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  • Erik950
    Anfänger im Forum
    • 08.12.2016
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    [SE] Trekking im Marsfjäll

    Tourentyp
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    Mitreisende
    Reisetagebuch Süd-Lappland 19. – 26. Juli 2017

    Wie alles begann

    Wer einmal die Weiten Lapplands erlebt hat, den zieht es immer wieder in diese unberührte Natur. Mich selbst hatte diese Sehnsucht 2013 erfasst. Wir, meine Frau und ich, waren in den beiden Jahren zuvor im südlichen und mittleren Schweden und Norwegen unterwegs gewesen und rein zufällig las ich im Herbst 2012 vom Fjällräven Classic im Norden Schwedens. Ich meldete mich kurzerhand an, ohne zu wissen, ob ich die Strecke von 110 Kilometern bewältigen würde. Große Wandererfahrungen hatte ich nicht. Die Tour sollte für mich zu einem einzigen Erlebnis werden, ich war überwältigt von der Weite der Natur.

    Zwei Jahre später zog es mich wieder zum FC, diesmal mit zwei Freunden, doch die Teilnahme selbst musste ich wegen einer Verletzung in der Wade kurzfristig absagen. Meine beiden Freunde wanderten und ich erkundete stattdessen mit einem Mietwagen den Norden Lapplands, erfüllte mir meinen Traum von einer Fahrt zum Nordkap und sah auch die Lofoten.

    In diesem Jahr sollte es endlich wieder so weit sein. Auf das Wandergebiet hatte ich mich bereits frühzeitig grob festgelegt. Die Trekkingtour sollte im Gebiet ober- oder unterhalb des Kultsjön stattfinden. Ich bin durch die Planung einer Wohnmobiltour für 2016 auf das Gebiet des Vildmarksvägen im Übergang vom Jämtland nach Västerbotten aufmerksam geworden. Berichte im Netz (u. a. www.wildernessroad.eu) über den Vildmarksvägen, einer Straße, die im Rundkurs weitläufig um den Kultsjö und das Borgafjäll führt, beeindruckten mich. Letztendlich gaben die Romane des schwedischen Schriftstellers Bernhard Nordh über die Besiedlung des Marsfjälls um 1860 herum den Ausschlag, mich für eine Wanderung nördlich des Kultsjön zu entscheiden.

    Vorbereitung

    Der groben Festlegung des Wanderziels folgte die Beschaffung der passenden Fjällkarten und die Besprechung mit meinem Freund Hubert, mit dem ich die Tour gehen wollte.

    Sicherlich wäre eine Wanderung im August oder September der beste Zeitrahmen für uns gewesen. Es gäbe weniger Probleme mit den Mücken und auch das letzte Schmelzwasser wäre abgezogen, ehe sich die Natur wieder auf den nächsten Winter vorbereiten würde. Wir mussten uns allerdings an den Zeitrahmen der Sommerferien halten und legten die Tour an das Ende der Ferien vom 19. bis 26. Juli (incl. Anreise und Rückflug nach Stockholm).

    Der ein oder andere Leser mag befremdet sein über die nächsten Ausführungen, aber eine Planung der Strecke im Detail nahmen wir nicht vor. Von unseren Fjällräven Classic-Teilnahmen wussten wir, dass 20 bis 30 km Tagesstrecke gut machbar waren, unser Ziel in Saxnäs legten wir nach der Busstrecke fest und wollten es am 25. Juli erreichen, wir hatten also sechs Tage Zeit, zwischen 100 und 150 km würden es werden.
    Wir sind beide keine regelmäßigen Wanderer, Hubert verfügt über eine Grundkondition vom gelegentlichen Laufen, ich selbst spiele Fußball in unserer örtlichen Ü40-Mannschaft. Mit großen Zielen wollten wir uns auf unser Abenteuer vorbereiten. Bereits für den Februar beim ersten längeren Sonnenlicht plante ich die ersten Läufe, Schwimmen sollte noch hinzukommen, eine 10er-Karte für das Schwimmbad wurde besorgt. Diese ist heute noch vollständig und der innere Schweinehund ersann ständig neue Gründe, warum ein Laufen verschoben werden musste. Hubert ging es nicht anders. So beschränkten wir uns zur konkreten Vorbereitung auf zwei Tageswanderungen im Harz inclusive einer Tour auf den Brocken, um die Beinmuskulatur für Anstiege zu trainieren und uns an das Gewicht des Rucksacks zu gewöhnen. Hubert verkürzte zudem die Laufintervalle.

    Auf meiner Fjällräven-Tour 2013 hatte ich 18kg auf dem Rücken und da war noch nicht einmal das Essen für die ganze Tour bei, weil wir die Vörräte an den Checkpoints immer wieder auffüllen konnten. Das war eindeutig zu schwer und ich nahm mir daher in der Vorbereitung sehr viel Zeit für die genaue Planung des Gewichts. Mein Ziel waren maximal 16 kg. Alles, bis hin zum Plastiklöffel wurde gewogen, beim Schlafsack und der Isomatte bin ich auf deutlich leichtere Modelle umgestiegen. Um es vorwegzunehmen, der Plan ging nicht auf, es wurden 17 kg aber ich wusste ja, dass mein Gepäck in den folgenden Tagen durch Essen um bis zu 3 kg leichter werden würde.

    Der Tag des Abflugs rückte näher, wie würde das Wetter werden? In den letzten 14 Tagen vor der Abreise beobachteten wir täglich die Wettervorhersagen. Es schien so, als würde alles bestens laufen. Temperaturen um die 16 Grad und wenn, dann nur mäßiger Regen, eher einzelne Tropfen. Was will man mehr?

    Mittwoch, 19. Juli 2017 – es geht los

    Wenn man die Zeit für eine PKW-Anreise nicht hat, kommt eigentlich nur ein Flug über Stockholm und mit Nextjet weiter nach Vilhelmina in Frage.

    Es klappte gut trotz einer Verspätung des Fluges von Hamburg nach Stockholm, die uns zwang, im Laufschritt auf dem Airport Arlanda von Terminal 5 zu Terminal 3 zu eilen. Wir brachen mittags zu Hause auf und landeten um 19.50 Uhr auf dem Regionalflughafen in Vilhelmina. Der Flughafen lag etwa 15 km vom Ort entfernt, Busse verkehrten dort nicht. Meine Bekannte Ingrid, die vor einigen Jahren mit ihrem Mann Andreas in den Süden Lapplands ausgewandert war, bot sich zuvor spontan an, uns vom Flughafen abzuholen.

    Von Vilhelmina fahren ein bis zwei mal täglich Busse in das Gebiet des Vildmarksvägen mit Endstation in Klimpfjäll. Da der nächste Bus erst am nächsten Tag fahren würde, verbrachten wir die erste Nacht in Vilhelmina auf einem Campingplatz. Dieser lag am südlichen Ortsrand an einem See. Es gab verschiedene Bereiche, die als Zeltplätze ausgewiesen waren.

    Nachdem unsere Zelte aufgestellt waren, gingen wir in den Ort hinein, um uns umzusehen und noch ein letztes Bier für den Abend zu kaufen. Es gab dort zwei Supermärkte, den COOP und den ICA, der COOP hatte bis 22 Uhr geöffnet, wir waren noch rechtzeitig dran. Wir besichtigten dabei den alten Stadtteil Kyrkstaden mit seinen gut erhaltenen Holzhäusern aus dem 19. Jahrhundert. Immer wieder fielen uns auf der Hauptstraße ältere Fahrzeuge auf, oftmals Mercedesse. Es waren meistens junge Fahrer, die bis zum Ortsausgang fuhren, dort auf einem Firmengelände wendeten und zur nächsten Schaufahrt antraten.

    Das Wetter meinte es gut mit uns, wir genossen den lauen Abend am See und sahen den Vätern zu, wie sie ihren Kindern das Auswerfen der Angel beizubringen versuchten. Erst, als es klamm wurde, zogen wir uns in unsere Zelte zurück.
    Zuletzt geändert von Erik950; 27.11.2017, 13:19.

  • Erik950
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    #2
    AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

    Donnerstag, 20. Juli 2017, Tagesstrecke 22 Kilometer – es wird ernst

    Am folgenden Vormittag versorgten wir uns mit den letzten Ausrüstungsgegenständen, eine Gaskartusche durfte natürlich nicht fehlen. Um 11.20 Uhr fuhr der Bus von Vilhelmina ab, der Bahnhof lag am Ende einer Seitenstraße. Eine alte Dampflokomotive, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Dalarna eingesetzt wurde, fristete neben dem Bahnhofsgebäude ihr Dasein. Ein Straßenkreuzer aus den 50ern/60ern parkte imposant auf dem Vorplatz des Bahnhofsgeländes. Als wären wir in einer anderen Zeit.


    Die Dampflok kam früher in Dalarna zum Einsatz



    Unser Ziel war der 130 km entfernte Ort Klimpfjäll, welcher der Ausgangspunkt unserer Tour sein sollte. Die Fahrt über 90 Minuten gab uns mehr und mehr einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartete. Der Bus hielt in Klimpfjäll auf einem Parkplatz an der Straße, es war Mittag, die Sonne schien. Der Ort wirkte ein wenig verlassen und diese Wirkung ergriff auch mein Gemüt. Der Ort wurde im 19. Jahrhundert gegründet und hatte seine Blütezeit wohl in den 70er/80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als im nahen Stekenjokk ein Kupferbergwerk in Betrieb war. Heute ist Klimpfjäll eher als Wintersportort bekannt. Wir machten noch ein paar Fotos vor der Informationskarte, die an dem gelben Gebäude angebracht war und begaben uns dann gegen 13.30 Uhr auf die Strecke.

    Diese begann an einer Nebenstraße, die zum Ausgangspunkt des Norgefaraleden führte. Hier stießen wir auch auf ein Hinweisschild für den Norgefaragården, einem alten Holzhaus aus den 1830ern, welches jetzt wohl eine Art Museum mit Café war. Doch für eine Besichtigung fehlte uns die Geduld, es sollte jetzt losgehen.

    Anfangs hatten wir etwas Probleme, uns zu orientieren, es gab ein klappriges Schild, welches in Richtung eines Pfades zeigte. Wir trauten dem Schild aber nicht mehr recht zu, noch in die rechte Richtung zu weisen. Aber was hatten wir für eine Alternative? Wir schlugen daher den angezeigten Weg ein und erkannten schnell eine gewisse Systematik in rot markierten Steinen oder Bäumen. Der Anstieg von der Straße weg war anfangs etwas steil.

    Der Norgefaraleden ist ein Wanderpfad, der von Klimpfjäll nordwestlich nach Norwegen hinein führt. Er diente im 19. Jahrhundert als Reiseroute für die Bauern, Händler und Pelztierjäger dieser Gegend, die an grenznahen Handelsplätzen in Norwegen teils bessere Preise für ihre Waren erzielen konnten als in schwedischen Ortschaften, wie z. B. in Åsele.
    Der Anstieg auf dieser Tagestour war nur mäßig. Der Weg führte anfangs auf einem schmalen Pfad durch einen Birkenwald.





    Doch kann man es Wald nennen, wenn die Birken gerade fünf bis sieben Meter hoch werden?



    Die Vegetation stand in saftigem Grün, die Schneeschmelze hatte in diesem Jahr spät begonnen, der Boden war relativ feucht. Dennoch trafen wir auf diesem Teil der Strecke nur auf kleine Bäche, eher Rinnen, die leicht zu überqueren waren. Wo es nasser wurde, war der Weg mit Holzplanken ausgelegt.

    Im Nachhinein müssen wir beide darüber lachen, an welchen Stellen hier Planken ausgelegt waren, überhaupt trafen wir auch später auf abgelegte Plankenstapel, die noch darauf warteten, verlegt zu werden. Nach und nach wurde der Birkenwald lichter, man konnte zuletzt eher von Stämmen sprechen, die ein wenig bewachsen waren, ehe auch die letzten holzwüchsigen Pflanzen verschwanden und die Vegetation zumindest an dieser Stelle in eine strauchartige Landschaft überging.



    Nach etwa sechs Kilometern stießen wir auf einen kleinen See, an dem wir kurze Rast machten. Bäume gab es hier nicht mehr, die Gegend war sumpfig und weil die Temperaturen mit etwa 21 Grad höher lagen, als vorhergesagt, fielen uns auch erstmals die Mücken merklich zur Last. Den Fischen im See dafür weniger. Immer wieder durchbrachen einzelne Fische die Wasseroberfläche, um sich die Fluginsekten zu schnappen.



    Die Gegend war jetzt nur noch leicht wellig, selbst für uns Flachlandtiroler aus Norddeutschland war es nicht besonders anstrengend.

    Nach neun Kilometern kamen wir an der Durrenstuga vorbei, ehe der weitere Weg in einen Pass zwischen den etwa 1.300 Meter hohen Gebirgsmassiven Västra und Östra Fjällfället führte.



    Auch hier waren keine nennenswerte Anstiege zu erwarten. Wir hätten vorher noch unsere Getränkeflaschen auffüllen sollen. Es gab zwar auch auf dem weiteren Weg reichlich Wasser, allerdings speisten sich die kleinen Bäche größtenteils aus dem angrenzenden Sumpfgebiet, welches uns viele Mücken und vermutlich auch Mückenlarven parat hielt. Wir sahen daher von einem Auffüllen der Wasserflaschen ab.

    Wie sah es mit weiteren Wanderern aus? es gab keine weiteren. Einzige Zeichen menschlicher Berührung dieser Natur waren neben den Wegmarkierungen die Spuren von Mountainbike-Reifen an den nassen Stellen, die uns das Gefühl gaben, an diesem Tag nicht die einzigen Passanten des Norgefaraleden zu sein.

    Der Weg blieb auch im weiteren Verlauf relativ flach. Nach ca. 20 Kilometern kamen wir an einen Fluss, der erstmals diesen Namen verdiente. Es war bereits gegen 20 Uhr, wir waren gut sechs Stunden unterwegs, müde und durstig. Wir wussten, dass wir bald Hütten auf diesem Weg finden mussten und das gab uns Auftrieb. Sie mussten bald kommen ….. Die letzten zwei Kilometer schienen unendlich, auch wenn sie meistens am Fluss entlang führten und damit das Rauschen eine gewisse Dynamik erzeugte. Als dann tatsächlich die Häuser im Blickfeld auftauchten, war ich enttäuscht. Sie waren immer noch gut 800 Meter entfernt und ich musste vor Erschöpfung noch einmal den Rucksack ablegen.

    Der Rucksack war mir an diesem Tag eine große Qual. Er war nicht richtig eingestellt und lastete deshalb nicht auf dem Becken. Immer wieder schob ich die Daumen unter den Gurt und hob ihn damit an, um die Schultern zu entlasten. Doch auch die letzten Meter hatten mal ihr Ende und wir kamen an den Tjåkkelestugorna an. Diese bestehen aus einem großen geräumigen Haus zum Übernachten, einem älteren Haus und einer Hütte mit einem Kamin in der Mitte. Ich inspizierte zuerst das große Haus, sah aber, dass dieses durch die Mountainbike-Fahrer, deren Spuren wir immer wieder begegnet waren, besetzt war. Das kleinere Haus kam für uns nicht in Frage, es schien lange nicht bewohnt gewesen zu sein. Wir schauten hier nur durch die Fenster, also nahm ich die Hütte in Beschlag, rollte meinen Schlafsack auf den Holzbrettern aus, während Hubert sein Zelt vor der Hütte aufschlug.


    Hubert beim Zeltaufbau

    Das Abendessen bestand wie in den Folgetagen aus gefriergetrocknetem Essen, an diesem Tag gab es bei mir Pulled Pork mit Reis. Wir genossen die letzten Sonnenstrahlen, ehe wir uns in unsere Schlafsäcke zurückzogen. Zum Schlaf sollte es bei mir allerdings wenig kommen, die Isomatte war zu dünn, der Reißverschluss des Schlafsacks zog sich immer wieder auf und eine gewisse Wärme verspürte ich erst, als ich mir den Wollpullover, den ich für eventuelle Kälteeinbrüche mit mir trug, überzog.

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    • Erik950
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

      Freitag, 21. Juli 2017, Tagesstrecke 22 Kilometer – auf dem Weg zum Ransarn

      Strahlender Sonnenschein begrüßte uns am neuen Tag. Nachts wird es aber frisch gewesen sein, denn das Gras war mit leichtem Reif überzogen, der sich aber schnell verflüchtigte. Wir entschieden uns, den Norgefaraleden kurz hinter den Stugas zu verlassen und den Weg östlich in Richtung des Ransarn-Sees einzuschlagen. Dieser Weg folgte mehr oder weniger parallel dem weiteren Verlauf des Flusses, der in den Ransarn münden würde. An dieser Abzweigung mussten wir jedoch falsch abgebogen sein, es begann ein Rentiergehege, welches wir meinten, betreten zu müssen, um weiter zu kommen.



      Weiter oben im Hang konnten wir jedoch den wahren Wegverlauf erkennen, stiegen über den Zaun und gingen querfeldein darauf zu, nicht jedoch, ohne den Zaun wieder sorgsam zu verschließen.

      An dieser Stelle musste ich jedoch meine Badelatschen verloren haben, die ich in einer Außentasche des Rucksacks verstaut hatte. Man mag Badelatschen für überflüssig auf einer derartigen Tour halten aber ich genoss es, abends aus den schweren Stiefeln heraus zu kommen und in leichtem Schuhwerk zu gehen. Der Verlust der Latschen machte mir zu schaffen, nicht, weil sie besonders wertvoll waren, aber ich sah mich als Gast dieser nahezu unberührten Natur und wollte hier keine Spuren hinterlassen. Ich versuchte daher in der Folgezeit, diese „Hinterlassenschaft“ dadurch auszugleichen, dass ich Abfall, der sich doch hin und wieder auf dem Weg befand, in meinem Müllbeutel einsammelte.

      Der Weg bestand im weiteren Verlauf aus einem schmalen Pfad, die Gegend war mit Sträuchern und kleinen Birken bewachsen. Wir befanden uns auf einer Höhe von ca. 700 Metern, gesäumt von den Bergen südlich und nördlich des Pfades, überwiegend um die 1.000 Meter hoch, teilweise jedoch bis zu 1.400 Metern. Die Temperaturen lagen am Vormittag bei ca. 18-20 Grad, es war sonnig und wir genossen die Wegstrecke. Auch der wellige Charakter der Strecke machte uns zu dem Zeitpunkt noch nichts aus. Viermal würden wir auf dieser Strecke Brücken passieren müssen, welche die Nebenflüsse des Ransaran querten.



      Das Hochgefühl, das wir zu Beginn dieser Tagesetappe hatten, ließ nach, je mehr wir uns der Mittagszeit näherten und es wärmer wurde. Denn mit der Wärme kamen die Mücken, es war relativ windstill und wir begannen, verlockend für die Plagegeister zu riechen. Hinzu kam, dass wir noch nicht unseren gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten. Mal ging ich vorweg, mal Hubert, doch ich musste uns eingestehen, dass Hubert der bessere „Vorweggeher“ war. Seine Schritte wirkten zwar langsam, fast schon bedächtig, führten aber gerade bei den Anstiegen nicht zur schnellen Erschöpfung. Wir konnten gleichmäßiger gehen und benötigten weniger Pausen. Ich ließ ihm fortan gern den Vortritt.

      Da wir uns wie am Tag zuvor wieder auf einem Wanderpfad zwischen zwei Bergketten, gewissermaßen in einer Niederung befanden, war es unausweichlich, dass wir immer wieder mal Sumpfgebiete durchqueren mussten.



      Von einem Weg konnte an vielen Stellen keine Rede mehr sein, wir orientierten uns oft nur noch an den roten Leitkreuzen, die im Abstand von etwa 200 Metern aufgestellt waren. Wo es zu nass wurde, waren Planken ausgelegt. Für die Mücken, die wir in ihrer Mittagsruhe störten, waren wir ein gefundenes Fressen. Wir trugen kurze Shirts und gerade die Unterarme, aber auch die Schultern waren sehr begehrt. Doch nicht nur die Hautpartien mussten unter den Plagegeistern leiden. Immer wieder gelangten einzelne Insekten in Mund und Nase.

      Mit zunehmender Erschöpfung wurden wir schweigsamer, jeder hing seinen Gedanken nach, weitere Wanderer waren weit und breit nicht zu sehen. Dass diese Umgebung dennoch „bewohnt“ war, konnten wir immer wieder an der Losung einzelner Tiere sehen, oft waren es die ovalen „Köddel“ von Elchen. Wir ließen immer wieder mal den Blick über das Gelände schweifen, ob wir nicht einen Elch sehen würden, der seinen Kopf über die Sträucher erhebt. Doch lange konnten wir uns diese Suche nicht gönnen, die Aufmerksamkeit hatte immer wieder dem nächsten Schritt zu gelten.

      Hubert tat mir ein wenig leid. Er war nach 2015 jetzt das zweite Mal mit in Lappland und hatte noch kein Rentier gesehen. Ich versprach ihm, dass er noch genug Rentiere zu sehen bekommen würde.

      Der Rentierzaun, den wir zu Beginn unserer Wanderung einmal ungewollt übersteigen mussten, zog sich über die gesamte Länge unserer Tagesstrecke, immer parallel zum Fluss Ransaran. Etwa vier Kilometer vor dem Ende unserer Tagesetappe mussten wir noch einmal in das Gehege wechseln, denn unser Tagesziel Ljusliden lag nördlich des Flusses am See Ransarn. Durch eine schräg aufgestellte Pforte, die immer wieder zufallen würde, kamen wir in das Gehege und wanderten am Zaun entlang weiter östlich. Der Weg wirkte jetzt für kurze Zeit fast komfortabel breit und gut begehbar, doch bald hatten wir unseren Wechsel aus Pfaden und Sümpfen wieder.

      Trotz des nahenden Ziels vor Augen ließ uns der ständige Wechsel zwischen An- und Abstiegen, trockenen Etappen und Sümpfen innerlich fluchen. Nach weiteren zwei Kilometern mussten wir den Ransaran über eine Brücke nordwärts queren, nun sollte es nicht mehr lange dauern. Gegen 20 Uhr erreichten wir erschöpft unser Tagesziel Ljusliden am Ufer des Ransarn.



      Dieser Platz bestand aus einem zweigeschossigen Haus mit insgesamt vier Zimmern, die jeweils mit zwei Hochbetten, einem Ofen, Tisch und Stühlen ausgestattet waren und einer alten Stuga, deren Dach mit Moos und Gräsern bewachsen war.



      Daneben fanden wir außerhalb des Hauses das obligatorische Plumpsklo und einen Holzschuppen vor. Eine kleine Metalltafel wies darauf hin, dass diese Hütte von der Regionalverwaltung der Provinz Västerbotten betrieben wird. Da die Tür nicht verschlossen war, gingen wir davon aus, dass die Nutzung kostenlos sein würde.

      Die beiden Zimmer im Erdgeschoss schienen schon belegt, auch wenn wir keine weiteren Wanderer antrafen. Wir bezogen deshalb ein Zimmer im Obergeschoss und machten es uns gemütlich. Die Tageswärme hatte das Zimmer ziemlich aufgeheizt, wir öffneten daher erst mal die Fenster, allerdings nicht, ohne diese zuvor durch ein Mückennetz zu sichern. Wir fanden einen großen Zinkeimer vor, mit dem wir Wasser aus einer nahen Quelle holten, die sich hinter der Stuga befand. Und dann die Frage, was es zu essen geben würde. Ein blinder Griff in den Rucksack gab schnell die Antwort, heute würde es bei mir Bolognese geben.
      Wir gingen noch kurz zum See, der etwa 100 Meter vom Haus entfernt war. Das Ufer bestand aus großen Steinen, das Wasser war herrlich klar. Der Ransarn hat eine Wasserfläche von 28 km² und eine Strandlinie von fast 40 Kilometern (Wikipedia).



      Später konnten wir aus dem Fenster beobachten, wie die anderen Bewohner des Hauses vom See zurückkamen. Es waren Angler, junge Männer mit einem Hund, die morgens ihre Bierdosen im See zum Kühlen abgelegt hatten, sich den Tag in einem Boot auf dem See beim Angeln vertrieben und jetzt mit Festem und Flüssigem, was der See zu bieten hatte, zurückkamen.

      Wir legten uns relativ früh schlafen. Ich freute mich über eine Matratze unter der Isomatte. Die Gewichtsersparnis bei der Isomatte hatte ich mit fehlendem Komfort bezahlt. Dennoch war die Nacht unruhig für mich. Die nur kurze Dunkelheit war noch ungewohnt für mich und auch mit dem Schlafsack musste ich mich erst anfreunden.

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      • Sarekmaniac
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        #4
        AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

        Schönen Dank für diesen Bericht abseits des Mainstreams. Ich bin da im Winter einmal gewesen. Habe dabei u.A. den zugefrorenen Ransarn überquert, und im Fjällfjäll hat mir der Wind fast das Zelt zerlegt. Schön, mal zu sehen, wie es dort im Sommer ausschaut.
        Eshche odin zhitel' Ekaterinburga zabralsja na stolb, chtoby dokazat' odnoklassnice svoju bespoleznost'.
        (@neural_meduza)

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        • Erik950
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          #5
          AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

          Freut mich, dass es dir bisher gefallen hat. Teil 4 (auf dem Weg nach Fatmomakke) folgt im Laufe des Tages.

          Wenn es dir im Winter mal fast das Zelt zerlegt hat, wirst du wahrscheinlich genau zwischen diesen beiden Gebirgsmassiven gezeltet haben. Kann ich mir gut vorstellen, dass der Wind da ganz gut durchpfeifen kann, wenn er aus nördlicher Richtung kommt.

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          • Ljungdalen
            Alter Hase
            • 28.08.2017
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            #6
            AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

            Danke.

            Wir hatten mal, als die Kindern noch klein waren, ein Ferienhaus bei Klimpfjäll, und haben in der Gegend Tagestouren gemacht. Schöne, offenbar auch in der Saison menschenarme Gegend.

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            • Erik950
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              #7
              AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

              Wirklich menschenleer. Von den ersten Begegnungen mit Wanderern werde ich in Teil 5 und 6 erzählen. Ich hätte diese Tour deshalb auch nicht alleine gemacht.

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              • Erik950
                Anfänger im Forum
                • 08.12.2016
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                #8
                AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                Samstag, 22. Juli 2017, Tagesstrecke 41 Kilometer – kein Zeltplatz in Sicht

                Am nächsten Morgen das allmählich zur Gewohnheit werdende Bild: Wasser holen, einen Instant-Kaffee kochen und dann beim Essen die Wahl zwischen Pulver-Joghurt mit Müsli oder gefriergetrocknetem Speck mit Bohnen.

                Wir hatten ursprünglich geplant, den weiteren Weg südlich am Ransarn entlang einzuschlagen. Nun studierten wir die Fjällkarte noch einmal und mussten uns eingestehen, dass es hier keinen durchgängigen Weg geben würde. Insbesondere könnte es schwierig werden, am Ransarn über den einmündenden Fluss zu gelangen, der am Tag zuvor unser ständiger Begleiter war. Wir entschieden uns daher, den Ransarn über die Nordspitze zu umrunden. Wir begaben uns deshalb gegen 9 Uhr in Richtung Gielas.



                Dieser Ort war mit 13 Kilometern Entfernung ausgeschildert. Er lag etwas weiter oberhalb des Sees, bis zur Nordspitze sollten es daher ca. 11 Kilometer werden. Von dort sollte es dann auf der Ostseite des Ransarn gen Süden Richtung Fatmomakke gehen.

                Wir wollten an diesem Tag mindestens bis Brattås kommen, einer kleinen Siedlung fast an der Südspitze des Ransarn. Wir rechneten daher mit einer Tagesstrecke von ca. 28 km. Der Weg von Ljusliden zur Nordspitze war ähnlich gestaltet wie die Strecke des Vortages. Wege, die oft nur anhand der Markierungskreuze als Wege zu erkennen waren, weil sie zugewachsen waren. Absolute Einsamkeit. Zwischendurch immer wieder Sumpffelder. Waren meine Stiefel bis dahin nur oberflächlich feucht, so drang das Wasser nun tiefer ins Leder ein. Glücklicherweise waren die unteren Bereiche des Stiefels mit einer etwa 4 cm breiten Gummileiste abgeklebt. Hubert, dessen Leder bis zur Sohle reichte, hatte größere Probleme und einen feuchten Fuß.

                Der Weg war meistens etwa 100 bis 200 mtr. vom Ransarn entfernt, durch die Büsche und Bäume konnten wir immer wieder die blaue Wasserfläche sehen. Nach etwa acht Kilometern fragten wir uns, ob es nicht einfacher wäre, am Ufer des Sees entlang zu gehen. Den Gedanken mussten wir aber sehr schnell aufgeben, das Ufer war von großen Feldsteinen gesäumt. Glücklich erreichten wir gegen Mittag die Nordseite des Ransarn. Wir gingen ein kurzes Stück über einen aufgeschütteten Damm, nördlich des Sees befand sich ein Rentiergehege. Am Scheitelpunkt mussten wir dieses Gehege betreten, um den Weg südwärts einzuschlagen.

                Die Strecke wirkte nun einfacher begehbar, keine hohen Sträucher mehr, es schien sich zum Guten zu wenden.



                Schnell mussten wir allerdings feststellen, dass es sich hier nicht in erster Linie um eine Wanderroute handelte, sondern eher die Fahrroute der Rentierzüchter, die auf dieser Strecke die Rentiere umtrieben. Das hatte zur Folge, dass sich gerade an den Stellen, an denen sich das Schmelzwasser des höher gelegenen Geländes östlich des Ransarn sammelte, tiefe Schlammspuren gebildet hatten.



                Immer wieder mussten wir links und rechts an diesen Schlammlöchern ausweichen. Auch Sumpfwiesen waren weiterhin zu durchwaten. Die Stimmung ließ daher in den späten Nachmittagsstunden etwas nach. Dennoch erreichten wir gegen 16 Uhr die Siedlung Brattås, die vornehmlich aus alten Hütten bestand.



                Dazwischen wurde ein neues Haus errichtet und wir fragten uns, wie denn wohl das Baumaterial hierher transportiert würde.
                Bis nach Ransarluspen, der Siedlung am Südzipfel des Sees würden es noch etwa drei Kilometer sein. Wir waren noch recht fit, auch wenn der Rücken schmerzte, deshalb zogen wir weiter. Gegen 17 Uhr kamen wir in Ransarluspen an. Hier wird ein Wasserkraftwerk betrieben. Ebenso gehen hier viele Urlauber mit ihren Booten auf das Wasser. An einem Überstand machten wir Rast. Am Ende des Wasserwerks konnten wir eine ebene Grasfläche erkennen und überlegten, ob wir diese als Zeltplatz nutzen sollten. Diesen Gedanken verwarfen wir aber schnell, einladend wirkte das Ganze in der Nähe eines Wasserwerks nicht.
                Von Ransarluspen ausgehend führt eine Schotterstraße südlich durch Grundfors nach Fatmomakke, der wir nun folgten.



                Wir waren guter Hoffnung, auf einen Zeltplatz zu stoßen. Links des Weges sah es dafür nicht so günstig aus, das Gelände war zu steil und bewaldet aber rechter Hand ließen wir unsere Blicke schweifen. Nach ca. 2 Kilometern stießen wir tatsächlich auf einen Platz, der geeignet schien. Der Platz war wenig bewachsen, wir mussten nur einige Sträucher entfernen. Was aber in nächster Nähe fehlte, war ein Bach. Wir entschieden uns daher leichtfertig, weiter zu gehen. Es wurde nicht besser, die Straße war beidseitig bewachsen. In weiterer Blickrichtung rechts hatten wir zwar immer ein Gewässer, zuerst einen Fluss, der in den Ransarn mündete, später war es der Gikasjön. Wir fanden hier allerdings keinen passenden Zeltplatz. Noch einmal inspizierten wir eine Stelle am Wasser, doch der Uferbereich war zu feucht.

                Immer weiter führte uns die Schotterpiste daher südwärts, wir hatten bereits über 30 Kilometer an diesem Tag hinter uns und wurden zunehmend erschöpfter, die Schritte wurden langsamer. Bald stießen wir auf die ersten Wohnhäuser des Ortes Grundfors, die die Straße säumten. Damit waren auch die letzten Möglichkeiten vergeben, einen Zeltplatz zu finden. Wir gingen weiter, auf der gegenüber liegenden Seeseite sahen wir Plätze, die uns vielleicht zugesagt hätten, doch was nützte das? Mittlerweile hatten sich die ersten Blasen unter meinen Füßen gebildet, nicht nur an der Ferse, auch direkt unter dem Fußballen. Hubert blieb zum Glück davon verschont.

                Uns kam ein Fahrzeug entgegen, es fuhr langsam auf uns zu und auf unserer Höhe ließ der Fahrer die Scheibe runter. Er fragte uns nach unserem Weg. „Fatmomakke, wie weit ist es von hier?“. Die Antwort, dass es fünf Kilometer seien, verlieh uns Flügel. Es war inzwischen ca. 19.30 Uhr, wir wussten, dass in Fatmomakke ein Campingplatz war, also vermuteten wir dort auch ein Restaurant, zumindest einen Imbiss. Die Schweden neigen dazu, bei den Kilometerangaben eher großzügig abzurunden, das hatten wir bereits auf unseren früheren Touren bemerkt. Auch dieses Mal hatten wir bald das Gefühl, dass die fünf Kilometer doch längst geschafft sein müssten, doch es war kein Dorf zu sehen. Irgendwann stießen wir tatsächlich auf eine Abzweigung nach links. Ein großes braunes Schild wies auf das alte Kirchdorf in dieser Richtung hin.



                Zwei Kilometer sollten es noch sein.
                Die Schotterpiste war bereits vor einiger Zeit in eine normale Straße übergegangen. Einerseits freuten wir uns, endlich einen Hinweis auf Fatmomakke zu finden, doch zwei weitere Kilometer hoben dennoch nicht die Stimmung. Wir trotteten stumpf weiter, mittlerweile hatten wir an diesem Tag fast 40 Kilometer hinter uns. FATMOMAKKE, dieses Kirchdorf aus den Romanen des Schriftstellers Bernhard Nordh, eines der Ziele dieser Tour. Hubert kannte die Romane nicht, er verließ sich auf meine Auswahl. Das Dorf liegt an einer Bucht des Kultsjön am Fuße des Marsfjälls. Es diente bereits vor der ersten Kolonisierung Lapplands als Treffpunkt der Samen. Zweimal jährlich wurden hier große Kirchfeste abgehalten, einmal zu Chr. Himmelfahrt und dann im Herbst. Für diese Feste wurden Koten um die Kirche herum errichtet, die den Samen als Unterkunft dienten. Wenn sich die Bewohner hier trafen, wurden die Verstorbenen beerdigt, die Säuglinge getauft und es wurde geheiratet.

                Auch diese Tages-Tour fand tatsächlich ihr Ende, gegen 21 Uhr sahen wir die ersten Häuser dieses Dorfes. Im Hintergrund schimmerte das Fjäll gelblich in der Abendsonne.



                Wir fanden den Campingplatz, er lag direkt am See. Zu unserer Enttäuschung war die Rezeption mit Imbiss aber nicht mehr besetzt. Das sollte uns aber nicht abhalten. Wir suchten einen freien Stellplatz und schlugen unsere Zelte auf. Mit Erschrecken stellten wir aber fest, dass hier am Kultsjö andere Mücken ihr Unwesen trieben, wesentlich kleinere, möglicherweise Kriebelmücken, die allerdings in Massen auftraten, sich in den Haaren verfingen und in der Haut festbissen. Auch der stärkere Zigarettenkonsum hielt die Mücken nicht von uns ab.

                Der Natur-Campingplatz bestand aus etwa zwölf Stellplätzen, die meisten waren mit Wohnmobilen belegt, darunter einige aus Deutschland. Wir breiteten an einem Holztisch am See unser Abendessen aus. Das Wasser mussten wir wohl oder übel aus dem See nehmen, fließende Gewässer waren nicht sichtbar. Uns war etwas mulmig angesichts der Mückenlarven, wir kochten daher auch das Trinkwasser ab. Nach der anstrengenden Tour (es waren tatsächlich 41 Kilometer lt. GPS-Tracker geworden) tat uns ein warmer Tee sehr gut. Wir legten uns früh schlafen. Irgendwie war es uns gelungen, die Mücken draußen zu lassen.

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                • Erik950
                  Anfänger im Forum
                  • 08.12.2016
                  • 22
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                  Sonntag, 23. Juli 2017, Tagestrecke 8 Kilometer (ich) bzw. 21 Kilometer (Hubert) – der Weg ins Marsfjäll

                  Als wir morgens wach wurden, regnete es, der erste Regen auf unserer Wanderung. Die Hoffnung, dass damit die Mücken weg bleiben würden, wurde leider nicht erfüllt. Wir zogen zum Schutz vor den Mücken lange Kleidung über und inspizierten die Gegend. Der Campingplatz liegt auf einer Seite des Ausläufers, auf der gegenüber liegenden Seite konnten wir den Kirchturm zwischen den Bäumen sehen sowie einige Häuser des Kirchdorfes. Die beiden Ufer werden an der Einmündung des Flusses in den Kultsjö durch eine Brücke verbunden. Vor der Brücke befindet sich ein Kiosk und ein Parkplatz. Jetzt hatte auch das Service-Gebäude des Campingplatzes geöffnet. Wir holten daher unsere Anmeldung nach und bestellten uns ein Frühstück, gebratene Schinkenwurst mit Bratkartoffeln und Spiegelei. Dazu ein Bier.

                  Wir ließen uns Marken für das Duschgebäude geben, vier Minuten duschen für 10 Kronen. Das Duschgebäude lag etwas versteckt hinter dem Toilettengebäude. Es war eigentlich eher ein Container mit zwei Duschkabinen. Nicht gerade einladend, aber nach drei Tagen genossen wir das warme Wasser und die anschließend frische Wäsche. Der Himmel klarte inzwischen etwas auf, der Regen ließ nach. Wir waren noch unentschlossen. Nach der Tour vom Vortag konnten wir uns gut einen Tag Pause leisten und hatten wenig Lust, im Regen die Zelte abzubrechen. Andererseits wollten wir besser jetzt als gleich den Mücken entfliehen, die hier wirklich eklig waren.
                  Wir entschieden uns daher, erst mal das Kirchdorf zu besuchen. Gleich hinter der Brücke erstreckte sich der Friedhof über eine recht große Fläche.



                  Wir gingen die Gräber ab, in der Hoffnung, die Namen der Protagonisten der Bernhard Nordh-Romane auf den Grabsteinen zu finden. Hätte ich mir die Namen doch nur besser gemerkt. Sie hießen Palsson, ich suchte aber nach „Persson“. Neben dem Friedhof war die große weiße Holzkirche gelegen, dahinter waren die Koten der Samen im Hang zwischen den Bäumen eingebettet, sowie Vorratshütten, die auf vier Baumstämmen als Stelzen standen.





                  Diese Stelzenbauweise diente einerseits dazu, Tiere vom Vorratslager fernzuhalten, andererseits dazu, auch bei hohem Schnee noch an das Lager zu gelangen. Direkt am See waren einige Holzhäuser aus früheren Zeiten aufgereiht. Zwischen den Häusern und dem Hang lag der Festplatz. Ein Holzmast, geschmückt mit verwelktem Birkenlaub kündete noch vom letzten Mittsommerfest. Eines der Holzhäuser war als eine Art Museum eingerichtet. Alte Fotos und Ausrüstungsgegenstände vermittelten einen Eindruck von der ersten Besiedlung dieser Gegend.

                  Der Regen ließ langsam nach, wir entschlossen uns, am Campingplatz noch eine letzte Mahlzeit einzunehmen und die Zelte dann abzubauen. Ich konnte mir zwar noch nicht vorstellen, wieder marschieren zu können, war aber bereit, auf die Zähne zu beißen. Nur weg von diesen Mücken.

                  Gegen 14 Uhr machten wir uns also wieder auf den Weg Richtung Marsfjällskåta, welche acht Kilometer entfernt Richtung Nordosten lag. Der Wanderpfad begann eigentlich direkt hinter dem Campingplatz. Wir gingen einen Schotterweg hoch, stießen auf einen Parkplatz und am Ende dieses Parkplatzes begann der Wanderpfad. An diesem und dem nächsten Tag würden wir den schönsten Part unserer Wanderung erleben. Anfangs schmerzten die Füße tatsächlich sehr, ich ging wie auf Eiern, aber nach etwa 500 Metern hatte ich meinen Rhythmus wieder gefunden. Der Weg begann gleich mit einem Anstieg in die bewaldeten Hügel um den See. Es hatte aufgehört zu regnen, aber wir mussten vorsichtig sein, der Boden war feucht und an manchen Stellen sehr rutschig. Dennoch war es ein angenehmes Gehen, es war nicht zu warm und auch die Anstiege nur moderat.



                  Der Weg war gut als solcher erkennbar, er wurde öfter passiert und im Gegensatz zum Vortag, an dem wir auch größere Schlammlöcher immer wieder umgehen mussten, führte auf dieser Strecke über fast jeden noch so kleinen Graben eine Planke. Gräben und Bäche gab es reichlich und das ein oder andere Mal hielten wir an Brücken, um die Felsformationen im Wasser zu bestaunen und auf Bildern festzuhalten.






                  Der Höhenunterschied zwischen Fatmomakke und der Marsfjällskåta liegt bei etwa 250 Metern (von 600 mtr. auf 850 mtr.). Die ersten sechs Kilometer gingen wir überwiegend durch bewaldete Gebiete, zuletzt wurde es aber wieder lichter und etwas sumpfiger. Schon von weitem konnten wir bald die Kåta sehen, wie sie da einsam stand. Ich war froh, auch diesen Tag mit nur kurzer Strecke gut geschafft zu haben. Die Kåta war von der Form her einem Zelt nachempfunden, lief also von allen vier Seiten spitz zu mit einer Art Vorbau an der Eingangsseite. Sie hatte innen die Maße von etwa 2,50 Metern im Quadrat, man konnte hier also gut liegen und musste dazu nur die beiden Holzbänke zur Seite schieben.



                  Es gab hier kein Gästebuch, das war unnötig, Angaben zu Namen und Datum waren von vielen Wanderern in den Holzbalken und auf den Bänken verewigt. Zur Hütte gehörte noch ein Holzschuppen, in dem das Feuerholz lagerte, mit dem man den Kanonenofen der Hütte beheizen konnte. Etwa 20 Meter abseits stand einsam ein Plumpsklo. Ein Bach mit frischem Wasser floss etwa 70 Meter weiter an der Hütte entlang. Zum Bach hin musste man einen kleinen Tümpel passieren, wieder eine herrliche Brutstätte für Mücken.

                  Für mich stand fest, dass ich die Kåta für die Übernachtung nutzen würde, da war ich einfach zu faul und der Gedanke, schlimmstenfalls am anderen Morgen das Zelt im strömenden Regen abbauen zu müssen, ließ mich, wo es möglich war, eine Hütte benutzen. Hubert dagegen suchte sich eine freie Stelle für sein Zelt, die nicht feucht war und machte sich sogleich an den Aufbau. Obwohl es bereits nach 18 Uhr war, hatte er noch Größeres vor und wollte den Marsberg besteigen. Wie gerne wäre ich mitgegangen, doch der Gedanke daran, dass beim Anstieg die Fersen am Stiefel drücken würden und sich die Blasenwunden vergrößern würden, ließ mich zur Vernunft kommen.

                  Ich breitete mich daher in der Hütte aus und sah Hubert beim Zeltaufbau zu. Schnell war das Zelt aufgebaut. Er nahm sich noch seinen Trinkbecher und machte sich ohne weitere Utensilien außer einer Jacke auf den Weg ostwärts auf den Marsberg zu, der Teil eines Gebirgsmassivs ist und verlockend nahe war. Laut Beschilderung sollten es sechs Kilometer bis zum Gipfel sein. Draußen an der Hütte stand eine weiße Holzbank. Ich machte es mir dort gemütlich, versuchte die Mücken zu ignorieren und bereitete mir das Essen mit dem Gaskocher zu, den Hubert da gelassen hatte. Der Kocher war wirklich gut und jeden Euro wert. Der Behälter für das Wasser konnte direkt auf den Kocher aufgeschraubt werden und war mit einer robusten G-1000-Hülle isoliert. Ruckzuck kochte das Wasser.

                  Wie in den Tagen zuvor gab es Gefriergetrocknetes, an diesem Tag sollte es Bolognese sein. Dazu trank ich Früchtetee, der die Lebensgeister wieder erweckte. Leider war an meinem Plastiklöffel eine scharfe bisher unbemerkte Schnittkante und ich führte den Löffel in einem so unglücklichen Winkel in den Mund, dass ich mir die Lippe aufschnitt. Davon sollte ich noch einige Tage etwas haben. Nach dem Essen ging ich noch etwas lustlos umher. Es hatte angefangen, zu regnen, nicht stark aber doch so, dass ich Huberts Rucksack, der noch draußen lag, im Zelt unterbrachte. Der Regen war aber schnell vorbei und ich konnte einen herrlichen Regenbogen fotografieren.



                  Während ich so ziellos um die Hütte herum schlenderte, konnte ich aus Richtung Nord-Nord-Ost eine Gestalt erkennen, die sich auf die Hütte zubewegte. Ich fühlte mich an einen Italo-Western erinnert, „Spiel mir das Lied vom Tod“, wo Henry Fonda aus der Ferne, zuerst nur verschwommen erkennbar auf das Auge des Betrachters zuging und das Bild immer größer und schärfer wurde. Doch die Gestalt war nicht allein. Im Abstand von etwa zehn Metern folgte ihr schwerfällig ein schlanker Hund. Ich würde also Besuch bekommen. Der Hund wirkte wirklich erbärmlich, wir haben selbst drei Hunde, mein Blick gilt deshalb oft eher dem Tier, als dem Menschen. Es war ein Mann, etwa so alt wie ich, vielleicht ein wenig jünger. Er fragte mich, wie weit es noch bis Fatmomakke sei. Ich erschrak bei dem Gedanken, dass diese Kreatur von Hund noch weitere acht Kilometer gehen sollte. Ich lud den Wanderer daher in die Hütte ein, sich auszuruhen.

                  Er nahm die Einladung gerne an und machte es sich in der Kåta bequem. Die Tür stand offen und er rief seinen Hund zu sich herein. Nun muss man sich vorstellen, dass der Boden der Hütte nicht bündig mit dem Außengelände abschloss, sondern höher gelegen war. Der Hund stand also vor der Hütte, sein Herrchen rief ihn und es war dem Hund nicht möglich, ihm zu folgen. So verging einige Zeit, in der die Tür offen stand mit der Folge, dass die Mücken drinnen Quartier nahmen.

                  Irgendwann hatte ich ein Einsehen, es ging so nicht und ich hob den Hund hinten an und half dem Vierbeiner in die Hütte. Wir kamen miteinander ins Gespräch, ich hätte an dieser Stelle die gute Gelegenheit gehabt, meine Schwedisch-Kenntnisse in der Praxis auszubauen. Doch ich gab schnell auf. Mein Schwedisch-Sprachschatz beträgt laut Babbel aktuell 2.506 Wörter. Hinzu kommen weitere Kenntnisse aus meinen VHS-Kursen. Ich kann das meiste lesen und vieles schreiben und sprechen aber meine Ohren sind Schwedisch nicht gewohnt. So schwenke ich schnell auf Englisch um und mit einem Schweden, der mit Englisch auch nicht als Muttersprache aufgewachsen ist, klappt das super.

                  Der Wanderer hieß Stig, er kam aus Luleå und war am Morgen mit seinem Hund in Kittelfjäll gestartet, 23 km nördlich der Marsfjällskåta. Sein Hund war ein Whippet, eine kleine Windhundrasse, man sollte also eigentlich eine gewisse Leichtfüßigkeit erwarten. Aber dieser Hund, er hieß Tio, war mittlerweile zwölf Jahre alt und litt unter Athrose im Rücken. Tio schaffte es gerade noch, sich vor seinem Herrchen, der ihm eine Decke ausgebreitet hatte, nieder zu legen. Er bewegte sich für den Rest des Aufenthalts keine 20 cm mehr fort. Sein Abendessen bestand aus einer kleinen Hand Wurststücke, mehr schien er auch nicht zu vermissen. Der Hund tat mir leid. Ich machte Stig auf meine Eindrücke aufmerksam und schlug ihm vor, doch hier die Nacht zu verbringen, die Hütte reichte für zwei Personen. Wir konnten die beiden Bänke in die Mitte stellen und uns an den Seitenwänden langlegen. Ich brauchte dafür nicht viel Überredungskunst. Stig sah ein, dass ein neues Aufbrechen wenig Sinn machte. Mein Mitbewohner heizte nun den Ofen ein, der schnell eine behagliche Wärme ausstrahlte.

                  Ich hatte es zu den vorigen Nächten schon immer geschrieben, dass die Nacht unruhig war, wie ließ sich dieses noch steigern? es ließ sich, denn in dieser Nacht rächte es sich, dass die Tür für etwa zwei Minuten offen blieb, als Tio herein kommen sollte. Einen gewissen Schlaf fand ich anfangs, nur unterbrochen durch Hubert, der gegen 23.30 Uhr von seiner Gipfelbesteigung zurück kam und kurz herein schaute, um mir zu zeigen, dass er wohlbehalten angekommen war. Doch der Schlaf war schnell vorbei, als die Mücken begannen, mit lauten Geräuschen Angriff auf das Gesicht und die Ohren zu nehmen. Stig hatte als erfahrener Wanderer seine Mütze auf dem Kopf gelassen, aber ich litt fürchterlich. Immer wieder griff ich in die Luft oder schlug mir auf Stellen meines Körpers. Oft erfolgreich, doch immer wieder rückten neue Mücken nach. Ich gab irgendwann auf und blieb nur deshalb noch liegen, um meinen Mitbewohner nicht zu wecken. Wie spät war es? Ich trug eine Uhr, doch im Halbhell konnte ich die Uhrzeit nicht erkennen.

                  Die Namen des Mitbewohners und des Hundes sowie den Wohnort habe ich zum Schutz der persönlichen Daten geändert.

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                  • Sternenstaub
                    Alter Hase
                    • 14.03.2012
                    • 3370
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                    #10
                    AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                    Hallo Erik,
                    dein Bericht gefällt mir sehr gut, teils lustig, teils ernst geschrieben, da läuft man richtig mit oder wischt sich die Mücken aus dem Gesicht.
                    Two roads diverged in a wood, and I—
                    I took the one less traveled by,
                    And that has made all the difference (Robert Frost)

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                    • Erik950
                      Anfänger im Forum
                      • 08.12.2016
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                      #11
                      AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                      Das freut mich. Vielen Dank.

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                      • Erik950
                        Anfänger im Forum
                        • 08.12.2016
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                        #12
                        AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                        Montag, 24. Juli 2017, Tagesstrecke 34 Kilometer – denkwürdige Stationen


                        Irgendwann sagte mir mein Gefühl, jetzt aufstehen zu können und siehe da, auch Stig war wach und als wir draußen unseren Kaffee kochten, schien auch Hubert bereits auf uns gewartet zu haben, zumindest mussten wir ihn nicht wecken. Ich weiß nicht mehr, was ich an diesem Morgen aß, ich versuchte aber, Trockenpulver, das sich Joghurt nannte, zu vermeiden. Es ist interessant, dass ich trotz der körperlichen Anstrengung in dieser Zeit über den Tag neben Frühstück und Abendessen mit nur einem Powerriegel auskam, manchmal noch ein eingeschweißter Vanille-Topfkuchen dazu. Wieviel Unnötiges man doch im Büro ohne größere Bewegung isst!

                        Während wir draußen frühstückten, berichtete Hubert von seiner Gipfeltour. Auch ihn traf der kurze Regenguss ziemlich zu Beginn des Marsches. Sein Weg führte über teils sehr steiniges Gelände auf den Gipfel zu.







                        Und dann bekam Hubert auf dieser Tour doch noch die Gelegenheit, eine größere Rentierherde aus der Nähe zu bewundern, die sich über den Hang verteilte. Auf dem Gipfel befindet sich eine Wetterstation, die ein wenig das grandiose Bild, das dieses Fjällmassiv bietet, beeinträchtigt.


                        Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Hubert

                        Da es auch Ende Juli kaum dunkel wird, gelang es Hubert, auch den Rückweg über die Steinfelder unbeschadet zu überstehen. Gegen 23.30 Uhr war er zurück an der Kåta.

                        Tio sah immer noch erbärmlich aus, Essen verweigerte er an diesem Morgen total und jetzt, einige Monate später, als ich dieses aufschreibe, frage ich mich, ob Tio wohl noch lebt. Diese Begegnung hat sich sehr tief in mir eingegraben. Stig verabschiedete sich bald von uns, sein Weg führte nicht mehr wie geplant nach Fatmomakke, er wählte den Weg zurück nach Kittelfjäll.

                        Uns führte es in die entgegen gesetzte Richtung, gen Süden nach Marsliden. Schaut man auf die Fjällkarte, so muss man erst östlich Richtung Marsberg gehen, um dann den Weg rechts in Richtung Marsliden einzuschlagen. Doch es schien einen älteren Weg zu geben, der direkt von der Marsfjällskåta südlich führte. Ich war nicht sonderlich begeistert von der Idee, doch Hubert überzeugte mich, diesen Weg einzuschlagen, der doch einige Kilometer kürzer sein würde. Wir versuchten, uns an ausgebleichten Wegkreuzen zu orientieren.



                        Bäume gab es auf dieser Höhe nicht mehr, nur ab und zu ein paar Sträucher. Das Ziel hatten wir vor Augen, es war der Durchgang zwischen den beiden Bergen Aajnantjahke und Gahkagaejsie. Diese hatten eine Höhe von etwa 1.200 Metern, wir selbst würden uns dazwischen auf etwa 900 Metern befinden. Die Strecke war wirklich kürzer, doch es rächte sich, dass wir Wege benutzten, die nicht mehr gepflegt waren. Sobald wir an Bächen ankamen, mussten wir eine geeignete Stelle finden, um diese zu überqueren. Hubert war da nicht so zimperlich. Oft stand er bereits auf der anderen Seite, während ich testete, für gut oder schlecht befand, bereits zum Sprung ansetzte, nur um mich im letzten Moment an einem Strauch zurück zu halten, kurz zur Ruhe kam, um dann am Bach entlang nach einer besseren Stelle zu suchen.



                        Je näher wir diesem Kessel zwischen diesen beiden Bergen kamen, desto frischer wurde es. Der Wind pfiff durch die Berge. Gestartet war ich an der Marsfjällskåta mir einem sogenannten Baselayer, einem dünnen T-Shirt aus einem Woll-/Polyestergewebe, welches mich recht warm hielt und die Feuchtigkeit schnell nach außen transportierte. Doch irgendwann wurde der Wind zu frisch und ich zog mir ein kurzärmliges Hemd über. Damit konnte ich noch einige Kilometer gehen, ohne, dass ich fror, doch irgendwann standen wir direkt vor dem Kessel, der Wind hatte noch mal zugenommen, im Rücken türmte sich eine dunkle Wolkenwand auf und ich zog deshalb meine Hardshell-Jacke an. Auch hier hatten wir einige Höhenmeter, doch es war der fünfte Tag unserer Wanderung und es machte uns nichts mehr aus.

                        Als wir uns direkt im Kessel befanden und es schon wieder bergab ging, stießen wir auf ein Schneefeld. Wir hätten es umgehen können, links davon wäre es bergab über ein Geröllfeld gegangen. Doch wir waren faul und auch etwas neugierig. Hubert machte den ersten Versuch. Langsam ging er über den zusammen gesackten Schnee.



                        An einem Knick blieb er stehen und wartete auf mich. Auch ich machte mich auf den Weg nach unten, es gab keine Probleme. Dann ging Hubert wieder voran bis zum Ende dieses Schneefeldes. Als er unten angekommen war, folgte ich ihm. Mit quer gestellten Füßen bewegte ich mich Meter für Meter vorwärts. Es schien so einfach. Was hatte man alles vorher gelesen, dass man schnell ausrutschen könne oder an tückischen Feldern einsacken könne. Bilder bauten sich in meinem Kopf auf, es sollte nicht so einfach gehen und wenn der Kopf anfängt, zu denken…. ich sah die nicht enden wollende Weite des unter mir liegenden Tals und rutschte aus, fiel auf das Hinterteil und nahm Fahrt nach unten auf. Ich konnte mich im letzten Moment halten, doch Hubert verfiel in einen Lachkrampf. Ich war auf einer Rentier-Fährte die letzten 10 bis 20 Meter nach unten gerutscht und nahm manchen Kot auf, den die Tiere auf dem Weg nach unten auf dem Schneefeld hinterlassen hatten. Zum Glück blieb die Jacke davon verschont, es war wirklich nur der Hosenboden. Dennoch versuchte ich, die Hose so gut es ging, mit Schnee zu säubern. Was dauerte länger, mein Schock über dieses Missgeschick oder Huberts Lachanfall? Wohl letzteres, doch irgendwann beruhigten wir uns und gingen den Weg weiter. Es war vielleicht nicht sehr klug, aber ich berichte, was gewesen ist, auch wenn ich mich in einer neuen Situation vielleicht anders verhalten würde.

                        Nachdem Hubert mir morgens noch von seiner Rentiersichtung des Vortages berichtet hatte, sah auch ich jetzt die ersten Rentiere auf der Wanderung, etwa 100 Meter entfernt in den Hängen. Es mögen vielleicht 30 Tiere gewesen sein, die sich nicht von uns stören ließen. Es war zwar nicht meine erste Rentiersichtung, ich war ja auch nicht das erste Mal so hoch im Norden, doch Rentiere sind nun mal sinnbildlich für diese Landschaft und es ist deshalb jedes Mal wieder etwas Besonderes.

                        Oftmals trennten wir uns auf der weiteren Strecke, in der Annahme, den besseren Ausweichpunkt für die riesigen Geröllfelder gefunden zu haben. Vielleicht hatten wir auch manches Mal dieselbe Idee, doch nachdem sie der eine aussprach, verwarf sie der Nächste, weil er partout etwas anders machen wollte. Wir waren jetzt fünf Tage zusammen, kennen uns zwar seit 35 Jahren, doch sich über diese Tage auf nur eine Person einzulassen, ist nicht immer einfach. Dennoch würde ich solche Touren nur mit Hubert oder eben allein, wie 2013, gehen. Ich will in Lappland mein Alltagsleben hinter mir lassen, keine Freunde, keine Bekannten, keine Experimente, keine Kompromisse.



                        Trotz unterschiedlicher Ausweichpunkte fanden wir immer wieder zusammen. Wir genossen die Strecke, bald konnten wir unterhalb von uns den Västra und Östra Marssjön sehen, zwei Seen also, die wie Zwillinge nebeneinander lagen und nur durch einen breiteren Wall, wie es von oben schien, getrennt sind. Marsliden, fast das Finale unserer Tour… und so dicht vor uns. Wir gingen weiter, ein Vater mit seiner etwa zehnjährigen Tochter kam uns entgegen, später eine Familie mit zwei oder drei Kindern, die ausgelassen in einem Bach planschten, ehe sie uns sahen und hastig ihre Kleidung überzogen. Wir wollten sie nicht erschrecken, wir sahen unser Ziel Marsliden und fragten uns, wie weit wir es heute noch schaffen würden. In mir schlummerte der Gedanke, es an diesem Tag noch bis Saxnäs, dem Ziel unserer Reise zu schaffen. Einen Tag früher, als geplant. Mein Kopfkino rührte sich, Bilder von Duschen, warmem Essen bei einem kühlen Bier nahmen in meinem Kopf Platz ein.

                        Auch die weiteren Steigungen, wenn da überhaupt welche waren, waren für uns nicht mehr der Rede wert. Wir hatten in den Tagen zuvor so viel erlebt, Anstiege, Scheitelpunkte, Hoffnungen, dass es nun leichter werden würde, Enttäuschungen, als es wieder bergauf ging…. das alles störte uns nicht mehr, wir lachten bei einem Anstieg… ja, wir lachten, als schien die Moral gebrochen, nur hier im positiven Sinne.

                        Irgendwann macht der Weg von der Marsfjällskåta nach Marsliden einen Knick nach unten. Vor uns tat sich ein langbeplankter Weg auf, hier steht die sogenannte Apelsinkåta. Es ist nur ein kleiner Unterstand, den wir nicht einmal fotografierten.



                        Wir gingen weiter und sahen Marsliden erst mal als unser Ziel an. Etwa zwei Kilometer vor Marsliden gabelte sich der Weg und wir waren unsicher, wie wir weiter gehen sollten. Beide Wege wären richtig gewesen, sie endeten beide in Marsliden. Wir entschieden uns für jenen, der zu einem Kiosk führen sollte. Noch einmal durchquerten wir über Planken ein Sumpffeld, ehe der Weg weiter durch einen Kiefernwald führte. Immer wieder ragten größere Steine aus dem Weg hervor, über die wir balancieren mussten.

                        Bald sahen wir die ersten Häuser von Marsliden. Ich wurde aufgeregter, endlich würde ich die Siedlung zu sehen bekommen, die in den Romanen von Bernhard Nordh so eindrucksvoll beschrieben wurde. Der erste Eindruck war jedoch enttäuschend. Der Weg endete in einem Wohngebiet, welches eher aus Wohncontainern bestand. Den ein oder anderen Bewohner sahen wir auf den Terrassen, wie er uns mit seinen Blicken argwöhnisch folgte. Der Weg endete an einer größeren Schotterstraße. Wir entschieden uns, nach rechts weiter zu gehen. Tatsächlich kamen wir nach wenigen Metern an einem Kiosk vorbei, vor dem einige Leute saßen. Er sah nicht sehr einladend aus. Vor dem Kiosk stand eine Info-Tafel mit einigen Aushängen. Wir versuchten, uns zu orientieren. In dem Moment kam ein älterer Mann in Begleitung zweier Frauen auf uns zu. Er war groß und trug Gummistiefel. Sein Auftreten erinnerte ein wenig an einen English Landsman.

                        Er fragte uns, ob er uns helfen könne. Ich antwortete, dass wir das nachgebaute Haus der Familie Persson suchen. Verständnislos sah er uns an. Ich wies auf die Infotafel, wo auch ein Aushang über Bernhard Nordh angeheftet war. „Palsson“, nicht „Persson“, korrigierte er mich, ja, das Haus kannte er. Der Mann wies sich als Ur-Ur-Enkel des ersten Siedlers aus. In dem Ort sollte es auch eine Ausstellung über Bernhard Nordh geben. Bereitwillig bot er uns an, uns zu der Ausstellung zu führen. Dafür mussten wir nur etwa 500 Meter weiter gehen. Wir stießen auf ein Haus, welches für Besucher offen stand und wie ein kleines Museum eingerichtet war. Es zeigte das Leben und Wirken des schwedischen Schriftstellers. Der alte Mann berichtete uns dazu, wie Bernhard Nordh in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Auftrag des Tourismusverbandes mit dem Fahrrad über Land zog, um die Geschichte der ersten Besiedlung dieser Gegend zusammen zu tragen. Ich wusste dieses alles schon, gönnte unserem Reiseführer aber die Freude, darüber berichten zu können und hörte interessiert zu.

                        Als die Führung beendet war, traten wir wieder nach draußen und konnten schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite den Nachbau des ersten Hauses der Familie Palsson sehen. „Haus“ ist eigentlich übertrieben, es war eine Blockhütte, innen drin stand in einer Ecke ein großes Bett, in der anderen Ecke der Kamin. An den nackten Holzwänden hingen allerlei Geräte und Küchenutensilien. Nach heutigen Maßstäben war es unvorstellbar für uns, wie hier eine ganze Familie unterkommen konnte und mehr noch, wie weitere Kinder dazu kommen konnten.





                        Wir blieben nicht lange in der Hütte, wir hatten alles gesehen. Draußen ließ ich noch mal den Blick über die Hänge des Marsfjälls schweifen und malte mir aus, wie die Siedlerfamilie dort, wo jetzt ungenutzte Bergwiesen lagen, erst die Bäume roden musste, um das erste Kartoffelfeld anzulegen. Ich begegnete dieser Leistung mit großem Respekt. Umso größer war die Enttäuschung darüber, was ich nun von Marsliden sah. Wir gingen die Schotterstraße entlang in östlicher Richtung. Noch einmal kamen wir am Kiosk vorbei und obwohl der Gedanke verlockend war, anzuhalten, hielt uns das äußere Erscheinungsbild davon ab.

                        Auf der linken Seite der Piste, vom Västra Marssjö abgewendet, waren einzelne Ferienhäuser zwischen den Bäumen eingebettet. Nur gelegentlich wurde die Straße von einem PKW befahren. Auf den Feriengrundstücken war kaum ein Leben erkennbar, alles war ruhig, kaum ein Mensch zu sehen und dennoch hatte ich das unbestätigte Gefühl, hinter den Fenstern von den Bewohnern beobachtet zu werden. Filmszenen aus dem Weihnachtsmehrteiler „Der Seewolf“ machten sich in meinem Kopf breit, wie der spätere Schriftsteller Humphrey van Weyden als Jugendlicher zusammen mit Wolf Larsen als Landstreicher durch die Gegend zog.



                        Schnell kamen wir auf der Landstraße an Hinweisschildern für die nächste Siedlung Solvik vorbei. Wir waren also schon wieder aus Marsliden raus, ohne mehr gesehen zu haben, als die Bernhard Nordh-Ausstellung, den Kiosk und Ferienhäuser. Die Straße schlug nun die südliche Richtung ein, auf der rechten Seite der Västra Marssjö, auf der linken Seite der Östra Marssjö. Es war schon Nachmittag, vielleicht 16 Uhr. Unser Ziel war nun der Trappstegsforsen, ein vielfotografiertes Naturschauspiel, bei dem sich ein Fluss, der die beiden Seen Biijie Lijntie und Kultsjö verbindet, verbreitert und sich über eine Art Treppenstufen seinen Weg in den Kultsjö bahnt. Auf der rechten Seite standen nun einige Häuser und tatsächlich trafen wir auf einen Bewohner, der draußen werkelte. Wir fragten, wie weit es noch nach Saxnäs sei und erhielten „zehn Kilometer“ zur Antwort. Das sollte machbar sein sagten wir uns, auch wenn wir skeptisch waren, ob es wirklich nur zehn Kilometer waren.

                        Irgendwann endete unsere Schotterstraße an der Straße, die von Grytsjö zum Trappstegsforsen führt. Wir gingen nun auf Asphalt weiter, die Beine wurden schwerer und wir wurden wieder schweigsamer. Ich hatte gar nicht mehr die Absicht, zu Fuß bis Saxnäs zu gelangen. Das letzte touristische Ziel sollte der Trappstegsforsen sein, von dort aus, so stellte ich es mir vor, könnten wir auch mit dem Taxi nach Saxnäs fahren, ohne dass ich dann das Gefühl gehabt hätte, es nicht bis zum Schluss durchgehalten zu haben. Bald hörten wir das Rauschen des Gewässers und gegen 19.30 Uhr kamen wir am Trappstegsforsen an. Es war wirklich beeindruckend, wie sich das Wasser schäumend über die Treppenstufen ergoss.





                        Ein großer Parkplatz deutete darauf hin, dass diese Stelle ein beliebtes Reiseziel war, auch wenn um diese Uhrzeit nur noch wenige Besucher das Naturschauspiel bewunderten. Am Parkplatz befindet sich auch ein Imbiss, der um diese Uhrzeit aber schon geschlossen hatte.

                        Da es schon recht spät war, und noch später werden würde, ehe wir in Saxnäs ankämen, entschieden wir uns, ein Taxi zu rufen. Wir hatten hier einen Internetzugang und suchten nach der Telefon-Nummer. Leider ging nur ein Anrufbeantworter an, wir würden also zu Fuß weiter gehen müssen, doch würden wir dann noch ein Zimmer bekommen? Wir wussten von zwei Hotels, dem Saxnäsgården und der Marsfjäll Mountain Lodge. Bei beiden Hotels riefen wir an, gerieten aber auch hier nur an einen Anrufbeantworter.

                        Ohne also zu wissen, ob wir es sich lohnen würde, beschlossen wir, weiter zu gehen. Was hatten wir auch für eine andere Wahl? Geeignete Zeltplätze waren weit und breit nicht zu sehen. Hubert drängte zum Aufbruch, doch ich wollte heute nicht so weit gekommen sein, ohne noch schöne Fotos vom Trappstegsforsen zu machen, also nicht nur die üblichen vom Parkplatz aus. Meine Bekannte Ingrid hatte mir vor der Reise empfohlen, die Mauer, die am Imbiss entlang führte, zu passieren und direkt ans Wasser zu gehen. So viel Zeit musste sein. Es wurden noch einige schöne Bilder.

                        Es war jetzt 20 Uhr, wir mussten uns beeilen, wollten wir noch ein Zimmer bekommen und gingen deshalb strammen Schrittes weiter. Das Saxnäsgården ist ein STF-Hotel. Da ich Mitglied im STF bin, hatte ich dieses im Visier, zumal es das erste auf unserer Strecke sein würde, während die Marsfjäll Mountain Lodge noch weiter ortseinwärts lag. Dennoch erschien diese Lodge attraktiver. Auf der etwa fünf Kilometer langen Strecke vom Trappstegsforsen nach Saxnäs stießen wir immer wieder auf Hinweisschilder, die auf die zahlreichen Freizeitaktivitäten der Lodge hinwiesen.

                        Eines der ersten Häuser in Saxnäs war auf der rechten Seite eines, in dem geräucherter Fisch verkauft wurde. Wir betraten es, nicht wegen des Fischs, sondern, um etwas zu trinken zu kaufen. Dann stießen wir auf das Saxnäsgården.



                        Wir gingen zur Rezeption, es war schon nach 21 Uhr und fragten nach zwei Einzelzimmern. Ich wäre der netten Dame fast um den Hals gefallen, es gab noch zwei Zimmer, zwar in dem Bereich, in dem auch Hunde mit aufs Zimmer durften, aber daran störten wir uns nicht. Unsere Wanderung hatte hier einen Tag früher als geplant ihr Ende gefunden.

                        Wir genossen die Dusche, freuten uns über frische Kleidung und bekamen anschließend im Restaurant tatsächlich noch etwas zu essen. Dazu ein kühles Bier. Wir waren glücklich. Hinter uns lagen viele Kilometer beschwerlichen Weges, wir hatten viel gesehen, mussten uns oft überwinden und waren nun am Ziel angelangt.

                        Die Namen des Mitbewohners in der Marsfjällskåta und des Hundes sowie den Wohnort habe ich zum Schutz der persönlichen Daten geändert.

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                        • Erik950
                          Anfänger im Forum
                          • 08.12.2016
                          • 22
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                          #13
                          AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                          Dienstag, 25. Juli 2017 – zurück nach Vilhelmina

                          Am nächsten Tag hatten wir nach dem Auschecken noch ausreichend Zeit, den Ort zu besichtigen, der Bus nach Vilhelmina würde erst um 14.30 Uhr gehen. Ich ließ meinen Rucksack im Hotel zurück und wir machten einen Spaziergang durch den Ort. Ich schreibe es ungern, aber warum sollte ich es beschönigen? die Gegend ist sehr schön, aber der Ort hat keinen nachhaltigen Eindruck auf mich hinterlassen.

                          Wir kamen auch an der Marsfjäll Mountain Lodge vorbei und waren enttäuscht. Das Hotel war eingerüstet und auf dem Gerüst waren zwei junge Frauen damit beschäftigt, die Fenster zu streichen. Ein kleines Radio sorgte für die musikalische Unterhaltung, es wirkte alles sehr gemütlich, fast behäbig. Kein Mensch, der das Hotel betrat oder verließ. Selten habe ich den Unterschied zwischen Eigenanspruch und Wirklichkeit krasser empfunden. Wir kehrten noch einmal zu dem Haus zurück, in welchem Räucherfisch angeboten wurde. Für den Abend kauften wir einen geräucherten Saibling.

                          Die Fahrstrecke von Saxnäs nach Vilhelmina dauerte etwa 1 ½ Stunden. Wieder war es ein Kleinbus, der die Strecke befuhr. Ich hing meinen Gedanken nach und stellte mich dösend, um Hubert zu signalisieren, dass ich nicht gestört werden möchte. Ich bewunderte die Gelassenheit, die von den Schweden ausging. Bushaltestellen waren ein Orientierungspunkt, mehr nicht. Genauso gut hätte man an der Straße stehen können und mit Winken auf sich aufmerksam machen können. Unterwegs hielt der Bus in einer Ortschaft, der Busfahrer hatte ein Paket abzuliefern. Einer der Fahrgäste stieg aus und ging in den nächsten Laden, um Getränke zu kaufen. Der Busfahrer wartete, bis der Fahrgast zurückkam.

                          In Vilhelmina gingen wir wieder zum Saiva-Campingplatz. Wir hatten hier eine Woche zuvor die Ausrüstung, die wir auf der Wanderung nicht benötigen würden, an der Rezeption zurück gelassen, nun konnten wir sie wieder in Empfang nehmen. Der Rückflug nach Stockholm war erst für den nächsten Tag gebucht, deshalb schlugen wir hier noch einmal unser Zelt auf und kauften im Supermarkt ein. Wir genossen abends die lange Helligkeit am See und aßen den Saibling auf Brot.


                          Mittwoch, 26. Juli 2017 – Aufregung am Flughafen

                          Am nächsten Morgen wurden wir wieder von strahlendem Wetter begrüßt. Wir hatten noch genügend Zeit bis zum Rückflug am Nachmittag. Hubert schien von der Tour noch nicht ausgelastet. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite war eine Art Outdoor-Fitnessstudio eingerichtet. Er trainierte hier an verschiedenen Geräten.



                          Der Campingplatz leerte sich langsam. Es gab viele Durchreisende, die nur für eine Nacht auf dem Platz verweilten, um dann die Tour in den Norden fortzusetzen. Der Nachmittag rückte näher, Zeit, sich von diesem herrlichen Ort zu verabschieden. Wir nahmen uns ein Taxi und fuhren zurück zum Flugplatz. Dieser besteht wie so viele Plätze im Norden Skandinaviens aus einem Parkplatz, einem Abfertigungsgebäude und dem Rollfeld. Es wirkte fast familiär. Wieder kamen mir Bilder aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ in den Sinn. Der einsame Bahnhof zu Beginn des Films, alles wartete auf die Ankunft des Zuges.
                          Wir waren bereits eingecheckt und nun wiederfuhr uns noch etwas, das mich den Bericht tatsächlich bis zu unserem Aufenthalt in Stockholm schreiben lässt. Wir warteten in der Wartehalle auf unseren Flieger, die Halle füllte sich langsam. Plötzlich kam eine Mitarbeiterin der Flughafenverwaltung herein und verkündete uns, dass es ein Gewichtsproblem beim Flieger gäbe und deshalb das Gepäck in Vilhelmina bleiben müsse. Es würde am nächsten Tag nachgeliefert werden. Wohl oder übel mussten wir unsere Rucksäcke in Vilhelmina lassen und traten den Rückflug nach Arlanda an.



                          Dort gaben wir den Gepäckverlust zu Protokoll. Da die Nachlieferung am nächsten Tag erfolgen sollte, hinterließen wir unser Hotel in Stockholm als Adresse. Ich hatte noch einige Kleidung in meinem Tagesrucksack, doch Hubert war ziemlich aufgeworfen.


                          Donnerstag, 27. Juli 2017 – banges Warten

                          Den nächsten Tag hielten wir uns auf der Museumsinsel Djurgården auf. Wir riefen nachmittags immer wieder im Hotel an, um nach dem Gepäck zu fragen. Es war noch nicht geliefert, wir schienen Pech zu haben. Als auch gegen 18.30 Uhr noch keine Lieferung erfolgt war, mussten wir uns beeilen. Die meisten Geschäfte in der Stadt würden um 19 Uhr schließen, im Eilschritt hetzten wir den Strandvägen entlang in Richtung Innenstadt. Hubert brauchte vornehmlich Unterwäsche, die Zeit rann, wir fanden noch einen Laden für Wäsche und Krawatten, wahllos griff er in ein Regal. Ich selbst würde noch eine Jacke für den geplanten Ausflug in den Schärengarten benötigen. Tatsächlich kamen wir noch an einem Sportgeschäft vorbei, welches bis 19.30 Uhr geöffnet hatte. Im Stil einer Shoppingqueen eilten wir durch die Abteilungen. Wir hatten Erfolg, beide fanden wir das, was wir brauchten, um einen weiteren Tag überbrücken zu können.

                          Dennoch gingen wir etwas missmutig zum Hotel zurück. Die Ungewissheit über den Verbleib unseres Gepäcks zerrte ein wenig an unseren Nerven. Sollte eine schöne Tour so ihren Abschluss finden? Ein letzter Versuch bei unserer Ankunft im Hotel, ein Gang zur Rezeption, noch mal fragen und während ich die Frage aussprach, fiel mein Blick in den offenen Nebenraum. Ich erkannte sofort meine blaue Rucksacktasche, auch Huberts Rucksack war da. Das Gepäck wurde 20 Minuten vorher geliefert, wie uns der Rezeptionist berichtete.

                          Damit endete unsere Lapplandtour 2017. 127 Kilometer waren es in diesen fünf Tagen für mich, 140 Kilometer für Hubert. Wir hatten jetzt noch drei weitere Tage in Stockholm, ehe wir die Heimreise antraten.

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                          • Erik950
                            Anfänger im Forum
                            • 08.12.2016
                            • 22
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                            #14
                            AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                            So, das war mein Bericht. Ich bedanke mich bei allen Lesern, die bis zum Schluss Geduld mit mir hatten. Für mich war es das erste Mal hier auf ODS, man möge mir daher den ein oder anderen Formatierungsfehler nachsehen.

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                            • Torres
                              Freak

                              Liebt das Forum
                              • 16.08.2008
                              • 30682
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                              #15
                              AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                              Vielen Dank. Das war ein wirklich schön geschriebener, ehrlicher und unterhaltsamer Bericht. Ich hoffe, Du schreibst weitere Reiseberichte.
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

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                              • Erik950
                                Anfänger im Forum
                                • 08.12.2016
                                • 22
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                                #16
                                AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                                Danke. Hat auch sehr viel Spaß gemacht. Während des Schreibens erlebt man die Reise ja noch einmal. Ich bin aber froh, dass der Bericht nun fertig ist, nun können wir uns der Planung der nächsten Tour widmen. Wir haben ein Ziel vor Augen, natürlich wieder in Lappland, ist aber noch zu früh, schon etwas über Ort oder Zeit zu schreiben. Ein Bericht wird dann gerne folgen.

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                                • Fjellfex
                                  Fuchs
                                  • 02.09.2016
                                  • 1252
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                                  Auch von mir vielen Dank für den stimmungsvollen Bericht!

                                  Und dieser Bernhard Nordh war mir bisher unbekannt. Falls ich mal in der Gegend unterwegs sein werde, wäre eines seiner Bücher bestimmt eine gute Einstimmung auf die Tour.

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                                  • Erik950
                                    Anfänger im Forum
                                    • 08.12.2016
                                    • 22
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                                    Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                    Und dieser Bernhard Nordh war mir bisher unbekannt. Falls ich mal in der Gegend unterwegs sein werde, wäre eines seiner Bücher bestimmt eine gute Einstimmung auf die Tour.
                                    Ich hatte bis dahin auch nichts von Bernhard Nordh gehört. Aktuell gibt es m. W. keine deutsche Ausgabe. Die Romane sind in (Online-)Antiquariaten jedoch gut zu bekommen.

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                                    • Ljungdalen
                                      Alter Hase
                                      • 28.08.2017
                                      • 2738
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                                      Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                      Und dieser Bernhard Nordh war mir bisher unbekannt.
                                      Ich hatte mal irgendwann von ihm gelesen, und das war dann einer der Gründe, ausgerechnet in diese Gegend zu fahren (Ferienhaus, siehe früherer Beitrag; obwohl Klimpfjäll statt Marsliden, wo wir nichts Passendes gefunden haben).

                                      Zumindest die beiden (bekanntesten) Bücher Schatten über der Marshalde und Norrlandsöhne bekommt man antiquarisch (online) ganz günstig, isbd. als Nachkriegs-Buchclub-Ausgaben (die deutschen Erstausgaben sind 1941/1943). Die anderen paar ins Deutsche übersetzten (s. deutsche Wikipedia) sind seltener, und auf Schwedisch gibt es einige Dutzend (s. schwedische Wikipedia )

                                      Es gibt auch einen Beitrag von ihm im STF-Jahrbuch 1937 ("Västerbotten" aus der ersten "Landskap"-Serie 1915-40), da geht es natürlich um diese Gegend und die dortigen Siedler ("Nybyggare"). Sein erster und größter schwedischer Bestseller I Marsfjällets skugga = o.g. "Schatten über der Marshalde" war auch 1937 erschienen.

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                                      • Sternenstaub
                                        Alter Hase
                                        • 14.03.2012
                                        • 3370
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                                        #20
                                        AW: [SE] Trekking im Marsfjäll

                                        Zitat von Erik950 Beitrag anzeigen
                                        Danke. Hat auch sehr viel Spaß gemacht. Während des Schreibens erlebt man die Reise ja noch einmal.
                                        ja, das ist auch meine Motivation, Berichte zu schreiben.

                                        Zitat von Erik950 Beitrag anzeigen
                                        Wir haben ein Ziel vor Augen, natürlich wieder in Lappland, ist aber noch zu früh, schon etwas über Ort oder Zeit zu schreiben. Ein Bericht wird dann gerne folgen.
                                        Na, das hoffe ich doch, dass es dann einen neuen Bericht gibt.
                                        Two roads diverged in a wood, and I—
                                        I took the one less traveled by,
                                        And that has made all the difference (Robert Frost)

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