. jeder tod sollte einen für den sterbenden angemessenen wert haben.

                          was der rest der welt darüber denkt ist nicht wichtig für den sterbenden. und jeder den es direkt betrifft darf das für sich selbst werten, abgrenzen und ausleben. auf seine ganz eigene art und weise.

                          ich wünsche jedem der den knopf drückt viel glück und noch viele erfüllte jahre danach.
                          danobaja
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                            #33
                            AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                            Danke für den Link zum Knopf. Ist ja wirklich ein tolles Ding. So richtig "zivilisationsfern" (Island würde ich da nicht einordnen), wird es allerdings sicher schwieriger. Da das Teil darauf basiert, dass vor Ort ein Rettungsdienst herbeieilt. Zu Evernorth kamen die Herrschaften in Rekordzeit mit dem Auto angeeilt.

                            Der zweite Teilnehmer an so einer Tour kann zwar den anderen mit dem gebrochenen Bein eher nicht heimtragen. Aber er könnte Hilfe holen. Und wenn überhaupt keine erreichbar wäre, wäre das halt schlecht. Tatsächlich sind in den 70ern Leute gestorben, weil sie in der Wüste eine Autopanne hatten, das nicht selber lösen konnten, es keine Möglichkeit gab, Hilfe zu rufen und wenn denn schon gesucht wurde, sie nicht zu finden waren, weil sie ihre Position nicht bestimmen konnten.

                            So nun haben wir den Knopf. Aber ich nehme doch an, dass man trotzdem noch primär selbst zurecht kommen möchte?

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                              • 19.08.2009
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                              #34
                              AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                              Zitat von ranunkelruebe Beitrag anzeigen
                              Weiss nicht. beim Schlafsack ist mann ja innerlich darauf gepolt, den NUR im Zelt zu nutzen, und niemals nie den Elementen aus zu setzen.
                              Nicht beim Bergsteigen, bei einem ungeplanten biwakieren wäre man froh, hätte man einen Schlafsack dabei, egal wie es draussen aussieht.. Ein Notbiwaksack steckt zwar immer in meinem Rucksack, benutzt habe ich den aber nie und weiss nicht, was er wirklich bringt. Warscheinlich besser als nichts, wenn man auf die Rettung wartet.
                              "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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                              • Galadriel
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                                #35
                                AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                                Zitat von danobaja Beitrag anzeigen
                                ach ihr wart das?!

                                im ernst, ihr wart nicht die einzigen. das war immer so toll wenn man sich als bergsteiger zu den wüstenfahrern gesellen durfte wenn wieder ein trupp heimgeflogen kam. die geschichten waren einzigartig, sprühten vor leben und ideenreichtum. ich hab da so viel gelernt, dinge auf die ich nie selbst gekommen wär und die man auch nicht aus einem buch hätte lernen können. naja, ich musste in den bergen auch nicht ne verlorene hinterachse wieder fahrtüchtig bekommen. aber mir hats gezeigt was man mit spanngurt und wagenheber und keilen alles machen kann.

                                die frage "was ist wenn einer stirbt" wurde weder gestellt, noch gedacht. da hätte man sich drum gekümmert wenn es soweit gewesen wäre. heute wird alles im vorfeld durchgekaut bis zum erbrechen. keine inspiration mehr, kein grenzgängertum, kein aufbruch ins ungewisse. abenteuer mit versicherung. das ist die mentalität der heutigen zeit.

                                und dann kommt ein ueli steck, und anstatt sich inspirieren zu lassen von seiner genialität, seiner intensität, seinem können sitzen alle da und warten dass ihm was passiert. um dann mit dem finger zu zeigen war doch klar.... da hat man ja drauf warten können. marco polo wärs nicht anders ergangen, dschingis khan oder alexander dem grossen auch nicht. liste beliebig verlängerbar.

                                aber der mann hat wirklich gelebt. die ganzen couch-kartoffeln, die mit dem finger zeigen, die sind es die mir leid tun. nicht der ueli. der hat genau das vom leben bekommen was er (sich) verdient hat. und er hat gelebt, sein ding gemacht mit jeder faser seines körpers. der war erfüllt als er gegangen ist. natürlich wär er wohl lieber etwas später abgetreten (es hätt ja noch einiges zu tun gegeben für ihn, so bergtechnisch), aber ich bin sicher er hat nichts bereut.

                                alex honold, so einer beeindruckt mich. aber nicht nur der.

                                klar, das ist nicht für jedermann. es gibt ja auch jede menge zwischendrin, und jeder hat seine eigene grenze (in jedem bereich). ich bewundere leute, die ihre grenzen austesten. alex honold ist schon ein ganz extremer der über die medien auf der welt bekannt ist. aber es gibt genug leute, die das im kleinen angemessenen stil für sich vor der eigenen haustüre machen. jeder von denen hat meinen vollen respekt! auch der mensch, der darum kämpft beim anblick einer spinne nicht immer auf den küchenstuhl zu springen voller panik.

                                ich mach das auch laufend. wenn ich radle, und bei ner alpenüberquerung, nachdem ich das rad 6 stunden getragen hab, dann auf der abfahrt vollgas fahre, dann suche ich meine grenze. mein partner ist nach der ersten kurve verschwunden, ich seh ihn erst wieder als er mir nach 2 stunden entgegenkommt, weil er denkt mich hats iwo runtergeschmettert. wenn der meine grenze sieht, dann lacht er lauthals und ich mit. er kann fahren, ich bin eine niete. wenn bei mir das bild unscharf wird von den schlägen bergab auf dem waldweg, dann bin ich schon ein wenig über meine grenze hinaus. da wirds für ihn erst lustig, spannend, intuitiv. dann lebt er.

                                aber ich suche meine grenze, er erkennt das an. und das sind die momente in denen ich lebe. wirklich lebe. nicht wenn ich in der werkstatt bin und geile möbel baue. da kann ich abschalten, drin aufgehen, mich vergessen. aber das ist nicht das leben für mich. leben ist für mich wenn ich (als drogen affiner mensch) auf adrenalin bin.

                                genauso wie ich mit ner kleinen unaufmerksamkeit mir die schmuckschatulle versaue beim letzten zinken, genauso ist es bei einer solo- oder grenztour. alles was zählt ist die aufmerksamkeit. dann ist kein platz mehr für all das unwichtige im leben. dann bin ich selbst unwichtig und genau dann geht es mir am besten. dann ist kein platz irgendwas zu bereuen. dann tut man. dann lebt man. dann wird man eins mit dem drumrum. dann ist man so gross wie das ganze universum.

                                und das ist egal obs (lebens-)gefährlich ist. über die grenze gehen ist was zählt. und für mich gehört auch dazu mit den folgen meines handelns zu leben. wenn ich ins auto steige, dann kann ich sterben. wenn ich ins bett gehe genauso. das sieht keiner. ich bin mir dessen bewusst, und deshalb muss ich niemandem die schuld zuweisen wenn was passiert und deshalb würd ichs auch nicht bedauern. das wird komplett verdrängt und es fehlt einfach bei 90% der leute 90% der zeit an intensität. auf dem sofa sitzen und schauen wie bruce willis 500 terroristen abknallt und selbst mit 5 messern im rücken und 10 kugeln im bauch immer noch läuft und kämpft ist für mich nicht genug.

                                wer das nicht haben will, prima. sein ding. kann ich nicht so gut verstehen, aber akzeptieren kann ich das sehr wohl. auch wenn jemand seine grenze sucht und den knopf dabei hat. aber ich würds nicht wollen. ich würde die erfahrung vorziehen 3 tage lang mit gebrochenem bein zurückzukriechen. wär neu für mich. wenn ich s schaffe, dann hab ich was dazu gelernt das mir (und für mich) wichtig ist. ich hätte kein problem damit mir beim verbluten zuzusehen bis ich tot bin. da hab ich irgendwo nen fehler gemacht, jetzt "zahl" ich dafür. aber ich bekommme auch eine neue erfahrung geschenkt. ok, meine letzte, aber das ist nicht wichtig.

                                wer den knopf braucht, soll ihn mitnehmen und benutzen. in meinen augen nimmt er sich einen grossen teil seiner grenzerfahrung. wenn das jemand anders sieht, dann sollte er unbedingt den knopf einpacken. denn, wenn was ihm passiert, dann geht er mit leid und selbstvorfwürfen, und nicht erfüllt. und das ist nicht der sinn des lebens. jeder tod sollte einen für den sterbenden angemessenen wert haben.

                                was der rest der welt darüber denkt ist nicht wichtig für den sterbenden. und jeder den es direkt betrifft darf das für sich selbst werten, abgrenzen und ausleben. auf seine ganz eigene art und weise.

                                ich wünsche jedem der den knopf drückt viel glück und noch viele erfüllte jahre danach.

                                ... ja, lonely Cowboys haben heutzutage nur noch die Natur und die Grenzerfahrung... kommt mir irgendwie armselig vor. Dann doch lieber den Knopf...
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                                • Waldhexe
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                                  • 16.11.2009
                                  • 2875
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                                  #36
                                  Zitat von ranunkelruebe Beitrag anzeigen

                                  Hier wirkt es für mich so als seien mehrere Sachen zusammengekommen:
                                  - körperliche Erschöpfung
                                  - willkürliches Ziel, den GPS-Track zu erreichen bevor eine Pause eingelegt wird
                                  - ignorieren des deutlich sichtbar aufziehenden Sturms
                                  - nicht ausreichende Ausrüstung
                                  - nicht ausreichende Vorbereitung oder Wissen (Handschuhe nicht erreichbar, etc.)

                                  Aber wie gesagt, siehe oben, ich hab keine Ahnung, und fände es sehr lehrreich, wenn einer mit Ahnung mal seine Sicht der Dinge dar stellt.
                                  Ich finde, das sollte im Zusammenhang noch mal betont werden.

                                  1. wie schon jemand schrieb, Fehler stoßen einem nicht zu (Pech), sondern sie werden gemacht
                                  2. Unglücke (und der hier vorliegende Fall ging Gottseidank gut aus!) sind fast immer eine Verkettung von Fehlern, wie Unfallanalysen immer wieder ergeben.

                                  Zum Teil werden die Fehler schon zu Hause gemacht (z.B. falsche Routenwahl und/oder Zeitplanung, Selbstüberschätzung, fehlende/falsche Ausrüstung, fehlende Kenntnisse, falsche Partnerwahl, fehlender Partner gilt in solchen Gegenden als Fehler und sollte durch sorgfältige weitere Vorgehensweise ausgeglichen werden!).
                                  Zum Teil werden die Fehler vor der eigentlichen brenzligen Situation vor Ort gemacht (kein Plan B, falsche Einschätzung der Verhältnisse, Verfolgen von Zielen trotz Problemen, Gruppendruck, fehlende Absprachen, schlechte körperliche Verfassung durch zu wenig Essen, Pausen, Ruhe, schlechte Ausrüstung, durch fehlende/unangemessene Reaktion auf Nässe und/oder Kälte, schlechte Orientierung etc.), der Rest in der Situation (Panik).
                                  Ursache für ein Unglück ist dann eben nicht der Sturm o.ä., sondern die Kette beginnt viel früher.

                                  Was mir in Reiseberichten auffällt und was möglicherwiese auch ein männliches Phänomen ist, ist dass meiner Meinung nach viele zu sehr an ihre Grenzen gehen und sich komplett auspowern. Ich denke, das ist in Landschaften wie dem Fjäll oder Island unangemessen, weil die Herstellung von guten Regenerationsbedingungen nach Finden eines Lagerplatzes (kann auch dauern!) mindestens noch eine Stunde Arbeit erfordert (Zeltaufbau, Wasser holen, sich evtl. waschen für das Wohlbefinden, umziehen, nasse Kleidung/Ausrüstung versorgen, Schnee schmelzen, Essen kochen, essen, trinken).
                                  In einigen Berichten gingen vor allem Solowanderer bis zu dem Punkt, dass sie vor Erschöpfung nichts essen konnten oder sich kein Wasser holen konnten, nachts Durst hatten und/oder froren und der nächste Tag dadurch schon unter einem schlechten Stern steht bzw. Fehlentscheidungen und Unfälle (z.B. Stürze) wahrscheinlicher werden.

                                  Auch im vorliegenden Fall in Island war nach Überwinden zahlreicher Quicksandstellen evernorth mit Sicherheit nicht mehr fit und nass, vielleicht hungrig, ging trotzdem weiter und auf den Gletscher, hat den aufziehenden Sturm ignoriert. War vielleicht die Wahrnehmung und Entscheidungsfähigkeit schon beeinträchtigt durch schlechte körperliche Verfassung?

                                  Ich denke, im Fjäll, in Island, im Hochgebirge und ähnlichen Landschaften darf es nie soweit kommen, dass ich keine Kraft habe, auf schwierige Umstände (z.B. Kälteeinbruch) zu reagieren, darf nie so müde sein, dass ich zu gleichgültig bin die Handschuhe aus dem Rucksack zu holen oder mir was wärmeres anzuziehen, brauche immer Reserven.

                                  Bei Missachtung dessen kommt man vielleicht/hoffentlich nicht um, kann sich doch aus der Patsche ziehen oder setzt einen Notruf ab. Dennoch wirft es ein schlechtes Licht z.B. auf andere Wanderer gleicher Nationalität, wenn "verrückte Deutsche" aufgrund unprofessionellem Verhalten gerettet werden müssen.

                                  Dank evernorth für die offene Schilderung, das ist unglaublich wertvoll! Die meisten von uns haben wohl schon dümmere Fehler gemacht (mein dümmster war auch in Island... ), wichtig ist, draus zu lernen um rechtzeitig zu merken, wohin das ganze steuert. Und die Unglückskette dann zu unterbrechen!

                                  Ich denke, all das ist keine moderne "Vollkaskomentalität" sondern professionelles, verantwortungsbewusstes Verhalten. Auch frühere Entdecker oder "Grenzgänger" haben sich nicht ins Blaue gestürzt sondern Risikomangement betrieben wo möglich.
                                  Leute mit einer Einstellung wie danobaja sollten sich bei den Rettungsleitstellen abmelden, da sie auch potentielle Retter in Gefahr bringen. Abgesehen davon kann jeder machen was er will, sofern er keine Angehörigen hat.


                                  Gruß,

                                  Claudia
                                  Zuletzt geändert von Waldhexe; 14.03.2018, 13:22.

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                                  • Juergen
                                    Fuchs
                                    • 17.01.2011
                                    • 2221
                                    • Privat

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                                    #37
                                    AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                                    Zitat von ranunkelruebe Beitrag anzeigen
                                    Hier wirkt es für mich so als seien mehrere Sachen zusammengekommen:
                                    - körperliche Erschöpfung
                                    - willkürliches Ziel, den GPS-Track zu erreichen bevor eine Pause eingelegt wird
                                    - ignorieren des deutlich sichtbar aufziehenden Sturms
                                    - nicht ausreichende Ausrüstung
                                    - nicht ausreichende Vorbereitung oder Wissen (Handschuhe nicht erreichbar, etc)
                                    Ich sehe das genauso und versuche mal, die ganzen Versäumnisse chronologisch darzustellen:
                                    1. Ausrüstungsplanung
                                      Auf dem Gletscher ist man auf dem Präsentierteller und Winde in Orkanstärke
                                      sind in Island häufig. Das ganze Konzept, ein Zelt mit zwei Eisschrauben zu
                                      befestigen, kann nicht funktionieren, egal bei welchem Zelt. Es fehlen also:
                                      - Ein Zelt, das sicher 120 km/h aushält und sich bei 100 km/h aufbauen lässt
                                      - Ein Biwaksack, falls das Zelt versagt oder sich nicht aufbauen lässt
                                      - Geeignete Schlingen für Eissanduhren
                                    2. Zeitplan (23.07.2017)
                                      Schon am ersten Tag ist er "konsterniert", weil der Zeitplan durcheinander kommt.
                                      Jegliche Überlegung, wieviele Reserven an Zeit und Nahrung zur Verfügung stehen,
                                      fehlen im Bericht. Aus der Wortwahl "konsterniert" schließe ich, dass es da ein
                                      Problem gibt. (UL auch beim Nahrungsvorrat ?!?)
                                    3. Kein Abbruchplan (geordneter Rückzug)
                                      Normalerweile überlegt man sich auf einer längeren Solotour, wie groß die Vorräte
                                      an Zeit und Nahrung sind und wo der "Point of no Return" ist. Hierzu finde ich
                                      keinen einzigen Gedanken, es gibt nur eine Richtung.
                                    4. Tourenplanung am 27.07.2017
                                      Schon am Vormittag ist der Wind so stark, dass er "merklich langsamer voran"
                                      kommt. Dennoch gibt es keine einzige Überlegung über Konsequenzen oder
                                      Alternativen:
                                      - keine Gedanken zu alternativen Zeltplätzen und/oder zusätzlichem Zwischenstopp
                                      - Betreten eines gefährlichen Geländes (Schlamm, Wasser, Quicksand) ohne
                                      Rückzugs- oder Abbruchplanung (er kommt vom Regen in die Traufe)
                                      - Rucksack wird nicht umgepackt: Handschuhe + warme Wäsche nach oben
                                      - keine einzige Erwähnung der Möglichkeit, sich nach der "Schlammschlacht"
                                      trocken einzukleiden oder über Konsequenzen nachzudenken, falls keine
                                      trockene Kleidung dabei ist
                                    5. Planung bei Erreichen des Gletschers
                                      Mittlerweile ist schon von Sturm die Rede und der einzige Gedanke sollte sein,
                                      sich in Sicherheit zu bringen. Dennoch:
                                      - GPS-Track steht trotz bevorstehender Notlage im Vordergrund
                                      - keine Reflektion über die eigene Verfassung im Bericht erkennbar (erst um 22 Uhr)
                                      - Keine Überlegung, ob es in der Sand- und Steinwüste vor dem Gletscher irgendeine
                                      Stelle gibt, die ein Zelt trägt. Steine zum Bau eines Mäuerchens gab es ja genug
                                    Sollte ich irgendetwas falsch darstellen, bitte korrigiert mich. Es geht mir nicht darum,
                                    evernorth in irgendeiner Weise zu schaden. Ich habe Respekt davor, dass er seine
                                    Fehler offen darstellt und auch Respekt vor der Leistung, die man für eine solche Tour
                                    benötigt.

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                                    • danobaja
                                      Alter Hase
                                      • 27.02.2016
                                      • 3287
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                                      #38
                                      AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull

                                      Zitat von Galadriel Beitrag anzeigen
                                      ... ja, lonely Cowboys haben heutzutage nur noch die Natur und die Grenzerfahrung... kommt mir irgendwie armselig vor. Dann doch lieber den Knopf...
                                      steht dir frei! mein ich ganz ehrlich.

                                      nur noch die natur und die grenzerfahrung? so manches zwischenmenschliche hat mir grenzerfahrungen gebracht. meine allerübelste zum beispiel. trotzdem würde ich nicht drauf verzichten wollen. war die beste zeit meines lebens als ich durch war!

                                      fährst du auto? ich schon , und ich finds jedesmal grenzwertig.

                                      aber selbst wenn ich so riskant wie möglich, bei vollster aufmerksamkeit!, staubsauge erkenne ich keine grenzwertigkeit. nicht für mich zumindest. und solche dinge gibts viele in eines cowboys leben.... aber die sind ja hier nicht das thema.

                                      und der den du ansprichst ist überhaupt nicht lonely.
                                      danobaja
                                      __________________
                                      resist much, obey little!

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                                      • qwertzui
                                        Alter Hase
                                        • 17.07.2013
                                        • 2877
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                                        #39
                                        AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                        Meine Touren waren bisher noch so zivilisationsnah, dass mein Tourpartner zu Fuß hätte Hilfe holen können. Mein Sicherheitskonzept besteht darin, dass die Ausrüstung so ist, dass ich hoffe, eine Nacht bis Rettung kommt überleben zu können.

                                        Mein Partner und die Zvilisationsnähe ergeben zusammen sozusagen einen " Knopf".
                                        Wenn viel Pech zusammen kommt, d.h. man erst durchnässt und dann ein eiskalter Sturm kommt, kann das auch versagen.

                                        Ich treffe eigentlich permanent Entscheidungen, die mit Pech grasse bis lebensgefährliche Fehlentscheidungen wären. Da ich bisher immer Glück hatte, waren es alles schöne Erlebnisse, von denen ich vielleicht im Alter noch zehren kann, wenn der Körper vor dem Kopf nachlässt.

                                        Ich kenne auch Leute, die nie in gefährliche Situationen kommen, die sind aber auch deutlich seltener draußen als ich. Meine persönliche Risikoabschätzung kommt zu dem Ergebnis, dass ich weniger gefährdet bin, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben.

                                        Ich treffe also auch ohne "Knopf" Entscheidungen, die andere Leute für leichtsinnig halten mögen. Aus meiner Sicht hat evernorth zwei hervorragende Entscheidungen getroffen: einmal, den Knopf mitzunehmen und einmal, ihn zu drücken. Eine Unterkühlung steht einer Verletzung nicht nach. Die besondere Gefahr besteht darin, dass man mit Unterkühlung, einfach tot wieder aufwachen kann. Die persönliche Risikobereitschaft ist meines Erachtens Teil des Charakters und entzieht sich der Wertung. Die teils harsche Kritik finde ich daher völlig daneben.

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                                        • Bergzebra
                                          Erfahren
                                          • 18.02.2013
                                          • 285
                                          • Privat

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                                          #40
                                          AW: Notruf und Verhalten in Notsituationen (am Beispiel v. Island solo 2017-Beri

                                          Zitat von Pielinen Beitrag anzeigen
                                          Ja, das wäre auch ein Faden wert: „ Verändert der Knopf das Verhalten“.
                                          Meiner Meinung nach verändert ein "Knopf" deutlich den eigenen zulässigen Grenzwert in einer Situation. Ohne "Knopf" muss die jeweilige Vorgehensweise funktionieren (und wenn es nur bedeutet, dass ein einigermaßen geordneter "Rückzug" möglich sein muss).

                                          Ein "Knopf" ist im Prinzip nichts anderes als eine imaginäre Sicherheitsreißleine oder ein "Scotty beam me up"-Einheit aus Raumschiff Enterprise.

                                          Ich hatte vor Jahren einen Bildervortrag, wo ich einen kurzen Film zeigte an einem etwas "interessanteren" Wanderweg in der Khumbu-Region in Nepal.
                                          Waren etwa 50m "Treppenstufen" bergauf, 30-50cm breit, seit Stunden Dauerregen, links glatte Felswand, rechts nichts und dann mehrere einhundert Meter tief >80° steile Abflugmöglichkeit in den Regenwald. Keine Möglichkeit der Sicherung am Felsen.
                                          Nach 1/3 des Films sagt eine Person aus dem Publikum, sie "kann sich die ganze Sache nicht mehr mit anschauen". Habe zunächst gedacht, dass ich ein sehr schlechter Kameramann war, da die gleiche Person im Vorjahr Bilder und Filme von waghalsigsten Klettertouren mit Seilsicherung gezeigt hatte.

                                          Dann aber der Satz der Person: "Mit Seil mache ich bei Klettertouren alles, ohne Seil nur noch in die Hose."

                                          Ohne jetzt die Vorgeschichte bzw. -thread zum Thread gelesen zu haben: oft macht man sich nicht klar, bis wann welche Entscheidung auf einer Tour spätestens getroffen sein muss ("Point of no return").

                                          Zitat frei nach Andrew Stevenson aus "Rund um den Annapurna": "Es gibt Tage im Leben, da sollte man besser in seinen eigenen Schuhen gehen, als seinen Schuhen beim Gehen zuzuschauen."
                                          Zuletzt geändert von Bergzebra; 14.03.2018, 15:06. Grund: Tippfehler
                                          Schaffe Dir Erinnerungen bevor Du nur noch diese hast!

                                          Nur heute wärmt uns das Feuer, gestern war es Holz und morgen wird es Asche sein.
                                          (Autor unbekannt)

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