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Hi.
Ich hatte mich vor gut drei Jahren (u.a. hier) nach Ausrüstung erkundigt. Zwei outdoorseiten-User baten mich anschließend um einen Reisebericht.
Mit meinem skizzenhaften Bericht wollte ich mich zum einen bei all denen bedanken, die mir bei der Wahl der Ausrüstung behilflich waren; und zum anderen jenen Mut machen, die vielleicht eine ähnliche Reise planen. Denn: Es war vieles einfacher, als befürchtet.
Die Trinkwasser-Problematik etwa, die uns zu einem gewissen Grad als kalkulierbares Risiko erschien, hatten wir zwar bei der Planung berücksichtigt; unsere naiv per Google Earth konzipierte Ideal-Route verlief die meiste Zeit entlang eines Flusses (der, wie sich später herausstellte, zunächst nur Sand und Pfützen führte). Ansonsten haben wir uns jedoch bewusst arglos, womöglich auch etwas selbstmörderisch eingelassen auf die Reise. Wir, das heißt: die All-Ireland Senior Champion im Cross-Country Riding und ich. Das einzige, was bei diesem Trip Hand und Fuß hatte, waren die horse whispering skills meiner Begleitung. Und halt die Ausrüstung. Wildniserprobt und outdoortauglich sind wir nämlich beide nicht. Im Gegenteil. Meine Freundin liest gern Modezeitschriften und geht jeden zweiten Samstag im Monat zum Spray Tanning ins Beautycenter. Und ich? Ich bin selbst mit der Entlüftung der Heizkörper in meiner sterilen 50m2-Neubau-Wohnung überfordert. Wie man mit einem Benzinkocher unfallfrei kocht oder ein Zelt aufbaut, ohne sich dabei wie ein Idiot anzustellen - alles Fragen, mit deren Beantwortung ich mir Zeit ließ bis zum ersten Tag in der Steppe, der zugleich mein erster Tag außerhalb Europas sein sollte.
Aber: Alles halb so schlimm. Das große romantische Abenteuer - cowboyhaft Sonnenuntergängen entgegen reiten, Pferd und Freundin vor hungrigen Wölfen beschützen - war letztlich vor allem eines: Arbeit. Morgens um fünf aufstehen, Ausrüstung zusammenpacken, Pferde satteln - selbst nach drei Wochen, mit leidlicher Nomaden-Routine, dauerte das immer noch gut eineinhalb Stunden. Anschließend ehrgeizig das präzise im heimischen Wohnzimmer gesteckte Planziel erfüllen und - mit 5 km/h - mindestens 25 Kilometer reiten. Das klappte erstaunlich gut. Nicht zuletzt dank der braven Gäule, die uns Mendee, ca. acht Autostunden von Ulaanbaatar (und eine Pferdewoche von unserem ersten GPS-Waypoint) entfernt bei einem befreundeten Pferdehändler besorgte. (Für rund 300 Dollar pro Pferd übrigens.) Alles in allem eine lehrreiche Erfahrung für einen der Komplexität des modernen Lebens entfliehenden Europäer. Insbesondere für einen, der bislang taugenichtshaft in den Tag hineinlebte und jede zweite Vorlesung an der Uni schwänzte.
Gefahr jedenfalls drohte uns während der vier Wochen weder von Mensch respektive Dieb noch Natur. Die wenigen Nomaden, die wir trafen, begegneten uns mit freundlichem Desinteresse. Das kontinentale Klima übrigens auch. Abgesehen von zwei Sandstürmen, den (zu Pferd) bedrohlich wirkenden, aber letztlich ungefährlichen Windhosen und dem lästigen Verwesungsgeruch, der ständig in der Luft lag, mussten wir zu keiner Zeit ernsthaft erwägen, unseren Pferdi-Treck vorzeitig abzubrechen. Mit einer Ausnahme.
Tussi ohne Furcht und Tadel
Mitten in der Nacht riss es mich aus dem Schlaf. Innerhalb eines Tages hatte sich draußen ein bizarres Destillat aus allen vier Jahreszeiten zusammengebraut: zunächst sengende Hitze, dann ein heftiges Gewitter; anschließend schob ein Sandsturm alles zur Seite, gefolgt von einem leichten Regen- und Schneesturm mit Minusgraden. Der Regen trommelte ohrenbetäubend aufs Zeltdach. Dazwischen glaubte ich Pferdegewieher zu hören.
Nachdem ich mich an meiner schlafenden Freundin ins Vorzelt vorbeigeschoben hatte, konnte ich draußen nicht viel erkennen. Dicke Regentropfen, schwarze Nacht. Zumindest das Wiehern war jetzt deutlicher zu hören. Die Entfernung schätzte ich auf maximal fünf, sechs Meter - die Pferde mussten also noch dort angebunden sein, wo wir sie in aller Hektik vor dem Sandsturm festgemacht hatten. Vielleicht haben sie sich im Seil verwickelt? Ist es ihnen zu kalt? Kann eigentlich nicht sein, dachte ich. Schließlich stehen mongolische Pferde bei zweistelligen Minusgraden den ganzen Winter über draußen.
Oder waren es doch Wölfe? Die Vorstellung, dass sich ein gefräßiges Wolfsrudel erst über unsere Pferde und anschließend über unser Zelt hermachen könnte, hatte mich schon die ganze Zeit über insgeheim begleitet. Dass laut Mendee die größte Bedrohung weniger von menschenfressenden Wölfen, sondern vielmehr von ganz gewöhnlichen Dieben ausgeht - irgendwie konnte ich sein Nomaden-Know-how nicht mehr abrufen; zu sehr war ich elektrisiert von dem Gedanken, gleich um Leben und Tod kämpfen zu müssen. Vor allem um das meiner Freundin! Schließlich habe ich ihren Eltern großmäulig versprochen, sie wieder sicher nach Hause zu bringen. Eventuell bleibt ja noch Zeit, zur nächsten Nomaden-Jurte zu türmen, während die Wölfe unsere angeketteten Pferde zerfleischen?
"Hey, ich glaub da stimmt was nicht, da draußen". Mit zittriger Stimme, wohlahnend, dass ich mir das vermutlich alles nur einbildete, wiederholte ich den Satz bis sie aufwachte. "Go back to sleep", säuselte sie lethargisch. "Ich glaub da sind Wölfe draußen!" Es nutzte nichts: Sie war bereits wieder eingeschlafen. Na gut - dann muss ich sie halt alleine vertreiben. Ich durchstöberte das Zelt nach geeignetem Kampfgerät. Vergebens. Mit einem Schweizer Taschenmesser konnte ich einen hungrigen Wolf nicht beeindrucken. Selbst wenn ich vorher den iPod meiner Freundin laut aufdrehte, um die irritierenden Zivilisationsgeräusche zu meinem Vorteil zu nutzen - der Regen war zu laut. Ich öffnete erneut den Zelteingang zur Hälfte, blitzte ängstlich mit meiner Kamera in die Nacht. Auf den Fotos war nichts zu erkennen.
Dann kam mir die Idee mit dem brennenden Stock. In Avatar hielt Sam Worthington außerirdische Leoparden damit in Schach. Zumindest für eine Zeit - bis ihn die blaue Pandora-Riesin mit Pfeil und Bogen rettete. Ein Versuch war's jedenfalls wert. Ich wickelte eine Jogginghose, das letzte trockene Kleidungsstück meiner Freundin, um einen eingeklappten Campingstuhl; in der anderen Hand hielt ich die Brennstofflasche meines Benzinkochers und ein Feuerzeug bereit.
Und jetzt? Halb nackt, mit einem brennenden Campingstuhl in der Hand in die nasskalte Dunkelheit stürmen? Was, wenn da gar nichts ist, außer ein paar Murmeltiere, die unseren Pferden auf die Nerven gehen? Mit dem ersten Zweifel an meinem Vermögen, die Situation richtig einschätzen zu können, kam auch die Müdigkeit zurück. Ich verkroch mich wieder in die dumpfe Wärme meines Schlafsacks. "Sollen sie uns halt fressen", dachte ich. Das Schweizer Taschenmesser und der Campingstuhl lagen griffbereit neben meinem Self-Inflating-Kopfkissen.
Am nächsten Morgen lebte ich zwar noch, rechnete aber mit dem (Zweit-)Schlimmsten. Ich zog schicksalsergeben am Reißverschluss des Zelteingangs. Die Pferde - sie waren noch da! Daneben: Rund ein Dutzend neuer Pferde, das die spärlich bewachsene Wiese abgraste. Das war der Grund für ihr nervöses Gewieher!? "Wolves", gackelte meine Freundin halb aufgerichtet in ihrem Schlafsack. Wer hätte das gedacht: Meine Freundin, die sich regelmäßig davor fürchtet, Samstagabends nichts zum Anziehen zu haben, hat mehr Eier in der Hose als ich.
Einen Google-Earth-Track gibt's hier hier, ein paar wenige Fotos entlang des Tracks kann man sich damit einblenden lassen (Erinnerungen sind schöner; Urlaub abknipsen mit zwei Zügeln in der Hand zudem anstrengend).
Ich hatte mich vor gut drei Jahren (u.a. hier) nach Ausrüstung erkundigt. Zwei outdoorseiten-User baten mich anschließend um einen Reisebericht.
Mit meinem skizzenhaften Bericht wollte ich mich zum einen bei all denen bedanken, die mir bei der Wahl der Ausrüstung behilflich waren; und zum anderen jenen Mut machen, die vielleicht eine ähnliche Reise planen. Denn: Es war vieles einfacher, als befürchtet.
Die Trinkwasser-Problematik etwa, die uns zu einem gewissen Grad als kalkulierbares Risiko erschien, hatten wir zwar bei der Planung berücksichtigt; unsere naiv per Google Earth konzipierte Ideal-Route verlief die meiste Zeit entlang eines Flusses (der, wie sich später herausstellte, zunächst nur Sand und Pfützen führte). Ansonsten haben wir uns jedoch bewusst arglos, womöglich auch etwas selbstmörderisch eingelassen auf die Reise. Wir, das heißt: die All-Ireland Senior Champion im Cross-Country Riding und ich. Das einzige, was bei diesem Trip Hand und Fuß hatte, waren die horse whispering skills meiner Begleitung. Und halt die Ausrüstung. Wildniserprobt und outdoortauglich sind wir nämlich beide nicht. Im Gegenteil. Meine Freundin liest gern Modezeitschriften und geht jeden zweiten Samstag im Monat zum Spray Tanning ins Beautycenter. Und ich? Ich bin selbst mit der Entlüftung der Heizkörper in meiner sterilen 50m2-Neubau-Wohnung überfordert. Wie man mit einem Benzinkocher unfallfrei kocht oder ein Zelt aufbaut, ohne sich dabei wie ein Idiot anzustellen - alles Fragen, mit deren Beantwortung ich mir Zeit ließ bis zum ersten Tag in der Steppe, der zugleich mein erster Tag außerhalb Europas sein sollte.
Aber: Alles halb so schlimm. Das große romantische Abenteuer - cowboyhaft Sonnenuntergängen entgegen reiten, Pferd und Freundin vor hungrigen Wölfen beschützen - war letztlich vor allem eines: Arbeit. Morgens um fünf aufstehen, Ausrüstung zusammenpacken, Pferde satteln - selbst nach drei Wochen, mit leidlicher Nomaden-Routine, dauerte das immer noch gut eineinhalb Stunden. Anschließend ehrgeizig das präzise im heimischen Wohnzimmer gesteckte Planziel erfüllen und - mit 5 km/h - mindestens 25 Kilometer reiten. Das klappte erstaunlich gut. Nicht zuletzt dank der braven Gäule, die uns Mendee, ca. acht Autostunden von Ulaanbaatar (und eine Pferdewoche von unserem ersten GPS-Waypoint) entfernt bei einem befreundeten Pferdehändler besorgte. (Für rund 300 Dollar pro Pferd übrigens.) Alles in allem eine lehrreiche Erfahrung für einen der Komplexität des modernen Lebens entfliehenden Europäer. Insbesondere für einen, der bislang taugenichtshaft in den Tag hineinlebte und jede zweite Vorlesung an der Uni schwänzte.
Gefahr jedenfalls drohte uns während der vier Wochen weder von Mensch respektive Dieb noch Natur. Die wenigen Nomaden, die wir trafen, begegneten uns mit freundlichem Desinteresse. Das kontinentale Klima übrigens auch. Abgesehen von zwei Sandstürmen, den (zu Pferd) bedrohlich wirkenden, aber letztlich ungefährlichen Windhosen und dem lästigen Verwesungsgeruch, der ständig in der Luft lag, mussten wir zu keiner Zeit ernsthaft erwägen, unseren Pferdi-Treck vorzeitig abzubrechen. Mit einer Ausnahme.
Tussi ohne Furcht und Tadel
Mitten in der Nacht riss es mich aus dem Schlaf. Innerhalb eines Tages hatte sich draußen ein bizarres Destillat aus allen vier Jahreszeiten zusammengebraut: zunächst sengende Hitze, dann ein heftiges Gewitter; anschließend schob ein Sandsturm alles zur Seite, gefolgt von einem leichten Regen- und Schneesturm mit Minusgraden. Der Regen trommelte ohrenbetäubend aufs Zeltdach. Dazwischen glaubte ich Pferdegewieher zu hören.
Nachdem ich mich an meiner schlafenden Freundin ins Vorzelt vorbeigeschoben hatte, konnte ich draußen nicht viel erkennen. Dicke Regentropfen, schwarze Nacht. Zumindest das Wiehern war jetzt deutlicher zu hören. Die Entfernung schätzte ich auf maximal fünf, sechs Meter - die Pferde mussten also noch dort angebunden sein, wo wir sie in aller Hektik vor dem Sandsturm festgemacht hatten. Vielleicht haben sie sich im Seil verwickelt? Ist es ihnen zu kalt? Kann eigentlich nicht sein, dachte ich. Schließlich stehen mongolische Pferde bei zweistelligen Minusgraden den ganzen Winter über draußen.
Oder waren es doch Wölfe? Die Vorstellung, dass sich ein gefräßiges Wolfsrudel erst über unsere Pferde und anschließend über unser Zelt hermachen könnte, hatte mich schon die ganze Zeit über insgeheim begleitet. Dass laut Mendee die größte Bedrohung weniger von menschenfressenden Wölfen, sondern vielmehr von ganz gewöhnlichen Dieben ausgeht - irgendwie konnte ich sein Nomaden-Know-how nicht mehr abrufen; zu sehr war ich elektrisiert von dem Gedanken, gleich um Leben und Tod kämpfen zu müssen. Vor allem um das meiner Freundin! Schließlich habe ich ihren Eltern großmäulig versprochen, sie wieder sicher nach Hause zu bringen. Eventuell bleibt ja noch Zeit, zur nächsten Nomaden-Jurte zu türmen, während die Wölfe unsere angeketteten Pferde zerfleischen?
"Hey, ich glaub da stimmt was nicht, da draußen". Mit zittriger Stimme, wohlahnend, dass ich mir das vermutlich alles nur einbildete, wiederholte ich den Satz bis sie aufwachte. "Go back to sleep", säuselte sie lethargisch. "Ich glaub da sind Wölfe draußen!" Es nutzte nichts: Sie war bereits wieder eingeschlafen. Na gut - dann muss ich sie halt alleine vertreiben. Ich durchstöberte das Zelt nach geeignetem Kampfgerät. Vergebens. Mit einem Schweizer Taschenmesser konnte ich einen hungrigen Wolf nicht beeindrucken. Selbst wenn ich vorher den iPod meiner Freundin laut aufdrehte, um die irritierenden Zivilisationsgeräusche zu meinem Vorteil zu nutzen - der Regen war zu laut. Ich öffnete erneut den Zelteingang zur Hälfte, blitzte ängstlich mit meiner Kamera in die Nacht. Auf den Fotos war nichts zu erkennen.
Dann kam mir die Idee mit dem brennenden Stock. In Avatar hielt Sam Worthington außerirdische Leoparden damit in Schach. Zumindest für eine Zeit - bis ihn die blaue Pandora-Riesin mit Pfeil und Bogen rettete. Ein Versuch war's jedenfalls wert. Ich wickelte eine Jogginghose, das letzte trockene Kleidungsstück meiner Freundin, um einen eingeklappten Campingstuhl; in der anderen Hand hielt ich die Brennstofflasche meines Benzinkochers und ein Feuerzeug bereit.
Und jetzt? Halb nackt, mit einem brennenden Campingstuhl in der Hand in die nasskalte Dunkelheit stürmen? Was, wenn da gar nichts ist, außer ein paar Murmeltiere, die unseren Pferden auf die Nerven gehen? Mit dem ersten Zweifel an meinem Vermögen, die Situation richtig einschätzen zu können, kam auch die Müdigkeit zurück. Ich verkroch mich wieder in die dumpfe Wärme meines Schlafsacks. "Sollen sie uns halt fressen", dachte ich. Das Schweizer Taschenmesser und der Campingstuhl lagen griffbereit neben meinem Self-Inflating-Kopfkissen.
Am nächsten Morgen lebte ich zwar noch, rechnete aber mit dem (Zweit-)Schlimmsten. Ich zog schicksalsergeben am Reißverschluss des Zelteingangs. Die Pferde - sie waren noch da! Daneben: Rund ein Dutzend neuer Pferde, das die spärlich bewachsene Wiese abgraste. Das war der Grund für ihr nervöses Gewieher!? "Wolves", gackelte meine Freundin halb aufgerichtet in ihrem Schlafsack. Wer hätte das gedacht: Meine Freundin, die sich regelmäßig davor fürchtet, Samstagabends nichts zum Anziehen zu haben, hat mehr Eier in der Hose als ich.
Einen Google-Earth-Track gibt's hier hier, ein paar wenige Fotos entlang des Tracks kann man sich damit einblenden lassen (Erinnerungen sind schöner; Urlaub abknipsen mit zwei Zügeln in der Hand zudem anstrengend).
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