[FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

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    • 28.01.2015
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    [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

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    Mitreisende
    Der Grande Randonnée 20
    Reisebericht als PDF?
    Weitere Bilder und Kartenmaterial?


    Hallo zusammen,

    seit einiger Zeit habe ich einen ausführlichen Reisebericht zu der für mich bisher schönsten Trekkingtour online gestellt. Ich gebe zu, der Bericht ist umfangreich ...vielleicht genau das Richtige für alle, die diese Tour noch gehen wollen oder sich gern an ihre eigenen Erlebnisse erinnert fühlen.

    Viel Spaß beim Lesen!



    Eckdaten


    Gebiet: Korsika (Frankreich)
    Zeitraum: 31. August bis 18. September 2013
    Route: Calenzana • Foret de Bonifatu • Refuge de Carozzu • Haut-Asco • Refuge Tighiettu • Bergerie de Ballone • Refuge Ciuttulu di i Mori • Castellu di Verghio • Refuge de Manganu • Refuge de Petra Piana • Refuge de l'Onda • Vizzavona • Refuge de Capannelle • Col de Verde • Refuge de Prati • Refuge d'Usciolu • Bergerie de Croce • Refuge d'Asinao • Col de Bavella • Refuge de Paliri • Conca
    Anspruch: Anstrengender Hochgebirgsfernwanderweg durch schwieriges Gelände bei typischem Mittelmeerklima und atemberaubender Natur.
    Höhepunkte: 180 Km und 12500 Hm • Windgeschwindigkeiten bis 12 Bft • Temperaturen von 0° bis 30°C • Cirque de la Solitude • Mittelmeer und Hochgebirge • Korsische Kekse und Maronenbier


    Vorbereitung und Anreise
    Samstag, 31. August und die Monate davor


    Mein Segeltörn im Jahr zuvor entlang der Ostküste Korsikas hat mich auf den Geschmack gebracht, hat in mir geradezu Begeisterung für diese Insel ausgelöst. Keine langweilige Flachlandinsel aus Sand, Strandurlaubern und nichts weiter, sondern wilde, scharfkantige Steilklippen, Hochgebirge, kräftige Fallwinde und das weite Meer als Kontrast dazu. Eine kurze Recherche nach Wanderungen auf Korsika brachte es schnell ans Licht: Grande Randonnée 20, kurz GR-20, das einzig Wahre, ein Muss! Damit einher kamen Superlative wie "härtester Wanderweg Europas" oder "schönster Grande Randonnée" und immer wieder der Begriff "Cirque de la Solitude - Kessel der Einsamkeit". Das alles machte uns wahnsinnig neugierig, und so dauerte es nicht lange bis die Entscheidung für unsere Trekkingtour 2013 gefallen war. Den Großteil unserer Ausrüstung hatten wir nach zwei vorangegangenen Trekkingtouren in Norwegen und Schottland inzwischen beisammen. Nur hier und da optimierten wir einzelne Teile auf Gewicht, denn die von uns anvisierten 14 Tagesetappen waren ein langer Zeitraum, jedenfalls lang genug um dankbar auch für wenige Gramm Erleichterung auf dem Rücken zu sein. Als wir einen ersten Blick in unsere beiden Trekkingführer von Rother und Conrad Stein warfen, fiel uns die strikte Trennung des GR-20 in Nord- und Südteil auf. Der Nordteil enthält die spannenderen Kletterpassagen und gilt allgemein als anstrengender, der Südteil hingegen ist der ruhigere und sanftmütigere Teil des GR-20. Wir entschieden uns für den gesamten Weg und mussten später feststellen, dass der Unterschied zwischen beiden Teilen gar nicht so groß ist und das letzte Wort noch immer das Wetter zu sprechen hat.


    Die zweite Grundsatzentscheidung bei der Planung ist die Richtung, in die man laufen möchte: Von Nord nach Süd oder umgekehrt. Die Sonne im Gesicht oder im Rücken. Die größten Anstrengungen zuerst oder zum Schluss. Und dann gibt es ja noch den Cirque de la Solitude, dem in manchen Reiseberichten ganze Seiten gewidmet werden und von dem wir bis jetzt keine konkrete Vorstellung hatten. Da wir Anfang September starten wollten, hielten wir es für ratsam, die kniffligen Passagen so schnell wie möglich hinter uns zu bringen um einem vielleicht früheren Kälteeinbruch besser im Süden des GR-20 zu begegnen. Wir planten und deckten uns mit topografischen Karten ein, planten weiter und eigentlich waren wir noch mitten in der Planung oder in der mentalen Vorbereitung, als es auf einmal soweit war. Der Rucksack war gepackt und das Gewicht meines Deuter lag wie schon in den Jahren zuvor über meinem Wunschgewicht bei letztendlich 19 Kilogramm ohne Wasser. Wir rechneten nicht damit, an jeder Hütte Verpflegung kaufen zu können und schleppten daher Nahrung für ca. eine Woche mit: Tütensuppen, Nudeln, 50 Energieriegel, Nüsse und zum ersten Mal verschiedene Sorten Pemmikan, einer nahrhaften Mischung aus Dörrfleisch und Fett. Beim letzten Gespräch am Abend vor dem Abflug, an dem wir unsere Packlisten ein letztes Mal kontrollierten, spürte ich eine ungewisse Aufregung in uns. Wir wussten, dass es anstrengend werden würde: 12500 Höhenmeter und 180 Kilometer über zwei Wochen verteilt durch ein Hochgebirge wandern, das hatte noch keiner von uns gewagt. Konnte man das eigentlich noch Wandern nennen? Ich hoffte es!


    Korsika gehört seit 1769 zu Frankreich, daher gilt Französisch als Amtssprache. Daneben existiert allerdings eine eigene italoromanische Sprache, die sich in den Jahrhunderten zuvor entwickelt hat und eine Mischung aus Italienisch und Französisch darstellt. Anbei ein ganz kleines Wörterbuch mit den wichtigsten Begriffen aus der korsischen Bergwelt:
    • Auberge – Herberge
    • Bergerie – Bauernhof
    • Bocca – Bergrücken
    • Brèche – Riss, Spalte
    • Col – Gebirgspass, Sattel
    • Crête – Grat, Kamm
    • Gîte – Schlafstelle
    • Lac – See
    • Monte – Berg
    • Passerelle – Brücke, Steg
    • Punta – Gipfel, Spitze
    • Rau – Fluss
    • Refuge – Berghütte
    • Ruisseau – Bach



    Bastia: Blick auf den alten Hafen Le Vieux Port der wichtigsten Handelsstadt Korsikas.


    Sehr früh musste der Wecker nicht klingeln, denn unser Flug ging erst am Nachmittag und mein Weg von Freiburg nach Stuttgart war deutlich kürzer als Marcels Anreise von Dresden. Vermutlich klingelte der Wecker in den folgenden zwei Wochen nie später als an diesem Tag, doch das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich zog mich in Ruhe an, nahm noch ein letztes Mal ein ordentliches Frühstück zu mir, hievte meinen Rucksack auf, zog die sauberen und am Vorabend imprägnierten Trekkingstiefel an und machte mich auf den Weg nach Stuttgart. Am Hauptbahnhof stieß ich auf Marcel, meinen Begleiter für die nächsten 18 Tage und Kumpel aus Kindheitstagen. Erschrocken stellten wir fest, dass wir doch tatsächlich die gleichen Wandershirts trugen, ein Albtraum für Individualisten, aber schon im nächsten Moment waren wir in Gedanken auf Korsika, dem Hochgebirge im Meer. Interessiert stellten wir im Warteraum fest, dass ein großer Teil der Passagiere ebenfalls in Wanderkleidung unterwegs war. Mit ein paar von ihnen kamen wir ins Gespräch und der GR-20, so stellte sich heraus, war bei keinem unbekannt, sondern bei allen Gesprächsthema Nummer Eins. Der Flug mit Germanwings verlief ohne Probleme, keine verloren gegangenen Rucksäcke wie in Norwegen oder Check-In Hürdenläufe durch das Flughafenterminal wie in Schottland. Der Anflug auf Bastia war beeindruckend, denn der Pilot steuerte zunächst an Bastia vorbei und flog eine Spitzkehre knapp über den ersten Gipfeln des Gebirges. Irgendwo dort unten sollte unsere Tour beginnen, auf irgendeinem dieser Gipfel würden wir stehen. Das Wetter war perfekt und der Pilot meldete über 30 Grad Celsius und wolkenfreien Himmel in Bastia.



    Die Hafenpromenade von Bastia mit einer vor Anker liegenden Fähre.


    Nach dem üblichen Prozedere und der Entgegennahme unserer Rucksäcke standen wir schließlich vor dem Flughafen. Vorsichtshalber hatten wir für die erste und letzte Nacht eine günstige Unterkunft in Bastia gebucht um genügend Zeitpuffer für den Abflug zu haben und den ersten Bus oder Zug am frühen Morgen nach Calenzana, dem Startpunkt des GR-20, zu bekommen. Leider ist der Ruf der öffentlichen Verkehrsmittel auf Korsika verheerend was Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit betrifft und wir waren drauf und dran uns mit anderen Wanderern zusammenzuschließen und ein Taxi bis Calenzana zu nehmen. Der Preis von 180 Euro war den beiden am Flughafen getroffenen Deutschen allerdings zu hoch und nach Absprung dieser beiden entschieden auch wir uns für die ursprünglich geplante Übernachtung in Bastia, auch wenn wir dadurch fast einen ganzen Tag verlieren würden. Ein Bus, der seine besten Tage schon hinter sich hatte, brachte uns anschließend ins Stadtzentrum von Bastia. Während die Klimaanlage auf Hochtouren lief überlegten wir zusammen mit dem Pärchen aus Karlsruhe wie wir am nächsten Morgen am schnellsten nach Calenzana kommen konnten. Es gab zwei Möglichkeiten: Bahn oder Bus. Schiene oder Straße. Was würde zuverlässiger sein? Wir entschieden uns für den Bus und die anderen beiden für die Bahn und wir bereuten unsere Entscheidung nicht! Den Rest des Abends verbrachten wir mit einem Spaziergang entlang der Uferpromenade und aßen ein letztes Mal etwas Vernünftiges. Aber was? Ich vergaß zu erwähnen, dass wir fast kein Wort Französisch sprachen. Mein kleines Reisewörterbuch war schnell überfordert und musste sich gegen unsere ausgewachsene französische Speisekarte klar geschlagen geben. Wir bestellten einfach einen Cheeseburger mit Pommes und Salat! Anschließend verschwand Marcel Richtung Herberge, während ich noch ein wenig frische Meeresluft atmen ging, meinen Gedanken freien Lauf ließ und die ganzen Erinnerungen verarbeitete, die auf einmal wiederkamen. 17 Monate war es schon wieder her, als ich an dieser Küste entlang segelte und mir dachte, dass es hier doch sicher ein paar nette Wanderungen geben müsste. Eine Stunde später lag ich im Bett.


    Trockenheit und Mittagshitze
    Sonntag, 1. September | Calenzana - Foret de Bonifatu



    Gefunden: Der Zugang des GR-20 mit Conca als Ziel am anderen Ende der Insel.


    Pünktlich war er schon, unser kleiner gemütlicher Bus. Nur der exakte Haltepunkt war etwas schwierig zu finden. Alle Trinkflaschen waren gefüllt, der Rucksack mit seinen inzwischen 22 Kilogramm wurde im Kofferraum verstaut und wir nahmen in einer der vorderen Reihen Platz. Aus dem Radio schwang gut gelaunte französische Volksmusik und als der Bus endlich losschaukelte summte unser Busfahrer freudig mit. Genau so stellte ich mir das Leben hier vor. Gemütlich, gut gelaunt und ohne Stress! Zunächst fuhren wir Richtung Süden um auf die Passstraße zu gelangen, die uns durch den nördlichen Zipfel des Gebirges führte. Nach etwa drei Stunden Fahrt kam das Meer wieder in Sicht, jetzt würde es nicht mehr weit sein. Wir verständigten uns mit dem Busfahrer, nutzten Hände und Füße, damit er uns schon vor Calvi, der größten Hafenstadt an der Nordküste Korsikas und Endstation unseres Busses, auf der Straße absetzte. Von der Küstenstraße bis nach Calenzana waren es etwa 10 Kilometer landeinwärts in brütender Hitze zu laufen. Da uns auf dieser Nebenstraße hin und wieder tatsächlich ein Auto überholte, versuchte ich mein Glück und hielt einen Daumen raus. Bereits das dritte Auto hielt an und die Fahrerin, eine zugewanderte Italienerin, winkte uns zu sich. Sie erzählte uns zwei drei Sätze über ihr Leben hier auf Korsika und schon waren wir in Calenzana, einem etwas ausgetrockneten Dorf am Fuß eines großen Berghangs.



    Sonnengebräuntes Erlengestrüpp und erste Felsen ließen nicht lange auf sich warten.


    Trotz der unerwarteten Taxifahrt war es jetzt schon 13 Uhr und wir hatten die Wahl: Einen Zeltplatz suchen und am nächsten Morgen früh los oder sofort starten - trotz fortgeschrittener Stunde - und das Risiko eingehen von der Dunkelheit überrascht zu werden. Glücklicherweise gab es noch eine dritte Möglichkeit: Sofort und wie geplant los laufen und auf halbem Weg den Abzweig nach Foret de Bonifatu nehmen, einem alternativen Einstiegspunkt auf den GR-20. Wir wollten endlich hinauf auf die Berge, der Hitze auf Meeresspiegelniveau entkommen und keinen weiteren Tag verlieren - wer wusste schon wann wir den noch brauchen würden. Die Entscheidung war schnell gefallen und der Zugang zum GR-20 ebenso schnell gefunden. Ein paar Spritzer Sonnencreme auf die Haut, Rucksäcke sattelfest gemacht und kaum hatten wir das letzte Haus von Calenzana hinter uns gelassen, ging es ohne Ausnahme steil bergauf. Bereits nach einer Stunde erblickten wir wieder das Meer und sahen auf den vorerst letzten Ort hinab. Der Weg schlängelte sich durch eine staubtrockene Einöde weiter hinauf und schon war der erste Liter Wasser verbraucht. Langsam hielten wir Ausschau nach der Alternativroute Richtung Foret de Bonifatu, denn laut unserem Kartenmaterial müsste es jederzeit soweit sein. Ein nicht mehr lesbarer Wegweiser überzeugte uns und wir schlugen eine neue Richtung ein, doch nach diesem Wegweiser kam nichts mehr.



    Zum Ende eines jeden Sommers: Das ausgetrocknete Flussbett des Figarella.


    Es ging verdächtig steil bergab und die Kurven, die der neue Pfad nahm, stimmten uns nachdenklich. Erschrocken nahmen wir plötzlich zur Kenntnis, dass wir am Horizont vor uns ein Dorf sahen, dass nur Calenzana heißen konnte. Was für ein Ärger! Bis wir zurück an der Gabelung mit dem nicht mehr lesbaren Wegweiser waren, hatten wir eine gute Stunde vergeudet. Als wir schließlich den richtigen Weg fanden ging es quer über mehrere Hügel, an Dornengestrüpp vorbei, durch neue Senken und über weitere Hügel hinüber. Das Wasser neigte sich weiter dem Ende entgegen bis wir genau zum richtigen Zeitpunkt eine erste Quelle fanden. Das aus einem Wiesenhang hinausragende Eisenrohr versprühte kaltes Wasser, perfekt zum Erfrischen, und so legten wir eine kurze Pause ein, aßen zwei Riegel und nahmen anschließend den Rest des Weges in Angriff. In den Stunden bis zu unserem Etappenziel kreuzten wir den Figarella, einen Fluss, an dem wir Wasser auffüllen wollten, der aber fast vollständig ausgetrocknet war. Wir wuselten durch enges Gestrüpp einen Trampelpfad hinauf und fluchten über die üblichen Unannehmlichkeiten eines ersten Wandertages, die ein schwerer Rucksack oder feste Bergschuhe mit sich bringen. Es war bereits zu fortgeschrittener Abenddämmerung, als wir im Foret de Bonifatu unsere Zelte auf steinreichem Untergrund aufbauten und uns abends eine gekühlte Orangina und ein Weißbrot gönnten. Die seit längerem erste Nacht im Zelt war ungewohnt, die Lage seitlich abfallend und daraus schlussfolgernd die Erholung schlecht.


    Der Norden vergibt nicht
    Montag, 2. September | Foret de Bonifatu - Haut-Asco



    Refuge de Carozzu: Das erste typische Refuge auf unserem Weg.


    Erbarmungslos klingelte der Wecker 6 Uhr 30! Nachdem wir unsere Ausrüstung verpackt und die Wasserflaschen aufgefüllt hatten sowie uns zum Frühstück das restliche Weißbrot vom Vorabend zusammen mit zwei Energieriegeln schmecken ließen, war es schon 7 Uhr 45. Damit waren wir, abgesehen von einer vierköpfigen Familie mit Kindern, die Letzten, die sich auf den Weg zum Refuge de Carozzu machten. An den neuen Rhythmus hatten wir uns also noch nicht gewöhnt, aber das sollte noch kommen. Der Weg führte uns durch Laubwälder über die nördlichen Teile des Mare e Monti, einem weniger bekannten Fernwanderweg, bis er schließlich steil bergauf zum Refuge de Carozzu und zurück auf den eigentlichen GR-20 führte. Bis jetzt waren wir uns nicht sicher gewesen, ob wir die folgende Etappe bis Haut-Asco gleich mit angehen sollten. Der Wetterbericht der Hüttenwirtin im Refuge sagte Regen und Starkwind vorher und unser Trekkingführer mahnte die erste schwere Etappe des GR-20 an, doch es war gerade erst Mittag und wir fühlten uns nach einer guten Pause wieder ausreichend gestärkt. Eine kurze Erfrischung an der nicht weit entfernten Wasserquelle und es ging weiter über Wurzeln und Baumstümpfe.



    Die berühmte Hängebrücke markiert den Einstieg zu den ersten alpinen Abschnitten.


    Nach nur wenigen Minuten erreichten wir erstmals die Baumgrenze und aus einem festgetretenen Waldpfad wurde ein kleiner Klettersteig über schräge Steinplatten und entlang mit Eisenketten bestückter Felsabschnitte. Irgendwann, als uns der Weg immer weiter und höher führte, legten wir eine weitere Pause ein und genossen die herrliche Aussicht auf die schroffen Felsformationen und engen Täler. Von der Regenfront war glücklicherweise noch nichts zu sehen als uns zwei Deutsche entgegen kamen, den GR-20 also von Süd nach Nord liefen und ihr Ziel Calenzana so gut wie erreicht hatten. Respekt dachten wir, die haben es bald geschafft! Eine kurze Frage nach den Bedingungen im Cirque de la Solitude, ab sofort nur noch Cirque genannt, wurde mit einem Grinsen beantwortet. Was das wohl bedeuten sollte? Langsam aber stetig stießen wir weiter in die alpinen Abschnitte vor, während der Himmel sich mehr und mehr verfinsterte. Trocken würden wir Haut-Asco heute bestimmt nicht erreichen! Das war zu diesem Zeitpunkt aber egal, denn die Hitze war trotz der Höhe und der sich schließenden Wolkendecke weiterhin präsent und ein kurzer Schauer käme uns gelegen. Wir überquerten soeben die Bocca di a Muvrella (2025 m), ungefähr auf dem höchsten Punkt dieser Etappe, gerade während wir zu einer größeren Gruppe aus Osteuropa aufschlossen, die sich vor einer Engstelle mit Klettereinlage sammelten, als die ersten Regentropfen fielen. Und hier wurde uns das erste Mal bewusst, dass Korsika eben nicht Norwegen ist und der GR-20 tatsächlich sehr bekannt sein muss.



    Wer im Norden beginnt findet sich sehr schnell inmitten von Gipfeln wieder.


    Auf engen Serpentinen überholten wir einen nach dem anderen, bis wir den Großteil der Gruppe hinter uns hatten während der Regen stärker wurde. Wie so oft entscheidet man sich erst dann für den Regenschutz, wenn es eigentlich schon zu spät ist. So auch hier! Als wir die Regenjacken überzogen und die Rucksäcke abdichteten, goss es bereits wie aus Eimern. Der steiler werdende Pfad hinab ins Tal verwandelte sich innerhalb von Sekunden von einem Rinnsal in einen fließenden Strom, welcher sich, je weiter man ins Tal fortschritt, immer öfter verzweigte. Erfreut sahen wir, wie einer der fortgeschrittenen Bergwanderer einzelnen Personen aus der Gruppe unter die Arme griff. Wir halfen derweil einem Einzelgänger beim Überziehen seines Ponchos, was in diesem Abschnitt allein etwas mühselig war. Noch immer konnten wir unser Etappenziel im weiten Tal nicht ausfindig machen. Mit dem Hosenboden rutschten wir an glatten Felsabsätzen entlang, während das strömende Regenwasser von oben und unten auf uns einbrach. Trotz Zelt im Rucksack hofften wir jetzt auf einen freien Platz im Gîte. Kurz nach einer weiteren Kletterpassage auf einer glitschigen Gesteinsplatte passierte es: Ich blieb mit meinem rechten Schuh in einem engen Spalt hängen, konnte mich mit dem linken Fuß abfangen und verknackste mir diesen dabei. Auch das noch! Nach einer zehnminütigen Pause liefen bzw. humpelten wir weiter, alles natürlich ein wenig langsamer.



    Kurz vor Regeneinbruch auf 2000 Metern: Die Aussicht von der Bocca di a Muvrella.


    Erst gegen 16 Uhr, als der Regen langsam nachließ, machten wir unser Ziel aus: Haut-Asco! Versteckt hinter Bäumen und vor einem tief abfallenden Tal. Der steinige Abstiegspfad wandelte sich langsam zu einem Wurzelpfad, durch dichten Kiefernwald führend und immer steiler fallend, bis wir von einem Moment auf den anderen auf einem breiten Forstweg landeten und vor uns ein brüchiges Steinhaus und dahinter ein futuristisch anmutendes Holzgebäude fanden. Schnell ließ ich meinen Rucksack bei Marcel und verschwand für etwa zehn Minuten im Steinhaus. Alles voll! Die Plätze im Gîte waren bei schlechtem Wetter begehrt und den letzten Schlafplatz hatte derjenige bekommen, dem wir mit seinem Poncho geholfen hatten. Wir wussten nicht, was sich in dem großen Holzgebäude befand, daher liefen wir dort als nächstes hin und sahen bald, dass es sich um ein Hotel mit Restaurant handelte. Vor wenigen Jahren entstand hier ein großes Skigebiet, mitten in den korsischen Bergen und irgendwie deplatziert. Ein Zimmer war noch frei! Wir überlegten nicht lange und nahmen es ohne zu zögern. Ein Hotel entspricht zwar nicht unseren Vorstellungen eines Abenteuers im Hochgebirge, aber wir waren klatschnass und wollten dem Kessel der Einsamkeit am nächsten Morgen ohne größere Handicaps begegnen. Die schwierigste Etappe des GR-20 stand uns bevor. Den Rest des Tages trockneten wir unsere Ausrüstung mit einem kleinen Fön und entschieden uns während des Abendbrots den ersten Ruhetag bereits morgen einzulegen. Den Cirque wollte ich nicht mit angeknackstem Fuß durchklettern!



    Das Gîte in Haut-Asco: Hier legten wir den ersten und letzten Ruhetag ein.


    Es war der erste und letzte Ruhetag auf unserer Tour. Kurz nach dem Aufstehen packten wir unseren Kram zusammen, nahmen ein Frühstück aus Haferriegeln zu uns und gingen hinüber ins Steinhaus. Für die zweite Nacht in Haut-Asco wollten wir die ersten im Gîte sein und uns eine Schlafstelle sichern. Die Hüttenwirtin verkaufte frisches Weißbrot und zusammen mit Kartoffelpulver und dem oft gelobten Pemmikan aus unserem Rucksack mischten wir eine ganz gut verträgliche und stark sättigende Pampe an. Gegen 13 Uhr kamen die ersten Wanderer an und fielen über die freien Zimmer im Gîte her. Ein einzelner Franzose, den wir später noch viele Male wiedersehen würden, stieß erstmals zu uns und wir teilten zusammen ein Zimmer. Den Rest des Tages erkundeten wir die Gegend um Haut-Asco, ein Plateau auf einem Hang mit einer schmalen Straße, die aus dem Asco-Tal empor kroch und hier endete. Auf der dem Abstieg vom Vortag gegenüberliegenden Seite hatte man den höchsten Berg Korsikas vor sich, den Monte Cinto (2706 m) mit seinen ausgeprägten Graten. Mein Blick folgte weiter dem Hang hinauf und traf auf die Punta Minuta (2556 m), hinter diesem Berg musste sich der Cirque befinden und die Aufregung nahm zu. Viele, die den GR-20 gelaufen sind, beschreiben den Cirque auf eine ungewohnt latente, fast mystische Art und Weise, wie ein Erlebnis, dass anders abgelaufen ist, als man es erwartet hat. Wir blieben bei den Fakten, und die sagen, dass der Cirque die Schlüsselstelle auf dem GR-20 ist. Wer hier nicht weiter kommt, kann alternativ nur die kräftezehrende Route über den Monte Cinto nehmen oder muss wieder umdrehen. Wir studierten noch eine Weile unser Kartenmaterial und malten uns verschiedene Szenarien aus, falls es am Cirque doch nicht so laufen sollte, wie geplant. Ansonsten ist an diesem Tag nicht viel mehr passiert, und da wir am nächsten Morgen die Ersten am Berg sein wollten, um den Andrang an den Kletterstellen und die Gefahr eines Steinschlags zu minimieren, verschwanden wir schon früh im Bett. Der Wecker war auf 5 Uhr 15 gestellt!


    Der Kessel der Einsamkeit
    Mittwoch, 4. September | Haut-Asco - Bergerie de Ballone


    Bereits vor 5 Uhr wachten wir auf und warteten auf den Bon Jovi Song aus meinem Handy. Während der Franzose in unserem Zimmer noch schlummerte, machten wir leise unsere Rucksäcke abmarschbereit, legten die Stirnlampen und zwei Riegel zurecht und gingen nach unten in den Mannschaftsraum. Hier wurde an einer großen Tafel das Frühstück für eine größere Gruppe von Wanderern zurecht gemacht, einem sympathischen Haufen aus Engländern, wie wir später herausfinden sollten. Der Geruch von Rührei und frisch belegten Brötchen stieg uns in die Nase und weckte den Neid in uns als wir wieder auf unsere Haferriegel schauten. Der Großteil der Wanderer war jetzt munter und setzte sich an den langen Tisch, die meisten mit ernstem Blick - ihnen stand heute ebenfalls der Cirque bevor. Gegen 5 Uhr 50, gerade als die Hütte voll und es immer lauter wurde, zogen wir unsere Jacken über und rückten die Stirnlampen zurecht. Wir waren, abgesehen von zwei Alleingängern, tatsächlich die Ersten auf dem Weg zum Cirque - und es war dunkel und still.



    Morgendämmerung 6 Uhr 50: 1 Stunde und 300 Höhenmeter lagen bereits hinter uns.


    Hinter dem Steinhaus verlief der Weg einmal quer über das gesamte Plateau und verschwand kurz darauf in einem kleinen Birkenwäldchen. Es war ein überwältigendes Gefühl so früh am Morgen unterwegs zu sein. Die beiden Lichtkegel unserer Stirnlampen reichten gerade aus, um über das nächste Hindernis zu steigen. Im offenen Gelände wäre es schwierig gewesen die Zeichen des GR-20 zu orten, aber der Weg war eng und eindeutig. Nach 90 Minuten, das Birkenwäldchen lag schon lange hinter uns, kroch das Morgenrot die Felswände hinauf. Die schönsten Sonnenaufgänge sollte man angeblich hier beobachten können, aber dafür waren wir 30 Minuten zu spät losgelaufen. Als wir den ersten Blick auf das Meer erhaschen konnten, war die Dämmerung fast vorüber, das Farbenspiel war dennoch beeindruckend. Die Schatten der Nacht verschwanden und machten den Lichtspielen der Berge platz. Der Aufstieg wurde anstrengender, das Gelände steiler und verblockter und die ersten Klettereien ließen nicht lange auf sich warten. Doch bis jetzt blieb es angenehm kühl - sobald uns die Sonnenstrahlen näher kamen, führte uns der GR-20 hinter den nächsten Berg.



    Nahe der Bocca Tumasginesca: Ein letzter Blick in das zurückliegende Tal...


    Da wir das Höhenprofil dieser Etappe auswendig kannten, wussten wir, dass es nach einer kleinen Senke und einem See noch einmal kurz und knackig nach oben gehen und dort der Cirque auf uns warten würde. Der Schwindeltest, wie unser Trekkingführer den Cirque beschrieben hatte, stand uns kurz bevor. Als es immer weiter hinauf ging und wir uns langsam fragten, ob der Cirque de la Solitude eine Erfindung der Bergbauern sei um dem Ansturm der Wanderer Herr zu werden, standen wir gegen 8 Uhr 30 auch schon vor ihm. Völlig unscheinbar verliefen die Markierungen des GR-20 über einen Bergsattel, auf dem ein paar Leute Rast machten. Die aufkommende Frage, ob hier nicht bald der Cirque auftauchen müsste, wurde gleichzeitig mit dem Blick auf einen etwas unheimlich wirkenden Abgrund beantwortet. Wir befanden uns hier auf der Bocca Tumasginesca (2183 m) an der Westflanke der Punta Minuta und fragten uns, wie man da hinunter soll. Der Kessel der Einsamkeit lag vor uns, jetzt hieß es: Stöcke festbinden und alles verstauen, was hinderlich sein könnte, die Hände mussten frei sein. Hinter uns kamen bereits die nach uns gestarteten Wanderer in Sicht, wenn jetzt auch noch die Frühaufsteher aus der Gegenrichtung Süd-Nord kämen, dann würde es unangenehm eng werden. Wir wollten keine Zeit verlieren und machten uns auf - 250 Meter hinein in den Kessel und 300 Meter auf der anderen Seite wieder heraus.



    ...bevor wir für zwei Stunden im Kessel der Einsamkeit verschwanden.


    Schon nach wenigen Metern kamen die ersten Eisenketten in Sicht. Schritt für Schritt kletterten wir nach unten, teilweise auf Rillen innerhalb von Steinschrägen und oft auf der Suche nach der nächsten festen Trittmöglichkeit, was mit 20 Kilogramm auf dem Rücken nicht immer eindeutig feststellbar war. Immer wieder hörten wir loses Gestein herunterrollen, welches von Leuten abseits der Markierungen losgetreten wurde, zum Glück kam es meist schnell zum Erliegen. Die mit Ketten gesicherten Abschnitte hörten bald auf und es ging nicht weniger steil ohne Sicherung weiter. An Griffen und Tritten hat es so gut wie nie gemangelt und der Fels im Cirque ist sehr scharfkantig und fest, doch bei Sturm und Regen sollte man diese Etappe abbrechen. Eine Gruppe von Franzosen lief erneut abseits der Wege und wagte sich an den Abgrund heran. Es passierte was passieren musste: Gesteine von der dreifachen Größe eines Kopfes kamen ins Rollen und verlangsamten sich dieses Mal nicht. Der Warnruf "Attention!" kam viel zu spät und nicht einmal von den Verursachern selbst, sondern von den Leuten, die bereits abstiegen und an den Ketten hingen. Die meisten versuchten in Deckung zu gehen und hatten Glück, dass die großen Steine am anderen Ende der Abstiegswand nach unten sprangen. So auch Marcel, an dem ein kopfgroßes Exemplar etwa drei Meter entfernt vorbeischoss.



    Pausieren und Posieren: Auf der Bocca Minuta wurde der Cirque gefeiert.


    Der Boden des Kessels kam langsam näher, gerade als die Kletterei anfing Spaß zu machen. Fließend ging die Felswand, an der wir seit einer guten Stunde klebten, über zu einem Geröllhaufen bis zum anderen Ende des Kessels. Jetzt kam der anstrengende Teil des Cirque! Nach einer kurzen Pause machten wir uns an den Aufstieg - keine Minute zu früh, wie wir an den vielen Leuten sahen, die hinter uns an der Wand hingen. Technisch gesehen ist es aufwärts meist einfacher, dennoch bot auch der Aufstieg zur Bocca Minuta (2218 m) die eine oder andere knifflige Stelle und mehrere kurze Kletterpassagen. Die letzten 100 Höhenmeter verlief der Pfad über extrem steile Geröllhänge, auf denen vor allem Rücksicht auf nachfolgende Wanderer genommen werden musste. Pünktlich 12 Uhr und heftig atmend standen wir auf dem höchsten Punkt dieser Etappe. Die Aussicht war atemberaubend! Hier oben trafen wir viele der Wanderer wieder, die uns bereits im Kessel der Einsamkeit begegnet waren. Einsam konnte man den Kessel übrigens nicht bezeichnen, denn hier drin tummelten sich zeitweise über 30 Personen. Viele legten eine längere Pause ein und entspannten sich in der Sonne, die scheinbar erst jetzt anfing zu strahlen und im Cirque wegen der zahlreichen Gipfel ringsherum ausgeschlossen war. Nach 20 Minuten Rast setzten wir die Reise zum Refuge Tighiettu fort, das wir bereits von hier oben sehen konnten. Der Weg dahin verlief über loses Gestein, war aber im Vergleich zum Vormittag gut begehbar.



    Idylle und Frieden: Ein Pferdetreck schafft Lebensmittel zum Refuge Tighiettu.


    Schon nach 30 Minuten saßen wir unter den massiven Balken dieser auf völlig unwegsamem Gelände erbauten Hütte und pausierten nochmals kurz. Unser Nachtlager wollten wir hier aber noch nicht aufschlagen, und so liefen wir weiter hinein ins Viru-Tal bis zur Bergerie de Ballone, der meiner Meinung nach besten Hütte auf dem GR-20. Das Erste, was wir uns gönnten, war ein kühles Pietra, das zweite ein frisches Käseomelett. Besser kann es nach so einem Tag nicht mehr kommen! Nachdem wir unsere Zelte innerhalb einer kleinen Befestigungsanlage aus Steinen, die dem Schutz vor Wildschweinen dient, aufbauten, machte ich mich auf den Weg zum ersten Badegumpen und ließ meine Seele im Wasser baumeln, bis ich eingenickt war. Kaltes, klares Wasser mit darauf spiegelnden Bergketten, die sich im Hintergrund aufbäumten und ein langgezogenes Tal, in das es am folgenden Tag hinein ging. Ich hörte näherkommende Geräusche, die sich nicht zuordnen ließen. Waren das Hufe? Ja, und kurz darauf überraschte mich ein Pferdetreck, der aus dem Gebüsch kam! Vier aneinandergebundene Pferde mit einem Reiter auf dem vordersten Pferd trugen Lebensmittel zum Refuge Tighiettu, das von hier noch wunderbar zu sehen war. Klar, einen Helikoptertransport, wie in den Alpen, konnte sich auf Korsika keiner leisten. Der Reiter ließ seine Tiere pausieren und der Badegumpen wurde zu einer Pferdetränke.



    Bergerie de Ballone: Der ideale Ort nach einem adrenalinreichen Tag.


    Nach einer letzten Erfrischung im Wasser, die Pferde waren schon längst an ihrem Ziel, lief ich zurück und verabredete mich mit Marcel auf der Terrasse der Bergerie. Wir bekamen das wohl größte Schinken-Baguette auf dem GR-20, während die Abenddämmerung über uns hereinbrach. Gemeinsam ließen wir den Tag Revue passieren, es war geschafft! Aber wurden unsere Erwartungen auch erfüllt? Ja! Den Cirque de la Solitude muss jeder mit eigenen Augen und Händen erfassen. Fotografieren kann man ihn nur sehr schlecht, selbst mit Weitwinkel lassen sich die Dimensionen kaum festhalten, dazu kommt, dass man an den kniffligen Stellen andere Sorgen hat, als die Kamera herauszuholen. Und ist der Cirque gefährlich? Schon, aber weniger wegen der Kletterstellen. Geht man die Sache ruhig und wohl überlegt bei gutem Wetter an, kann eigentlich nicht viel passieren. Die objektiv gesehen größte Gefahr ist der Steinschlag. Alles ging gut aus! Was würde jetzt noch auf dem Weg nach Conca passieren können? Die schwierigste Etappe lag hinter uns! Wir verschwanden eine Stunde nach der Dämmerung in unseren Zelten. Die Nacht war stockdunkel und die Sterne funkelten hell, es war Neumond.
    Zuletzt geändert von Supertramp82; 03.02.2015, 15:45.
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    All I can say about life is, Oh God, enjoy it! ...by Bob Newhart

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    #2
    [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

    Be aware the fox!
    Donnerstag, 5. September | Bergerie de Ballone - Castellu di Verghio



    Auf der Bocca di Foggiale: Die Landschaft änderte sich an diesem Tag stündlich.


    Nächtliche Besuche von Wildschweinen gab es keine. Es war die erste Nacht, in der ich tief und fest im eigenen Zelt schlief und mich an das Bergklima gewöhnt hatte, bis 7 Uhr morgens. Viele waren bereits munter und packten ihre Ausrüstung zusammen, als ich mich zum Waschen zu dem kleinen Holzschuppen aufmachte. Wir füllten unsere Wasservorräte am Brunnen auf und gegen 8 Uhr waren wir wieder unterwegs. Die Anstrengungen vom Vortag spürten wir noch deutlich in den Beinen, doch die anderthalb Etappen bis nach Castellu di Verghio sollten heute laut Trekkingführer weniger mühsam sein. Der Weg führte uns ein Stück weiter ins Viru-Tal hinein, durch einen dichten Kiefernwald, bis wir an der Westseite des Tals steil aufsteigen mussten und nach ein paar lockeren Klettereien wieder mitten im Geröll standen. Ähnlich einer Mondlandschaft verlief der GR-20 quer über den Bergrücken Bocca di Foggiale (1962 m) an der Südflanke der Paglia Orba (2525 m), dem Matterhorn Korsikas, bis wir in der Ferne das Refuge Ciuttulu di i Mori sahen. Das massive Steinhaus lag völlig ungeschützt an einem losen Hang, aber sogar hier gab es eine Trinkwasserquelle und einzelne Lebensmittel zu kaufen. Wir blieben nicht lange und liefen kurz darauf weiter Richtung Bocca Lonca (1890 m), einem weiteren Bergrücken, auf dem es ordentlich windete, und hinab in das Golo-Tal. Nie zuvor habe ich so kontrastreiche Landschaften gesehen: Vom bizarren Cirque de la Solitude in das grüne Viru-Tal, über eine einsame Mondlandschaft direkt in das heiße Golo-Tal, in dem es die schönsten Badegumpen auf der gesamten Tour gab. Hier nahmen wir uns die Zeit und machten es uns auf den warmen Steinen gemütlich, während die Füße im Wasser baumelten.



    Zwei erfrischende Wasserlöcher.


    Bis wir am Nachmittag in Castellu di Verghio eintrafen beobachteten wir wilde Ziegen, stießen auf unzählige Eidechsen und ließen die Kameras auf Hochtouren laufen. Kurz vor Ankunft zogen schwere Wolken auf und wir entschieden uns für eine Nacht im Gîte, direkt neben der Tür mit dem Hinweis "Be aware the fox!" und einem frechen Fuchskopf darauf. Nebenan lag ein kleiner Shop mit einem lustigen Ladenbesitzer, der recht bald zum besten Freund hier wurde, weil er neben den notwendigen Lebensmitteln auch ein paar nicht notwendige Extras anbot, z.B. Joghurt, Marmelade, korsische Kekse und gleich drei verschiedene Biere zu verhältnismäßig günstigen Preisen. Er verkaufte auch das wohl beste Weißbrot auf dem GR-20, dass wir uns am Abend zusammen mit unserer selbst zubereiteten Kartoffelpampe schmecken ließen. Während wir da saßen und die Wolken aufziehen sahen - für den nächsten Tag wurde Gewitter angekündigt - machten wir das erste Mal Bekanntschaft mit den zwei Landsmännern Jan und Kai sowie John, dem Australier, der sich ihnen angeschlossen hatte und immer wieder einmal verschwand, aber dann auch wieder aufkreuzte. Alle drei blieben für die nächsten beiden Tage unsere Gefährten. Wir unterhielten uns noch eine Weile und gingen gegen 21 Uhr 30 in die Kojen. Eine amüsante Anekdote zum Schluss: Kurz nach Abenddämmerung gegen 20 Uhr kamen zwei weitere Wanderer völlig fertig und durchgeschwitzt an. Die beiden waren an diesem Tag von Haut-Asco bis nach Castellu di Verghio gelaufen, zweieinhalb Etappen und den Cirque auf einmal. Sie hatten eine frische Salami von einem Bauern gekauft und verschwanden damit bald in ihrem Zelt, doch das Schicksal sollte es nicht gut mit ihnen meinen...


    Der Bauer und die Mistgabel
    Freitag, 6. September | Castellu di Verghio - Refuge de Manganu



    Dunkle Wolken verdrängen die letzten Sonnenstrahlen auf der Bocca San Pedru.


    Die Nacht war stürmisch! Wir lagen neben der Tür und diese war angelehnt um in dem mit 10 Personen gefüllten Schlafraum frische Luft zu bekommen. Irgendein Metallteil stieß ohne erkennbaren Rhythmus gegen etwas, das Lärm verursachte. Dann kreuzten weitere Wanderer mitten in der Nacht auf, die ersten hingegen waren schon wieder unterwegs. Endlich meldete sich Bon Jovi zu Wort und kündigte das Ende der Nacht offiziell an. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand im Gîte wusste: In dieser Nacht schlich auf der Zeltwiese nebenan tatsächlich der Fuchs umher und klaute Lebensmittel aus den Apsiden der Zelte, unter anderem die frische Salami der beiden vom Vorabend. Immerhin wurden, soweit wir wussten, keine Zelte gerissen, das soll nämlich auch schon vorgekommen sein. Es dauerte nicht lange bis alles im Rucksack verstaut war - längst hatten wir Routine darin - und wir uns auf dem GR-20 wiederfanden. Die heutige Etappe sollte noch einmal etwas ruhiger werden und das Gelände bis zum Refuge de Manganu keine besonderen Anforderungen stellen, je nach Wetterlage. Zunächst verlief der Weg durch einen fröhlichen, von der Morgensonne rötlich gefärbten Morgenwald, in dem wir die ersten Wildschweine trafen. Wild konnte man sie allerdings nicht bezeichnen, viel zu friedlich suhlten sie sich im Schlamm, wahrscheinlich gehörten sie irgendeinem Bauern. Das Gewitter, von dem am Abend die Rede war, hatte sich noch nicht gezeigt. Üblicherweise treten auf Korsika Regen und Unwetter erst am Nachmittag auf, daher versuchten wir jeden Tag so früh wie möglich zu starten und bereits nachmittags am Ziel zu sein und so auch mehr Zeit zum Entspannen und Vorbereiten der nächsten Etappe zu haben.



    Lac de Nino: Ein sieben Hektar großer Bergsee glazialen Ursprungs.


    Als es über die Bocca San Pedru (1452 m) steil bergauf zur Bocca â Reta (1883 m) ging und der Wald schon länger hinter uns lag, zogen die angekündigten dunklen Wolken auf. Ein ungünstiger Zeitpunkt, so kurz vor dem höchsten Punkt des Tages und ohne Schutz auf freier Fläche. Wir legten einen Zahn zu und spulten die Höhenmeter so schnell wie nie zuvor ab um zu Beginn des Gewitters wieder auf dem Weg ins Tal sein zu können, doch all das war unnötig. Oben angekommen verzogen sich die Wolken und machten Platz für farbenfrohe Lichtspiele zwischen vereinzelten Sonnenstrahlen und der flachen, unregelmäßig aufbrechenden Wolkendecke. Wir pausierten auf einer großen Wiese und beobachteten das Schauspiel zusammen mit unseren Mitstreitern, abgesehen von John, der hatte sich verlaufen. Der nächste Höhepunkt an diesem Tag war der Lac de Nino. Kurz nach dem Abstieg von der Bocca â Reta erstreckt sich ein fast sieben Hektar großer Bergsee glazialen Ursprungs umgeben von einem Hochmoor mit mäandernden Schmelzwasserzuflüssen. Der Anblick fesselte uns für die nächsten 30 Minuten, die uns entlang des Sees führten. Nächster Stopp: Bergerie de Vaccaghia! Angeblich sollen hier die konservativsten Bauern Korsikas leben, die sich sogar weigern Französisch zu sprechen. Wir wollten ein frisches Stück Käse kaufen, das uns empfohlen wurde, aber es war niemand daheim. Ich kletterte über das Gatter um die Preise auf dem Schild neben der Tür lesen zu können und kam bis zur dritten Zeile als die Tür aufschlug und ein Bauer mich mit seiner Mistgabel auf korsisch fluchend verjagte. Dann eben nicht! Außerdem sahen wir von der Bergerie de Vaccaghia aus bereits unser Tagesziel, Refuge de Manganu. Ich möchte gleich sagen, dass dies der einzige unfreundliche Moment auf Korsika war, alle anderen Einheimischen waren nicht nur freundlich, sondern auch überaus zuvorkommend!



    Bergerie de Vaccaghia: An einem weiteren Nagel hätte beinahe mein Skalp gehangen.


    Es war erst kurz nach Mittag, als wir am Ziel eintrafen. Anhand der Lage wurde uns sofort klar, dass ab der nächsten Etappe wieder andere Saiten aufgezogen werden würden. Der Biwakplatz war eine in die Länge gezogene schiefe Ebene, die in Richtung eines schmaler werdenden Geröllhangs zeigte. Dort hoch sollte es am frühen Morgen gehen, die zweitschwerste Etappe des GR-20 stand uns bevor und bisher konnte man den Einschätzungen unseres Trekkingführers Glauben schenken. Inzwischen zogen erneut dunkle Wolken auf, die sich alle um das Refuge herum bildeten, nur direkt über uns erbrach sich ein Loch in der Wolkendecke, durch das die Sonne kräftig schien. Wie man uns hier sagte, sei das nicht außergewöhnlich und das Wetter würde oft einen Bogen um diesen Ort machen und erst auf der anderen Seite des hinter uns liegenden Berges herunterbrechen. Wir mieteten heute zur Abwechslung ein Zelt, da der Boden unbeständig war und die meisten guten Flächen von den Mietzelten besetzt waren. Der Vorteil war zudem, dass wir am nächsten Morgen schneller abmarschbereit sein und unsere Zelte trocken bleiben würden, falls es die Nacht noch regnen sollte. Nachdem ich meine Ausrüstung gereinigt und mir unter der Kaltwasserdusche einen abgefroren hatte, machte ich es mir auf einer langen Holzbank gemütlich und verschlang die restlichen Lebensmittel aus dem Shop von Castellu di Verghio, ein richtiger Heißhunger überkam mich.



    Refuge in Sicht (Bildmitte): Das Felsmassiv dahinter wartete am nächsten Tag auf uns.


    Jan und Kai sind kurz nach uns eingetroffen und auch John ließ nicht lange auf sich warten und fand schon bald zu uns, welchen Weg er auch immer genommen hatte. Abends saßen wir alle zusammen auf dem Balkon vor der Hütte und studierten die Schlüsselstellen der folgenden Doppeletappe. Wir wollten 5 Uhr aufstehen, mittags am Refuge de Petra Piana sein und anschließend weiter durch das Grottaccia-Tal bis hinauf zum Refuge de l'Onda, dem letzten Halt vor Abschluss des GR-20 Nord. Inzwischen waren immer wieder Wanderer im Lager eingetroffen, bis auch das kleinste Stück Boden mit einem Zelt bedeckt war. Es dauerte nicht lange, bis sich eine riesige Schlange vor dem Hüttenwirt bildete: Auf einigen Hütten gab es bei Voranmeldung eine warme Mahlzeit pro Tag und heute stand ein großer Teller Makkaroni auf dem Plan. Wir verzichteten darauf und aßen unsere eigenen Vorräte um die Rucksäcke ein wenig zu erleichtern. Als ich aber John mit seinem Teller zu uns kommen sah, ärgerte ich mich dann doch. Genau das hätte ich gebraucht! Ich vergnügte mich derweil mit meinen korsischen Keksen. Als die Abenddämmerung fortschritt, fingen unzählige Stirnlampen über dem gesamten Biwakplatz an zu leuchten, bis nach ganz hinten, wie Glühwürmchen, die sich in einer warmen Luftmasse zusammendrängen. Nie übernachteten wir gemeinsam mit so vielen Trekkern wie am Refuge de Manganu. Alle bereiteten sich auf die folgende schwere Etappe vor. Bilder vom Basislager des Mount Everest zwangen sich uns auf. Eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit verschwanden wir in unserem Zelt.


    Nie wieder Doppeletappen
    Samstag, 7. September | Refuge de Manganu - Refuge de l'Onda



    Der größte Geröllhang auf dem GR-20 führt hinauf zur Brèche de Capitello.


    Die Nacht war ätzend und alles andere als erholsam! Nie wieder wollten wir uns diese schmutzigen Zelte antun. Als ich endlich schlief, krächzte Bon Jovi los, "Keep The Faith" war der Ton, der die Nacht beendete. Besser als das Piepen aus den anderen Zelten, dachte ich. Kalt war es über Nacht geworden und ich tat mich schwer aus dem Schlafsack zu kommen. Gedämpfte Stimmen drangen ins Zeltinnere und bedeuteten, dass es auf dem GR-20 ganz normal ist 5 Uhr morgens aufzustehen. Der erste Blick aus dem Zelt relativierte diesen Eindruck etwas, es waren nur vier bis fünf schwache Lichter zu sehen, die sich in anderen Zelten regten, die meisten schliefen also noch. Anziehen, Zähneputzen, Ausrüstung zusammenräumen, zwei drei korsische Kekse zum Frühstück... es dauerte keine 25 Minuten, bis wir wieder einmal bereit für die Berge waren. Gleich hinter dem Refuge führte ein steiniger Pfad an den zu erklimmenden Geröllhang heran. Es war finster und das Licht unserer Stirnlampen reichte nur wenige Meter in die Dunkelheit hinein. Teilweise mussten wir minutenlang nach der nächsten Wegmarkierung suchen, so dass uns eine Gruppe von drei Franzosen, die wir am Vorabend kennenlernten, bald einholte. Diese kannten entweder den Weg oder hatten stärkere Lampen im Einsatz, jedenfalls fanden sie die Markierungen in Sekundenschnelle und wir schlossen uns ihnen daraufhin an. Einer von ihnen bestand darauf Deutsch mit mir zu reden, was sich als schwierig herausstelle, da er nur die Worte Ja und Nein beherrschte. Dennoch unterhielten wir uns eine gute Stunde lang, und ich weiß wirklich nicht mehr über was. Die ersten Kletterabschnitte kamen jetzt in Sicht und mussten noch während der Morgendämmerung überwunden werden. Der Fels war zu dieser Zeit gefährlich rutschig, so dass wir uns stellenweise gegenseitig hochhalfen. Mensch, waren die fit, diese Franzosen! Es fiel zunehmend schwerer mit ihnen Schritt zu halten, ihr Vorsprung wurde größer. Als der Himmel sich langsam blau färbte und die Markierungen wieder klar einsehbar waren, legten wir eine Pause ein und ließen die Franzosen weiterziehen.



    Blick von der Bocca â e Porte auf den Lac de Capitello und den gleichnamigen Berg.


    Wir standen ganz unten vor einem hohen Felsmassiv, im Schatten der Berge Capu a i Sorbi (2267 m) und Punta alle Porta (2313 m). Von der Sonne würden wir erst nach dem langen Aufstieg zur Brèche de Capitello (2220 m), einem Durchgang, der die beiden Gipfel miteinander verband, etwas abbekommen. Der größte Geröllhang auf dem GR-20 lag vor uns! Schon von weit unten war der sehr schmale Durchgang zu sehen, denn die Sonne warf einen einzelnen Strahl hindurch an den links davon liegenden Gipfel des Capu a i Sorbi. Die Franzosen waren bereits verschwunden und hinter uns war niemand weiter in Sicht, wir machten uns auf! Ab der zweiten Hälfte wurde die Wand immer steiler, Geröll und Steinquader waren inzwischen mannshoch und die Brèche de Capitello, die von weitem so schmal erschien, wuchs in eine Breite von etwa vier Metern. Als wir oben ankamen, war der Anblick geradezu überwältigend! In dem Moment, als ich den letzten Schritt machte, überfluteten Sonnenstrahlen mein Gesicht und das bis eben noch im Schatten liegende dunkelgraue Gestein nahm einen goldrot glänzenden Farbton an. Die beiden Gipfel, zwischen denen wir jetzt standen, bilden zusammen mit dem Capitello (2245 m) ein gewaltiges ringförmiges Felsmassiv, in dessen Talsohle der Lac de Capitello liegt, der tiefste natürliche See Korsikas. Der GR-20 führte uns allerdings nicht zum See hinunter, sondern verläuft weit oben an der inneren Wand der Punta alle Porta, um das Felsmassiv herum, fast bis zur gegenüberliegenden Seite, an der wir nach dem Aufstieg standen. Es galt erneut kleinere Klettereien zu überstehen und einen sehr engen Kamin abzusteigen, was nur mit nachgezogenem Gepäck möglich war. Dabei fiel unser Blick verdächtig oft auf die uns umgebenden abstrakten Felsformationen und deren Spiegelbilder auf dem weit darunter schlafenden See. Nach einer kurzen Pause auf der Bocca â e Porte (2000 m) mit Blick auf den Lac de Melo ging es zum zweiten Mal an diesem Tag hoch hinauf, auf den Col de Rinoso (2170 m) und weiter über den Rücken der Punta Muzzella (2342 m). Gegen 12 Uhr Mittag sahen wir knapp 400 Meter unter uns das Refuge de Petra Piana. Der Abstieg war mühselig und führte auf den letzten Metern über losem Schotter an Erlengestrüpp vorbei, bis auf ein Plateau, das eher nicht zum Zelten einlud. Pause!



    Kurz hinter der Bocca Muzzella: Auch an diesem Tag änderte sich die Berglandschaft mehr als einmal und sorgte für heißlaufende Kameras.


    Wir spürten die letzte Etappe deutlich in unseren Beinen, doch es war gerade erst Mittag und wir fühlten uns fit genug für eine weitere Etappe, die laut Trekkingführer wieder etwas leichter werden sollte. Das Wetter war erstklassisch! Keine Wolken in Sicht und es gäbe sogar Möglichkeiten für ein Notbiwak in dem nun zu durchschreitenden Tal sowie zahlreiche Wasserquellen und Badegumpen. Nach einer längeren Pause und der Auffrischung unseres Proviants - Marcel gönnte sich eine frisch vom Bauern gebundene Salami - verabschiedeten wir uns von Jan, Kai und den drei Franzosen und stiegen weiter ab in das vor uns liegende Tal.



    Gute Talsicht: Das Refuge de Petra Piana auf seinem steinigen Plateau.


    Es war einer der längsten und steilsten Abstiege auf dem GR-20 von 2206 auf 942 Meter hinab. Die Knie brannten! Am tiefsten Punkt stießen wir auf die Bergerie de Tolla, die überraschenderweise von einem Landsmann aus der Eifel bewirtschaftet wurde. Er beschrieb uns, wie er zu dieser Ehre kam: Vor vielen Jahren übernachtete er drei Mal an diesem Ort und wurde daraufhin von dem damaligen Besitzer gefragt, ob er nicht ein paar Tage aushelfen könne. Auf einmal war er saisonaler Hüttenwirt auf einer Hütte ohne Biwak- oder Schlafmöglichkeit. Dennoch bot er uns einen Platz auf seinem Land an und verwöhnte uns mit leckerem Käse und reifer Salami. Nur Brot konnte er uns nicht anbieten, das war ausgegangen, und von dem Jungen, der heute frisches Brot bringen sollte, fehlte jede Spur. Er zeigte in die Richtung, aus welcher der Junge jede Minute kommen müsste und riet uns, ihm einen schönen Gruß vom Deutschen zu sagen um eines der frischen Brote abzubekommen. Wir tranken noch eine Orangina und machten uns wieder auf den Weg, denn die Zeit rannte uns davon. Es war jetzt 15 Uhr und ein dritter großer Anstieg an diesem Tag lag vor uns. Nach wenigen Metern überquerten wir den Rau de Manganello auf der Passerelle de Tolla. Es dauerte eine Weile bis ich meinen Blick von dem klaren Wasser lassen konnte. Was für ein schönes Element! Noch 500 Höhenmeter steil bergauf durch das Grottaccia-Tal, zunächst auf einem breiten Forstweg, der schon bald einem verschlungenen Wurzelpfad weichen musste. Die letzten beiden Kilometer waren die bittersten auf der gesamten Tour. Es war kurz vor 18 Uhr, die 13. Stunde in den Bergen schlug und wir spürten wie unsere Kräfte rapide nachließen. Nie wieder Doppeletappen, fluchten wir! Die Sonne stand bereits unangenehm flach am Horizont und im Wald wurde es langsam finster, wenn dieses verflixte Refuge nicht endlich bald...



    Muss auch einmal sein: Ein Selfie auf der Passerelle de Tolla.


    Hinter jedem Hügel erwarteten wir das Refuge de l'Onda und irgendwann kam es tatsächlich in Sicht: Eine große umzäunte Pferdekoppel mit einem rustikalen Steinhaus vor dem Nordhang der Crête de Muratello (2064 m), die es am nächsten Tag zu bezwingen galt. Übrigens standen hier die Pferde außerhalb und die Zelte innerhalb der Umzäunung. Beim Hüttenwirt meldete ich unsere beiden Zelte an und diesmal schlugen wir als die Letzten unser Lager auf, säuberten unsere Ausrüstung und bereiteten alles für den finalen Tag auf dem GR-20 Nord vor, gerade noch bevor sich die Abenddämmerung mit einem schweren Wolkenband über uns ausbreitete. Den Brotjungen hatten wir nicht mehr angetroffen, dafür gab es einen ganz kleinen Shop, der wenigstens altbackenes Brot verkaufte. Besser als nichts! Es gab zwar auch hier ein warmes Abendmahl, doch wir stellten bestürzt fest, dass unser Bargeld aufgrund der ganzen Übernachtungen und der Lebensmittel, die man sich hin und wieder einmal gönnte, merklich zusammengeschrumpft war. Korsika war verdammt teuer und ich erinnerte mich an Wanderer, die mangels Bargeld den GR-20 abbrechen mussten! Wir entschieden uns nach der nächsten Etappe in Vizzavona zu pausieren und einen Abstecher nach Corte zu machen, der früheren Hauptstadt der Insel, um Proviant und Finanzen wieder aufzufüllen.



    Schlechte Wetteraussichten: Der umzäunte Biwakplatz wenige Meter unter dem dichten Wolkenmeer.


    Nachdem alles erledigt war entschied ich mich, der gemütlichen Hütte noch einen Besuch abzustatten, doch sie war hoffnungslos überfüllt. Bis auf ein Schweizer Pärchen, das wir im Cirque kennenlernten, entdeckte ich keine mir bekannten Gesichter, die meisten sind wahrscheinlich im Refuge de Petra Piana geblieben. Sei's drum! Ich machte es mir draußen auf der Terrasse gemütlich und ließ mir ein Omelett mit einem kühlen Pietra bringen. Der 7-jährige Sohn des Hüttenwirts schien an mir einen Narren gefressen zu haben und fuhr die ganze Zeit mit seinem Dreirad um mich herum. Ein "Do you speak English?" hat ihn dann leider so sehr verschreckt, dass er nicht mehr wiederkam. Jetzt war es wohl auch für mich Zeit zu gehen! Auf dem Weg zur Pferdekoppel ging ich an den Pferden vorbei, die fröhlich in der Gegend herumliefen, stieß die Holztür der Umzäunung auf und begab mich in mein Zelt. Die Wolkenfront, deren Ausmaß selbst bei Dunkelheit deutlich sichtbar war, musste weiter vorgerückt sein. Trotz der Strapazen an diesem Tag habe ich diese Doppeletappe als einen der schönsten Abschnitte des GR-20 in Erinnerung behalten, den Cirque außen vor gelassen. Der war zu grotesk und außer Konkurrenz. Ich schlief innerhalb von Sekunden ein.


    Geldmangel plus Unwetter gleich Corte
    Sonntag, 8. September | Refuge de l'Onda - Corte


    Mother mother, tell your children, that their time has just begun (...) Father father, please believe me, I am laying down my guns (...) You know you're gonna live through the rain, Lord, we've got to keep the faith (...)



    Unterwegs auf dem Mare e Mare, der von der Ost- bis zur Westküste Korsikas führt.


    Ich ließ den kompletten Song durchlaufen. Es regnete sowieso! Jeder lag in seinem Zelt und lauschte dem Prasseln des Regens auf der Außenwand. Im Trekkingführer lasen wir Warnungen, man solle diese Etappe bei Nässe unbedingt meiden, es bestünde Absturzgefahr. Also warteten wir weiter. Gegen 7 Uhr wurde der Regen schwächer und wir fingen an unsere Ausrüstung zu verpacken. Im Nieselregen bauten wir unsere Zelte ab und überlegten eifrig, ob wir trotz Warnung den Weg über die Crête de Muratello nahe des Monte d'Oro (2389 m) nehmen sollten. Ein Blick über die Pferdekoppel zeigte uns, dass viele mit dem gleichen Problem da standen und sich ihrer Sache nicht sicher waren. Vor dem Steinhaus sammelte sich eine Menschentraube und wartete auf den aktuellen Wetterbericht des Wirts, der scheinbar noch schlief. Wir sahen hinauf zur Crête de Muratello und beobachteten, wie zwei Wanderer kurz unterhalb der Wolkendecke kehrt machten und wieder abstiegen. Als nach einer Weile die Tochter des Wirts erschien und von weiteren Unwettern bis in den Mittag hinein redete, brachen die meisten ab und wanderten zurück Richtung Bergerie de Tolla. Auch wir konnten das Risiko schlecht abschätzen und liefen zurück zur Passerelle de Tolla. Hier trafen wir erneut auf den lustigen Haufen aus England und berieten uns mit deren Reiseleiterin über alternative Routen nach Vizzavona. Kurz darauf wechselten wir auf den Mare e Mare, einen weiteren Fernwanderweg auf Korsika, und setzten folgenden Plan in die Tat um: Abstieg bis nach Vivario, mit der Bergbahn nach Corte, dort Proviant auffüllen und Geld abheben, anschließend wieder zurück bis Vivario und weiter nach Vizzavona zum Startpunkt des GR-20 Süd. Unklar war jetzt noch der Ort der Übernachtung, die Zuverlässigkeit der nur zwei Mal pro Tag fahrenden Bahn und ob es wirklich bei einem Tag Verlust bleiben würde.



    Wie ausgestorben: Der Dorfplatz von Vivario zur Siesta.


    Der neue Weg führte uns durch dichte Wälder ins Tal hinab und wurde immer urwüchsiger. In der Ferne hörten wir mehrmals Rotorgeräusche der Bergwacht aus Richtung des Monte d'Oro. Auch wenn wir uns über den Abbruch der letzten Nord-Etappe ärgerten, so bestätigten diese Geräusche unsere Entscheidung. Kurz vor Mittagszeit kam die Sonne heraus und heizte uns dank der geringen Höhe kräftig ein. Fehlende Beschilderung, mit Dornengestrüpp zugewachsene Pfade und die brütende Mittagshitze verlangsamten uns schließlich so sehr, dass wir Bedenken hatten heute noch bis Corte zu kommen. Aber nach fünfstündigem Fußmarsch sahen wir am Horizont einen Hügel mit den Buchstaben V-I-V-A-R-I-U aufragen, ähnlich dem Wahrzeichen Hollywoods, direkt vor der Ruine des im Jahre 1770 erbauten Fort de Pasciolo. Vivario versprüht ein typisch südländisches Flair, trocken und ausgestorben, wie in einem guten Spaghettiwestern, doch es war nur Mittag und die Bewohner machten Siesta. Den kleinen Marktladen, wie auch das Eiscafé gegenüber, mussten wir zunächst links liegenlassen, stattdessen suchten wir schnellstmöglich den Bahnhof auf. Am fernen Ende außerhalb des Ortes fanden wir ihn dann, nach mehrmaligem Hinschauen, denn hier sah es aus, als wäre schon seit Jahren kein Zug mehr gefahren. Nach intensiver Suche fanden wir eine zersprungene Scheibe, hinter der ein Fahrplan klebte und stellten erleichtert die Zahl 2013 darauf fest, der Plan schien wohl aktuell zu sein. Der erste Zug musste vor nicht einmal 30 Minuten gehalten haben, der zweite laut Plan in gut vier Stunden gegen 17 Uhr, mehr Züge am Tag hat dieser Bahnhof nicht. Während dieser Zeit statteten wir dem Marktladen einen Besuch ab und besorgten uns frisches Obst. Das Gefühl in einen frischen Apfel zu beißen, wenn man seit einer Woche kein Obst gesehen hat, ist kaum zu beschreiben.



    An diesem Bahnhof kann man viel Zeit verbringen, aber der Zug fährt pünktlich.


    Zurück am Bahnhof vertrieben wir uns die Zeit mit Nichtstun, bis ein Mann vorbeikam, der ernsthaft fragte, was wir hier machen würden. Auf den Zug warten, sagte ich. Er grinste und meinte, da könnt ihr lange warten, manchmal kommt er, manchmal nicht. Er verschwand wieder und wir warteten weiter, es blieb uns ja nichts anderes übrig. Ironischerweise kam der Zug auf die Minute genau! Eine äußerst moderne Diesellok, die wie ein kleiner TGV aussah und randvoll mit Wanderern war, die den Nordteil des GR-20 geschafft hatten und jetzt auf dem Weg zurück waren. Eine halbe Stunde später befanden wir uns mitten in Corte, einer kleinen Inselmetropole in den Bergen, die ihren Status als Hauptstadt zugunsten von Ajaccio, Napoleons Geburtsort, verlor. Anscheinend fand in diesen Tagen eine größere Veranstaltung statt, daher waren alle Unterkünfte nahezu vollständig ausgebucht. Erst nach einstündiger Suche machten wir einen Zeltplatz, Camping Le Restonica, in der Stadt ausfindig, welcher sich am gleichnamigen Fluss befindet. Zwei Sterne und mit Waschmöglichkeit für unsere Klamotten, Luxus pur! Im Halbdunkel bauten wir unsere Zelte auf und setzten eine volle Ladung Wäsche an, es war höchste Zeit dafür. Die zwei Stunden bis zum Ende des Waschvorgangs verbrachten wir an der Camping-Bar bei einer kühlen Orangina, während wir über den bisherigen und den noch vor uns liegenden Weg nachdachten. Über eine Woche waren wir inzwischen unterwegs, die Hälfte unserer Trans-Korsika lag hinter uns und eigentlich hätte es jetzt auch gereicht. Aber wir wollten ja unbedingt das gesamte Ding laufen! Wir planten die restliche Strecke bis Conca und kombinierten verschiedene Etappen miteinander, so dass, falls alles glatt laufen würde, wir bereits in sechs Tagen am Ziel wären. Unser Gewinn: Drei Tage Entspannung am Meer! Zeit, die ursprünglich als Puffer gedacht war.


    Der Mistral weht
    Montag, 9. September | Corte - Refuge de Capannelle



    Wie im Schlaraffenland fühlten wir uns in diesem französischen Supermarkt.


    Endlich einmal eine lange erholsame Nacht! 8 Uhr 30 nahmen wir die Rucksäcke auf und liefen in frisch gewaschenen Sachen Richtung Stadtzentrum. Wichtig waren zunächst Geldautomat und Supermarkt, denn bis nach Conca würden wir mit dem übrigen Geld nicht mehr kommen, außerdem hatten wir noch immer keine Schraubkartusche für unseren Kocher. Als das erledigt war und mein Rucksack wieder 20 Kilogramm wog, machten wir uns auf zum Bahnhof und warteten. Auch dieser Zug fuhr pünktlich ab und ich fragte mich, woher der schlechte Ruf wohl kam. Schon eine Stunde später standen wir auf dem GR-20 in Vizzavona, zusammen mit einigen neuen Gesichtern, die den GR-20 ab hier beginnen wollten. Endlich ging es weiter! Das kleine Motivationsloch vom Vortag war schnell vergessen. Vizzavona liegt nur 920 Meter über dem Meeresspiegel, um also zurück auf eine vernünftige Höhe zu kommen, war erst einmal Muskelschmalz gefragt. Nach einem langen Aufstieg durch hohe Wälder, über windige, kahle Hügel und nach etlichen Gesprächen über Frauen, Gott und die Welt erreichten wir die Bocca Palmente (1640 m), auf der uns eindrucksvoll die veränderten Wetterbedingungen auf der Insel demonstriert wurden. Auf dem höchsten Punkt dieser Etappe wehte ein so kräftiger Sturm, dass wir teilweise gezwungen waren uns mit den Stöcken im Boden zu verankern. Wie in Zeitlupe muss es ausgesehen haben, als wir mit seltsam geneigten Körpern die letzten Meter auf der Bocca Palmente zurücklegten. Keine zehn Meter dahinter geriet der Wind ins Stocken und verwandelte sich urplötzlich in ein laues Lüftchen, als wäre nichts gewesen. War das der berühmt-berüchtigte Mistral? Starker Fallwind aus nordwestlicher Richtung... Erinnerungen an meinen Segeltörn kamen auf. Wir hielten uns weiterhin auf gleicher Höhe und passierten zwei unbewohnte Bergeries sowie die Crête de Cardo (1515 m). Hin und wieder blies der Wind noch einmal kräftig über unseren Köpfen hinweg, bei weitem aber nicht so stark, wie auf der Bocca Palmente, und ab und zu gab es eine schöne Aussicht zu bestaunen. Insgesamt enthielt diese Etappe nur wenige Höhepunkte, doch das blieb - im Nachhinein betrachtet - eine absolute Ausnahme auf dem GR-20.



    Im Verborgenen: Die versteckt gelegene Hütte des PNRC im Refuge de Capannelle.


    Gegen 18 Uhr fanden wir kurz vor dem oberen Ende eines Steilhangs das Refuge de Capannelle und wir spürten sofort, dass der Wind wieder deutlich stärker wehte. Die Biwakplätze lagen verstreut und relativ ungeschützt auf einigen, von Natur geschaffenen Terrassen. Sollte der Sturm über Nacht zunehmen, dann könnte es ungemütlich in den Zelten werden, aber wir wollten uns sowieso zur Abwechslung ein Gîte nehmen. Die Hütte des PNRC (Parc naturel régional de Corse) befand sich ein Stück den Hang hinauf, versteckt hinter dichtem Gestrüpp. Eine massive Steinhütte mit einer robusten Holztür, die irgendwie schief in ihren Angeln hing, ein alter Herd und ein noch älterer Gussofen. Doch das Beste war, sie war verlassen! Na gut, fast, denn nach wenigen Minuten tauchte ein verwegener Kerl auf, der hier oben wohl schon länger wohnte. Nach einem kurzen Gespräch erfuhren wir, dass er kurz hinter Haut-Asco absteigen musste, in Vizzavona den Südteil fortsetzte und hier seit mehreren Tagen auf seinen Kumpel wartete, der eigentlich hätte längst da sein müssen. Was es nicht alles gibt! Wir richteten uns ein, breiteten im Hinterzimmer unsere Schlafsäcke auf muffigen Matratzen aus, die wahrscheinlich zusammen mit dem Gussofen gekauft worden waren, und machten zwei große Töpfe Makkaroni mit Käse fertig. Dafür war es höchste Zeit! Später, nachdem es nichts mehr vorzubereiten oder zu essen gab, stattete ich dem Haus unterhalb der Biwakplätze einen Besuch ab. Bereits vor dem Eingang drangen gedämpfte Laute in mein Ohr und drinnen dominierte eine ausgelassene Stimmung den Raum. Ein paar merkwürdig vertraute Gesichter huschten durch mein Blickfeld. Wo hatte ich diese Leute schon einmal gesehen? Auf dem Weg zur Bar erblickte mich die Reiseleiterin der Engländer mit ihren wachen Augen. Wir nannten sie ab sofort liebevoll Ms. Guide und tranken zusammen ein Serena. Kurz darauf erkannte Marcel den einsamen Franzosen aus Haut-Asco. Wir freuten uns über bekannte Gesichter, die sich ebenfalls den gesamten GR-20 vornahmen. Wennschon, dennschon! Als es langsam spät wurde, machte ich mich zurück den Hang hinauf, was einfacher gesagt als getan war. Die ausgelassene Stimmung wich hier draußen einem wilden Getöse, der Wind griff um sich und in der Dunkelheit schien die Hütte noch tiefer im Verborgenen zu liegen. Ich hatte meine Stirnlampe nicht mitgenommen und Licht gab es weder außerhalb noch innerhalb der Hütte, aber der Weg mit dem geringsten Widerstand führte mich schließlich zum Ziel. Marcel lag bereits in seiner Koje. Wir gönnten uns den Luxus des Ausschlafens, der Wecker wurde auf 8 Uhr gestellt!


    Die letzte Zuflucht
    Dienstag, 10. September | Refuge de Capannelle - Col de Verde



    Mobiliar in den meisten Hütten: Ein paar Balken und aneinandergereihte Matratzen.


    Diese Nacht war grausam! Bettwanzen attackierten uns gnadenlos, während ein Sägewerk unablässig auf Hochtouren lief. Von links unten kam es her, nur zwei Meter Luftlinie, der Schuldige war schnell gefunden. Aber was tun? Ein kräftiges in die Hände klatschen brachte zehn Minuten Ruhe, erholsame zehn Minuten, jedoch zu wenig um wieder einschlafen zu können. Ich wiederholte meine Taktik, Marcel war sowieso längst wach, und holte in der Dunkelheit zum zweiten Schlag aus, der uns dann nur noch eine Minute Ruhe verschaffte. Die Mechanik des Sägewerks hatte sich auf die Störung eingestellt und ignorierte sie ab sofort. Im Halbschlaf legte ich mich auf die Ohren, verkroch mich im Schlafsack, wälzte mich hin und her, nur um festzustellen, dass ein Sägewerk auch unter einer Abdeckplane nicht auf einmal leise ist. Nach langem Überlegen kam ich auf die Lösung: Man müsse ihm den Stecker ziehen, die Luftzufuhr unterbinden... meine Gedanken nahmen absurde Ausmaße an und halfen mir endlich einzuschlafen, für etwa eine Stunde, dann begann das Spiel von neuem. Mein Handy zeigte inzwischen 3 Uhr an. In meiner Verzweiflung stieg ich von meinem Hochbett runter und floh nach draußen, wo der Wind um die Ecke pfiff und Staub und Blätter aufwirbelte, wo sich der Klang von knarzendem Gebälk mit dem wilden Flattern entfernter Zeltwände vermischte. Gern hätte ich hier meinen Schlafsack ausgerollt, die Geräuschkulisse war jedenfalls deutlich angenehmer, aber ich lief wieder hinein und bemerkte das Schnarchen bereits an der Türschwelle. Der Sturm tobte, drinnen wie draußen! Ich lag da und wartete, bis es gegen 6 Uhr auffallend ruhig wurde. Die Dämmerung war im Gange und unser jetzt ausgeschlafener Kamerad machte sich fertig für eine Tagestour in die Berge. Vielleicht würde an diesem Abend sein Kumpel auftauchen? Ich schlief ein und wachte erst 8 Uhr 45 auf, der Wecker wurde großzügig überhört.



    Die Windrichtung wird auf Korsika oft von Bäumen unfreiwillig angezeigt.


    So spät waren wir noch nie gestartet, aber nach der letzten Nacht war es uns egal, wenn wir deswegen in ein Nachmittagsunwetter geraten würden. Das Frühstück, bestehend aus einem Haferriegel, war schon lange kein Gaumenschmaus mehr, doch es machte noch immer satt. Die Sonne stand hoch am Himmel, als wir uns auf zum Col de Verde machten, was keine Rolle spielte, denn heute erwartete uns einer der kürzeren und einfacheren Abschnitte auf dem GR-20 und Eile war nicht nötig. Auf halber Höhe an Berghängen entlang, ein bisschen Auf und Ab und schließlich durch einen dichten Kiefernwald in das Marmano-Tal bei zunehmender Bewölkung und kaltem Wind. Die letzten Kilometer verliefen immer tiefer in den Wald hinein, über kleine Bäche und vorbei an hohen Bäumen, die Umgebung fühlte sich nach heimischen Gefilden an. Pünktlich um 15 Uhr entdeckten wir das Refuge am Col de Verde. Ein großes Holzhaus mit einem Rauch spuckenden Schornstein formte sich hinter unzähligen Baumstämmen und nahm Gestalt an, der Wald machte Platz für unser nächstes Lager. Mehr musste es heute nicht sein, denn nach inzwischen zehn Tagen in den Bergen spürten wir die Anstrengung in den Beinen, aber es war auch eine Art Gewöhnung eingetreten: Raus aus dem Schlafsack - 1000 Meter rauf - 1000 Meter runter - Lager aufschlagen - Ausrüstung reinigen - Duschen, auf manchmal ungewöhnliche Art und Weise - Abendbrot - Schlafen. Die Einfachheit war faszinierend!


    Ich öffnete die breite Eichentür und wir traten ein. Keine Minute zu früh! Kaum setzten wir einen Fuß auf die alten Dielen, da fing es draußen auch schon an zu toben. Die Wolken, die uns seit Mittag verfolgten, waren schwarz geworden und entluden sich mit Getöse und Krawall, Hagelkörner prallten auf den Boden, Blitze zuckten und als die Tür wieder zufiel, war es auf einmal still. Ein großer Kamin knisterte vor sich hin, ein alter Jagdhund zog humpelnd seine Decke zurecht, Geweihe hingen verschwenderisch an der Wand und ein schroffer Mann mittleren Alters, der hier eindeutig das Sagen haben musste, schaute uns prüfend mit einer Zigarette im Mund an, bevor er langsam auf uns zuhielt. Es herrschte eine unwirkliche, scheinbar friedliche Stimmung, während das Unwetter dumpf, fast schüchtern an die Scheiben klopfte, wie die letzte Zuflucht vor einem ewig andauernden Sturm. Wir fragten nach einem freien Platz im Gîte und der wortkarge Mann wies uns den Weg, hinaus durch den Regen in eine barackenförmige Konstruktion.



    Wärmend knisterte der Kamin vor sich hin, während draußen das Unwetter tobte.


    Nachdem die üblichen Pflichtarbeiten erledigt waren, statteten wir dem Holzhaus einen weiteren Besuch ab. Hier war die Stimmung inzwischen einem regen Gewühl von Wanderern gewichen, der Kamin brannte lichterloh und alle erwarteten das abendliche Hüttenmahl. Wir ließen uns ein belegtes Baguette bringen und genossen die einzigartige Atmosphäre in dieser Hütte. Der Mann mit der Zigarette stand an der Schwingtür zur Küche und überwachte sein Reich, so kam mir die Situation vor. Unvergessen bleibt der Moment als er versuchte, eine neue Zigarette mit einem faustgroßen Stück Glut anzuzünden. Er rührte funkensprühend im Kamin herum, griff mit der Zange nach einem besonders großen Stück Kohle und hielt es sich zusammen mit der Zigarette an den Mund. Auf einem Mal lockerte sich der Griff der Zange, die glühende Kohle fiel an ihm herunter, versengte seine Kleidung und setzte die Decke des Jagdhunds in Brand. Lässig trat er die Decke wie ein Zigarettenstummel aus, während er die Arbeit mit einem Feuerzeug aus seiner Hose vollendete, und das alles, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Zurück im Gîte fanden wir eine Gruppe von sechs pitschnassen Männern vor, die sich hier einrichteten und mit ihren Kochern Dörrfleischsuppe zubereiteten. Dem Dialekt nach zu urteilen mussten sie aus Sachsen sein und tatsächlich waren sie aus Chemnitz. Ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine altgediente Bundeswehrtruppe handelte, da ihr Auftreten leicht militant wirkte und deren Anführer klar dominierte, doch sie waren in Ordnung. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit lief ich noch einmal nach draußen und suchte die Gegend nach einem Funknetz ab, denn die nächsten Tage würden wieder wilder werden, abgelegener und ohne Empfang. Das Telefonat war kurz, Freundin und Familie aber erfreut und beruhigt. Ich verschwand im Bett.


    Der Höllenritt
    Mittwoch, 11. September | Col de Verde - Refuge d'Usciolu



    Lichtspiele auf der Bocca d'Oru mit klarem Blick bis zum Meer hinunter.


    Ein neuer Tag brach an, und mit einem neuen Tag gab es auch einen neuen Berg, den es zu erklimmen galt. Um 7 Uhr 30 verließen wir die Baracke, gerade noch bevor die Chemnitzer aufstanden. Kaum lag die idyllische Lichtung hinter uns verliefen die Markierungen des GR-20 quer durch dichten Wald und durchgehend nach oben auf die Südflanke der Punta Bocca dell'Oro (1934 m) zu, so dass die Baumgrenze bald erreicht war. Spürbar kühler schien es geworden zu sein. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es seit Vizzavona einen stärkeren Wetterumschwung gegeben haben musste. Als die Bäume verschwanden und die Sicht frei wurde, bemerkten wir in einigen hundert Metern Entfernung die Engländer, die für ihre Anzahl ein ordentliches Tempo drauf hatten. Noch immer ging es steil bergauf, nur der Wind wurde schlagartig stärker und sorgte dafür, dass ich ab und zu einen Tritt verfehlte, weil eine Bö mich versetzte. Die andauernde Bewölkung, die schon seit Tagen über uns weilte, hatte auch etwas Gutes: Sie bot uns einzigartige Lichtspiele! Wenn Sonnenstrahlen durch die Decke brachen oder Bergspitzen im Wolkenmeer verschwanden oder von der Sonne angestrahlte Wolken zu leuchten anfingen. Letzteres Phänomen konnten wir gut auf der Bocca d'Oru (1840 m) beobachten, als wir auf den von uns zurückgelegten Pfad herabschauten. Zum Refuge de Prati war es jetzt nicht mehr weit und nach zehn Minuten erreichten wir die steinerne Hütte, die auf einem Bergrücken dem Wetter schutzlos ausgeliefert war. Eine Übernachtung im Zelt konnte man hier oben vergessen! Noch nicht einmal aufbauen hätte man es können - zu sehr wehte es und zusätzlich sorgte der Wind für eisige Kälte. Das einzige Mal auf dem GR-20 zog ich meine Handschuhe an und war dankbar dafür sie mit dabei zu haben. Doch das Refuge de Prati war nicht unser heutiges Ziel. Nach einer kurzen Aufwärmpause in der Hütte gaben wir den soeben eintreffenden Engländern die Klinke in die Hand und zogen gegen 9 Uhr 30 weiter zum Refuge d'Usciolu.



    Freie Sicht für zehn Sekunden: Aus dieser Senke schossen die Nebelschwaden empor.


    Die Markierungen führten uns weiter auf dem Kamm entlang hinauf zur Punta della Cappella (2041 m). Der Grat wurde schmaler, das Felsgestein unwegsamer und die Böen stärker. Wir spielten mit dem Gedanken umzudrehen, aber wir waren schon wieder eine Stunde unterwegs. In den Bergen dreht man ungern um, denn schwierige Passagen könnten hinter der nächsten Ecke einfacher werden. Zumindest ist diese Ungewissheit angenehmer als bereits bezwungene Schlüsselstellen erneut absolvieren zu müssen, was bergab auch meist unangenehmer ist. Also kraxelten wir weiter auf dem schärfer werdenden Grat zur Punta della Cappella, bis uns kurz vor dem Gipfel ein Herdenschutzhund anknurrte. Ein kleiner Schreck, denn keiner rechnete damit! Der Hund verstand sein Handwerk, er wich keinen Meter zur Seite und eine Umgehung war nicht möglich, zu schmal war der begehbare Bereich und für den Umweg über eine der Flanken wehte der Wind zu stark. Nur der Weg Richtung Gipfel bot die Möglichkeit hinter der Schafherde wieder auf unseren Pfad zu treffen. Gesagt, getan! Wenige Meter vor dem Gipfel stiegen wir über den Osthang zurück auf den GR-20 und stellten mit Freude fest, dass es sich hier um die Leeseite des Berges handelte, der Wind ließ augenblicklich nach. Wer lässt an einem solchen Ort sein Vieh grasen?



    Ein weiterer Baum, der die Windrichtung auf radikale Art und Weise anzeigt.


    Die Ruhe währte nur kurz und schon standen uns die kritischen Momente bevor. Hinter dem Gipfel wechselten wir zurück auf die Wetterseite des Grates und von jetzt an gab es ein ständiges Hin und Her zwischen Luv und Lee, der dem Wetter zugekehrten und abgewandten Seite. Die ersten Kletterstellen lagen noch in Lee, doch es dauerte nicht lange bis wir durch einen Kamin auf die andere Seite kletterten und direkt über einer klammartigen Felsformation landeten, welche die Aufwinde aus dem Tal nochmals beschleunigte. Der Wind blies dermaßen brutal, dass wir uns selbst in der Hocke festhalten mussten um nicht weggeblasen zu werden. Ich verglich die Windstärke mit den stärksten auf dem Mittelmeer erlebten Böen von 9 Beaufort und kam zu dem Schluss, dass es sich hier tatsächlich um 11 bis 12 Beaufort handeln konnte, Orkanstärke! Während wir auf dem Grat entlang stolperten, wurde fast jeder zweite Tritt vom Wind abgelenkt. Nebelschwaden schossen aus dem Tal empor, hüllten uns ein, so dass wir keine fünf Meter weit schauen konnten, und wurden genau so schnell wieder weg getrieben. Die Sicht wechselte innerhalb von Sekunden von völlig vernebelt bis glasklar und zeigte surreal leuchtende Felsformationen, bis diese erneut im Nebel verschwanden. Das wohl beeindruckendste, aber auch gefährlichste Erlebnis auf unserer Tour! Vor allem als die Kletterpassagen auf der Wetterseite überwunden werden mussten, bekamen wir ein flauhes Gefühl im Magen. Sie waren nicht vergleichbar mit dem Cirque, wurden aber durch viele einzelne Böen unberechenbar. Wie Ungeziefer vor einem Staubsauger, an einem Fussel festhaltend und in der Hoffnung, dass der Windsog bald vorbei geht.



    Refuge d'Usciolu: Hier einen geeigneten Stellplatz zu finden war nicht einfach.


    Nach diesem Adrenalinschub wurde es kurz vor dem Col de Laparo (1525 m) etwas ruhiger und wir waren froh diese Passage hinter uns gelassen zu haben. Doch wir hatten uns zu früh gefreut: Auf dem Weg zur Nordflanke der Punta Bianca (1954 m) folgte ein weiterer Abschnitt mit ebenso starken Winden, die uns am Vorankommen hinderten. Auf dem Bergrücken, der die Punta Bianca mit dem Monte Furmicula (1981 m) verbindet, wechselten wir wieder hin und her zwischen Luv und Lee, bis wir kurz vor 16 Uhr unterhalb der Crête d'Acqua d'Acelli (1880 m) das Refuge d'Usciolu in einer leicht windgeschützten Senke entdeckten. Dutzende Wanderer schlugen bereits ihr Lager auf, wuselten umher auf dem steinigen Hang und erzählten von ihren Erlebnissen. Doch das Beste an diesem Ort war der unscheinbare Holzschuppen mit seinem gut sortierten Sortiment aus Brot, Keksen, Schokolade und sogar frischen Apfelsinen. Was will man mehr? Für unsere Zelte fanden wir am unteren Ende des Biwakplatzes eine kleine Fläche, die gerade noch im Windschatten der Berge lag, ringsherum wehte es kräftig weiter. Wir wunderten uns keine bekannten Gesichter wiederzusehen, bis wenige Minuten nach uns zwei Mitglieder der Gruppe aus Chemnitz eintrafen und ihr Zelt neben uns aufschlugen. Wir fragten uns schon wo die anderen vier abgeblieben waren, bis die beiden uns erzählten, dass sie die anderen im Nebel verloren hatten. Kann passieren, die würden im Laufe des Abends bestimmt wieder aufkreuzen, aber die Zeit verstrich und bald wurde es dunkel. Gegen 21 Uhr fehlte weiterhin jede Spur von ihnen und auch von den Engländern war nichts zu sehen. Wir vermuteten, dass sie die einzige Abstiegsmöglichkeit am Col de Laparo genutzt hatten, vielleicht wegen des starken Windes oder einer ernsthaften Verletzung. Aber merkwürdig war das Verhalten allemal, denn zwei von ihnen hätten weitergehen und die anderen informieren müssen. Wahrscheinlich würde sich am nächsten Morgen alles aufklären und das Wetter hoffentlich gleich mit, doch die Prognosen waren durchwachsen und das gegenwärtige Wolkenbild nicht gerade ermutigend. Den Süden hatten wir uns entspannter vorgestellt, was er bei besserem Wetter wohl auch gewesen wäre.
    Zuletzt geändert von Supertramp82; 03.02.2015, 15:45.
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      #3
      [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

      Verfluchter Nebel!
      Donnerstag, 12. September | Refuge d'Usciolu - Bergerie de Croce



      Verfluchter Nebel! Der Aufbruch am nächsten Morgen war feucht und neblig.


      Das Trommeln der Regentropfen auf mein Außenzelt weckte mich frühzeitig. Ich verschwendete keinen Gedanken daran hinaus zu schauen, das würden wir abwettern müssen! Marcel war inzwischen ebenfalls wach und auch in anderen Zelten regte sich der eine oder andere im Schlafsack mit einem gedämpften Rascheln. Verfluchter Nebel! Das ging uns beim ersten Blick nach draußen durch den Kopf. Eine dicke Nebelwand umhüllte den gesamten Berg und ließ mich keine fünf Meter weit sehen, drückte mich regelrecht zurück ins Zelt. Das orangefarbene Zelt von Marcel war kaum zu erkennen und der Gang zum Toilettenhäuschen wurde ein Weg ins Ungewisse. Was tun? Laut unserem Trekkingführer verlief der GR-20 weiterhin über einen Grat, den Arête des Statues oder auch Denkmalsgrat genannt, hinauf zur Punta di a Scaddatta (1834 m) und würde mit weiteren Klettereien gespickt sein. Nach und nach brachen die ersten ihr Lager ab und wanderten vorsichtig bei Nebel und Niesel los. So auch wir, denn eine Abstiegsmöglichkeit gab es nicht mehr, wir waren mittendrin und mussten da jetzt irgendwie durch. Nach einem Frühstück aus Wasser und zwei trockenen Haferriegeln starteten wir gegen 9 Uhr zusammen mit den beiden Sachsen, die noch immer nichts von ihren Kameraden gehört hatten. Kaum heraus aus der kleinen Senke, keine 200 Meter vom Refuge entfernt, fegten erneut Winde lautstark über den Grat, als hätten sie nie aufgehört zu wehen. Nur aus nächster Nähe und mit lautem Gebrüll konnten wir uns verständigen. Glücklicherweise waren wir hier nicht allein und andere Wanderer halfen einem bei besonders rutschigen oder vernebelten Kletterstellen. Nach insgesamt zwei Stunden war die Aufregung vorbei. Der steinige Pfad verlief durch Erlengestrüpp über die Bocca di l'Agnone (1570 m) und schlängelte sich schließlich durch ein stilles Buchenwäldchen mit skurril wirkenden Baumstämmen und überall aufsteigenden Nebelschwaden, die eine nahezu mystische Atmosphäre erzeugten. Kurz darauf stiegen wir weiter ab und durchbrachen die dichte Nebeldecke, die uns die Sicht bisher verwehrte. Der Blick zurück flößte uns Respekt ein, denn das gesamte Bergmassiv war im Nebel verschwunden, wie als wären wir aus den Wolken ins Tal hinabgestiegen.



      Dieses Buchenwäldchen erlöste uns von den Stürmen auf dem Denkmalsgrat.


      An einer unauffälligen Weggabelung pausierten wir und machten am Horizont des abzweigenden Weges eine bunte Gruppe von Wanderern aus. Das konnten doch nicht... Doch! Es waren die Engländer, die am Refuge de Prati nach Isolaccio di Fiumorbo abgestiegen sein mussten. Von Ms. Guide erfuhren wir, dass sie das Unwetter auf der Punta della Cappella umgehen und über Zicavo, einem kleinen Bergort, zurück auf den GR-20 stoßen wollten. Und hier waren wir jetzt alle. Nach einem kurzen Plausch ließen wir sie weiterziehen und ruhten uns noch ein paar Minuten aus, bevor uns der Weg über den Ruisseau de Partuso führte, an dessen Ufer wir die Engländer wieder einholten. Die Sonne brezelte auf uns, zahme Wildschweine suhlten sich friedlich im Dreck, von dem Sturm weiter oben war längst nichts mehr zu spüren, nur die Wolken bildeten unheilvolle Formen. Drei Bergeries würden heute auf unserem Weg liegen: Bassetta, Matalza und Croce! Wir entschieden uns für letztere Unterkunft, damit die für den nächsten Tag geplante Doppeletappe über den Monte Incudine (2134 m) bis zum Col de Bavella etwas kürzer werden würde. Dabei handelt es sich um die neue Wegführung des GR-20, die alte hingegen verlief von der Bocca di l'Agnone ausgehend über den Col de Luana (1805 m) und den Gipfel des Monte Incudine.



      Friedliche Wildschweine: Nicht wirklich wild, aber auch nirgends wirklich zu Hause.


      Der kleine Zeiger meiner Uhr stand bereits auf der Fünf, die Zeit verging einfach zu schnell. Die letzten Meter kämpften wir uns einen dünn bewaldeten Hügel hinauf, jedes Mal das Ziel hinter der nächsten Ecke vermutend, bis wir am Horizont endlich ein kleines Plateau mit einer Steinhütte fanden. Drinnen fragte ich nach dem Biwakplatz und eine junge Frau zeigte heraus auf die große Wiese vor der Hütte: Da, wo die Kühe grasen, meinte sie. Ein riesiger Platz für uns allein, das waren wir gar nicht mehr gewohnt, kein Vergleich mit dem Basislager im Refuge de Manganu. Viele Wanderer steigen bereits in Matalza ab und beenden ihre Tour frühzeitig, dabei würden noch zwei wunderbare Tage vor ihnen liegen, die alles andere als langweilig sind, aber dazu später mehr. Unsere Wiese hatte zwei Nachteile: Sie war leicht geneigt und wir mussten sie mit einigen Kühen teilen. Nach kurzer Suche war der erste Nachteil behoben, und der zweite verschwand sogar von ganz allein, als uns die beiden Hunde des Wirts mit einem spektakulären Auftritt begrüßten. Ihre Aufgabe bestand darin, die frei herumlaufenden Kühe in Schach und von den Zelten fern zu halten. Diese Aufgabe meisterten sie perfekt! Kaum kam uns oder der Hütte eine Kuh zu nah, wurde sie von den Hunden mit lautem Gebell verjagt, so dass sie fast über ihre eigenen Beine stolperte und für 20 Minuten Ruhe gab. Ein lustiges Schauspiel, das ich auch unbedingt auf Video festhalten musste.



      Im Schatten der Bergerie de Croce: Unser vierbeiniger Bodyguard (Bildmitte) hielt uns allzu neugierige Kühe vom Leib.


      Als wir die restliche Abendsonne auf diesem friedlichen Stück Erde genossen, tauchten auf einmal die Engländer wieder auf. Sie hatten sich ebenfalls für Croce entschieden und planten die gleiche Doppeletappe am folgenden Tag. Allein waren wir jetzt nicht mehr, allerdings schliefen sie alle in der Hütte, während wir uns auf der Wiese breit machten. Ein großer Fehler wie sich später herausstellte. Drinnen wurde derweil das Abendbrot für die Gruppe vorbereitet, eine Wurstplatte mit irgendeiner Suppe. Wir enthielten uns und knabberten an einem Camembert, der so frisch war, dass man sogar die Kuh herausschmecken konnte. Nichtsdestotrotz saßen wir alle zusammen an einer großen Tafel und nahmen selbstbewusst, aber auch ein wenig wehmütig zur Kenntnis, dass inzwischen der vorletzte Abend auf dem GR-20 angebrochen war. Noch zwei Nächte und unsere Tour würde vorbei sein. Nach dem Duschen, es handelte sich um eine der wenigen Warmwasserduschen, verschwanden wir in unseren Zelten und stellten den Wecker auf 8 Uhr. Kein Stress in den letzten zwei Tagen! Von den Kameraden aus Chemnitz hatten wir übrigens nichts mehr gehört. Vermutlich sind sie in Matalza abgestiegen um den Kontakt zu ihren vermissten Leuten wiederherzustellen.


      Die Dolomiten Korsikas
      Freitag, 13. September | Bergerie de Croce - Col de Bavella


      Draußen war es noch stockduster. Warum bin ich dann schon wach? Irgendjemand riss Gras aus dem Boden, direkt neben meinem Zelt. Verdammt! Das war eine Kuh, die sich schmatzend und völlig unbeirrt das Gras vor meinem Zelt schmecken ließ. Wo blieben die Hunde? Marcel, dessen Zelt gut 30 Meter entfernt stand, wachte ebenfalls auf und leuchtete mit seiner Lampe auf die Kuh, was ihr aber herzlich egal war. Als ich meinen Kopf heraussteckte, nahm ich nur einen dunklen Schatten über mir war, weiterhin schmatzend. So konnte ich jedenfalls nicht weiterschlafen! Ich würde aus meinem Schlafsack raus und die Kuh beiseite schieben müssen. Während ich im Halbschlaf mit mir rang hörte ich wohlklingende Pfotengeräusche, die sehr schnell näher kamen. Die Kuh rannte davon, noch bevor das Gebell anfing! Glücklicherweise stolperte sie nicht über mein Zelt! Dass das hätte passieren können wurde mir aber erst bewusst, als bereits wieder Ruhe eingekehrt war. Es war kurz nach Mitternacht als ich zum zweiten Mal einschlief.


      Gähn, es war ja immer noch dunkel! Warum? Neue Geräusche drangen an mein Ohr. Die Kuh? Nein, Kühe grunzen nicht! Und kaum machte sich dieses Wort in meinem Bewusstsein breit, da wurde mir klar, dass ich umgeben von Schweinen war. Ich leuchtete mit meiner Lampe auf höchster Stufe und erreichte gar nichts. Als ich den Reißverschluss zum Vorzelt vorsichtig öffnete, passierte auch nicht viel mehr. Von den Hunden ebenfalls keine Spur, die waren wohl nur auf Kühe abgerichtet und wollten jetzt endlich schlafen. Nach einer Weile tobte ich ein wenig herum und fünf Minuten später zogen die Schweine davon. Was für eine Nacht! Inzwischen war ich hellwach, also ging ich nach draußen und vertrat mir kurz die Beine. Der Nachthimmel war einzigartig, tausende Sterne funkelten am Firmament. Und kalt war es geworden! Knapp über Null, schätzte ich. Schnell verschwand ich wieder in meinem Schlafsack und schlief weiter. Kühe und Schweine besuchten mich noch mehrmals in dieser Nacht und noch mehrmals bin ich davon aufgewacht. Doch irgendwann konnte ich sie ignorieren, irgendwann ab 4 Uhr morgens!



      Auf der Bocca Stazzunara, wenige Meter vor dem Gipfel des Monte Incudine.


      Es war tatsächlich hell, als ich aufwachte, aber von genug Schlaf konnte keine Rede sein. Die Engländer sattelten schon ihr Gepäck auf und waren kurz davor aufzubrechen. Die Sonne schien und wärmte nur langsam den Boden auf. Die hohe Luftfeuchtigkeit in der kalten Nacht hatte dafür gesorgt, dass unsere Zelte am Morgen klatschnass waren. Eine Stunde nachdem Ms. Guide mit ihrer Gruppe aufbrach, zurrten wir die Riemen an unseren Rucksäcken fest, füllten die Wasserreserven an der zur Hütte gehörenden Quelle auf und nahmen den letzten großen Berg im Süden Korsikas in Angriff, den Monte Incudine. Zu Beginn führte uns der GR-20 über einen breiten Feldweg, auf dem es endlich einmal nicht notwendig war nach jedem einzelnen Tritt Ausschau halten zu müssen. Wegen der hier recht ungenauen Markierungen, aber auch durch lauter Plauderei verpassten wir die unscheinbare Abzweigung hinauf zur Bocca di Chiralba (1743 m). Der Verlust einer ganzen Stunde und der späte Aufbruch an diesem Morgen würden uns am Ende des Tages zu schaffen machen. Dennoch waren wir zu diesem Zeitpunkt guter Dinge und gegen 11 Uhr standen wir nach einem anstrengenden Aufstieg auf der Bocca Stazzunara (2025 m), wenige Meter vor dem Gipfel des Monte Incudine. Der Blick zurück nach Norden war beeindruckend und ließ dank perfektem Wetter unzählige Berge erkennen, die wir in den Tagen und Wochen zuvor durchwandert hatten. Der Blick nach Süden hingegen offenbarte uns die immer näher kommende Mittelmeerküste sowie die in der Schifffahrt berüchtigte Straße von Bonifacio. Sogar Sardinien konnte als leichter Schleier am Horizont wahrgenommen werden. Auch jetzt, mitten im September, trafen wir noch Wanderer, die den GR-20 von Süden aus starteten und soeben ihren ersten größeren Berg bestiegen hatten. Für uns war es der letzte Berg und damit stand uns auch der letzte größere Abstieg bevor. Es war der wohl anstrengendste Abstieg auf der gesamten Tour.



      Erlengestrüpp, ein alter Bekannter auf dem gesamten GR-20.


      Teils über loses Geröll und teils über stark geneigte Platten führte uns der Weg steil bergab. Zwischendrin gab es ein paar kleinere Kletterabschnitte, alles in der prallen Mittagssonne. Bereits nach knapp einer Stunde erreichten wir das Refuge d'Asinao, eine am Hang gelegene Steinhütte, die gerade unbewohnt war und an der wir zehn Minuten unsere Knie kühlten. Ab hier wurde der Abstieg angenehmer und darüber waren wir froh, denn die Strecke bis zum Col de Bavella (1218 m) würde sich noch ordentlich in die Länge ziehen. Auf dem Weg in das vor uns liegende Asinao-Tal überquerten wir den nur wenig Wasser führenden Ruisseau d'Asinao und hielten uns auf einer Höhe von etwa 1300 Metern, bis wir gegen 14 Uhr einen ersten Blick über den abfallenden Kamm der Crête du Pargulu werfen konnten und die Dolomiten Korsikas, wie das Bavella-Massiv auch genannt wird, aufragen sahen. Ein wunderbares Panorama und ein Kletterparadies mit hoher Ähnlichkeit zur Sächsischen Schweiz, das war der erste Vergleich der mir bei diesem Anblick in den Sinn kam. Eine weitere Flussüberquerung stand an und wir balancierten von Stein zu Stein, bis wir auf die andere Seite des Rau de Caracutu gelangten und der GR-20 weiter bergab bis auf 1050 Meter verlief, während die Aiguilles de Bavella, auch als Bavella-Nadeln bekannt, immer näher rückten. Inzwischen war es schon 16 Uhr und der Monte Incudine forderte seinen Tribut: Müdigkeit machte sich langsam breit und unsere Wasservorräte neigten sich dem Ende zu. Wir dachten erstmals an ein ungeplantes Biwak, verwarfen diesen Gedanken aber gleich wieder. Zu schmal war der Weg dafür, zu viel Gestrüpp links und rechts, und abgesehen davon ist Wildcampen auf Korsika eigentlich streng verboten und wird mit bis zu 1000 Euro geahndet.



      Die Dolomiten Korsikas, wie das Bavella-Massiv auch genannt wird.


      Weit und breit ergab sich keine Möglichkeit für ein Biwak, also wanderten wir weiter und erkannten wenige Minuten später den Pass am Col de Bavella. Das Ziel war endlich in Sicht, doch zunächst galt es den letzten Geröllhang über loses, kupferrotes Gestein zu bezwingen. Hoffentlich würden wir noch Platz für eine Unterkunft finden, waren unsere Gedanken. Eine Zeltmöglichkeit gab es dort nicht und wir waren spät dran. Der Aufstieg war nicht nur anstrengend, sondern auch schlecht markiert, so dass wir den einen oder anderen Meter zurück oder querfeldein gehen mussten. Irgendwann wich das kupferrote Gestein einem fröhlichen Laubwald und dieser wich nach weiteren 100 Höhenmetern der Passstraße über den Col de Bavella. Auf Passhöhe angekommen strahlte uns die Notre Dame de la Neige an, eine Marienstatue, die vor Gefahren im Gebirge schützen soll und mit hunderten, leuchtenden Kerzen beschenkt worden war. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont versunken, als wir in der Auberge du Col de Bavella eintrafen und in einem der letzten Zimmer Platz fanden. Es war der letzte Abend auf dem GR-20, ein angenehm warmer Abend. Wir konnten kaum glauben, dass am nächsten Tag alles vorbei sein sollte. Conca, das offizielle Ende des GR-20, lag zum Greifen nah und mit drei Tagen Puffer würden wir noch reichlich Zeit zum Entspannen haben. Nach der längst fälligen Dusche gönnten wir uns endlich einmal das vollständige Abendmenü: Salat, irgendeine Quiche, Spaghetti Bolognese und ein kleines Desert. Genau das, was wir jetzt brauchten! Auch die Engländer übernachteten wieder hier und so erfuhren wir, dass sie am nächsten Morgen nach Zonza absteigen wollten, einem kleinen Ort gleich hinter dem Bavella-Massiv, wo ihr Bus nach Calvi warten würde. Zurück auf unserem Zimmer hatte sich ein weiterer Wanderer eingeschlichen, ein merkwürdiger Kauz, der zuvor die ganze Zeit kettenrauchend an der Bar saß. An dermaßen touristischen Punkten wie diesem trifft man eben auch Touristen, oder komische Typen. Auf der Terrasse unserer Auberge schnappte ich noch etwas frische Luft und warf einen Blick in die Dunkelheit. In der Ferne erkannte ich die dunkle Silhouette der Bavella-Nadeln, ein paar Sterne funkelten leicht. Im Prinzip waren wir schon wieder in der Zivilisation, kein Vergleich mit dem Himmel über der Bergerie de Ballone kurz nach dem Cirque.


      Der letzte Tag
      Samstag, 14. September | Col de Bavella - Conca



      Brasilien? Peru? Nein, der Süden Korsikas mit Blick von der Foce Finosa.


      Auch die letzte Nacht in den Bergen war grauenvoll. Gegen Mitternacht legte sich unser komischer Kauz in sein Bett und schlief ein, damit war die Nacht für uns vorbei. Eine Stunde später bekam er einen derartig starken Hustenanfall, dass einem das Schnarchen zuvor wie ein Schneerieseln vorkam. Der Rest der Nacht war eine Mischung aus Husten im alarmierenden Stadium und einem Schnarchgeräusch, das über das gesamte Frequenzspektrum reichte. Als die Nacht dann überstanden war und wir das spärliche französische Frühstück zu uns nahmen, sahen wir ihn auf der Terrasse die nächste Zigarette anzünden. Egal! Der letzte Tag auf dem GR-20 war angebrochen, die Sonne stieg empor und der Himmel konnte blauer nicht sein. Auch die Engländer machten sich zum letzten Mal bereit. Wir gratulierten uns für die fast abgeschlossene Tour, ab jetzt würden sich unsere Wege trennen. Ein letzter Blick auf die in das noch tiefe Morgenrot getauchten Bavella-Felsen und wir waren wieder unterwegs. Nach 150 Metern passierten wir den hiesigen Brunnen und füllten unsere Wasserreserven bis zum Rand auf, denn die letzte Etappe bis Conca sollte durch eines der trockensten Gebiete Korsikas gehen. Da wir nicht genau wussten, was uns in Conca erwarten würde und ob wir noch weiter bis Porto-Vecchio kämen - es war Samstag - liefen wir ein hohes Tempo. In der Euphorie an diesem Tag den GR-20 erfolgreich abschließen zu können, rannten wir regelrecht über die noch verbliebenen Hügel von wenigen 100 Metern Höhe, wie der Foce Finosa (1206 m), auf der wegen eines tödlichen Absturzes eine Gedenktafel vor allzu viel Eifer warnte.



      Trockenheit und Wärme: Eidechsen liefen uns im Süden scharenweise über den Weg.


      Bereits 10 Uhr saßen wir vor dem leer stehenden Refuge de Paliri, machten eine kurze Pause und genossen den fabelhaften Rundumblick hinüber zur Punta Tafunata di i Paliri (1312 m) auf der einen und einer sanften und sandfarbenen Felslandschaft auf der anderen Seite. Das Wetter war wie zu Beginn unserer Tour hervorragend, ohne eine einzige Wolke am Himmel, strahlend blau und gleißend heiß. Sollten wir die restlichen drei Erholungstage bei perfektem Badewetter genießen dürfen? Zu den Kalksteinklippen von Bonifacio musste ich unbedingt auch noch einmal! Wir schwelgten kurz in Gedanken, aber nur kurz, anschließend setzten wir unseren Kurs strammen Schrittes fort. Die Markierungen führten zunächst steil bergab, über erdige Geröll- und Schuttwege, bis zur Bocca di Monte Bracciutu (953 m) und ein Stück weiter um die Punta di Monte Sordu (1117 m) herum. Eine staubtrockene Gegend, felsig und nur mit wenigen Bäumen gesegnet, häufige Waldbrände hatten den hier sprießenden Pinienwald fast vollständig zerstört. Diese Tatsache trieb die Anzahl der Eidechsen exponentiell in die Höhe und uns gelangen mehrere scharfe Fotos von den scheuen Tieren, an die man ohne Teleobjektiv doch ziemlich nah heran muss. Ein allerletzter Aufstieg hinauf zur Bocca di u Sordu (1065 m) war der letzte vertikale Kraftakt auf dem GR-20. Über ausgewaschene Felsen kletterten wir bis ganz nach oben, bis wir das Meer am Horizont einsam vor sich hin spiegeln sahen und sogar die vor Bonifacio liegende Insel Lavezzi ausmachen konnten. Für ein paar Minuten taten wir es den Eidechsen gleich und sonnten uns auf dem warmen Gestein, bevor es endgültig abwärts in die Schwüle gehen würde.



      Blick von der Bocca di Monte Bracciutu: Ein Kletterparadies mit hoher Ähnlichkeit zur Sächsischen Schweiz.


      In einem noch nicht durch Waldbrand zerstörten Mischwald entdeckten wir die Ruinen der Bergeries des Cabanes de Capeddu (850 m). Aufgrund des drohenden Wassermangels folgte ich einem Pfeil mit der Aufschrift "Source", eine kühle Wasserquelle wäre doch jetzt perfekt, dachte ich. Der Pfeil zeigte in dichtes Gestrüpp hinein, wo ich nur langsam vorwärts kam, immer langsamer, bis ich nach 15 Minuten aufgab. Entweder die Quelle war versiegt oder sie war weiter entfernt als gedacht. Ich lief zurück zur Ruine, bei der Marcel wartete, trank einen großen Schluck Wasser aus meinen übrigen Reserven, die schon irgendwie bis Conca reichen würden, und dann machten wir uns wieder auf den Weg. Als wir aus dem Wald heraustraten, führte ein schmaler Pfad weiterhin auf etwa 700 Meter Höhe durch eine abgestorbene und ausgedörrte Ödnis. Die Strände der Ostküste ließen ständig neue Details erkennen. Das gesamte Ende der Insel rückte in unser Sichtfeld. Nur die Höhe schienen wir kaum zu verlieren. Auch nach einer weiteren Stunde kamen wir dem Meeresspiegelniveau nicht wesentlich näher, wie am Rand einer hoch gelegenen Steinwüste. Aber irgendwo da unten musste Conca liegen. Erst nach der Überquerung des Rau de Punta Pinzuta (600 m), an dem wir uns ein letztes Mal abkühlten, tauchte um 15 Uhr Conca unter uns auf. Es waren noch gut 300 Höhenmeter zu bewältigen, denn der Ort liegt auf einer Höhe von etwa 250 Metern. Nachdem wir einen kleinen Wald an einem kleinen Bach hinter uns ließen und an einer kleinen Straße Richtung Conca herauskamen, landeten wir fünf Minuten später direkt im Ortsteil Radicale, eine vortreffliche Bezeichnung für das Ende des Grande Randonnée 20. Etwa einen Kilometer wanderten wir auf inzwischen heißen Sohlen die Dorfstraße entlang, vorbei an mehreren großen Villen, bis wir vor einem Schild mit folgenden Worten standen:

      Arrivée du GR-20. Vous voici au terme de vôtre odysée. Vous avez parcouru environ 180 Km. Bravo!

      Was soviel bedeutet, wie:

      Ziel des GR-20 erreicht. Sie sind am Ende Ihrer Odysee. Sie haben über 180 Km zurückgelegt. Gut gemacht!



      Geschafft: Der letzte Meter auf dem GR-20 lag jetzt hinter uns.


      Was für ein Gefühl! Wir waren endlich am Ziel, zumindest am Ende des GR-20. Gleich hinter der Zielmarkierung hatte ein typisch südländisches Café geöffnet. Mit Kreide stand auf einer Menütafel:

      Navette ici. Porto-Vecchio 6,50 €. Départs 12:00/14:45/17:45. Sauf dimanche!

      Wir mussten also nur zwei Stunden auf den nächsten Bus warten. Super! Wir hatten nicht damit gerechnet heute noch bis Porto-Vecchio zu kommen, was uns einen Tag mehr für andere Unternehmungen einbringen würde. Doch dafür stand uns ein stressiger Abend bevor, an dem wir eine Übernachtung in Porto-Vecchio finden mussten. In den zwei Stunden des Wartens ließ ich mir ein Panini und ein Pietra bringen und nach 60 Minuten ein weiteres Panini. Ein toller Luxus sich einfach alles bestellen zu können, was man möchte. Das waren wir schon gar nicht mehr gewohnt. Zuletzt trafen noch zwei weitere Kollegen ein, die wir in den letzten Tagen hin und wieder gesehen hatten. Das war dann auch die vollständige Besetzung in dem Renault Trafic, mit dem uns ein sportlicher Franzose nach Porto-Vecchio chauffierte. Schnell waren wir auf der Route Nationale 198, einer Bundesstraße, die bereits seit 1839 an der Küste entlang von Casamozza bis hinunter nach Bonifacio führt. Kurz vor Porto-Vecchio füllten sich die Straßen mit unzähligen Autos, wir standen sogar kurzzeitig im Stau - was für ein Kulturschock.



      Das Plakat reißt's raus: Mit etwas Fantasie fühlt man sich wie an einem Südseestrand.


      Als der Kleinbus im Hafenviertel stehen blieb und seine Türen öffnete, fühlten wir uns wie in einer anderen Welt. Elektronische Gute-Laune-Musik drang in unsere Ohren, unendlich viele Menschen auf einem Haufen. Wir waren mitten auf einem Yachtfest gelandet. Mein Eindruck war ähnlich wie mein erster Eindruck 17 Monate zuvor, als wir am späten Abend im Hafen von Porto-Vecchio einliefen - nur ein wenig größer erschien mir der Ort dieses Mal. Nach 45 Minuten fanden wir die Touristinformation und fragten nach Zeltplätzen. Zwei standen zur Wahl und wir entschieden uns für den zentral gelegenen Platz. Der Zeltaufbau in der Abenddämmerung war eine einzige Qual! In den gesamten zwei Wochen auf dem GR-20 gab es kein einziges Mal einen derartig schwierigen Boden wie hier, mitten in Porto-Vecchio. Doch damit nicht genug: Sobald man versuchte die Erdnägel Millimeter für Millimeter in den Boden zu schlagen, wurde man von dutzenden Mücken attackiert. Irgendwann stand das Zelt dann, schief am Hang und mit wackelig eingeschlagenen Heringen. Die großen Bäume um uns herum würden schon genügend Schutz geben. Nach dem Aufbau verschwand ich unter der Dusche und eine knappe Stunde später fand man uns beide an einem kitschigen Camping-Pool bei einer erstklassigen Pizza aus dem Steinofen.


      Ausklang in Porto-Vecchio und Heimreise
      15. bis 18. September



      Yachtfest in Porto-Vecchio: Gegen Mittag zogen dunkle Wolken im Hafen auf.


      Was ist sonst noch so passiert? Am Sonntag konnten wir endlich wieder einmal richtig ausschlafen, ohne Bon Jovi! Sonntags waren die meisten Läden geschlossen, aber das machte nichts solange die französischen Feinbäckereien geöffnet hatten. Die erste Pâtisserie, die uns begegnete, wurde regelrecht geplündert: Éclairs au chocolat, Massepain croissants, Vanille tartelettes... so viele leckere Sachen, von denen wir in den Bergen nicht einmal zu träumen wagten. Ein klein wenig Übelkeit war der Preis dafür, aber der war es allemal wert! Einen Strand gab es in Porto-Vecchio leider nicht und der nächste wäre acht Kilometer entfernt gewesen. Doch diese Strecke waren wir nicht mehr bereit zu laufen, abgesehen davon riet uns die bedrohliche Wolkenkulisse davon ab. Stattdessen erkundeten wir die Stadt und trafen gegen Mittag im Hafen ein. Keine Minute zu früh um dem plötzlich auftretenden Unwetter zu entkommen. Ein Sturm peitschte vom Meer aus heran und fegte über das Festgelände, so dass Zeltwände unruhig flatterten und kleine Imbissstände um ihre Existenz bibberten. Nach einer knappen Stunde war der Spuk vorüber und wir liefen weiter, vorbei an Segelyachten und Motorbooten bis zum anderen Ende des Hafens, an dem uns eine sonnengebräunte Frau aus einem Infostand heraus anlächelte und Werbung für Bootsfahrten nach Lavezzi und Bonifacio machte. Das hörte sich super an! Trotz Sturmwarnung sei es kein Problem, meinte die Frau, und so buchten wir unverbindlich einen Ganztagesausflug für den nächsten Tag. Am Nachmittag wollten wir dann doch noch zum Strand wandern, aber nach drei Kilometern bliesen wir die Sache ab und liefen zurück zu den Zelten, wo wir erneut am Pool saßen und eine weitere Pizza vom Meister probierten mit dem wohl besten Crème Brûlée hinterher. Unsere zweiwöchige Mangelernährung, die an Einseitigkeit kaum zu übertreffen war, fand ein jähes Ende.



      An diesen Granitriffen zerschellte im Jahre 1855 die Semillante unter Napoleon III.


      Der Montag stand vollkommen im Zeichen der Bootstour zur Insel Lavezzi. Dabei hätten wir die Aktion beinahe abgebrochen, denn die Nacht war dermaßen stürmisch, dass ein ganzer Tag auf dem Meer wenig entspannt gewesen wäre und seekrank wollte ich am letzten Tag vor der Abreise auch nicht mehr werden. Aber in der Morgendämmerung ließ der Sturm nach und wir machten uns in letzter Minute auf zum Hafen, wo die meisten Passagiere bereits an Bord waren. Der Kapitän navigierte aus dem von einem Meeresarm geschützten Hafen heraus auf das offene Meer und schlug einen Kurs nach Süden parallel zur Küste ein. Wir befanden uns auf Steuerbord achtern und damit an einer Stelle wo wir ab und zu ein paar erfrischende Spritzer Salzwasser ins Gesicht bekamen, während eine französische Komikerstimme durch die Außenlautsprecher plärrte. Als die Granitriffe von Lavezzi in Sicht kamen, wurde der Seegang kurzzeitig etwas grober und Böen bis zu 7 Beaufort sorgten für Spaß und Spannung an Bord. Unser Kahn schnaufte fortan durch die Wellen, bis wir eine ruhige Bucht fanden, von der wir mit einem Beiboot an Land gebracht wurden. Die Insel mit ihrem saftig grünen Gras auf der einen und dem harten Gesteinsboden auf der anderen Seite erinnert an einen Schauplatz aus J. R. R. Tolkiens "Lord Of The Rings" und ist mit gut fünf Hektar relativ überschaubar.



      Ende gut, alles gut: Lavezzi war der krönende Abschluss unserer Trans-Korsika.


      Dutzende kleine und große Felsriffe ragen wie Haifischzähne aus dem Wasser und lassen die Wellen unter starkem Getöse zusammenbrechen. Im Jahre 1855 geschah an dieser Stelle das größte Schiffsunglück eines französischen Schiffes im Mittelmeer, als der Dreimaster Semillante unter Napoleon III mit 702 Mann Besatzung, darunter der Generalstab, die Straße von Bonifacio als Abkürzung wählte, zur Vermeidung des Umwegs um Sardinien. Durch Sturm, starken Nebel sowie wahrscheinlich Verlust des Steuerrades zerschellte das Schiff am 15. Februar an den Riffen von Lavezzi. Fast alle sind bei diesem Unglück ertrunken und der Kommandant Jugnan konnte nur an seinen Insignien und einer Verformung eines Fußes identifiziert werden. Auf der Insel wurde zu Ehren der Schiffbrüchigen ein Denkmal errichtet, vor dem wir soeben standen. Wir fühlten uns wie waschechte Touristen, die von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hasteten, die Knipse immer zur Hand, Touristen, die vorher eben den GR-20 mitgenommen hatten. Wir mussten grinsen! Zurück auf dem Zeltplatz packten wir wehmütig, aber auch zufrieden, unsere Sachen zusammen und beendeten diesen Abend ebenfalls mit einer Meisterpizza, der wir nur das Prädikat "ausgezeichnet" geben konnten.



      Die Seitenscheibe unseres Busses lag irgendwo auf der Route Nationale 198.


      Bon Jovi war nicht verschwunden, er hatte nur pausiert! Pflichtbewusst um 6 Uhr begann er seinen Job und keine halbe Sekunde später beendete ich ihn wieder, denn ich lag schon vorher wach im Zelt und wartete nur auf diesen Moment. In der Dunkelheit bauten wir die Zelte ab, packten unsere Ausrüstung ein und liefen über einen Umweg zur Pâtisserie weiter zum Hafen, an dem 8 Uhr unser Bus nach Bastia abfahren sollte. Pünktlich zehn Minuten vor acht kam er: Ein hochmoderner Reisebus mit Klimaanlage, Flachbildschirmen, getönten Scheiben und dem Schild Porto-Vecchio - Bastia hinter der Frontscheibe. Es lief wie am Schnürchen. Wir setzten uns direkt in die erste Reihe und beobachteten den Busfahrer, der in den ersten Kurven den Eindruck erweckte, als würde er zum ersten Mal ein so großes Fahrzeug lenken. Kurz nach 11 Uhr waren wir in Bastia. Was dazwischen alles geschah? Unser Busfahrer besuchte Freunde und Bekannte in einem nahe der Strecke gelegenen Café, brachte seine Briefe zur Post, erledigte mehrere Botengänge, lud schwere Pakete aus einem Hinterhof ein und an einer Tankstelle wieder ab. Private Dienste, damit sich die Fahrt auch lohnt, denn besonders viel kann er an unseren Tickets nicht verdient haben.



      Seine Majestät: Die Napoleon-Statue am Place Saint-Nicolas, Bastia.


      Aber das Verrückteste war: Kurz nachdem zwei Reihen hinter uns ein Pärchen ausstieg, das wir schon im Refuge de Capannelle und am Col de Verde trafen, gab es einen dumpfen Knall. Der Fahrtwind griff um sich, Gardinen wedelten umher, unschuldige Gesichter schauten sich fragend an. Aufgrund des Windzuges kurbelte der Fahrer zunächst sein kleines Seitenfenster hoch, was natürlich keine Änderung mit sich brachte. Ich drehte mich um und musste zweimal blinzeln bevor ich registrierte, dass die zwei Meter breite Seitenscheibe ab der Reihe, wo das Pärchen gesessen hatte, fehlte. Was war passiert? Eine Druckänderung in der Kabine sprengte die Scheibe bei voller Fahrt aus ihrer Fassung und die musste jetzt irgendwo auf der Route Nationale 198 liegen, mitten auf der Straße. Gemerkt hat das unser Busfahrer erst, als ihm ein Gast auf die Schulter klopfte und ihn freundlich darauf hinwies, und selbst der Fahrer musste über die Situation lachen. Er fuhr einfach weiter, undenkbar in Deutschland. Über das urkomische Bild, wenn aus einem modernen Reisebus auf einmal die Gardinen flattern und innen die Fahrgäste frei zu sehen sind, mussten wir den Rest des Tages schmunzeln. Leider sahen wir auch noch einen der häufigen Waldbrände auf Korsika, den waghalsige Piloten mit Sturzangriffen einzudämmen versuchten. Zurück in Bastia tarnten wir uns wieder als Touristen, besuchten den alten Stadthafen Le Vieux Port und erlebten einen der heftigsten Stürme auf Korsika 2013. Die See war rau, Fensterscheiben zerbrachen, sogar der geschützte Hafenbereich schäumte leicht auf. Auch dieser Tag war irgendwann vorbei und der Rückflug am nächsten Morgen stand unmittelbar bevor.


      Was gibt es noch zu sagen? Korsika im Allgemeinen und der Grande Randonnée 20 im Speziellen waren eine außerordentlich beeindruckende Erfahrung. Wir überlegten bereits auf dem Rückflug, wie man diese Tour übertreffen könnte, aber spontan fiel uns nichts Vergleichbares ein. Was die Gruppe aus Chemnitz betrifft, so wissen wir bis heute nicht, was mit ihnen passiert ist. Falls jemand von euch diesen Bericht liest: Wie ist es euch ergangen? Über eine kurze Nachricht würde ich mich freuen! Ansonsten höre ich trotz meiner ironischen Bemerkungen immer noch Bon Jovi, also hin und wieder... ab und zu!
      Zuletzt geändert von Supertramp82; 03.02.2015, 15:44.
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      • Abt
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        • 26.04.2010
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        #4
        Danke für deinen Tourenbericht, der mich an unsere Korsikadurchquerung auf dem Gr20 '98 und an diese anspruchvolle Wanderung erinnert. Den höchsten Etat brauchten wir für Kastanienbier

        Einige male sind wir (bei drei Wochen allerbestem Wanderwetter) ganz offensichtlich auf einer etwas abweichenden anderen Streckenführung entlang. Den Abschnitt im Tal der Einsamkeit habe ich noch gut in Erinnerung, genauso wie den Monte Cinto und den Paglia Orba, Dort habe ich am Vorabend so eine ganz ungewöhnliches Wind?-Geräuch vom großen Felsloch gegenüber vernommen, was etwas an eine Stimme aus dem Jenseits erinnerte....Da rätsle ich heut immer noch über das Phänomen.

        In dem klammähnlichen Anstieg zur Paglia Orba löste ein anderer Wanderer eine Steinlawine aus, als Vorsicht auch da.

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        • kra23
          Gerne im Forum
          • 13.10.2011
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          #5
          AW: [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

          Sehr schöner Reisebericht! Vielen Dank dafür.

          Wir sind den GR20 auch 2013 gelaufen und zwar nur 5 Tage vor euch. Zurückgeflogen sind wir allerdings auch erst am 18.9. (nach Stuttgart), das heißt wir saßen wahrscheinlich sogar im selben Flieger.

          Beim Refugio d'Usciolu hatten wir nachts auch extremen Wind und am nächsten Tag Regen und Gewitter am Denkmalsgrat. Sonst war das Wetter aber zum Glück fast ausnahmlos super.
          Am 18.9. haben wir dann an der Bushaltestelle in Ghisonaccia zwei Engländer getroffen, die absteigen mussten, weil der GR20 wegen des starken Windes angeblich gesperrt worden war.

          Und ich kann dir nur zustimmen - der GR20 ist wirklich beeindruckend. Für mich stand nach der Ankuft in Conca fest, dass ich ihn irgendwann definitiv nochmal laufen werde. Nächstes Mal dann vielleicht in die andere Richtung und mit den ganzen Alternativrouten + Monte Cinto.
          Zuletzt geändert von kra23; 31.01.2015, 16:26.

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          • starpitch
            Neu im Forum
            • 25.01.2015
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            #6
            AW: [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

            Sehr schön, vielen Dank für den Bericht! (Wenn's getext ist, macht das Lesen nochmal doppelt soviel Spaß...)

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            • Stephan Kiste

              Lebt im Forum
              • 17.01.2006
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              #7
              AW: [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

              wow, Danke für den ausführlichen Bericht und die tollen Bilder,
              GR 20 ist auch gerade in der engeren Wahl,
              da kommt Dein Bericht gerade recht.

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              • Supertramp82
                Anfänger im Forum
                • 28.01.2015
                • 22
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                #8
                AW: [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd

                In dem klammähnlichen Anstieg zur Paglia Orba löste ein anderer Wanderer eine Steinlawine aus, als Vorsicht auch da.
                Ja, die wohl gefährlichste Stelle, aber wegen zwei Stunden auf einem 14-Tage-Trip schleppt man natürlich keinen Helm mit... daher am besten sehr früh aufbrechen und sich am Abend dafür das ein oder andere Kastanienbier mehr gönnen

                Wir sind den GR20 auch 2013 gelaufen und zwar nur 5 Tage vor euch. Zurückgeflogen sind wir allerdings auch erst am 18.9. (nach Stuttgart), das heißt wir saßen wahrscheinlich sogar im selben Flieger.

                Beim Refugio d'Usciolu hatten wir nachts auch extremen Wind und am nächsten Tag Regen und Gewitter am Denkmalsgrat. Sonst war das Wetter aber zum Glück fast ausnahmlos super.
                Am 18.9. haben wir dann an der Bushaltestelle in Ghisonaccia zwei Engländer getroffen, die absteigen mussten, weil der GR20 wegen des starken Windes angeblich gesperrt worden war.

                Und ich kann dir nur zustimmen - der GR20 ist wirklich beeindruckend. Für mich stand nach der Ankuft in Conca fest, dass ich ihn irgendwann definitiv nochmal laufen werde. Nächstes Mal dann vielleicht in die andere Richtung und mit den ganzen Alternativrouten + Monte Cinto.
                Genau das fühlte ich auch; es war richtig schade, dass er auf einmal vorbei war ...irgendwann will ich da auch noch einmal hin, inkl. Monte Cinto und dem "alten GR-20".

                Wir sind am 18.9. übrigens sehr früh am Morgen geflogen, wenn du da noch in Ghisonaccia warst, dann haben wir uns wohl knapp verfehlt.

                Von einer Sperrung haben wir nichts mitbekommen... da hatten wir ja nomma Glück gehabt

                GR 20 ist auch gerade in der engeren Wahl,
                da kommt Dein Bericht gerade recht.
                Unbedingt angehen, auch wenn ihr vielleicht nur Zeit für den Nordteil habt!


                War sonst noch jemand zu dieser Zeit auf dem GR-20?
                Zuletzt geändert von Supertramp82; 03.02.2015, 15:44.
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                • Gast-Avatar

                  #9
                  AW: [FR] Der Grande Randonnée 20 - Korsika von Nord nach Süd


                  Editiert vom Moderator
                  Diese Diskussion wird hier geführt. Danke.

                  Bei Nachfragen bitte eine PN an den Moderator senden. Dein Team der
                  Zuletzt geändert von Vegareve; 04.02.2015, 09:28.

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