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Nachdem meine Freundin und ich die Entscheidung gefällt hatten, im Sommer in den ersten beiden Augustwochen eine zweiwöchige Rundwanderung mit dem Zelt durch das Jämtlandsfjäll zu machen, ging es an die schwierige Aufgabe, die benötigte Ausrüstung mit sehr schmalem Budget zu realisieren. Die Schuhe kaufte ich gebraucht über E-Bay (Lowa Bergschuhe), ebenso einen neuwertigen Rucksack (Jokkmokk). Ob Leihgaben, Sonderangebote oder Billiganbieter: Letztlich bekamen wir alles zusammen. Zelt und Schlafsäcke waren bereits vorhanden - es konnte also losgehen. Es war unsere erste Zelttour in nördlicheren Gefilden.
Die Anreise erfolgte per Zug über Stockholm und verlief problemlos. Per Taxi-Shuttle ging es von Undersåker nach Vålådalen. In Vålådalen machten uns ein schwedisches Trekker-Pärchen netterweise darauf aufmerksam, dass die Rückreise mit dem Shuttle-Taxi zum Bahnhof in Undersåker im Voraus reserviert werden musste, was sie dann auch gleich für uns erledigten. Man wünschte sich eine gute Reise und machte sich unter einsetzendem Regen auf den Weg, so etwa gegen 17:00 Uhr.
Wir wollten erstmal über Vålåstugorna zum Helags marschieren, und je nach Vorankommen sehen, wie weit wir den Bogen auf dem Rückweg nach Vålådalen gestalten. Wir waren voller Entdeckungsfreude und gespannt, was wir in den nächsten zwei Wochen sehen und erleben würden.
Der Weg führte durch sumpfig-waldiges Gelände, was im Regen recht stimmungsvoll daherkam. Außer uns war niemand zu sehen oder hören. Ein freches Eichhörnchen flüchtete vor uns auf einen Baum und beobachtete uns aus sicherer Höhe. Nach einigen Kilometern zerriss plötzlich ein lautes Kreischen die Stille, und zwei Kraniche erhoben sich aus einer hohen Baumkrone und schwebten majestätisch über die regenverhangene Sumpflandschaft. Ein toller Anblick.
Später gelangten wir an eine Brücke die über einen großen Fluss führte und beschlossen, dort unser Zelt am Ufer aufzuschlagen.
Wir kochten unsere Nudeln und aßen im Zelt, begeistert vom Ausblick auf die Flussgabelung und dem Gelingen einer schmackhaften Mahlzeit. Angesicht der aggressiven Mücken machten sich unsere Moskitohüte gleich am ersten Abend bezahlt.
Entgegen unserer Erwartung war der Wald nachts ziemlich still (oder der Fluss einfach sehr laut) und angesichts der Strapazen von Anreise und Tagesmarsch war es kein Problem in den Schlaf zu finden. Normalerweise schlafe ich in der ersten Nacht bei einer Zelttour kaum.
In den ersten Nächten hängten wir auch eine unserer Wandersocken außen ans Zelt - wegen der Bären Eine Maßnahme, die wir nach wenigen Nächten zu vernachlässigen begannen.
2. Tag:
Am nächsten Morgen zeigte sich der Himmel immer noch bedeckt, aber es hatte aufgehört zu regnen. Nach einem heißen Tee ging es weiter. Der Weg führte vormittags durch Waldgelände, wir begegneten einigen Wanderern und das Wetter begann sich zunehmend zu bessern. In der Ferne sah man bisweilen die Berge des Fjälls zwischen den Bäumen hindurch.
Der Weg wurde steiler und der Wald wich einer Vegetation aus Krüppelgewächs.
Schließlich ließen wir am frühen Nachmittag die Baumgrenze hinter uns. Vor uns lag das Fjäll in seiner ganzen Pracht. Dazu begann die Sonne endgültig durch die Wolken zu brechen und es wurde angenehm warm. Dabei war es absolut windstill, was eine Seltenheit im Fjäll sein dürfte, wie uns später schnell klar wurde.
In der Ferne konnten wir erste Rentiere entdecken - nicht viel mehr als ein schwarzer Punkt, aber bei uns beiden löste bereits das einen Euphorieschub aus. Nachdem wir unsere Flaschen an einem Bach aufgefüllt hatten, marschierten wir weiter. Ziel war es, nach Möglichkeit noch die Vålåstugorna-Hütte zu passieren. Jedoch, als die Hütte einfach nicht in Sicht kommen wollte, schlugen wir schließlich unser Lager auf. Wir aßen vor einer grandiosen Kulisse und fühlten uns mittlwerweile pudelwohl in dieser prachtvollen Landschaft. Auch hier waren die Mücken recht nervig, auch wenn sie die Tendez hatten sich mit einer Landung auf dem heißen Deckel des Kochers zu suizidieren. In Gedanken spie ich leider in das Netz meines Moskitohutes vor meinem Gesicht, was recht unangenehm war und mir danach auch nicht wieder passiert ist.
Nach Sonnenuntergang begann es empfindlich kalt zu werden, dafür aber nur sehr allmählich dunkel.
3. Tag:
Am nächsten Morgen war es recht windig, aber der Himmel war komplett wolkenlos und die Sonne strahlte. Daher wurde es schnell ziemlich warm, und die Reise wurde im T-Shirt nach dem Frühstück fortgesetzt. Allerdings nicht ohne zuvor darüber zu streiten, ob die kleinen Schnitte in meinem Schlafsack vom Wurstschneiden durch meine Freundin auf selbigem stammten oder nicht. Na ja, schließlich versöhnten wir uns nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, und es konnte weitergehen. Nach wenigen hundert Metern entdeckten wir auch die Vålåstugorna-Hütte hinter einer Hügelkuppe. Hier wollten wir ein wenig Vorräte ergänzen und überhaupt mal einen Eindruck von den Hütten und ihrem Angebot bekommen. Auch neigte sich der Inhalt meines Tabakbeutels langsam der Neige zu. Als der Wirt mir sagte, dass er keine Zigaretten verkaufe, begann mir langsam zu dämmern, dass ich den Großteil der Reise als "Nicht-raucher" erleben würde. Egal, vielleicht hatten die anderen Hütten ja welche. Wir erkundigten uns noch nach der Wetterprognose, die ziemlich sonnig war, kauften etwas abgelaufene Marmelade im Angebot und setzten unseren Weg nach einer Dose Fanta fort.
Nach einiger Zeit kamen wir an einen größeren Fluss und beschlossen, das strahlend gute Wetter für eine Wäsche zu nutzen.
Vom kühlen Nass erfrischt, setzten wir die Reise fort. Vor uns lagen einige Höhenmeter, und der Weg war recht beschwerlich. Dafür wurde der Ausblick immer besser.
Während ich so ging, tat es auf einmal rechts hinter mir einen lauten Knacks. Ich fragte meine Freundin, ob sie das auch gehört habe, und bat sie, einmal an meinem Rucksack nachzusehen - und tatsächlich: Das Hartplastik der Halterung meines rechten Schultergurtes war sauber durchgebrochen! Schöne Scheiße. Obwohl mir sofort klar war, dass das im Zweifel den ganzen Urlaub ruinieren konnte, blieb ich erstaunlich ruhig. Immerhin hielt den Rucksack noch der Justierriemen, aber wie lange würde der halten? Ich holte also Panzertape und Taschenmesser aus dem Rucksack und versuchte, den Riemen bestmöglich mit Tape zu reparieren. Abends besserte ich nochmal nach und ich darf vorwegnehmen: Dieses Provisorium hat Gott sei Dank die komplette restliche Tour gehalten.
Als wir den Anstieg später schließlich bewältigt hatten, waren wir beide recht erschöpft, und beschlossen, eine Rast einzulegen. Es war trotz strahlender Sonne aufgrund des Windes ziemlich kalt hier oben und wir kauerten uns in eine kleine Mulde. Der Ausblick und die Weite waren großartig und Wurst, Schokoriegel und Zigarette schmeckten fantastisch. Doch der Anstieg war wohl doch recht anstrengend gewesen, da ich trotz des ungemütlichen Ortes merkte, wie ich tatsächlich neben meinem Rucksack erschöpft einzudösen begann. Als ich fast schon im Reich der Träume war, drängte mich meine Freundin durch Rütteln zum Aufbruch. Derart ausgeruht ging es weiter.
Nach einiger Zeit war in der Ferne am Horizont zum ersten mal der schneebedeckte und wolkenverhangene Gipfel des Helags zu sehen - ein toller Anblick. Immer wieder mussten wir kleinere Bäche und Flüsse überqueren, was mal mehr, mal weniger schwierig war. Auf jeden Fall ist es sehr idyllisch, wenn immer irgendwo ein Bach plätschert. Wir wanderten noch ein paar Stunden, bis am späten Nachmittag die Schutzütte Ljungan in Sicht kam und meine Freundin vorschlug, an einem kleinen Bach zu campieren. Gesagt getan. Wir bauten das Zelt auf und machten uns an die Zubereitung einer Portion Nudeln.
Wir bewunderten einen wunderschönen Sonnenuntergang, während es zunehmend kälter wurde, weswegen sich meine Freundin ins Zelt zurückzog. Ich wollte noch ein wenig die Landschaft genießen, und setzte mich etwas weiter entfernt auf einen Felsbrocken. Kaum dass ich mich dort niedergelassen hatte, hörte ich auf einmal Geräusche hinter einer Hügelkuppe. Irgend etwas war da. Dann hörte ich ein grunzendes Geräusch. Und auf einmal waren sie da: eine kleine Gruppe Rentiere kam gemütlich im rötlichen Licht der letzten Sonnenstrahlen des Tages auf mich zugetrottet. Unbeirrt zogen sie friedlich an mir vorüber. (Leider gaben die Akkus der Videokamera ausgerechnet in diesem Moment den Geist auf )
Ein sehr erhabener Moment, der mich später im Zelt zufrieden einschlafen ließ.
4. Tag
Morgens wurden wir von herrlichstem Sonnenschein geweckt. Mittlerweile hatten wir ordentlich Sonnenbrand auf Unterarmen und im Gesicht. Leider hatten wir keine Sonnencreme dabei - wir hatten so viel Sonne einfach nicht erwartet. Entspannt und Gutgelaunt setzten wir die Reise fort, unser Tagesziel dabei immer deutlich sichtbar vor uns: Der majestätische Helags.
Wir trugen uns in der Ljungan-Schutzhütte ins Hüttenbuch ein und gingen frohen Mutes weiter. Nach wenigen Metern kreuzte ein breiter Fluss unseren Weg. Da wir keine Chance sahen, trockenen Fußes ans andere Ufer zu gelangen, suchten wir uns eine seichte, aber breite Stelle flussaufwärts und beschlossen, den Fluss barfuß watend zu überwinden. Das Wasser war ziemlich kalt, aber wir kamen beide heil und ohne Probleme ans andere Ufer. Als wir dort unsere Füße trockneten, sahen wir flussabwärts einen Wanderer, der es im Gegensatz zu uns offenbar schaffte, trockenen Fußes den Fluss zu überwinden. Meine Freundin und ich grinsten uns an.
Im Laufe des Tages begann sich der morgens noch blaue Himmel zu bewölken und die Sonne verabschiedete sich erstmal. Angesichts des Sonnenbrandes störte uns das kaum. Der Weg führte durch relativ ebenes Gelände, mit vielen kleinen und größeren Seen. Irgendwo dort verlor ich wohl meine Mütze, die ich aufgrund ständig wechselnder Temperaturen griffbereit in der Hosentasche getragen hatte. Gott sei Dank hatte die Jacke meiner Freundin eine sehr winddichte Kapuze, so dass sie mir ihre Mütze fortan netterweise leihen konnte. Für meine Ohren war das gut, für mein modisches Erscheinungsbild weniger - aber da muss man eindeutig Prioritäten setzen ;) .
Es wurde windig und regnerisch, als uns am Nachmittag schließlich nur noch ein kleinerer Berg von der Fjällstation Helags trennte. Vor uns lag jedoch ein steiler Aufstieg im Regen. Da wir jedoch immer wieder größere Rentiergruppen in nicht allzu großer Entfernung beobachten konnten, war der Aufstieg sehr kurzweilig und unterhaltsam.
Nachdem wir den Anstieg bewältigt hatten, bot sich uns der imposante Anblick des Helags inmitten von Wolken und Regen, davor Dutzende von Rentieren im Tal.
Um die Fjällstation herum standen sicher ein knappes Dutzen Zelte und wir sahen seit Tagen erstmals wieder eine größere Menschengruppe. Wir schlugen unser Zelt etwas weg von der Fjällstation Richtung Helags auf, ergänzten unseren Proviant und machten uns ans Abendessen. Aufgrund von Wind und Regen kochten wir im Zelt, was für uns eine Premiere darstellte. Wir sorgten für Belüftung und eine ebene Abstellfläche und schritten zur Tat. Die Nudeln wurden wie immer bisher super und nichts wurde verschüttet oder abgefackelt. In unseren Schlafsäcken ergötzten wir uns aus dem Zelt heraus an dem großartigen Panorama. Drei Rentiere kamen keine fünfzehn Meter vor unserem Zelt entlanggelaufen. Zwar begann man sich an die stetige Anwesenheit der Tiere zu gewöhnen, aber sie aus der Nähe beobachten zu können (oder von ihnen beobachtet zu werden) war immer wieder ein tolles Erlebnis.
Wir besprachen, ob wir denn nun am nächsten Tag den Helags besteigen, oder lieber den Weg fortsetzen wollten. Wir einigten uns darauf, es einfach vom Wetter abhängig zu machen.
5. Tag
Morgens wurden wir vom sanften Klappern der Rentierhufe geweckt, als eine immense Schar Rene gemütlich an unserem Zelt vorbeizog. Einige kamen fast bis auf Armeslänge heran, was mal eine sehr nette Begrüßung war. Auch das Wetter schien es sehr gut mit uns zu meinen: Strahlender Sonnenschein und der Gipfel des Helags frei von Wolken. Die Entscheidung war also gefallen. Nach einem Frühstück zwischen den Rentieren packte ich meinen Rucksack mit Proviant und anderen Dingen für die Besteigung des Helags. Wir rechneten mit einem halben Tag für Auf- und Abstieg. Mit einem Fettstift versuchten wir, unsere mittlerweile knallroten Unterarme und Gesichter vor der Sonne zu schützen.
Dann ging es los, rauf auf den Helags. Wir waren bei weitem nicht die einzigen, die das gute Wetter ausnutzen wollten, auf dem Berg verlief sich das jedoch recht schnell. Mit jedem Meter, den wir emporklommen, wurde der Ausblick imposanter. Auf ungefähr halber Strecke, als es linkerhand mehrere hundert Meter steil bergab ging, begann sich bei mir eine leichte Höhenangst einzustellen: Ich bemerkte ein Gefühl des Unwohlseins an mir und irrationale Gedanken gingen mir durch den Kopf, wie z.B.: Könnte der Berg kollabieren? Ich zog sogar in Erwägung, eine Umkehr vorzuschlagen und tat das dann auch. Meine Freundin plädierte jedoch für's Weitergehen. Ich hielt mich von da an von der Felskante fern und riskierte lieber ein paar kleine, unbequeme Umwege, als mehr oder weniger direkt am Abgrund zu kraxeln.
Das Gefühl des Unwohlseins wich dann auch nach kurzer Zeit und der Ehrgeiz den Gipfel zu erreichen, war wieder da. Plötzlich sahen wir links von uns das schwedische Pärchen aus Vålådalen, sie waren bereits auf dem Rückweg. Wir tauschten uns kurz über Routen und Erlebnisse aus, bevor wir unseren Weg fortsetzen. Die beiden empfohlen uns noch einen Zeltplatz an einem See vor dem Berg Kläppen auf dem Weg nach Sylarna, von dem sie sehr angetan schienen. Auch verwiesen sie auf größere Mengen Brennholz für ein schönes Feuer, die sich dort befänden. Leider sollte ich mit diesem schönen Ort noch überwiegend negative Erinnerungen verbinden, aber der Reihe nach.
Wir setzten unseren Weg zum Gipfel fort, mittlerweile schon lange jenseits der Vegetationsgrenze, wo allenfalls Flechten noch den nackten Fels bedeckten. Während ich wieder voll in meinem Element war, begann nun meine Freundin sich unwohl zu fühlen - war es bei mir die Höhe gewesen, so war es bei ihr die Unwirtlichkeit der kahlen, felsigen Gipfelzone. Dann war er plötzlich da, der Gipfel.
Oben angekommen, genossen wir ersteinmal die Aussicht, machten Fotos und filmten. Der Wind pfiff ganz ordentlich, und trotz der Sonne war es ziemlich kühl. Natürlich trugen wir uns auch in das Gipfelbuch ein. Auch rauchte ich die letzte Zigarette, die ich dafür extra zurückgehalten hatte. Der Ausblick war absolut überwältigend, wohin man auch schaute: Berge, Flüsse, Seen und sanft gewellte Ebenen bis zum Horizont.
Nach vielleicht einer halben Stunde begannen wir uns auf den Rückweg zu machen. Weiter unten rutschte meine Freundin aus und legte drei Meter grasbewachsenen Abhang auf dem Hintern zurück. Da sie die Rutschpartie ohne Blessuren überstand, mussten wir beide ziemlich lachen.
Schließlich ereichten wir wohlbehalten unser Zelt, das war am späten Nachmittag, wir hatten die Unternehmung zeitlich deutlich unterschätzt. Nach einem wieder mal sehr gelungenen Mahl und erneutem Rentierbesuch vor unserem Zelt legten wir uns zufrieden schlafen.
Die Anreise erfolgte per Zug über Stockholm und verlief problemlos. Per Taxi-Shuttle ging es von Undersåker nach Vålådalen. In Vålådalen machten uns ein schwedisches Trekker-Pärchen netterweise darauf aufmerksam, dass die Rückreise mit dem Shuttle-Taxi zum Bahnhof in Undersåker im Voraus reserviert werden musste, was sie dann auch gleich für uns erledigten. Man wünschte sich eine gute Reise und machte sich unter einsetzendem Regen auf den Weg, so etwa gegen 17:00 Uhr.
Wir wollten erstmal über Vålåstugorna zum Helags marschieren, und je nach Vorankommen sehen, wie weit wir den Bogen auf dem Rückweg nach Vålådalen gestalten. Wir waren voller Entdeckungsfreude und gespannt, was wir in den nächsten zwei Wochen sehen und erleben würden.
Der Weg führte durch sumpfig-waldiges Gelände, was im Regen recht stimmungsvoll daherkam. Außer uns war niemand zu sehen oder hören. Ein freches Eichhörnchen flüchtete vor uns auf einen Baum und beobachtete uns aus sicherer Höhe. Nach einigen Kilometern zerriss plötzlich ein lautes Kreischen die Stille, und zwei Kraniche erhoben sich aus einer hohen Baumkrone und schwebten majestätisch über die regenverhangene Sumpflandschaft. Ein toller Anblick.
Später gelangten wir an eine Brücke die über einen großen Fluss führte und beschlossen, dort unser Zelt am Ufer aufzuschlagen.
Wir kochten unsere Nudeln und aßen im Zelt, begeistert vom Ausblick auf die Flussgabelung und dem Gelingen einer schmackhaften Mahlzeit. Angesicht der aggressiven Mücken machten sich unsere Moskitohüte gleich am ersten Abend bezahlt.
Entgegen unserer Erwartung war der Wald nachts ziemlich still (oder der Fluss einfach sehr laut) und angesichts der Strapazen von Anreise und Tagesmarsch war es kein Problem in den Schlaf zu finden. Normalerweise schlafe ich in der ersten Nacht bei einer Zelttour kaum.
In den ersten Nächten hängten wir auch eine unserer Wandersocken außen ans Zelt - wegen der Bären Eine Maßnahme, die wir nach wenigen Nächten zu vernachlässigen begannen.
2. Tag:
Am nächsten Morgen zeigte sich der Himmel immer noch bedeckt, aber es hatte aufgehört zu regnen. Nach einem heißen Tee ging es weiter. Der Weg führte vormittags durch Waldgelände, wir begegneten einigen Wanderern und das Wetter begann sich zunehmend zu bessern. In der Ferne sah man bisweilen die Berge des Fjälls zwischen den Bäumen hindurch.
Der Weg wurde steiler und der Wald wich einer Vegetation aus Krüppelgewächs.
Schließlich ließen wir am frühen Nachmittag die Baumgrenze hinter uns. Vor uns lag das Fjäll in seiner ganzen Pracht. Dazu begann die Sonne endgültig durch die Wolken zu brechen und es wurde angenehm warm. Dabei war es absolut windstill, was eine Seltenheit im Fjäll sein dürfte, wie uns später schnell klar wurde.
In der Ferne konnten wir erste Rentiere entdecken - nicht viel mehr als ein schwarzer Punkt, aber bei uns beiden löste bereits das einen Euphorieschub aus. Nachdem wir unsere Flaschen an einem Bach aufgefüllt hatten, marschierten wir weiter. Ziel war es, nach Möglichkeit noch die Vålåstugorna-Hütte zu passieren. Jedoch, als die Hütte einfach nicht in Sicht kommen wollte, schlugen wir schließlich unser Lager auf. Wir aßen vor einer grandiosen Kulisse und fühlten uns mittlwerweile pudelwohl in dieser prachtvollen Landschaft. Auch hier waren die Mücken recht nervig, auch wenn sie die Tendez hatten sich mit einer Landung auf dem heißen Deckel des Kochers zu suizidieren. In Gedanken spie ich leider in das Netz meines Moskitohutes vor meinem Gesicht, was recht unangenehm war und mir danach auch nicht wieder passiert ist.
Nach Sonnenuntergang begann es empfindlich kalt zu werden, dafür aber nur sehr allmählich dunkel.
3. Tag:
Am nächsten Morgen war es recht windig, aber der Himmel war komplett wolkenlos und die Sonne strahlte. Daher wurde es schnell ziemlich warm, und die Reise wurde im T-Shirt nach dem Frühstück fortgesetzt. Allerdings nicht ohne zuvor darüber zu streiten, ob die kleinen Schnitte in meinem Schlafsack vom Wurstschneiden durch meine Freundin auf selbigem stammten oder nicht. Na ja, schließlich versöhnten wir uns nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, und es konnte weitergehen. Nach wenigen hundert Metern entdeckten wir auch die Vålåstugorna-Hütte hinter einer Hügelkuppe. Hier wollten wir ein wenig Vorräte ergänzen und überhaupt mal einen Eindruck von den Hütten und ihrem Angebot bekommen. Auch neigte sich der Inhalt meines Tabakbeutels langsam der Neige zu. Als der Wirt mir sagte, dass er keine Zigaretten verkaufe, begann mir langsam zu dämmern, dass ich den Großteil der Reise als "Nicht-raucher" erleben würde. Egal, vielleicht hatten die anderen Hütten ja welche. Wir erkundigten uns noch nach der Wetterprognose, die ziemlich sonnig war, kauften etwas abgelaufene Marmelade im Angebot und setzten unseren Weg nach einer Dose Fanta fort.
Nach einiger Zeit kamen wir an einen größeren Fluss und beschlossen, das strahlend gute Wetter für eine Wäsche zu nutzen.
Vom kühlen Nass erfrischt, setzten wir die Reise fort. Vor uns lagen einige Höhenmeter, und der Weg war recht beschwerlich. Dafür wurde der Ausblick immer besser.
Während ich so ging, tat es auf einmal rechts hinter mir einen lauten Knacks. Ich fragte meine Freundin, ob sie das auch gehört habe, und bat sie, einmal an meinem Rucksack nachzusehen - und tatsächlich: Das Hartplastik der Halterung meines rechten Schultergurtes war sauber durchgebrochen! Schöne Scheiße. Obwohl mir sofort klar war, dass das im Zweifel den ganzen Urlaub ruinieren konnte, blieb ich erstaunlich ruhig. Immerhin hielt den Rucksack noch der Justierriemen, aber wie lange würde der halten? Ich holte also Panzertape und Taschenmesser aus dem Rucksack und versuchte, den Riemen bestmöglich mit Tape zu reparieren. Abends besserte ich nochmal nach und ich darf vorwegnehmen: Dieses Provisorium hat Gott sei Dank die komplette restliche Tour gehalten.
Als wir den Anstieg später schließlich bewältigt hatten, waren wir beide recht erschöpft, und beschlossen, eine Rast einzulegen. Es war trotz strahlender Sonne aufgrund des Windes ziemlich kalt hier oben und wir kauerten uns in eine kleine Mulde. Der Ausblick und die Weite waren großartig und Wurst, Schokoriegel und Zigarette schmeckten fantastisch. Doch der Anstieg war wohl doch recht anstrengend gewesen, da ich trotz des ungemütlichen Ortes merkte, wie ich tatsächlich neben meinem Rucksack erschöpft einzudösen begann. Als ich fast schon im Reich der Träume war, drängte mich meine Freundin durch Rütteln zum Aufbruch. Derart ausgeruht ging es weiter.
Nach einiger Zeit war in der Ferne am Horizont zum ersten mal der schneebedeckte und wolkenverhangene Gipfel des Helags zu sehen - ein toller Anblick. Immer wieder mussten wir kleinere Bäche und Flüsse überqueren, was mal mehr, mal weniger schwierig war. Auf jeden Fall ist es sehr idyllisch, wenn immer irgendwo ein Bach plätschert. Wir wanderten noch ein paar Stunden, bis am späten Nachmittag die Schutzütte Ljungan in Sicht kam und meine Freundin vorschlug, an einem kleinen Bach zu campieren. Gesagt getan. Wir bauten das Zelt auf und machten uns an die Zubereitung einer Portion Nudeln.
Wir bewunderten einen wunderschönen Sonnenuntergang, während es zunehmend kälter wurde, weswegen sich meine Freundin ins Zelt zurückzog. Ich wollte noch ein wenig die Landschaft genießen, und setzte mich etwas weiter entfernt auf einen Felsbrocken. Kaum dass ich mich dort niedergelassen hatte, hörte ich auf einmal Geräusche hinter einer Hügelkuppe. Irgend etwas war da. Dann hörte ich ein grunzendes Geräusch. Und auf einmal waren sie da: eine kleine Gruppe Rentiere kam gemütlich im rötlichen Licht der letzten Sonnenstrahlen des Tages auf mich zugetrottet. Unbeirrt zogen sie friedlich an mir vorüber. (Leider gaben die Akkus der Videokamera ausgerechnet in diesem Moment den Geist auf )
Ein sehr erhabener Moment, der mich später im Zelt zufrieden einschlafen ließ.
4. Tag
Morgens wurden wir von herrlichstem Sonnenschein geweckt. Mittlerweile hatten wir ordentlich Sonnenbrand auf Unterarmen und im Gesicht. Leider hatten wir keine Sonnencreme dabei - wir hatten so viel Sonne einfach nicht erwartet. Entspannt und Gutgelaunt setzten wir die Reise fort, unser Tagesziel dabei immer deutlich sichtbar vor uns: Der majestätische Helags.
Wir trugen uns in der Ljungan-Schutzhütte ins Hüttenbuch ein und gingen frohen Mutes weiter. Nach wenigen Metern kreuzte ein breiter Fluss unseren Weg. Da wir keine Chance sahen, trockenen Fußes ans andere Ufer zu gelangen, suchten wir uns eine seichte, aber breite Stelle flussaufwärts und beschlossen, den Fluss barfuß watend zu überwinden. Das Wasser war ziemlich kalt, aber wir kamen beide heil und ohne Probleme ans andere Ufer. Als wir dort unsere Füße trockneten, sahen wir flussabwärts einen Wanderer, der es im Gegensatz zu uns offenbar schaffte, trockenen Fußes den Fluss zu überwinden. Meine Freundin und ich grinsten uns an.
Im Laufe des Tages begann sich der morgens noch blaue Himmel zu bewölken und die Sonne verabschiedete sich erstmal. Angesichts des Sonnenbrandes störte uns das kaum. Der Weg führte durch relativ ebenes Gelände, mit vielen kleinen und größeren Seen. Irgendwo dort verlor ich wohl meine Mütze, die ich aufgrund ständig wechselnder Temperaturen griffbereit in der Hosentasche getragen hatte. Gott sei Dank hatte die Jacke meiner Freundin eine sehr winddichte Kapuze, so dass sie mir ihre Mütze fortan netterweise leihen konnte. Für meine Ohren war das gut, für mein modisches Erscheinungsbild weniger - aber da muss man eindeutig Prioritäten setzen ;) .
Es wurde windig und regnerisch, als uns am Nachmittag schließlich nur noch ein kleinerer Berg von der Fjällstation Helags trennte. Vor uns lag jedoch ein steiler Aufstieg im Regen. Da wir jedoch immer wieder größere Rentiergruppen in nicht allzu großer Entfernung beobachten konnten, war der Aufstieg sehr kurzweilig und unterhaltsam.
Nachdem wir den Anstieg bewältigt hatten, bot sich uns der imposante Anblick des Helags inmitten von Wolken und Regen, davor Dutzende von Rentieren im Tal.
Um die Fjällstation herum standen sicher ein knappes Dutzen Zelte und wir sahen seit Tagen erstmals wieder eine größere Menschengruppe. Wir schlugen unser Zelt etwas weg von der Fjällstation Richtung Helags auf, ergänzten unseren Proviant und machten uns ans Abendessen. Aufgrund von Wind und Regen kochten wir im Zelt, was für uns eine Premiere darstellte. Wir sorgten für Belüftung und eine ebene Abstellfläche und schritten zur Tat. Die Nudeln wurden wie immer bisher super und nichts wurde verschüttet oder abgefackelt. In unseren Schlafsäcken ergötzten wir uns aus dem Zelt heraus an dem großartigen Panorama. Drei Rentiere kamen keine fünfzehn Meter vor unserem Zelt entlanggelaufen. Zwar begann man sich an die stetige Anwesenheit der Tiere zu gewöhnen, aber sie aus der Nähe beobachten zu können (oder von ihnen beobachtet zu werden) war immer wieder ein tolles Erlebnis.
Wir besprachen, ob wir denn nun am nächsten Tag den Helags besteigen, oder lieber den Weg fortsetzen wollten. Wir einigten uns darauf, es einfach vom Wetter abhängig zu machen.
5. Tag
Morgens wurden wir vom sanften Klappern der Rentierhufe geweckt, als eine immense Schar Rene gemütlich an unserem Zelt vorbeizog. Einige kamen fast bis auf Armeslänge heran, was mal eine sehr nette Begrüßung war. Auch das Wetter schien es sehr gut mit uns zu meinen: Strahlender Sonnenschein und der Gipfel des Helags frei von Wolken. Die Entscheidung war also gefallen. Nach einem Frühstück zwischen den Rentieren packte ich meinen Rucksack mit Proviant und anderen Dingen für die Besteigung des Helags. Wir rechneten mit einem halben Tag für Auf- und Abstieg. Mit einem Fettstift versuchten wir, unsere mittlerweile knallroten Unterarme und Gesichter vor der Sonne zu schützen.
Dann ging es los, rauf auf den Helags. Wir waren bei weitem nicht die einzigen, die das gute Wetter ausnutzen wollten, auf dem Berg verlief sich das jedoch recht schnell. Mit jedem Meter, den wir emporklommen, wurde der Ausblick imposanter. Auf ungefähr halber Strecke, als es linkerhand mehrere hundert Meter steil bergab ging, begann sich bei mir eine leichte Höhenangst einzustellen: Ich bemerkte ein Gefühl des Unwohlseins an mir und irrationale Gedanken gingen mir durch den Kopf, wie z.B.: Könnte der Berg kollabieren? Ich zog sogar in Erwägung, eine Umkehr vorzuschlagen und tat das dann auch. Meine Freundin plädierte jedoch für's Weitergehen. Ich hielt mich von da an von der Felskante fern und riskierte lieber ein paar kleine, unbequeme Umwege, als mehr oder weniger direkt am Abgrund zu kraxeln.
Das Gefühl des Unwohlseins wich dann auch nach kurzer Zeit und der Ehrgeiz den Gipfel zu erreichen, war wieder da. Plötzlich sahen wir links von uns das schwedische Pärchen aus Vålådalen, sie waren bereits auf dem Rückweg. Wir tauschten uns kurz über Routen und Erlebnisse aus, bevor wir unseren Weg fortsetzen. Die beiden empfohlen uns noch einen Zeltplatz an einem See vor dem Berg Kläppen auf dem Weg nach Sylarna, von dem sie sehr angetan schienen. Auch verwiesen sie auf größere Mengen Brennholz für ein schönes Feuer, die sich dort befänden. Leider sollte ich mit diesem schönen Ort noch überwiegend negative Erinnerungen verbinden, aber der Reihe nach.
Wir setzten unseren Weg zum Gipfel fort, mittlerweile schon lange jenseits der Vegetationsgrenze, wo allenfalls Flechten noch den nackten Fels bedeckten. Während ich wieder voll in meinem Element war, begann nun meine Freundin sich unwohl zu fühlen - war es bei mir die Höhe gewesen, so war es bei ihr die Unwirtlichkeit der kahlen, felsigen Gipfelzone. Dann war er plötzlich da, der Gipfel.
Oben angekommen, genossen wir ersteinmal die Aussicht, machten Fotos und filmten. Der Wind pfiff ganz ordentlich, und trotz der Sonne war es ziemlich kühl. Natürlich trugen wir uns auch in das Gipfelbuch ein. Auch rauchte ich die letzte Zigarette, die ich dafür extra zurückgehalten hatte. Der Ausblick war absolut überwältigend, wohin man auch schaute: Berge, Flüsse, Seen und sanft gewellte Ebenen bis zum Horizont.
Nach vielleicht einer halben Stunde begannen wir uns auf den Rückweg zu machen. Weiter unten rutschte meine Freundin aus und legte drei Meter grasbewachsenen Abhang auf dem Hintern zurück. Da sie die Rutschpartie ohne Blessuren überstand, mussten wir beide ziemlich lachen.
Schließlich ereichten wir wohlbehalten unser Zelt, das war am späten Nachmittag, wir hatten die Unternehmung zeitlich deutlich unterschätzt. Nach einem wieder mal sehr gelungenen Mahl und erneutem Rentierbesuch vor unserem Zelt legten wir uns zufrieden schlafen.
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