[DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E8

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    [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E8

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Land: Deutschland
    Zeitraum: Frühherbst 2016
    Reiseart: Wanderung

    Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E8

    Eine gestückelte Weitwanderung

    Darf eine Weitwanderung gestückelt werden? Darf die dann noch so genannt werden? Welcher wäre der passende Untertitel: „4 Mehrtageswanderungen mit kurzen Unterbrechungen alle paar Tage“, „Optimale Freizeitoptimierung am Beispiel einer Wanderung“. Keine Ahnung. Ist mir eigentlich auch egal. Anders ging's nicht.

    Im Sommer des letzten Jahres stand mit Blick auf das Jahresende einmal mehr die alljährliche Frage an, was ich denn so unternehme, bevor es kalt wird. Radtour? Wanderung? Weitwanderung? Oder was ganz anderes? Zu letzterem fiel mir nichts ein. Eine Radtour ... hm, wäre möglich? Tageswanderungen rund um den heimischen Herd in der Kombination „es ruhig angehen zu lassen“? Das Ende im Liegestuhl auf der Terrasse hinterm Haus war abzusehen. Übrig blieb eine mehrwöchige Weitwanderung. Bei dem Gedanken schob sich die Radtour wieder nach vorne. Letzten Endes hatten einige Termine, die ich weder auf der Rechnung hatte, geschweige verschieben konnte, den Ausschlag gegeben. Raus konnte ich nur im Frühherbst und das nicht mal über einen langen Zeitraum. Die Lösung war die Stückelung der Wanderung. Eine Radtour stückeln war und ist mir zu aufwendig. Es blieb bei der auseinandergerissenen Weitwanderung.
    Zuletzt geändert von Werner Hohn; 01.12.2018, 10:00. Grund: "Fetten" Fehler ausgebügelt.
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    #2
    AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E


    Daten von OpenStreetMap - Veröffentlicht unter CC BY-SA

    Etappenübersicht

    Tag Etappe Übernachtung
    Teil 1
    1 Daheim - Remagen Campingplatz
    2 Remagen - Bonn-Bad Godesberg Hotel
    3 Bad Godesberg - Rheinbach Hotel
    4 Rheinbach - Bad Münstereifel Hotel
    5 Bad Münstereifel - Gemünd Schutzhütte
    6 Gemünd - Heimbach (Eifel) -------
    Teil 2
    7 Heimbach (Eifel) - Heimbach (Eifel) Campingplatz
    8 Heimbach (Eifel) - Mulartshütte Campingplatz
    9 Mulartshütte - Aachen -------
    Teil 3
    10 Aachen - Herzogenrath Hotel
    11 Herzogenrath - Geilenkirchen -------
    Teil 4
    12 Geilenkirchen - Orsbeck Hotel
    13 Orsbeck - Brüggen -------
    Grob zusammengerechnet gut 270 Kilometer.

    Orientierung

    Als Richtschnur musste der Europäische Fernwanderweg E8 herhalten. Beinahe täglich bin ich von dessen Route abgewichen, was schon mal mit einigen Kilometern mehr oder auch weniger endete. Gewandert bin ich ohne Papierkarten, obwohl der Abschnitt bis Aachen mit Wanderkarten des Eifelvereins in der Schublade liegt. Verwendet habe ich ausschließlich die Karten von openandromaps in Verbindung mit Oruxmaps auf einem alten Huawei Y300. Soweit ich das beurteilen kann, sind Eifel und nachfolgende Gebiete einschließlich Niederrhein ziemlich komplett in Openstreetmap. Es fehlte schon mal eine Schutzhütte oder die Infrastruktur war überholt (Hotel geschlossen, Lebensmittelladen dicht), doch nie stand ich vor der Frage, welchen Abzweig ich denn nun nehmen soll.

    Diesen Informationsgehalt wünsche ich mir für den Hohen Westerwald. Dort würde das Wandern nach OSM zwar nicht in die Hose gehen, dennoch stände man mehrmals täglich vor der Frage, warum dieser und jener Weg noch nicht bei OpenStreetMap vorhanden ist.

    Ausrüstung

    Die Ausrüstung war identisch mit der im Testbericht über den Quechua Arpenaz 30. Nur in den letzten Tagen wurde die um eine wärmere Hose und ein dünnes Fleece-Shirt erweitert. Plus 500 Gramm. Also knapp unter oder über 7 Kilo.
    Zuletzt geändert von Werner Hohn; 06.12.2017, 08:04. Grund: Rechtschreibung
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    Kommentar


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      #3
      AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg

      Teil 1: Vom Rhein bis Heimbach (Eifel)

      Tag 1: Daheim – Remagen

      Abbrechen

      Kaum richtig warm gelaufen, wollte ich schon nicht mehr. Nach einer Stunde war die Wanderung nur noch eine Schnapsidee. Grade mal auf der Rheinhöhe angekommen, schon fing die Quälerei an. Wenn die Lust am Wandern weg ist, wird Wandern für mich zur Qual. Der Blick nach vorne war nicht berauschend positiv. Bis zum heutigen Etappenziel kannte ich jeden Stein. Die Strecke bis Aachen auch. Warum tue ich mir das an? Immer und immer wieder startete diese Frage selbstquälerisch eine Rundfahrt in meinem Kopf. Motivation weil Neues, Unbekanntes vor mir liegen wird, oft der beste Antreiber, fehlte. Eine halbe Stunde auf dem Rheinsteig, ach Gott, mal wieder dieser Steig. Leubsdorf ins enge Tal gequetscht. Hindurch, raus, weg. Dattenberg, verdammter unnötiger Anstieg. Linz am Rhein mit den Anlegern für die großen Passagierschiffe. Zwei kleine Rundfahrtschiffe hatten massig Leute ans Ufer gespuckt. Nervig. Übersetzen hinüber ans linke Rheinufer. Rheinradweg, Rentner mit Elektrofahrrädern, Reiseradler, Spaziergänger. Die Angst vor dem ungesicherten Rand zum Rheinufer fuhr bei vielen mit. Dicht an den rechten, ungesicherten Rand des Radwegs trauten sich nur die Routiniers.


      Linz am Rhein - Blick zurück noch mit Frust

      Campingplatz Remagen. Zelt auf die Weise gestellt. Schnauze voll. Wenn meine Laune morgen immer noch so sein sollte, geht es zurück, nahm ich mir vor. Reiseradler bauten ihre Zelte neben meinem auf. Abendliche Vollversammlung am Picknicktisch. Von Radtouren erzählen konnten alle, sogar ich, der Wanderer, der Exot auf dem Rheinradweg. Mit einem Hauch Versöhnung endete der erste Tag. Sollte ich dem nächsten eine Chance geben?

      Tag 2: Remagen - Bad Godesberg

      Weitermachen

      Im Morgengrauen raus aus dem Zelt. Die Hoffnung einen Kaffee zu schnorren zerbröselte mit dem ersten Rundblick, Weit und breit kein Mensch zu sehen. Die Lieblingsbeschäftigung der Reiseradler: lange schlafen. Sollte ich reumütig wie früher Kocher und Topf in den Rucksack packen? Kaffee beim Bäcker im Supermarkt. Der Wanderung wollte ich doch noch eine Chance geben. Das nächste Ziel sollte der Campingplatz Siebengebirgsblick auf Höhe der Insel Nonnenwerth sein. 2 Stunden am Rhein entlang. Dort wollte ich das Zelt aufschlagen, nachmittags zurück zum Arp Museum in Remagen-Rolandseck spazieren, und wenn dann immer noch … ja, dann eben heimwärts.


      Petersberg - Drachenburg - Drachenfels

      An diesem Morgen wurde die Wanderung von einem Relikt der Bonner Republik gerettet. Keine Stunde nach dem frühen Kaffee lief ich am Rheinufer auf einen Mann auf, jenes verbreitete Modell graumelierter, gut konservierter Mittsechziger. Mit wohin und woher, warum, weshalb, waren wir ins Gespräch gekommen. Unverhofft war ich auf einen Fan der Eifel gestoßen. Auf einen begeisterten Eifelwanderer, der erst im Ruhestand zum Eifelkenner und überhaupt zum Wanderer geworden war. Obwohl dort geboren und aufgewachsen, kannte er seine Heimat nicht. Schule, Studium, direkt in den Auswärtigen Dienst. Das ganze Arbeitsleben für wechslende Bonner Regierungen als Diplomat im Ausland. Die Eifel war ihm fremd geworden. An diesem Morgen schwärmte er so vom Wandern in der Eifel, dass er mich ansteckte, obwohl ich bestimmt mein halbes Wanderleben in der Eifel zugebracht habe. Spontan bog ich am Calmuth Richtung protziges Jagdhaus des "Sonnenkönigs" ab, um auf den E8 zu gelangen. Zum Campingplatz konnte ich immer noch abbiegen wenn der Motivationsschub abebben sollte, oder von hinten zum Arp Museum hinab wandern.


      Gilt das auch fürs Elektrofahrrad?

      Oben hatte es Klick gemacht. Die Sonne stand vor blauem Himmel. Am anderen Rheinufer wuchs der Drachenfels nach oben. Die wenigen weißen Wolken machten das Bild komplett. Die Wanderlust war erwacht. Wenn es halt keine lange Wanderung am Stück werden kann, dann eben eine gestückelte. So oder so, Hauptsache unterwegs. Die im Hinterhalt lauernde Tour mit dem Fahrrad hatte sich spurlos verflüchtigt.


      Bad Godesberg - Godesburg

      Und noch etwas hatte ich mir vorgenommen: Sollte zufällig ein Hotel am Weg liegen, sei es noch so teuer, dann wird das genommen. Frugales dahinkümmern unterm Zeltdach wollte ich anderen überlassen. Altersgerechtes Kreditkartenwandern, dessen schmerzhafte Abrechnung erst einen Monat später anstand.

      Tag 3: Bad Godesberg – Rheinbach

      Landeinwärts

      In der Nacht hatten zwei besoffene Mädels Volkslieder gegrölt und mit der Außenbestuhlung von Nordsee gekegelt. Die halbe Nacht hatte ich wach gelegen. Hotelfrühstück mit Arabern an Nachbartischen, die nach jahrelangem erfolgreichem Werben einiger umliegender Kliniken Bad Godesberg zwar nicht überlaufen, jedoch zunehmend das Bild der Innenstadt prägen. Vollverschleierte Frauen in Burkas gehören nun zum Alltagsbild in der Fußgängerzone. Medizintouristinnen und ihre Familien. Nach der Behandlung sind alle wieder weg.


      Kottenforst, Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft - Der Zahn der Zeit

      Hinauf in die niedrigen nördlichen Ausläufer der Eifel, im rechten Winkel vom Rhein weg in den Kottenforst. Flache, lange, breite schnurgerade Wege für Radfahrer, Reiter und Wanderer. Ein steinaltes Ehepaar begleitete mich. Er joggte, sie bot mit dem Klapprad seinem Tempo Paroli. Beneidenswert. Ob ich in einem Vierteljahrhundert noch durch den Wald jogge?


      Kottenforst -Jägerhäuschen

      Dann nach Rheinbach rüber, da geht man durchs Baumschulland. Die ganz großen Baumschulen waren hier heimisch geworden. In Reih und Glied, ich meinte sogar auf den Millimeter ausgerichtet, Baum an Baum, Strauch neben Strauch. Kein Gewächs sprang aus der Reihe, keins strebte außer der Reihe gegen den Himmel. Durchnummerierte, durchbuchstabierte Sortenvielfallt für Parkanlagen und Gärten.


      Kottenforst - Es wird der Tag kommen, an dem diese Art Markierung als verantwortungslos gebranntmarkt wird

      Ankunft am frühen Nachmittag in einem der Rheinbacher Industriegebiete. An dessen Rand ein Hotel. Eins, in dem Vertreter und reisende, fahrende Berufe gerne absteigen. Was zählt schon Lage! Der Parkplatz ist groß, die Preise erträglich, es gibt garantiert einen Fernseher auf dem Zimmer und das Frühstücksbuffet steht bereit bevor der Herrgott aufsteht.


      Bei Lüftelberg - Baumschulzubehör für kujonierte Gewächse


      Zwischen Rheinberg und Lüftelberg - Rückblick ohne Frust

      Eintauchen in ein Zimmer irdener Terrakottafarben, sonnengelber Tapeten, mittelmeerblauer Möbelleisten. An den Wänden die monothematische Vervielfältigung der italienischen Toskana. Für das Abendessen ein langer Fußweg ins Zentrum des Städtchens. Preiswert war der Chinese, die Portion groß. Demnächst wollte der Inhaber in den Urlaub auf ein Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer, Schwiegereltern aus dem Reich der Mitte inklusive. Alle Jubeljahre lief dieses Standardprogramm der Familienzusammenführung so ab. Er war begeistert davon; und ein glühender Fan des 1. FC Köln. Erklär' das mal einen Chinesen. Und ich musste 2 Kilometer durch die Dunkelheit zurück in die Toscana.

      Tag 4: Rheinbach – Bad Münstereifel

      Randerscheinung

      Wieder einmal war ich der Exot. Im Frühstücksraum traf ich nur die Serviererin und einen Mann, der abseits an einem Tisch saß. Habitus, dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, gedeckte Krawatte, der typische Vertreterkoffer auf dem Stuhl neben ihm.. Er starrte unentwegt auf den Monitor seines Laptops, hatte kaum mit dem Kopf genickt, als er mein Hereinkommen bemerkt hatte. Reflexe. Die Serviererin war gesprächiger, eine typische Rheinländerin.


      Rheinbach - Rheinbacher Burg

      Mit den Klamotten sind sie bestimmt nicht auf Kundenfang, eröffnete sie die Unterhaltung und blieb am Tisch stehen. Sie erwartete eine kurze Auskunft, baute diese mit Fragen auf und aus, bis sie mich am Erzählen hatte. Der Vertretertyp hatte dann doch noch seinen Laptop zugeklappt und hörte nun aufmerksam zu. Beide waren sehr erstaunt, dass ich genau hier zu Fuß unterwegs war. Weder hatten sie vom Eifelverein gehört, geschweige von dessen Weitwanderwegen, nicht zu reden von dem, der einen Steinwurf weit am Hotel vorbeiführte. Sogar mit Jakobswegen konnten sie nichts anfangen. Nach Kerkeling soll das was heißen. Wandern war für beide etwas für den Urlaub, und dass in homöopathischer Dosierung. Mehrtägig ja, davon hatten sie mal gehört. In den Alpen macht man das, von Hütte zu Hütte, oder? Die Vorstellung, nicht mehr als ein Beutelchen Ersatzkleidung, ein winziges Handtuch sowie ein paar Gramm „Hygiene“ im Rucksack zu haben, war ihnen so fremd wie das Innere der Eifel.


      Eifelnordrand

      Unterwegs grübelte ich lange über die Frage, ob ich in einer Blase lebe, die es mir erlaubt, mein Leben an Freizeitbeschäftigungen auszurichten. Das Leben meiner Zuhörer aus dem Frühstücksraum kreiste um Arbeit, Familie und die Hoffnung halbwegs gesund in die Rente kommen, um eventuell das zu machen, womit ich seit Jahrzehnten mein Leben zwar nicht komplett, doch zu einen nicht unerheblichen Teil ausfülle: Freizeitbeschäftigungen.


      Steinbachtalsperre

      Der Pilgerweg ins spanische Santiago de Compostela war ab Rheinbach ständiger Begleiter des E8. Die Markierung war etwas in die Jahre gekommen. Der Boom des Pilgerns in der Heimat scheint gelaufen, denn obwohl fleißig umworben, gut beschrieben und an diesem Tag optimales Pilgerwetter war, traf ich keine Pilger. Wanderer übrigens auch nicht. Wo laufen sie alle? Die einen in Spanien, die anderen in den Alpen oder auf Premiumwegen? Die deutschen Pilger suchen ihr Glück in Spanien, was mit der Pilgerstatistik des Pilgerbüros in Santiago zweifelsfrei belegt werden kann. Wo waren die Wanderer? Weiß der Teufel. Zwischen Rheinbach und Bad Münstereifel jedenfalls nicht. Bei mir löste das eine klammheimliche Freude aus. Alles mir! Der Wald, die Wiesen, die kleinen Dörfer, der Weg, der Blick in die Landschaft. Meins!

      Jetzt, am Nordrand der Eifel, führte der E8 oft am Waldrand vorbei, dunstverhangene Fernsichten in die Kölner Bucht inklusive. Die Frage weshalb ein Europäischer Fernwanderweg genau hier entlang geführt wird ist erklärbar mit dem "Mussorten" Aachen und Rheintal. Gelegentlich, wenn ich in ein kleines Hoch laufe, reicht als Erklärung auch das Vermeiden dunkler Wälder und die weiten Sichten.


      Friedwald - Alte Bekannte und verfälschte Bekannte

      Vor Bad Münstereifel führte der E8 durch einen Friedwald. In dem waren Menschen unterwegs. Viel mehr als ich zuerst im hohen Laubwald wahrnehmen konnte. Ein kleine Gruppe, wohl eine Familie, suchte augenscheinlich einen passenden Baum für die letzte Ruhestätte des Opas, soweit ich das verstehen konnte. Die Asche am Europäischen Fernwanderweg E8, einer Route, die von Menschen geschaffen wurde, welche an Europa glaubten, die des Nationalen überdrüssig gewesen sind, wäre das nicht nur der allerletzte, sondern der einzig mögliche Ort für einen überzeugten Europäer und Weitwanderer?


      Bad Münstereifel

      Tag 5: Bad Münstereifel – Gemünd

      Key:highway

      Wer bei OpenStreetMap mitmacht kennt die Begriffe Key:highway und Key:surface mit dem die Schilderung dieses Tags beginnt.

      OpenStreetMap beschreibt highway folgendermaßen: Der Schlüssel highway=* bildet das Haupt-Attribut für Straßen, Wege und Pfade. Er weist eine Linie als Verkehrsweg aus. Der jeweils zugewiesene Wert stuft die Verkehrsbedeutung ein.


      Gallo-römischer Tempelbezirk Pesch "Heidentempel"

      Und surface so: Mit dem Schlüssel surface=* wird die Oberfläche eines Weges oder einer Fläche beschrieben. Der Schlüssel wird hauptsächlich in Verbindung mit Wegen, Straßen und Plätzen verwendet, kann aber auch bei Flächen wie Sportanlagen oder öffentlichen Außengelände (z.B. Außengastronomie) benutzt werden. Er wird gemeinsam mit den Hauptschlüsseln highway=*, leisure=*, landuse=* oder natural=* verwendet.


      Vor Weyer

      Beide können mit einem Wert versehen werden. Werte gibt es massig für die Schlüssel. highway deckt von der 8-spurigen Autobahn bis zum kaum erkennbaren Trampelpfad alle denkbaren Wege ab. surface berücksichtigt alle Oberflächen vom natürlichen Untergrund bis zum ingenieurmäßig optimierten Belag für Autobahnen und stolperfreie Fußgängerzonen. Nicht jeder Mapper verwendet den Schlüssel surface, denn bei Wald- und Feldwegen muss man dann in der Regel den bequemen Platz vor dem Computer verlassen und tatsächlich raus in die Natur.


      Bahnhof Kall - ods-user allerorten

      Navigationsprogramme für Wanderer und Radfahrer lieben diese Schlüssel, lässt sich doch so schnell eine zielgruppengerechte Route errechnen. Wenn gewünscht, prozentgenau aufgeschlüsselt von Asphalt über Schotter bis zum Schlamm. Wanderer und Mountainbiker bevorzugen die Kombination highway=path, surface=ground, Rennradfahrer alles von highway=primary abwärts.

      Seit Jahren wird versucht, die Kombination highway=path und surface=ground als das optimale Wandererlebnis unter die Leute zu bringen. Unberücksichtigt bleibt immer das Landschaftserlebnis. Danach fragt niemand. Ob der Weg schön sei, wie hoch der Pfadanteil ist, kein Teer, ja sicher, das fragen die Leute, doch nach Fernblicken, es "laufen-lassen" auf breiten, die Landschaft erschließenden, Routen, danach fragt niemand. Event-Wandern gegen "et kütt wie et kütt."


      Zwischen Kall und Gemünd - highway=track, surface=gravel, tracktype=grade2

      An diesem Wandertag würden die Schlüssel highway=track (breiter Wald- und Feldweg) und surface=gravel oder asphalt oder paved vorherrschen. Weder hatte mir das ein Navigationsprogramm errechnet, noch hatte ich mir das mühselig aus OSM-Daten zusammengesucht. Das wusste ich vorher. Ich wollte es gar nicht anders. Bei Pfad gegen Landschaft gewinnt bei mir immer das Landschaftserlebnis. Hier war ich vor Jahren schon einmal wandern. Eine Tagestour gemeinsam mit meiner Frau. Kurz vor einem Winteranfang muss das gewesen sein. Die gesamte bisher gewanderte Strecke kannte ich zwar auch, doch diese hier hatte sich trotz breiter Feldwege, grobem Schotter und Asphalt als erinnerungswürdig erwiesen. Die überschaubare offene Landschaft rund um das Örtchen Weyer. Gründe dafür gab es keine nennenswerten. Die Eifel hat viele Landschaften, die der um Weyer ähneln. Plötzlich bleibt der Wald zurück. Der Weg führt hinab in eine Senke, dann gegenüber sanft aufwärts. Mit dem Höhengewinn des Weges wächst die schieferschwarze Spitze eines Kirchturms zum Himmel. Solche Blicke gibt es in allen Mittelgebirgslandschaften. Einige Landschaften halten sich in der Erinnerung, andere sind verschwunden, sobald man ihnen den Rücken zu dreht. Weyer ist geblieben.


      Oberhalb Gemünd - Kreuzberg (vormals Fallstockshövel)

      Der Tag endete in einer Schutzhütte auf dem bewaldeten Höhenzug zwischen Kall und Gemünd. Durch Kall bis Gemünd war ich gewandert, wo kein Bett mehr für mich frei war. Ein freundlicher Hotelier, der sich vergebens um ein Zimmer für mich bei der Nachbarschaft bemüht hatte, fuhr mich kurzerhand mit seinen VW-Bus zurück zum Bahnhof nach Kall, ein Exkurs über die Wildkatzen im Nationalpark inklusive.. Der Deutschen Bahn wäre es ein Leichtes gewesen mich nach Euskirchen oder sonst wohin zu bringen, wo bestimmt ein leeres Hotelzimmer aufzutreiben war. Jetzt wollte ich kein Hotelbett mehr. Vom Kaller Bahnhof würde ich nochmals Richtung Gemünd wandern, zur Schutzhütte an der ich am Nachmittag schon vorbeigekommen war.


      Gemünd

      Trotz breiter Feldwege mit gravel und oft asphalt war es ein schöner Tag gewesen. Bis jetzt der schönste dieser Wanderung. Es war ein Sommertag mit den ersten Anzeichen und der Hoffnung, dass der Sommer mit einem warmen Herbst endet.

      Quellenangabe OSM: highway, surface, tracktype

      Tag 6: (Wald zw. Kall-Gemünd) - Gemünd – Heimbach (Eifel)

      Schilderwald

      Im Morgengrauen aufgestanden. Körperpflege aus der PET-Flasche von Aldi. Mit dem Öffnen der Geschäfte war ich schon wieder in Gemünd. Das „Tor zum Nationalpark“ (Eigenwerbung) war beliebt. Wanderer überall. Hotels, Jugendherberge, Pensionen. Der Eifelsteig führte mitten durch den Ort. Wenige hundert Meter würde ich dem Richtung Aachen folgen. Innerhalb zählbarer Minuten liefen mir mehr Wanderer über den Weg als auf der kompletten Wanderung. Einzelkämpfer, übrigens immer Männer, Familien und Gruppen. Expeditionsausrüstung. Wanderschuhe, Trekkingklamotten, Rucksäcke, Stöcke. Nur Familien wagten sich in Jeans und Turnschuhen an eine Wochenendtour in die Eifel. "Wird schon gehen." Sicherlich geht das.


      Wolfgarten - Streit

      "Durchgang verboten". Kurzfristig war der E8 umgeleitet worden. Wanderer sollten einen anderen Weg nehmen. Der gesperrte Weg sah beim Blick aufs Telefon viel kürzer aus. Ein Teil der Absperrung war niedergerissen. Dann standen sie plötzlich da. Dutzende Bäume mit Schildern, laminierten Zetteln, mit Puppen an verwitterten Stricken. Bäume für eine Plakataktion, die teils übelste Beschimpfungen, teils die Ungerechigkeit dieser Welt versprühten. Spielzeugmenschen baumelten von Ästen hinaub, die hatte jemand an den Galgen gebracht. Wutausbrüche eines Menschen, der sich vom Gesetz, vom Staat, vermutlich auch von der Ortsgemeinschaft nicht verstanden fühlte? Welche Ungerechtigkeit hatte man ihm angetan?


      Nationalpark Eifel - Baumsterben?


      Douglasienringeln - Der Natur unter die Arme greifen

      Ein Passant auf der Straße hielt sich mit einer erschöpfenden Auskunft sehr zurück. Nachbarschaftsstreit, uralte Kamellen. Bevor ich nachhaken konnte war er in der nächsten Straße verschwunden. Was geht es eine Fremden an, was da im beschaulichen Wolfgarten passiert ist? Nix! Genau! Deshalb wohl auch die Verlegung des Wanderwegs, Absperrung inklusive. Fremde sollten das wohl nicht sehen. Wie musste es in der beschaulichen Wohnsiedlung oberhalb Gemünd zugegangen sein? Ab wann braucht eine Ortsgmeinschaft ein Denkmal und eine Tafel, die das Geschehene thematisiert in der Ortsmitte? "HOMMAGE AN DIE BESUCHER VON WOLFGARTEN - FÜR GEMEINSINN UND TOLERANZ - ERBAUT ANNO DOMINI 2006".

      Ratlos war ich weitergewandert. Wann wird unser wohlbehütetes Leben zum Krieg? Was fütterte die Kriege zwischen Nachbarn? Wer zieht wieder und immer wieder eine neue Front hoch? Wer rüstet von der Verbalattake auf zum Zettel? Wer hängt das erste Plakat ins Fenster? Wer zieht letzten Endes vors Gericht? Wer hat den Krieg vom Zaun gebrochen? Führt der Unterlegende den Krieg bis an sein Lebensende weiter? Gab es eine Chance das zu beenden, bevor alle Rückwege vermauert waren? Mit Sicherheit. Nichts wie weg! Nur weg hier, in den Wald am Ortsrand. Über einen kürzlich sauber gemähten Rasenweg verließ ich die Siedlung.


      Nationalpark Eifel - Bauernland


      Zäune im Nationalpark

      Es wurde der Tag der Wissensvermehrung, der Belehrungen, der Mahnungen. Diese Ecke der Eifel ist seit Ewigkeiten beliebt. Für Wanderer aus Köln und Aachen, aus der Kölner Bucht ist die Nordeifel sozusagen das natürliche Erholungs- und Wandergebiet. Holländer werden seit dem Wirtschaftswunderjahren nach dem Krieg zu den Einheimischen ehrenhalber gezählt. Denen muss wahrscheinlich auch etwas Unterhaltung geboten werden. Solche Mengen an Infotafeln und Schildern hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr an einem Wandertag gesehen. Reicht das Gehen, Schauen nicht als Motivation? Nur wenige Menschen wollen alle Fragen beantwortet haben. Ganz bestimmt nicht solche wie ich. Ich komme gut durch den Wandertag ohne über alles belehrt zu werden. In den Tag dösen gehört zum Wandern. Ein Zaun um eine Wiese ist halt ein Zaun. Nicht alle möglichen Fragen harren einer Antwort.


      Bei der Abtei Mariawald I - Leider nicht


      Bei der Abtei Mariawald II - ...

      In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Schilder und Infotaleln wie eine Seuche vermehrt, die Unbelehrbare in die Schranken weisen sollen oder erklären, wie sich der Mensch gefälligst in der Natur zu verhalten oder wie er die Natur zu verstehen hat. Mit dem Aufkommen der Fördermittel für den Landwirtschaftlichen Raum sind noch einmal Schilder hinzu gekommen, die als Rechtfertigung herhalten (sollen) wofür das viele Geld ausgegeben wurde. Für diesen Tag hatte ich genug von Schildern. Markierungen reichen. Auf den Rest kann man getrost verzichten oder sich einen Reim drauf machen. So wichtig ist das alles nicht, was da draußen im Wald geschieht.


      Abtei Mariawald


      Abtei Mariawald - Klosterküche

      Die Krönung der Eifelstrecken für Nicht-Wanderer sind deren ausgebauten Straßen. Die Bundesstraßen sind top und gewunden, haben schnell zu fahrende Windungen, Kehren und Steigungen, fallen in die Täler, steigen am Hang gegenüber sanft wieder hinauf. Diese Straßen den Autofahrern zu überlassen wäre eine Todsünde für Motorradfahrer. Das sind Straßen, wie fürs Motorradfahren geschaffen und mitten in der sanften Landschaft der Eifel findet der Motorradfahrer seine Krone der Region. Den Nürburgring lässt niemand aus. Hin und zurück wird geblasen. Vor den gefährlichsten Kurven haben die Straßenverwaltungen beider Bundesländer oft vorsorglich große Warnschilder aufgestellt. Es hilft nicht. An schönen Wochenden ist das Gekreisch hochtouriger Maschinen der wahre Sound der Eifel.


      Rurtal bei Heimbach

      In der Abteikirche endete ein Gottesdienst. Lange standen einige Menschen noch zusammen. Andere strebten der Klostergaststätte zu. Angesichts der Dekoration auf den Außentischen versagte ich mir den Blick auf die Speisekarte. Meinem Magen wäre alles recht gewesen, jedoch gibt es unüberwindbare kulinarische Grenzen. Der Magen dankte es mit anhaltendem Knurren.

      In Heimbach ein gutes Stück unterhalb der Rursee-Staumauer musste Teil 1 dieser Wanderung enden. Mit der Bahn zurück dauerte mal wieder länger als erwartet. Es braucht eben Zeit, bis die Nord- und Ostränder der Eifel auf Schienen umfahren sind.


      Teil 2: Von Heimbach (Eifel) nach Aachen

      Tag 7: Heimbach – Hasenfeld – Heimbach

      Rundwanderung

      Einige Tage später war ich wieder da. Mittags war der Zug angekommen, der in Heimbach endet. Auf der Heimfahrt hatte sich der Zug mit Rentnern gefüllt. Auf der Fahrt zurück in die nördliche Eifel teilte ich mir den Waggon mit jeder Menge Spaziergängern. Das anhaltend schöne Wetter war Triebfeder genug. Schnell noch eine Fahrt in die Natur, bevor es regnerisch wird. Wanderer, also Leute mir Rucksack waren nicht im Zug. Wahrscheinlich waren die schon lange unterwegs.

      Mittags angekommen, musste ich mir ein Programm einfallen lassen, denn Heimbach ist bei aller Liebe was für 5 Minuten und einen Kaffee. Burg hin oder her. Bevor ich mich auf den nahen Campingplatz verdrückte, wollte ich eine kleine Rundwanderung machen. Der Uhrzeit angemessen, einen Spaziergang. Einmal am Nordufer des Staubeckens Heimbach entlang, an dessen Ende übers Südufer zurück nach Heimbach.


      Heimbach (Eifel) - Burg Hengebach

      Aus einer Laune heraus hatte ich mich unterwegs anders entschieden und bin nach Hasenfeld abgebogen. Das machen weder Spaziergänger noch Wanderer. Eine gesichtslose Siedlung, wie sie an jeden Ortsrand der Republik zu finden ist. War es der Hunger, der Durst? Fast oben angekommen, sprach mich ein Mann an, der den eh schon kurzgeschorenen Rasen um sein Haus noch einmal - oder schon wieder - mähte. Wohl verlaufen, meinte er. Ehe ich antworten konnte, wollte er mir einen Weg hinunter zum Ufer erklären. Meinen Einwand, von da komme ich, wollte er nicht gelten lassen. Sonst musst du da hinten an der Straße entlang wandern, um wieder nach Heimbach zu kommen. Er war nicht einverstanden mit meinem Routenvorschlag, denn über diese Straße wollte ich zurück. Und für so einen Sturkopf hatte er den Rasenmäher abgestellt.

      Die Straße entlang stimmte zwar, allerdings auf einem breiten Bürgersteig. Der Campingplatz in Heimbach war fest in der Hand der Dauercamper, doch unten am Ufer der Rur war eine große Zeltwiese, auf der sich ein Wohnwagen und drei Zelte verloren. Ein Zelt wurde grade abgebaut. Ein junges Pärchen aus dem Düsseldorfer Raum stopfte ihre voluminöse Ausrüstung in große Rucksäcke. Als ich erklärte, dass in meinem kleinen Rucksack Zelt, Luftmatratze und Schlafsack und noch viel mehr steckten, schauten sie ungläubig. Erst nach dem ich den Inhalt auf der Wiese ausgebreitet hatten, wurde aus dem Unglauben Staunen. Sie waren ein paar Tage in der Region wandern. Nichts großes, mal reinschnuppern, meinte sie, die aus ihren Elternhaus Luxusurlaube gewohnt war.


      Stauanlage Heimbach

      Die beiden Zelte am anderen Rand der Wiese gehörten mehreren Sozialhilfeempfänger aus dem Kölner Raum. Alle machten keinen Hehl aus ihrer Situation und ihre Stellung in der Gesellschaft. Abends würde man grillen, ich sei herzlich eingeladen. Es könnte etwas spät werden, bevor der Grill heiß wird. Aus dem gemeinsamen Grillabend wurde nichts. Als die Kohle im Grill rotglühend war, lag ich schon im Tiefschlaf.

      Tag 8: Heimbach (Eifel) - Mulartshütte

      Vorhersehbar

      Dieser Tag sollte in Mulartshütte auf dem dortigen Campingplatz enden. Der war mir seit der Wanderung mit meiner Frau von der belgischen Nordsee bis in die Eifel bekannt. Ebenso, dass der Ort nur aus wenigen Häusern bestand, wovon eins zum Glück ein Restaurant beherbergte. Ein Wandertag ohne Überraschungen war zu erwarten. Vorher wissen, was einen nachher erwartet. 2009 hatte es den ganzen Weg geregnet. Es war jener Nieselregen, der einen den ganzen Tag hoffen lässt, es hört bald auf zu regnen. Das war damals ein Trugschluss. Von der Landschaft hatten wir nicht viel mitbekommen. Wald, Wald und nochmals Wald. Zum Schluss hatten wir am Ufer der Rurtalsperre Schwammenauel das Handtuch geworfen.


      Rurtalsperre Schwammenauel von der Hubertushöhe bei Schmidt

      Diesmal hatte der Tag vielversprechend angefangen, und doch endete er in Langeweile. Sonne von morgens bis zur Dämmerung. Warm ist es auch gewesen. Am Sonnenschein und der Temperatur wird es gelegen haben, dass ich die damals als öde eingestufte Landschaft, nun schön und abwechslungsreich erlebte. Wandern ohne Sonne und in der Kälte, die bei mir bei +15° C beginnt, ist halt nichts für einen vom Wetter verwöhnten Südeuropawanderer.

      Wo wir damals in Eile vorbei wanderten, ohne einen Blick für Landschaft und Dörfer zu haben, konnte ich mir Zeit lassen und genauer hinschauen. Nichts trieb mich vorwärts. Kein ungewisses Tagespensum musste abgearbeitet werden. Die oft mitlaufende Sorge, wo abends schlafen, wo essen, hält das Wetter, all jene kleinen Unwägbarkeiten des Wanderns, waren an diesem Tag weit weg. Alles bekannt. Überraschungen waren keine zu erwarten.


      Schutzhütte an der Kalltalsperre

      Zeit im Überfluss. Den Blick frei für die Dörfer, für die weiten Blicke in die Landschaft. Bis hinüber zu den weißen Dampfschwaden der Braunkohlekraftwerke in der Jülisch-Zülpicher Börde konnte ich sehen. Unscharf zwar, aber immerhin. Vom Huschelbachtal hatten wir nichts mitbekommen. Gab es damals schon die Schaumeiler? Keine Erinnerung. An Simonskall waren wir vorbeigehetzt. Zwischen den Bäumen konnten wir schemenhaft Häuser erkennen. Versteckt unter dem Regenschirm, überdeckt durch den ohne Unterlass fallenden Regen, wäre im Sommer 2009 ein Abstecher nach Simonskall verschwendete Zeit gewesen. Auf diesere Etappe nicht. Ein winziges Dorf mit großen Hotels entlang einer einzigen Straße. Dem Erreichen des Tagesziels hatten wir alles untergeordnet. Jener Tag musste durchgehalten werden, um abends entscheiden zu können, ob es einen nächsten Wandertag geben wird.


      Kalltalsperre

      Solche Tage sind die wenigen Tage, die uns das Wandern vermiesen können. Wir leiden regelrecht an Regentagen. Dunkler Himmel wird uns immer aufs Gemüt schlagen. Wandern wird zur Qual. Fahrpläne an einsamen Bushaltenstellen, wie es sie oft an unbedeutenden Kreuzungen auf dem Land gibt, werden bei Schietwetter studiert, als enthalten sie heilbringende Botschaften. Doch nie hatte ein Bus da gestanden. Immer mussten wir weiter. Versteckt unter dem Regenschirm mit trockenem Kopf und klitschnasser Hose, schworen wir uns, niemals mehr in der Eifel zu wandern. Wenn es ein richtiger Scheißtag gewesen war, wie jener im August 2009, wurde die ganze Republik in Haft genommen. In Spanien gibt es kein deutsches Schmuddelwetter. Die nächste Wanderung würde in unserem gelobten Wanderland stattfinden.

      Jetzt, in Gegenrichtung war das ein spanischer Tag geworden. Die Wälder im Sonnenlicht waren schön. Über riesige sonnenbeschienene Fundamente mitten im Wald konnte ich leichter hinwegsehen. Irgendwo muss der Ökostrom doch herkommen, bestenfalls aus einem Wald, wo kein Mensch wohnt. Die breiten Zufahrstwege für schwere Baumaschinen und überlange Schwertransporte waren an diesem Tag keine Rede wert. Schwamm drüber, die Sonne schien, der Schweiß rann. Kann es schönere Tage geben?


      Am Keltzerbach

      In den Dörfern konnte ich großzügig über geschlossene Hotels und vernagelte Pensionen hinwegsehen. Wer schielt bei diesem Wetter frühzeitig nach einer Fluchtunterkunft. Geschlossene Bäckereien, deren Inhaber ich an Regentagen die Pest an den Hals wünsche, wurden großzügig übersehen. Kaffee bei weit über 25°, wer braucht den schon? Ich, wenn ich ehrlich bin. Aber sei's drum. Bei diesem Wetter fiel Nachsicht leicht.

      In der Schutzhütte an der Kalltalsprerre hatten meine Frau und ich eine Pause gemacht. Flucht vor einem heftigen Regenschauer. Diesesmal konnte ich mein nasses Zelt an den Zaun hängen, der ans Baden denken Menschen vom überschwänglichen Sprung ins Wasser abhält. Baden ist verboten! Trinkwassertalsperre. Die Sonne würde das Zelt in wenigen Augenblicken trocknen. Ein Mitarbeiter der Verwaltung kam vorbei. Eine Wetterauskunft war nicht nötig. Gesprächig war er auch nicht, im Gegensatz zu seinem Kollegen im Regenschauer. Der hatte uns die nicht verlangte Auskunft gegeben: der Regen bleibt.


      Windpark Simmerath - Ökostrom

      Auf dem Campingplatz war ich der einzige Gast mit Zelt, ich war sogar der einzige Gast, von „weit her“. Dauercamper überall, mittendrin der kleine Markt, Terrasse in Bierbudenromantik, hinten am Wald, ein schmaler Streifen für Gäste. Ohne mich wäre der Streifen leer gebleiben. Kein Mensch nahm Notiz von mir, sogar die Männer mit den Bierflaschen auf den Terrassentischen wollten mit mir nicht warm werden. Auf einem Campingplatz mit Dauercampern ist das selten.

      Es wurde ein langer Nachmittag, bis das Restaurant öffnete. Mit dem Öffnen der Türen, Flucht hin zum Abendtisch und gesprächigeren Tischnachbarn. Lange bevor es im engen Tal dunkel wurde, zog ich schon den Schlafsack über den Kopf. Ein Tagesabschluss wie er im Rheinland selten vorkommt.

      Tag 9: Mulartshütte – Aachen

      Münsterländchen

      Dem Europäischen Fernwanderweg E8 wollte ich an diesem Tag nur zur Hälfte folgen. Dessen weiter Bogen nach Westen, der letztendlich nach kilometerlangem Gehen auf den Bürgersteigen der Vororte Aachens im Zentrum enden würde, wollte ich abkürzen. Openandromaps versprach einen Pilgerweg, die bekanntlich nur in die andere Richtung markiert werden, was mich jedoch nicht störte. Ich brauchte nur eine grobe Richtschnur bis in das Stadtzentrum, ohne mir den Kopf zu zerbrechen. Die Bürgersteige würde mir auch der Jakobsweg nicht ersparen, aber die Strecke schien kürzer.


      Zwischen Birkenhof und Mönchfelsen

      Auf dieser Route würde ich Zeit sparen, was noch ein gewichtiger Grund gewesen ist, den E8 zu verlassen. Ich musste zum Bahnhof. Nach nur 3 Wandertagen würde ich Teil 2 meiner Weitwanderung unterbrechen. Nur für zwei Tage, für die erneut die halbe Eifel im Zug umfahren werden musste. Tagesplanung: morgens Europäischer Fernwanderweg, spätestens ab Mittag Pilgerweg, dann Bahnhof ohne Aachener Dom oder Aachener Kaiserpfalz. Für Karl den Großen würde ich an diesem Tag keine Zeit haben. Es hatte noch nicht einmal für eine Tüte Printen gereicht. Wenige Minuten nachdem ich den Bahnhofsvorplatz erreicht hatte, fuhr der Zug Richtung Köln.


      Hahn

      Auf dem Land und in der Stadt, so lässt sich der Tag beschreiben. Aachen wuchert nicht so sehr die Höhenzüge der Eifel hinauf, und die Wegemacher des E8 hatten eine Route gefunden, die gerne mit „naturnah“ beschrieben wird. Seit dem Aufbruch wanderte ich durch das Münsterländchen, welches erst an der Aachener Stadtgrenze enden würde. Das Münsterländchen ist das ehemalige Territorium der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster, daher der Name. Dass heute alles „ehemalig“ ist, ist Napoleon zu verdanken. Anfang der 19. Jahrhunderts hatte der bekanntlich eine andere Vorstellung, was eine Kirche darf und nicht darf, und auch welche Besitztümer einer Kirchengemeinschaft ziemen. Dörfer hatten nicht viele am Weg gelegen. Es waren alte Dörfer, mit Ortskernen aus schiefergedeckten Bruchsteinhäusern, überragt von Kirchentürmen aus Bruchsteinen mit Schieferdächern.


      An der Inde

      Einen Erinnerungswert hatte nur nur Kornelimünster. Im historischen Zentrum war um 10 Uhr in der Früh noch nichts los. Wirte und Café-Betreiber stellten noch nicht die Stühle in die Sonne. Vor Mittag würden keine Tagesausflügler kommen. Zu meinem Leidwesen war die Propsteikirche St. Kornelius an der Ostseite eingerüstet und mit Planen verhangen. Im Inneren war es stockduster. Gegen die dunklen Planen hatte die Sonne keine Chance. Eine Frau kümmerte sich im Halbdunkel des Chorraums um den Blumenschmuck. Sie war nicht sehr gesprächig.


      Kornelimünster

      Draußen zogen Straßenbauarbeiter den frischen Asphalt glatt. Die Männer hatten Zeit für ein Schwätzchen in der Morgensonne. Die Verkäuferin in der Bäckerei war auch gesprächiger, die jungen Leute am Nachbartisch auf dem Bürgersteig vor der Bäckerei ebenfalls. Einsilbig wurden sie nur, als ich das Thema Anwesenheit beim Schulunterricht anschnitt. Schade, ich hätte aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen können.

      In Kornelimünster endete der Eifelsteig. Den ganzen Morgen war ich dessen Markierungen nachgelaufen. Wanderer waren keine unterwegs. Die Pilgerwegmarkierung nach Aachen hinunter war schon stark ausgedünnt. Egal, ich hätte ich mich sowieso bei jeder Muschel umdrehen müssen, und die gewonnen Erkenntnisse über die Wegführung um 180 Grad anpassen, kann ermüdend sein. GPS an, dem roten Dreieck hinterher, früher am Bahnhof als beim Aufbruch geschätzt.

      Teil 3: Von Aachen nach Geilenkirchen

      Tag 10: Aachen – Herzogenrath

      Samstagstour

      Zwei Tage später war ich mit Begleitung zurück in Aachen. Meine Frau würde zwei Tage mitwandern. Länger hatte auch ich keine Zeit. Eine gemütliche Wandertour sollte es werden, war ihre Vorgabe. Zelt und Schlafsack steckten dennoch im Rucksack. Überflüssig, wie vorher erwartet. Die Macht der Gewohnheit oder die Hoffnung irgendwo zu zelten? Die Macht der Gewohnheit.

      Aus Aachen raus ist wie aus allen Städten hinaus: irgendwann wurden die Straßen kleiner, die Läden mit dem Überfluss der Wohlstandgesellschaft wurden weniger, bis sie von ganz wenigen Geschäften verdrängt waren, welche die Menschen brauchen, um nicht für jedes Brot in den Bus steigen zu müssen. Der letzte Laden erwies sich als Glücksgriff, denn beim Blick um die Ecke einer Gärtnerei rückte eine Bäckerei ins Sichtfeld. Pause, die zweite schon. Mehrere sollten folgen. Vorher waren wir gelegentlich durch kleine und winzige Parkanlagen geführt worden, nur um nach 5 Minuten gepflegtem Fußweg doch wieder auf dem nächsten Bürgersteig zu landen. Mit der Zeit wuchsen die Lücken zwischen den Vorstadtsiedlungen. Ackerland, meist eingezäunte Wiesen, nährten die Hoffnung auf baldiges Erreichen der Stadtgrenze.

      Zum Schluss wanderten wir quer über das Gelände für die Vielseitigkeitsprüfung der CHIO Aachen. In Sichtweite der Kläranlage Aachen-Soers neben der A4 hatten wir die Stadt endlich hinter uns gelassen. Reiterhöfe und Reiter würden uns weiterhin begleiten, nahmen wir an. An der Steigung hinter der Autobahn wechselten wir zur kurzen Hose. Der Sommer wollte dem Herbst nicht weichen.


      Aachen - Das ganze Jahr Weihnachten

      Im Wurmtal angekommen, schien es als wäre alle Reiter Aachens unterwegs. Reiterhöfe waren diesen zum Trotz nur wenige zu sehen. Den sonnigen Samstag wollte sich niemand entgehen lassen. Unsere aus Erfahrung genährte Erwartung, dass sich Sonntagsreiterinnen nie weit vom Reiterhof entfernen, wurde nicht enttäuscht. Nach dem Teuterhof waren die Pferde verschwunden.

      Das Wurmtal nährte die Illusion in der freien Natur unterwegs zu sein, weil die mehrstöckigen Gebäude der Vorstadtsiedlungen auf den Anhöhen beidseits des flachen Tals hinter den Bäumen nicht zu sehen waren. Nach Mittag waren alle Bewohner dieser Siedlungen mit Kind und Hund an der Wurm unterwegs.

      Auf der Burg Wilhelmstein hatte man uns wegen einer geschlossenen Gesellschaft den Kaffee verweigert. Für einen Kaffee sind wir bereit Opfer zu bringen, wir hätten uns weitab der feierenden Gäste Richtung Eingang verdrückt. Nein, heute nicht! Frust. Im Tal neuer Frust. Unverständnis wegen der Verlegung des Europäischen Fernwanderwegs E8, nur damit eine geteerte Zufahrt zu ein paar Häusern vermieden wird, an denen man dann doch vorbei muss.

      Schon während Mittagspause hatten wir uns Gedanken über die Unterkunft gemacht. Herzogenrath oder Aachen? Beim Vergleich der Innenstädte und deren kulinarischem Angebot hatte Aachen gewonnen. Ein Hoch auf die Regionalzüge der Deutschen Bahn.

      Bildersturm? Nein, aber ich weiß ums Verrecken nicht, wo die gelandet sind.

      Tag 11: Herzogenrath – Geilenkirchen

      Grenzgang

      Es würde ein Wandertag entlang der deutsch-niederländischen Grenze werden. Einer Grenze, die passend zum Gründungsgedanken der Europäischen Wandervereinigung und der Schaffung ihrer Fernwanderwege, seit Jahrzehnten keine Rolle mehr spielt. Grenzübergreifende Wanderwege und Radrouten sollten uns an diesem Tag begleiten. „Betreten verboten“ machte schon wenige Minuten nach dem Start dem "verboden toegang" Platz. Beidseits der Grenze war man sich einig, was nicht betreten werden durfte: alles was nach einem Hauch unberührter Natur aussah. Das große Werksgelände in Herzogenrath konnte nur auf der holländischen Seite umgangen werden. Sprachlich schlängelte sich der Bach von „Wurm“ zur „Worm“ und wieder zurück. Immer öfter vernahmen wir holländische Sprachfetzen.


      Außer Landes

      Durch die Niederung, die aus unerfindlichen Gründen meist das Tal der Wurm genannt wird, führte der gleichnamige Radweg. Reiter gab es keine mehr auf den Wegen. Deren Platz hatten Radfahrer übernommen. Holländische Radfahrer auf dem Weg nach Süden ziehen den Wurmradweg oft dem Rheinradweg vor. Die langweile Streckenführung entlang des Niederrheins wird oft als Grund angeführt. Reiseradler hatten wir nicht gesehen. Rennräder auch nicht. Das klassische Hollandrad war unser steter Begleiter, komplettiert von E-Bikes der allerersten Stunde.


      An der Wurm/Worm bei Herzogenrath

      Die Wurm schlängelte sich schon lange nicht mehr. In ein kanalartiges Bett gezwungen, beidseits von breiten Feldwegen begrenzt, konnte von einem Bach nicht mehr die Rede sein. Der E8 blieb den geraden Uferwegen treu.


      Schloss Rimburg


      An der Wurm/Worm bei Rimburg

      Viel Lesestoff boten die Infotafeln, auf die auch hier keine Gemeinde mehr verzichten möchte. Ein Gebäude mit einem Hauch Geschichte: Tafel davor. Eine römisch deklarierte Grundmauer: Tafeln (Plural) rundum. Auch gegen Kunst im kommunalen öffentlichen Raum wird kein Gemeinderatsmitglied seine Stimme erheben.

      In Rimburg trennten zwei große Bronzeschildkröten vor den Brückenzufahrten die „Brugstraat“ von der „Bruchhausener Straße“. Auf der dazugehörigen Bronzetafel stand, für was die Schildkröten an Grenzbrücke über den Grenzfluss zwischen den Niederlanden und Deutschland, zwischen den Städten Landgraaf und Übach-Pallenberg stehen: "... ALS MARKIERUNGEN EINES GEGENÜBERS, ALS SYMBOLE DER DAUERHAFTIGKEIT UND DES LEBENS, EINANDER ZUGEWANDT, SICH EWIG ENTGEGENKOMMEND IN FRIEDLICHER UND POETISCHER MISSION." Geht's noch geschwollener und blödsinniger? Und was sollen die Schildkröten mitten auf der Straße? Langlebige Panzersperren? Ein Überbleibsel der Euroregionale 2008 - Grenzland Wurmtal. Offensichtlich war mehr Geld als Kunstverstand im Spiel.

      Versöhnt hatte mich das vielsprache Mahnmal direkt daneben: "WISSET, DIE EUCH DEN HASS LEHREN, ERLÖSEN EUCH NICHT".


      Übach-Palenberg - Parkwandern

      Am Geilenkirchener Bahnhof endete unsere Wanderung, die ich zwei Wochen später fortsetzen wollte. Dort waren wir im kleinsten McDonald's auf Erden – natürlich nur, um uns die Zeit zu vertreiben weil Geilenkirchen bis auf ein Restaurant und die Dönerbude am Sonntag geschlossen hatte.
      Zuletzt geändert von Werner Hohn; 07.08.2019, 14:54. Grund: Rechtschreibung
      .

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      • Sternenstaub
        Alter Hase
        • 14.03.2012
        • 3321
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        • Meine Reisen

        #4
        AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg

        Danke für deinen Bericht bisher! Führen deine/eure Wege doch u.a. genau dort lang, wo ich im nächsten Jahr radeln möchte. Du kennst ja beides, ist diese Strecke landschaftlich schöner als zB der Rhein-Radweg?
        Wie immer interessant und einfühlsam geschrieben, wie du weißt, gefällt es mir, wenn auch über die Menschen an der Strecke berichtet wird.
        schön, dass nach längerer Zeit mal wieder ein langer Bericht von dir hier steht.

        Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
        [size=3]
        Versöhnt hatte mich das vielsprache Mahnmal direkt daneben: "WISSET, DIE EUCH DEN HASS LEHREN, ERLÖSEN EUCH NICHT".
        Wie wahr und auch berührend!

        Grüße - Kathi
        Two roads diverged in a wood, and I—
        I took the one less traveled by,
        And that has made all the difference (Robert Frost)

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        • Rattus
          Lebt im Forum
          • 15.09.2011
          • 5177
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          #5
          AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

          Interessant, was aus der Gegend hier zu lesen und anzugucken. Die Strecke am Rhein hätte ich wahrscheinlich gleich überschlagen Zu den Schildern in Wolfsgarten habe ich dieses hier gefunden - gruselig.
          Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede.

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          • Werner Hohn
            Freak
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            • 05.08.2005
            • 10870
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            • Meine Reisen

            #6
            AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

            Kathi, auf die Gefahr hin, dass die vom Niederrhein mir ihre Freundschaft entziehen, ja, die Landschaft ist schöner und abwechslungsreicher. Der E8 verläuft sehr oft auf der 2-Länder-Route. Ab Aachen musst du dann eine eigene Route grob entlang der A4 in Richtung Köln suchen. Weit vor der Stadt irgendwo über einen der unzähligen Radwege nach Bonn abbiegen (oder Köln mitnehmen?). Ab Bonn bist du auf dem Rheinradweg. Oben auf den Rheinhöhen verläuft der E8 bis Bingen. Du bleibst also dicht dran.

            Rattus, ja, ja, so ergeht es der Gegend vor der Haustür immer. Alltägliches wird unterschätzt.
            Zuletzt geändert von Werner Hohn; 06.12.2017, 16:14. Grund: Es sind natürlich die Rheinhöhen.
            .

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            • Juno234
              Erfahren
              • 03.08.2007
              • 397

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

              Sehr schön, Werner!

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              • blauloke

                Lebt im Forum
                • 22.08.2008
                • 8317
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                #8
                AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

                Hallo Werner, mal wieder ein typischer Bericht von dir, wie ich ihn gerne lese.

                Teilweise hast du daraus eine Einführung in OpenStreetMap gemacht.
                Ich erlaube mir mal hier den Link zur Anmeldung bei OSM rein zu stellen. Vielleicht findet sich jemand der den Westerwald verbessert, da dort noch einiges fehlt wie du geschrieben hast.
                Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                • Werner Hohn
                  Freak
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                  • 05.08.2005
                  • 10870
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

                  Hallo blauloke,

                  der Link geht völlig in Ordnung. Dass sich, vielleicht angeregt durch diesen Tourbericht, neue Mapper für OSM finden, war beabsichtigt.

                  Es gibt es ja Wandertage von denen man im Nachhinein nicht weiß, was es zu erzählen gibt, obwohl sie schön waren. Eingebettet in eine zum Tag passende kleine OSM-Einführung, hat's dann doch für genug Text gereicht.

                  So, dann muss ich mal sehen, dass die beiden letzten Tage fertig werden. Der erste liegt als Stichwortsammlung auf der Platte.
                  .

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                  • nahundfern
                    Erfahren
                    • 23.12.2012
                    • 106
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

                    Werner, Danke für deinen Bericht

                    Da kamen gleich mehrfach Erinnerungen hoch. Führt deine Wanderung doch an meiner alten Heimat Bonn vorbei zu meiner neuen in Aachen. Ich hatte vor Jahren einmal die umgekehrte Richtung per Rad gemacht, allerdings über Düren/Euskirchen. Die flache reizarme Jülich-Zülpicher Börde hat mich damals aber halb um den Verstand gebracht...

                    Als mappender Wanderer (oder wandernder Mapper?) kenne ich auch die angesprochenen Tags, noch dazu zu erwähnen wäre tracktype, und manchmal denke ich auch darin... So ein Matrix-Cyborg-Effekt wo man beim gehen versucht in "grade2 oder grade3?" zu klassifizieren und alles nach Nodes und Ways aussieht

                    Zu dem Gelände im Wolfgarten: das gibt es schon sehr lange, ich bin da früher öfter vorbeigekommen als in letzter Zeit. Das war damals eine (sehr) kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Nationalpark Eifel. Man findet kaum was dazu, eines der wenigen Fundstücke: Land-Art im Kermeter: zum Klage-Wald gegen den Nationalpark Eifel

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                    • Werner Hohn
                      Freak
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                      • 05.08.2005
                      • 10870
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [DE] E8: Vom Rhein Richtung Niederrhein auf dem Europäischen Fernwanderweg E

                      Teil 3: Von Geilenkirchen nach Brüggen

                      Tag 12: Geilenkirchen – Orsbeck

                      Gegend

                      Diffuses Mittagslicht. Eine Wasserburg wie ein Schloss. Im Wassergraben, mehr Teich als Graben, braunes Wasser mit Grünstich. Die schmale Zufahrt über das Wasser endete am großen hölzernen Rundbogentor. Das zweiflügelige Tor war zu. Eine kleine, in das große Tor eingelassene Tür stand offen. Menschen waren keine zu mehr sehen, seitdem Augenblicke zuvor ein Mann mit Krücken über die Brückenzufahrt gehumpelt war. So flott und routiniert, dass er in der Gegenrichtung verschand, bevor ich ihn fragen konnte, wie es sich lebt in einem von Wasser umgebenen Schloss, dessen hohe dunkle Außenmauern sich im trüben Wasser spiegelten.


                      Geilenkrichen - Schloss Trips

                      Das Schloss im Wasser war ein Altersheim weitab vom Ortskern. Es gibt viele davon im Land. Alle meiden das Wort Altersheim. Residenz, Park, Wohnheim, Ruhesitz klingen weniger nach Alten-Ghetto. Wer älter wird, älter als in der Jugend vorstellbar, schaut schon mal hin, wenn eine dieser abgelegenen Seniorenresidenzen am Weg liegt. Idylle am Waldrand. Idylle an einem See. Idylle in einem alten Park. Wie Urlaub. Hier möchte jeder alt werden. Doch wenn das Alter die Jahre so lange aufeinander gestapelt hat, dass „gebrechlich“ zum täglichen Begleiter wird, würde die Idylle für mich zum Terror werden. Mitten hinein in die Städte und Dörfer. Seniorenresidenz Köln, Domplatte, fußläufig zum Leben. Wenn es sie denn gäbe, ich würd' sie mir mal anschauen, auch wenn mir Altersheim mehr zusagen würde. Schlossähnlich müsste auch nicht sein. Zweckmäßig reicht, Hauptsache es wären Leute drumherum.

                      Doch schön anzusehen war es, jenes Altersheim in der Wasserburg … wenn man mobil ist. Hm ... noch ein paar Jahre drüber schlafen. Nach dem Mann mit Krücke hatte sich keiner mehr blicken lassen. Still war es die ganze Zeit. Kein Laut, an dem sich Ruhesuchende stören könnten.Ungestört wechselte ich auf einer Bank von der langen Hose zur kurzen.


                      Randerath - Traumreisen

                      Gegend, die, schreibt DWDS, das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, und fährt fort 1. ein nicht bestimmt begrenzter Teil einer Fläche. In der Wortwolke mit den typischen Verbindungen sammeln sich ganz klein wohlhabenden, besiedelt, schön, schon größer abgelegenen, entlegenen, gottverlassen und ganz groß ländlichen.


                      Heinsberg-Horst(?)


                      Bei Porselen(?)

                      Ländlich, ja, das passte zu diesen halben Wandertag. Eine unspektakuläre Landschaft. Von der Milchwirtschaft geprägt. In der Gegend verteilt, Bauerhöfe aus dunklem Ziegelstein mit modernen hässlichen Hallen hinterm Haus. Überschaubare Wälder. Viele vereinzelte alte Bäume. Hecken aus Bäumen, die aus der Ferne wie Wälder schienen. Keine Gegend für den Jahresurlaub. Der E8 blieb im Großen und Ganzen der Wurm treu. Nahe beim Haltepunkt Heinsberg-Horst hatte die Gemeinde einen neuen Rastplatz für Wanderer und Radfahrer angelegt. Der Maria & Michael-Heuter-Platz. Sie hatten viele Jahrzehnte bis zur Schließung 2013 die Gaststätte im Dorf geführt, der Mittelpunkt für das Dorf- und Vereinsleben. Und heute? Die Trias aus Facebook, Instagram und Whatsapp?


                      Orsbeck - St. Martini

                      Kurz darauf, neben der Böschung der A 46, hatte ich mit dem Gedanken gespielt vom E8 auf den X8 (Erft-Rur-Weg) zu wechseln. Dessen Wegführung sah auf dem Display ländlicher aus. Auf dem Europäischen Fernwanderweg würde ich die Wohngebiete Oberbruchs durch- und an einem Gewerbegebiet Heinsbergs entlangstreifen. Die noch verbleibende Tagesstrecke wäre auf dem Erft-Rur-Weg klar kürzer gewesen. Doch seit Aachen war die Wurm der rote Faden, der an der Mündung in die Rur enden sollte. Am Brückelchen über ein Wehr der Rur war der Faden der Wurm abgerollt. Der Rur musste ich nur wenige hundert Meter Richtung Orsbeck treu bleiben. Deren roter Faden hätte zurück in die Eifel geführt.

                      Tag 13: Orsbeck – Brüggen

                      Grenzlandurwald

                      Meinen Tipp, sich am Inhalt der Geldkassette für die Opferkerzen zu bedienen, dann wäre genug Geld für die Schimmelbeseitigung im Innern der Kapelle da, hatte die Frau entrüstet von sich gewiesen, doch ich bildete mir ein, in ihren Augen den Schalk gesehen zu haben. Alle Einnahmen der Marienwallfahrtskapelle Birgelener Pützchen landen in der großen Kasse des Bistums Aachen, und wir hier müssen sehen, wie wir klarkommen. Ganz schön weit weg, und die studierten Theologen in der Stadt werden dem Kapellchen im Wassenberger Wald bestimmt keine schlaflose Nacht opfern. Der Boden unter den Ständern mit den Opferkerzen war dunkel und fettig vom tropfenden Kerzenwachs. Da müsste man auch mal wieder ran. Meinen Kommentar, Männerarbeit, konterte sie mit einem Lächeln. Verständlich.


                      Wassenberg - Propsteikirche St. Georg und Wehrturm

                      Und dann war er da, ein zertifizierter Premuimwanderweg. Mit allem hatte ich gerechnet, damit nicht! In die länderübergreifende Wasser.Wander.Welt. Maas // Schwalm // Nette (Eigenschreibung) war ich ohne Vorahnung geraten. Mich begleitete nun an den Bäumen der "Birgeler Urwald". Es hatte nicht lange gedauert, bis der Europäische Fernwanderweg diesem nicht nur folgte, sondern diesem Weg treu bleiben sollte. An einem Abzweig des Premiumwegs hätte der E8 nach Osten abbiegen müssen. Der neue Pfeil zeigte nach Westen, dem neuen Wanderweg folgend. Folgen wollte ich nicht.


                      Zwischen Birgelen und Wildenrath - (ehem.) Europäischer Fernwanderweg

                      Im Unterholz war grade eben noch die alte Route des E8 zu erkennen. Eine mehr zu erahnende als sichtbare Spur sah vielversprechend aus. Durchkommen nicht ausgeschlossen. Hinein ins Dickicht. Im lichten Kiefernwald reichte mir nach wenigen Schritten der Farn bis an den Bauchnabel. Übel wurde es, als die Brombeerranken dichter wurden. Jetzt umkehren und der neuen Route folgen? Nein! Mit blutigen Schrammen an den Beinen, warum zur langen Hose wechseln, kam ich eine halbe Stunde später am andern Waldrand wieder raus. 30 Minuten für geschätzte 500 Meter. Der "Birgeler Urwald", erinnerte ich mich, wurde am Abzweig über einen gepflegten und freigeschnittenen Pfad einen flachen Abhang hinunter geführt.


                      Bei der Dahlheimer Mühle

                      An der Dahlheimer Mühle bot sich mal wieder ein Abstecher nach Holland an. Da war ich schon lange nicht mehr. Der Abstecher in den Nationaal Park De Meinweg dauerte 10 Minuten. Einmal nicht aufgepasst und zu früh abgebogen, schon stand ich auf der Straße Am Deutschen Eck. Das klang eindeutig nicht mehr holländisch. Im Wald hatten verwitterte, fortlaufend nummerierte Grenspalen gestanden. Nur einen Schlagbaum musste ich passieren. Der stand offen und rostete seit Jahrzehnten vor sich hin.


                      Gemarkung Henkentomp - Grenspal (nl) und Versickerungsanlage (de)

                      Bevor ich Brüggen erreichte, wo meine gestückelte Herbstwanderung enden sollte, hatte ich noch mehrere Hollandausflüge gemacht. Dafür musste ich zwar manchmal den E8 verlassen, aber Holland bot sich einfach an. So oft würde ich nicht mehr in die Verlegenheit kommen, an einem Wandertag zwischen zwei Ländern wählen zu dürfen.
                      Zuletzt geändert von Werner Hohn; 03.04.2018, 17:57. Grund: Rur und Wurm vertauscht.
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