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Kaukasustour September/Oktober 2012 – Georgien
Mein Interesse galt diesen Bergen schon seit längerer Zeit. Zogen doch Karpatenhirten in früheren Zeiten mit ihren Schafherden bis in den Kaukasus. Da wurde es doch mal Zeit einen kleinen Exkurs zu machen.
Wir hatten die Reise grob in drei Abschnitte geteilt. An erster Stelle stand Swanetien im Großen Kaukasus. Dann wollten wir ein paar Tage am Schwarzen Meer verbringen und zuletzt noch ein wenig im Kleinen Kaukasus wandern gehen.
Hier nun der Wanderbericht im Bordschomi-Charagauli Nationalpark
Albert, der Taxifahrer, bringt uns früh um sieben zur Likani-Rangerhütte am Nationalpark. Die Rangerhütte ist noch nicht besetzt. Hier starten die Wege Nummer 1 und 6 - beide sind mit einem gelben Band auf schwarzem Grund markiert. Wir folgen dem engen Tal des Likani. Es ist kalt. Dichter Wald säumt die Berghänge. Wie in den Karpaten leben hier Bären, Wölfe und Luchse. Doch von diesen Bergbewohnern werden wir keinen treffen. Trotzdem sind wir nicht allein, nach einer reichlichen Stunde verlässt der Weg das Tal, es geht bergauf. Genau an der Wegbiegung steht ein blaues Zwei-Personen-Zelt, aus dem Inneren sind Stimmen zu hören. Für uns zieht sich eine Serpentine nach der Nächsten den Hang hinauf. Es wird Zeit Pause zu machen, aber es findet sich kein Plätzchen, was uns zusagt. Erst auf dem Kamm lichtet sich der Wald an einer Stelle und wir erhaschen einen Blick in die Umgebung. Mit Kiefern und Tannen bewaldete Hänge ziehen sich hinunter ins Mtkwari-Tal. Bunte Tupfen dazwischen zeigen an, es ist Herbst geworden im Kleinen Kaukasus. Wir laufen noch ein paar Minuten und finden schließlich einen umgestürzten Baumstamm für unsere Frühstückspause.
Der Weg zieht sich weiter bergauf. Es gibt leider wenig Ausblicke in die Landschaft. Dafür ist es am Wegesrand interessant. Neben meinen Füßen verschwindet eine fette Kreuzotter im Unterholz. Erst als wir nach etwa 4 ½ Stunden die Weggabelung erreichen, wird das Gelände offener. Weg Nummer 1 zieht nach Norden auf den 2198 m hohen Lomismta. Unser Weg, die Nummer 6, folgt einem Seitenkamm und fällt dann steil hinunter ins Kvabiskhevi-Tal. Schon bald ärgert mich am linken kleinen Zeh eine Blase. Zum Glück ist es nicht mehr weit. Nach 8 Stunden und 45 Minuten erreichen wir die Rangerstation in Kvabiskhevi. Ein wohlgenährter Ranger kontrolliert unser Ticket, und ein Taxifahrer, der gerade zwei Wanderer nach Kvabiskhevi gebracht hatte und nun gelangweilt neben seinem Auto wartet, will uns für 15 Lari nach Atskuri bringen. Es scheint uns zu teuer zu sein, wir sind sicher, an der Hauptstraße einen Minibus anhalten zu können.
Weit brauchen wir nicht laufen. Ein Auto kommt uns entgegen, hält und fragt, ob wir ein Taxi bräuchten. Er will nur 10 Lari bis Atskuri, wir fahren mit. Das Gästehaus „Nick & George“ liegt mitten im Dorf. George ist auch Ranger im Nationalpark, und Maia kümmert sich um die Touristen. Manch ein Hotel kann nicht mit dem Gästehaus der beiden mithalten. Zimmer und Bad sind sauber, hell und geräumig. Das Abendessen ist der Hit. Der Tisch oder besser die Tafel biegt sich fast unter den Gerichten, die uns angeboten werden, alles feinste georgische Küche. Dazu den georgischen Hauswein. Und das Beste zum Schluss: Es gibt eine Sauna, die wir natürlich testen.
Am Ranger-Kontrollposten im Likani-Tal beginnt unsere Wanderung durch den Borjomi-Kharagauli Nationalpark.
Nach fast 5 Stunden erreichen wir den bewaldeten Kamm des Bergrückens. Leider bieten sich nur wenig Aussichtspunkte wie dieser hier.
Mittagspause hoch über dem Kvabiskhevi-Tal. Danach geht es recht steil hinab.
Abstieg ins Kvabiskhevi-Tal.
Georgische Küche bei Maia und George. Nach dem Abendessen war Sauna angesagt.
George bringt uns mit seinem Geländewagen am nächsten Morgen zum Eingang des Nationalparks. Das gute Wetter soll sich die nächsten Tage halten. Es geht wieder stetig bergauf. Die Vegetation wechselt nach Hanglage, mal ist es Fichten- und Tannenwald, biegen wir um die Ecke, dominieren Kiefern und Eichen die Bergflanken. Der Wald ist sehr trocken, so als ob es wochenlang nicht mehr geregnet hätte. Ich sammle fleißig Harz und trockene Flechten von den Zweigen. Das Zeug wird mir abends zum Feuermachen nützlich sein.
Unterhalb des Sakikelesseri-Bergrückens machen wir Frühstück. Im Laufe des Tages folgen noch eine Wurst-, eine Nuss- und eine Schokopause. Auf dem Kamm wird es lichter. Auch über der 2000-Meter-Marke wachsen noch Bäume. Meist sind es Kiefern. Die schwarz-gelb-schwarze Tarnkappenmarkierung macht uns die Orientierung nicht immer leicht. Wir sind schon 8 Stunden unterwegs und von der Schutzhütte ist weit und breit nichts zu sehen. Lediglich eine völlig zerfallene Hirtenhütte liegt auf dem Weg. Auch von der Markierung keine Spur. Laut Karte muss die Hütte aber ganz in der Nähe sein. Ich schaue mich ohne Rucksack etwas in der Gegend um. Die Markierung finde ich wieder, die Hütte sehe ich nicht. Wir halten auf mehrere unter uns liegende Hirtenhütten zu. Dann entdeckt Helga ein rotes Dach zwischen den Kiefern. Das kann nur die Schutzhütte sein. Wir hatten den Abzweig verpasst. Es ist Punkt fünf Uhr nachmittags, als wir unser Tagesziel erreichen.
Die Hütte ist geräumig und sauber, sie bietet 12 Leuten eine Übernachtung. Ein Stück neben der Hütte ist die Feuerstelle. Sogar ein alter Teekessel und ein Topf stehen hier rum. Wir sammeln Holz, unterhalb der Hirtenhütten gibt es Trinkwasser. Der Hirte treibt gerade seine Kühe heim. Bald knistert ein Feuerchen und wir können unseren Tee und die Kartoffelsuppe kochen.
Trinkpause mit Borjomi-Wasser. Was sonst?
Unterhalb des Sakikelesseri-Bergrückens machen wir Frühstück.
Aufstieg zum Kamm.
Wieder begleiten uns die für den Nationalpark typischen Wanderwegmarkierungen gelbes Band auf schwarzem Grund.
Ein Weg mit Aussicht.
Die Kiefer ist der vorherrschende Nadelbaum in diesen Höhen.
Verfallene Hirtenhütte auf einer Almwiese.
Der Amarati-Tourist-Shelter, unser Tagesziel. 16 km stecken uns in den Beinen. Wir waren 8 ½ Stunden unterwegs.
An der Hütte gibt es Wasser und eine Feuerstelle – ideale Bedingungen.
In der Nacht war es warm. Helga hatte Tierstimmen gehört, vermutlich von einem größeren Tier, Stimmen, die ich nicht gehört habe. Da es an unserem heutigen Tagesziel kein Wasser gibt und wir auch unterwegs an keiner Quelle vorbeikommen, trinken wir ausgiebig Tee und füllen dann alle Wasserflaschen auf. Mit 7 Liter Wasser und einem Liter Bier im Rucksack steigen wir weiter bergauf. Angeblich lief diesen Weg schon der Apostel Andreas. Der Hirte ist mit seinen Kühen auch schon unterwegs. Der Weg ist schlecht markiert, wir müssen häufig über den Wegeverlauf rätseln. Denn durch Weidebetrieb ziehen sich an den Hängen viele Trampelpfade entlang. Unsere Karte im Maßstab 1:100 000 ist da oft nur eine grobe Hilfe.
Endlich gelangen wir in einen Bergsattel, die vor uns abfallenden Hänge sind komplett mit kleinen Rhododendronbüschen bewachsen. Im Juni, zur Blütezeit, ist das sicher ein imposanter Anblick. Am Horizont tauchen schneebedeckte Bergspitzen des Großen Kaukasus auf. Auch der Weg ist zu sehen. Der aber keinen Jubel aufkommen lässt. Es geht weit hinunter in einen Sattel und von dort wieder recht steil nach oben. Ein Felsenfenster erwartet uns im Sattel. Am Wegesrand blüht noch Enzian. Der Aufstieg ist mühsam, wir kommen nur langsam voran. Der Rucksack drückt, und die Sonne brennt aufs Hirn. Oben angekommen empfängt uns eine kleine Herde Pferde. Neugierig sind ihre Ohren aufgestellt.
Immer mehr Berge des Großen Kaukasus kommen zum Vorschein. Wir sehen den Elbrus und den Uschba. Nach Osten versperrt noch der 2642 m hohe Buckel des Sametskhvario die Sicht. Unterhalb des Gipfels soll sich unsere Rangerhütte befinden. Die Tarnkappenmarkierung zeigt sich immer seltener und verschwindet schließlich ganz. Wieder sind wir vom Wanderweg abgekommen. An der Hangkante sehen wir die Hütte tief unter uns. Ein kaum sichtbarer Trampelpfad führt zu ihr herunter.
Von der Hütte haben wir zwar einen Panoramablick auf die Berge im Osten, das Gebäude selbst ist jedoch deutlich verkommener als die gestrige Hütte. Schimmelbrot, leere Flaschen und anderer Dreck türmen sich am Eingang, die Möbel sind demoliert und auch die Tür lässt sich nicht mehr richtig schließen. Wir könnten auch zelten, doch der Nationalparktyp in Bordschomi empfahl uns, die Hütte zu nutzen, weil sich hier Bären verstärkt herumtreiben sollen. Es gibt eine Feuerstelle, aber kein Holz. So schwärmen wir erst mal aus, um Holz für unser Kochfeuer zu sammeln. Ich bastle aus der Konservendose von gestern einen Kochtopf, dann gibt es Tee und Nudeln, die nach Rauch schmecken.
Als am Abend der Mond aufgeht, ziehen von Westen her Wolken ins Tal hinauf, bis sie von den Bergen gestoppt werden.
Am nächsten Morgen steigen wir weiter bergauf. Angeblich lief diesen Weg schon der Apostel Andreas.
Rhododendron überzieht die östlichen Ausläufer der Meskheti-Bergkette.
Herbststimmung im Kleinen Kaukasus.
Wieder geht der Pfad steil bergab, um anschließend wieder hoch hinauszuführen.
Blick durchs Felsenfenster.
Eine Herde Pferde erwartet uns oben im Pass.
Es geht zum 2642 m hohen Sametskhvario. Unterhalb des Gipfels soll sich die Rangerhütte befinden.
Die Wegmarkierungen werden rar.
Doch nach einem kleinen Umweg entdecken wir tief unter uns die Hütte – unser Tagesziel.
Klo mit Ausblick.
Hier gibt es kein Wasser und auch kein Kochgeschirr. Ich baue uns einen Suppentopf. Das Wasser mussten wir mitschleppen.
Heute ist Vollmond und von der Küste her ziehen Wolken auf, die gegen die Berghänge drücken.
Die Sonne scheint am Morgen zum Fenster hinein, dennoch ist es saukalt. Bis auf die Tatsache das am Abend noch mein Bett zusammenbrach, habe ich recht gut geschlafen.
Wir essen unseren Rest Brot und eine Büchse Thunfisch, dann brechen wir auf. Eine alte Forststraße zieht sich an der Ostseite der Berghänge entlang nach Süden. Die Sicht ist phantastisch. Vor uns zeigt sich das Bergpanorama des Großen Kaukasus. Vom Elbrus bis zum Kasbek. Blaubeeren wachsen am Wegesrand. Wir pflücken eifrig, schließlich sind nicht alle nur für die Bären da. Weiter unten wachsen Brombeer- und Himbeersträucher.
Der Weg zieht sich, will schier kein Ende nehmen. Oft ist er zertrampelt und matschig. Die Vegetation ähnelt einem Dschungel. Vor meinen Füßen zappelt etwas. Ein Wurm? Ich schaue genauer hin und erkenne in dem zappelnden Etwas den Schwanz einer Eidechse. Dass Eidechsen ihr Schwanzende abwerfen, habe ich schon gehört, aber noch nie in der Realität gesehen. Häuser tauchen auf, aber es scheint niemand da zu sein. Die Heuhaufen ähneln denen in den Karpaten. Obwohl der Wald dämpfig ist, sprudelt erst ziemlich weit unten im Sakhvlari-Tal ein Bach. Wir teilen uns daher den Rest unseres Trinkwassers sorgfältig ein. Für den 19 km langen Abstieg brauchen wir 7 Stunden. Die Schutzhütte ist diesmal nicht zu übersehen, sie liegt direkt neben dem Sakhvlari-Bach auf einer kleinen Wiese. Auch hier ist es dreckig und vermüllt. Wanderer haben erst kürzlich ihr Essen liegen gelassen. Manches taugt noch etwas, anderes ist schon völlig verdorben. Wir können noch etwas Brot und Tomaten verwenden. Auch ist genügend Wasser da, wir waschen uns und unsere Wäsche und werden ausgiebig kochen. Morgen früh gibt es nur noch Nüsse und Schokolade.
Die Sicht am nächsten Morgen ist phantastisch. Vor uns zeigt sich das Bergpanorama des Großen Kaukasus. Vom Elbrus ...
... bis zum Kasbek.
Skurrile Felsenohren am Wegesrand.
Einer Legende nach soll die heilige Nino, die den Georgiern das Christentum brachte, von der Jungfrau Maria ein Kreuz aus Rebstöcken bekommen haben. Daher findet man oft ein Kreuz mit nach unten gebogenen Enden in Georgien.
Blaubeeren sind nicht nur für die Bären da.
Es geht ins Tal hinunter.
Kaukasische Holzbrücke über den Sakhvlari-Bach.
Es geht auch mit nur einem Baumstamm.
An der Marelisi-Rangerstation endet unsere Wanderung durch den Nationalpark. 4 ½ Tage waren wir unterwegs.
Mäuse hatten in der Nacht Helgas Socken durch ein Loch im Boden entführt und auch sonst recht viel Radau in der Hütte veranstaltet. Wir essen unsere Reste und die dagelassenen Tomaten. Der Tee schmeckt wieder nach Rauch. Immer dem Bach folgend geht es in Richtung Marelisi. Einmal müssen wir durchs Wasser, sonst wechselt der Weg über abenteuerliche Baumstamm-Brücken das Ufer. Da wurde nun mit deutscher Hilfe der Nationalpark finanziert, aber für gescheite Brücken hat's nicht gereicht. Nach 3 Stunden stehen wir an der Rangerstation in Marelisi. Wir machen erst mal Pause. Eine Stunde brauchen wir noch bis ins Dorf. Am Dorfeingang stehen kleine Wassermühlen am Bach, die denen in der Rudăria-Klamm im Banat täuschend ähnlich sehen. Auch hier ist das Antriebsrad unter dem Häuschen und ein Kanal leitet das Wasser drauf.
Über eine richtige Brücke geht es ins Dorf. Eine Frau kommt die Dorfstraße entlang, Helga fragt nach einem Minibus. „Taxi“ antwortet die Dame, verschwindet in einem Haus und holt ihren Mann. Wir überlegen, wohin wir eigentlich wollen. Auf jeden Fall erst mal bis zum Bahnhof. Nur, wenn man schon mal einen Fahrer hat, wäre auch Chaschuri eine Option, vorausgesetzt es wird nicht zu teuer. „Zum Bahnhof“, frage ich. „15 Lari“ ist die Antwort. „Chaschuri?“ Der Mann überlegt eine Weile. Dann sagt er: „Сто – 100.“ Bis zum Bahnhof hätten wir noch ein ganzes Stück laufen müssen, mit dem Auto sind wir ruckzuck da. Nur sieht es nicht so aus, als ob in der nächsten Stunde ein Zug vorbeikommen würde. Außer der Schotterstraße und dem Bahnhofsgebäude mit den Gleisen davor gibt es nichts. Staub wirbelt über die Schienen. Da fehlen jetzt nur noch 3 Revolverhelden, die auf ihren Boss warten, denke ich mir. Wir fahren bis Chaschuri. Die Straße entpuppt sich als kaukasische Holperpiste. Auf zwei Bodenwellen hätte unser Lada fast aufgesetzt. Bei jedem Schlagloch setzte die Musik im Kassettenrecorder kurz aus. Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Nicht dass es unserem Fahrer Niva die Ölwanne wegreißt. Sorgen macht sich auch unserer Fahrer. Irgendwas scheint bei seinem Lada nicht mehr zu funktionieren. Auf den letzten Kilometern hatte unser Fahrer heftig versucht, den stotternden Motor am Laufen zu halten. Ich hoffe nur er muss die 100 Lari nicht gleich in der Werkstatt lassen.
Mein Interesse galt diesen Bergen schon seit längerer Zeit. Zogen doch Karpatenhirten in früheren Zeiten mit ihren Schafherden bis in den Kaukasus. Da wurde es doch mal Zeit einen kleinen Exkurs zu machen.
Wir hatten die Reise grob in drei Abschnitte geteilt. An erster Stelle stand Swanetien im Großen Kaukasus. Dann wollten wir ein paar Tage am Schwarzen Meer verbringen und zuletzt noch ein wenig im Kleinen Kaukasus wandern gehen.
Hier nun der Wanderbericht im Bordschomi-Charagauli Nationalpark
Albert, der Taxifahrer, bringt uns früh um sieben zur Likani-Rangerhütte am Nationalpark. Die Rangerhütte ist noch nicht besetzt. Hier starten die Wege Nummer 1 und 6 - beide sind mit einem gelben Band auf schwarzem Grund markiert. Wir folgen dem engen Tal des Likani. Es ist kalt. Dichter Wald säumt die Berghänge. Wie in den Karpaten leben hier Bären, Wölfe und Luchse. Doch von diesen Bergbewohnern werden wir keinen treffen. Trotzdem sind wir nicht allein, nach einer reichlichen Stunde verlässt der Weg das Tal, es geht bergauf. Genau an der Wegbiegung steht ein blaues Zwei-Personen-Zelt, aus dem Inneren sind Stimmen zu hören. Für uns zieht sich eine Serpentine nach der Nächsten den Hang hinauf. Es wird Zeit Pause zu machen, aber es findet sich kein Plätzchen, was uns zusagt. Erst auf dem Kamm lichtet sich der Wald an einer Stelle und wir erhaschen einen Blick in die Umgebung. Mit Kiefern und Tannen bewaldete Hänge ziehen sich hinunter ins Mtkwari-Tal. Bunte Tupfen dazwischen zeigen an, es ist Herbst geworden im Kleinen Kaukasus. Wir laufen noch ein paar Minuten und finden schließlich einen umgestürzten Baumstamm für unsere Frühstückspause.
Der Weg zieht sich weiter bergauf. Es gibt leider wenig Ausblicke in die Landschaft. Dafür ist es am Wegesrand interessant. Neben meinen Füßen verschwindet eine fette Kreuzotter im Unterholz. Erst als wir nach etwa 4 ½ Stunden die Weggabelung erreichen, wird das Gelände offener. Weg Nummer 1 zieht nach Norden auf den 2198 m hohen Lomismta. Unser Weg, die Nummer 6, folgt einem Seitenkamm und fällt dann steil hinunter ins Kvabiskhevi-Tal. Schon bald ärgert mich am linken kleinen Zeh eine Blase. Zum Glück ist es nicht mehr weit. Nach 8 Stunden und 45 Minuten erreichen wir die Rangerstation in Kvabiskhevi. Ein wohlgenährter Ranger kontrolliert unser Ticket, und ein Taxifahrer, der gerade zwei Wanderer nach Kvabiskhevi gebracht hatte und nun gelangweilt neben seinem Auto wartet, will uns für 15 Lari nach Atskuri bringen. Es scheint uns zu teuer zu sein, wir sind sicher, an der Hauptstraße einen Minibus anhalten zu können.
Weit brauchen wir nicht laufen. Ein Auto kommt uns entgegen, hält und fragt, ob wir ein Taxi bräuchten. Er will nur 10 Lari bis Atskuri, wir fahren mit. Das Gästehaus „Nick & George“ liegt mitten im Dorf. George ist auch Ranger im Nationalpark, und Maia kümmert sich um die Touristen. Manch ein Hotel kann nicht mit dem Gästehaus der beiden mithalten. Zimmer und Bad sind sauber, hell und geräumig. Das Abendessen ist der Hit. Der Tisch oder besser die Tafel biegt sich fast unter den Gerichten, die uns angeboten werden, alles feinste georgische Küche. Dazu den georgischen Hauswein. Und das Beste zum Schluss: Es gibt eine Sauna, die wir natürlich testen.
Am Ranger-Kontrollposten im Likani-Tal beginnt unsere Wanderung durch den Borjomi-Kharagauli Nationalpark.
Nach fast 5 Stunden erreichen wir den bewaldeten Kamm des Bergrückens. Leider bieten sich nur wenig Aussichtspunkte wie dieser hier.
Mittagspause hoch über dem Kvabiskhevi-Tal. Danach geht es recht steil hinab.
Abstieg ins Kvabiskhevi-Tal.
Georgische Küche bei Maia und George. Nach dem Abendessen war Sauna angesagt.
George bringt uns mit seinem Geländewagen am nächsten Morgen zum Eingang des Nationalparks. Das gute Wetter soll sich die nächsten Tage halten. Es geht wieder stetig bergauf. Die Vegetation wechselt nach Hanglage, mal ist es Fichten- und Tannenwald, biegen wir um die Ecke, dominieren Kiefern und Eichen die Bergflanken. Der Wald ist sehr trocken, so als ob es wochenlang nicht mehr geregnet hätte. Ich sammle fleißig Harz und trockene Flechten von den Zweigen. Das Zeug wird mir abends zum Feuermachen nützlich sein.
Unterhalb des Sakikelesseri-Bergrückens machen wir Frühstück. Im Laufe des Tages folgen noch eine Wurst-, eine Nuss- und eine Schokopause. Auf dem Kamm wird es lichter. Auch über der 2000-Meter-Marke wachsen noch Bäume. Meist sind es Kiefern. Die schwarz-gelb-schwarze Tarnkappenmarkierung macht uns die Orientierung nicht immer leicht. Wir sind schon 8 Stunden unterwegs und von der Schutzhütte ist weit und breit nichts zu sehen. Lediglich eine völlig zerfallene Hirtenhütte liegt auf dem Weg. Auch von der Markierung keine Spur. Laut Karte muss die Hütte aber ganz in der Nähe sein. Ich schaue mich ohne Rucksack etwas in der Gegend um. Die Markierung finde ich wieder, die Hütte sehe ich nicht. Wir halten auf mehrere unter uns liegende Hirtenhütten zu. Dann entdeckt Helga ein rotes Dach zwischen den Kiefern. Das kann nur die Schutzhütte sein. Wir hatten den Abzweig verpasst. Es ist Punkt fünf Uhr nachmittags, als wir unser Tagesziel erreichen.
Die Hütte ist geräumig und sauber, sie bietet 12 Leuten eine Übernachtung. Ein Stück neben der Hütte ist die Feuerstelle. Sogar ein alter Teekessel und ein Topf stehen hier rum. Wir sammeln Holz, unterhalb der Hirtenhütten gibt es Trinkwasser. Der Hirte treibt gerade seine Kühe heim. Bald knistert ein Feuerchen und wir können unseren Tee und die Kartoffelsuppe kochen.
Trinkpause mit Borjomi-Wasser. Was sonst?
Unterhalb des Sakikelesseri-Bergrückens machen wir Frühstück.
Aufstieg zum Kamm.
Wieder begleiten uns die für den Nationalpark typischen Wanderwegmarkierungen gelbes Band auf schwarzem Grund.
Ein Weg mit Aussicht.
Die Kiefer ist der vorherrschende Nadelbaum in diesen Höhen.
Verfallene Hirtenhütte auf einer Almwiese.
Der Amarati-Tourist-Shelter, unser Tagesziel. 16 km stecken uns in den Beinen. Wir waren 8 ½ Stunden unterwegs.
An der Hütte gibt es Wasser und eine Feuerstelle – ideale Bedingungen.
In der Nacht war es warm. Helga hatte Tierstimmen gehört, vermutlich von einem größeren Tier, Stimmen, die ich nicht gehört habe. Da es an unserem heutigen Tagesziel kein Wasser gibt und wir auch unterwegs an keiner Quelle vorbeikommen, trinken wir ausgiebig Tee und füllen dann alle Wasserflaschen auf. Mit 7 Liter Wasser und einem Liter Bier im Rucksack steigen wir weiter bergauf. Angeblich lief diesen Weg schon der Apostel Andreas. Der Hirte ist mit seinen Kühen auch schon unterwegs. Der Weg ist schlecht markiert, wir müssen häufig über den Wegeverlauf rätseln. Denn durch Weidebetrieb ziehen sich an den Hängen viele Trampelpfade entlang. Unsere Karte im Maßstab 1:100 000 ist da oft nur eine grobe Hilfe.
Endlich gelangen wir in einen Bergsattel, die vor uns abfallenden Hänge sind komplett mit kleinen Rhododendronbüschen bewachsen. Im Juni, zur Blütezeit, ist das sicher ein imposanter Anblick. Am Horizont tauchen schneebedeckte Bergspitzen des Großen Kaukasus auf. Auch der Weg ist zu sehen. Der aber keinen Jubel aufkommen lässt. Es geht weit hinunter in einen Sattel und von dort wieder recht steil nach oben. Ein Felsenfenster erwartet uns im Sattel. Am Wegesrand blüht noch Enzian. Der Aufstieg ist mühsam, wir kommen nur langsam voran. Der Rucksack drückt, und die Sonne brennt aufs Hirn. Oben angekommen empfängt uns eine kleine Herde Pferde. Neugierig sind ihre Ohren aufgestellt.
Immer mehr Berge des Großen Kaukasus kommen zum Vorschein. Wir sehen den Elbrus und den Uschba. Nach Osten versperrt noch der 2642 m hohe Buckel des Sametskhvario die Sicht. Unterhalb des Gipfels soll sich unsere Rangerhütte befinden. Die Tarnkappenmarkierung zeigt sich immer seltener und verschwindet schließlich ganz. Wieder sind wir vom Wanderweg abgekommen. An der Hangkante sehen wir die Hütte tief unter uns. Ein kaum sichtbarer Trampelpfad führt zu ihr herunter.
Von der Hütte haben wir zwar einen Panoramablick auf die Berge im Osten, das Gebäude selbst ist jedoch deutlich verkommener als die gestrige Hütte. Schimmelbrot, leere Flaschen und anderer Dreck türmen sich am Eingang, die Möbel sind demoliert und auch die Tür lässt sich nicht mehr richtig schließen. Wir könnten auch zelten, doch der Nationalparktyp in Bordschomi empfahl uns, die Hütte zu nutzen, weil sich hier Bären verstärkt herumtreiben sollen. Es gibt eine Feuerstelle, aber kein Holz. So schwärmen wir erst mal aus, um Holz für unser Kochfeuer zu sammeln. Ich bastle aus der Konservendose von gestern einen Kochtopf, dann gibt es Tee und Nudeln, die nach Rauch schmecken.
Als am Abend der Mond aufgeht, ziehen von Westen her Wolken ins Tal hinauf, bis sie von den Bergen gestoppt werden.
Am nächsten Morgen steigen wir weiter bergauf. Angeblich lief diesen Weg schon der Apostel Andreas.
Rhododendron überzieht die östlichen Ausläufer der Meskheti-Bergkette.
Herbststimmung im Kleinen Kaukasus.
Wieder geht der Pfad steil bergab, um anschließend wieder hoch hinauszuführen.
Blick durchs Felsenfenster.
Eine Herde Pferde erwartet uns oben im Pass.
Es geht zum 2642 m hohen Sametskhvario. Unterhalb des Gipfels soll sich die Rangerhütte befinden.
Die Wegmarkierungen werden rar.
Doch nach einem kleinen Umweg entdecken wir tief unter uns die Hütte – unser Tagesziel.
Klo mit Ausblick.
Hier gibt es kein Wasser und auch kein Kochgeschirr. Ich baue uns einen Suppentopf. Das Wasser mussten wir mitschleppen.
Heute ist Vollmond und von der Küste her ziehen Wolken auf, die gegen die Berghänge drücken.
Die Sonne scheint am Morgen zum Fenster hinein, dennoch ist es saukalt. Bis auf die Tatsache das am Abend noch mein Bett zusammenbrach, habe ich recht gut geschlafen.
Wir essen unseren Rest Brot und eine Büchse Thunfisch, dann brechen wir auf. Eine alte Forststraße zieht sich an der Ostseite der Berghänge entlang nach Süden. Die Sicht ist phantastisch. Vor uns zeigt sich das Bergpanorama des Großen Kaukasus. Vom Elbrus bis zum Kasbek. Blaubeeren wachsen am Wegesrand. Wir pflücken eifrig, schließlich sind nicht alle nur für die Bären da. Weiter unten wachsen Brombeer- und Himbeersträucher.
Der Weg zieht sich, will schier kein Ende nehmen. Oft ist er zertrampelt und matschig. Die Vegetation ähnelt einem Dschungel. Vor meinen Füßen zappelt etwas. Ein Wurm? Ich schaue genauer hin und erkenne in dem zappelnden Etwas den Schwanz einer Eidechse. Dass Eidechsen ihr Schwanzende abwerfen, habe ich schon gehört, aber noch nie in der Realität gesehen. Häuser tauchen auf, aber es scheint niemand da zu sein. Die Heuhaufen ähneln denen in den Karpaten. Obwohl der Wald dämpfig ist, sprudelt erst ziemlich weit unten im Sakhvlari-Tal ein Bach. Wir teilen uns daher den Rest unseres Trinkwassers sorgfältig ein. Für den 19 km langen Abstieg brauchen wir 7 Stunden. Die Schutzhütte ist diesmal nicht zu übersehen, sie liegt direkt neben dem Sakhvlari-Bach auf einer kleinen Wiese. Auch hier ist es dreckig und vermüllt. Wanderer haben erst kürzlich ihr Essen liegen gelassen. Manches taugt noch etwas, anderes ist schon völlig verdorben. Wir können noch etwas Brot und Tomaten verwenden. Auch ist genügend Wasser da, wir waschen uns und unsere Wäsche und werden ausgiebig kochen. Morgen früh gibt es nur noch Nüsse und Schokolade.
Die Sicht am nächsten Morgen ist phantastisch. Vor uns zeigt sich das Bergpanorama des Großen Kaukasus. Vom Elbrus ...
... bis zum Kasbek.
Skurrile Felsenohren am Wegesrand.
Einer Legende nach soll die heilige Nino, die den Georgiern das Christentum brachte, von der Jungfrau Maria ein Kreuz aus Rebstöcken bekommen haben. Daher findet man oft ein Kreuz mit nach unten gebogenen Enden in Georgien.
Blaubeeren sind nicht nur für die Bären da.
Es geht ins Tal hinunter.
Kaukasische Holzbrücke über den Sakhvlari-Bach.
Es geht auch mit nur einem Baumstamm.
An der Marelisi-Rangerstation endet unsere Wanderung durch den Nationalpark. 4 ½ Tage waren wir unterwegs.
Mäuse hatten in der Nacht Helgas Socken durch ein Loch im Boden entführt und auch sonst recht viel Radau in der Hütte veranstaltet. Wir essen unsere Reste und die dagelassenen Tomaten. Der Tee schmeckt wieder nach Rauch. Immer dem Bach folgend geht es in Richtung Marelisi. Einmal müssen wir durchs Wasser, sonst wechselt der Weg über abenteuerliche Baumstamm-Brücken das Ufer. Da wurde nun mit deutscher Hilfe der Nationalpark finanziert, aber für gescheite Brücken hat's nicht gereicht. Nach 3 Stunden stehen wir an der Rangerstation in Marelisi. Wir machen erst mal Pause. Eine Stunde brauchen wir noch bis ins Dorf. Am Dorfeingang stehen kleine Wassermühlen am Bach, die denen in der Rudăria-Klamm im Banat täuschend ähnlich sehen. Auch hier ist das Antriebsrad unter dem Häuschen und ein Kanal leitet das Wasser drauf.
Über eine richtige Brücke geht es ins Dorf. Eine Frau kommt die Dorfstraße entlang, Helga fragt nach einem Minibus. „Taxi“ antwortet die Dame, verschwindet in einem Haus und holt ihren Mann. Wir überlegen, wohin wir eigentlich wollen. Auf jeden Fall erst mal bis zum Bahnhof. Nur, wenn man schon mal einen Fahrer hat, wäre auch Chaschuri eine Option, vorausgesetzt es wird nicht zu teuer. „Zum Bahnhof“, frage ich. „15 Lari“ ist die Antwort. „Chaschuri?“ Der Mann überlegt eine Weile. Dann sagt er: „Сто – 100.“ Bis zum Bahnhof hätten wir noch ein ganzes Stück laufen müssen, mit dem Auto sind wir ruckzuck da. Nur sieht es nicht so aus, als ob in der nächsten Stunde ein Zug vorbeikommen würde. Außer der Schotterstraße und dem Bahnhofsgebäude mit den Gleisen davor gibt es nichts. Staub wirbelt über die Schienen. Da fehlen jetzt nur noch 3 Revolverhelden, die auf ihren Boss warten, denke ich mir. Wir fahren bis Chaschuri. Die Straße entpuppt sich als kaukasische Holperpiste. Auf zwei Bodenwellen hätte unser Lada fast aufgesetzt. Bei jedem Schlagloch setzte die Musik im Kassettenrecorder kurz aus. Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Nicht dass es unserem Fahrer Niva die Ölwanne wegreißt. Sorgen macht sich auch unserer Fahrer. Irgendwas scheint bei seinem Lada nicht mehr zu funktionieren. Auf den letzten Kilometern hatte unser Fahrer heftig versucht, den stotternden Motor am Laufen zu halten. Ich hoffe nur er muss die 100 Lari nicht gleich in der Werkstatt lassen.
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