[AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Torres
    Freak

    Liebt das Forum
    • 16.08.2008
    • 30593
    • Privat

    • Meine Reisen

    [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Vorwort:

    Dieser Reisebericht ist kein klassischer Reisebericht. Wer mich kennt, weiß allerdings, dass mein Interesse der Landschaft, den Menschen und den Tieren gilt, wie auch immer ich unterwegs bin. Wer sich also für die gewonnen Einblicke interessiert, den nehme ich gerne mit auf diese Reise. Die Fortbewegungsmittel und Unterkünfte werde ich nur andeutungsweise thematisieren, Nachfragen beantworte ich höchstens per PN. Ganz ohne Zeugnisse urbanen Lebens wird es allerdings nicht gehen, hier bitte ich um Nachsicht. Im Gegenzug gibt es grandiose Naturaufnahmen, die dafür mehr als entschädigen.

    Wer sich an dieser Art des Reisens stört, den bitte ich, den Bericht nicht zu lesen und um das Verständnis, dass ich es einfach leid bin. Seit gut 20 Jahren verbringe ich meinen Outdoor-Januar-Jahresurlaub schwerpunktmäßig in irgendwelchen Hotels oder Hostels, weil ich die Tour aufgrund der Wetterbedingungen abbrechen musste, nicht Ski fahren kann, die Campingplätze geschlossen haben. Der letzte Tourabbruch erfolgte letzten Dezember, als die Tretrollertour durch Thüringen aufgrund zuviel Schnee, überfrorenem Schnee, Eisregen und Sturzregen in einem Leipziger Hostel endete. Ich bin zu alt, um derartige Widrigkeiten im Urlaub zu ignorieren und merke mittlerweile ein bisher unbekanntes Bedürfnis, etwas von der Welt zu sehen! Zum Schluss, als ich mich besser auskenne, klappt es dann auch mit klassischem Outdoor.


    Einleitung:

    Die Dame vom Reisebüro kennt mich noch aus dem letzten Jahr. Ich habe den Einsatz erhöht, er wird nicht reichen. Alleinreisenden wird es schwer gemacht. Kanaren. Pfff, sagt sie, können Sie später auch noch machen, das läuft nicht weg. Sri Lanka. Mit Outdoorwanderungen. Keine Flüge im Reisezeitraum. Und überhaupt die Flugangst. Vereinigte Arabische Emirate. Oh, ne. Und das mit den Frauen. Ach was, sagt die gebürtige Iranerin, da nicht, nur in der Moschee, man ist dort liberal, Frauen dürfen auch arbeiten. Sie klickt und klickt und klickt. Das Wort „Wüste“ fällt. Und mein Herz macht einen klitzekleinen Sprung, so, wie damals, als die Finnin sagte: „Übrigens, Schnee ist hell“. Meinen Sie wirklich? Klar, sagt sie, in dem Hotel war ich schon, das ist sauber, nicht so wie andere in der Preisklasse. Sie schnürt ein Paket. Später werden ich merken: Alle, außer mir, waren da anscheinend schon. Langweilig soll es dort sein. Nichts los. Ja, wunderbar. Ich setze mich einfach in die Wüste und mache nichts. Mir wird schon etwas einfallen. „Wer weiß, wie lange man da noch hinfahren kann“, sagt die Dame. Ein gewichtiges Argument.
    Die Reisekosten sprengen das gesetzte Budget um mehr ein Drittel. Egal. Als Kind habe ich am liebsten die Landkarte der Arabischen Halbinsel bis zur Grenze zu Jordanien und Irak gemalt. Spätfolgen von Karl May? Mein Lieblingsland war Kuwait, als kleiner Zipfel am nördlichen Saudi-Arabien, Fischers Weltalmanach vertiefte diese Liebe. Das restliche Gebiet gehörte für mich zu Saudi-Arabien, gestrichelte Linien wiesen vermeintliche Provinzen aus (Südjemen (=Jemen), Oman und Maskat (=Oman), Trucial Oman (sic!), Katar, Bahrein. (Westermann Atlas, 1970). Über diese Länder wusste ich nichts, das wurde auch nicht unterrichtet. Von den Vereinigten Arabischen Emiraten (Trucial Oman) war keine Rede. Ich unterschreibe. Die Reise ist gebucht.


    Anreise:

    Es ist nasskalt in Hamburg. Ich bekämpfe meine Flugangst mit einem Cheeseburger. Henkersmahlzeit. Die Gepäckwaage konstatiert für den großen Rucksack 15 kg, für den Handrucksack 5 kg. Das sind zwar 17 kg unter der Grenze, aber dennoch unbefriedigende UH Kategorie. Es besteht Änderungsbedarf. Okay, ich hab keine Ahnung, was ich einpacken soll. Business? Sommer? Hochsommer? Kalte Nächte? Ich hatte Übernachtung in der Wüste gebucht. Und hoffe auf eine Paddeltour. Ich packe von allem etwas, 6 paar Schuhe alleine, die Eleganz und die warmen Hausschuhe hätte ich weglassen können, hinterher ist man schlauer. Schals auch. Paddelhose und Paddelschuhe habe ich übrigens auch dabei.

    Ein Mann stopft eine Palette Underberg Duty free in seinen Handkoffer. Der Flieger ist riesig, ich sitze am Gang. Ich suche mir einen beruhigenden Blues aus, aber die Dateien sind gelöscht. Kein Abspielen ohne Internetempfang. Ich werde wahnsinnig. Die anderen Alben: Das gleiche Spiel. Die Datenwiederherstellung von gestern hat die Songs gelöscht. Ich finde ein Unbekanntes Album, meine Rettung. Eine CD, selbst auf das Handy kopiert. Das Flugzeug setzt sich mit röhrenden Motoren in Gang. Olavi Virta oder Eero Aven. Ich weiß es nicht. Ich haue den Regler nach oben. Finnischer Tango. Und während sich das Flugzeug aufmacht, meine in mühsamen Jahren erradelte positive CO2 Bilanz zu vernichten, wiegt sich mein Körper und Geist in finnischer Musik, und katapultiert mich auf die Fähre nach Helsinki. Und in völliger Klarheit sehe ich noch einmal das im kalten Licht der Bar aufreizend Tango tanzende, betrunkene finnische Paar, während etwas weiter links eine syrische Flüchtlingsfamilie die Kinder und die im Rollstuhl sitzende Tochter mit Keksen und Softdrinks füttert. Was für ein Start.

    Sieben Stunden später lande ich in Dubai. Es ist Ortszeit kurz nach zwölf (MEZ 21.00 Uhr), der Zeitunterschied beträgt drei Stunden. Der Flughafen ist riesig, Schilder fehlen, einfach geradeaus, der wenigen anderen nach. Die Halle dagegen voll. Eine lange Schlange, einreihen. Angespannte Stimmung. Unglaublich. Noch nie habe ich so viele unterschiedliche Nationalitäten auf einem Haufen gesehen, die Menschen mit weißer Hautfarbe fallen auf, sie sind in der Minderheit. Asien. Ich bin in Asien, auch das hatte ich in den letzten Tagen gelernt, eigentlich klar, neben Afrika ist Asien, aber Arabien, das war doch nicht Asien, sondern Arabien. Asien ist China oder Indien. Gegenüber von Dubai, auf der anderen Seite des Persischen Golfes, liegt Iran, von Oman aus drei Stunden mit dem Schiff. Ferne Länder, plötzlich so nah. Der Mann mit dem Underberg ist vor mir, hallo, Herr Underberg, sage ich scherzhaft, um irgendwie anknüpfen zu können, an meiner abendländischen Existenz, er schüttelt wütend den Kopf.
    Man spürt die Kameras, überall sind Augen, hier wird nicht gelacht, schnell, schnell, alle warten. Ein Einheimischer an der Passstelle, hier, im sicherheitsrelevanten öffentlichen Sektor sind es Einheimische, das weiße Gewand, mit den schwarzen Ringen auf dem Kopf, Polizisten patroullieren. Der Reisepass. Klack, ein Stempel. Ohne Visum geht nichts. Flließbandarbeit. Gepäckkontrolle. Der Mann mit dem Underberg wird herausgewinkt. Eine lange, unendliche scheinenden Halle. Der 65 Literrucksack sitzt, ich spurte. Wo ist der Reiseveranstalter, ich werde abgeholt. Ich finde das Schild nicht und spreche ohne Hemmungen die herumstehenden Fahrer an. Endlich das Schild. Okay, ich komme. Ich verlasse den internen Bereich und stürme auf ihn zu. Sind Sie? Ja! (Ich muss schlafen, denke ich, das sage ich natürlich nicht). That´s your driver. Okay. Der Mann schaut, als hätte er einen Erscheinung, nein, nein, nicht das Gepäck abnehmen, der Rucksack ist schwer. Gut, das Handgepäck. Wir eilen zum Auto. Vor der Tür erschlägt mich die Wärme. Eine Flut von weißen Autos, Taxis oder nicht, vierspurig. Ein Deja-Vu. JFK Airport, die Sirenen der Polizei, der Verkehr. „You are in New York....“. Der junge Autoverleiher, der mit unseren Preisvorstellungen nicht übereinstimmte, Jahre her. Ich bin heilfroh, mich nicht selbst um alles kümmern zu müssen. Die Autos hopsen über die Zebrastreifen, aber es hat System, anscheinend hat man eine Chance, wir schlängeln uns zum Auto, die Rucksäcke in den Kofferraum. Ich hatte den Direktflug nach Dubai gewählt, es geht nach Abu Dhabi.

    Kalt und glitzernd die Silhouette der Hochhäuser. So groß ist die Stadt gar nicht, aber lang, ewig lang. Der Fahrer verweist auf die Sehenswürdigkeiten, vor zwanzig Jahren war hier noch Wüste. Ist das alles ein Computerspiel, eine virtuelle Realität? Ich kann mich nicht entscheiden. Blinken, Glitzern, seelenlos, Fassade. Partnerstadt von Frankfurt am Main. Das sieht man, denke ich. Die Einheimischen wohnen hier nicht, sagt er, die haben Häuser. Wer heiratet bekommt vom Staat ein Haus (gilt aber nur für die Heirat mit der ersten Frau, weshalb Vielehen nicht mehr so häufig sind). Er kommt aus Pakistan, keine Frau, keine Kinder, aber eine Mutter. Deutschland ist ein tolles Land, ein Freund hat eine deutsche Frau geheiratet und durfte bleiben. Dann darf es aber keine Scheinehe sein, ich erkläre ein wenig, er seufzt, sowieso zu weit weg und teuer. Hier sind die Regeln klar. Ein Leben auf Zeit, die Emiratis heiraten nur untereinander und Eigentum kann nur erwerben, wer viel Geld hat, auch nur Nutzungsrecht, meistens. Familiennachzug muss man sich leisten können, die meisten können noch nicht mal die Miete zahlen, man teilt sich zu fünft ein Appartement. Wer alt ist, muss gehen, kaum alte Leute im Straßenbild. Er schätzt mich zwanzig Jahre jünger, schmeichelhaft, aber das werde ich öfter hören, hier altert man schneller, die Sonne, die harte Arbeit, schlechte Ernährung. Der Weg zieht sich endlos, ab und zu huschen Häuserzeilen vorbei, alles sieht gleich aus. Was habe ich getan?
    Abu Dhabi. Reicher als Dubai. Dezenter. Hochhäuser, aber nicht so viele. Abu Dhabi ist eine Insel. Kleine Sternchen blinken, das Dach des Louvre. Es ist jetzt 3 Uhr (MEZ 00.00 Uhr), ich bin aufgedreht und müde zugleich. Ein glänzender Palast, ist das Marmor auf der Straße? Lichterfontainen. Irreal. Völlig irreal. Er biegt ab. Ihr Hotel. Ich bin zu müde, um Eindrücke aufzunehmen. Elegant, Funktionell. 5 Euro für den Fahrer. Zuviel? Zuwenig? Okay, sagt die Rezeptionistin. Der Fahrer wohnt in Dubai, die gleiche Strecke wieder zurück.
    Es ist menschenleer in der Lobby. Touristensteuer, ich habe Dirham, zahle bar. Orientierungsschwierigkeiten, das Klima, die lange Flugzeit (Symptome von Höhenkrankheit habe ich auch bei Flügen), ich schwanke zum Hotelzimmer. Die Karte funktioniert nicht. Nochmal, Nochmal. Ich höre Stimmen. Kinder? Ich versuche wieder zu öffnen, irgendwas läuft hier nicht richtig, ich wecke irgendwelche Leute auf. Zurück. Ein Mensch. Wie schön. Ich habe eine 1 übersehen. Ein riesiges Zimmer. Ein luxuriöses Bad. Mein Gepäck ist bereits da. Ich hätte auch ein Zelt genommen. Das erste Mal, dass ich keins dabei habe.
    Die Balkontür. Wasser und ein Lichtermeer der Stadt. Aha, das nennt man hier Meerblick. Auf künstlichen Inseln ist Baustelle. Ich greife zum Tele. Der Mond geht gerade auf. Er hängt schief.


    Zuletzt geändert von Torres; 31.01.2018, 18:35.
    Oha.
    (Norddeutsche Panikattacke)

  • Ziz
    Administrator

    Vorstand
    Administrator
    Lebt im Forum
    • 02.07.2015
    • 7333
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

    In die 17kg zur Maximalgrenze hätte ja neben deiner Paddelbekleidung noch ein ganzes Boot gepasst. Und ich rede nicht mal von den Planschpackrafts.

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
    Nein.

    Kommentar


    • danobaja
      Alter Hase
      • 27.02.2016
      • 3287
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

      schön zu lesen! ride on, torres!

      ich bin gespannt auf den rest.
      danobaja
      __________________
      resist much, obey little!

      Kommentar


      • Intihuitana
        Fuchs
        • 19.06.2014
        • 2042
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

        Soso, Wüste.
        Endlich auch mal wieder jemand in der besten Landschsft unterwegs. Sehr vernünftig von dir.

        Spass beiseite. Gerade ich bin besonders gespannt, wie du die Wüste aufgefasst hast. Freu mich auf die Fortsetzung.
        Russian Roulette is not the same without a gun. - Lady Gaga

        Kommentar


        • Scrat79
          Freak
          Liebt das Forum
          • 11.07.2008
          • 12532
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

          Dann abbonier ich mal den Ketzterfaden hier.
          Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
          Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

          Kommentar


          • Enja
            Alter Hase
            • 18.08.2006
            • 4750
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

            Aber klar doch. Ich hoffe, es geht bald weiter......

            Kommentar


            • Bulli53
              Fuchs
              • 24.04.2016
              • 2058
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

              Bis auf den chessburger ist alles ok. Bei mr ist es so, dass mit zunehmenden Alter der mit technischer Hilfe durchgeführten Touren steigt. Das ist durchaus legitim.
              In der Hoffnung das Du dich nicht verschrecken lässt und Dein Bericht wertvolle Anregungen für die 60 + User enthält.

              Kommentar


              • Katsche
                Dauerbesucher
                • 06.10.2016
                • 954
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                Du schreibst gut, Torres! Da is fast egal, wasde machst...

                Kommentar


                • Torres
                  Freak

                  Liebt das Forum
                  • 16.08.2008
                  • 30593
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                  Abu Dhabi

                  Frühstück. Morgensonne. Neben mir sitzen zwei deutsche Frauen, Tipps kursieren, fast, wie in den alten Jugendherbergszeiten, bestimmte Dinge werden mündlich weitergegeben. Geheime Aussichtsplattformen, der kleine Supermarkt. Für weitere Bedürfnisse gibt es die Mall, dort kann man Geld wechseln. Man bewegt sich hier per Taxi. Eine Frau mit Burka – Touristin aus Saudi-Arabien – bringt mit den Augen und kurzen Anweisungen ihren kindlich wirkenden Gatten auf Linie, der sich in Shorts auf dem Stuhl räkelt. Ein junger Emirati bückt sich und hebt die heruntergefallene Olive auf. Die Sonne lacht und kurz setze ich mich in den Garten. Vögel zwitschern. Vögel. Um diese Jahreszeit. Es ist Musik in meinen Ohren. In Finnland war es immer so still.

                  Ich brauche Geld und einen neuen Kopfhörer, nachdem ich so schlau war, im Flugzeug aufzustehen, ohne vorher den Kopfhörer auszustöpseln. Aber ich wollte ja sowieso die Umgebung nach Wandermöglichkeiten erkunden. Und mache mich auf den Weg zur Mall. Standesgemäß. Wanderschuhe der Kategorie B, lange Hose, T-Shirt, Paddelhut. Ich schlägele mich an den anfahrenden Wagen und Taxis vorbei und suche den Gehweg. Er entpuppt sich als schmaler Streifen, zugeparkt, der Bodenbelag wechselt zwischen zierendem Granulat und Sand. Durchsetzt mit hohen Kantsteinen. Ich lerne, dass die häufigste Designform von Gehwegen Baustelle oder unwegsames Gelände ist, die es zu umlaufen gilt. Dafür habe ich natürlich die richtigen Schuhe, auch wenn die Füße nach kurzer Zeit kochen. Wobei ich erwähnen muss, dass in der Nähe der Emirati-Häuser durchaus Bürgersteige zu finden sind. Auch wenn sie kaum jemand benutzt. Hier sind keine.





                  Das Shirt klebt, und ich laufe die Hauptverkehrsstraße entlang. Nebenstraßen scheint es hier nicht zu geben, entsprechende Versuche scheitern. Die Autos dröhnen, immerhin gibt es kurz darauf einen Fuß- und Radweg. Die Hochhäuser neben mir leuchten in der Sonne.








                  Ein Poller wurde von einem Auto flachgepresst. Eine Gruppe von vier Touristen ist vor mir, es sind Amerikaner, sie weisen mir den Weg. Endloses Warten an den Ampeln, die Wartezone ist winzig und reicht gerade für zwei bis drei Personen, Autos haben Vorrang. Die Zahl der Fußgänger, die ich von der Kreuzung aus beobachten kann, beschränkt sich auf höchstens acht Personen, alles Europäer. Alle anderen Menschen sind Arbeiter, welche die Blumen pflegen, den Bordstein fegen, Autos umparken oder auf Baustellen beschäftigt sind. Man geht hier nicht zu Fuß, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.

                  Ein kühlender Wind weht, der kurz darauf den Körper vor Hitze explodieren lässt, ich denke an den Aufguss in der Sauna, der erst Linderung verspricht, um dann mit Wucht zurückzuschlagen. Und auch, wenn ich Hochhäuser nicht mag, so ist dieser Anblick doch besonders. Urlaubsprospekt, irgendwie, wenn man einen derartigen Urlaub schätzen würde..





                  Hier gibt es nun einen richtigen Bürgersteig. Die Radfahrer fahren wie bei uns auf dem Gehweg, trotz der mahnenden Schilder, zwei Männer haben Angeln dabei. Kurz davor war ein Fahrradverleih, der seitenlange Text über Haftung und Strafen ernüchtert mich, ich habe den dumpfen Eindruck, das ist hier kein Fahrradland. Die Arbeiter starren mich an, und ich fühle mich unwohl. Nicht unsicher, nein, das hier ist ein totalitärer Staat. Aber unwohl.








                  Auf der anderen Seite der Brücke Bänke. Sitzt aber niemand. Vielleicht eher abends oder am Wochenende? Oder Deko? Im Sommer sind hier um die 50 Grad, da geht keiner auch nur zwei Schritte von der Klimaanlage fort.





                  Die Mall ist riesig, ich übersehe die Information und verlaufe mich. Ein resiges Mammutskelett. Original aus der Region, scherze ich mit dem Aufseher. Erst versteht er nicht, dann lacht er auch. Es ist aus Sibirien, Attraktionen sind anscheinend wichtig. Alle internationalen Ketten sind angesiedelt, orientalische Exotik ist Fehlanzeige. Ich finde endlich eine arabische Bank, vor der Bank ist ein Counter, ein Mann im Anzug berät einen Kunden. Kurz überlegt, ob er sich um mich kümmern soll, aber der Kunde braucht seine Hilfe. Das dauert. Ich entscheide genau in dem Moment, in dem ein weißgekleideter junger Emirati auf den Automaten zueilt, eine Nummer zu ziehen, um die Sache zu beschleunigen. Erst drücke ich auf einen Knopf, der gar kein Knopf ist, dann finde ich mit Hilfe des Emirati den richtigen Knopf und lese die Frage: „Are you an existing customer“. Aufgrund meiner philosophischen Neigung überfordert mich die Frage, sorry, sage ich, ich würde existieren, wäre aber kein Kunde. Er lacht, drückt auch herum und winkt dann mit einer kurzen, bestimmten Handbewegung den Mann herbei, er solle mir jetzt mal helfen. Das ist dem Herren nicht ganz recht, anscheinend ist er ein höherer Angestellter, und sieht sich in seinem Stolz verletzt, aber er fügt sich und zieht irgendeine Nummer. Nun hat der junge Mann noch eine Frage, und demonstriert seine Macht, widerwillig gibt er Auskunft, woraufhin der junge Mann auf einer Wartebank Platz nimmt, sich die Kopfhörer ins Ohr klemmt und sich in sein Iphone vertieft.
                  Die Nummer nutzt mir nichts, die Wechselstelle ist unten beim Carrefour. Der Carrefour ist riesig, und ich widerstehe der Versuchung, die Flasche Persil mit Zusatzflasche im Sonderangebot zu erwerben. An der Obsttheke frage mich eine Frau mit Kopftuch, ob die Trauben kernlos sind, gemeinsam stellen wir fest, nein. Das Baguette ist durch Fladenbrot ersetzt, aber ansonsten ist das Sortiment durchaus französisch. Nur das Mineralwasser mit Kohlensäure versteckt sich, lange suche ich in den Gängen, bis ich endlich die Luxusnische finde, eine Flasche kostet gut zwei Euro. Einheimische, Touristen und wer es sich leisten kann, flanieren durch die Gänge und wirft riesige Mengen an Einkäufen auf das Band. Ich erinnere mich an die französischen Expresskassen, ja, auch die sind hier.


                  Ich flüchte ins Freie. Maschinen rauschen, ein Wasserwerk. Wo kommt hier eigentlich das Wasser her? Meerwasserentsalzungsanlagen, werde ich später erfahren. Energie ist preiswert. Nachhaltigkeit? Wohl kaum. Bettelampeln, die gleichen, wie bei uns.
                  Ein Bauzaun ist bemalt. Lachende Menschen, die Frauen Kopftuch. Ein Sportwagen durchbricht eine fiktive Mauer. Kitsch. Was soll das Bild sagen? An einem Verteilerkasten esse ich Tartelletes fraise.





                  Die Erdbeeren sind säuerlich und schmecken nach nichts. Ach was, ein Hoch auf die französische Kultur.
                  Es zieht mich ans Wasser.





                  Ein Palast leuchtet im blassen Sonnendunst. Es ist der zukünftige Regierungspalast. Noch nicht fertig, erfahre ich später. Ich finde eine Bank, aber setze mich nicht. Heiß ist es hier, trotz des Windes. Alles planiert, parzelliert, eingemauert. Kann es sein, dass es hier gar keine Natur gibt? Dass ich in einem Land gelandet bin, wo Outdoor noch nicht einmal theoretisch vorgesehen ist? Einer perfekten Illusion von Natur? Sind hier nur das Meer und die Vögel echt? Fast beruhigend, ein halbwildes Lebewesen zu sehen.








                  Möwen kreischen. Gut, Möwen gibt es hier auch. Und Wellen. Kleine Wellen, aber immerhin, das Wasser ist tatsächlich echt.








                  Ich laufe noch ein bisschen die Promenade hoch, dann ist es mir zuviel Verkehr, und ich drehe um. Eine wilde Katze schleicht über die Steine, als sie mich sieht, verschwindet sie unter den Steinen, windet sich durch die Lücken, so verhungert, wie sie ist. Moin.





                  Palast. Allerdings noch nicht in Betrieb.





                  Die Vögel gefallen mir besser.





                  Ich quetsche mich am Zaun entlang, es geht über eine Baustelle, eigentlich ist der Weg gesperrt. Der Baum. Ist der echt?





                  Alt sieht er aus. Vielleicht wurde er irgendwo ausgegraben und schon ausgewachsen eingegraben? Englischer Rasen um ihn herum. Ein Golfcaddy. Die Autos der vierspurigen Straße lärmen und lärmen. Fährt man hier nur Auto? Der Mond, ich erkenne ihn wieder.





                  Der Fußgängerweg ist nun gesperrt, ich muss wieder den halben Weg zurückgehen. An der Ampel sitzt ein Gartenarbeiter mit kopfumwickelndem Kopftuch auf einem Plastikstuhl, während die Autos an ihm vorbeirasen. Was mache ich hier? Das hatte ich mir anders vorgestellt. Sand und Beton, Sand und Beton. Kein Wunder, dass es so wenig Outdoorinformationen gab. Und heute morgen hatte ich bereits nach einer Kajaktour gefragt, auch das eine Enttäuschung. Derzeit haben wir keine Mangroventour für Einzelpersonen, mindestens zwei müssen es sein, aber vielleicht nächste Woche. Und ein Kajakverleih? Davon weiß er nichts, das gibt es hier nicht. Haha, das nächste Mal nehme ich mein Kajak mit. Das Beste draus machen, hilft ja nichts.

                  Eine Bushaltestelle. Um die Busse der Bevölkerung schmackhaft zu machen, fuhren sie im ersten Jahr kostenlos. Trotzdem, Trauben von Wartenden sieht man vergebens, wie ich immer wieder feststellen werde. 30 cent kostet der Liter Benzin, gerade wurde auf 50 cent erhöht. Hart für die Armen, trotzdem: Auto, Auto, Auto. Noch weiß ich nichts von den kilometerlangen Vorstädten. Ich studiere den Fahrplan, anscheinend werden nur zwei Straßen überhaupt bedient. Der Bus hält und eine Frau mit Kinderwagen steigt ein, nachdem sie mich betrachtet hat, als wäre ich ein Außerirdischer. Anscheinend interessieren sich Touristen nicht für Busfahrpläne, ich bin ihr wohl unheimlich. Ich werde später einen Busplan ausdrucken können, aber das System erschließt sich mir bis zuletzt nicht, da, wo ich jeweils hinwill, fährt keiner hin.


                  Ist ja gut.





                  Auf Sand gebaut. Wüstensand und Meeressand. Und der Rest? Wüste?





                  Eine junge Frau malt ein Herz in den Sand. Am Ende sind es drei Herzen. Ein Foto mit dem Smartphone. Ich muss lächeln. Immerhin. Einiges gefällt mir auch gut hier.


                  Oha.
                  (Norddeutsche Panikattacke)

                  Kommentar


                  • Torres
                    Freak

                    Liebt das Forum
                    • 16.08.2008
                    • 30593
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                    Der nächste Dämpfer kommt am nächsten Tag. Dass man hier seinen Bewegungsdrang nur auf staubigen, verkehrsreichen Straßen ausleben kann, ist mir langsam klar, wobei ich selbst spüre, dass die Sonne drückt, mittlerweile habe ich die leichteren Wanderschuhe angezogen. Meine Frage nach bewegungstauglichen Alternativen wird noch nicht einmal verstanden, das totale Unwissen im Blick. Im Sommer sind hier über 50 Grad, da bewegt sich keiner mehr, ist die Standardantwort. Draußen sein heißt, ins Auto einsteigen und aus dem Auto aussteigen, denke ich bitter. Ich vertrete mir dennoch die Beine, was soll ich sonst tun, die Kantsteine sind aus Marmor, man kann darauf balancieren, denn sie haben den Charakter einer kleinen Mauer, welche die Straße vom Sand trennt. Aber das meine ich nicht mit dem Dämpfer.

                    Gegen Abend, als die Hitze nachlässt, habe ich wieder einen Bewegungsdrang. Ich weiß jetzt, dass der andere Palast, der Palast, vor dem der Baum stand, ein Luxushotel ist. Man spricht von dem luxuriösesten Hotel der Welt. Gebaut für eine Konferenz der Emire, wurde der Palast nicht gebraucht, weil der fGastgeber, der Gründer der Vereinigten Emirate, Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, vorher verstarb. So wurde ein Hotel daraus gemacht, auf dem eine Etage ganzjährig für die Emire der sieben Emirate zur Verfügung steht, wobei jede Suite genau gleich ist, um Streit zu vermeiden. Mit Interesse hatte ich gesehen, dass immer wieder Touristengruppen das Hotel fotografieren und als mir meine Sitznachbarin erklärt, sie führe immer mal mit dem Taxi zum Kaffeetrinken in das Hotel, bin ich sehr verwundert. Die kurze Distanz? Die kann man doch laufen. Erst am Ende der Reise werde ich begreifen, dass man ohne Taxi einfach nicht glaubwürdig ist, und ohne Reservierung nicht hineindarf (um beispielsweise Teatime für 100 Euro / 2 Personen oder eine Tasse Capuccino, mit 24 karätigem Gold bestäubt, für 19 Euro zu genießen. Kein Kommentar....).

                    Ich wähle natürlich die Fußvariante. Im Sekundentakt fahren Autos durch das Tor, und ich bin innerlich gefasst, dass man mich anhält und abweist. Ein mitteleuropäisches Ehepaar mit Kinderwagen befindet sich bereits ein Stück weiter vorne, vielleicht habe ich Glück, als einer der Männer, die den Verkehr regeln, dann laut wird, erschrecke ich mich dennoch. Das ist hier ein totalitärer Staat, dass darf nicht vergessen werden, hier sollte man sich an Anweisungen halten. Aber der Mann dirigiert mich nur auf die andere Straßenseite und lässt mich passieren.

                    Eine parkähnliche Anlage erwartet mich, und ich denke: England.





                    Das Hotel kommt näher, und ich denke: Versailles.





                    Ist denn hier gar nichts echt?


                    Der Sonnenuntergang beginnt, noch weiß ich nicht, dass die Sonne hier einfach herunterfällt, anders kann ich es nicht beschreiben.











                    Überall sind Menschen, die verschiedensten Nationen, und alle machen Gruppenfotos oder Selfies. Sie stellen sich zwischen die Fontänen und posieren oder fotografieren sich vor den umliegenden Hochäusern.





                    Ich setze mich und beobachte. Eine Gruppe junger Koreaner (?) setzt sich zu mehreren auf einen Bank. Lächeln, Daumen hoch, kreischen. Bild angucken, Wiederholung. Wieder habe ich das Gefühl, als würde mir der Boden unter den Füßen entgleiten. Merken die denn nicht, dass das nur Hochhäuser sind? Und das hier ein schnödes Hotel, Mauern nur, ein zugegeben luxuriöses, aber auch durch und durch kommerzielles Menschenwerk? Ein Garten, der hier eigentlich nicht hingehört, Wasser, das mit viel Energieaufwand dem Meer abgetrotzt wird, eine reine Simulation von Natur? Oder habe ich etwas nicht verstanden? Bin ich alt?





                    Ein in das lokale Gewand gekleidete Mann und seine erwachsene Tochter machen mit ihren jeweiligen Smartphones Fotos von den Fontänen, der Mann hat eine Zigarette in der Hand. Kleine Mädchen posieren an der Treppe, die strenge Mutter mit Hidschab versucht vergeblich Grenzen zu setzen. Inderinnen in ihren bunten Kleidern schwirren umher, Saudis, Emiratis, Amerikaner, Italiener, Franzosen. Das Herkunftsland unbedeutend, alle sind in ihren Bedürfnissen gleich, Lächeln, Foto, Bilder für die Ewigkeit.








                    Krachend prallt das Wasser der Fontänen auf den Boden und für einen kurzen Moment ist, es, als würde ein Gebirgsbach ins Tal donnern.





                    Wie schön, mein Körper entspannt sich, mein Geist ist abgelenkt. Es reicht nach Wiese, Schafe blöken, auf der Leine hängt die Wäsche. Südfrankreich war das, im September. Kreischen schreckt mich aus den Gedanken. Gruppenfoto, klick, glückliche Gesichter.
                    Und in diesem Moment durchzuckt mein Gehirn ein Gedanke. Was wäre, wenn das hier, diese ganze Inszenierung von Architektur und Natur die Zukunft ist? Nachverdichtung in Hamburg, Freigabe von Nationalparks im Amerika, Schneekanonen in den Alpen. Teil eines schlicksalhaften Plans? Ein Satz durchzuckt mich: Macht Euch die Erde untertan. Das Alte Testament, Grundlage der drei monotheistischen Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam:
                    Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über all Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
                    Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.
                    Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische am Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
                    Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
                    Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.
                    Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da war aus Abend und Morgen der sechste Tag. (1. Buch Mose (Genesis), 1, 26-31)

                    Bilder entfalten sich in meinem Kopf. Schon jetzt leben Millionen oder Milliarden von Menschen in Städten, entkoppelt von der Arbeit auf den Feldern, entkoppelt von der Natur. Was wäre, wenn es irgendwann automatisierte Farmen gäbe, Farmen, die nicht mehr an das Land gebunden sind, auf denen sie sich befinden, Nahrung aus dem Labor? (Noch weiß ich nichts von den riesigen Farmen im Hinterland, wo auf Wüstensand mit moderner Technik der Lebensmittelbedarf des Landes an Gemüse und Fleisch produziert wird.). Weitere Bild. Was ist eigentlich Natur, die ungeformte Landschaft, unwirtlich, lebensfeindlich, menschenfeindlich, unbeherrschbar? Also die Berggipfel, Ozeane, Wüsten? Oder das zarte Grün der von Menschen geformten Kulturlandschaft der Wiesen und Felder, der Sonnenstrahl im Gipfel der lichten Wälder, die von Hirten oder ihren Tieren gezeichneten Pfade? Landschaft, die uns unberührt erscheint und unsere Sinne labt. Deutsche Romantik, die Eiche, der Baum.
                    Aber ist diese Natur nicht auch schon Fiktion, entkoppelt von den Entbehrungen der Menschen, die sie geformt haben, die sie sich untertan gemacht haben über tausende von Jahren, bis die Moderne die Menschen von den Feldern in die Städte triebt, entwurzelt vom Leben ihrer Vorfahren, das Vergangene suchend, für den Urlaub, das Wochenende, den Morgen? 70 Jahre ist es her, hier, wie in Europa, dass die agrarische Gesellschaft zurückgedrängt wurde, ihren Sinn verlor, ich kennen sie noch, die alten Häuser, den Hasenkasten, die Bohnen im Garten, die Wasserpumpe. Wissen die Jugendlichen aus den boomenden asiatischen Ländern noch, wie ihre Großeltern gelebt haben, nein besser, können sie es noch fühlen, oder sind sie schon in den Städten geboren, in Sicherheit? Stehen wir vielleicht gerade an einer Zeitenwende, die alles, was bisher gedacht wurde, sprengen wird?
                    Das Grassimuseum fällt mir ein, im Dezember, die antiken Funde, hätte diese Menschen damals bei der Vorstellung, dass Menschen sich einmal fliegend bewegen werden und mit kleinen Kästchen Bilder an das andere Ende der Welt schicken, nicht in den Wahnsinn abgleiten müssen? Was wäre, wenn gerade der Moment gekommen wäre, den Menschen in ein neues Jahrtausend zu schleudern, Bezos, Zuckerberg, Smith, Page, Brin, Musk, Jobs als Vorboten einer Welt der vollkommenen Illusion, gesteuert von Algorithmen und wenigen Herrscherfamilien, der demokratische Bürger ein Baustein in einem Heer von Sklaven, mit gesteuerten Vorlieben und religiösem Kitt in die gewünschte Richtung geformt? Und sind wir, die so viele Jahrhunderte das Zentrum der Welt waren, Europa, sind wir im fernen Europa vielleicht längst ein Dorf in Gallien, gefesselt in unserer Geschichte, während dieses noch nicht einmal vierzig Jahre alte Land aus Sand bereits die Zukunft sieht?

                    Und: Wäre das schlimm?





                    Für einen kurzen Moment sehe ich in einen tiefen, tiefen Abgrund. Dann schließt sich das Fenster so schnell, wie es gekommen ist. Es ist warm, das Wasser rauscht, die Vögel zwitschern.

                    Die Gruppe verlässt die Anlage und steigt in seinen Bus ein. Ich steige die Treppen hinauf. Die Stimmen sirren, Kinderlachen, Heiterkeit überall. Eine Mutter ermahnt streng das Kind, es entwindet sich und lacht. Ein Mann und wird von seiner Familie gequält. Erst die Tochter, glitzerndes Goldhandy, klick, danke, es tritt zur Seite, sie ist schon in der Pubertät, zufrieden schickt sie die Fotos weiter. Er will jetzt gehen, nein, nein, man drückt ihm ein pinkfarbenes Handy in die Hand. Nun sind die Frau und die jüngeren Töchter dran, er spricht arabisch, aber es ist klar, was er sagt. Er schimpft, es reicht jetzt, nein, nein, du machst jetzt, fast wie früher in Italien, der Mann repräsentiert, die Frauen haben die Macht. Vor dem Hotel fährt ein Auto nach dem anderen vor, fast wie am Flughafen, aber einspurig, ich hatte mich gestern gewundert, warum die Autos immer reinfahren und gleich wieder rauskommen, nein, sie fahren eine große Runde vor das Hotel, es sieht von außen nur so aus, als wäre es das gleiche Auto, es sind einfach viel zu viele, ein endloser Strom an Autos und kleinen Bussen. Wer privat fährt, gibt den Angestellten den Schlüssel und entschwindet. Mir ist es draußen lieber, es ist so lebendig, Menschen. Eine Amerikanerin bittet mich um ein Foto, sie wohnen hier, das sieht man, ob ich mit einem Iphone umgehen kann. Die Perspektive ist schlecht, das Smartphone in der Hand laufe ich schnell um den Brunnen herum und winke sie zu mir, sie verstehen nicht, große Augen, nein, ich stehle keine Iphones, ich habe selbst eins, fast jeder hat hier eins. Sie verstehen, und ich mache Fotos vor den mittlerweile beleuchteten Hochhäusern, die Sonne ist weg. Lächeln sie mal, Mister, come on, er lacht und sie schauen sich an, ein schönes Bild, so frisch verliebt sieht es aus, sie gehen auf die siebzig zu, das Glück ist kostbar. Dankbar drückt sie meine Hand, wo kommen Sie her, Germany. Sehr schön, danke.

                    Immer mehr Hochhäuser sind nun beleuchtet und fasziniert schaue ich zu. Hier ein Licht von unten. Hier ein Funkeln. Die Sonne glüht ein wenig nach, kein Sonnenuntergang, wie bei uns, aber ein Glimmen, unwirklich, irreal. Wosch. Eine ganze Wand in gleißendem Schein. Nordlichter. Für einen Moment ist es, als schaute ich Nordlichter. Die Stimmen der Menschen, die Fotos, das Warten, das Licht. Das gleißende Licht. Du spinnst, Torres. Die Illusion. Sie beginnt zu wirken.








                    Hunger setzt ein, und ich reiße mich los. Ein lauer Sommertag. Der Winter in weiter Ferne. Als der Fußgängerweg beginnt, schaue ich mich noch einmal um. Was für ein Protzbau. Neureich, seelenlos, Kopie. Touristenfalle.





                    Aber was soll man sagen. Es funktioniert doch.





                    Oha.
                    (Norddeutsche Panikattacke)

                    Kommentar


                    • Torres
                      Freak

                      Liebt das Forum
                      • 16.08.2008
                      • 30593
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                      In der nächsten Lernphase muss ich feststellen, dass meine meine Intuition, auf die ich so stolz bin, versagt. Wolken am Himmel, Verfinsterung der Sonne, ein frischer Wind. Es wird schwül. Kritisch schaue ich zum Himmel. Wird es regnen? Der Mann lacht. Es regnet hier nicht. Zwei Tage im Jahr, höchstens. Was arbeitet man hier im Sommer, wenn es so heiß ist? Dann kommen die Australier, bei denen ist dann Winter, die sind die Hitze gewohnt.

                      Ich werde jetzt nicht jeden einzelnen Schritt dokumentieren, den ich auf Asphalt, Baustellensand oder künstlich aufgeschüttetem Strandabschnitten unternehme, begleitet von Baustellenlärm und dem unendlichen Strom von Autos, als wäre unter einem der Paläste eine Fabrik für Orks, weiße, motorbetriebene Orks japanischer Herkunft, die sich täglich oder stündlich vermehren. Immer wieder geht es auch gar nicht weiter, weil die Straße für Fußgänger gesperrt ist, also der Bereich, der Fußgänger zugestanden werden könnte. Auf der Straße selbst sollte man nicht gehen, die Autos können rechts und links überholen, wie sie wünschen, und das tun sie auch. Sie fahren zügig, aufgereiht wie an einer Perlenschnur, es gibt ja kaum Seitenstraßen, das meiste ist Durchgangsverkehr. Man muss sich den Aufbau vorstellen, wie in Amerika: Ein Gitternetz. Zu sehen gibt es kaum etwas. Ein künstlicher Park. Märkte, Wohnhäuser. Hochhäuser. Und die Distanzen sind ungeheuer groß, und das sage ich als distanzgewohnter Großstädter.
                      Am nettesten ist es an der Corniche, der eine Insel vorgelagert ist, deren Bewaldung niedrig und natürlich wirkt. Der Spazierweg ist eine künstlich angelegten Promenade (die sich zum Teil gerade im Bau befindet und gesperrt ist) mit Fahrradweg, an ihr liegt ein öffentlicher Strand, an dem man zumindest am Wochenende (Freitag und Samstag) Europäer Ball spielen sehen kann. An ihrem Ende befindet sich ein Hafen, in dem die Dhaus (Dhows) liegen, alte Schiffe, die früher dem Handel dienten und heute auch touristisch eingesetzt werden. Hier ist auch ein Fischmarkt und eine Bootswerft.


                      Die Moschee möchte ich aber nicht aussparen. An diesem Tag ist die Stadt in dichten Nebel gehüllt. Es ist die achtgrößte Moschee der Welt, benannt nach Scheich-Zayid und wurde 2007 eröffnet. Der Parkplatz könnte die Besucher eines Stones-Konzertes aufnehmen. Anscheinend bekommt man die Moschee an bestimmten Tagen aber tatsächlich voll, 40.000 Menschen finden Platz, das ist eine Kleinstadt. Die Kuppel ist die größte der Welt, der Teppich ist auch der größte seiner Art, er ist in einem Stück gewebt. Gigantomanie oder Notwendigkeit, schwer zu entscheiden. Im Gegensatz zum Petersdom wirkt sie schlicht. Die Kronleuchter sind aus Deutschland, es wurden tausende Swarowski Kristalle verarbeitet. Die Frauen müssen sich verhüllen und Kopftuch tragen, die Kleidung muss langärmlich und blickdicht sein. Weiß ist Männern vorbehalten. Männern müssen die Schultern bedecken und lange Hosen. Die Schuhe sind auszuziehen, ich bin froh, dass die Socken gerade einmal keine Löcher haben.











                      Die Gebetszeiten. Sie ändern sich jeden Tag, da sie nach dem Mondkalender berechnet werden.





                      Der Innenraum





                      Schriftzeichen ersetzen die Bilder. Es herrscht Bilderverbot im Islam.











                      Auf dem Boden der Teppich. Ich mache einen deutschen Ehepaar zuliebe ein Foto, das Ehepaar umarmt sich, sofort kommt ein Aufseher. Umarmung ist nicht erlaubt. Es gibt sogar ein Verbotsschild: Nicht breitbeinig oder mit seitlich gestreckten Armen hinstellen (so interpretiere ich das Symbol), nicht hinlegen, nicht sich mit anderen (Kumpels) umarmen, keine intime Berührung.





                      Eine von mehreren Rosetten. Ist das nicht gotisch? Wer hat da wen beeinflusst? Oder gibt es gar keine Verbindung? Ich weiß es nicht.





                      Die Sonne bleibt weiterhin verborgen, ein ungewöhnliches Phänomen dieser Tage, werde ich später erfahren. Das Museum liegt in der Nähe der Corniche zwischen den Hochhäusern kaum zu erkennen, nebenan eine Baustelle. Zur Begrüßung Zeilen von Scheich Sa'íd Bin Tahnoon Al Nayan (Regierender Scheich Abu Dhabis 1845-55):

                      Oh Steuermann, löse die Leinen und
                      Lass mich über die Heimat schauen
                      Bevor sie vom Horizont verschwindet.
                      Möge Gott seine Insel eränhren
                      Mit lebensspendendem Regen
                      zu jeder Zeit und jeder Jahreszeit.


                      Regen. Das Wort hat hier eine völlig andere Bedeutung. Gerade bin ich dem deutschen Dauerregen entronnen. In diesem Land wünscht man ihn sich herbei. Ein Wüstenbild daneben gibt Aufschluss: Eine Ansammlung von Wänden aus Palmenschilf, oben offen, in einer Bucht als Behausung. Die Emirate waren bis ins letzte Jahrhundert eine Nation aus Perlentauchern und Piraten. Kaum vorstellbar, wenn man heute die Hochhäuser sieht.

                      In einem Kinosaal berichten alte Männer und Frauen von dem harten Leben der damaligen Zeit. Über dem Zuschauerraum prangen die Worte:

                      „Nur wenn man etwas über seine Geschichte lernt, kann man beginnen, sich den Herausforderungen des modernen Lebens zu stellen, während man sich auf das vorbereitet, was in der Zukunft bevorsteht.“ Scheich Zayid

                      In Schwarz-Weiß mit zitternder Stimme reden die Alten, es gibt arabische Untertitel und eine englische Übersetzung. Eindrucksvoll. Sie erzählen von den Hütten im Sand, der Eingang geschützt von Decken, um die Schlangen fern zu halten, die sich nachts den Schlafplätzen nähern. Von der Angst vor wilden Tieren. Die Stimmen der Alten scheinen aus dem Reich des Todes zu stammen, ich habe selten so etwas Eindringliches gehört. Winden mit einem Beutel versehen, so kostbar das Wasser, das Zentrum des Lebens, aber welche Kraft war nötig, Wasser aus den Tiefen der Brunnen zu holen. Eine alte Frau schildert ihr Leben, und ich glaube, dann man Outdoorer sein muss, um halbwegs ermessen zu können, wie sich das Leben abgespielt haben muss, in dieser unwirtlichen Gegend mit seiner unbarmherzigen Sonne und wenig Ressourcen und das nicht in drei Wochen Urlaub, sondern vom Leben bis zum Tod.

                      1760 wurde auf Bani Yas Wasser gefunden und der Aufbau von Perlenhandel und – industrie konnte beginnen. Die Menschen waren sesshaft, nicht alle waren Beduinen (heute beträgt der Anteil der Beduinen an der Bevölkerung 10 Prozent). Man reiste zwischen Bani Yas und Abu Dhabi hin und her. Bani Yas ist heute das größte Naturschutzgebiet der VAE, besuchen konnte ich es leider nicht. Die Bani Yas bauten auf der Insel Abu Dhabi das Quasr al Hosn Fort, in dem sich das Museum hier befindet. Als in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts die Perlenindustrie mit der Entdeckung der Zuchtperle an der gesamten Küste zusammenbrach, hätte dies das Ende für das Land sein können. Es kam anders, Anfang der 30iger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde in Bahrain Öl gefunden, Anfang der 60iger Jahre der Ölboom begann. Und langsam begreife ich, warum dieses Land ein paar Jahrhunderte unserer Geschichte übersprungen hat, und ohne Scheu in die Moderne gesprungen ist:

                      „Die Gegenwart, die wir heute auf diesen gesegneten Inseln genießen, zeugt von unserer Beharrlichkeit, die Herausforderungen der Vergangenheit zu bewältigen.“ Scheich Zayid.

                      Ein kluger Mann. Im Vergleich zu anderen Herrschern der Region relativ liberal. Das Schicksal seines Landes lag in seiner Hand, und er die Chance genutzt. Natürlich auf der Basis eines muslimisch-patriarchalischen Präsidialsystem, einer konstitutionellen Monarchie ohne echte demokratische Teilhabe, auch wenn er für Dialoge offenstand. Aber er hat die Einwohner seines Landes reich und satt gemacht. 1970 lebten hier 240.000 Menschen, heute schätzt man die Zahl der Bewohner auf über 10 Millionen, wobei 90 Prozent der Bevölkerung Arbeitsimmigranten sind, vor allem Inder, Ägypter und Arbeiter aus Bangladesh und Pakistan. Die Zahl der Einheimischen liegt bei ungefähr 1 Million.


                      So sah es damals aus: Die Schiffe.





                      Brunnen.








                      Dorfleben.








                      Luxus.





                      Ich denke an mein Zelt. Für mich wäre das Urlaub. Hier war es Überleben. Das erste Mal schwant mir, was Wüste wirklich bedeutet: Vegetationslose oder vegetationsarmes Gebiet mit weniger als 5 Prozent Pflanzen an der Oberfläche (Wikipedia). Das Nichts. Indoor wie Outdoor.


                      Oha.
                      (Norddeutsche Panikattacke)

                      Kommentar


                      • Torres
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 16.08.2008
                        • 30593
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                        Dubai

                        Dubai interessiert mich nicht. Wenn ich Hochhäuser sehen will, fahre ich durch Frankfurt. Oder in die Hafencity. Den Reiz, Burj Kahlifa zu besuchen, kann ich nicht nachvollziehen. Millionen Menschen sehen das anscheinend anders, das höchste Gebäude der Welt, 35 Euro für die Plattform, seit Fertigstellung des Gebäudes hat sich der Besuch des nebenstehendes Einkaufszentrums verdreifacht. Ich habe allerdings Probleme. Meine Übernachtung in der Wüste ist ausgefallen. Ich bin stinksauer (wobei ich mittlerweile denke, dass meine Vorstellung, Übernachtung im Zelt, vielleicht gar nicht erfüllt worden wäre). Geld gibt es zurück, Was soll das, das nutzt mir nichts. Zwei Deutsche nehmen sich gerade ein Taxi, und ich schließe mich spontan an. Es bringt mich zur Dubai Mall. Im Internet recherchiere ich mögliche Natur in Dubai, okay, da gibt es wohl einen Green Forest (dass das ein kostenpflichtiger Zoo ist, begreife ich erst später, aber ich komme eh nicht an), er verspricht Bäume und Pflanzen. Auf der Karte sieht es nicht so weit aus, okay, ich werde zu Fuß gehen. Ich drehe die Karte in alle Richtungen und herauszufinden, wo ich bin. Wenn ich durch die Mall gehe, müsste ich den richtigen Weg finden. Massen von Menschen. Alle Nationen, Smartphone, ihr wisst schon. Man hat von hier aus den besten Blick auf Burj Khalifa. Ich komme mir vor, wie auf der Rialto-Brücke.





                        Meine Suche nach einem Weg endet an einer Baustelle, die alternative Planung in einem Markt und wieder am Ausgangspunkt. Ich bin begeistert. Verzweifelt recherchiere ich in einer App und der Karte, aber ich werde nicht richtig schlau (die grobe Richtung wäre richtig gewesen). Nächster Versuch. Auf der anderen Seite, Haupteingang der Mall. Ich lande bei den Bussen vor einer Mauer. Okay, zurück. Immerhin treffe ich nun zwei deutsche Touristen, die ähnliches vorhaben. Sie suchen allerdings zunächst Burj Kahlifa, wollen aber nicht durch die Mall. Müssen sie, sage ich, von hinten sieht man ihn nicht. Sie erzählen mir, dass sie von einem Wanderweg gehört haben. Er ist am Fluss. Wanderweg. Fluss. Das klingt doch großartig. Ich habe einen Plan.

                        Wir trennen uns, und ich wähle jetzt einen anderen Weg, um in die gewünschte Richtung zu kommen. Ich balanciere auf Bordsteinkanten, schleiche mich vorsichtig an Blumenbeeten vorbei, stoppe mit Bettelampel 6 spurige Straßen, überquere todesmutig Einfahrten und Abfahrten und verdanke nur der wärmenden Sonne, die unbarmherzig brennt, dass ich nicht böse werden. Wieder eine Sackgasse, also einen Umweg machen. Weiter, das müsste richtig sein. Ein Blumenbeet, hübsch. Dahinter die Autobahn. Irgendetwas läuft hier falsch. Total falsch. Das sehe ich gleich auch, denn die große Brücke über mir ist die Metro. Ich bin in die falsche Richtung gelaufen, ich muss nach links.

                        Gut, den gepflegten Wanderer kann nichts erschüttern und so halte ich mich links. Ich überwinde Parkplätze, laufe auf menschenleeren Bürgersteigen, lasse mir Sand ins Gesicht blasen und übersehe irritierte Blick von Autofahrern oder Bauarbeitern. Ein Metroschild versetzt mich in Entzücken, notfalls....





                        Aber ich will ja wandern. An der Metro stehen übrigens Menschen. Und auch Fahrräder, im Straßenbild sieht man allerdings keine. Dass es sich um die Haltestelle Burj Khalifa handelt, entmutigt mich keineswegs. Er ist jetzt anscheinend halb links hinter mir, dafür habe ich 1,5 Stunden gebraucht. Was tut man nicht alles, um in sengender Hitze einen Wanderweg zu finden. So sehen hier die Bürgersteige aus.








                        Hier geht es jetzt weiter.







                        Super, ich bin ja echt weit gekommen (erneut 12 Minuten später).





                        Ich laufe jetzt beinahe an der Autobahn entlang, es ist einfacher. Ein paar Geschäfte, ein Hotel. Gut zu wissen, dass hier auch ein Taxistand ist. Kurz überlege ich, aufzugeben, aber es kann doch nicht mehr weit sein. Denke ich. Urplötzlich ein richtiger Bürgersteig. Ein Bürgersteig, ein Bürgersteig, was für ein Komfort. Die nächste Metrostation, 22 Minuten habe ich von Station zu Station gebraucht. Und dieser Weg ist nur ein winziger Ausschnitt dieser Stadt, ein winziger!





                        Einsteigen oder nicht? Verdammt, ich will den Fluss finden. Weiter. Ein Bauzaun. Eine Muslimin drückt sich hinter ihm durch, läuft leichtfüssig über die vielbefahrene Abzweigung. Ein schlauer Plan. Ich halte es mehr mit der Masse und folge den offiziellen Schildern. Die meisten Fußgänger kommen von der Metro, viele tragen Anzüge, es sind Expats, ich tippe auf Inder. Eine provisorische Ampel. Man sieht, dass alle es eilig haben, aber dennoch bleiben alle an der Ampel stehen, obwohl gerade kein Auto kommt. Später werde ich von einem Guide erfahren, dass seit Anfang Januar in den Pässen ein Chip ist, der erkennt, ob jemand Verkehrsverstöße begeht, so dass man beim Nichtbeachten roter Ampeln eine SMS mit der Strafe bekommt. Ob das wirklich stimmt, weiß ich nicht, aber zutrauen würde ich es dem Land. Bei den Autos besteht so eine Steuerung, der Verkehr wird permanent überwacht, überall die Nummerschilder gescannt und wer zu schnell fährt, wird angepiepst und kurz darauf wird die Strafe vom Konto abgebucht. Knallhart.

                        Umleitung





                        Wiedermal ist der Weg zu Ende, ich überquere einen abgesperrten Parkplatz, drücke mich an einem feinen Hotel erst an der Mauer entlang und und dann an den Taxis vorbei und dann, Gong, nach zweieinhalb Stunden Fußmarsch in der prallen Mittagssonne (um die 23 Grad im Schatten, welcher Schatten?) stehe ich endlich am Wasser. Es ist ein Kanal. Ein einbetonierter begradigter langweiliger Kanal.





                        Diese ganze Stadt ist einfach nur Kulisse. Ich schüttele den Kopf. Einfach nur Kulisse. Länger, höher, weiter. Geld, Geld, Geld. Business. Ich laufe noch ein paar Meter, dann habe ich keine Lust mehr und kämpfe ich mich durch Baustellen, hohe Kantsteine, Bauzäune, Autospuren ohne Ampel und sonstige Widrigkeiten zur Metro zurück. Da komme ich gerade her.





                        So sehe ich Dubai, dieses Bild fasst eigentlich alles zusammen. The Frame ist neu, eine Aussichtsplattform.





                        Am Abend schnackt man mich noch zu einer Lichterfahrt mit.





                        Es ist Donnerstag, am nächsten Tag ist Feiertag, und die Straßen sind völlig verstopft. Um ihn geht es wieder.





                        Menschentrauben am Aussichtspunkt.








                        So war das wohl in Hamburg in den 70igern: Fernsehturm und Wasserspiele in Planten und Bloomen. Heute fliegt man dafür nach Dubai.


                        In der Mitte sieht man das die Dubai Opera, es ist das auffällige Gebäude, das hervorsteht, eröffnet 2016, moderner Baustil. Es ist allerdings eher ein Kulturzentrum, in dem auch Opern aufgeführt werden. In dem Zusammenhang sollte man erwähnen, dass der Sultan von Oman, ein ausgewiesener Opernfan, 2011 in Mascat ein Opernhaus im osmanischen Stil eröffnet hat, das auf höchstem Niveau Opern aufführt, die Premiere erfolgte mit Rigoletto. Ein wunderschöner Bau in arabischem Stil. Aber zu Oman kommen wir noch.








                        Naja. Morgen geht es in die Wüste. Hoffentlich habe ich da mehr Glück.
                        Zuletzt geändert von Torres; 03.02.2018, 00:22.
                        Oha.
                        (Norddeutsche Panikattacke)

                        Kommentar


                        • Torres
                          Freak

                          Liebt das Forum
                          • 16.08.2008
                          • 30593
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                          Wüste


                          In meiner laienhaften Vorstellung beginnt die Wüste direkt hinter der Stadtgrenze. Das ist schon deshalb irreführend, weil die Stadtgrenze meilenweit vom Zentrum entfernt ist. Und dann ist Wüste nicht Wüste. Das weiß ich inzwischen.
                          Hinter der Stadtgrenze beginnt die flache Wüste, garniert mit ein paar Bäumen, hier sind die riesigen Farmen angesiedelt. Irgendwann wird es etwas hügeliger, man sieht Kamele, in der Nähe ist wohl ein Kamelmarkt. Eine Bauschuttdeponie. Landwirtschaft. Nach einer halben Stunde werden die Dünen etwas höher und die Vorfreude steigt. Nach einer Dreiviertelstunde sind wir da.





                          Zu meinem Erstaunen lässt der Fahrer zunächst Luft aus den Reifen, damit kann man auf Sand besser fahren. Was hat er vor? An einem Häuschen muss er sich bzw. die Gruppe anmelden. Naturschutzgebiet. Aha. Kurz darauf der erste Haltepunkt. Ich krabbele steil den Sandberg hoch, es sind Dünen, wie bei uns, nur der Sand ist gröber. Man muss ein wenig Kraft aufwenden, aber man rutscht nicht so leicht wieder hinunter, wie bei uns. Und sie sind höher, viel höher. In der Ferne leuchtet ein Gebirge, ich würde es gerne fotografieren, aber ein Paar stellt sich genau auf den Hügel, der in Fotorichtung steht. Auf seinem T-Shirt ist ein Foto von Özil. Das Foto gefällt mir dennoch, daher mit verpixelten Gesichtern.





                          Die Landschaft begeistert mich. Intihuitana will jetzt alles über Kamele lernen, das würde ich an seiner Stelle auch tun. So grandios habe ich mir eine Wüstenlandschaft nicht vorgestellt. Die quälenden letzten Tage sind vergessen.

                          Ich laufe an dem Paar vorbei.





                          Was sind das für Pflanzen? Ein bisschen sieht das unserem struppigen Dünengras ähnlich.





                          Hier könnte man mich jetzt aussetzen und heute nacht oder morgen oder in ein paar Tagen wieder abholen. Den Tourikram brauche ich nicht.





                          Aber ebenso faszinierend ist das Gebirge. Wo ist das? Al-Ain. Das muss ich mir merken. Ich nehme vorweg: Da hinten verläuft die Grenze zu Oman.





                          Ist das nicht Erotik pur?





                          Nur ungern reiße ich mich los. Ein Fahrer verzögert die Weiterfahrt, er möchte beten. Ein wenig belustigt schauen die Kollegen zu, aber er zieht das durch. Seine Decke faltet er in einen Plastikbeutel, die praktische Decke für unterwegs steht drauf. Seine Kollegen necken ihn wegen der Decke.

                          Was nun passiert, darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich sitze auch noch im ersten Auto, und dass es jetzt darum geht, über die Dünen zu fahren, ist nicht mein Fall, hätte ich das gewusst!. Ich will die angucken, nicht zerstören. Fotoapparat weg vom Gesicht, ruft der Fahrer, er ist ein total sympatischer Kerl aus Pakistan, als wir fragten, ob es bei ihm zu Hause heiß ist, zeigte er ein Foto seiner Heimat, Wald, unendlicher Wald, da kommt er her. Auf der Rückfahrt berichtet er von einer Kundin mit Brille, die den Fotoapparat an die Augen gehalten hatte, wosch, war die Brille kaputt. Sie hat dann die Ersatzbrille angezogen, den Fotoapparat hochgenommen, wosch, war auch die Brille kaputt. Darauf hat sie sich beschwert, wollte Geld für die Brille und ihr Geld zurück.

                          Tatsächlich ist jetzt nichts mit Fotografieren, denn es geht Düne hoch, Düne wieder runter. Ich mache teils die Augen zu, ich bin kein Typ für Achterbahnen. Aber dann muss ich sie wieder aufmachen, das Nationaltier steht neben uns, die arabische Oryxantilope. Sie ist perfekt an die Wüste angepasst, aber ihr Bestand ist gefährdet. Die Exemplare wurden ausgewildert.





                          Kurz fährt der Fahrer langsam.





                          Man sieht, das Reservat ist nicht weit von einer Siedlung entfernt.








                          Hier sind noch welche.





                          Aber das könnten andere sein.





                          Leider unscharf.





                          Haltepunkt. Ich schwelge.




















                          Weiter. Wieder ein Oryx.





                          Kamele in der Ferne.





                          Ein Sammelpunkt. Wir sind jetzt an einer Kamelfarm, die mich wenig interessiert.





                          Okay, die Kamera hat übersteuert.








                          Ist er auf der Suche nach Handyempfang? Eher nicht, er telefoniert bereits.








                          Hier müsste man jetzt zelten.








                          Er ist oben.





                          Ein Vater hat sich mit zwei Söhnen zu einem Kamelritt fahren lassen. Private Fahrt nennt man das, für mich leider zu teuer. Der Guide macht Fotos. Der Mann mit dem Handy läuft immer noch auf den Dünen herum.





                          Es geht jetzt zum großen Finale. Es ist ein Sammelpunkt verschiedener Gruppen, es sind eine Masse von Menschen, ich sehe darüber hinweg und kämpfe mich keuchend hoch und runter bis ganz nach vorne durch. An der letzte Düne lerne ich, dass man Sanddünen seitlich anlaufen muss, dann ist es ganz einfach.


                          Es geht nämlich um die Sonne.





                          Und dann passiert etwas Magisches. Neben all den modernen, smartphonebewaffneten Touristen, die dem Sonnenuntergang entgegenfiebern, nicht nur ruhig, sondern auch kreischend, kommt majestätisch ein Reiter zwischen den Dünen hervor.





                          Als wäre er aus einer fremdem Welt. Nur zwei Menschen, mich eingeschlossen, bemerken ihn überhaupt, die anderen sind mit sich selbst beschäftigt.





                          In Wirklichkeit sieht der Sonnenuntergang eher so aus.





                          Dabei wird die Sonne rötlich, auf keinen Fall ist sie gelb. Die Kamera kommt damit nicht klar und ich weiß nicht, wie ich das ändern soll. Sie macht daraus:





                          Besonders beeindruckend ist, dass die Sonne nicht in den Wolken verschwindet, wie es bei uns so häufig ist. Sie lässt sich Zeit. Gestochen scharf bleibt sie am Himmel zu sehen.

















                          Erst als sie nicht mehr zu sehen ist, schaue ich mich um, und es ist fast niemand mehr da. Verdammt. Ich renne an den Kanten entlang, und das geht gut. Die erste Gruppe ist schon gestartet, ich muss schauen, dass ich nicht überfahren werde, ich muss ins nächste Dünental. Man wartet.

                          Nun beginnt das Abendprogramm, und es wird nicht so schlimm, wie befürchtet. Ich laufe sofort zu den Kamelen, Pferde bin ich lange geritten, ein Kamel noch nie. Platz nehmen wirkt vertraut, aber als das Tier sich dann erhebt, wird mir doch etwas seekrank zumute. Instinktiv klammere ich mich wie von den Pferden gewohnt mit den Schenkeln fest, dann fällt mir ein, dass man Kamele vielleicht so antreibt, und ich lasse locker. Die Kamelführer sind übrigens keine Emiratis, Locals arbeiten nicht. Der Bewegungsablauf beim Reiten ist etwas ungewöhnlich, aber man kann sich daran gewöhnen. Verdammt, ich hätte einfach ein Kamel mieten sollen, das wäre perfekt gewesen. Leider geht hier fast alles nur zu zweit oder mehr. Ein Reisepartner wäre gut.





                          An Fackeln entlang geht es in ein riesiges Camp (die Kamera spinnt, es ist schon dunkel),





                          und ich nehme, wie alle, an den Tischen auf einem Kissen Platz. Es ist kühler geworden, eine Sommernacht im Norden Deutschlands. Angeboten werden verschiedene Aktivitäten, sie interessieren mich nicht. Drei Köche stehen in der Ecke, sie kochen frisch. Später wird mit unglaublicher Geschwindigkeit die Süßigkeit vom Brett geschabt, ich vermute, es ist eine Art von Schmalzkuchenteig. Ich denke an Homers Hand. Wie viele Jahre wird der Koch diese Bewegung wohl durchhalten? Es duftet nach gegrilltem Fleisch. Für die Ausländer gibt es Bier und Rotwein, ich bleibe allerdings bei Wasser. Das Essen ist köstlich, unser Fahrer steht an der Essensausgabe und freut sich, als er mich erkennt. Ich freue mich auch.





                          Gemeinsam sitzen die Menschen an den Tischen, essen und trinken, sie reden und lachen, auch Kinder sind dabei, und plötzlich bekommen die Worte einer in Deutschland lebenden Syrerin eine völlig neue Bedeutung: Essen mit der Familie, gemeinsames Fastenbrechen unter freiem Himmel, Lachen, Scherzen, man fühlt sich so geborgen, ich fühle mich so geborgen. Alles fühlt sich plötzlich so leicht an. Es ist als gehöre man zu einer Gemeinschaft, ein Fixpunkt in einer endlosen Natur. Aus derartigen Kultur in das kalte, regnerische Deutschland zu kommen, wo so viele Menschen ihre Herzen verschlossen haben, muss schwer sein. Über mir funkeln die Sterne. Schmal zeigt sich der Mond am Himmel.





                          Wir brechen früher auf, als die anderen, unser Fahrer hatte uns darum gebeten. So bekomme ich leider den Sternenhimmel nicht richtig mit, seine Vielfalt lässt sich nur erahnen. Nun geht es nicht mehr über die Dünen, sondern einen Sandweg entlang. Wieder dauert die Fahrt eine Dreiviertelstunde, und mir wird wieder einmal klar, wie groß in diesem Land die Distanzen sind. Das habe ich völlig anders eingeschätzt, auf der Karte sah dahen die Emirate so klein aus. Wie riesig muss dann Saudi-Arabien sein.
                          Der Fahrer erzählt von seinem Leben, es sprudelt aus ihm heraus. Er hat Glück, sein Cousin ist wohlhabend, er hat hier einen Elektronikladen, daher können sie sich zu zweit ein Appartement teilen, und er muss nicht mit vielen Fremden zusammenwohnen, so wie die Anderen. Familie ist eben doch etwas anderes, man kann sich vertrauen. Er verdient nicht schlecht, bei seinem Cousin könnte er mehr verdienen, aber er will unabhängig bleiben, so können sie sich auf Augenhöhe begegnen. Seine Arbeit gefällt ihm, er fährt das Führfahrzeug, er entscheidet, was gemacht wird und ist für alle verantwortlich. Seine Frau lebt in Pakistan, er sieht sie einmal im Jahr. Kinder hat er keine, er hat keine Zeit dazu, wenn er nach Hause kommt (im Sommer stehen ihm ein Monat Urlaub zu), kommen die ersten 16 Tage sämtliche Verwandten aus den verschiedensten Dörfern, um ihn zu begrüßen, und wenn er abreist, kommen sie alle noch einmal. Da ist kaum Zeit für seine Frau, er ist froh, dass sie das mitmacht, drei Jahre sind sie schon verheiratet. Von seinem Geld lebt nicht nur seine Frau, sondern auch der kranke Vater, der nicht arbeiten kann und seine beiden jüngeren Geschwister, der Bruder studiert. Bei ihm zu Hause hätte er keine Arbeit, aus Pakistan kommen die besten Ärzte, sagt er, aber sie gehen alle weg und arbeiten in England oder in Deutschland, in Pakistan will man sie nicht. Dass Deutschland Flüchtlinge aufnimmt, versteht er nicht. Die sollten es so machen, wie hier, wer nicht arbeitet, muss wieder gehen. Er hat morgens um drei Uhr angefangen zu arbeiten, das heißt, er ist jetzt seit 18 Stunden auf den Beinen. Wenn er uns abgesetzt hat, fährt er noch eine Stunde zu seiner Wohnung, aber das macht ihm nichts aus, morgen hat er frei. In Dubai ist die Mieter viel zu teuer.
                          Es ist, als hätte er sich das mal von der Seele reden müssen, als er uns absetzt, hat er Tränen in den Augen. Ich hoffe für Dich, A., dass sich Deine Träume erfüllen, Du bist ein feiner Kerl. Das war ein wunderschöner Tag!
                          Oha.
                          (Norddeutsche Panikattacke)

                          Kommentar


                          • danobaja
                            Alter Hase
                            • 27.02.2016
                            • 3287
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                            whow!
                            ich bin ein wenig erschlagen von torres wunderbar lebendigem schreibstil und den fast schon hektischen, bebilderten eindrücken!

                            Danke!

                            wann kommt der rest, wann kommt der rest, wann....??? quengelnd, ungeduldig, zappelnd, harrend der dinge, der fliegenden worte und schrillen, lauten, wenig besinnlichen bilder, die da noch kommen werden. hoffentlich!

                            danobaja
                            __________________
                            resist much, obey little!

                            Kommentar


                            • tizzano1
                              Erfahren
                              • 13.06.2006
                              • 383
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                              Stadtwandern in Dubai...nur was für die ganz Harten
                              Freu mich auf die Fortsetzung!

                              Kommentar


                              • Intihuitana
                                Fuchs
                                • 19.06.2014
                                • 2042
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                                Zitat von Torres Beitrag anzeigen





                                Was sind das für Pflanzen? Ein bisschen sieht das unserem struppigen Dünengras ähnlich.



                                Das grasige sollte irgend ein Aristidum Pfeifengras sein.

                                Die blasseren Sträucher links, sehen wie junge Sodomsäpfelbüsche (Calotropis Procera) aus.

                                Ach und die beiden flüchtenden Gazellen sind Dorkasgazellen.
                                Russian Roulette is not the same without a gun. - Lady Gaga

                                Kommentar


                                • Enja
                                  Alter Hase
                                  • 18.08.2006
                                  • 4750
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                                  Kommt natürlich immer drauf an, wofür man sich interessiert und was man sehen möchte. Zu meinen kulturellen Interessen gehört auf jeden Fall auch die moderne Architektur. Im Falle Dubai wäre das für mich der Grund, dorthin zu reisen. Die Hochhäuser würden mich also nicht stören.

                                  Auf der anderen Seite erlaufe ich mir auch sehr gerne meine jeweilige Umgebung. Auch in Großstädten.

                                  Wüste finde ich schon immer faszinierend. Bin aber der Meinung, dass Dubai maximal ein Wüstchen hat. Die Faszination am Übernachten in der Wüste sehe ich im wesentlichen in der Menschenleere und dem Sternenhimmel darüber. Für den Effekt ist Dubai zu klein.

                                  Ob man nun einen Mann auf einem Kamel unglaublich faszinierend findet, hängt wohl davon ab, wieviele davon man schon gesehen hat. Mich würde das wohl auch nicht vom Sonnenuntergang ablenken.

                                  Ich mag diese liegende Mondsichel......

                                  Kommentar


                                  • Torres
                                    Freak

                                    Liebt das Forum
                                    • 16.08.2008
                                    • 30593
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                                    Bahrain

                                    Das Land spricht sich Bachrain aus, es wird auch Bahrein geschrieben. Bahrain hat eine 7000 Jahre alte Geschichte, besteht aus 33 Inseln und ist ungefähr so groß wie Hamburg. Dazu trägt Landgewinnung bei, die ersten Strandhotels liegen mittlerweile im Stadtinneren. Der Raubbau an der Natur wird in Kauf genommen, die Landgewinnung wird durch Meeressand vorgenommen, ohne Rücksicht auf die Fischer und die Fischereigründe.

                                    Bahrain ist ebenfalls eine Monarchie und liberal und repressiv zugleich. Politisch gibt es Konflikte zwischen dem sunnitischen Herrscherhaus und der mehrheitlich schiitischer Bevölkerung, über die in der Öffentlichkeit nicht geredet werden sollte, wenn man keine Strafe riskieren will. Seit langem sind dort die Amerikaner stationiert, so dass es eine Straße gibt, in der sämtliche Fastfoodketten der Vereinigten Staaten angesiedelt sind. Auch der Alkoholausschank wird großzügiger gehandelt, was dazu führt, dass rund um den Freitag, den islamischen Sonntag, junge Leute aus Saudi-Arabien in das Land einfallen, um Party zu machen. Ihr Fahrstil soll sehr gewöhnungsbedürftig sein.
                                    Verstärkt wird dieser Trend dadurch, dass der 25 km lange King Fahd Causeway die beiden Länder verbindet, so dass man die Insel mit dem Auto erreichen kann. In der Mitte der Brücke bildet eine künstliche Insel die Grenze zwischen beiden Ländern. Für 40000 Autos täglich ausgelegt muss er heute mehr als das Vierfache an Verkehr bewältigen, so dass die Wartezeiten an der Grenze täglich sehr lang sind, eine gute Stunde muss man rechnen. Das liegt auch an dem regen Pendelverkehrs. So ziehen es viele Europäer, die in Saudi-Arabien arbeiten, vor, in Bahrain zu wohnen, um ihre Ehefrauen nicht den strengen Regeln und Einschränkungen zu unterwerfen. Das erste Restaurant hinter der Grenze, von Saudi-Arabien aus gesehen, ist übrigens McDonalds.
                                    Generell ist die Zollkontrolle in Saudi-Arabien sehr langsam. Das gilt auch beim Warenverkehr. Da die Waren oft 4 Wochen am Zoll lagen, kamen die Unternehmen auf die Idee, die Waren nach Bahrein zu senden und dann per LKW nach Saudi-Arabien weiterzufahren. Zwei Jahre soll das gut geklappt haben, dann merkten die Saudis, dass gar keine Schiffe mehr kommen und begann erneut zu bremsen. So dauert es mittlerweile 2 Wochen, bis die LKW Fahrer den Hafen verlassen können, was bedeutet, dass die Fahrer am Straßenrand leben müssen. Dennoch ist diese Variante immer noch schneller, als die direkte Lieferung an Saudi-Arabien.

                                    Frauen haben in Bahrain weitgehende Rechte, allerdings lehnen die Schiiten liberale Regelungen ab, so dass es vor allem die sunnitischen Frauen sind, die davon profitieren. Viele Frauen sind berufstätig und haben die Wahl zwischen westlicher oder islamkonformer Bekleidung. Alkohol ist tabu. Die Frauen ausländischer Beschäftigter benötigen die Genehmigung ihres Gatten, wenn sie Alkohol kaufen wollen und dürfen mit ihrem Hausfrauenvisum nicht arbeiten. Die Kinder gehen auf Privatschulen und müssen für ihr Studium das Land verlassen. Die Hochschulen stehen nur den Einheimischen offen. Bahrain ist vor allem Formel 1-Fans ein Begriff. Die Rennbahn rechnet sich zwar nicht, hat aber das Land bekannt gemacht. Inzwischen hat Abu Dhabi nachgezogen. Bahrain ist weniger wohlhabend als die Vereinigten Arabischen Emirate, und das Öl ist fast alle.

                                    Auch in der Hauptstadt Manama herrscht rege Bautätigkeit und viel Verkehr. Der Standort wird von Banken und Versicherungen dominiert, man hat vom Libanon-Krieg profitiert und versucht auf diese Weise wirtschaftlich unabhängig vom Öl zu werden. Da islamische Banken keinen Zins nehmen dürfen, funktioniert die Finanzierung etwas anders als bei uns. Während deutsche Banken Baugeld verleihen und sich den Kredit mit Zinsen zurückzahlen lassen, kaufen islamische Banken das gewünschte Haus und verkaufen es mit einem Aufschlag an den Kunden. In der Summe kommt das natürlich auf das Gleiche hinaus, aber der Weg entscheidet darüber, ob es islamkonform ist. Eine besondere Attraktion in der Hauptstadt ist ein Hochhaus, das aus zwei Hälften besteht und in der Mitte mit drei Windturbinen ausgestattet ist. Allerdings erzeugen diese nur selten gleichzeitig Energie, da die Vibrationen zu hoch sind. Theoretisch könnte man mit den Turbinen 15 Prozent des Energiebedarfes des Hauses decken.





                                    In Bahrain steht der „Baum des Lebens“ (Tree of Life).

                                    Der Baum des Lebens steht in der Wüste. Der Weg ist weit. Sand, Siedlung, Sand, Siedlung, Sand. Fast alle Siedlungen sind im gleichen Baustil, die Häuser identisch, bei uns würde man Reihenhäuser dazu sagen. Eine Siedlung ist etwas bunter bemalt, sie hat der Scheich für treue Staatsdiener errichten lassen. Eine amerikanische Basis, die Häuser im 50er Jahre Stil mit Vorgarten und Auto vor der Garage. Die Frauen, die ja nicht arbeiten dürfen, treffen sich regelmäßig, um soziale Projekte zu unterstützen. So bringen sie den LKW Fahrern, die tagelang im Stau stehen, warme Mahlzeiten und Wasser. Im Gegensatz zu Dubai besteht hier sowohl ein guter Zusammenhalt unter den Expats, als auch Kontakt mit den Locals. Abwechslung für die Augen bietet nur die eine oder andere Moschee oder ein Palast.

                                    Zu Fuß ist hier überhaupt niemand unterwegs. Wo auch. Ich erfahre, wenn jemand (auf die Idee kommen sowieso nur Europäer) zu Fuß geht, halten die Autos sofort an und fragen, ob sie denjenigen mitnehmen sollen. Niemand hat Verständnis dafür, dass jemand zu Fuß gehen will. Wozu gibt es denn Autos. Und langsam kann ich es nachvollziehen. Es ist eine andere Geschichte, welche die Menschen prägt. Hier ist nichts, außer staubiger, sandiger Straße. Nichts.

                                    Ein ungewöhnlicheres Gebäude wird sichtbar, ein langer Turm, eine runde, raue Wand. Nein, sie ist nicht rau. Sie ist mit Namen beschrieben. Nach den Unruhen 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings durfte das Volk über eine Verfassungsänderung abstimmen. Wer für Ja gestimmt hat, dessen Name wurde auf die riesige Wand geschrieben. Wer für nein gestimmt hat, bekam für seinen Namen eine kleine Ecke in der Nähe vom Klo. Es waren nicht viele, die dagegen gestimmt haben.





                                    Ein Palast. Und direkt dahinter beginnt die unbesiedelte Wüste. Allerdings eine flache Wüste mit kleinen huckeligen Pflanzen. Ich lerne: Wüste ist nicht gleich Wüste. Nicht in jedem Land sind Sanddünen. Kurz darauf die ersten Pferdekopfpumpen. Hier beginnen die Ölfelder.





                                    So habe ich mir das hier nicht vorgestellt. Eine Erhebung, anscheinend das einzige Gebirge hier.





                                    Immer mehr Zelte tauchen auf. Ein Flüchtlingslager? Nein. Lachen. Weit gefehlt. Hier verbringen die Familien aus den Städten ihr Wochenende. Es sind die traditionellen Zelte, die man schon im Museum gesehen hat, es ist hier Tradition. Früher Behausung, heute Outdoorfreizeittradition. Allerdings werden die Zelte nicht aufgebaut und mitgebracht. Das sind Campingplätze mit Mietzelten. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass sich die Familien gemeinsam in einem Camp treffen. Aber im Ölfeld? Ich kann es kaum glauben. Was Natur ist, bestimmen die Sehgewohnheiten, anders kann ich mir das nicht erklären.





                                    Gezeltet wird übrigens mit Elektrizität, Fernsehantenne und anderem Komfort. Es stehen gepolsterte Sofas und Sessel um die Feuerstellen herum. Das wird doch nass! Du Dummerle, hier regnet es nicht.

                                    Die erste Ölquelle der Region.





                                    Ein kleines Ölmuseum arbeitet die Geschichte auf. Ein Amerikaner hatte darum gebeten, nach Öl bohren zu dürfen. Bis dahin hatte niemand vermutet, dass auf der Arabischen Halbinsel Öl zu finden sei. Der Scheich lehnt ab. Finde uns erst Wasser, dann können wir noch einmal über Öl reden. Der Ingenieur findet Wasser und damit beginnt der Ölboom in der Region. An der Wand hängt eine Tafel, welche die Entwicklung der Ölförderung von 1859 bis 1990 behandelt. Die Auswahl der Fakten ist interessant (eigene Übersetzung):

                                    1923 Ölfund Irak
                                    1926 SEPM organisiert
                                    1929 Börse bricht zusammen
                                    1930 Dad Joiner entdeckt Ost Texas
                                    1933 Roosevelt wird Präsident, H. (Abkürzung von mir) wird (deutscher, Ergänzung von mir) Kanzler. Standard of Cal. bekommt Saudi Konzession.
                                    1945 2. Weltkrieg endet.
                                    1948 Aramco wird gegründet
                                    1954 Ölfund in Abu Dhabi
                                    etc.

                                    Es ist ein kleines Museum, auf dem Boden liegt zur Freude von Touristen ein Hund. Es ist der einzige Hund, den ich auf dieser Reise sehen werde.
                                    Es geht den gleichen Weg zurück, oder sieht nur alles gleich aus? Staubige Straße an Ölfeldern. An einigen Stellen stehen Schilder: Campen verboten!

                                    Unvermittelt, aus meiner Sicht, stoßen wir nun auf den „Baum des Lebens“ Schadscharat al-Haya. 400 Jahre ist er alt, ein Mesquite-Baum. Ich hatte ihn mir einsamer vorgestellt, fern der Zivilisation. Umgeben von wogenden Sanddünen. Bahrain ist also eine eher flache Insel und wenn sie so groß ist, wie Hamburg ist, haben wir sie schon fast durchquert.





                                    Anscheinend wird er geschickt fotografiert.





                                    Woher er sein Wasser nimmt, ist unbekannt. Die plausibelste Theorie (hinter vorgehaltener Hand verbreitet) ist, dass einer der Angestellten des Scheichs ihn seit 400 Jahren heimlich gießt. Wissenschaftler haben 2008 den Baum ausführlich untersucht und keine Theorie bzw. Wasserquelle gefunden, dafür aber altes Gemäuer ausgegraben. Das hat dem Baum eine gewissen Wertigkeit gegeben, zuvor wurden seine Zweige gerne genutzt, um Grillfeuer anzuzünden. Um ihn vor Vandalismus zu schützen, wurde er umzäunt, doch davon ist heute nichts zu sehen.




















                                    Pflanzen der Umgebung. Der Sand ist steinhart.








                                    Camping.





                                    Wie üblich machen die Besucher von sich Fotos. Schwierig, ein Bild ohne Menschen zu machen. Eine englisch-arabische Familie gesellt sich unter den Baum, die Kinder klettern im Baum herum.





                                    Ich laufe ein wenig herum. Es weht ein leichter Wind, aber der Sand fliegt nicht. Eine Scheibe. Was sie bedeutet, weiß ich nicht. Wie lange es von hier aus wohl zum Meer ist?





                                    Das zum Thema Einsamkeit.








                                    Vögel fliegen herum, aber ich kann sie nicht fotografieren, sie sind zu schnell. Nachdenklich scharre ich im Wüstensand herum. Vielleicht ist das der Grund, warum man Hochhäuser baut. Glanz und Leben. Ach was. Natürlich wegen des Geschäfts.





                                    So einen Sessel hatte ich früher auch mal.





                                    Eiswagen in der Wüste. Speiseeis.





                                    Es geht nun wieder zu einer Kamelfarm. Sie gehört einem der Söhne des Königs, mit 30 Jahren noch recht jung. Tja, wird mir gesagt, er kann sich das leisten, und er hat ja sonst nichts zu tun. Das stimmt, wobei ein Sportler bestimmt nicht den ganzen Tag herumsitzt.
                                    Kamelzucht ist inzwischen in all diesen Ländern Hobby, ein extrem teures Hobby, das man aus Prestigegründen betreibt. Eine wirtschaftliche Bedeutung haben Kamele nicht mehr. Rennkamele können schon einmal mehr als eine Million kosten. Nachdem sie früher von „importierten“ Kindern aus Pakistan geritten wurden, sitzen nach Beschwerden der Menschenrechtsorganisationen inzwischen nur noch Roboter auf den Tieren. Sieht lustig aus, es gab eine Übertragung von Kamelrennen im Fernsehen, Pferde- und Kamelrennen haben einen eigenen Fernsehkanal.
                                    Die eigentliche Profession des Prinzen sind aber Pferde, er ist ein sehr erfolgreicher Distanzreiter. Sein Pferdegestüt ist nebenan, das man aber nicht besichtigen kann. Dass er wegen Menschenrechtsverletzungen im Zuge des Arabischen Frühlings in internationaler Kritik steht, weil er politische Gegner geschlagen und getreten hat, werde ich erst später dem Internet entnehmen. Die Kamelzucht darf nur von Ausländern besichtigt werden.


                                    Ein bisschen tun mir die Vorzeigekamele leid, Selfie hier, Selfie da, ein Schwarm ergießt sich über den Platz.





                                    Etwas weiter entfernt weitere Tiere.








                                    Der Pfleger wird mich kurz darauf ebenfalls mit Kamel fotografieren. Sehr nett, man hat längst verstanden, worum es Touristen geht. Erst will ich ablehnen, aber das Foto ist gut geworden. Zeige ich aber nicht.





                                    Stachelig und rauh fühlt sich das Kamel an. Mit Pferdehaaren überhaupt nicht zu vergleichen. Am meisten erstaunt mich, dass sie ruhig halten. Energie sparen? Gutmütiger Charakter? Zufällig schaue ich in die Wüste hinaus, weil ich einen Vogel entdeckt habe. Reiter galoppieren davon. Wie ich sie beneide.





                                    Ein Jungtier.





                                    Und es geht noch kleiner.








                                    Erneut kommen Reiter. Aber ich nehme mich erst einmal dieses Kerlchens an. Keine Ahnung, wie er heißt. Er guckt unfreundlich.





                                    Baby müde.





                                    Wieder Pferde, recht viele sogar. Ein Schimmel ist dabei, ein schönes Tier. Als Kind war es immer mein Traum, ein Arabisches Vollblut zu besitzen. Natürlich, das sind keine Tiere für eine Hügel- oder Sanddünenlandschaft. Die brauchen die Weite, wie diese flache Wüste hier. Das ist ihr Element. Ich beginne, die flache Wüste mit anderen Augen zu sehen. Am Baum des Lebens hatte ich Pferdespuren gesehen. In diese Weite zu galoppieren muss ein Traum sein. Ach Mensch, können wir nicht tauschen?

                                    Einer der Reiter hat irgendein Problem, sie reiten langsam, aber er fällt zurück.





                                    Der Reiter bekommt sein Problem nicht in den Griff, der Reiter mit dem Schimmel dreht um, seiner Körpersprache nach, hat er hier etwas zu sagen, was machst Du denn da.





                                    Er reitet wieder vor, aber ich muss mich jetzt mal wieder um Anschluss bemühen und zu den anderen zurückkehren und kann nicht warten, bis sie davon galoppieren..





                                    Schnell noch in das Zelt mit den Falken des Prinzen.





                                    Gar nicht so einfach zu fotografieren.





                                    Stolz zeige ich meine Pferdefotos. Und erfahre, wer es ist.
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

                                    Kommentar


                                    • Torres
                                      Freak

                                      Liebt das Forum
                                      • 16.08.2008
                                      • 30593
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                                      Oman

                                      Oman war bereits in der Steinzeit besiedelt und Teil des mythischen Reichs von Saba. Oman ist eine ehemalige Handelsweltmacht, die sich einmal die gesamte Ostküste Afrikas entlang streckte. Auch Sansibar gehörte einmal zu Oman. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde Oman von den Portugiesen beherrscht, wovon er sich durch einen Aufstand befreien konnte. Oman besitzt eine Enklave, die vom Staatsgebiet der Vereinigten Arabischen Emirate umschlossen ist. Es handelt sich um das strategisch wichtige Gebirge an der Straße von Hormus, der Engstelle zwischen der Arabischen Halbinsel und Iran an der wichtigsten Handelsroute der Ölländer.
                                      Es gibt viele Spuren der Geschichte in dem Land, auch landschaftlich ist es vielfältig, und es ist mir sofort sympathisch. Und anscheinend fahren die Einheimischen hier auch Fahrrad.
                                      Regiert wird es von König Qaboos, der, nachdem er seinen Vater entmachtet hat, das Land in die Moderne geführt hat und den Lebensstandard gesteigert hat. Dennoch ist es in vielen Teilen noch ein armes Land. Durch eine Omanisierung wurde versucht, mehr Omanis in die höheren Positionen zu bekommen, um die Abhängigkeit von Gastarbeitern, gerade auch vom europäischen Topmanagement, zu verringern. Nur in den einfachen Dienstleistungen sind Gastarbeiter überproportional stark vertreten, da diese Stellen von Omanis nicht bevorzugt werden..

                                      Oman ist mittlerweile ein Land, in dem Tourismus staatlich gefördert wird, nachdem es früher vor allem das Ziel von Individualreisenden war. Hochhäuser gibt es hier nicht, man geht einen anderen Weg. Auch Oman lebt von Öl, hat aber auch Handel, Landwirtschaft und Fischerei.
                                      Der Monarch, mittlerweile 78 Jahre alt, ist kinderlos und hält sich gerne in Deutschland auf, wo er ein Haus besitzt. In seiner Jugend war er als Angehöriger der britischen Truppen in Deutschland stationiert. Seine Nachfolge ist ungeklärt, was womöglich in den nächsten Jahren politisch schwierig werden kann, zumal der Oman an Jemen grenzt. Der Regent regiert absolut, Opposition wird unterdrückt. Gewaltenteilung gibt es nicht. Derzeit hält er sich aus gesundheitlichen Gründen in Deutschland auf.
                                      Die Hauptstadt heißt Maskat, engl. Muscat (Maskät ausgesprochen). Es leben mehr Omanis als Ausländer im Land, wobei die meisten Menschen in der Küstenregion leben. Ansonsten ist das Land recht dünn besiedelt. Das Straßennetz ist gut, auch abgeschiedene Regionen sind inzwischen mit dem Auto zu erreichen. Die Straße wurden teilweise roh in den Felsen gehauen, nach Regen muss mit Steinschlag gerechnet werden. Die Verkehrsüberwachung erfolgt ebenfalls durch eine automatische Kontrolle der einzelnen Fahrzeuge.
                                      Oman ist ein muslimisches Land, allerdings gehört die Bevölkerungsmehrheit den Ibaditen an, einer Sonderform des Islam. Damit hat Oman ein Alleinstellungsmerkmal, zwar gibt es auch in anderen arabischen Länder Ibaditen, aber sie dort nur Minderheiten.. https://de.wikipedia.org/wiki/Ibaditen. Frauen müssen sich in der Moschee verschleiern, ansonsten ist es ihnen freigestellt, ob sie sich traditionell kleiden oder nicht. In ländlicher Umgebung macht man es sich als Frau mit Kopftuch aber einfacher. In traditionellen Privathäusern herrscht Geschlechtertrennung. Männer sollten fremde Frauen nicht ansprechen und Frauen sollten fremde Männer nicht berühren. 71 Prozent der Omanis verfügen über Internet.

                                      Was als erster auffällt, sind die Blumen. Oman ist fruchtbar. Das riesige Gebirge, das ich von der Wüste aus gesehen habe, sorgt für ein besonderes Klima. Dort regnet sich der Monsunregen ab, füllt die Wadis und mit einem den Levadas auf Madeira vergleichbaren Wassersystem namens Faladsch (Mehrzahl Afladsch), wird das Wasser dann in die tieferen Regionen geleitet. Das System wurde in den letzten Jahren erneuert, da die alten Einfassungen zu oft zerbrachen. Damit will man von energieaufwändigeren Formen der Wassergewinnung unabhängiger werden. Oman leidet unter dem Verfall des Ölpreises, so dass ein Sparkurs gefahren wird. Im Winter ist in Oman sogar Schneefall möglich. Dann setzten sich alle in die Autos, um ins Gebirge zu fahren und sich den Schnee anzuschauen.

                                      Ich kann mich an den Bergen kaum satt sehen, obwohl die Fahrt lange dauert. Oman ist ungefähr so groß wie Deutschland.





                                      Typisch ist bei Männern diese Kopfbedeckung.








                                      Eine Kulturlandschaft, die neugierig macht.














                                      Historische Bauten.





                                      Ein schmales Band von Serpentinen schlängelt sich einen Berg hinauf. Nun endlich wird unser Fahrer mitteilsamer, dort hat er einmal eine Urlaub gemacht, der Pool ist toll, er zeigt uns Bilder während der Fahrt, es ist ein Hotel mit Panoramablick.
                                      Die Fahrt ist wirklich extrem lang, aber längst nicht so eintönig, wie befürchtet. Nicht nur die Berge sind abwechslungsreich, man sieht Landwirtschaft, Nutztiere, kleine Dörfer. Überhaupt. Hier herrscht Leben. Ich muss es so formulieren, denn ich empfinde es so. Keine Gigantomanie, keine abgeschirmten Farmen, sondern Kleinhandel, Dorfstrukturen und Hirten an den Straßen.





                                      In einem Wadi stehen Kamele und zupfen an den Bäumen. Haltepunkt. Es weht ein frischer Wind. Alte Behausungen.





                                      Fruchtbare Felder.











                                      Ein Landrover fährt in den Wadi ein. Kann nicht plötzlich das Wasser kommen? Nein, so schnell geht das hier nicht, der Fahrer lacht. Das erfährt man Tage vorher.








                                      Wir biegen jetzt ebenfalls in den Wadi ein, ein Schild, nur zufällig erfasse ich den Text, weil ich immer auf Schilder schaue, um mir den Ort zu merken, und ich traue meinen Augen kaum, ich brauche ein Beweisfoto, sonst glaube ich das nicht. Auf dem Schild steht: „Parkplatz Trekking Path“. Trekking Path. Im Oman weiß man, was Trekking ist. Ich kann es nicht fassen. Aufregt frage ich den jungen Fahrer, mit dem ich bisher kaum ein Wort gewechselt habe, ob er trekken geht. Natürlich, sagt er, ich fahre mit Freunden hin, und dann gehen wir fünf Tage wandern. Er nickt, als ich erzähle, dass ich Outdoorer bin, ja, das machen wir hier auch. Schxxe, denke ich, ich bin ich das falsche Land gefahren.








                                      Verdammt, verdammt, verdammt. In diesem Land gibt es alles. Sanddünen und Berge. Und keine Hochhäuser. Natur.











                                      An einer Stelle machen wir Halt.





                                      Misstrauisch beäugt.





                                      Lunchtime.





                                      Plastik, Plastik, Plastik unser Essen, man sieht Spuren von den Vorgängern. Ein riesiges Wohmobil, Wüstenausführung, schiebt sich durch den Wadi an uns vorbei. Deutsche. Schnell schlinge ich das Sandwich mit Humus herunter, während ich kaue, fotografiere ich. Es zuckt in meinen Beinen.

















                                      Und dann laufe ich los.





                                      Ist das schön hier.





                                      Eine Pfütze.





                                      Und ich weiß, dass ist jetzt verflucht sentimental, aber das Wasser ist so klar, so zart, ein Glanz von Seide, und als ich durch die Pfütze laufe und meine Wanderschuhe über den Geröllschutzrand im Wasser stehen, da bekomme ich Tränen in die Augen. Fragt mich nicht warum, aber es ist unglaublich, nach diesen Tagen plötzlich mitten auf dem Weg im Wasser zu stehen.





                                      Ich könnte jeden Felsen fotografieren, so wie ich jede Sanddüne fotografieren mochte.








                                      Hat hier mal jemand gewohnt? Oder es ist ein Schafstall.








                                      Nicht herunterfallen, bitte.








                                      Wow.





                                      Und einen kurzen Moment überleg ich, ob ich jetzt einfach weiterlaufe. Laufe, laufe, laufe. Aber ich bin zu vernünftig, nicht dass sie noch den Helikopter holen, soviel Geld habe ich nicht. Zwei aus der Gruppe sind hinter mir, ich habe sie nicht bemerkt, Ostdeutsche, man sieht an ihrem Gesicht, wie hungrig sie nach dieser Natur sind, wir schauen uns an, es braucht keine Worte, Brüder im Geiste.
                                      Der Rest der Truppe hat sich nicht bewegt, quatschen und Selfies machen, klick, es geht zurück, gute 3 Stunden Fahrt liegen vor uns, nur, um mal die Distanzen deutlich werden zu lassen. Ein großes Land, auch wenn es schmal wirkt.











                                      Es ist windig geworden, der Sand weht über die Landschaft, später wird es diesig werden, Sandstaub.











                                      Mein Blick für die Wadis ist nun geschärft, teilweise laufen sie direkt an der Straße entlang.





                                      Reichhaltig verzierte Türen fallen auf.





                                      Es entwickelt sich nun ein Gespräch mit dem Fahrer, Mitte zwanzig, in jeder Pause mit seinem Smartphone beschäftigt. Er ist Osmani. Wie ich schon erwähnte, hier arbeiten auch die Einheimischen. Er hat Elektrotechnik studiert, sein Vater hat eine Firma, aber er fährt gerne Auto und arbeitet daher in seiner Freizeit als Fahrer. Er hat ein Jahr in Amerika gelebt und die Kälte hat ihm nicht gefallen. - 21 Grad, ob wir damit Erfahrung haben. Was hat man früher gemacht, um mit dieser Kälte umzugehen? Kleidung und fette Nahrung. Fett, Fett, Fett. Und ich erkläre ihm die Bedeutung des Schweins in unserem Land als Energiereserve für den Winter, die Befähigung von Schweinen, Eicheln in menschliche Nahrung zu verwandeln. Neben mir sitzt ein älteres Ehepaar aus der Schweiz, sie sprechen nicht so gut Englisch, aber die Frau versteht alles, und ich spüre ihr Lächeln. In der Schweiz hatte man die Möglichkeit nicht, da hat man noch vor hundert Jahren im Winter seine Kinder nach Schwaben verkauft, weil man sie nicht ernähren konnte. Und die Kaminfegerkinder, die nach Italien geschickt wurden, sagt die Schweizerin leise auf deutsch, bis heute ist das alles noch nicht aufgearbeitet.
                                      Der Osmani zeigt uns seine Universität und den Neubau der Universität, die an der Strecke liegen. Ein Forschungsprojekt zum Thema Energie, es ist ein unscheinbares Gebäude, man will die Natur verstärkt zur Energiegewinnung nutzen. Wir reden über Alkohol, im Mittelalter gab es in Hamburg mehr als 400 Brauereien, sie garantierten sauberes Trinkwasser, kein Vergleich zu heute, wo man sich gerne betrinkt. Zwei Welten begegnen sich in diesem Auto, - oder sind sie sich schon näher, als man denkt? - und sie kommen gut miteinander aus. Einen Moment muss ich noch einmal an die Schweizerin aus Bahrain denken. In Bahrain gibt es nämlich Schweinefleisch zu kaufen, sehr teuer und ganz hinten in einer Ecke des Supermarktes. Wenn man damit an die Kasse geht, fasst die Kassiererin die Tüte mit spitzen Fingern an und verzieht die Nase, iiiiih, und schiebt des Päckchen mit Ekelgesicht über den Scanner. Die Schweizerin lacht sich jedes Mal kaputt. Man braucht Offenheit, um andere Kulturen zu verstehen.
                                      Habt ihr auch im Winter den Kühlschrank an, fragt er? Ja, sage ich, und überlege, warum eigentlich. Die Wohnungen sind ja warm, wir haben eine Heizung, ergänzt die Schweizerin. Früher war der Stall neben der guten Stube, das wärmte. Nur die Stube war beheizt. Zu neunt schlief man in einem Bett, um sich zu wärmen, Kirschkernkissen wärmten die Füße. Noch nicht einmal siebzig Jahre ist das her, als in dieser Gegend hier der Ölboom begann, zu dieser Zeit begann auch in unseren Ländern der Wohlstand. Ob das miteinander zusammenhängt? Da muss ich mal drüber nachdenken.
                                      Was macht ihr hier in Eurer Freizeit? Mit Freunden treffen, Musik hören.

                                      Das Land gefällt mir.
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                      Kommentar


                                      • Torres
                                        Freak

                                        Liebt das Forum
                                        • 16.08.2008
                                        • 30593
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion

                                        Al-Ain

















                                        Al-Ain (al-Ain geschrieben) liegt an der Grenze zu Oman, ca. 170 km von der Stadt Abu Dhabi entfernt. Eine kurze Pause.





                                        Zivilfahrzeuge nicht erlaubt.





                                        Die Sanddünen Abu Dhabis sind viel höher, als die von Dubai. Aber das würde ich gerne irgendwann mal mit einem Kamel machen, diesen Jeepquatsch mag ich nicht noch einmal haben.





                                        Al-Ain ist eine Oasenstadt. Sie hat einen lebendigen, traditionellen Charakter. Hochhäuser gibt es keine. Die Stadt hat ungefähr den Umfang von Paris und ca. 700.000 Einwohner..





                                        An einigen Straßen sieht man noch die alten Häuser aus der Zeit vor dem Ölboom, kleine Bauten, die eher wie ein flacher Schafstall wirken. Gegenüber die großzügigen neuen Häuser, die man heute bewohnt. In Al-Ain befinden sich Museen, mit denen der verstorbene Scheich seine Familie und die Bevölkerung an ihre Herkunft und das genügsame Leben erinnern will. Das erste Museum ist ein nachgebauter Palast, der das Leben Scheich Zayids vor dem Ölboom zeigt.








                                        Der Scheich wird so stark verehrt, dass die übliche Erbfolge außer Kraft gesetzt wurde. Während normalerweise der älteste Sohne und seine Nachfahren erben, gilt zu seinen Ehren die Sonderregelung, dass erst alle Söhne des Scheichs erben (ursprünglich waren das 19, zwei sind verstorben, einer beim Paragliding, man vermutet Drogen), bevor die Enkel an der Reihe sind. Im Moment regiert der älteste Sohn Khalifa (nach ihm wurde der Burj Khalifa benannt, da Abu Dhabi dem durch die Wirtschaftskrise klamm gewordenen Dubai mit Geld aushelfen musste), nach einem Schlaganfall führt aber der Zweitälteste Mohammed die Geschäfte. Der zweitjüngste Sohn ist 47 Jahre alt. Ist die Bevölkerung nicht neidisch auf die Königsfamilie und ihren unermesslichen Reichtum? Nein, er hat sie ja alle reich gemacht.

                                        Drei Tage später werde ich, wie üblich, gegen Abend die Bordsteinkanten entlang balancieren. Ein Toyota Van versperrt den Weg. Aus einem Seiteneingang des Hotels kommen drei Männer, sie eilen zu dem Auto, und ich bleibe instinktiv stehen. Ein Mann reißt die rechte Vordertür auf und leitet einen alten Mann zum Vordersitz, er erinnert mich an meinen Vater, als er ungelenk den ersten Fuß in den Fußraum setzt, er muss auf die 90 zugehen. Er sieht mich, erschrickt sich, seine Augen schauen eindringlich und klar, er versucht sich zu orientieren, ich lächele unsicher, er fängt sich wieder und konzentriert sich auf das Einsteigen. Nun bemerkt mich auch sein Begleiter, vielleicht um die sechszig, ein schmales Gesicht im Kopftuch, auffallend länglich und sehr charakteristisch, von Kummer durchzogen, er schaut mich kurz an, ich nicke zum Gruß und laufe durch das Blumenbeet, um sie nicht weiter zu stören. Am nächsten Morgen stehen die Flaggen auf Halbmast. Die Mutter des Emirs ist verstorben. Es gibt Dinge, die auch Reichtum nicht lindern kann.


                                        Das Schlafgemach. Es gibt eines für den Scheich und eines für die Scheika.





                                        In einer Schautafel ein Zitat (eigene Übersetzung):

                                        „Eine Frau macht die Hälfte der Gesellschaft aus und kümmert sich um das Haus. Ein Land, das sich selbst aufbauen möchte, sollte eine Frau nicht in der Dunkelheit des Analphabetismus und als Gefangene in Fesseln der Unterdrückung halten.“
                                        Scheich Zayid


                                        Der Krummdolch. Als touristisches Mitbringsel eignet er sich nicht. In Oman ziert er das Wappen.





                                        Hallo mein Freund, wer bist Du denn?





                                        Wassersack.








                                        Die Küche. Der Topf ist wirklich riesig.





                                        Aufenthaltsraum, jeweils einer für Männer und für Frauen.





                                        Ich weiß mittlerweile, dass einige Dinge, die uns heute brutal und ungerecht vorkommen, zur Entstehungszeit des Islam ungeheuer fortschrittlich waren. So gab es durch die Scharia das erste Mal Rechtssicherheit (in Europa gelang das erst durch die codes napoléoniens). Dass die Modernisierung des islamisches Rechts so schwierig ist, liegt daran, dass der Religionsstifter (und seine Nachfolger) gleichzeitig weltlicher Herrscher war und sind (Kalif), während der Religionsstifter Jesus Christus ausschließlich ein religiöser Führer war, so dass das Christentum selbst kein Rechtssystem entwickeln musste.
                                        Besonders modern war, dass Frauen ein eigenes Erbe haben durften. Sie mussten zwar ihren Ehemann im Alltag um Erlaubnis fragen und waren von diesem abhängig, aber rechtlich hatten sie einen eigenen Status. Das spiegelt sich bis heute im Titel der Sheika nieder. Vor diesem Hintergrund lassen sich die getrennten Räume auch als Privileg zu betrachten. Einen eigenen Raum hatten die meisten (Haus)Frauen in Deutschland bis in die jüngste Zeit hinein nicht, es war nicht üblich. Auch die Vielehe wurde klar geregelt. So hat jede der Frauen das Recht auf Gleichbehandlung und gleichen Besitz. Es darf keine Frau bevorzugt werden. Was die eine Frau erhält, erhält auch die andere Frau. Wer zwei Frauen heiratet, braucht auch zwei Häuser.





                                        Die typische Kaffeekanne, die sich auch auf den 1 Dirham Münzen findet. Kein Hotel, kein Museum, wo sich nicht am Eingang jemand findet, der Kaffee und Datteln reicht.





                                        Repräsentativer Raum. Der Basthut auf dem Teppich deckt übrigens die Datteln ab.





                                        Es gibt dann noch einen weiteren repräsentativen Raum in blau, bei dem die Kissen erhöht wurden und auf einer Art Kasten liegen. Hier empfing man Staatsgäste, unter anderem die (sehr junge) Queen. Wenn ich die gesamte Ausstattung des Hauses mit der Möblierung meiner Großeltern vergleiche, war der Scheich arm.





                                        Das nächste Museum ist ein Fort, in dem man etwas über die Geschichte des Landes, die Werkzeuge, die Gräber und die Trachten erfährt. Emiratinnen tragen keine Burka, wenn sie das Gesicht verhüllen wollen, sondern eine Art Maske. Ab und zu sieht man sie auch im Straßenbild.





                                        Ich frage nach den Gewändern der Männer. Das Trageverbot für Ausländer wurde aufgehoben. Stimmt, jeder kann ein Emirati-Gewand tragen, wer möchte. Sie sind nur sehr teuer, daher tut es nicht jeder. Wer arbeitet und ein Gewand trägt, wie die Männer, die im Museum arbeiten, ist also verkleidet? Gut erkannt, sagt er. Arbeiten tun die Emiratis jedenfalls nicht. Man trifft sie nur in den Shopping-Malls oder sieht sie in ihren Autos. Auch in den Häusern arbeiten sie nicht, es gibt es eine Vielzahl Bediensteter, ein Emirati macht einfach nichts.


                                        Für die Kenner der Region: Die alte Moschee von Abu Dhabi, 1963.





                                        Vögel.








                                        Al-Ain verfügt ebenfalls über ein Faladsch/Levada-System. Ich erkläre mir den Wasserreichtum mit der Nähe zu Osman, vermutlich profitiert auch diese Region noch von dem Monsunregen. Ich bin sehr froh, dass meine rumänischen Begleiter ähnliche Interessen haben, gemeinsam vertiefen wir uns in den Palmenwald. Allerdings gehen wir nicht weit hinein, das Balancieren auf den aufgeschütteten Hügeln ist mühsam.








                                        Banane.








                                        Erst hier wird fühlbar, was das Wort Oase überhaupt bedeutet.











                                        Im benachbarten Garten fließt Wasser durch die Kanäle, der Guide springt vor Freude fast im Kreis herum. Das ist selten.





                                        Die alten Trennwände aus Holz sind mittlerweile durch Plastik ersetzt, weil das haltbarer ist.





                                        Die Kästen sind gegen die Ratten.





                                        Der Kamelmarkt von Al-Ain ist der Bedeutendste des Landes. Er wurde mittlerweile von der Innenstadt in einen Randbereich verlegt, aus hygienischen Gründen. Nur die angesiedelten Veterinäre zeugen noch von der Geschichte des Platzes. Der neue Markt ist ein weitläufiges Gelände, an dessen Ende sich ein Schlachthof befindet. Auf der einen Seite des Marktes befindet sich Nutzvieh, also Schafe und Ziegen. Sie werden von Pakistanis betreut und verkauft. Auf der anderen Seite stehen die Kamele. Sie werden von Sudanesen betreut.








                                        Schwarze Kamele sind aus Saudi-Arabien, weiße Kamele sind aus dem Sudan und braune Kamele von überall her.











                                        Der Bereich der Nutztiere.





                                        Die Kamelrufe sind herzzerreißend, ein langgezogener, klagender, durchdringender Laut. Die Jungtiere wurden von den Müttern getrennt und diese erkennen die Gefahr.





                                        Es ist brütend heiß auf dem Markt, die meisten Händler sitzen untätig herum. Die Verkaufsverhandlungen beginnen abends, wenn es kühler wird. Das Heu kommt aus Amerika. Woran erkennt man ein gutes Kamel, frage ich. An den Zähnen. Okay, wie bei Pferden.


                                        Al-Ain ist eine geteilte Stadt, eine Hälfte gehört zu Oman, mit Natodraht getrennt. Das Gebiet war über Jahrhunderte Ziel von Grenzstreitigkeiten zwischen Saudi-Arabien, Oman und Abu Dhabi. Das trennende Gebirge sieht nicht so beeindruckend, wie von omanischer Seite aus. An seinem Fuß befinden sich mehrere Paläste der Herrscherfamilie.





                                        Brutal wurde eine kurvenreiche Straße zum Jabel Hafeed (1350 m), in den Felsen gefräst. Ein Radfahrer, Rennrad, aber kein Profi. Auf dem Gipfel wieder ein Palast, zudem ein Hotel. Leider erfüllt sich meine Hoffnung, von hier oben die Sanddünenlandschaft sehen zu können, nicht. Wetterpech. Es ist neblig auf dem Gipfel.


                                        Graffitis. Die ersten, die ich in diesem Land sehe.





                                        Dunst.
































                                        Wo Touristen sind, sind auch Katzen.





                                        Das Gebirge war früher Kupferabbaugebiet und die Region wurde durch Kupfer reich. Es ist mit Höhlen durchsetzt und bietet vielen Tieren eine Heimat, vor allem Vögeln, Insekten und Schmetterlingen.





                                        Am Fuße des Berges befindet sich eine heiße Thermalquelle. Die Quelle ist ganz in der Nähe der Paläste, bewacht, aber für alle Menschen offen.





                                        Das Wasser ist tatsächlich richtig heiß und es steht jedem frei, sich mnit nackten Füßen in das Becken zu stellen, wobei vor den glitschigen Pflanzen gewarnt wird.




                                        Drumherum ist eine Art von Picknickareal, hier wird vor allem freitags gegrillt und gemeinsam gegessen. Etwas anderes haben die Emiratis ja auch nicht zu tun, lästert der (deutsch und englisch sprechende) Guide aus Sri Lanka. Er deutet auf eine Gruppe von Frauen, Mütter und Kinder. Ist das nicht schlimm? Den ganzen Tag nur essen oder shoppen gehen. Das ist das Leben hier. Aus dem Nichts erscheint ein Security-Mann, ich soll die Kamera wegpacken. Smartphones sind erlaubt, Fotoapparate nicht. Ich gehorche.





                                        Der Radfahrer hat nach dem Gipfel das Tal erreicht, ich frage, wo er herkommt. Ein Brite, Mitte vierzig. Er arbeitet hier. Das Fahrrad lädt er auf einen fetten Pick-Up. Etwas später ein See mit einer Fontäne. Heimfahrt. Zwei unterschiedlich wirkende Siedlungen, durch die Schnellstraße getrennt. Die eine ist für die Emiratis, die andere für die Expats. Die Bereiche sind streng getrennt.


                                        Noch einmal gelingt mir ein Dünenfoto. So reizvoll diese Dümenlandschaft auch ist. Hast Du Wasser, dann hast Du auch das, was wir in Europa unter Natur und Kultur verstehen: Pflanzen, Tiere und historische Gebäude.






                                        Zwei Tage später zieht es mich zum Louvre. Der Hinweg gestaltet sich abenteuerlich, es ist Radrennen, die Straßen sind gesperrt, ich darf ein Stück zu Fuß gehen. Wieder diese künstliche Atmosphäre.








                                        Im echten Louvre war ich übrigens nie.





                                        Das Gebäude ist ein Traum. Lichte Räume und dennoch so gestaltet, dass man sich aus dem Weg gehen kann, es sind immer wieder Trennwände oder Seitenräume, in denen die Exponate zu entdecken sind. Auffällig viele Besucher sind aus Frankreich und Indien, aber auch Deutsche, Chinesen oder Araber schauen sich die Ausstellung an. Exponate aus der Frühgeschichte, Zeugnisse der vier großen Religionen, Gemälde großer oder zeitgschichtlich interessanter Maler. Den Schlusspunkt setzt eine Nachbildung des Tatlinturmes, ein Objekt aus vielen leuchtenden Perlen, Fountain of Light, und ich muss lächeln, als ich den Namen des Künstlers lese, Ai Weiwei, China und Berlin. Hoffentlich werden viele Chinesen dieses Museum besuchen und seinen Namen in China mehren.

                                        Durch den Nebel wirkt das Gebäude nicht so lichtdurchflutet, wie bei Sonne, aber es ist dennoch faszinierend, man kann sich nicht satt sehen.





                                        Und ich überlege, ob das richtige Wort für dieses Land vielleicht Vision ist. Jean Nouvel wurde mit dem Auftrag ausgestattet, moderne Architektur mit arabischer Baukunst zu verbinden. Und vielleicht geht es in diesem Land genau darum: Die arabische Kultur mit der Moderne zu verbinden. Nebenan entsteht bereits ein neues Guggenheim-Museum.











                                        Oha.
                                        (Norddeutsche Panikattacke)

                                        Kommentar

                                        Lädt...
                                        X