[GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

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  • jiba
    Erfahren
    • 09.03.2018
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    • Meine Reisen

    [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Schottland - West Highland Way
    11.04. - 19.04.2018


    Ich weiß, es gibt schon so viele Schottland Reiseberichte, das hier wird nur einer von ganz, ganz vielen über den WHW. Aber vielleicht gibt es ja noch mehr wie mich, die einfach gerne mitlesen? Und vielleicht ist ein Bericht aus der Sicht eines absoluten Trekking-Newbies oder einer alleinreisenden Frau auch für andere wertvoll? Ich hoffe es! Zumindest werden einige meiner Missgeschicke für ein paar Lacher bei den erfahrenen Hasen sorgen können.


    2017
    Nach dem Schottland-Urlaub ist vor dem Schottland-Urlaub! Ich komme im September aus meinem 3. Schottland-Urlaub zurück und bin voll geflasht von den Eindrücken. Schottland ist jedes Mal irgendwie anders und neu. Klar habe ich schonmal vom West Highland Way gehört, aber mein üblicher Mitreisender steht der Sache Wandern (über mehrere Tage am Stück) ziemlich skeptisch gegenüber und mag lieber auf Berge steigen. Alleine, als Frau, ohne Erfahrung und ohne Ausrüstung so eine Strecke laufen? Hm.

    Dann stoße ich auf das Buch „Laufen. Essen. Schlafen.“ von Christine Thürmer und auf einmal scheint alles irgendwie immer noch ziemlich verrückt, aber machbar. Fünf Monate zur Planung eines einwöchigen Trips, auch wenn man keine Ahnung hat was man da tut, sollte ja irgendwie möglich sein, oder?

    Aus verschiedenen Gründen wird aus dem geplanten Start Mitte Mai erst Ende und dann Mitte April. Naja, statistisch gesehen nicht viiiieeel mehr Regen als im Mai. Ich drücke fest die Daumen und schwanke ständig zwischen „Das wird richtig cool“ und „Oh mann, ich werde (wahlweise hier einfügen) erfrieren/vom Regen weggespült/auf halber Strecke aufgeben“.

    Was nicht gerade zu meiner Seelenruhe beiträgt, sind meine ganzen Freunde die, ob meiner Erzählungen des bevorstehenden Urlaubs, mich ungläubig anschauen und fragen: „Wie? Du machst das alleine?!“


    20. März 2018 – noch drei Wochen bis es losgeht
    Es schneit! Das mag ja an und für sich für die meisten hier nicht so was Besonderes sein, aber bei mir im Ruhrpott ist das nicht normal. Und schon gar nicht Mitte März! Das kann ja was werden….. Naja, lohnt sich das Geld für den teuren Daunen-Schlafsack wenigstens!

    Ich habe unglaublich viel gelesen, vor allem hier im Forum. Die Ausrüstung ist fast beisammen – ein lokaler Outdoorshop hat seine wahre Freude an mir gehabt – nur mit dem Testen wird es langsam eng. Das Wetter und vor allem die Arbeit machen mir da einen gehörigen Strich durch die Rechnung.
    Zeltaufbau klappt, aber mein Newbie-Status wird mir wahrscheinlich an jedem ungelenken Handgriff anzusehen sein. Mein Mantra wird: Jeder hat mal klein angefangen!


    10. April 2018 – Anreise Weeze > Edinburgh > Milngavie
    Vor Aufregung schon eine Stunde vor dem Wecker wach geworden und an Schlaf war nicht mehr zu denken. Der Rucksack war schon vorgepackt, nur noch alle Schotten zu Hause dicht machen und los geht’s.
    Ich denke mir, den Rucksack muss ich sowieso noch weit genug schleppen, nehme ich den Bus zum Bahnhof. Nur, nachdem ich 10 Minuten rumsitze, nichts passiert und ich langsam nervös werde geht mir auf: „Heute wird gestreikt!“ Da kann ich lange warten! Also, per pedes die 1,5 km zum Bahnhof und bei der Ankunft schon völlig fertig. Das kann was werden!

    Am Flughafen Weeze dann der nächste Schock. Obwohl ich jedes Ausrüstungsteil abgewogen habe (zumindest im übertragenen Sinn) zeigt die Flughafenwaage 16,8 kg. Soo viel kann das ganze Kleinzeug doch nicht gewogen haben?
    Ich versuche mir einzureden, dass der Plastikkorb in dem der Rucksack gewogen wurde sicherlich 5 kg gewogen hat….

    Noch in der Luft kommt die Durchsage vom Piloten: „Edinburgh currently rainy and 5 degrees Celsius“. Moooment! Hat der wirklich 5°C gesagt??? War das nicht nur sein niederländischer Akzent und ich hab das falsch verstanden? Nope. Als wir quasi direkt aus der Wolkendecke im strömenden Regen auf der Landebahn aufsetzen wird klar, das habe ich schon richtig verstanden.

    Die Zugreise allerdings klappt wunderbar und ich komme abends in meiner AirBnB-Herberge in Milngavie an, die wirklich besser ist als jedes Hotel das ich in Schottland je gesehen habe. Ich genieße die letzten Stunden Luxus und gehe schon vor 21 Uhr schlafen.

  • jiba
    Erfahren
    • 09.03.2018
    • 163
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    • Meine Reisen

    #2
    AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

    11. April 2018 – Tag 1 – Milngavie > Easter Drumquhassle Farm bei Drymen – 19 km
    Heute geht es wirklich los. Auf dem Weg zum Startpunkt ist mir schon ein wenig mulmig. Was wird mich wohl erwarten? Zu Hause im Trockenen planen ist doch was ganz anderes als dann wirklich los zu müssen. Ich habe noch das Lachen einer Freundin im Ohr, als ihr erzählt habe, dass ich jeden Tag so ca. 20 km laufen will.

    Am Startpunkt in der Fußgängerzone von Milngavie sind noch alle Läden geschlossen und es ist nicht viel los. Vor mir ist schon eine große Gruppe am Obelisken und macht Fotos. Ich warte bis auch ich ein Foto machen kann. Passanten sind fast keine da, so wird es ein Selfie.



    Ziemlich still und unauffällig geht es nun wirklich auf den WHW. Der präsentiert sich auf den ersten Metern allerdings noch nicht von seiner besten Seite. Es geht über einen verbauten Parkplatz entlang von großen Straßen bis man dann in den Mugdock Park einbiegt. Dann allerdings ist es, als ob man schon in einer ganz anderen Welt ist. Die Straße sieht man erst nicht mehr und hört dann auch nichts mehr. So hab ich mir das schon eher vorgestellt!
    In den ersten Stunden werde ich von ziemlich vielen Leuten überholt, die beschwingt mit einem kleinen Daypack auf dem Rücken an mir vorbeiziehen und alle höflich grüßen. Bei einer dieser Überholvorgänge kommt uns eine ältere Dame entgegen und meint lachend zu mir: „Are you carrying their luggage?“

    Überhaupt habe ich schon wieder vergessen wie unglaublich nett und hilfsbereit die Schotten sind. Als ich zum ersten Mal an eine Stelle komme wo der WHW auf eine Straße ohne Bürgersteig abbiegt und ich etwas ratlos herumstehe und mich frage ob das wohl so richtig ist, bremst ein Van neben mir und ein junger Schotte ruft aus dem Fahrerfenster „West Highland Way?“ Ich nicke und er erklärt mir, dass ich wirklich der Straße folgen muss. Ich bedanke mich und er braust davon. Abgefahren, im wahrsten Sinne des Wortes!



    Mittags erreiche ich die Glengoyne Distillery und entscheide, meine Mittagspause dort zu verbringen. Ich habe Glück, kann meinen Rucksack parken und direkt an einer Tour teilnehmen. Da das nicht meine erste Destillerie-Tour ist, ist der ganze Prozess nichts Neues, aber ich liebe es, die alten Gebäude zu sehen und die Geschichte zu hören. Und dafür hat es sich hier wirklich gelohnt! Hinter der Destillerie gibt es sogar einen hauseigenen Garten samt Wasserfall!



    Glengoyne ist anscheinend die einzige Destillerie in Schottland die ihren Whisky in den Lowlands produziert und – da die Lagerhäuser auf der anderen Straßenseite sind – in den Highlands reifen lässt. (Es mag auch genau andersrum sein, nagelt mich da nicht fest! )

    Meine Hoffnung auf ein angeschlossenes Cafe wird leider nicht erfüllt, so geht es mit Whisky auf halbleeren Magen quasi schwebend weiter in die zweite Hälfte des Tages. Die gestaltet sich allerdings landschaftlich nicht so reizvoll (kaum Ausblicke, immer geradeaus an Feldern entlang) und so langsam macht mir der Rucksack zu schaffen. Anscheinend habe ich den Hüftgurt nicht richtig festgezurrt und habe schon schmerzhafte Druckstellen. Ich bin richtig froh, endlich bei der Easter Drumquhassle Farm anzukommen, meinem Tagesziel.

    Das Zelt ist zu meiner Erleichterung recht schnell aufgebaut, allerdings …. Warum hängen denn die Zeltwände an der einen Seite so und wollen gar nicht richtig gespannt werden? Bin ich einfach zu doof? Hm…. trotzdem Sachen rein. Fünf Minuten später gesehen, dass ich einen winzig kleinen Buckel übersehen habe und das Zelt gar nicht richtig stehen KANN. Da bleibt nichts anderes übrig als alles auszuräumen und das Zelt 50cm weiter links wieder aufzubauen.
    Dann mal den Campingplatz auskundschaften, was meine Laune auch nicht gerade hebt. Es gibt zwar Toiletten und eine Dusche, aber alles sieht so aus wie vor 15 Jahren mal in Eigenregie gebaut und seitdem nichts mehr dran gemacht. Ein Besen oder ein Lappen wurden anscheinend das letzte Mal vorm Winter geschwungen…. Muss das so? Werden jetzt alle Campingplätze so aussehen?

    Mittlerweile ist ein ziemlich kalter, starker Wind aufgezogen und alle Handgriffe, inklusive Kochen und Essen, werden nur in Handschuhen ausgeführt. Da ich kein Messmittel (und keine Erfahrung) habe, wird aus meinen Farfalle mit Gorgonzola und Spinat leider Spinat-Nudel-Suppe. Egal! Schmecken tut’s auch so!

    Selbst im Windschatten ist es so kalt, dass wir alle so schnell wie möglich in den Schlafsack kriechen.

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    • dingsbums
      Fuchs
      • 17.08.2008
      • 1503
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      #3
      AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

      Schöner Start, freue mich auf den Bericht.

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      • TeilzeitAbenteurer
        Fuchs
        • 31.10.2012
        • 1410
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        #4
        AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

        Zitat von jiba Beitrag anzeigen
        Glengoyne ist anscheinend die einzige Destillerie in Schottland die ihren Whisky in den Lowlands produziert und – da die Lagerhäuser auf der anderen Straßenseite sind – in den Highlands reifen lässt. (Es mag auch genau andersrum sein, nagelt mich da nicht fest! )
        Es ist gerade anders herum

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        • jiba
          Erfahren
          • 09.03.2018
          • 163
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          #5
          AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

          Zitat von TeilzeitAbenteurer Beitrag anzeigen
          Es ist gerade anders herum
          Ha! Danke für die Richtigstellung! Da hat einer offenbar deutlich besser aufgepasst, als ich.

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          • TeilzeitAbenteurer
            Fuchs
            • 31.10.2012
            • 1410
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            #6
            AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

            Zitat von jiba Beitrag anzeigen
            Da hat einer offenbar deutlich besser aufgepasst, als ich.
            Ich hab mich aber vorsichtshalber auch erst bei Wikipedia rückversichert

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            • loquita
              Gerne im Forum
              • 26.06.2011
              • 56
              • Privat

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              #7
              AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

              Sehr sympathisch Bin gespannt, wies weitergeht!

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              • jiba
                Erfahren
                • 09.03.2018
                • 163
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                #8
                AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                Zitat von dingsbums Beitrag anzeigen
                Schöner Start, freue mich auf den Bericht.
                Danke schön! Freut mich, dass das Thema doch noch nicht "ausgelutscht" ist.

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                • jiba
                  Erfahren
                  • 09.03.2018
                  • 163
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                  Zitat von loquita Beitrag anzeigen
                  Sehr sympathisch Bin gespannt, wies weitergeht!
                  Danke schön! Bin fleißig am Schreiben und merke dann erst, wieviel zusammenkommt. Das kurz halten wird wohl das Schwierigste werden.

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                  • DasBushbaby
                    Dauerbesucher
                    • 20.01.2015
                    • 539
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                    Zitat von jiba Beitrag anzeigen
                    Das kurz halten wird wohl das Schwierigste werden.
                    Nixda mit kurz. Ich möchte gerne alles schön ausführlich.

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                    • Meer Berge
                      Fuchs
                      • 10.07.2008
                      • 2381
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                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                      „Wie? Du machst das alleine?!“
                      Irgendwie lustig
                      Ich - als Frau! - werde das von Kollegen und Kolleginnen auch ständig gefragt. Meine Freunde kennen mich ja gut genug und fragen sich vielleicht im Stillen oder machen es selber.
                      Auch unterwegs, wenn man mal jemanden trifft, kommt immer die Frage, ob ich ganz alleine unterwegs bin. Das wäre ja mutig!

                      Ich habe mal in meinem (überwiegend) männlichen Bekanntenkreis nachgefragt. Ein allein wandernder/reisender Mann wird so etwas nie gefragt. Da halten es offensichtlich die Leute für normal, wenn ein Mann alleine unterwegs ist. Egal, wie wild die Tour ist. Ist der dann weniger mutig?

                      Für mich ist es ganz normal, alleine zu verreisen, längere Trekkingtouren in abgelegenen Gebieten zu machen und das richtig zu genießen. Ich finde das nicht mutiger als wenn ein Mann das macht. Wovor sollte ich Angst haben? Allerhöchstens vor Verletzungen fernab jeder Hilfe. Das kann jedem Mann genauso passieren.

                      Also, mach weiter! Und genieß es!

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                      • schoguen
                        Erfahren
                        • 25.02.2005
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                        #12
                        AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                        Da erinnert mich einiges an meine erste Touren.
                        Schön, dass du den ersten Schritt doch gewagt hast und unterwegs warst.
                        Am Kreuzweg fragte er die Sphinx:
                        Geh ich nach rechts, geh ich nach links?
                        Sie lächelte: ...
                        <Mascha Kaléko>

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                        • jiba
                          Erfahren
                          • 09.03.2018
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                          #13
                          AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                          Zitat von DasBushbaby Beitrag anzeigen
                          Nixda mit kurz. Ich möchte gerne alles schön ausführlich.
                          Yes, sir!

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                          • jiba
                            Erfahren
                            • 09.03.2018
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                            #14
                            AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                            Zitat von Meer Berge Beitrag anzeigen
                            Auch unterwegs, wenn man mal jemanden trifft, kommt immer die Frage, ob ich ganz alleine unterwegs bin. Das wäre ja mutig!
                            Ja genau! Das habe ich auch viel gehört.

                            Zitat von Meer Berge Beitrag anzeigen
                            Ein allein wandernder/reisender Mann wird so etwas nie gefragt. Da halten es offensichtlich die Leute für normal, wenn ein Mann alleine unterwegs ist. Egal, wie wild die Tour ist. Ist der dann weniger mutig?
                            Zitat von Meer Berge Beitrag anzeigen
                            Ich finde das nicht mutiger als wenn ein Mann das macht. Wovor sollte ich Angst haben? Allerhöchstens vor Verletzungen fernab jeder Hilfe. Das kann jedem Mann genauso passieren.
                            Ich glaube, dass viele Leute (zurecht?) davon ausgehen, dass Frauen im Zweifelsfall die "leichtere Beute" sind und sich ein Übeltäter vielleicht besser überlegt, einen 1,90m großen Mann anzugreifen, als eine 1,70m große Frau.
                            Mein Alleinreise-Status war in dem ganzen Urlaub aber nur ein einziges Mal an Tag 3 wirklich ein Thema. Ansonsten habe ich mich in Schottland sicherer gefühlt, als in meiner eigenen Heimatstadt!

                            Werde auf jeden Fall dran bleiben.

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                            • jiba
                              Erfahren
                              • 09.03.2018
                              • 163
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                              #15
                              AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                              12. April – Tag 2 – Easter Drumquhassle Farm > Drymen > Balmaha – 12 km

                              Obwohl ich fast jedes mitgeführte Kleidungsstück, inklusive Mütze, anhatte, bin ich bei jeder Windböe fröstelnd aufgewacht. D.h. ich habe kaum geschlafen, eine angehende Erkältung macht sich breit und mein Augenlid ist – wahrscheinlich durch die Zugluft – total geschwollen. Das ist mein absoluter Tiefpunkt. Was zum Teufel habe ich mir bloß bei dieser Sache gedacht?
                              An dieser Stelle könnten u. U. auch ein paar Tränchen geflossen sein.

                              Aber es hilft nix, es muss weitergehen, hier kann ich nicht aussteigen. Mal abgesehen davon, dass ich ja nicht nach dem ersten Tag aufgeben kann, fährt hier gar kein Bus.

                              Es gibt drei Dinge die mir an diesem Tag den ganzen Urlaub retten:

                              1) Die Sonne scheint! So sehr, dass ich sogar einen kleinen Sonnenbrand bekomme.
                              2) Schon auf dem ersten Hügel kommt Loch Lomond in Sicht und die Aussichten von Conic Hill auf Loch und Ben Lomond sind atemberaubend.
                              3) Ich verlaufe mich.

                              Nach einem Frühstück mit warmem Porridge, Nüssen und getrockneten Beeren (ich bin sooo froh, dass ich mir diesen Luxus gegönnt habe), bin ich fast wieder aufgetaut. Und das gute am Wind ist, dass das Zelt zumindest staubtrocken ist. Obwohl ich bereits um kurz nach 6 Uhr wach war, bin ich erst kurz vor 9 Uhr wieder unterwegs. Diese Zeit wird sich im Laufe der Reise allerdings – zum Glück – noch etwas reduzieren, aber unter 2 Stunden komme ich einfach nicht weg. Naja, bin ja nicht auf der Flucht!

                              Als ich gerade 100 Meter gelaufen bin, zeigt sich die Sonne und auf dem ersten Hügel kann man zum ersten Mal Loch Lomond erblicken, der mich die nächsten Tage begleiten soll.



                              In diesem Moment finde ich es zum ersten Mal schade, alleine unterwegs zu sein. Zu zweit hätte man sich vielleicht ob des desolaten Campingplatzes und der Kälte aufmuntern können. Gleichzeitig hätte ich diesen wunderschönen Anblick und die Freude daran gerne geteilt.
                              Wenigstens hat sich auf dem Hügel auch der Telefonempfang wieder eingestellt, so dass ich kurz ein paar Worte mit Freunden wechseln und ein Foto in die Heimat schicken kann. Die Welt sieht gleich ein bisschen besser aus.

                              Kurz danach passiert es dann (zum ersten, aber nicht zum letzten Mal), dass ich eine Wegmarkierung übersehe und fröhlich geradeaus gehe, obwohl ich hätte rechts abbiegen müssen. So wandere ich ahnungslos nach Drymen und merke dann in dem kleinen Städtchen, dass hier was nicht stimmen kann. Nach einem Blick auf die Karte bin ich zumindest in der richtigen Richtung aus der Stadt heraus unterwegs, bin aber nach ein paar hundert Metern wieder etwas ratlos, weil sich die nächste Wegmarkierung hinter einer Hecke versteckt.

                              Mich holen zwei Wanderer ein, die meine offensichtliche Verwirrung bemerken und sich mit mir auf die Suche begeben. Ich treffe hier Alison und Ian aus der Nähe von Manchester, zwei Rentner in ihren Mitt-Sechzigern, die mir auf dem Anstieg zum Conic Hill fast davonlaufen. Ganz ehrlich, wenn ich mal alt bin, dann hoffe ich, dass ich noch so fit bin wie die beiden!
                              Wir kommen schnell ins Gespräch und laufen den Rest des Tages zusammen. Die Sonne scheint hell während wir auf den Hügel steigen, als wolle sie sagen: „Hey, ist doch alles ganz easy. Nicht aufgeben!“ Alison und Ian soll ich im Laufe meiner Reise übrigens noch oft sehen und heute sind die beiden meine Rettung – nicht nur navigatorisch, sondern vor allem emotional.

                              Der Weg führt weiter durch den Garadhban Forest, und eigentlich gibt es auch ein Schild das diesen ankündigt. Von Wald ist hier allerdings leider kaum mehr was zu sehen. Die meisten Bäume wurden anscheinend kürzlich gefällt und über weite Strecken sieht man nur Stümpfe.



                              Trotz der Sonne weht hier eine ganz ordentlich Brise und ich bin zum ersten Mal froh, den schweren Rucksack zu haben, sonst wäre ich wahrscheinlich wie ein Lenkdrachen einfach davongesegelt! Selbst mit Rucksack hätte es mich ein paar Mal fast umgeweht.





                              Wegen des Windes ist auch der Gipfel des Conic Hills ausgefallen. Zudem waren auf der Seite, die von Balmaha auf den Gipfel führt, Massen an Menschen unterwegs, die die Schulferien für einen Tagesausflug genutzt haben. Die sind mir jetzt schon, am zweiten Tag, einfach zu viel. Eine kurze Pause um den unglaublichen Ausblick und die Fernsicht auf einen verschneiten Ben Lomond zu genießen muss allerdings sein!



                              Als wir gegen 14 Uhr den Parkplatz in Balmaha erreichen, hat sich die Sonne bereits schon eine Weile hinter ein paar dicken Wolken versteckt und ich bin ganz schön geschafft vom Tag. Für die Strecke von 12 km habe ich knapp 5 Stunden gebraucht und bis zur nächsten Jugendherberge in Rowardennan wären es nochmal 10 km gewesen. Das hätte ich nicht mehr geschafft. Und nach der letzten Nacht ist mir die Lust auf Zelten erstmal vergangen. Das hier ist mein Urlaub. Muss ich mir was beweisen? Nein, eigentlich nicht. Und so beschließe ich, spontan in Balmaha zu bleiben.
                              Ich finde Platz im Bunkhouse und habe richtig Glück; das Vierer-Zimmer darf ich allein bewohnen und ich kann bereits um halb drei einchecken. Erstmal Aufwärmen und Füße hoch! Dann noch ein kleiner Trip zum „Village Shop“ bei dem ich auf ein paar außergewöhnliche Einkäufer stoße!



                              Beim Abendessen treffe ich wieder Alison und Ian, die mir von ihrem Trekking-Trip in Nepal im letzten Jahr erzählen. Und ob sie den Ben Nevis bestiegen hätten? Ja klar, dreimal, aber eigentlich war ihre liebste Tour ja die gekletterte an der Tower Ridge hoch…. Und die letzten hundert Munros die ihnen noch fehlen, die würden sie ja gerne in den nächsten zwei Jahren noch „baggen“. Schließlich seien sie ja jetzt Rentner und hätten Zeit. Diese beiden, die sind einfach der Wahnsinn!

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                              • Sternenstaub
                                Alter Hase
                                • 14.03.2012
                                • 3313
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                                Zitat von jiba Beitrag anzeigen
                                Ich glaube, dass viele Leute (zurecht?) davon ausgehen, dass Frauen im Zweifelsfall die "leichtere Beute" sind und sich ein Übeltäter vielleicht besser überlegt, einen 1,90m großen Mann anzugreifen, als eine 1,70m große Frau.
                                Mein Alleinreise-Status war in dem ganzen Urlaub aber nur ein einziges Mal an Tag 3 wirklich ein Thema. Ansonsten habe ich mich in Schottland sicherer gefühlt, als in meiner eigenen Heimatstadt!

                                Werde auf jeden Fall dran bleiben.
                                Nö, ich denke das nicht. Junge Männer sind generell mehr in Gefahr das Opfer einer Gewalttat zu werden. Und ich kenne viele Männer, die keine 1.90 groß sind. Richtige Rabauken legen sich durchaus gern mit großen Männer an, weil da ein Sieg mehr gilt. hat mir auf jeden Fall mal ein Hooligan erzählt.
                                btw - ich habe mich bisher überall sicher gefühlt auf Reisen allein, ok, es gibt einige Länder, in welche ich zurzeit nicht fahren würde, ich fühle mich aber auch in Berlin sicher, mit einem freundlichen Lächeln kann man eh viele Menschen quasi entwaffnen.
                                Ich habe im Wald aber eh noch nie Räuber gesehen.
                                Schön, dass du dich auf den Weg gemacht hast, Jiba!
                                Two roads diverged in a wood, and I—
                                I took the one less traveled by,
                                And that has made all the difference (Robert Frost)

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                                • Borderli
                                  Fuchs
                                  • 08.02.2009
                                  • 1734
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                                  #17
                                  AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                                  Schöner Bericht bisher! Weiter so - und unbedingt so ausführlich wie möglich!

                                  Das hier ist mein Urlaub. Muss ich mir was beweisen? Nein, eigentlich nicht.
                                  Genau so ist es. Das ist neben "Was mache ich hier eigentlich?", "Warum tue ich mir das an?" und "War das toll heute!" einer meiner Standardansprachen an mich selbst, wenn ich unterwegs bin.

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                                  • Donik
                                    Erfahren
                                    • 24.03.2014
                                    • 199
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                                    #18
                                    AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                                    Sehr nett geschrieben. Immer her, auch den 12000405850sten Reisebericht aus Schottland (aber eigentlich aus jeder Gegend) lese ich gerne

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                                    • jiba
                                      Erfahren
                                      • 09.03.2018
                                      • 163
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                                      #19
                                      AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                                      13. April – Tag 3 – Balmaha > Rowchoish Bothy – 18 km

                                      Das Frühstück im Bunkhouse ist eine sehr … eigenwillige … Geschichte. Es gibt Marmelade, aber keinen „Plain Toast“ auf den man diese hätte schmieren können. Alles was an Toast da ist, ist bereits mit einer Käse-Ei-Masse gefüllt. So ganz genau weiß ich das allerdings nicht, denn ich habe mich ehrlich gesagt nicht getraut sie zu probieren. Das Tablett mit den Sandwiches hatte ich schon am Vorabend im Frühstücksraum erspäht und die müssen da die ganze Nacht ungekühlt verbracht haben…

                                      Verflixt! Aus Balmaha raus verpasse ich schon wieder eine Wegmarkierung. Nicht schlimm, alle Wege führen auf diesen kleinen, richtig fiesen Berg hinauf und ich finde den WHW wieder. Heute wird ein Tag der Kontraste. Es geht ab jetzt am Loch Lomond entlang, der erst mit flachen Stränden und weiten Ausblicken auf seine Inseln glänzt. Die Campingplätze an denen ich vorbeikomme müssen bei gutem Wetter traumhaft sein. Allerdings ist das Wetter heute typisch schottisch verhangen und droht unablässig mit Regen. Für die paar Schauer die aber wirklich runter kommen lohnt sich die Regenkleidung zum Glück nicht.





                                      Bald wird das Ufer steiler und der Weg führt auch mal weiter vom Ufer weg. Ich finde mich bald in einem Märchenwald aus jungen Birken wieder, dessen ganzer Boden mit Moos bewachsen ist. Überhaupt wird hier jedes denkbare und undenkbare Fleckchen sofort von der Vegetation in Beschlag genommen. Umgefallene Bäume werden direkt von Moos und sogar neuen jungen Bäumen besiedelt und verschwinden wieder im Grün. Ich fühle mich hier fast ein bisschen an den gemäßigten Regenwald in Washington erinnert.









                                      Am ganzen Vormittag treffe ich vielleicht zwei Menschen, bis ich im Rowardennan Hotel für eine heiße Suppe einkehre. Hier wird auch mein Wasserbeutel nochmal ordentlich gefüllt, bevor ich heute in der Bothy übernachte. Auch auf dem weiteren Weg zur Bothy begegnet mir nur ein einzelner Jogger.
                                      Was machen die hier bloß? Ich habe schon einige gesehen, und zwischen Milngavie und Balmaha hat mich das nicht groß gewundert. Aber wer läuft schon hier mitten im Nirgendwo? Später erfahre ich, dass hier bereits für den Highland Fling in zwei Wochen trainiert wird. Diese völlig verrückten und wahnsinnig trainierten Leute laufen ernsthaft die ganze Strecke von Milngavie bis Tyndrum (53 Meilen) am Stück!

                                      Kurz hinter dem Rowardennan Hotel sehe ich das Youth Hostel, zu dem ich gestern nicht mehr laufen wollte. Das Gebäude sieht aus wie ein altes Herrenhaus und so gar nicht wie eine Jugendherberge! Hier zu übernachten wäre sicher auch interessant. Für heute habe ich aber noch etwas vor und will hier noch nicht einkehren.



                                      Der Weg führt am Ufer entlang, über Steine, Wurzeln und unzählige kleine Bäche und Rinnsale. Immer auf der Linken das Wasser des Loch Lomond und leider ebenfalls immer präsent: der Straßenlärm der Hauptstraße am gegenüberliegenden Ufer.







                                      Es geht nun in einen – ungewöhnlich hier – Nadelwald hinein. Die Landschaft wechselt hier so schnell von einem Extrem ins andere, das lässt mich immer wieder erstaunen. Schnell erreiche ich jetzt Rowchoish Bothy.





                                      Hier wird mir zum ersten Mal richtig bewusst, dass ich eine allein reisende Frau bin. Bis jetzt habe ich mich zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt, ja habe nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet. Hier allerdings komme ich nicht umhin: Was mache ich, wenn ich in der Bothy auf mir unheimliche Gestalten treffe? Oder schlimmer, wenn ich mich schon eingerichtet habe und es kommen welche dazu? Kann ich dann die nächsten 5 km nach Inversnaid noch laufen? Die Antwort wäre dann: Ich muss.

                                      Dazu kommt es zum Glück nicht! Einzige „Bewohner“ der Bothy sind Rick und Yvonne aus den Niederlanden. Das Ehepaar ist ein paar Jahre jünger als ich und wir verstehen uns super. Naja, zu dritt an einem Baumstamm aus Stahl sägen und fast im Rauch des Feuers ersticken, das nur dann brennt wenn man es schon aufgegeben hat, schweißt halt zusammen! Wir sind um halb neun gerade dabei uns ins Bett zu begeben, als wir draußen Stimmen hören. Matt und Matt gesellen sich noch zu uns. Als die beiden ihre Rucksäcke auspacken, staunen wir nicht schlecht. Schlafsack, klar. Isomatte, check. Bacon, naja, okay. Sixpack Bier, oookay. Noch ein Sixpack Bier. Hallo? Wie haben die das alles geschleppt? Mehr Bacon, Bier, Teelichter, eine Sturmlampe, Kohle für’s Feuer, eine Pfanne, Fleisch für’s Abendessen, und und und….. deren Rucksäcke sind wahre Mary-Poppins-Taschen der Annehmlichkeiten. Die beiden teilen gerne ihr Bier und wir kommen deutlich später ins Bett als geplant!

                                      Nachts bekommen wir dann noch Besuch von einem sechsten Gesellen! Ich werde wach, weil es so in der Hütte raschelt und kleine dumpfe Klopfer zu hören sind. Als ich den Kopf hebe, sehe ich nur noch einen Schatten and der Rückwand der Hütte entlanghüpfen und irgendwo verschwinden.
                                      Der Pine Marten (Baummarder) war da!
                                      Die knuffigen Gesellen kommen zum Glück langsam in die schottischen Wälder zurück und dieser spezielle hier ist schon bekannt dafür, dass er öfter in der Bothy nach Futter sucht. Deshalb haben wir unser eigenes Essen in einer Metallkiste deponiert, nur haben wir wohl ein Paket trockener Nudeln unserer Vorgänger übersehen. Das wurde dann Marder-Dinner.

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                                      • Ziz
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                                        #20
                                        AW: [GB] Du machst das alleine?! - Ein Newbie auf dem WHW

                                        Es kann nie genug WHW Berichte geben!
                                        Schöne Sache mit dem Baummarder. Wir hatten damals auch auf dem WHW das Glück ein Hermelin zu sehen.
                                        Nein.

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