Angst in der Höhe

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  • Johnny
    Erfahren
    • 09.02.2009
    • 250
    • Privat

    • Meine Reisen

    Angst in der Höhe

    N´abend zusammen,
    ich wollte hier mal aus reinem Interesse ein Thema lostreten, dass mich seit Wochen beschäftigt, seit meinem Reinhold Messner Vortrag- Besuch von gestern noch mehr, und zwar die Angst im Nacken bei Bergtouren.
    Wie weit geht man, wenn man sich nicht sicher ist? Wenn das Bauchgefühl nicht stimmt? Ist die Angst beim Klettern ein Schutzengel oder ein Hinderniss? Lohnt es sich vielleicht doch, sich manchmal einfach zusammenzureissen und sich zu überwinden, und im nachhinein daran zu wachsen? Oder ist das dann russisch Roulette?

    Ich kann von einer Situation in einem schwierigen Klettersteig, der mir drei Nummern zu groß war, sagen, dass ich es am Ende doch irgendwie durchgestanden und gemeistert habe, aber ich werde nie erfahren, wie knapp an der totalen Muskelerschöpfung ich war... und in einer Situation bei einer Solo- Tour in der Schobergruppe, wo ich mitten in der Nacht im Schein meiner Funzel, in der steilen Schneeflanke auf einmal vor einem Felsriegel stand, der mir Angst eingejagt hat, und ich hab mich nicht mehr weitergetraut.... hätte ich es am Ende doch geschafft? War ich deswegen ein vernünftiger Mensch oder hätte ich es vielleicht wenigstens versuchen sollen?

    Würde mich sehr freuen, wenn ihr einige "Angstmomente" mit mir teilt, und wie ihr damit umgegangen seid, ich finde das Thema sehr spannend und jeder Bergsteiger kennt es von irgendeiner Tour. Seid ihr am Berg eher "Vernunftsmenschen" oder hört ihr aufs Bauchgefühl?
    Mit den besten Grüßen vom Johnny!
    Wie aus der sieht, wie rum der läuft!

  • Vegareve
    Freak

    Liebt das Forum
    • 19.08.2009
    • 14389
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: Angst in der Höhe

    Es gibt dieses Buch von Alexander Huber, "Angst ist dein bester Freund". Ich war beim lesen nicht ganz überzeugt, aber Angst kann definitiv beides sein, Schützer und Feind, wie allgemein im Leben.

    Bei meinem bisher schlimmsten Angstmoment war diese lähmend und hat mich schlechter gemacht. Ich konnte mich, Gott sei Dank, genug zusammenreissen um hoch zu kommen und wieder unten, so dass dieses Erlebnis sich in meinem Kopf nicht als "Versagen" einprägt, der mich beim nächsten Mal noch stärker lähmt.
    "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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    • derSammy

      Lebt im Forum
      • 23.11.2007
      • 7412
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: Angst in der Höhe

      Kenn ich und kann ich nachvollziehen.....

      (Vor allem wirds "im Alter" immer schlimmer )

      Glücklichweise hatte oder HÄTTE ich Angst bis zu Blockade noch nie zu 100%

      Auf ein paar Solotouren hatte ich (bissl Planung gehört ja auch dazu) an "den Stellen" immer so ein Zeitfenster um
      a.) Ruhig, ohne Hast, besonnen, durschschnaufend.... zu analysieren und dann konzentriert und focusiert drüber zu "rumpeln"
      (drüber bescheissen triffts wohl besser ....saubere Abzüge in der B-Note )
      oder
      b.) umzudrehen und die (auch bekannte, weil geplante) Alternative zu wählen.


      Allerdings war ich auch schon in Gruppen unterwegs, da hätten mich keine 3 Gäule rauf oder runter gebracht (alleine) aber durchs bloße Zuschauen und sich bewusst machen dass es ja geht.... gehts dann doch ....


      Hier was sehr interessantes dazu!

      https://www.alpenverein.de/chameleon...rung_24284.pdf

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      • Johnny
        Erfahren
        • 09.02.2009
        • 250
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: Angst in der Höhe

        Zitat von Vegareve Beitrag anzeigen
        Es gibt dieses Buch von Alexander Huber, "Angst ist dein bester Freund". Ich war beim lesen nicht ganz überzeugt, aber Angst kann definitiv beides sein, Schützer und Feind, wie allgemein im Leben.

        Bei meinem bisher schlimmsten Angstmoment war diese lähmend und hat mich schlechter gemacht. Ich konnte mich, Gott sei Dank, genug zusammenreissen um hoch zu kommen und wieder unten, so dass dieses Erlebnis sich in meinem Kopf nicht als "Versagen" einprägt, der mich beim nächsten Mal noch stärker lähmt.
        Hast du denn das Gefühl, dass du dir durch das Meistern dieser Situation danach mehr zugetraut hast oder hat es dich eher davon abgehalten, auch nur annähernd wieder in so eine Situation zu kommen? Ich hab mal von Reitern gehört, die mit dem Pferd böse gestürzt sind, meine Schwester zb, Schädelbasisbruch etc, da ist ihr empfohlen worden, direkt wieder mit dem Reiten weiter zu machen, weil sie sich sonst nie wieder auf ein Pferd trauen würde wenn sie zu lange wartet und drüber grübelt

        Zitat von derSammy Beitrag anzeigen
        Kenn ich und kann ich nachvollziehen.....

        (Vor allem wirds "im Alter" immer schlimmer )

        Glücklichweise hatte oder HÄTTE ich Angst bis zu Blockade noch nie zu 100%

        Auf ein paar Solotouren hatte ich (bissl Planung gehört ja auch dazu) an "den Stellen" immer so ein Zeitfenster um
        a.) Ruhig, ohne Hast, besonnen, durschschnaufend.... zu analysieren und dann konzentriert und focusiert drüber zu "rumpeln"
        (drüber bescheissen triffts wohl besser ....saubere Abzüge in der B-Note )
        oder
        b.) umzudrehen und die (auch bekannte, weil geplante) Alternative zu wählen.


        Allerdings war ich auch schon in Gruppen unterwegs, da hätten mich keine 3 Gäule rauf oder runter gebracht (alleine) aber durchs bloße Zuschauen und sich bewusst machen dass es ja geht.... gehts dann doch ....


        Hier was sehr interessantes dazu!

        https://www.alpenverein.de/chameleon...rung_24284.pdf
        Super Artikel, ich glaub es liegt heutzutage auch oft dran, wurde hier im Forum glaub ich schon mal diskutiert (oder in der Panorama?), dass die Häufung dieser Blockierungen durch Erschöpfung und Überforderung auch daran liegt, dass da Leute in die Berge und auf solche Touren gelockt werden, die da nichts zu suchen haben, und die durch Youtube-Videos auch von Profis zu dem Fehlschluss verleitet werden, dass das ja alles gar nicht so schwierig aussieht.

        Aber du hättest wahrscheinlich Solo einige Touren nicht zu Ende gebracht, die du mit der Gruppe dann doch irgendwie geschafft hast? Als Sologänger muss man ja aus meiner Erfahrung eher vorsichtig agieren, ich zumindest drehe Solo eher mal um als wenn ich mit Bruder oder Freunden unterwegs bin. Geteilte Angst ist halbe Angst oder so
        Mit den besten Grüßen vom Johnny!
        Wie aus der sieht, wie rum der läuft!

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        • Vegareve
          Freak

          Liebt das Forum
          • 19.08.2009
          • 14389
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: Angst in der Höhe

          Zitat von Johnny Beitrag anzeigen
          Hast du denn das Gefühl, dass du dir durch das Meistern dieser Situation danach mehr zugetraut hast oder hat es dich eher davon abgehalten, auch nur annähernd wieder in so eine Situation zu kommen?
          Ich habe mir einfach vorgenommen, besser zu werden. Es war ja keine Extremsituation, nur ein Terrain (Eis, unangeseilt) das ich so nicht erwartet hatte und bei dem der Kopf ziemlich versagt hat. Die Angst war also eher unbegründet und ruhte "nur" auf meine technische Unfähigkeit.
          In Momenten, in denen tatsächlich was passiert (hier: Steinbruch mit anschliessendem rutschen Richtung Abgrund), ist man so voll mit Adrenalin dass man keine Angst verspürt. Die kommt eventuell im Nachhinein abends im Zelt. So was kann man aber nicht vorhersehen.

          Bei deinem Beispiel mit dem Unfall, ja, das ist warscheinlich so, entweder macht man weiter, oder man lässt es ganz. Wenn man es denn überhaupt überlebt. Ich hatte, Gott sei Dank, noch keine Bergunfälle, von kleinen Schrammen abgesehen.
          "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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          • Wandermaedel
            Erfahren
            • 02.11.2017
            • 177
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: Angst in der Höhe

            Ich tat meine ersten Schritte in den Bergen vor 30 Jahren und hatte sehr große Höhenangst. Mein damaliger Tourenpartner war sehr trittsicher und angstfrei. Wir wanderten von Hütte zu Hütte.

            Wegstücke die mir heikel vorkamen, versuchte ich immer zuerst alleine zu meistern. Dazu brauchte ich Ruhe und durfte nicht *belabert* werden.
            Ich konzentrierte mich nur auf den Weg direkt vor meinen Füßen und sprach mir auch selbst Mut zu. Manchmal, wenn es nicht so fluppte wie ich wollte, fluchte ich auch.
            Gelegentlich half es auch, eine kleine Pause zu machen, ein Stück Brot zu essen, einen Schluck zu trinken.
            Wenn gar nichts ging, schlüpfte ich in meinen Sitzgurt und wurde an die Leine genommen. Das funktionierte immer.

            Beim Klettern (bis Schwierigkeit -5, immer im Nachstieg) hatte ich ab und an Probleme im Gehgelände. Dann kam auch das Seil zum Einsatz.

            Irgendwann ging ich mangels Tourenpartner nur mit meinem Hund auf Hüttentour. Auf mich alleine gestellt, schaffte ich plötzlich ohne Probleme Stellen, die davor Zitterpartien waren. Von Jahr zu Jahr hatte ich meine Höhenangst besser im Griff. Sie ist heute noch nicht ganz Verschwunden, aber sehr gut beherrschbar.



            @derSammy
            (Vor allem wirds "im Alter" immer schlimmer )

            Das kann ich nicht bestätigen.

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            • derSammy

              Lebt im Forum
              • 23.11.2007
              • 7412
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: Angst in der Höhe

              Zitat von Wandermaedel Beitrag anzeigen

              @derSammy
              (Vor allem wirds "im Alter" immer schlimmer )

              Das kann ich nicht bestätigen.
              Hmmmm....

              Schwierig zu beschreiben.... vielleicht liegs daran dass ich früher am WE 2X im Gebirg war, die letzten Jahre im Monat 1X oder das ganze Jahr nur unterhalb der Baumgrenze bleib....

              Früher war man halt auch noch Jung und Dumm...

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              • qwertzui
                Alter Hase
                • 17.07.2013
                • 2891
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: Angst in der Höhe

                Zitat von derSammy Beitrag anzeigen
                Hmmmm....

                Schwierig zu beschreiben.... vielleicht liegs daran dass ich früher am WE 2X im Gebirg war, die letzten Jahre im Monat 1X oder das ganze Jahr nur unterhalb der Baumgrenze bleib....

                Früher war man halt auch noch Jung und Dumm...
                Ich kann das mit der zunehmenden Angst im Alter für mich bestätigen, ich würde allerdings eher sagen früher waren wir jung und fit, statt jung und dumm

                Die zunehmende Angst hat bei mir zwei, wie ich finde, rationale Gründe. Einmal die Verantwortung für die Brut, die noch nicht vollständig flügge ist und dann die realistische Einschätzung der schwindenden körperlichen Möglichkeiten.

                Touren, bei denen ich nicht eine Angststelle habe, sind für mch mittlerweile eher Ausnahme. Bei mir ist die Bergangst eigentlich auf eine einfache Formel zu bringen: technische Schwierigkeit x Tiefe des möglichen Absturzes= Produkt meiner Absturzangst
                Bsp: breiter komfortabler Weg (0) x 1000m senkrechter Abgrund (5) = Angst 0
                Schmaler komfortabler Weg (1)x Abgrund (5)= (5) flaues Gefühl
                Für mich schwere Kletterstelle (5) x Sturzfolge Abschürfungen, Prellungen, maximal Knochenbrüche (1)= Angst 5

                Wesentlich über Angst 5 gehe ich nur über sehr kurze Stücke hinaus. Der erste Faktor, nämlich wie hoch die Schwierigkeit ist, variert natürlich mit der Kondition, die mit dem Alter aber auch im Laufe des Tages nachlassen kann. In sofern kann eine Stelle über die man auf dem Hinweg noch drüber kam, beim Rückweg zum unüberwindbaren Hindernis werden.

                Dies habe ich bei der Tourplanung immer im Hinterkopf und vermeide es über "von hier aus gibt es kein Zurück" Punkte hinaus zu gehen.

                Ich hatte dieses Jahr einige Touren in Folge, bei denen ich psychisch schon weit über meine Wohlfühlgrenze hinaus musste, das hat tatsächlich geholfen und meine Grenzen wieder ein bisschen nach oben verschoben.

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                • Vegareve
                  Freak

                  Liebt das Forum
                  • 19.08.2009
                  • 14389
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: Angst in der Höhe

                  Man muss aber anmerken, dass Angst und Aufregung schon zwei verschiedene Sachen sind. Die innere Frage "ob das jetzt gut geht?" kommt auch bei fast jeder Tour, mittlerweile, das Kopfkino nimmt mit dem Alter zu, das stimmt (oder mit der Erfahrung?). Aber man/ich mag die Aufregung, sonst wäre man ja daheim auf dem Sofa . Etwas Adrenalin gehört zum Berg dazu.
                  "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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                  • danobaja
                    Alter Hase
                    • 27.02.2016
                    • 3287
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: Angst in der Höhe

                    ich seh das so:

                    der schmerz ist mein freund, die angst nur mein berater.

                    so wie freundschaft auch mal nen knuff verträgt setz ich mich schon mal über schmerzen hinweg. aber ignorieren tu ich ihn nur ganz ganz selten.

                    angst ist verhandelbar. die kann ich auch ignorieren solange mein bauchgefühl sagt das ist ok.

                    auf meinen bauch verlasse ich mich immer zu 100%. wenn der sagt geht, dann mach ichs. wenn der bauch sag nö, ist nicht gut, dann kehr ich auch 1 m vor dem gipfel um.

                    angst ist rational, und mein denkender kopf ist nicht halb so verlässlich wie mein intuitiver bauch.

                    angst in der höhe kann man wohl abtrainieren. ich hatte das auch nachdem meine frau abgestürzt ist, das hat sich wieder gelegt mit der zeit.
                    danobaja
                    __________________
                    resist much, obey little!

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                    • jeskodan
                      Fuchs
                      • 03.04.2007
                      • 1844
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: Angst in der Höhe

                      Angst ist nicht rational. Weder wenn Sie auftritt noch wenn Sie nicht auftritt. Solange man sich in relativ normalen Banden bewegt ist das auch kein Problem.

                      Wenn die Angst in Panik umschlägt, dann wirds kritisch, aber viele Leute haben ne natürliche Hemmung überhaupt nicht so weit zu gehen, dass Sie an Ihre absolute Grenze kommen (damit ist nicht ein objektive Gefahr gemeint sondern ein ganz persönlicher Grund, dieskann komplett andere Gründe als objektives Risiko haben).

                      Wenn die Angst zu klein wird, da man Sie entweder wegen dem Ehrgeiz nicht spürt oder einfach nicht wahrnimmt was mögliche Folgen sind, dann wird es mindestens genauso ernst. Leute die allerdings wirklich wenig Angst haben (also auf einem objektiv gefährlichen Niveau) sind sehr selten und leider verliert man sie auch immer wieder.


                      Und das mit dem Alter, habe ich von sehr,sehr vielen gehört. Aber vielleicht liegts auch einfach daran, dass man schon viel erlebt hat und die eigene sterblichkeit einem bewusst wird. Fitness und sicherheit ist ein wichtiger Punkt, aber in jungen Jahren gibts nur die Wand als Ziel, später merkt man: Wahnsinn nächste Woche ist die Wand auch noch da

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                      • Vegareve
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 19.08.2009
                        • 14389
                        • Privat

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                        #12
                        AW: Angst in der Höhe

                        @Danobaja: interessant. Wie unterscheidet man Bauchgefühl (=Intuition) von Angst (=Kopfkino) ? Klar, das geht nur mit viel Erfahrung, vorher hat man gar kein Bauchgefühl.

                        In der letzten Zeit bin ich öfters umgedreht, beim letzten Mal habe ich mich wirklich gefragt ob das nötig war. Zum einen liefen vor meinem inneren Auge Bilder von Abstürzen, auch von einigen Vorfällen in den Medien befeuert, zum anderen dachte ich, eigentlich sollte es möglich sein, da hoch zu kommen. Mein Leben riskieren wollte ich aber nicht, aber war es wirklich ein Risiko? Wenn man umdreht, weiss man es eben nicht. Und wenn man nicht umdreht, weiss man es im Nachhinein womöglich auch nicht mehr....
                        "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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                        • roger
                          Gerne im Forum
                          • 16.09.2004
                          • 94
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: Angst in der Höhe

                          Ich lernte mit den Jahren, Angst von ähnlichen Gefühlen wie Aufgeregtheit, Respekt oder Unsicherheit zu unterscheiden. Aufgeregtheit, Respekt und Unsicherheit finden bei mir fast ausschliesslich vor der Tour statt und sind wie weggeblasen, wenn ich unterwegs und dementsprechend fokussiert bin.

                          Ich bin ein einigermassen vorsichtiger Berggänger und kann meine Leistungsfähigkeit im Gebirge gut einschätzen. Kollegen sagen mir zwar ab und zu, ich würde mich eher unter- als überschätzen. Zudem beherzige ich den Merksatz von Paul Preuss, man solle seinen Touren nicht gewachsen sondern überlegen sein. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass ich meistens mit den selben Bergkameraden unterwegs bin und entweder gleich oder etwas mehr erfahren bin als der Kollege und mich öfter in der Rolle des Seilschaftsführers wiederfinde. Deshalb ist mir eine gewisse Sicherheitsmarge wichtig. Es ist möglich, dass mich dies ab und zu von schwierigeren Touren abhält, die eigentlich mit meinem Können machbar wären oder dass ich mir dafür einen Bergführer nehme. Allerdings bin ich bisher fast noch nie in Situationen gekommen, wo mich Angst oder gar Panik blockiert hätten.

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                          • danobaja
                            Alter Hase
                            • 27.02.2016
                            • 3287
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: Angst in der Höhe

                            Zitat von Vegareve Beitrag anzeigen
                            @Danobaja: interessant. Wie unterscheidet man Bauchgefühl (=Intuition) von Angst (=Kopfkino) ? Klar, das geht nur mit viel Erfahrung, vorher hat man gar kein Bauchgefühl.

                            In der letzten Zeit bin ich öfters umgedreht, beim letzten Mal habe ich mich wirklich gefragt ob das nötig war. Zum einen liefen vor meinem inneren Auge Bilder von Abstürzen, auch von einigen Vorfällen in den Medien befeuert, zum anderen dachte ich, eigentlich sollte es möglich sein, da hoch zu kommen. Mein Leben riskieren wollte ich aber nicht, aber war es wirklich ein Risiko? Wenn man umdreht, weiss man es eben nicht. Und wenn man nicht umdreht, weiss man es im Nachhinein womöglich auch nicht mehr....
                            vielleicht ist das nur ne definitionssache.

                            mein bauch sagt oft tu es nicht, auch wenn ich keine angst habe. zb. 1 m vom gipfelkreuz weg, alles flach bis dorthin. und ich geh völlig "ohne" grund dann nicht hin. ich hinterfrage das auch nicht. das ist so verlässlich, das zweifel ich nicht an. ich könnte mir natürlich vorstellen, dass mich der blitz erschlägt, oder ne krähe mir auf den kopf sch*** und ich davon was ins auge bekomme und dann abstürze weil ich nichts mehr sehen kann und so weiter. deswegen halte ich angst für rational.

                            ich geh auf freier strecke im auto vom gas wenn mein bauch sich meldet. ich glaub nicht, dass das was mit erfahrung zu tun hat. die erfahrung würde sagen, alles frei, gute sicht, verhältnisse gut, fahr 100. ich kann dir nicht sagen ob was passieren würde wenn ich weiter 100 fahre. Kann sein, dass ich dadurch weg bin wenn der gegenverkehr unaufmerksam ist und auf meine fahrbahn kommt für nen moment. kann auch sein, dass es nicht so ist. das ist alles wieder kopfkino.

                            bei unserer mt. logan tour war nichts am gelände zu erkennen, trotzdem hat mein bauch irgendwann nach 2 tagen gesagt, jetzt geh in die mitte, da ist die brücke. und ich bin in die mitte des gletscher, und da war die brücke. ich hab nicht mal suchen müssen danach. bin einfach drauf zugelaufen.

                            mir gehts oft mit leuten so. mein bauch sagt tu´s nicht. mein hirn, sagt, gib ihm bissl vertrauensvorschuss. das geht jedesmal schief. wenn mein bauch sagt nein, dann kostet es mich jedesmal irgendwas wenn ich nicht danach handle. das kann geld sein, schmerzen mental oder körperlich, vertrauensverlust in alle ( wegen einer person), ...

                            ich war grad in meiner werkstatt an der kreissäge und hab fummelkram gesägt. in dem moment als es sich nicht mehr gut angefühlt hat hab ich aufgehört, obwohl ich nur noch 3 stück zu sägen hatte. der verstand sagt, komm reiss dich zusammen, konzentrier dich und schneid die 3 stück ( hab über 200 davon gemacht) und du bist fertig damit. ich tu sowas nicht mehr seit ich in solchen situationen 2x ins hobelmesser gegriffen habe. ich brauch meine finger noch. die 3 stück laufen nicht weg, und dann mach ich halt am abend ne viertelstunde länger. was solls. ich hab nicht aufgehört weil ich angst hatte, sondern weil mein bauch gesagt hat stop. ist nicht mehr gut. ich will auch gar nicht wissen ob was passiert wäre wenn... wenn ich angst gehabt hätte hätte ich gar nicht anfangen dürfen so zu sägen wie ich es getan hab. weil genau das gleiche das nach dem 200sten teil passieren kann kann auch beim ersten teil schon passieren.

                            ich kann dir nur raten horch auf deinen bauch, herz, körper, oder was immer sich da meldet bei dir. wenn du angst hast es könnte was passieren, dann schau/überleg mal ob es nicht wert ist die angst zu überwinden. das kann sehr sehr lohnend sein. aber wenn der bauch sagt tu´s nicht, rat ich dir tu´s nicht.

                            ich glaube nicht, dass das was mit erfahrung zu tun hat, sondern mit aufmerksamkeit. in alle richtungen, auch nach innen.

                            du kennst das, wenn man iwo im steilen gut auf schnee steht und nach ein paar minuten hast du das gefühl jetzt rutschts gleich? dann wirds höchste zeit dass man nen schritt macht, denn es wird gleich rutschen. ich glaub das kennt jeder. das ist keine angst, das ist der bauch (bauchgefühl?) intuition, oder wie immer man es nennen will. aufmerksamkeit lässt dich das erkennen. nicht erfahrung, nicht angst, nicht der verstand, nicht kopfkino...

                            wenn du einmal ne klapperschlange im dunkeln gehört hast, dann brauchst du keine angst damit dir das blut gefriert. das erledigt dein bauch für dich. die angst hast du nur weil dir mal jemand gesagt hat, dass es gefährlich ist.
                            danobaja
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                            • sudobringbeer
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                              Fuchs
                              • 20.05.2016
                              • 2488
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                              #15
                              AW: Angst in der Höhe

                              ich sehe auch eine starke Abgrenzung zwischen Respekt/mulmigem Gefühl und Angst.

                              Ich bekomme ein Angstgefühl wenn ich feststelle jetzt läuft hier gerade etwas monumental anders als geplant. Letzte Mobile Sicherung fällt raus, ein Gewitter kommt urplötzlich über den Berg und man steht noch auf dem Grat, der Seilpartner stürzt/rutscht aus an einer Stelle wo er das definitiv nicht sollte, etc.

                              Normalerweise schaffe ich es dieses Angstgefühl zu unterdrücken und mich damit zu beschäftigen einen Ausweg aus der Situation zu finden. Wenn dieser gefunden ist stellt sich dann bei mir auch wieder normale Angespanntheit ein bis man aus der Gefahrenzone heraus ist.

                              Sollte ich keinen direkten Ausweg finden muss ich mich sehr beherrschen und mich wirklich innerlich tief sammeln. bspw: Ich kann nicht mehr zurück, ich kann nichts mehr legen, meine Arme laufen zu -> ich muss weiter rauf auch wenn das bedeutet, dass der Sturz immer schlimmer werden kann (hier meine ich schwer verletzt oder tot und nicht ein kleiner Hopser beim Sportklettern).

                              Ich weiss, dass mich solche Situationen in dem Moment extrem viel Kraft kosten. Der Körper mobilisiert dann alles und man schafft es eben doch noch. Ich bin dann im Anschluss fix und alle. Gleichzeitig ist es für mich jedoch so, dass jede dieser Erfahrungen bei denen etwas grundsätzlich hätte schief gehen könne mich nicht stärker klettern oder bergsteigen lässt, sondern mich vorsichtiger werden lässt, denn der grundsätzliche Fehler ist es für einen Hobbysportler wie mich erst in die Situation zu kommen in der ich echte Angst um mich und meinen Partner haben muss. Das gilt es zu verhindern.

                              Neben der Angst um mich selbst bestimmt auch die Angst um meine Seilpartner sehr stark mein Handeln. Insbesondere wenn ich für meinen Seilpartner entscheiden muss, weil er nicht stark genug klettert oder die Erfahrung nicht hat, um sich auszumalen was es bedeutet weiter zu gehen und in schlechtes Gelände ohne Rückzugsmöglichkeit zu kommen.

                              Ich denke es ist sehr lehrreich hin und wieder echte Angst um sich selbst und/oder einen Partner zu spüren auch wenn ich es niemandem wünsche, denn für mich bedeutet das vorsichtiger zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch für mich wenn ich echte Angst um mich und meinen Partner verspüre habe ich als Hobbysportler etwas grundsätzlich falsch gemacht, denn kein Erlebnis der Welt ist es wert wenn es dann doch schief geht.

                              Das führte auch bei mir dazu unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn ich der Einzige bin der am scharfen Ende klettert bzw. klettern kann. Denn schlussendlich bin ich es dann der schauen muss wie er seinen überforderten Seilpartner wieder runterbringt, der darauf bestand, das das doch geht.

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                              • TanteElfriede
                                Moderator
                                Lebt im Forum
                                • 15.11.2010
                                • 6479
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                                #16
                                AW: Angst in der Höhe

                                ...ja Angst..
                                ich war letzten Sommer auf dem GR20 in Korsika. Neue Hüfte. Noch nicht richtig fit. Allein. Zu schwerer Rucksack. Zu lange Etappe. Kurz vor dem erreichen der Hütte "tänzelt der Weg über den Grat" wie es so schön da stand.
                                Eine Stelle. Mächtige Stufe und danach sehr schräge Steinplatte ohne super halt. Auf der Platte stehen und gehen traute ich mir zu, aber der Schwung Schritt über die Stufe war a. kaum zu schaffen und würde b. zu einem sehr wackeligen Start auf der schrägen Platte führen. Hinter mir ca. 100m steiler Abhang.

                                ... zwei drei Versuche ohne Erfolg, weil die Angst die vollständige Ausführung verhindert hat.. es wackelte und der Rucksack zog in die falsche Richtung....

                                Durchatmen. Du hattest ein schönes Leben bis hier. Und hoch. Weiche Knie, aber geschafft.

                                Sicher keine gute - oder zumindest für jeden zu empfehlende - Methode, aber für mich funktioniert es den Punkt als "wenn es das jetzt war, es war gut" zu definieren. Danach bin ich freier.

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                                • Vegareve
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                                  • 19.08.2009
                                  • 14389
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                                  #17
                                  AW: Angst in der Höhe

                                  Danobaja: das liest sich schon eher übernatürlich . Glaube nicht, dass man es übertragen kann, oder dass jeder das so erleben darf. Ich hatte das jedenfalls noch nie. Und ja, ich glaube das kommt mit viel Erfahrung, Intuition ist ja auch eher die unbewusste Vernunft, die sich wohl verschiedenen Informationen bedient.
                                  "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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                                  • qwertzui
                                    Alter Hase
                                    • 17.07.2013
                                    • 2891
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: Angst in der Höhe

                                    Ich unterscheide nicht zwischen "Angst" "Bauchgefühl" etc.
                                    Es gibt halt verschiedene Grade, die dann entweder zu der Entscheidung führen, das schaff ich, aber ich gehe mit erhöhter Konzentration, das wird mir zu heiß, vor allem, weil ich nicht weiß, ob es noch schwerer wird und wie weit es noch ist ... Ich kehre um

                                    @ Vegareve
                                    Wenn man umkehrt, weiß man zwar nicht immer, obs nicht doch gut gegangen wäre ... aber ich hatte schon ein paarmal Situationen in denen zwar nichts passiert ist, ich mir aber trotzdem hinterher dachte, dass es eigentlich zu riskant und damit die falsche Entscheidung war.i

                                    Insofern ist im Zweifel umkehren eigentlich immer die richtige Entscheidung, auch wenn es einen manchmal ärgert.

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                                    • JackThursby
                                      Anfänger im Forum
                                      • 18.01.2018
                                      • 12
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: Angst in der Höhe

                                      Hallo,

                                      bei mir verhält es sich eher so, dass ich im Vorfeld dazu neige, wenig bis keine Angst vor schwierigen Stellen zu empfinden. Dann aber im Nachhinein Angst vor dem bekomme, was ich gerade getan habe.

                                      Ein Vorfall ist mir da sehr präsent.
                                      Ich bin alleine einen schmalen (gut markierten) Wanderpfad entlang gegangen. Links ging es steil etwa 70m hinab, rechts steil nach oben. Der Weg biegt um eine Felsspitze und auf einmal hört er auf. Nach 4-5m sehe ich wie der Pfad in gewohnter Breite weitergeht. Dazwischen ist lediglich ein etwa 1 1/2 handbreiter Vorsprung auf Fußhöhe, der zudem im 20°-Winkel abfällt und nass ist.
                                      Gut, es waren nur 4-5m, aber saugefährlich. Da war keine Sicherung im Fels und ich hatte ohnehin nichts Klettertechnisches dabei (ich bin schließlich Wanderer).

                                      Umkehren hieße aber mindestens einen Kilometer zurück (dachte ich ). Außerdem war mein Gedanke; Hey, das ist ein Wanderweg. Hier gehen doch noch mehr Leute durch. So schlimm kann es also nicht sein. Tatsächlich, hatte ich kurz vorher eine Abzweigung übersehen und war längst off.

                                      In solch einem Moment (und so ist es bei mir meistens) denke ich aber nicht groß nach (und das sollte ich wohl besser ) sondern lege einfach los. Ich bin dann zwar voller Adrenalin, aber von Angst ist da kaum eine Spur.
                                      Ich habe mich dann mit den Händen irgendwo im Fels festgehalten, an die Wand gedrückt und mich die paar Meter rasch langgeschubbert.

                                      Als ich aber an der anderen Seite angekommen war und zurückgeschaut habe, da hat es mich gepackt und ich habe einen Riesenschreck bekommen. Was da alles hätte passieren können. Ich habe dann wirklich mit mir geschimpft und war auch echt fertig. Immerhin habe ich auch einen kleinen Sohn und bin somit nicht nur mir verpflichtet. In diesem Moment, nach der Überquerung, wäre ich denselben Weg um nichts auf der Welt wieder zurück gegangen.

                                      Aber wenn ich dann bei einer der nächsten Touren wieder in eine ähnliche Situation komme, geht es mir mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich und ich mache einfach. Bisher ist das zwar immer gut gegangen, aber unvernünftig ist es und wünschte, meine Angst würde da früher einsetzen.

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                                      • Vegareve
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                                        Liebt das Forum
                                        • 19.08.2009
                                        • 14389
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                                        #20
                                        AW: Angst in der Höhe

                                        Zitat von qwertzui Beitrag anzeigen
                                        Insofern ist im Zweifel umkehren eigentlich immer die richtige Entscheidung, auch wenn es einen manchmal ärgert.
                                        Das ist klar.
                                        "Niemand hört den Ruf des Meeres oder der Berge, nur derjenige, der dem Meer oder den Bergen wesensverwandt ist" (O. Chambers)

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