[FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte Viso

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  • whale
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    • 13.09.2014
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    [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte Viso

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    Mitreisende
    Diesen Sommer entschließe ich mich ziemlich kurzfristig meine freien Tage zu nutzen um wieder auf eine Wandertour zu gehen. Ich habe zwar jetzt schon öfter hier in den Reiseberichten zu Norwegen, Island und Schottland gestöbert, entscheide mich aber aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit für ein landschaftlich und sprachlich mir bekannteres Gebiet: die Seealpen.

    Ich möchte schon seit längerem gerne verschiedene Regionen in den Westalpen erwandern und versuche nun einige davon zu kombinieren. Am Rechner klicke ich mir eine Route auf der Grenze zwischen Frankreich und Italien zusammen und kaufe ganz schnell die passenden Papierkarten (vielen Dank an Michael Kleider für die Hilfe und schnelle Lieferung). Der grobe Plan ist: Flug nach Nizza, Start beim Vallée des Merveilles (Tal der Wunder), abwechselnd auf beiden Seiten der Grenze nach Norden und nördlich des Monte Viso mit dem Zug nach Turin, um von dort zurückzufliegen. Ich habe maximal drei Wochen Zeit und schätze aufgrund der ausgerechneten Distanz und Höhenmeter, dass ich etwa ähnlich lange wie im letzten Jahr, also 2,5 Wochen benötige.



    Land: Frankreich/Italien
    Reisezeitraum: Juli/August 2016
    Dauer: 14 Tage

    An meiner Ausrüstung vom letzten Jahr muss ich nicht mehr viel ändern, vieles hat prima funktioniert. Die Neuerungen: eine Powerbank mit mehr Kapazität und weniger Gewicht und ein kleines Mikrofasertuch als Waschlappen und zum Abtrocknen des Zeltes.
    Der Müslibrei wird etwas fruchtlastiger, denn die Sorte schmeckte letztes Jahr am besten.
    Zwei Tage vor der Abreise werde ich von einem aus einer Ausfahrt kommenden Auto angefahren und starte dementsprechend meine Tour mit einem blauen Knöchel und weiteren blauen Flecken. Naja, wird schon schiefgehen…
    Zuletzt geändert von whale; 16.12.2017, 14:10.

  • whale
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    • 13.09.2014
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    #2
    AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

    Dienstag, 25.7.2017
    Hamburg - Nizza - St-Dalmas-de-Tende - Lac des Mesches - Refuge des Merveilles (2130m)
    7,5km, 720hm hoch

    Mein Wecker klingelt um 4 Uhr. Ich starte von zuhause mit gemischten Gefühlen, denn bis zuletzt habe ich überlegt aufgrund privater Dinge meine Reise zu verschieben. Allerdings hätte ich dann wahrscheinlich erst im nächsten Jahr wieder Gelegenheit dazu bekommen und ich weiß, wieviel Kraft ich aus so einem Abenteuer ziehe. So versuche ich nach und nach abzuschalten und die Vorfreude zuzulassen. Beide Flüge verlaufen entspannt und ich stehe am frühen Mittag in der Hitze vor dem Flughafen und sehe das Mittelmeer. Weil ich nach der Ankunft noch meine Wasserflaschen aufgefüllt und etwas getrödelt habe, verpasse ich beim 10 Fußminuten entfernten Bahnhof ganz knapp den stündlich fahrenden Zug und verbringe die Wartezeit in der Schalterhalle damit von meinem Proviant zu essen.
    Ich habe dann nur vier Minuten zum Umsteigen, was aber perfekt klappt und so sitze ich bald im Train des Merveilles, der das immer enger werdende, schöne Tal der Roya erklimmt, teils nur durch Schleifen die nötige Höhe erreichend.


    Blick aus dem Zug


    St.Dalmas-de-Tende


    In St.Dalmas-de-Tende ausgestiegen, erinnert mich eine Gruppe mitgereister Franzosen an die Möglichkeit einen Bus für die ersten Höhenmeter auf nicht so interessanter Strecke zu nutzen. Ich bin ein wenig müde, warte dann doch mit ihnen zusammen auf den Bus. Wir erzählen ein bisschen was wir vorhaben und ich merke, wie eingerostet mein Französisch leider ist… ui..

    Um 15:50 Uhr starte ich also endlich zu Fuß am Lac des Mesches (1430m). Es gibt anfangs mehrere Alternativen, von denen ich das weniger beschilderte und daher vermutlich auch einsamere rechte Flussufer wähle, wo sich der Weg als sehr schön herausstellt. Ein skurriles Bild bietet eine Gruppe übender Kampfsportler ganz in weiß auf der grünen Wiese.
    Ich sehe erste Murmeltiere, wenig scheu, von denen eines fett und träge in der Sonne liegt. Bei der nächsten Wahlmöglichkeit entscheide ich mich für den Sentier statt der Piste, der zwar steiler, aber schön ist.




    spätestens jetzt bin ich in der Natur angekommen


    Um 19:20 Uhr erreiche ich das Refuge des Merveilles auf 2130m, neben dem es auch innerhalb der Kernzone des Nationalparks erlaubt ist sein Zelt für eine Nacht (zw. 19 und 9 Uhr) aufzustellen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass hier schon so viele Zelte aufgebaut sind, finde aber noch einen schönen Platz. Nach dem Einrichten esse ich Abendbrot zur untergehenden Sonne und verschwinde um 21:15 Uhr im Schlafsack, es sind noch 13 Grad. Einen Waschlappen einzupacken war eine gute Idee, so fühle ich mich schnell wieder frisch ohne lange zu frieren. Ich stelle allerdings fest, dass ich aus Versehen den überflüssigen Kompressionssack für mein Zelt mitgenommen habe. Da habe ich sogar meine Wanderkarte zerschnitten um ein paar Gramm Gewicht einzusparen und habe aus Schusseligkeit doch 100g mehr dabei. Naja, wird mich nicht umbringen…



    Für die nächsten Tage habe ich noch keinen so konkreten Plan, werde mich morgen also nach dem Aufstehen mal beim Refuge über die Felsgravuren informieren.
    Seit dem Aussteigen am Bahnhof hatte ich keinerlei Netzempfang.


    schön hier!

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    • whale
      Erfahren
      • 13.09.2014
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      #3
      AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

      Mittwoch, 26.7.2017
      Refuge des Merveilles - Baisse de Valmasque - Baisse du Basto - Refuge de Nice - #416 (IGN)
      10,5km, 590hm hoch, 580hm runter

      Ich schlafe so tief, dass ich erst von meinem Wecker nach 6 Uhr aufwache, bin dann aber bald ganz munter. Es sind jetzt nur noch 6 Grad, deshalb warte ich den Sonnenaufgang ab. Ein Franzose berichtet von einem Fuchs, der hier nachts bei den Zelten nach Fressbarem gesucht haben soll. Bei mir war er aber nicht.


      das erste Aufwachen in den Bergen ist immer besonders schön


      Kurz nach dem Refuge beginnt eine Strecke auf der man auch ohne Führer einige der Felsgravuren sehen kann. Hier sind natürlich auch viele Wanderer unterwegs, der Weg ist aber trotzdem angenehm zu laufen und führt an schönen Seen vorbei. Das letzte Stück auf die Baisse de Valmasque (2549m) ist anstrengend, besonders weil man hier keine Wanderstöcke benutzen darf um weitere Beschädigungen der Gravuren zu verhindern. Am Anfang meiner Tour merke ich das Rucksackgewicht umso deutlicher.


      Rückblick auf das Refuge des Merveilles


      direkt am GR52 gelegene Gravuren


      die Seen faszinieren mich deutlich mehr


      ersten Anstieg geschafft. Ab hier darf man wieder Stöcke benutzen

      An der Weggabelung #95 (IGN) habe ich keine Lust auf einen Abstecher zum Refuge de Valmasque und weiteren Seen, da ich auf dem selben Weg zurückkehren müsste. Ich laufe also auf dem GR52 weiter Richtung Baisse du Basto. Auch hier ist viel los und das Fortkommen durch die Steinblöcke ist beschwerlich. Ich merke das an meinen Füßen; über meine allgemein gute Kondition freue ich mich dafür, habe ich mich doch dieses Mal kaum vorbereiten können.


      Lac du Basto

      Junge Steinböcke lassen uns Wanderer hier sehr nah herankommen; auch Gämsen sind zu sehen.


      wenig scheu




      sehr trittsicher

      Um 12:30 Uhr erreiche ich die Baisse du Basto (2693m) auf einem Weg, der weiterhin Trittsicherheit erfordert und auch über ein Schneefeld führt und lege dort oben eine Pause ein um meine Füße zu lüften.



      Der Abstieg ist eklig, steil und mit teils losem Geröll. Es passiert, was passieren musste: ein Fuß findet keinen Halt, ich rutsche aus und sehe mich einen kurzen Moment lang unten im Tal liegen. Ich muss mich irgendwie überschlagen oder gedreht haben, denn ich lande mit dem Kopf nach oben auf dem Bauch und kann mich mit allen vieren festhalten. Erstaunlicherweise habe ich mir kaum wehgetan, stelle außer Abschürfungen auf der Hand, leichten Schmerzen im Knie und einem kleinen Loch im Deckelfach meines Rucksacks keine Blessuren fest. Das war mir Warnung genug, um ab sofort umso vorsichtiger weiterzulaufen. Selbst auf den Pässen hatte ich weiterhin keinen Netzempfang und ich habe noch nichtmal zuhause bescheid gesagt, dass ich erfolgreich in Frankreich angekommen bin.


      hier ging es für meinen Geschmack etwas zu schnell und steil hinunter

      Bei dem zweiten Tümpel lege ich bei bestem Wetter eine erste Badepause ein. Als plötzlich eine Wandergruppe aus der anderen Richtung auftaucht, warte ich erst, springe dann aber an anderer Stelle trotzdem nackt rein. Während ich bade, laufen Gämsen um den See, wie schön! :-) Mir wird nach dem Baden ganz schnell wieder warm, die Sonne brennt richtig.




      willkommene Abkühlung



      Um 16 Uhr erreiche ich das Refuge de Nice (2232m), bei dem ich mir ein leckeres Omelette gönne. Die Eier dafür kommen von sehr freilaufenden Hühnern.


      da kann ich mich sogar persönlich bedanken


      das Refuge de Nice

      Nach einem anschließenden Espresso und dem Erfragen des aktuellen Wetterberichts breche ich auf und laufe das unbewohnte Tal noch etwas abwärts. Ein Stück vor der Abzweigung zu dem nächsten steilen Aufstieg finde ich einen geeigneten Zeltplatz, an dem ich um 18:30 Uhr mein Lager aufschlage. Kurz darauf kommt einer von vier Franzosen von dem morgigen Pass herunter und erzählt, dass einer aus seiner Gruppe umgeknickt sei und er nun schonmal zur Hütte vorlaufe. Das wird wohl morgen wieder ein schwieriger Weg… Ich warte eingekuschelt in Fleece und Daunenweste vor meinem Zelt auf die drei Franzosen und muss dabei jede Menge Mückenangriffe abwehren. Mit dem Verschwinden der Sonne hinter den Bergen gehe ich schon um 19:30 Uhr ins Bett, kann aber lange nicht einschlafen. Kurz vor zehn kommen hier sogar noch Leute vorbei.


      Übernachten mit Blick auf den morgigen Anstieg
      Zuletzt geändert von whale; 16.12.2017, 12:15.

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      • HaegarHH

        Alter Hase
        • 19.10.2009
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        #4
        AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

        Zitat von whale Beitrag anzeigen
        die Seealpen
        Gute Entscheidung

        Da haben wir uns in der Ecke so ca. um 14 Tage verpasst, wobei ich auch in der Richtung Nizza unterwegs war. Im September dann noch mal ein Woche mit Station in Breil. Ich hoffe, dass ich über Weihnachten endlich dazu kommen werde, die Bilder zu bearbeiten und dann anzufangen einen Reisebericht zu schreiben.

        Bis dahin freue ich mich auf die Fortsetzung bei Dir und auf viele schöne Ecken, wo es mir mit dem MTB verboten war hinzugelangen
        Aktuelle Bilder von unterwegs … kommindiepuschen auf Instagram

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        • whale
          Erfahren
          • 13.09.2014
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          #5
          AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

          Donnerstag, 27.7.
          #416 (IGN) - Pas du Mt Colomb - la Madone de Fenestre - Col de Fenestre - Pas de Ladres - Lac de Trecolpas
          11,1km, 960hm hoch, 960hm runter

          Ich habe unterbrochen und eher schlecht geschlafen und beim Aufwachen schmerzen Schulter und Knie vom gestrigen Sturz. Um 7:30 Uhr habe ich alles zusammengepackt und laufe los. Zwei Stunden später stehe ich auf dem Pas du Mont Colomb (2548m). Der Weg führte durch viel Geröll und war wie erwartet steil, ich habe mich aber nie zu unsicher gefühlt. Oben habe ich dann das erste Mal Mobilfunkempfang und schicke ein Lebenszeichen nach Hause.


          links in die Scharte geht es hoch


          auf dem Pas du Mt Colomb treffe ich zwei nette Italiener


          Blick zurück nach Osten

          Abwärts geht es leichter als gedacht, aber der Weg nach Madone de Fenestre (1908m) zieht sich, sodass ich das Refuge dort erst um 12:00 Uhr erreiche. Auf dem letzten Stück kam mir tatsächlich eine Nonne entgegen. In ihrer Kleidung wird sie aber wohl nicht ganz hoch laufen…
          Die Leute im Refuge empfinde ich als unfreundlich, so bestelle ich dort nur einen Kaffee, esse mein Müsli, fülle Wasser auf und putze Zähne. Um 13:00 Uhr breche ich auf, um den zweiten Pass in Angriff zu nehmen. Ich hatte kurz Gedanken, ob die Etappe bis zur nächsten Zeltmöglichkeit heute vielleicht zu lang wird, die aber verschwinden als sich der Weg als relativ leicht herausstellt.
          Um 14:00 Uhr lege ich eine Badepause am sehr schönen, blauen, aber auch gut besuchten Lac de Fenestre ein. Wegen der vielen Touristen traue ich mich diesmal nicht ganz nackt hinein, sondern nur in Unterwäsche, tauche dafür ganz unter und schwimme eine Weile. Viele Leute beobachten von hier mit Ferngläsern die Steinböcke weiter oben, ich betrachte lieber eine riesige Libelle am Wasser, werde ich den Steinböcken doch vermutlich noch mehrmals begegnen.
          Nachdem meine Sachen wieder getrocknet sind, gehe ich auf leichtem Weg weiter bergauf. Eine Steingeiß mit ihrem Jungen lässt mich ganz nah an sich heran.


          da unten liegt der Badesee


          der Platz in der Sonne scheint gemütlich zu sein

          Auf dem Col de Fenestre (2474m) ist es windig, sodass ich mich nicht lange aufhalten mag. Auf italienischer Seite führt ein sehr langer Weg das Tal hinunter. Die auf dem Schild versprochene Pizzeria dürfte also eh bei Ankunft geschlossen haben


          ein erster Blick nach Italien

          Ich quere stattdessen auf französischer Seite an einem schroffen Hang auf einem sehr schönen Weg mit Aussicht zum Pas de Ladres (2448m). Weil der Weg mir so viel Spaß macht, steigt meine Laune spürbar. Das Gelände auf der anderen Seite ist anfangs steil, aber im Abstieg trotzdem gut zu gehen und bekommt dann immer mehr Wiesencharakter. Ich treffe auch auf weitere Gämsen.


          das Tagesziel ist schon in Sicht

          Um 17:15 Uhr erreiche ich den Lac de Trecolpas (2150m), einen wunderschönen See mit Insel. Ich hatte ihn als Tagesziel anvisiert und finde tatsächlich einen schönen Zeltplatz etwas oberhalb des Sees, wo ich hoffe weniger Mücken und Feuchtigkeit als direkt am Ufer ausgesetzt zu sein.
          Ab hier gibt es mehrere Möglichkeiten nach Italien zu queren. Der Weg durch den Wald zum nicht weit entfernten Refuge de Cougourde sieht nicht verlockend aus und die Cime Guilie von hier aus betrachtet gerade so machbar, aber nicht schön. Ich habe mich fast schon entschieden morgen in Frankreich durchs Tal und den Ort Boréon zu laufen, werde aber morgen mal gucken, wozu ich dann Lust habe. Jetzt mache ich erstmal Pause im Schatten eines Baums und freue mich über den schönen Platz. Dabei beobachte ich drei Jungs am gegenüberliegenden Ufer, die ihr Zelt erst ganz nah am Wasser, dann später doch nochmal etwas höher aufbauen. Nach dem Waschen fühle mich wieder ganz frisch. Ich habe Spaß beim Fotos machen, verkrümele mich dann aber bald ins Zelt wegen der gefühlt tausend Mücken, die mit dem Verschwinden der Sonne hinter den Bergen plötzlich auftauchen.


          Ich kann mir vorstellen, warum sich Wölfe in diesem menschenleeren Gebiet noch wohlfühlen. Leider habe ich keinen gesehen.


          wie die Selbstauslöserfotos entstehen...


          mückengeschützer Ausblick am Abend

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          • whale
            Erfahren
            • 13.09.2014
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            #6
            AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

            Freitag, 28.7.
            Lac de Trecolpas - le Boréon - Col de Salèse - Col de Fremamorte - Bivacco Guiglia
            20,8km, 1210hm hoch, 970hm runter

            Diesmal habe ich wieder gut geschlafen und werde kurz nach sechs gleich vom Wecker wach, bleibe trotzdem noch etwas liegen und genieße die morgendlichen Geräusche der Natur. Den Sonnenaufgang hier abzuwarten dauert wohl zu lange, deshalb gehe ich auch schon gegen 7:30 Uhr los.
            Der Weg nach Boréon (1490m) führt bald in den Wald und mir geht endlos lange die passende Stelle aus Richard Strauss’ Alpensinfonie durch den Kopf. Ich wähle die rechte Seite des Flusses, wo der Weg etwas verwildert und teils leicht abgerutscht ist, fühle mich dabei aber nicht unsicher sondern eher abenteuerlustig.


            Morgenstimmung


            das erste Mal seit Beginn der Tour unterhalb von 2000m


            so schnell wie der Haut Boréon vernichte ich die Höhenmeter aber nicht

            Um 9:20 Uhr erreiche ich eine Gite d’Etappe, die allerdings gerade Mittagsruhe hat, weswegen ich auf der Straße noch runter bis ins Touristenzentrum mit einem MTB-Verleih und einer Ausstellung über Wölfe laufe. Dort trinke ich auf der Terrasse mehrere Kaffee, während meine Akkus an der Steckdose hängen. Bei meiner Ankunft sah ich hier einen Mann mit Baguette unter dem Arm herauskommen (ja, ich bin in Frankreich!) und frage deshalb, ob sie mir auch eines verkaufen. Leider war das Baguette vorbestellt und auch sonst haben sie kein Frühstück anzubieten. Vielleicht sehe ich aber sehr hungrig aus, denn von der sehr netten Kellnerin bekomme ich beim zweiten Kaffee einen Teller Kekse dazugestellt.


            Extraportion Kekse

            Gut ausgeruht und gegen die Sonne eingecremt laufe ich um 11:30 Uhr auf dem GR52 weiter. Zuerst führt der Weg über die Straße, dann gibt es parallel dazu einen Pfad. Es ist sehr heiß, ich bin ja auch tief im Tal; das erste Mal seit dem Beginn unterhalb von 2000m. Direkt neben meinem Weg landet dann ein Helikopter zu einem Rettungseinsatz. Ich habe doch nur mal wieder Nasenbluten, das von selbst aufhören wird und brauche keine Hilfe Ich erinnere mich anschließend an die Beobachtung aber regelmäßig ans Trinken, um nicht auch einen Schwächeanfall zu erleiden, was vermutlich der ausgeflogenen Wanderin passiert ist.
            Am Col de Salèse (2031m) verlasse ich den GR52 und steige auf einem Pfad in Richtung des Col de Fremamorte auf. Mein Weg führt an vielen schönen Rastplätzen an Tümpeln und Seen vorbei, wovon ich einen auch für eine Pause nutze, um meine Füße zu lüften und etwas zu essen. Diesen Übergang nach Italien zu wählen war eine gute Entscheidung, denn der Weg ist sehr einfach zu gehen und ich bin so früh dran, dass ich heute noch über die Grenze laufen werde.


            der ist nicht wegen mir hier


            Füße lüften

            Auf dem Pass (2615m) erwartet mich ein wunderschöner Blick auf die andere Seite, der mich dazu ermuntert noch einen Abstecher auf die Cime de Fremamorte (2731m) zu machen. Da auf den Wegen weit und breit kein anderer Mensch zu sehen ist, lasse ich meinen Rucksack in einer kleinen Ruine der ehemaligen Grenzbefestigung zurück und steige nur mit Stöcken und meinem Fotoapparat nach oben. Der Weg ist ein ganz bisschen eine Mutprobe für mich, letztendlich bewältige ich ihn aber ohne Probleme und für den Rundumblick hat es sich allemal gelohnt. Auf dem Rückweg läuft mir ein Steinbock über den Weg und verschwindet in der ehemaligen Militärkaserne. Scheinbar hat sie einen neuen Nutzen erhalten.


            der erste Grenzübertritt


            schön!


            hier lasse ich meinen Rucksack zurück und laufe leichtfüßig auf die Spitze


            toller Rundumblick von der Cime de Fremamorte; links Frankreich, rechts Italien (klicken)



            Blick auf den Col de Fremamorte. Da unten liegt mein Rucksack.

            Da mir ein Wandererpaar vorgestern von dem Bivacco Guiglia (2437m) erzählt hat, das bei ihrer Ankunft voll belegt war, rechne ich auch mit Leuten dort, bin aber um 18:00 Uhr noch ganz alleine. Zuerst laufe ich zu einem der Seen um Wasser zu holen, denn ich habe fast alles ausgetrunken. Da kommt aus der Gegenrichtung doch noch ein anderer Übernachtungsgast. Marco stammt aus der Gegend und schleppt eine umfangreiche Fotoausrüstung mit. Zurück an der Hütte benutze ich meinen Wasserfilter das allererste Mal und habe wieder ausreichend zu trinken. Ich hüpfe leichten Fußes auf den Steinen um das Bivacco herum und fühle mich so weit abseits der Zivilisation schon ein bisschen wie eine der Gämsen, die hier oben auch herum laufen. Auch bin ich froh über meine Fleecejacke mit Kapuze und sitze am Abend noch lange vor dem Bivacco, um die überwältigend schöne Natur zu betrachten und über das Glück und die Freiheit nachzudenken. Das Tal füllt sich dabei nach und nach mit Wolken und man könnte es zeitweise für einen Fjord halten. Mit Einsetzen der Dunkelheit um halb zehn verschwinde ich dann gleich ins Bett. Marco wird noch Fotos von den Sternen machen und erst spät in die Hütte kommen, meinen Schlaf aber nicht stören.


            Bivacco Guiglia


            erste Wolken bilden sich


            erinnert mich an einen Fjord


            Traumhaus
            Zuletzt geändert von whale; 16.12.2017, 16:38. Grund: Panoramen verlinkt

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            • Galadriel
              Dauerbesucher
              • 03.03.2015
              • 913
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              #7
              AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

              ... sehr schön, weckt alte und sehr alte Erinnerungen... ich bin die Strecke von Tende schon mehrere Male gelaufen...... meist im Juni, da ist kaum was los ....
              Wandern & Flanieren
              Neues entdecken durch Langsamkeit

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              • whale
                Erfahren
                • 13.09.2014
                • 205
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                #8
                AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                Zitat von HaegarHH Beitrag anzeigen
                und auf viele schöne Ecken, wo es mir mit dem MTB verboten war hinzugelangen
                So hat es bei mir mit dem Wandern damals erst angefangen. Ein paar Jahre lang habe ich im Familienurlaub in den Hautes Alpes die Gegend mit dem MTB erkundet. Als ich dann Neues entdecken wollte, habe ich das Rad unterwegs angeschlossen und bin zu Fuß weiter...

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                • Biki
                  Erfahren
                  • 10.12.2010
                  • 328
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                  Schön, deine Bilder zu sehen.
                  Ich war 2 Wochen später da. Von Madona de Fenestre hatte ich einen ähnlichen Eindruck. Aber schlafen konnte man am See sehr gut. Da war abends keiner mehr.
                  http://bikibike.wordpress.com/

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                  • whale
                    Erfahren
                    • 13.09.2014
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                    Samstag, 29.7.
                    Bivacco Guiglia - Rifugio E. Questa - Bassa del Drous - Passo del Lupo - Colle della Lombarda - Tête Grosse du Cheval
                    24,7km, 1130hm hoch, 1230hm runter

                    Ich wache zum Glück früh auf, denn über der Wolkendecke lässt sich eine Wahnsinnsdämmerung beobachten. Auch die Gämsen sind schon wach und laufen wieder um die Hütte herum.




                    bei so einem Anblick am Morgen kann man nur glücklich lächeln


                    Rückblick auf das Bivacco, sowie Col und Cime di Fremamorte



                    Um 7:30 Uhr ist mein Rucksack gepackt zum Weiterlaufen. Auf breiten, wohl für’s Militär gepflasterten Wegen geht es bequem erst bergab, dann bergauf zum Rifugio Questa (2389m), wo ich zwei Stunden später zu zwei Kaffee mein Müsli esse, Wasser auffülle und sogar Strom in meine Akkus laden darf. Der Hüttenwirt ist sehr nett und backt gerade mehrere Laibe Brot im Ofen. Auch hier gibt es keinen Empfang. Laut Wirt sind Gewitter am Nachmittag möglich. Mit mir sind am Morgen die Wolken langsam aus dem Tal aufgestiegen, einige ziehen während meiner Pause an mir vorbei.


                    bei meiner Ankunft am Rifugio Questa haben mich die Wolken aus dem Tal eingeholt




                    der Standort des Duschhäuschens hat es mir angetan, ohne Wolken ein fantastischer Ausblick


                    Kaffee und Müsli


                    (für ein Panorama in voller Größe anklicken)


                    mühevoll gepflastert

                    Kurz nach zehn laufe ich auf ähnlichen Wegen weiter, vorbei am Lago del Claus, dann nach einem kurzen Gegenanstieg hinunter zum Lago inferiore di Valscura. Der Weg zum nächsten Grenzpass sieht ebenso einfach aus und tatsächlich stehe ich schneller als erwartet und auf den Schildern angegeben um 12:10 Uhr auf dem Bassa del Drous (2628m).


                    hier geht's runter


                    auf dem nächsten Aufstieg wieder an einer ehemaligen Kaserne vorbei


                    Blick zurück


                    mal wieder nette Begleiter unterwegs

                    Ich verschicke eine Nachricht und esse etwas, will mich aber nicht lange aufhalten. Auf französischer Seite laufe ich ganz leicht zum See hinab und von dort zurück auf den nächsten Passo del Lupo (2660m). Dieser Weg zieht sich etwas und ist schon zugewachsener, aber stellt noch kein Problem dar. Oben angekommen stellt sich meine Wahl aber als Reinfall heraus. Auf italienischer Seite liegen nur große Steinblöcke und der in meiner Karte eingezeichnete Weg ist kaum markiert. Ich probiere es trotzdem 10 Minuten lang, in denen auf den teils losen Steinen viel Balance gefordert ist. Da der Weg kaum besser zu werden verspricht und ich nur langsam voran komme, drehe ich um. Ich hätte auf dem Weg, der auf den Cima di Vermeil (2800m) führt, keine Alternative und säße vermutlich genau zu der Zeit auf dem Gipfel, in der es eventuell gewittern wird. Auch wenn es nur regnet, wäre der Abstieg von dort dann bestimmt rutschig.


                    der Aufstieg zum Passo del Lupo


                    so geht's auf italienischer Seite weiter, ich probiere es nur 10 Minuten lang


                    und der Blick zurück nach Frankreich. Schon mehr Wolken...

                    Also vernichte ich die Höhenmeter auf dem gleichen Weg zurück auf dem ich sie gewonnen hatte, was natürlich wenig motivierend ist. Eine französische Familie sagt, dass es eine Verbindung zwischen den eingezeichneten Wegen gäbe, die in meiner italienischen Karte kurz nach der Grenze enden. Also laufe ich weiter hinab ins hässliche Skigebiet von Isola. Meine Laune sinkt, denn ich habe heute eh schon etliche Kilometer in den Beinen.


                    in meinen Augen verschandelte Berge

                    Der dann anschließende Weg zum Col de la Lombarde entpuppt sich als Skipiste. Pünktlich um 16:00 Uhr schauert es ein paar Mal kräftig und ich rette mich genau rechtzeitig unter einen Skilift, um meine Regenhose in Ruhe anziehen zu können. Ich futtere auch noch mehr Energie und ruhe meine Füße eine Weile aus. Mit dem iPhone finde ich schließlich den richtigen Weg, denn ausgeschildert ist hier nichts. Während der Querung hin zur Straße, die auch über den Pass führt, blitzt und donnert es gewaltig neben mir. Das typische Hitzegewitter am Nachmittag ist also noch sehr aktiv. Auf dem Pass angekommen warte ich erst den Starkregen und dann große Hagelkörner in einer Ruine ab. Von dort beobachte ich mit etwas Mitgefühl drei dünn bekleidete Radfahrer, die sich am Imbissstand untergestellt haben und bin froh, wieder die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Der Gipfel, über den ich eigentlich laufen wollte, steckt in den Wolken und der Abstieg auf dieser Seite ist steil und von hier kaum erkennbar.


                    Col de la Lombarde im Hagelschauer


                    da drin habe ich den Hagel abgewartet. Dahinter der Berg, über den ich ürsprunglich kommen wollte

                    Gegen 18:30 Uhr donnert es in Frankreich zwar weiterhin, aber ich laufe auf leichtem Weg genau entlang der Grenze weiter, um einen Zeltplatz zu suchen, eventuell am Lago Sant’Anna.
                    Der Weg verschwindet immer mal in den Wolken, bleibt aber noch gut sichtbar und ich ermutige mich, dass das Gelände hier ja nicht gefährlich ist. Allerdings wird der Pfad bald dünner und der Nebel dichter. Deshalb gehe ich ein paar Schritte zurück und baue mein Zelt in der Nähe einiger Mauerreste auf. Morgen werde ich dann schon sehen, wo genau ich gelandet bin. Es war ein langer Tag für meine Beine…


                    mein Weg auf einem Grenzkamm führt in die Wolken


                    morgen werde ich sehen, wo ich genau bin...

                    Es donnert noch lange um mich herum, aber nur noch schwach, die größte Energie aus dem Gewitter ist raus. Nein, jetzt wird es richtig laut und hell! Ein neues Gewitter zieht von Norden entlang der Grenze genau auf mich zu. Ich war schon ein paar Mal bei Gewitter in den Bergen, aber diesmal habe ich wirklich Angst und verfluche mich für die Wahl meines Zeltplatzes mitten auf dem Bergrücken. Das mobile Datennetz ist kaum zu gebrauchen und als mir auch die Nachrichten zu langsam zugestellt werden für die dramatische Entwicklung hier, rufe ich meinen Vater an. Er bestätigt, dass sich in der Nacht überraschend ein neues, lokales Gewitter gebildet hat, verfolgt die Wetterlage am Computer und begleitet und beruhigt mich eine Stunde lang am Telefon. Naja, es beruhigt mich weniger, dass man die Menge der Blitze, wie ich sie aus dem Zelt sehe, auf der Karte nicht erkennen kann, weil sich die Kreuze dazu alle überlagern und dass es tatsächlich genau in meine Richtung wandert… Er rät mir dazu, im Zelt abzuwarten. Ich wäre sonst wohl aus Angst zu den nahen Ruinen geflüchtet und hätte später bestimmt gefroren. Ich zähle mindestens(!) 100 Blitze und als das Gewitter näher kommt gibt es auch ein paar Minuten Starkregen und Hagel, der sogar durch das Telefon zu hören ist. Mein Zelt hält es aber sehr gut aus und kurz vor elf ist der Spuk dann vorbei, als das Gewitter kurz vor mir Richtung Italien abbiegt und auch langsam schwächer wird. Puh! Ich beruhige mich noch eine Weile mit Spielen auf meinem iPhone und kann dann doch noch gut schlafen.

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                    • whale
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                      #11
                      AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                      Sonntag, 30.7.
                      Tête Grosse du Cheval - Sant’Anna - Passo Tesina - Colle Saboulé - Biwak auf 2300m
                      8,4km, 550hm hoch, 540hm runter

                      Ich wache um 7 Uhr auf, um mein Zelt herum sehe ich in alle Richtungen sonnenbeschienene, friedliche Berge, als wäre nichts gewesen


                      (Panorama anklicken)


                      Mein Zelt ist so nass, dass ich es erstmal ausschüttele und mich nochmal hinlege. Heute ruhe ich länger aus! Die Sonne wärmt schnell und während ich Zähne putze und warte, trocknet mein Zelt gut. Der Abstieg nach Sant’Anna di Vinadio (2000m) ist teilweise steil und rutschig. Es ist gut, dass ich hier gestern im Nebel nicht mehr weitergegangen bin.
                      In der Bar neben der Wallfahrtskirche mache ich eine lange Pause mit vielen Kaffees und Schokocroissants. Es sind sehr viele Besucher hier und alle sind so laut. Ich blende den Lärm aber aus und bin ganz bei mir.


                      Abstieg nach Sant'Anna di Vinadio


                      hier ist am Sonntag sehr viel los

                      Erst gegen 14:00 Uhr schultere ich wieder meinen Rucksack. Die Vorhersage verspricht für heute Regen, aber auf italienische Seite keine Gewitter. Ich muss mal sehen, wie weit zu laufen ich Lust habe und wo ich zelten kann. Bis zu dem Grenzpass, über den ich wegen des Wetters erst morgen laufen will, liegen alle Wege ziemlich hoch.
                      Der Gewaltmarsch gestern hat auch zu ersten Blasen an meinen Füßen geführt, die ich unterwegs verarzte. Um 15:15 Uhr erblicke ich auf dem Passo Tesina (2393m) dunkle Wolken, aber noch keinen Regen. Um 16:00 Uhr schwappt doch etwas von dem Gewitter auf französischer Seite herüber. Die Militärruine am Col Saboule (2460m) stinkt mir zu doll nach Schafmist, um mich hier unterstellen zu wollen. Ein Stück weiter finde ich eine Betonruine, auf dem noch ein Rest des Holzdaches liegt, wo ich dann das heutige Nachmittagsgewitter unter dem Türbogen auf meinem Rucksack sitzend abwarte. Ich habe Ausblick und längst nicht soviel Angst wie gestern Nacht, nur ist es doof, dass ich keine Wetterdaten empfange und nicht weiß, wie es auf der anderen Seite des Berges aussieht, von wo das Wetter kommt. Es blitzt aber dann nur wenige Male.


                      Blick zurück




                      rechts im Bild der Col Saboulé


                      hier entscheide ich das Gewitter abzuwarten


                      noch sieht es ja ganz schön aus...


                      ...aber die Wolken sinken tiefer

                      Eine Stunde später werde ich von den absinkenden Wolken eingehüllt und es regnet auch wieder. Ich überlege, dass es ein Problem werden könnte von hier oben im Nebel herunter zu kommen. Vielleicht kann ich mit meinem Zelt ein Dach improvisieren, um meinen Schlafsack nutzen zu können und dann bleibe ich notfalls die ganze Nacht hier sitzen. Langsam wird es auch kalt und ich ziehe noch mehr an. Da ich an der Unterseite der Wolken sitze, entscheide ich mich um 17:45 Uhr für den Abstieg in einer Wolkenlücke. Ich steige zum tiefsten Punkt des Weges auf 2300m ab, wo zum Glück dann auch ein einziger geeigneter Zeltplatz ist. Der steile Abstieg hatte sich im Regen wohl in eine Schlammlawine verwandelt, jetzt liegen hier aber nur noch Hagelkörner und es ist nicht ganz so rutschig, wie es aussieht.

                      Um 18:30 Uhr liege ich im Zelt und mache mir Gedanken über das Wetter, obwohl ich keine neuen Informationen dazu habe. Da es nur noch sporadisch kurz regnet und ich länger kein Grollen gehört habe, hoffe ich, dass die Energie diesmal raus ist und falls doch noch was passiert, es nördlich von mir bleibt, so wie am Mittag vorhergesagt. Ich liege vorsichtshalber noch in Regenkleidung auf der Isomatte, allerdings ginge es von hier weiter ins Tal hinunter nur auf sehr rutschigem und unmarkiertem Weg und dort sind auch nur Schafe, keine Häuser. Plötzlich höre und sehe ich auch Schafe, sehr viele Schafe über mir. Bitte nicht über mein Zelt trampeln… Sie ziehen aber bald danach knapp an mir vorbei. Ab und zu höre ich in der Ferne einen Kauz rufen. Und dann hagelt es leider auch wieder. Ich weiß, wie übertrieben meine Sinne auf die Geräusche um mich herum ausgerichtet sind; der Schreck von gestern Nacht steckt mir noch in den Knochen.
                      Im Zelt liegend beobachte ich wie aus Frankreich weiter Wolken herüberziehen, sich aber dann immer auflösen. Tief im Tal sind auch Wolken und ich bin gespannt, wie es morgen früh hier aussieht und ob ich im Nebel loslaufen muss. Aus einer anderen Richtung kommt um 20:30 Uhr eine weitere große Schafherde auf dem Weg ins Tal an mir vorbei, diesmal sogar mit Hütehunden und dem Schäfer ganz am Ende der Karawane. Nach und nach beruhigt mich das Gebimmel und irgendwann schlafe ich tatsächlich ein.


                      ein Stück tiefer




                      etwas später noch ein vereinzelter neugieriger Besucher

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                      • whale
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                        #12
                        AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                        Montag, 31.7.
                        Biwak auf 2300m - Passo del Bue - Colle della Guercia - Passo di Collalunga - Lac de Rabuons
                        18,8km, 1090hm hoch, 900hm runter



                        Kurz nach 6 Uhr erblicke ich eine schöne Morgenstimmung, bei mir wolkenlos und im Norden mit ganz breitgelaufenen Wolken. Es ist sogar noch 11 Grad warm.
                        Um 7:45 Uhr laufe ich los. Der Weg auf den Passo del Bue (2610m) führt fast komplett durch Geröll, ist aber bis auf kurze Orientierungsschwierigkeiten insgesamt einfach zu gehen. Oben angekommen mache ich erstmal eine Müslipause. Auf dem Pass selbst stehen nur Wegweiser in die Richtung aus der ich komme, auf der anderen Seite fällt es steil ab und es ist kaum zu erkennen, wie es dort herunter gehen soll. Aber es gibt einen schmalen, durchweg rot markierten Pfad, dessen Fortsetzung nach jeder Kurve neu sichtbar wird.


                        hier gibt's von der Sonne erwärmtes Schokomüsli aber, hmm.. keine Schilder in meiner Richtung?


                        das sieht zuerst nicht sehr verlockend für mich aus..., links geht es wirklich steil runter

                        An der Kaserne beim Colle della Guercia (2456m) ist der direkte Weg zum Collalungo sogar ausgeschildert. In meiner Karte ist der Weg nur gestrichelt und sogar für ein paar hundert Höhenmeter ganz unterbrochen und ich hatte mich auf ein Experiment eingestellt.
                        Ich steige zuerst noch auf den Pass um schonmal nach Frankreich hinüber zu blicken und freue mich, als ich dort einen sehr großen Vogel (vermutlich einen Geier) majestätisch kreisen sehe. In beide Richtungen blickt man in sehr einsame, unbewohnte Täler und wie so oft zeigt mein Telefon „kein Netz“. Ich werde also weiterhin mit Bedacht wandern.


                        Col de la Guercha - wunderbar einsam hier!


                        Mein Weg führt über einen Grat auf italienischer Seite zum Passo di Collalunga.
                        Auch hier ist die rote Farbmarkierung ziemlich frisch und macht mir Mut. Der Weg ist tatsächlich durchgängig zu laufen, ohne Kletterstellen und ohne großes Suchen. Es kommt wahrscheinlich trotzdem nur alle paar Tage ein Wanderer hier vorbei, so abgelegen wie das ganze Gebiet wirkt…


                        in der Ferne ist der Monte Viso sichtbar

                        Vor dem Pass mündet mein Weg in eine breite Schotterstraße, die aus dem Tal heraufführt. Wieder stehen hier Militärruinen und auf dem Collalunga liegt sogar noch jede Menge sehr rostiger Stacheldraht! :-o Interessant ist übrigens auch, dass meine französische und meine italienische Karte im Grenzverlauf hier deutlich voneinander abweichen… Um 12:00 Uhr stehe ich oben (2533m) und habe einen weiten Blick zu beiden Seiten. Das Wegexperiment ist geglückt, gutes Gefühl :-)


                        der Passo di Collalunga - nur noch heil da runter kommen


                        es ist steil


                        ein paar Seen - französisch oder italienisch?

                        Der Abstieg nach Frankreich ist dann sehr leicht, der weitere Weg nach Rabuons sogar ausgeschildert und so quere ich bald ohne nennenswerte Höhenunterschiede den Hang. Auch hier war ich mir über den Wegverlauf nicht sicher. Es ist die Verlängerung des Chemin de l’Énergie nach Süden, dessen Umsetzung als Weitwanderweg aber aufgegeben wurde und in der IGN-Karte ist lediglich ein unmarkierter Weg eingetragen.
                        Das Spazieren auf dem Südwesthang in der prallen Sonne erinnert mich an meine Tageswanderungen in den Hautes Alpes. Ich habe allerdings nur noch einen Liter Wasser und der Weg ist noch weit. Wie gerufen fließt kurz danach ein Bergbach über den Weg, dessen Wasser ich bei einer späteren Pause filtere. Ich brauche bald immer wieder kurze Pause, weil meine Füße ein bisschen schmerzen und der Tag ja auch schon lang war.


                        das rettende Wasser


                        angenehmes Spazieren

                        Ich hatte die Karte nicht genau genug studiert um zu erkennen, dass es vor dem See sogar nochmal auf 2700m hoch geht, leider auch sehr anstrengend durch viel Geröll. Auch dann ist es noch nicht geschafft: es geht runter und rauf durch mondlandschaftliches Gelände.


                        doch noch ein paar quälende Höhenmeter zum Schluss


                        aber jetzt ist das Ziel sichtbar

                        Endlich um 17:15 Uhr beim Refuge de Rabuons (2523m) angekommen, kann ich dort noch das Abendmenü zusammen mit den anderen Gästen bestellen. Um meine schmerzenden Beine etwas auszuruhen und Kraft zu schöpfen trinke ich einen Espresso auf der Terrasse, habe aber kaum Ruhe die Aussicht zu genießen, weil ich mein Zelt noch vor dem Essen aufbauen will. Ich finde einen etwas schiefen Platz auf der steinigen Halbinsel im See. Wegen des Windes und des steinigen Bodens ist es schwierig das Zelt aufzustellen. Mit ein paar Kleinigkeiten und der Kopflampe für den Rückweg kehre ich pünktlich zum Essen zum Refuge zurück. Es gibt Suppe, Nudeln mit Pesto oder Bolognese, Käse und Birne Hélène und ich nehme fast von allem einen Nachschlag. Ich unterhalte mich mit ein paar Franzosen über die umliegenden Wege und lerne, dass ein Teilstück des morgigen Weges verschüttet ist, es aber eine Umleitung gibt. Hoffentlich werden das nicht allzu viele Höhenmeter…
                        Mein Zelt wurde nicht in den See geweht und mein kuscheliger Schlafsack wartet schon. Beim Pinkeln nachts um 1:30 Uhr sehe ich eine Sternschnuppe :-)


                        eine erste Stärkung


                        dann baue ich mein Zelt auf


                        ja, es steht schief...


                        hübsche Stimmung nach dem gemeinsamen Abendessen

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                        • whale
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                          #13
                          AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                          Dienstag, 1.8.
                          Lac de Rabuons - Chemin de l’Énergie - Lacs de Vens - Col du Fer - Biwak im Vallone Forneris
                          18km, 1010hm hoch, 1150hm runter

                          Ich bin schon um 6:10 Uhr wach. Diesmal ist die Dämmerung aber nichts besonderes und ich bin ziemlich müde, weil ich nachts mit der Isomatte doch immer wieder hangabwärts gerutscht bin.
                          Ich verspüre heute auch morgens noch keinen großen Drang weiterzukommen und bleibe noch bis 9:00 Uhr beim Refuge, wo ich mir an diesem Morgen sogar die Haare waschen kann, zwar nur mit eisig kaltem Wasser, aber mit fantastischem Ausblick.


                          schöner kann man kaum duschen

                          Nach der üblichen Routine mit Zähneputzen, Wasser auffüllen, Müsli essen und alles wieder in den Rucksack packen, laufe ich gemütlich in Erwartung einer einfachen Etappe los. Zu früh gefreut. Bald schmerzen auch meine Schultern und Arme wieder etwas. Nach dem Lac Petrus stoße ich dann auf die angekündigte Umleitung wegen eines eingestürzten Tunnels auf dem Chemin de l’Énergie. Sie führt steil über einen Berg und beschert mir 220hm extra. Die Umleitung endet beim Plan de Tenibre, den ich zum Zelten wenig reizvoll finde, auch wenn andere Wanderer davon erzählt haben.


                          dank der EDF sehr bequemes Laufen


                          ohje, jetzt geht es doch schon wieder bergauf


                          Bergseen glitzern meist so schön...


                          Plan de Tenibre - da unten ist der ebene Weg ja wieder



                          Auf der komplett ebenen Strecke (schließlich war der Weg für eine Wasserleitung gedacht) geht es nun noch eine ganze Weile weiter, der Ausblick ändert sich dabei kaum merklich. In meinem Kopf tauchen Gedanken auf wie „will ich noch weiterlaufen? - die Berge sehen hier doch eh alle gleich aus, längst nicht so reizvoll wie letztes Jahr im Aostatal“. Am Ende der Strecke wird man erneut über einen Bergrücken geführt um den Seenkessel der Lacs de Vens zu erreichen. Auf französischer Seite scheinen mir die Wege anstrengender zu sein, in meiner aktuellen Gemütslage vergleiche ich die Berge, durch die ich jetzt mühsam aufsteige, mit großen Schutthalden.


                          das Wetter spielt heute immerhin wieder mit


                          Aber wie so oft in den Bergen lohnt sich die Anstrengung dann doch. Mein erster Gedanke als ich die Lacs de Vens von oben sehe: toll! Es gibt Seen auf mehreren Stufen, sogar mit einem Wasserfall dazwischen und überall tolle Picknickplätze, wo auch Leute zu entdecken sind. Ich mache trotzdem keinen größeren Halt, weil ich lieber beim Refuge ankommen möchte bevor es vielleicht noch regnet. Der Weg hinauf zum Refuge de Vens (2366m) ist dann doch noch ganz schön weit und eigentlich gäbe es unterwegs auch schöne Plätze für mein Zelt, allerdings lockt mich ein Kaffee. Danach zurückzukehren und denselben Weg morgen erneut zu laufen schließe ich aus.


                          grandios



                          Um 14:45 Uhr bin ich endlich da. Auch hier gibt es keinen Strom, dafür Heidelbeerkuchen und Kaffee. :-) Es hatte nur ein bisschen geregnet, jetzt scheint wieder die Sonne, aber im Wind ist es nicht heiß. Ich entscheide mich für eine längere Pause und gönne mir später noch eine Käseplatte, die sehr umfangreich und lecker ist. An der Hütte bekomme ich die Info, dass das Wetter morgen so wie heute werden soll.


                          am obersten See angekommen gibt es eine Belohnung

                          Beim Loslaufen danach habe ich wieder erstaunlich viel Kraft; die lange Pause hat gut getan, aber der Weg ist auch nicht schwer. Es geht zunächst auf den Col de Tortisse (2591m) hinauf, auf dem ich lange hin und her überlege, ob ich hier in Frankreich oder in Italien schlafen will. Auf dem nicht weit entfernten Grenzpass Col de Fer (2584m) ist es extrem windig, sodass ich erstmal zurück und dann auf den Aiguille de Tortisse (2672m) laufe. Die Aussicht dort lohnt sich aber meiner Meinung nach nicht, um hier morgen früh bei gutem Wetter auf den Sonnenaufgang zu warten. Der dafür empfohlene Cime de Fer ist mir für diese Absicht von einem potentiellen Zeltplatz zu weit entfernt. Also steige ich doch noch auf italienischer Seite ab, denn von oben sah in dem Tal alles sehr nett zum Zelten aus.




                          Rückblick auf das Refuge de Vens


                          man kann den Wind fast sehen


                          Col de Fer - doch schon heute nach Italien?

                          Um 19:30 Uhr starte ich den ersten Versuch mein Zelt aufzubauen, aber die Windböen drücken es so platt, dass ich es für zwecklos halte. Trotz des schönen Ausblicks packe ich also etwas in Eile meine Sachen wieder ein und laufe weiter talabwärts. Um 20:00 Uhr steht mein Zelt dann neben einem laut gluckernden Bach. Da hier sogar ein paar Tannen gewachsen sind, muss diese Ecke wohl windgeschützter sein.
                          Vielleicht habe ich ja morgen Glück und kann auch hier einen schönen Sonnenaufgang sehen, aber vielleicht ist es eh so bewölkt wie heute…
                          Morgen laufe ich durch ein Tal mit mehreren kleineren Dörfern. Mich lockt ein Milchkaffee in Bersezio und die Hoffnung dort neuen Proviant kaufen zu können. Ich könnte aber auch die Dörfer aussparen und etwas abkürzen. Das will ich morgen entscheiden.
                          Vor 21 Uhr liege ich im Schlafsack und betrachte den Himmel über mir. Es gab wieder keine besonders schöne Dämmerung, aber irgendwie empfinde ich gerade alles sehr friedlich hier.

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                            #14
                            AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                            Mittwoch, 2.8.
                            Biwak im Vallone Forneris - Bersezio - Passo Rocca Brancia - Passo della Gardetta - Rifugio Gardetta
                            23km, 1180hm hoch, 1190hm runter


                            erster Blick aus dem Schlafsack

                            Der Wind rüttelt ab und zu, aber mein Zelt steht fest. Um 7:50 Uhr bin ich wieder unterwegs und auf dem Osthang wird es in der Sonne bald warm. Der Weg ist nur leicht abfallend und weil ich nicht groß darauf achte, knicke ich leider auf einem losen Stein um. Es schmerzt ziemlich, aber vermutlich habe ich das Gelenk nur überdehnt. Ich wickele mein Halstuch zur Stabilisation um das Fußgelenk und kann erstmal weiterlaufen. Unterwegs erreiche ich Ferrere, ein wirklich hübsches Dorf. Das Rifugi direkt neben der Kirche sieht auch nett aus, allerdings ist gerade niemand anwesend. Ich bin unsicher welchen Weg ins Tal ich wählen soll, kehre sogar zweimal am Ortsausgang wieder um und entscheide mich letztendlich für die in der prallen Sonne liegende Straße über den Berg, weil es dort mit meinem Fuß leichter zu laufen ist.


                            das Vallone Forneris gefällt mir


                            das Dorf Ferrere


                            offenes Museum in Ferrere


                            die Einwohner mögen ihr Dorf auch


                            lieber auf heißem Asphalt als gleich nochmal umknicken...

                            Der Ort Bersezio (1634m) sieht von oberhalb ziemlich ausgestorben aus, woraufhin sich Enttäuschung in mir ausbreitet, weil der Umweg umsonst gewesen sein könnte. Unten an der Straße erspähe ich einen Wegweiser zu einem Minimarkt - juhu! Ich bin gerade noch rechtzeitig vor der Mittagspause da und kaufe schnell jede Menge Proviant: Schokokekse, Schokolade, Salami und sogar leckeres Obst. Danach setze ich mich in ein Eiscafé mit Steckdose, schwachem Netzempfang und atme erstmal durch. Bloß keine Hektik, ich komme heute schon noch weit genug, um zu zelten… Meinen etwas geschwollenen Fuß lege ich hoch, mache mir mal lieber keine überflüssigen Sorgen und genieße Eis und mehrere Kaffee.


                            die erste Portion


                            mit so vielen Vitaminen hatte ich hier gar nicht gerechnet

                            Um 14:30 Uhr breche ich dann erst wieder auf. Ich laufe nicht den steilen direkten Weg, sondern zurück auf den GTA über einen kleinen Pfad am Hang. Bei einem kurzen abgerutschten Stück dieses unmarkierten Weges heißt es sich gut festzuhalten, aber die Querung klappt. Nach der klimatisierten Gelateria muss ich mich erstmal wieder an die Hitze gewöhnen, aber dann gehen die folgenden 1000hm ganz gut. So bin ich früh genug am Lago Oserot, wo ich eventuell zelten wollte. Dieser scheint aber der Lieblingsplatz der weißen piemontesischen Kühe hier oben zu sein und ist jetzt leider ein Schlammtümpel. Also geht es erstmal weiter nach oben.
                            Um 17:30 Uhr stehe ich auf dem ersten Passo Rocca Brancia (2605m), um 18:00 Uhr dann auf dem Passo della Gardetta (2439m), wo mich sehr starke Windböen erwarten.


                            der Weg ist doch prima zu erkennen, oder?


                            Lago Oserot - Kuhtümpel


                            auf dem Weg zum ersten Pass


                            dahinter geht es mit Blick auf den Viso so weiter

                            Ich könnte noch ins nächste Tal absteigen, allerdings mit ungewissen Zeltmöglichkeiten und vermutlich wäre ich relativ knapp vor der Dämmerung unten. So entscheide ich mich beim Rifugio Gardetta zu fragen, ob ich daneben mein Zelt aufstellen darf. Da gibt es dann nämlich auch Wasser und mein Hemd hat heute deutliche Schweißspuren bekommen. Die Bewirtung ist sehr nett und bietet mir an, mein Zelt wegen der Kuhherde innerhalb ihrer Ranch aufzustellen. Hier drinnen laufen dafür ein Esel, ein Pferd, ein Schwein und zwei Ziegen herum. Ob die weniger über mein Zelt stolpern?! Die Haustiere werden aber später noch in ihren eigenen Bereich gebracht und ich kann mir einen geeigneten Platz suchen. Auch hier gibt es noch starke Böen. Ich probiere erstmal an verschiedenen windgeschützten Stellen einen Hering in den steinigen Boden zu bekommen, was ziemlich unmöglich ist. Danach warte ich lange ab, wasche meine Sachen und zweifele ein bisschen an meiner Entscheidung. Der Wind schläft aber abends ein und so kann ich auf dem Unkraut ganz am Rand des Geländes zelten. Eine Gruppe junger Italiener mit Gitarre im Gepäck macht am Abend noch lange Stimmung und sorgt bei mir ebenfalls für gute Laune. Bevor ich ins Bett gehe, trinke ich bis zur Dunkelheit noch einen Tee im Haus. Dann habe ich die Natur draußen für mich. Neben mir bimmeln beständig die Kuhglocken, sogar so laut, dass ich nochmal aus dem Zelt gucke. Manchmal riecht es etwas komisch und ich denke zuerst an einen Entlüftungsauslass. Aber vermutlich war es das Methangas der Kühe!


                            Rifugio Gardetta


                            eines der vielen Murmeltiere


                            das Hausschwein


                            Abendstimmung auf der Ranch


                            die kauen echt laut!
                            Zuletzt geändert von whale; 17.12.2017, 21:32.

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                            • whale
                              Erfahren
                              • 13.09.2014
                              • 205
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                              #15
                              AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                              Donnerstag, 3.8.
                              Rifugio Gardetta - Passo della Gardetta - Colle d’Enchiausa - Bivacco Bonelli - Chiappera - Biwak auf dem Grange Collet
                              23,2km, 1430hm hoch, 1760hm runter


                              vor den meisten anderen Gästen wach


                              Frühstück

                              Am Morgen trinke ich einen leider kalt servierten Kaffee, esse Müsli, putze Zähne und laufe kurz vor 8 Uhr los.
                              Erst geht es zurück auf den Colle Gardetta, dann steil, aber sicher genug hinunter bis zur Abzweigung, die mich zum Bivacco Bonelli über den Colle d’Enchiausa (2742m) führen soll.




                              auch hier ist die Landschaft von Bunkern durchzogen


                              ein bisschen beklemmend auch heute noch



                              Von der Gabelung folge ich lange einem einsamen Tal auf bequem zu laufendem Weg aufwärts. Allerdings fängt die Sonne bald an zu brennen und ich merke die Blasen an meinen Hacken deutlich. Das letzte Stück bergauf ist dagegen sehr steil und rutschig; so rutschig, dass ich hier nicht gerne bergab laufen würde. Um 12 Uhr treffe ich auf dem Pass gerade auf eine Gruppe, die von der anderen Seite aufgestiegen ist und streitet. Ich streite mich unterwegs nie Bei schönem Ausblick und bestem Wetter mache ich hier eine Pause mit Obst und Keksen.


                              ich bin ja gar nicht allein


                              hier geht es jetzt wieder hoch


                              der Schöne und das Biest - ein Beweis, dass ich auch Pausen beim Wandern eingelegt habe


                              einer weiß, an wen ich hier denke

                              Der Abstieg ist nur anfangs schwierig, dann werde ich nach einer Kehre mit einem ständigen, tollen Ausblick belohnt. Das Bivacco Bonelli scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein, denn am See sind schon jetzt mehrere Leute. Ich will aber eh weiter. Der als Option angedachte Weg Richtung Norden über das Bivacco Sartore sieht zwar nett aus, aber ich spare mir wohl das Abenteuer zum Sonnenaufgang übermorgen an der Tête de la Frema zu sein. Der dann notwendige Abstieg über den Colle dell’Infernetto soll laut Rother Wanderführer sehr steil bis heikel sein.
                              Meine Alternative führt mich dann durch das Tal, das ich von hier oben schon sehe. Bis 14:15 Uhr liege ich in Wind und Sonne auf einer Graskuppe und genieße die Wärme.


                              der Abstieg ist nicht so schwer, wie er zuerst aussah


                              bei dem markanten spitzen Felsen liegt Chiappera, links davon das Hochtal, in dem ich heute wohl schlafen werde.

                              Der erste Teil des Abstiegs über der Sentiero Pier Giorgio Frassati ist traumhaft, ständig blickt man auf Chiappera mit seinem markanten Felsen. Dann wird es steiler im Wald und mit abnehmender Höhe auch wieder heißer. Den Wald verleidet mir etwas die Bremse, die mich in den Ellenbogen gebissen hat. Der Campingplatz an den Mairaquellen ist eher häßlich, daher verwerfe ich den Plan hier zu bleiben gleich. Der richtige Pfad nach Chiappera ist kurz zu suchen, führt dann aber sehr schön durch Wald. Hier gäbe es einige Zeltmöglichkeiten, aber das Gebiet ist stark frequentiert.


                              die zwei Quellen der Maira



                              Chiappera (1620m) selbst ist ein hübscher, verwinkelter Ort aus Steinhäusern, dafür bietet er keine Einkaufsmöglichkeit und ich bin noch auf der Suche nach neuen Pflastern, nachdem ich die in Bersezio zu kaufen vergaß. Immerhin finde ich eine Bar wo ich eine halbe Stunde Pause mache und auch ein bisschen Strom bekomme. Meine Füße sind schon ganz schön platt nach den vielen Höhenmetern heute.


                              Chiappera

                              Der Campingplatz in Campo Base, an dem ich wenig später vorbeikomme, sieht für meinen Geschmack zu geordnet aus und selbst die bestimmt angemessenen 10€ sind mir zu viel, jetzt wo ich so oft in der Wildnis geschlafen habe und die völlige Freiheit noch mehr schätzen gelernt habe.
                              Der Camping senza frontiere ein Stück weiter liegt dagegen sehr hübsch am Wasser und lädt eigentlich zum Verweilen ein. Ich möchte aber noch ein paar Höhenmeter machen, laufe also weiter die Schotterstraße nach oben. Hier ist alles steinig und steil, also noch weiter… Erst bei den Grange Collet (1996m) ist es wieder eben genug. Die Häuser sind teilweise gerade bewohnt und leider sind alle möglichen Zeltplätze gut einzusehen. Ich laufe eine Weile herum, entdecke sogar Durchgangsverbotsschilder auf dem morgigen Weg und nehme am Ende den Platz direkt neben der Schotterpiste unter einer Wetterstation. Hier waren zwar auch mal Kühe unterwegs, aber sehr stören kann ich hier nicht.
                              Um 20 Uhr baue ich mein Zelt auf und wasche mich erstmal, denn meine armen Füße stinken ziemlich…
                              Ich habe hier sogar Netzempfang und kann die Wetterdaten abrufen und der helle Mond leistet mir ein wenig Gesellschaft.


                              hübsche Gegend


                              ob ich die Wetterdaten beeinfluße?

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                              • opa
                                Lebt im Forum
                                • 21.07.2004
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                                #16
                                AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                                schöner bericht, super bilder!

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                                • whale
                                  Erfahren
                                  • 13.09.2014
                                  • 205
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                                  AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                                  Freitag, 4.8.
                                  Biwak auf dem Grange Collet - Colle di Bellino - Valle di Bellino - Colle della Battagliola
                                  23,4km, 1620hm hoch, 1370hm runter

                                  Ich werde um 6:00 Uhr wach. Der Wind ist jetzt ziemlich stark, aber noch nicht bedrohlich für mein Zelt. Ich packe schnell zusammen, auch um nicht von den Anwohnern gesehen zu werden, selbst wenn ich sie hier neben der Straße vermutlich nicht gestört hätte. Um 6:50 Uhr habe ich einen Obstriegel im Bauch und
                                  gehe es heute langsam an, denn es warten ein paar Höhenmeter auf mich. Aber der Weg ist leicht und meinen Muskeln geht es ganz gut.


                                  das Tal aus dem ich gestern gekommen bin, liegt noch lange im Dunkeln

                                  Windig bleibt es die ganze Zeit und erst kurz vor dem Pass sehe ich die Sonne dann direkt. Auf dem Colle di Bellino (2813m) entschließe ich mich zu einem Abstecher auf den Monte Bellino (2937m), der sich absolut gelohnt hat. Ich sitze um 9:30 Uhr auf dem Gipfel und frühstücke mit Blick auf den Monte Viso und einer Rundumsicht auf schroffe Berge. Je höher die Sonne steigt, desto diesiger wird die Sicht allerdings.


                                  um 9:00 Uhr stehe ich auf dem Pass und blicke wieder auf den Viso


                                  Gipfelfrühstück mit Aussicht


                                  (Panorama anklicken)

                                  Eine Stunde später stehe ich wieder auf dem Pass und beginne den Abstieg. Das Tal auf der Nordseite ist viel länger und es geht mehr bergauf und -ab. Ich freue mich also, dass ich nicht in der klassischen Richtung auf dem GTA unterwegs bin, denn dann hätte ich einen sehr langen Anstieg ohne besonderen Ausblick. Ich kann so viel mehr die Schlucht neben mir betrachten und habe noch Sicht auf den Viso. Viel weiter unten kommen mir auch ein paar Wanderer entgegen, die fragen, wie weit es noch sei.


                                  der Torrente Vairata di Bellino formt eine schöne Schlucht

                                  Je tiefer ich komme, desto heißer wird es. In der engen Schlucht entdecke ich im Schatten erstaunlicherweise noch Schneereste. Wie können die bei diesen Temperaturen nicht schmelzen? Ich finde eine schöne Stelle zum Baden in dem Torrente Varaita di Bellino. Auch wenn hier unten schon eine Piste vorbeiführt und mögliche Ausflügler vorbeikommen könnten, bade ich nackt und lasse mir den Nacken vom kalten Wasser massieren. Beim Rein- und Rauslaufen zum Fotografieren stoße ich mir den großen Zeh ziemlich blutig. Oh oh, meine Füße müssen ganz schön was mitmachen…
                                  Ich bin blitzschnell wieder trocken, was kein Wunder bei trockenen 30 Grad Lufttemperatur ist. Dann laufe ich weiter, vorbei am Rifugi Meleze, was mir nicht hübsch genug gelegen ist, um zu Verweilen. An dem Örtchen Chiazale (1710m) laufe ich zuerst oben auf der Straße vorbei, dann aber nochmal zurück und entdecke auf kleinen Pfaden ein pittoreskes, urtümliches Dorf.


                                  kostenlose Abkühlung und Massage


                                  um die Schönheit dieser Dörfer zu entdecken, muss man mitten hineinlaufen



                                  Um 14:00 Uhr bin ich in Celle, das genauso hübsch ist. Pflaster kann ich hier definitiv nirgends kaufen, aber eine Eiswerbung lässt mich genauer hingucken und so finde ich ein schickes Restaurant, das von einer kleinen, sympathischen Familie betrieben wird, die selbst gerade isst. Obwohl ich noch viel Essen im Rucksack habe, kann ich nicht anders als hier zu bleiben, frage also nach etwas zu essen. Die Verständigung ist schwierig, weil ich leider kein italienisch kann, aber ich verstehe Risotto und lasse mich überraschen. Was mir serviert wird ist super lecker!
                                  Um 15:00 Uhr möchte der Wirt gerne das Restaurant schließen und ich erfahre, dass ich eigentlich in der Mittagspause aufgetaucht bin und er jetzt aber seine Tochter irgendwo hinbringen muss. Ich gebe gerne viel Trinkgeld, weil sie so ganz ohne Murren ihren Tagesrhythmus an mich angepasst haben.


                                  der Dorfbackofen


                                  mein erstes Risotto überhaupt? - sehr lecker!


                                  hübsch

                                  Ich gucke mir noch in Ruhe dieses und das Nachbardorf an, laufe anschließend ein Stück auf der Straße talabwärts und biege um 16:00 Uhr auf etwa 1600m auf die alte Militärpiste auf den Colle della Battagliola (2284m) ein. Der „Hügel“ erinnert mich an einen ganz ähnlich geformten Berg in den Hautes Alpes, auf dem ich in den letzten Sommern mehrmals war, nur hat dieser hier keinen Wald auf der Südseite und deswegen ist es umso heißer. Die Höhenmeter kleckern nur langsam dazu und ich muss mich immer wieder daran erinnern die Stöcke zu benutzen, um meine Beine zu entlasten. Vielleicht bin ich auch nur wegen des Risottos im Bauch so langsam, aber wie so oft gewinnt mein Kopf und um 18:00 Uhr stehe ich oben auf dem Rücken und bin dem wolkenlosen Monte Viso plötzlich ganz nah. Noch brennt die Sonne, aber da ich hier oben schlafen will, lege ich meinen Rucksack ab und gucke mich ein bisschen um. Da hier wohl eh keiner mehr hochkommen wird, baue ich um 19:00 Uhr mein Zelt auf und genieße dann die Abendstimmung mit dem Sonnenuntergang auf der einen Seite und dem Mond auf der anderen. Es ist noch warm genug um barfuß auf dem Gras herumzulaufen.


                                  noch ist es auch auf 2284m sehr warm


                                  Zeltplatz mit Sicht auf das Ziel


                                  im Rücken der Mond

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                                    Erfahren
                                    • 13.09.2014
                                    • 205
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                                    #18
                                    AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                                    Samstag, 5.8.
                                    Colle della Battagliola - Pontechianale - Passo S. Chiaffredo - Passo Gallarino - Rifugio Quintino Sella
                                    17km, 1320hm hoch, 960hm runter


                                    Dämmerung auf dem Colle della Battagliola

                                    Ich bin schon vor 6 Uhr wach und freue mich während des Packens über die tolle Sicht an diesem klaren Morgen. Ich laufe schon um 6:45 Uhr die ersten Meter bergab, warte aber auf einem baumlosen Vorsprung mit Blick auf den Viso dann den Sonnenaufgang ab.


                                    da taucht sie auf

                                    Auf dem Pass waren 1,5 Stunden bis Pontechianale (1615m) angegeben, ich stehe aber schon um 7:45 Uhr auf dem zentralen Platz, wo ich auch gleich den Minimarkt finde, der zum Glück um 8 Uhr öffnen wird. Bevor ich dort Pflaster kaufen werde, setze ich mich noch für zwei Cappuccini in die Bar um die Ecke.
                                    Beim Aufbruch verlaufe ich mich kurz auf die falsche Seite des Sees, folge dann aber auf der richtigen Uferseite einem netten Trimmdichpfad und stehe um 10 Uhr am Ortsausgang von Castello (1590m).
                                    Von meinem Vater bekomme ich eine aktuelle Wetterprognose per Telefon. Die Wetterlage ist zur Zeit etwas labiler mit der Tendenz, die nächsten Tage immer schlechter zu werden, heute sollte ich aber wohl noch bis zum Abend genießen können.


                                    ich finde immer noch einen unzerbröselten Keks


                                    die Schlange beim Bäcker ist mir zu lang


                                    sieht aber lecker aus


                                    der Stausee mit Blick auf Pontechianale


                                    nochmal Wasser tanken in Castello

                                    Bis zum Mittag habe ich auf dem Weg entlang eines Flusses absolut blauen Himmel und erst im Aufstieg durch den Bosco dell’Aleve danach bilden sich erste Cumuli. Das Stück durch den größten zusammenhängenden Arvenwald der Alpen riecht gut, aber trotz Schatten ist es hier sehr heiß. Wenig motivierend ist es, dass die Wegweiser nach 20 Minuten Aufstieg noch immer dieselbe Dauer bis zum Pass angeben… Nach dem Wald komme ich an einer Quelle vorbei und dann geht es ganzes Stück durch große Steine bergauf, unter denen ich auch Wasser fließen höre. Bei der Abzweigung zum Bivacco Bertoglio sieht der Weg so steil aus, dass ich mir die Hütte gar nicht erst angucke. Das Wetter sieht so gut aus, dass ich auch noch über den Pass Chiaffredo (2764m) laufen will. Dort erwartet mich die bizarre Landschaft, wie ich sie auf Bildern vorher gesehen habe. Ich verweile aber nicht, da die Wolken wachsen und es am Horizont dunkler aussieht.


                                    hier überquere ich den Torrente Vallanta und tauche in den Wald ein


                                    unerwarteter Fund


                                    Blick zurück


                                    da muss ich noch rauf




                                    die bizarre Steinlandschaft am Passo Chiaffredo

                                    Hinter dem Passo Gallarino (2728m) ein Stückchen weiter herrscht plötzlich anderes Wetter. Ich frage den einzigen entgegenkommenden Wanderer, ob der weitere Weg bei Nebel machbar ist, was er bejaht. Die Wolken hängen hier tiefer als ich stehe. Ab und zu ziehen Fetzen davon an mir vorbei, was eine interessante Stimmung erzeugt, die mir diesmal überhaupt nicht bedrohlich erscheint. Der Viso links von mir ist seit dem Mittag verhüllt, aber auch in die andere Richtung sieht man nun nichts mehr. Ich steuere erstmal das Rifugio Q. Sella an. Auf dem steinigen Weg dahin merke ich meine schmerzenden Füße und ein Ziehen in den Waden.


                                    hmm.. in meine Richtung sieht's gar nicht so gut aus...


                                    es gibt aber auch Wolkenlücken


                                    und ich habe Spaß in dieser Stimmung


                                    heute halt ohne Horizont


                                    das Rifugio ist trotzdem nicht zu verfehlen

                                    Gegen 15:30 Uhr erreiche ich das Rifugio Q. Sella (2634m), das wie erwartet voll mit duftenden Bergsteigern ist und bei dem ich unter anderen Umständen schnell vorbei laufen würde. Da meine Füße aber heute nicht mehr viel weiter wollen und mir das Zelten hier zwischen den Steinen und im Nebel mit unklarer Wetterentwicklung wenig zusagt, frage ich nach einem Bett. Ich bekomme ganz oben unter der Dachschräge im Gruppenraum auch noch eines. Obwohl ich großen Hunger habe, spare ich mir das Abendessen dazu, denn ich habe auf der Mittagskarte Polenta entdeckt. Leider ist gerade nichts warmes mehr zu haben als ich danach frage und so esse ich ein Stück Foccacia mit Sardellen plus meine bisher unberührte Salami. Später allerdings brauche ich zusätzlich noch Schokolade, Kekse und Riegel aus meinem Vorrat.


                                    der Viso in Wolken gehüllt, aber trotzdem ganz kurz sichtbar

                                    Erst in der Schlange zur Dusche erfahre ich, dass man für warmes Wasser einen Jeton braucht, der 4€ kostet. Ich entscheide mich ganz schnell dafür kalt zu duschen, was dann auch nicht so schlimm ist. Meine Wäsche spüle ich nur grob aus, frage mich aber, ob die im Nebel hier bis morgen wieder trocken wird. Später entdecke ich den geheizten Trockenraum im Refugio.
                                    Je länger ich hier bin, desto mehr vergeht mir leider die Lust und ich spiele mit dem Gedanken, morgen von hier ins Tal zu steigen. Ich kann mich aber dann doch dazu motivieren noch einen schöneren Tourabschluss zu machen und bis Bobbio Pellice zu laufen, um dort vielleicht etwas nettes zum Mitbringen einzukaufen. Das bedeutet also noch zwei Tage wandern, wenn das Wetter mitspielt, was ich ja morgen früh schon besser beurteilen kann. Heute hatte ich auch das erste Mal leichte Schmerzen im Knie, was bei den mörderisch langen Etappen der letzten Tage auch irgendwie kein Wunder ist. In 11 Tagen vom Vallée des Merveilles zum Monte Viso? Wahnsinn!

                                    Die Leute stehen alle draußen rum und hoffen, dass der Viso mal kurz von den Wolken freigegeben wird und sie einen Blick auf ihre morgige Aufstiegsroute werfen können. Ich entdecke auch zwei Zelte zwischen den Steinen, aber da mir etwas fröstelig ist, weil ich vermutlich einen leichten Sonnenbrand habe, bin ich froh über die Wärme im Haus. Mal sehen wie gut ich dort schlafen werde. Um 21 Uhr verschwinde ich im Bett.


                                    das Fachsimpeln der Bergsteiger interessiert mich wenig


                                    die meisten Wolken im Tal sind verschwunden


                                    eine ist noch aktiv

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                                      • 13.09.2014
                                      • 205
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                                      Sonntag, 6.8.
                                      Rifugio Quintino Sella - Pian del Re - Colle Armoine - Colle Manzol - Rifugio Granero - Biwak Ciabot del Pra
                                      21,8km, 940hm hoch, 1850hm runter


                                      6:25 Uhr

                                      Ich wache zwar früh auf, aber das Zimmer ist schon fast leer, da viele heute auf den Gipfel laufen wollen. So habe ich den schönen Sonnenaufgang vor der Hütte für mich alleine. Heute ohne den Nebel habe ich hier auch Netzempfang, kann aber außer der weiterhin bestehenden Gewitterneigung nichts Neues über das Wetter in Erfahrung bringen. Ich habe aber neue Energie geschöpft und werde wie ursprünglich geplant weiterlaufen.


                                      Morgenlicht


                                      hach, ich mag die Sonne



                                      Hinter dem Colle dei Viso (2655m) stoße ich auf eine große geführte Gruppe, an der ich kaum vorbeikomme. Da sie mir aber zu langsam ist, beginne ich doch irgendwann mit dem Überholen. Kurz nachdem ich vorbei bin und den Weg wieder für mich habe, beginnt es zu regnen, sodass ich mich und den Rucksack regendicht verpacke. So färbt sich der Abstieg zum Pian del Re insgesamt etwas grau. Deswegen wähle ich auch den direkten Weg über den Lago Fiorenza und keine der Alternativen zu den anderen schönen Seen hier. Hübsch ist es trotzdem. In die Richtung, in der ich über den nächsten Pass möchte, sieht es allerdings ziemlich schwarz aus.


                                      Steine, Steine, Steine


                                      ist ja klar, wo ich heute hin will: da wo es dunkel ist


                                      auch bei mir regnet's ein bisschen


                                      Rückblick: da oben sind jetzt irgendwo ein paar Bergsteiger


                                      Lago Fiorenza

                                      In einer kurzen Regenpause komme ich an der Quelle des Po vorbei, wo es schon deutlich touristischer zugeht, weil hier eine Straße heraufführt. Ich lande am Vormittag so früh im nahen Posto tappa, dass ich noch einen Sitzplatz am Tisch bekomme, den ich auch nicht mehr aufgebe und während des folgenden heftigen Regen- und Hagelsturms vertreibe ich mir die Zeit mit Kaffee und Gebäck. Da sich alle Touristen hierher flüchten, wird es eine Zeit lang rappelvoll.


                                      ich tauche meine Hände da nicht ein, bin ja kein Italiener. Außerdem sind meine Hände eh schon kalt

                                      Ich breche um 12:45 Uhr wieder auf, denn laut meiner Vorhersage soll das Gewitter für heute jetzt schon durchgezogen sein. Es wird dann auch den restlichen Tag schön bleiben.
                                      Um 14:30 Uhr habe ich auf dem Colle Armoine (2690m) zum Abschied noch einmal beste Sicht auf den inzwischen unverhüllten Monte Viso. Im Norden haben sich zwar Cumuli gebildet, aber die hohen Berge in den Nordalpen sind erkennbar.


                                      Rückblick auf Pian del Re


                                      jetzt ist er wunderschön


                                      Blick nach Norden - bis zu den 4000ern

                                      Nach einem kurzen Abstieg durch das Vallone del Pis an zwei kleinen Seen vorbei, folgt der steilste Aufstieg überhaupt auf meiner Tour. Das letzte Stück auf den Colle Manzol (2694m) muss ich mich festhalten. Eine entgegenkommende Familie ist auch sehr vorsichtig und langsam unterwegs.
                                      Oben auf dem Pass mache ich eine längere Pause in der Sonne und lasse die tolle Sicht über die Po-Ebene auf mich wirken. Das Ausmaß des Alpenbogens ist hier ganz gut zu erahnen. Es hat sich natürlich wieder einmal gelohnt nicht aufzugeben und weiterzulaufen.


                                      das Vallone del Pis


                                      Mittagspause auf dem Colle Manzol

                                      Ich komme am Nachmittag dann am Rifugio Granero vorbei, das zwar ganz hübsch gelegen ist, mir aber nicht urig genug ist, um zu bleiben. Ich tanke nur ein bisschen Wasser und laufe gleich weiter bergab. An einem See will ich vielleicht zelten, finde aber den abzweigenden Weg nicht. Da es von oben auch nicht mehr so verlockend wie auf der Karte aussah, laufe ich also immer weiter, nun auf der rechten Seite des Flusses und entscheide irgendwann ganz durch die lange Hochebene zu laufen und an deren Ende beim Rifugio Jervis zu zelten.


                                      der Abstieg vom Colle Manzol


                                      Rifugio Granero


                                      in dem Rifugio Granero wurde heute gefeiert

                                      Auf dem letzten Stück des Hochtals wird viel Landwirtschaft betrieben und eine nette sehr alte Bäuerin vor ihrer Hütte fragt mich wohin ich will. Zwischen den Bäumen stehen viele Zelte, hauptsächlich von Jugendgruppen, die auch Lagerfeuer machen, aber auch ein paar einzelne kleine Zelte. Kurz vor dem Rifugio suche ich mir am Rand auch einen Platz. Vermutlich gehört das Gebiet zu einem Agrotourismusbetrieb, aber ich habe keinen Ort gefunden, an dem ich hätte fragen können.
                                      Meine Füße sind platt. Um 20 Uhr steht dann auch mein Zelt und ich mache es mir gemütlich. Draußen herrscht noch lange Lärm von Autos, Herdenabtrieb und einem Motorradtest. Oben in den Bergen war es doch ruhiger…
                                      Mit dem Plan für morgen und die restliche Strecke bin ich nicht ganz so zufrieden. Entweder kann ich mich beeilen und noch nach Turin für den letzten Flug des Tages reisen oder ich muss irgendwo rumhängen und das ganze auf zwei Tage verteilen. Dann muss ich aber auch in der Zivilisation schlafen.


                                      eines der Jugendlager


                                      da bei den letzten Bäumen werde ich zelten


                                      endlich hinlegen

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                                        • 13.09.2014
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                                        #20
                                        AW: [FR][IT] Grenzschlängeln in den Seealpen - vom Tal der Wunder bis zum Monte

                                        Montag, 7.8.
                                        Biwak Ciabot del Pra - Villanova - Bobbio Pellice
                                        6,8km, 10hm hoch, 800hm runter



                                        Ich habe mal wieder alles richtig gemacht: weiter oben im Tal hängen die Wolken, einen Zeltplatz mit schöner Aussicht am Morgen hätte ich also sowieso nicht bekommen, wenn ich gestern noch oben geblieben wäre. Weil es hier auch nicht besonders schön ist, packe ich zusammen und laufe um 7:15 Uhr los. Ich verlasse bald das Hochtal und der Weg führt parallel zu einer Piste etwas steiler durch eine schöne Schlucht, in der ich gleich mehrere endemische schwarze Salamander vor meinen Füßen entdecke. Etwas später am Morgen wären diese bestimmt vor den entgegenkommenden Wanderern geflüchtet.


                                        ein letztes Mal das Zelt einpacken?


                                        fließendes Wasser und Seen gab es auf meiner Tour reichlich!





                                        ich habe 6 Stück gesehen


                                        Villanova von oben

                                        Um 8:15 Uhr stehe ich in Villanova, wo außer beim Posto tappa nichts los ist. Die Häuser hier sind zwar alt, aber nicht besonders hübsch. Da bis zu diesem Dorf eine Straße führt, starten viele Wanderer hier ihre Tour, so auch heute morgen. Ich halte mich aber nicht mit Gesprächen auf und laufe die Straße talabwärts. Einen Wanderweg gibt es leider nicht und so wird es ein eher monotones Laufen mit wenig Aussicht. Auf dem letzten Drittel hält aber ein sehr netter Franzose neben mir und nimmt mich bis Bobbio Pellice mit, wo ich so schon um 9:30 Uhr ankomme.


                                        Bobbio Pellice

                                        Um 10:13 Uhr fährt tatsächlich der nächste Bus nach Torre Pellice. Das wusste mein in Hamburg gefundener Fahrplan zum Glück besser als die Kellnerin im einzigen offenen Café, die mir auf meine Nachfrage versicherte, der Bus für heute Vormittag wäre schon weg...
                                        Ich hatte ja überlegt in einem der Dörfer in diesem Tal noch ein bisschen Zeit zu verbringen, um so richtig anzukommen, aber da Bobbio schon nicht hübsch war und Torre aus dem Bus heraus für mich wie eine hässliche Kleinstadt aussieht, in der eh fast alles geschlossen scheint, steige ich ganz spontan doch nicht in der Stadtmitte aus. Bei der Entscheidung half, dass der Busfahrer mich fragte, ob ich nicht nach Pinerolo fahren will. Anscheinend konnte er sich auch nicht vorstellen, dass man in dieses Dorf will. Also fahre ich weiter bis zum Bahnhof mit, an dem perfekt abgestimmt gleich der nächste Bus um 10:35 Uhr nach Pinerolo abfährt.

                                        Pinerolo ist schon deutlich städtischer, aber hat dafür so gar nichts mehr mit den Bergen zu tun. Da könnte ich auch in einer beliebigen Stadt in Italien Halt machen. Da auch hier die Fahrzeiten gut abgestimmt sind, besteige ich also bald die nächste Regionalbahn nach Turin.


                                        ein Müsli in der pünktlichen Bahn

                                        Ich hatte mich im Laufe des Vormittags entschieden, zu versuchen heute Abend mit dem letzten Flug über Frankfurt nach Hamburg mitzukommen, da es morgen sowieso regnen soll und ich dann keinen großen Spaß hätte mir Turin anzugucken. Mir bleiben heute noch ein paar Stunden in der Stadt und als ich dort ankomme scheint wunderbar die Sonne.
                                        So laufe ich zur Turiner Oper, dem Konzertsaal des RAI und an einigen Palazzi vorbei…




                                        Conservatorio Statale "Giuseppe Verdi" Torino


                                        Postkartenschreiben in bester Gesellschaft…

                                        Den Shuttlebus zum Flughafen kenne ich ja schon, weswegen ich ganz entspannt durch die Stadt laufe. Allerdings verschätze ich mich etwas in der Zeit und komme dann mit einem der letztmöglichen Busse doch ziemlich knapp am Flughafen an.
                                        Da meine IKEA-Tasche in Nizza geblieben ist, gebe ich meinen Rucksack diesmal unverpackt am Schalter ab, was kein Problem darstellt. Ich bekomme auch gleich einen Sitzplatz und freue mich am Abend schon wieder in Hamburg sein zu können. Zu früh… Am Gate warten wir alle ziemlich lange und als dann der Pilot auftaucht, ahne ich das schlimmste. Seine Durchsage lautet: Einer Flugbegleiterin gehe es nicht gut. Wenn es ihr in einer halben Stunde nicht besser gehe, wird der Flug leider ausfallen müssen, solange wolle man aber noch warten. Vermutlich werde ich aber meinen Flug nach Hamburg deshalb nicht pünktlich erreichen.
                                        Nach einer halben Stunde gibt es tatsächlich grünes Licht und wir können einsteigen. Während des Fluges schöpfe ich kurz Hoffnung, als der Pilot erklärt, dass alle gemeldeten Anschlussflüge warten werden. Sollte ein weiterer Passagier nach Hamburg in der Maschine sitze, habe auch ich als Stand-by-Passagier eine Chance.


                                        unterwegs bestaune ich die partielle Mondfinsternis

                                        Es hätte klappen können... Ich kenne mich in FRA aus und weiß, dass der Weg zum nächsten Gate nicht weit ist. Ich renne. Und sehe die Dame am Gate gerade die Tür zum Finger schließen. :-( Sie hat ein bisschen Mitleid und bestätigt, dass ich unheimlich schnell da war, kann mir aber leider nicht mehr helfen. Dafür kann sie mein Gepäck auf die erste Maschine am nächsten Morgen buchen, sodass ich mich nicht um meinen Rucksack kümmern muss und die Nacht auf der Airside bleiben kann. Hätte ich mal die Zahnbürste ins Handgepäck getan… Die Geschäfte haben noch eine kurze Zeit geöffnet und ich kaufe mir ein bisschen Lakritz für den ungemütlichen Abend im Terminal. Dann gehe ich leicht abenteuerlustig auf Erkundungstour durch das gesamte Terminal und suche den schönsten Platz für die Nacht. Ein weitläufiger Bereich scheidet wegen Bauarbeiten inklusive Presslufthammer aus. Aber am Ende finde ich einen ruhigen, sichtgeschützten Bereich mit harten Sitzen, auf denen ich eine Weile schlafen kann. Bis Hamburg ist es nicht mehr weit und ich habe ja gerade zwei Wochen Kraft tanken können. Mal sehen wie lange diese dann reicht…


                                        mein letzter Schlafplatz dieser Reise. Morgen Mittag erwartet mich ein richtiges Bett

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